marken auf reisen: erfolgsstrategien fur marken im tourismus

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Page 1: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus
Page 2: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

Nicholas Adjouri | Tobias Büttner

Marken auf Reisen

Page 3: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

Nicholas Adjouri | Tobias Büttner

Marken auf ReisenErfolgsstrategien für Marken im Tourismus

Page 4: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

Bibliografische Information Der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

1. Auflage 2008

Alle Rechte vorbehalten© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008

Lektorat: Barbara Möller

Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media.www.gabler.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. JedeVerwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohneZustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere fürVervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherungund Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werkberechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen imSinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und dahervon jedermann benutzt werden dürften.

Umschlaggestaltung: Nina Faber de.sign, WiesbadenSatz: N & N GdbR l Business & Communication, MainzDruck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, HeusenstammGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany

ISBN 978-3-8349-0581-9

Page 5: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

5 Vorwort |

Vorwort

Keine andere Branche bietet so ungeahnte Möglichkeiten und Potenziale wie der Tou-rismus. Der Markt scheint keine Grenzen zu haben. Trotzdem begann eine markenorientier-te Vorgehensweise in der Tourismusbranche vergleichsweise spät. Dies hängt vor allem mit den über Jahrzehnten erhalten gebliebenen Wachstumsraten und der bis in die 90er Jahre vorherrschenden Struktur der Branche zusammen: Noch vor 15 Jahren war die Branche eher eine Ansammlung unabhängiger Mittelständler, die viele Entscheidungen einfach aus dem Bauch heraus fällten. Allgemein gilt der Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt im Touris-mus erst seit Mitte/Ende der 90er Jahre als vollzogen. Bis dahin mussten die Tourismusunter-nehmen hauptsächlich nur Kapazitäten schaffen und das generelle Wachstum organisieren. Ein Kampf um Marktanteile fand, wenn überhaupt, in sehr geringem Umfang statt, da ohne-hin die gesamte Branche hohe jährliche Wachstumsraten verzeichnete.

Zu beobachten ist, dass eine Zuwanderung gut ausgebildeter Marketingleute von der Konsumgüterunterindustrie in die Touristik vergleichsweise spät und in viel geringerem Maße stattgefunden hat als in vielen anderen Branchen. Die ausgeprägte Praktiker-Mentalität in den Managementetagen der Touristikbranche hat dies lange verhindert. Ein massenmarktstrate-gisches Vorgehen war noch lange weit verbreitet: Viele Reiseveranstalter, Reisebüros und Destinationen wandten sich an die große Masse und wollten alle Kunden von 1 bis 100 Jah-ren ansprechen. Sie hatten meist Bedenken, sich zu sehr zu spezialisieren.

Auch hatten nur wenige Unternehmen in der Touristik eine hohe Markenbekanntheit, die sich mit starken Marken anderer Märkte hätte vergleichen lassen. Eine Untersuchung des Markt- und Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid aus dem Mai 2000 ergab, dass nur zwei Reiseveranstalter in Deutschland eine ungestützte Marken-Bekanntheit von mehr als 60 Pro-zent erzielten. Dies waren die Unternehmen TUI mit 73 Prozent und Neckermann mit 69 Pro-zent. Doch seit Mitte der 90er Jahre traf die Branche auf eine Vielzahl von Marktproblemen. Die jährlichen üppigen Wachstumsraten des Gesamtmarktes blieben aus. Ruinöser Preis- und Verdrängungswettbewerb auf der Anbieterseite kennzeichnen seitdem die Situation im Massentourismus, einhergehend mit verstärkten Konzentrationsprozessen und Konzernbil-dung. Da viele Produkte auf dem touristischen Markt problemlos austauschbar waren, war die Strategie über lange Zeit, sie einfach billiger als im Vorjahr anzubieten; über Angebotsver-besserungen wurde nicht viel nachgedacht.

Der einstmals undifferenzierte Massenmarkt begann sich spätestens seit der Jahrtau-sendwende mehr und mehr aufzuteilen. Der Verbraucher wandelte sich; es entstand eine Vielzahl neuer differenzierter Teilmärkte. Spätestens seit dieser Zeit spielt die marktorientierte Unternehmensplanung im Tourismus eine herausgehobene Rolle. Heute, fast ein Jahrzehnt später, gibt es eine größere Anzahl bekannter Touristikmarken bei den Reiseveranstaltern. So haben laut der Gruner-und-Jahr-Untersuchung Markenvierklang von 2007 bereits vier Veran-stalter eine Markenbekanntheit von mehr als 60 Prozent. Dies sind die TUI, Neckermann, All-tours und Thomas Cook Reisen.

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6 | Vorwort

Wie in anderen Branchen hat in den letzten Jahren die Nachfrage insbesondere für Rei-sen im mittleren Preissegment nachgelassen. Starke Wachstumsraten gibt es hingegen im Billigsegment (Billigflieger, Reisevertrieb über Discounter etc.) sowie im Hochpreissegment. Die Wachstumsraten im Hochpreissegment sind unter anderem auf den Anstieg der wohlha-benden, älteren Bevölkerung zurückzuführen, die immer reiseintensiver wird. Aber auch die sich im Allgemeinen im Hoch- und Billigpreissegment polarisierende Nachfrage, die neben der Entwicklung der Bevölkerungsstruktur auch auf einen immer hybrideren Verbraucher zu-rückzuführen ist, trägt dazu bei. Auf der einen Seite werden Produkte über den Preis nach-gefragt, häufig sind dies Produkte mit Grundnutzen, z. B. die Anreise mit dem Billigflieger als Transportleistung. Auf der anderen Seite ist der gleiche Verbraucher bei Produkten mit Zu-satznutzen bereit, wesentlich mehr auszugeben, z. B. für das Dinner im Sternerestaurant.

Daneben gibt es einen allgemeinen Trend zu mehr und häufigeren Kurzreisen. Dies liegt zum einen an der vergleichsweise billigen Mobilität, die es erlaubt, sich immer flexibler zu be-wegen, zum anderen an einem geänderten Konsumentenverhalten im Tourismus; der Ver-braucher ist individueller, spontaner und erlebnisorientierter. Besonders die mittleren und kleinen Anbieter auf dem Markt haben dadurch Chancen; sie können gut überleben, wenn sie sich verstärkt auf die entstandenen Teil- und Nischenmärkte konzentrieren, die von den Großen in der Branche entweder zu spät erkannt werden oder zu klein sind, um sich in de-ren Portfolios auszuzahlen. Speziell diese Märkte aber verlangen eine differenzierte und ana-lytisch untermauerte Marktbearbeitung. Beispiele zeigen, dass kleine und mittlere Anbieter sehr erfolgreich am Markt bestehen können, wenn sie die Nischen besetzen, die durch den Konzentrationsprozess der Branche entstanden sind. Die durch Fusionen und Kooperationen immer größer gewordenen Konzerne der Tourismusindustrie stehen vor großen Herausfor-derungen. Der Verbraucher hat mehr und mehr den Wunsch nach Individualisierung und ein Bedürfnis nach Wahl- und Handlungsfreiheit. Die traditionelle Pauschalreise ist hierfür keine dauerhafte Lösung mehr. Das Internet bietet neue Möglichkeiten für den Verbraucher, der in seinem Verhalten zur Tourismusindustrie ohnehin weniger markentreu ist als der Konsument der meisten anderen Branchen.

Vor diesem Hintergrund stellt „Marken auf Reisen“ dar, wie sich Marken im Tourismus entwickelt haben und worauf beim Markenmanagement zu achten ist. Dabei werden unter-schiedliche Tourismusmarken aus den verschiedensten Segmenten in ihrer gesamten Band-breite gezeigt. Ausführlich gehen wir auf die Destinationsmarke Berlin ein, für die eigens eine Markenanalyse in sechs Ländern durchgeführt wurde. Auch die Ergebnisse einer Markenana-lyse für die Hotelmarke Maritim werden hier präsentiert. Parallel finden Sie eine Vielzahl von weiteren Fallbeispielen aus der Praxis. Zielsetzung des Buches ist es, die Praxis der Tourismus-marken theoretisch fundiert und zugleich anschaulich in allen Facetten zu beschreiben.

Das Buch richtet sich primär an Praktiker aus dem Tourismus- und Markenbereich. Es spricht alle an, die mit Marken direkt und indirekt zu tun haben: Vorstände, Geschäftsführer, Marken- und Marketingmanager, Produktverantwortliche und Kommunikationsberater; aber auch Lehrende und Lernende aus dem Tourismusbereich sind Zielgruppe dieses Buches.

„Marken auf Reisen“ wäre nicht ohne die Hilfe vieler Personen entstanden. Bedanken möchten wir uns insbesondere bei Jens Frank, Martin Genzler, Oliver Jurisch, Daniel Mares-tani, Kerstin Parpat, Karsten Prachold, Paul Roemer, Dr. Katalin Velladics und Anette Zaboli.

Nicholas Adjouri Tobias Büttner

Page 7: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

7 Inhalt |

Inhalt

Vorwort ___________________________________________________________________ 5

Teil ITourismus und Marken 11

1. Tourismus als entscheidende Größe der Volkswirtschaft _____________________ 13

Die Geschichte des Tourismus __________________________________________ 13Die Definition von Tourismus ___________________________________________ 14Die wirtschaftliche Dimension des Tourismus _____________________________ 15Weltweite Reisemärkte ________________________________________________ 17Reiseweltmeister Deutschland __________________________________________ 19Reiseziel Deutschland _________________________________________________ 23

2. Die Tourismuswirtschaft _______________________________________________ 24

Reiseveranstalter _____________________________________________________ 25Reisevermittlung _____________________________________________________ 33Luftverkehrsmarkt ____________________________________________________ 47Beherbergung _______________________________________________________ 54Kreuzfahrten _________________________________________________________ 61

3. Das Wissen um die Marke _____________________________________________ 68

Marke ist Kommunikation ______________________________________________ 69Die zwei Ebenen der Marke ____________________________________________ 71Der Aufbau einer Marke _______________________________________________ 91Was ist eine Marke? __________________________________________________ 95Die Marken-Checkliste _______________________________________________ 103Der Marken-Baum: Geschichte als Basis der Marke _______________________ 106Die Markenkategorien ________________________________________________ 108

Teil IIFallbeispiele und Analysenaus der Praxis der Tourismusmarken 113

1. Destinationen und Marke _____________________________________________ 116

Das Fallbeispiel Berlin ________________________________________________ 117Das Fallbeispiel Südafrika _____________________________________________ 154

Page 8: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

8 | Inhalt

2. Integrierte Tourismuskonzernmarke _____________________________________ 165

Das Fallbeispiel Thomas Cook Group ___________________________________ 165

3. Tourismusmarke im stationären Vertrieb _________________________________ 175

Das Fallbeispiel Lufthansa City Center __________________________________ 175

4. Tourismusmarke im Online-Vertrieb ________________________________________ 178

Das Fallbeispiel Expedia ______________________________________________ 178

5. Spezialveranstalter ___________________________________________________ 181

Das Fallbeispiel Studiosus Reisen ______________________________________ 181Das Fallbeispiel Ameropa-Reisen _______________________________________ 189

6. Produktmarke im Tourismus ___________________________________________ 195

Das Fallbeispiel Hurtigruten ___________________________________________ 195

7. Markenmanagement bei Fluggesellschaften ______________________________ 199

Das Fallbeispiel Thai Airways _________________________________________ 199Das Fallbeispiel easyJet _______________________________________________ 203

8. Hotelmarke _________________________________________________________ 209

Das Fallbeispiel Maritim ______________________________________________ 209

9. Kreuzfahrtmarken ____________________________________________________ 216

Das Fallbeispiel AIDA Cruises __________________________________________ 216Das Fallbeispiel Hapag-Lloyd Kreuzfahrten _______________________________ 221

Teil IIILeitfaden für Markenstrategienim Tourismus 229

1. Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus _____________________________ 231

Vorgehensweise beim Aufbausowie beim Ausbau einer Marke ______________ 232Der erste Schritt: Die Analyse _________________________________________ 234Der zweite Schritt: Die Strategie _______________________________________ 236Der dritte Schritt: Die Umsetzung ______________________________________ 243

2. Trends und Ausblick – Die Zukunft des Tourismus _________________________ 265

Tourismusnachfrage der Zukunft _______________________________________ 265Tourismus für die neuen Alten _________________________________________ 267Die Zukunft der Kreuzfahrt ____________________________________________ 268Die Zukunft des Reisevertriebs _________________________________________ 268

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9 Inhalt |

Anmerkungen ___________________________________________________________ 277

Literatur _________________________________________________________________ 279

Die Autoren _____________________________________________________________ 281

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TEIL ITourismus und Marken

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13 Tourismus und Marken |

Tourismus als entscheidende 1. Größe der Volkswirtschaft

Die Geschichte des Tourismus

Bis zum 18. Jahrhundert waren Reisen ein Privileg des Adels und des wohlhabenden Bürgertums. Sie hatten meist den Charakter einer Bildungsreise – man verreiste, um sich in Fremdsprachen, Kultur und Menschenkenntnis weiterzubilden. Im 19. Jahrhundert entwi-ckelte sich ein Tourismus, der über Bildungsreisen z. B. in kultur- und geschichtsträchtige Städte Italiens hinausging. Immer häufiger fuhren diejenigen, die es sich leisten konnten, zur Erholung in die Alpen oder ans Meer. Diese neue Dimension des Reisens markierte den Be-ginn der Tourismusbranche: 1827 entstand der erste deutsche Verlag für Reiseliteratur. Mit-te des Jahrhunderts wurde der erste Alpenverein gegründet, 1841 fand die erste organisierte Gruppenreise statt, die von Thomas Cook angeboten wurde. Er organisierte eine Eisenbahn-reise für über 500 Aktivisten der Abstinenzbewegung von Leicester nach Loughborough. Thomas Cook gründete 1845 auch das erste Reisebüro der Welt in England. Die Engländer, Kolonialherren über Gebiete in der ganzen Welt, gelten als Pioniere des Tourismus. Im spä-ten 19. Jahrhundert wurde Reisen erstmals auch für eine breitere Bevölkerungsschicht finan-ziell möglich.

Das erste Reisebüro in Deutschland wurde 1863 in Breslau eröffnet. Erst im 20. Jahrhun-dert konnte auch die Arbeiterklasse reisen. In den 30er Jahren gab es in Deutschland erst-mals Urlaubstage für alle Arbeitnehmer, zunächst sechs bis zwölf Tage im Jahr. Die Natio-nalsozialisten boten mit ihrer Vereinigung „Kraft durch Freude“ organisierte Reisen zu sehr günstigen Preisen an und lösten damit eine große Reisewelle aus. Auch die Arbeiterklasse konnte sich so an sonst eher teuren Urlaubsorten erholen, dies brachte den Nationalsozia-listen eine Menge Wählerstimmen. Auch aus ideologischen Gründen wurde der Tourismus für die breite Masse gefördert. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann mit dem Wirtschafts-wunder und dem steigenden Wohlstand der eigentliche Massentourismus, in Deutschland ebenso wie in anderen europäischen Staaten. Es bildeten sich diverse Dienstleistungsunter-nehmen für die Tourismusindustrie. Reiseveranstalter begannen, Urlaubsreisen zu standardi-sieren; die Nachfrage nach Pauschalreisen wuchs bis in die 90er Jahre beständig. In den 60er Jahren stiegen die Versandhändler Neckermann und Quelle sowie der ADAC in das Reisege-schäft ein, die bis dahin jeweils einen anderen Geschäftszweck innegehabt hatten.

Gestiegenes Realeinkommen, mehr Urlaubstage und höhere Mobilität durch Verbesse-rung der Verkehrsinfrastruktur lösten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen Tou-rismusboom aus, der stetig wuchs. Anfang der 50er Jahre waren es noch 25 Prozent der Deutschen, die mindestens fünf Tage im Jahr in Urlaub fuhren, heute gehen etwa 75 Prozent mindestens einmal im Jahr auf eine längere Urlaubsreise mit mindestens fünf Tagen Dauer.

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14 | Tourismus als entscheidende Größe der Volkswirtschaft

Die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e. V. (F.U.R.) analysiert seit ihrer Grün-dung 1994 das Reiseverhalten der deutschen Bevölkerung mit der Reiseanalyse, zuvor wur-de diese bereits 23 Jahre lang vom Studienkreis für Tourismus erhoben. Seit den 50er Jahren bis in die Mitte der 90er Jahre stieg die Reiseintensität kontinuierlich an, seitdem stagniert sie, allerdings auf hohem Niveau. Man geht davon aus, dass der Anteil der urlaubenden Bevöl-kerung nicht weiter steigen wird. Allerdings entwickelt sich ein Trend zu häufigeren Reisen. Etwa 30 Prozent aller Reisen haben ihr Ziel in Deutschland, 70 Prozent führen ins Ausland. Diese Verteilung ist seit etwa 20 Jahren unverändert und schwankt nur leicht.

Abbildung I-1: Entwicklung der Reiseintensität der Deutschen 1970 bis 2006, Urlaubsreisen ab 5 Tagen Dauer, in Prozent der Bevölkerung

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1971 1972 1977 1982 1987 1992 2002 2006

Quelle: Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e. V.

Die Definition von Tourismus

Die World Tourism Organization (UNWTO) definiert Tourismus als Aktivitäten von Perso-nen, die sich an Orte außerhalb ihrer gewohnten Umgebung (Wohn- und Arbeitsort) bege-ben und sich dort nicht länger als ein Jahr zu Freizeit-, Geschäfts- oder anderen Zwecken auf-halten, wobei der Hauptreisezweck ein anderer ist als die Ausübung einer Tätigkeit, die vom besuchten Ort aus vergütet wird. Die Definition beinhaltet somit sowohl Urlaubs- als auch Geschäftsreisen und schließt nur die Mobilität innerhalb der gewohnten Umgebung, also Wohn- und Arbeitsort aus. Urlaubsreisen können dabei alle möglichen Formen annehmen:

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15 Tourismus und Marken |

ein Besuch bei Verwandten, ein Erholungsurlaub am Strand, die individuell organisierte Rund-reise, eine Schiffskreuzfahrt, eine Weltreise usw. ‚Tourismus’ wird in der Regel synonymbenutzt mit den Bezeichnungen ‚Touristik’, ‚Fremdenverkehr’ und ‚Reiseverkehr’. Das Grund-produkt des Tourismus ist die Reise selbst. Die meisten von Tourismusbetrieben erstellten Leistungen sind Dienstleistungen.

Die wirtschaftliche Dimension des Tourismus

Der Tourismus ist einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige und eine der bedeutendsten Wachstumsbranchen weltweit. Der World Travel & Tourism Council (WTTC) beziffert in sei-nem Jahresbericht für 2007 den gesamtwirtschaftlichen Produktionswert der Tourismuswirt-schaft auf 5.391 Milliarden US-Dollar und damit auf 10,4 Prozent des Welt-Bruttoinlandpro-duktes. Gleichzeitig sind 231 Millionen Beschäftigte vom Tourismus abhängig, das entspricht 8,3 Prozent aller Beschäftigungsverhältnisse weltweit. Das heißt, mehr als jedes zwölfte Ar-beitseinkommen wird mit Einnahmen aus wirtschaftlichen Aktivitäten des Tourismus bezahlt.

Betrachtet man die Tourismuswirtschaft der Europäischen Union als Einheit, ist sie mit 35 Prozent weltweitem Marktanteil der größte touristische Einzelmarkt. Die europäische Touris-musindustrie (im engsten Sinne) erwirtschaftet mit etwa zwei Millionen Unternehmen über vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) der Gemeinschaft und beschäftigt mit etwa acht Millionen Angestellten rund vier Prozent aller Arbeitskräfte. Dies bedeutet, dass die Tourismus industrie erheblich größer ist als die Automobilindustrie, die etwa drei Prozent zum europäischen BIP beisteuert. Berücksichtigt man noch die Verknüpfung mit anderen Sekto-ren, liegt der geschätzte Anteil des Tourismus am europäischen BIP bei rund elf Prozent und sein Anteil an der Beschäftigung bei mehr als zwölf Prozent.

Weltweite Wachstumsbranche Tourismus

Der WTTC geht von einem jährlichen durchschnittlichen Wachstum in Höhe von 4,3 Pro-zent bis zum Jahr 2017 aus. Diese Wachstumsraten liegen über den erwarteten Wachstums-raten der Gesamtwirtschaft.

Auch im weltweiten Sektorenvergleich wächst die Reisebranche überdurchschnittlich. Als Gesamtreisemarkt zählen alle Anbieter, Nachfrager und Produkte, die mit dem Reisever-kehr in Zusammenhang stehen. Die Wachstumsraten in Europa und Amerika sind geringer als in Asien, Afrika oder im Mittleren Osten. Fernreisen wiederum weisen höhere Wachs-tumsraten auf als Reisen in Nachbarländer. Am stärksten wächst die Tourismuswirtschaft in Schwellenländern wie China, Montenegro oder Venezuela. Auch die arabischen Staaten verzeichnen zweistellige Wachstumsraten. Der WTTC schätzt, dass sich die Wachstumsent-wicklung insbesondere in den Schwellenländern fortsetzen wird.

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16 | Tourismus als entscheidende Größe der Volkswirtschaft

Abbildung I-2: Weltweite jährliche Wachstumsraten der Tourismuswirtschaft (in %)

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1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017

Quelle: World Travel & Tourism Council

Tabelle I-1: Die höchsten jährlichen Wachstumsraten von Tourismuswirtschaften 2007 geschätzte durchschnittliche jährliche Wachstumsraten bis 2017

Travel & Tourism Demand, 2007(% Real Growth)

Travel & Tourism Demand 2007-2017(% Annualized Real Growth)

1. Angola 31,1 % 1. China 9,1 %

2. Aserbaidschan 18,9 % 2. Montenegro 8,6 %

3. Venezuela 16,0 % 3. Indien 7,9 %

4. Trinidad und Tobago 15,5 % 4. Kroatien 7,8 %

5. Libyen 15,3 % 5. Kongo (Dem. Rep.) 7,8 %

6. Montenegro 15,2 % 6. Vietnam 7,5 %

7. Kuwait 15,0 % 7. Rumänien 7,4 %

8. Bahrain 14,5 % 8. Namibia 7,1 %

9. Kongo (Dem. Rep.) 13,4 % 9. Hong Kong 7,0 %

10. China 13,3 % 10. Tschad 7,0 %

Quelle: World Travel & Tourism Council

An der Spitze der erwarteten durchschnittlichen Wachstumsraten des Tourismussektors der verschiedenen Volkswirtschaften steht China mit einem jährlichen Wachstum von 9,1 Prozent. Auch anderen asiatischen Ländern prognostiziert der WTTC hohe jährliche Wachs-tumsraten, so Indien 7,9 Prozent jährliches Wachstum, Vietnam 7,4 Prozent und Hongkong

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17 Tourismus und Marken |

7,0 Prozent. Auch im neuen Europa wird sich Nachholbedarf auf die Tourismuswirtschaft auswirken. Montenegro, Kroatien und Rumänien stehen ebenfalls auf der Top-Ten-Liste für Wachstumsraten im Bereich des Tourismus.

Tabelle I-2: Gesamtwirtschaftlicher Produktionswert der Tourismuswirtschaft 2007 und 2017

Travel & Tourism Demand, 2007 (US$ Mn) Travel & Tourism Demand, 2017 (US$ Mn)

1. USA 1.689.309 1. USA 3.067.977

2. Japan 523.015 2. China 1.571.015

3. Deutschland 483.598 3. Japan 981.437

4. China 439.772 4. Deutschland 744.910

5. Großbritannien 377.122 5. Großbritannien 605.124

6. Frankreich 366.927 6. Frankreich 542.658

7. Spanien 300.099 7. Spanien 503.957

8. Italien 271.972 8. Italien 395.970

9. Kanada 201.971 9. Russische Föderation 324.352

10. Mexiko 149.483 10. Kanada 311.412

Quelle: World Travel & Tourism Council

Die USA werden nach der Prognose des WTTC auch 2017 noch die weltweit größte Tou-rismuswirtschaft sein. Die entscheidenden Veränderungen im weltweiten Reiseverkehr aber werden die neuen Touristenströme der Schwellenländer sein. China wird nach Schätzungen des WTTC im Jahr 2017 fast dreimal mehr auf Tourismus bezogene Ausgaben haben als Deutschland. Ebenfalls wird Russland in die Top-Ten-Liste aufsteigen.

Weltweite Reisemärkte

In keinem Land der Welt wird mehr Geld für Reisen ausgegeben als in den USA. Der An-teil an Reisen innerhalb der USA ist dabei vergleichsweise hoch. Amerikaner machen am liebsten Urlaub im eigenen Land, das dank seiner Ausdehnung die verschiedensten Land-schaften und Klimazonen bietet. Dadurch liegen die USA mit ihren Auslandsreiseausgaben hinter dem geografisch gesehen kleinen Deutschland leicht zurück.

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18 | Tourismus als entscheidende Größe der Volkswirtschaft

Tabelle I-3: Internationale Ausgaben und Einnahmen durch Reiseverkehr 2005 (ohne Inlandsreiseverkehr)

Einnahmen Mrd. USD Ausgaben Mrd. USD

USA 81,7 Deutschland 72,7

Spanien 47,9 USA 69,2

Frankreich 42,3 Großbritannien 59,6

Italien 35,4 Japan 37,5

Großbritannien 30,7 Frankreich 31,2

China 29,3 Italien 22,4

Deutschland 29,2 China 21,8

Türkei 18,2 Kanada 18,4

Östereich 15,5 Russland 17,8

Australien 15,0 Niederlande 16,2

Quelle: World Tourism Organization (UNWTO)

Neben Deutschland und den USA bilden Japan, England und Frankreich die Top Five der grenzüberschreitenden Reiseausgaben, dicht gefolgt von China mit einem derzeitigen Wachstum seiner Reiseausgaben von jährlich zehn Prozent. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis China England oder auch Deutschland bei den Reiseausgaben überholt. Ob die neu-en großen chinesischen Tourismusströme eher im eigenen Land bleiben, innerasiatisch aus-gerichtet sein werden oder über die Kontinentalgrenzen dringen, lässt sich zurzeit noch nicht genau absehen. Jedoch bemerken die etablierten Reiseveranstalter in Europa schon jetzt, dass Touristen aus China oder Russland zunehmend Hotelkapazitäten an Orten belegen, an denen noch vor wenigen Jahren europäische Touristen das Bild bestimmten. Viele Touris-musmanager sind sich einig, dass diese neuen Tourismusaktivitäten insbesondere Asiens, aber auch Russlands und anderer Schwellenländer den Fremdenverkehr in den nächsten Jahren stark verändern werden.

Bis vor kurzem stammten die meisten international Reisenden aus westlichen Kulturkrei-sen: USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Kanada. Das Reiseverhalten ara-bischer, asiatischer oder russischer Touristen ist anders als das der Westeuropäer. Dies stellt Teile der Tourismusindustrie vor neue Herausforderungen. Ein Hotel im Schweizer Zermatt muss zum Beispiel ggf. Chinesisch sprechendes Personal einstellen, eine chinesische Spei-sekarte bereithalten, eine Karaokebar einrichten und zum Frühstück auch Nudelsuppe anbie-ten. Wie es Europäer in den guten Hotels der Welt gewohnt sind, ein Kontinentalfrühstück zu bekommen, werden sich die hiesigen Luxushotels auch auf die kulinarischen Bedürfnisse der neuen Kundschaft aus Asien einstellen müssen. Die sich bildende Zielgruppe der Reisen-den aus Arabien, Asien, Russland oder anderen Schwellenländern hat eins gemeinsam: Sie ist kaufkräftig und insbesondere beim Reisen weniger sparsam. Da sie weniger Urlaubstage zur Verfügung haben als z. B. Deutsche, verteilen sich absolute Urlaubsausgaben auf weni-ger Tage pro Jahr. Unter anderem dadurch ist zu erwarten, dass bei touristischen Hotspots enge Hotelkapazitäten insbesondere im Luxusbereich dazu führen können, dass die Preise weiter steigen, da es einen Nachfrageüberhang geben wird.

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19 Tourismus und Marken |

Abbildung I-3: Von der UNWTO erwartete Entwicklung der internationalen Ankünfte von 1950 bis 2020

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Südasien Mittel Ost Afrika Ostasien / Pazifik Amerika Europa

Quelle: World Tourism Organization (UNWTO), Tourism 2020 Vision

Die Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO) geht davon aus, dass es bis 2020 über 1,6 Milliarden internationale Ankünfte pro Jahr geben wird. Für das Wachs-tum werden insbesondere der ostasiatische Markt, aber auch die traditionell starken Reiselän-der Europas und die USA verantwortlich gemacht.

Im Jahr 2006 zählte die UNWTO 842 Millionen internationale Ankünfte insgesamt, 4,3 Prozent mehr als im Jahr davor. Etwa die Hälfte davon wird touristischen Reisemotiven zu-geordnet, 16 Prozent fallen auf Geschäftsreisen und 26 Prozent sind Besuche bei Freunden und Bekannten bzw. religiös motivierte Reisen. Der weltweite Expansionsdrang von Low-Cost-Carriern in immer mehr Regionen der Welt ist für einen Teil des Wachstums verantwort-lich. Auf immer neuen Routen, vor allem im Nah- und Mittelstreckenbereich, werden stän-dig neue Destinationen erschlossen und so auch die Nachfrage angekurbelt. Terror, Seuchen oder andere Sicherheitsaspekte wirken sich auch auf die einzelnen Tourismusströme aus, je-doch nur auf die Richtung und nicht auf das Gesamtvolumen.

Reiseweltmeister Deutschland

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes unternahmen in Deutschland 2005 etwa 58 Mio. Reisende etwa 185 Millionen Reisen. Davon entfallen rund 50 Millionen auf private Reisen mit weniger als vier Übernachtungen, 107 Millionen auf private Reisen mit mehr als

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vier Übernachtungen sowie 28 Millionen auf Geschäftsreisen. Mit privaten Reisen sind Ur-laubs-, Erholungs- und Freizeitreisen von Personen ab dem 15. Lebensjahr gemeint. Dazu zählen auch Besuche bei Bekannten, Freunden und Verwandten sowie freiwillige Gesund-heitsbehandlungen, Pilgerreisen u. Ä. Übernachtungen können dabei sowohl in Privatunter-künften als auch in Beherbergungsbetrieben stattfinden. Ausgeschlossen sind Pendelver-kehr, regelmäßige Besuche einer Zweitwohnung oder Aufenthalte in Kliniken, Gefängnissen oder im militärischen Dienst. 87 Millionen Privatreisen führten ins Ausland.

Das Statistische Bundesamt errechnete für die genannten 157 Millionen privaten Reisen Reiseausgaben in Höhe von 75 Milliarden Euro, davon knapp 51 Milliarden Euro für Reisen ins Ausland mit mehr als vier Übernachtungen. Als Reisekosten werden hierbei alle Ausga-ben verstanden, die in einem Zusammenhang mit der Reise stehen. Dies sind die Ausgaben für Unterkunft, Nahrungsmittel und Getränke, Beförderung, Erholungs-, Kultur- und Sportak-tivitäten, Einkäufe für die Reise und während der Reise sowie sonstige Ausgaben wie Versi-cherungen, Telefongespräche oder Porto. Ausgeschlossen sind Ausgaben, die als Kapitalan-lage gesehen werden können wie Wohnmobile, Kunstgegenstände etc.

Die Deutschen sind die größten Nettodevisenbringer im internationalen Reiseverkehr. Die Reiseausgaben im Ausland entsprechen ca. 4,7 Prozent des gesamten privaten Verbrauchs. Die Dresdner Bank berechnet die gesamten Reiseausgaben (private und geschäftliche Rei-sen) des deutschen Auslandsreiseverkehrs im Jahr 2007 auf 62 Milliarden Euro – eine neue Rekordmarke. Damit sind die Deutschen knapp vor den USA nach wie vor Reiseweltmeister. Die Deutsche Bundesbank berechnet getrennte Statistiken für Privatreisen und Geschäftsrei-sen. Demnach entfallen von den Gesamtausgaben von ca. 62 Milliarden Euro etwa zehn Mil-liarden Euro auf den Geschäftsreiseverkehr und 52 Milliarden Euro auf Reisen mit privatem Hintergrund, dies entspricht etwa 80 Prozent aller Reiseausgaben.

Umweltkatastrophen wie der Tsunami in Südostasien, Seuchen wie SARS und Vogel-grippe sowie Terroranschläge haben das Reisevolumen der Deutschen entgegen anderer Befürchtungen nicht nachhaltig verringert. Sicherlich haben diese Vorkommnisse Entschei-dungen über Reiseziele beeinflusst, jedoch reagieren die Deutschen nicht mehr so panisch wie in früheren Jahren. Noch vor einigen Jahren galt es als Regel, dass ein Reiseziel zwei bis drei Jahre benötigt, um einen Terroranschlag oder eine Naturkatastrophe zu verarbeiten und wieder ähnliche Besucherzahlen wie vor dem Vorfall zu verzeichnen. Mittlerweile sind diese Zyklen kürzer geworden. Touristen haben gelernt, mit gewissen Risiken umzugehen. Ein Hauptgrund ist, dass sich Risiken durch Terror und Seuchen in der heutigen Zeit kaum noch regional beschränken lassen. Hinderte die Vogelgrippe zunächst viele Reisende an ei-ner Südostasienreise, normalisierte sich die Nachfrage wieder, als die Vogelgrippe auch in Deutschland angekommen war. Terror wird ohnehin allerorts ausgerufen und verliert durch die inflationäre Verwertung in den Medien an Abschreckungspotenzial. Hinzu kommt, dass Destinationen ebenso wie Fluggesellschaften und Reiseveranstalter heute in der Regel über ein professionelles Krisenmanagement verfügen, um im Falle einer Krise gleich gegensteu-ern zu können. Auch dies bewirkt letztlich, dass die Ausfallzyklen infolge einer Krise gerin-ger werden.

Die Deutschen verbringen ihren Urlaub am liebsten im eigenen Land. Die Reiseanalyse der F.U.R. ermittelt, dass mehr als 20 Millionen Reisen und damit etwa ein Drittel aller Reisen von Deutschen ab fünf Tagen Dauer in Deutschland verbracht werden. Spitzenreiter dabei

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sind Bayern, dort insbesondere das Alpen- und Voralpenland, sowie die Ostsee und Nordsee, gefolgt von Baden-Württemberg mit dem Schwarzwald und dem Bodensee. Der Inlandsan-teil bei Kurzreisen (2 bis 4 Tage) liegt mit ca. 75 Prozent noch weitaus höher. Der Deutsch-landtourismus profitiert auch von der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft. So ist der Anteil der über 60-Jährigen bei Inlandsreisen deutlich höher als bei Auslandsreisen. Auch Fa-milien mit kleinen Kindern verbringen gern ihren Urlaub in Deutschland. Zu beobachten ist, dass seit einiger Zeit auch die Reiseveranstalter wieder verstärkt erfolgreich Deutschland-An-gebote in die Kataloge aufnehmen. Nicht nur Reisen in die klassischen Urlaubsregionen des Landes erfreuen sich bei den Reiseanbietern guter Buchungszahlen, auch Städtereisen erle-ben bei den großen Veranstaltern eine Renaissance. Reiseveranstalter haben hier den Vor-teil, Reisearrangements häufig günstiger anbieten zu können, als eine vom Kunden selbst or-ganisierte Reise sein würde. Laut F.U.R. hat sich das Potenzial von Städtereisen im Zeitraum zwischen 2000 und 2007 verdoppelt. Ganz oben auf der Beliebtheitsskala stehen in Deutsch-land die Städte Berlin, München, Hamburg und Dresden. Im Ausland locken nach wie vor die Städte des alten Europa die Massen an: Paris, Rom, Wien und London bilden die Spitze bei den Reiseinteressen für eine Städtereise.

Abbildung I-4: Potenzial von Städtereisen in Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahre

0

5

10

15

20

25

30

35

40

2001 2003 2005 2007

%

Quelle: Reiseanalyse 2001 – 2007, Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (F.U.R)

Beliebtestes Auslandsreiseziel der Deutschen ist Spanien, 14 Prozent aller Urlaubsreisen mit mindestens fünf Tagen Dauer führen in dieses Mittelmeerland, Tendenz steigend. Besse-re Fluganbindungen und Imageverluste bei den islamischen Mittelmeerländern werden auch weiter für gute Nachfrage sorgen. Innerhalb Spaniens reisen die meisten Deutschen auf die Balearen, gefolgt von den Kanaren. Italien und Österreich belegen die Plätze zwei und drei der beliebtesten Auslandsreiseziele Deutschlands.

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22 | Tourismus als entscheidende Größe der Volkswirtschaft

Abbildung I-5: Die Deutschen und ihre Reiseziele 2006, Urlaubsreisen ab fünf Tagen Dauer

6,7

1,6

2

2,4

2,6

3,1

5,7

5,8

7,3

14

32,1

0 5 10 15 20 25 30 35

Fernreisen

Niederlande

Polen

Kroatien

Frankreich

Griecheland

Türkei

Österreich

Italien

Spanien

Deutschland gesamt

Quelle: Reiseanalyse 2007, Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (F.U.R.)

Fernreiseziele machen weit weniger als zehn Prozent der Urlaubsreisen aus, Spanien ist also ein häufiger besuchtes Urlaubsziel als alle Fernreisegebiete zusammen. Viele Urlauber leisten sich aus finanziellen Gründen keine Fernreise. Vor allem bedingt durch die hohen Kos-ten für die Fluganreise ist eine Fernreise vergleichsweise teuer. Andere meiden auch lange Flüge aus gesundheitlichen Gründen oder haben Sorge, sich vor Ort nicht verständigen zu können. Das beliebteste Fernreiseziel der Deutschen sind die USA und Kanada, gefolgt von Asien und der Karibik.

Auch die Verbraucheranalyse (VA), die vom Verlag Axel Springer und der Bauer Verlags-gruppe herausgegeben wird, beschäftigt sich mit dem Reiseverhalten der Deutschen. Im Ver-gleich 1997 zu 2007 zeigt sich dort, dass insbesondere die Bedeutung der älteren Generati-on für den Gesamtreisemarkt zugenommen hat. 2007 sind 63 Prozent aller Urlauber Personen über 40 Jahre, in deren Haushalten keine schulpflichtigen Kinder mehr leben. Zehn Jahre zuvor waren es noch 55 Prozent. Dies hängt aber in der Hauptsache mit dem Altern der Bevölkerung insgesamt zusammen. Das Alter an sich hat wenig Einfluss auf die Reiseintensität. Lediglich in der Altersgruppe der über 70-Jährigen zeigt sich ein höherer Anteil derer, die nicht reisen. Star-ken Einfluss auf die Reiseintensität haben aber Faktoren wie Bildung und Haushaltseinkom-men. Urlauber mit hohem sozialen Status bilden die Mehrheit der Vielreisenden. 42 Prozent der Nichtreisenden haben ein Haushaltsnettoeinkommen von weniger als 1.500 Euro.

Die Verbraucheranalyse (VA) zeigt zudem, dass von 1998 bis 2007 insbesondere der Last-Minute-Sektor Zuwächse hat. Immer mehr Urlauber entscheiden sich weniger als 14 Tage vor Reiseantritt zu einer Reise. Dabei werden auch immer mehr Kurzreisen angetreten. Der Trend, flexibler, öfter und kürzer zu verreisen, ist ein Grund für die Steigerungsraten im innerdeut-

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23 Tourismus und Marken |

schen Tourismus und auch bei den Städtereisen. Wie viele Kurzreisen innerhalb Deutschlands unternommen werden, ist auch von Faktoren wie Wetter oder Feiertagskonstellationen ab-hängig. Liegen Feiertage günstig, ist ein verstärktes Reiseverhalten zu beobachten.

Reiseziel Deutschland

Auch die Einnahmeseite der deutschen Reiseverkehrsbilanz wuchs in den letzten Jahren stetig. 2006 gab es im Verhältnis zu 2005 einen besonderen Einnahmezuwachs von 23,5 auf 26,0 Milliarden Euro, jedoch ist dort ein Sondereffekt in Höhe von ca. 1,5 Milliarden Euro ent-halten, der im Zusammenhang mit der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland steht. Für 2007 erwarten die Statistiker der Dresdner Bank und der Deutschen Bundesbank Einnahmen in Höhe von 25,7 Milliarden Euro. In der Beliebtheitsskala der internationalen Reiseziele steigt Deutschland weiter auf. Die Anzahl der Übernachtungen ausländischer Reisegäste gibt das Statistische Bundesamt mit 52,9 Millionen im Jahr 2006 an (nach 48 Mio. Übernachtungen 2005), auch dies ist ein neuer Rekordwert. Hierzu können unter anderem auch stark gestie-gene Kapazitäten von Low-Cost-Carriern beigetragen haben. Diese werden zunehmend auch von Bürgern der Nachbarstaaten wie Niederländern, Italienern, Spaniern oder Engländern ge-nutzt. Am meisten Geld geben hierzulande Urlauber aus der Schweiz, den Niederlanden, Ös-terreich und Frankreich aus.

Abbildung I-6: Entwicklung der deutschen Reiseverkehrsbilanz in Mrd. Euro

20,2 20,4 20,4 22,2 23,526,0 25,7

58,055,5 57,2 57,1 58,4 60,5 62,0

2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007

Einnahmen insgesamt Ausgaben insgesamt

Quelle: Deutsche Bundesbank, Dresdner Bank

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24 | Die Tourismuswirtschaft

Die Tourismuswirtschaft2.

Die Tourismuswirtschaft umfasst alle Unternehmungen, die mit der Erstellung von touris-tischen Leistungen befasst sind. Diese können im Zusammenhang mit der Reiseplanung, der Reisevermittlung, der Reiseorganisation, der Beförderung oder der Unterbringung stehen.

Die Unternehmungen der Tourismusbranche werden als Leistungsträger im engeren Sin-ne oder als typische Tourismusindustrie bezeichnet. Darüber hinaus existieren Unternehmun-gen, die ebenfalls vom Tourismus abhängen oder profitieren, wie z. B. Souvenirwirtschaft, Reiseausrüster, Reiseverlage, Versicherungen etc. Diese bezeichnet man als ergänzende Tourismuswirtschaft oder untypische Tourismusbetriebe. Sie haben sich zwar auf Touristen als Zielgruppe spezialisiert, werden aber in ihrer Gesamtheit nicht dem Tourismusbereich, sondern verschiedenen anderen Wirtschaftsbereichen zugeordnet. Zusätzlich existiert eine touristische Randindustrie, sie besteht aus tourismusabhängigen Betrieben wie Gastronomie, Spielbanken, Masseurstudios etc. Die ergänzende Tourismuswirtschaft sowie die touristische Randindustrie werden nachfolgend nicht weiter behandelt.

Abbildung I-7: Absatzwege in der Tourismuswirtschaft

Absatzmittler

Reiseveranstalter

BeherbergungDienstleistungsbetriebe vor OrtReiseleitung/Beförderung etc.

BeförderungsleistungIncomingagentur

Reisender

Der Reisende hat grundsätzlich die Wahl, seine touristischen Leistungen bei einem Rei-severmittler, einem Reiseveranstalter oder direkt bei den einzelnen Dienstleistern wie Trans-portbetrieben oder der Beherbergungsindustrie einzukaufen. Ebenso hat auch ein Reisemittler grundsätzlich die Wahl, einzelne touristische Leistungen zu vermitteln oder auf ein Pauscha-langebot eines Reiseveranstalters zurückzugreifen. Häufig agieren zwischen der Ebene des Reiseveranstalters am Heimatort und den einzelnen Leistungserstellern noch so genannte In-coming-Agenturen. Unter Incoming-Agenturen (auch „ground handling agencies“) versteht man Agenturen, die im Auftrag von meist ausländischen Reiseveranstaltern Pauschalreisean-

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25 Tourismus und Marken |

gebote organisieren, d. h., sie koordinieren und bündeln einzelne Leistungen wie die Beschäf-tigung eines Reiseleiters, die Buchung von Hotels, Mahlzeiten und Transportleistungen im jeweiligen Zielgebiet. Incoming-Agenturen unterscheiden sich von Reiseveranstaltern haupt-sächlich dadurch, dass sie keine direkten Kundenbeziehungen zu Reisenden (oder auch Rei-semittlern) haben. Auf jeder Stufe der Wertschöpfungskette wird Geld verdient. Auf welcher Stufe wie viel verdient wird, ist von einigen Faktoren abhängig. Bei Pauschalreisen verdient die erste Stufe im Vertrieb, also zum Beispiel ein Reisebüro, in der Regel Provisionen rund um zehn Prozent. Je höher die Umsätze bei einzelnen Leistungserbringern, desto höher fällt meistens auch der Provisionssatz aus. Provisionssätze können bis zu 20 Prozent erreichen, manchmal müssen sie von verschiedenen Absatzmittlern, die im Prozess verbunden sind, ge-teilt werden. Reiseveranstalter kalkulieren eine eigene Marge in den Reisepreis mit ein. Da der Wettbewerb in vielen Bereichen des Tourismus groß ist und einige Produkte leicht austausch-bar sind, gestalten sich die Ertragsmargen oft nicht sehr üppig. Vorteile haben Betriebe mit Monopolcharakter oder Alleinstellungsmerkmalen. Sie können eine höhere Marge einkalkulie-ren und Verkaufspreise an dem orientieren, was sie am Markt erzielen können, was wiederum von Substitutionsmöglichkeiten anderer Produkte abhängt. So zum Beispiel der Betreiber des legendären Venice Simplon Orient-Express-Zuges, der zwischen Istanbul und Venedig oder Paris und Istanbul eingesetzt wird. Da es kein direktes Konkurrenzprodukt zu diesem speziel-len Luxuszug gibt, kann er die Verkaufspreise relativ frei festsetzen. Wird er aber zu teuer, zie-hen potentielle Kunden ggf. eine Kreuzfahrt mit Hapag-Lloyd vor, ein Substitutionsprodukt zu dieser Reise. Ein anderes Beispiel ist eine bestimmte Flugstrecke, die nur von einer Fluggesell-schaft angeboten wird. Da es keinen direkten Wettbewerber gibt, z. B. aufgrund nicht verfüg-barer Start- und Landerechte, kann der Preis frei gewählt werden, muss aber konkurrenzfähig zu Alternativen wie Hochgeschwindigkeitszügen oder dem Auto bleiben.

Reiseveranstalter

Reiseveranstalter kombinieren einzelne touristische Leistungen zu einer ‚neuen touris-tischen Gesamtleistung’, die unter eigenem Namen angeboten und vertrieben wird. Diese Leistung entspricht meistens der Pauschalreise. Seit dem 1.10.1979 gibt es im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ein spezielles Reisevertragsrecht, das in den §§ 651 bis 651k BGB gere-gelt ist. Danach gilt als Reiseveranstalter nach § 651 BGB, wer mindestens zwei gleichwer-tige Hauptreiseleistungen miteinander kombiniert und zu einem Gesamtpreis verkauft. Als Hauptreiseleistungen gelten zum Beispiel Transport und Unterkunft, Beherbergung und Son-derleistungen (wie Sprachunterricht) oder eine Kreuzfahrt inklusive Verpflegung.

Für den Reisenden sind mit einer Veranstalterreise einige Vorteile verbunden: So braucht er selbst nichts zu organisieren, weil der Reiseveranstalter für ihn die Planung, Organisation und Durchführung der Reise übernimmt. Dies erleichtert das Reisen besonders im Ausland, wo Schwierigkeiten mit fremden Sprachen und Gebräuchen zu erwarten sind. Durch einen konkreten Reisevertrag zwischen Veranstalter und Reisendem sind alle Leistungen recht-lich abgesichert. Treten Probleme auf, etwa bei der Anreise oder der Beherbergung, so kann

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26 | Die Tourismuswirtschaft

der Kunde alles über einen Vertragspartner regeln und muss sich nicht an die einzelnen ört-lichen Leistungsträger wenden. Dabei sind die Leistungen im Paket bei einem Veranstalter in der Regel sogar preisgünstiger als die individuelle Kombination gleichwertiger Einzelleis-tungen, weil der Veranstalter Sonderkonditionen aushandeln kann, die dem Einzelkunden nicht angeboten werden. Zudem ist der Reisende im Falle einer Insolvenz des Reiseveran-stalters oder eines Leistungspartners abgesichert, da es in Deutschland einen gesetzlich vor-geschriebenen Insolvenzschutz für Reiseveranstalter gibt. Gerät ein Reiseveranstalter in Zah-lungsunfähigkeit, so greift die gesetzlich vorgeschriebene Insolvenzversicherung für die zu erbringenden Leistungen der Reisenden; bei Airlines oder Hotels gilt dies nicht. Bucht der Reisende eine Pauschalreise bei einem Reiseveranstalter und geht die für die Anreise vorge-sehene Airline in Konkurs, so haftet der Reiseveranstalter dafür und muss für Ersatz sorgen. Hat der Kunde hingegen direkt bei der später insolventen Fluggesellschaft gebucht, so muss er für ein Ersatzticket selbst aufkommen. Eine europäische Pauschalreiserichtlinie von 1990 schreibt vor, dass alle EU-Mitgliedsstaaten eine solche Insolvenzschutzversicherung, die an Reiseveranstalter gezahlte Kundengelder umfasst, gesetzlich verankern müssen.

Die Abgrenzung zwischen einem Reisebüro und einem Reiseveranstalter ist häufig schwer verständlich, da es einerseits Reiseveranstalter gibt, die auch Vermittlungstätigkeiten anbieten, und andererseits Reisebüros, die in kleinem Rahmen eigenständig Reisen veran-stalten. Dies geschieht dann jeweils unter dem gleichen Firmennamen, was zu Verwirrungen führt. Hierbei handelt es sich um klassische Vorwärts- bzw. Rückwärtsintegration im Touris-mus. Das heißt, beginnt ein Reiseveranstalter auch eigene Reisebüros zu besitzen, bedeutet dies eine Vorwärtsintegration in Richtung Kunden. Mit den eigenen Reisebüros kann der Ver-anstalter entweder nur eigene oder auch fremde Reisen vermitteln. Organisiert ein Reisebüro selbst eine Pauschalreise, indem es Einzelleistungen wie Flug, Hotel zu einer Gesamtreise zu-sammenfügt, redet man von Rückwärtsintegration, da die Wertschöpfungskette nach hinten verlängert wird. Häufig gehen verschiedene Tätigkeiten ineinander über.

Ein ‚reiner’ Veranstalter ist ausschließlich mit der Veranstaltung von Reisen beschäftigt und vertreibt seine Reisen über externe Reisemittler. Auf der anderen Seite stehen ‚reine’ Rei-semittler, die ausschließlich fremde Reisen vermitteln.

Reiseveranstalter in Deutschland

In Deutschland gibt es zurzeit ungefähr 800 Reiseveranstalter. Damit sind all diejenigen Unternehmungen gemeint, die gegenüber dem Endkunden unter eigenem Namen am Markt auftreten, zumeist mehr als nur eine Reisemöglichkeit anbieten, eigene Kontingente bei den Leistungsträgern im Voraus für zu erwartende Kunden reserviert haben und dafür in der Re-gel ein finanzielles Risiko eingegangen sind. Die Vermarktungswege sind dabei vielfältig: Rei-seprospekt, Internet, Call-Center, Vertrieb über Reisebüros oder andere Vertriebsstellen.

Die Reiseveranstalter lassen sich auf Grund ihrer Größe und Struktur in drei Kategorien zusammenfassen:

Großveranstalter als Reiseveranstalter mit einem umfassenden Angebot an Zielgebieten, Y

Zielorten, Verkehrsmitteln und Unterkunftsarten. Der Schwerpunkt liegt meist im statio-nären Vertrieb.

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27 Tourismus und Marken |

Mittelgroße Reiseveranstalter oder Spezialveranstalter, ebenfalls teilweise als Anbieter Y

eines umfassenden Sortiments, dennoch mit Konzentration auf gewisse Schwerpunkte wie Reiseform (Studienreisen, Cluburlaub), bestimmte Zielgebiete, Vertriebsschwerpunk-te, Verkehrsmittel (Bus, Bahn, Schiff etc). Vertriebsschwerpunkte können bei den mittel-großen Veranstaltern sowohl im Direktvertrieb als auch im Mittlervertrieb liegen.Kleinveranstalter und Gelegenheitsveranstalter, die häufig auch nur regional agieren. Die- Y

se haben meist direkten Kontakt zu den Reisenden. Die Mehrzahl der Reiseveranstalter in Deutschland sind solche Kleinstveranstalter mit polypolistischer Marktstruktur auf regio-nalen Teilmärkten wie Volkshochschulen, Vereinen, Gastronomiebetrieben mit Reisever-anstaltung etc. Eine zwischengeschaltete Vertriebsstufe hat bei diesen Unternehmungen in der Regel keine Bedeutung.

Die Organisation von Urlaubsreisen wurde in Deutschland im Jahr 2006 zu 34 Prozent von Reisebüros bzw. Reiseveranstaltern übernommen. Bis 2001 stieg dieser Wert auf 45 Prozent, seither ist er kontinuierlich gesunken. Mittlerweile werden 66 Prozent aller Reisen ohne Reisebüro oder Reiseveranstalter organisiert. Das heißt, die Jahrtausendwende war auch eine Wende im Tourismus. Dies ist hauptsächlich durch das Internet bedingt. Immer mehr touristische Anbieter können ihre Leistungen im Internet direkt dem Verbraucher anbie-ten. Dadurch können auch immer mehr Kunden ihre Reisen selbst organisieren. Dies bedeu-tet auch, dass der Endverbraucher bei der Reiseplanung mehr Entscheidungen selbst treffen muss und damit die einzelne Tourismusmarke an Bedeutung gewinnt. Reichte es noch vor wenigen Jahren aus, als Hotel, Destination oder Autovermietung den Vertrieb zu kontrollie-ren, will man heute am allgemeinen Wachstum teilhaben oder Marktanteile hinzugewinnen.

Abbildung I-8: Entwicklung der Organisation bei Urlaubsreisen ab 5 Tagen Dauer

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2004 2005 2006

ohne Reiseveranstalter/ Reisebüro organisiert

mit Reiseveranstalter/ Reisebüro organisiert

Quelle: Deutscher ReiseVerband (DRV), Fakten und Zahlen zum Deutschen Reisemarkt 2006

Page 26: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

28 | Die Tourismuswirtschaft

Neben einer großen Anzahl an Kleinveranstaltern existieren in Deutschland einige mittel-große und Spezialveranstalter (ca. 50) sowie wenige Großveranstalter. Die drei Marktführer TUI Deutschland, Rewe Touristik und Thomas Cook bündeln eine Vielzahl von Veranstalter-, Vertriebs- und anderen -Marken unter ihren Konzerndächern.

Zur Beschreibung der Struktur des Reiseveranstaltermarktes werden von der FVW Inter-national in der jährlich jeweils zum Jahresende erscheinenden Beilage „Deutsche Veranstal-ter“ Marktanteile und Marktvolumen der größten deutschen Veranstalter berechnet. Berück-sichtigung finden alle Veranstalter, die Auskunft über Umsatz- und Teilnehmerzahlen melden sowie einen Umsatz von mindestens 5 Mio. Euro angeben können.

Abbildung I-9: Reiseveranstalter in Deutschland nach Umsatz und Marktanteilen

Rang Unternehmen

Umsatz im Tj. 2005/06 in Mill. Euro

Marktanteil nach Umsatz

in Prozent

Teilnehmer im Tj. 2005/06 (bis 31.10)

1. TUI Deutschland 4465,6 27,99 21.346.7002. Thomas Cook 3054,6 19,15 6.276.5963. Rewe Touristik 2878,0 18,04 5.998.0004. Alltours 1137,0 7,13 1.538.0005. FTI 629,9 3,95 1.184.0006. Öger-Gruppe 623,0 3,91 1.250.0007. Aida Cruises 408,0 2,56 239.0008. L´Tur 375,0 * 770.0009. Phoenix 236,1 1,48 164.50010. GTI Travel 228,5 1,43 463.00211. Schauinsland 207,3 1,30 357.50012. Berge&Meer Touristik 206,9 * 540.00013. Studiosus 203,8 1,28 91.41514. Big X-Tra 165,5 0,98 350.00015. Nazar Holiday 139,5 0,87 208.99216. Gebeco 113,0 * 57.00017. Hurtigruten 106,7 0,67 36.18018. Novasol 106,0 0,66 733.00019. Transocean Tours 103,0 0,65 58.00020. Inter Chalet 99,5 0,62 654.81721. Ameropa 98,8 0,62 468.00022. MSC Kreuzfahrten 68,3 0,43 69.00023. Olimar 64,2 0,40 114.00024. Alpeotour 51,7 0,32 270.03925. Canusa 49,0 0,31 39.70026. Wikinger Reisen 47,8 0,30 32.31327. Ikarus Tours 44,9 0,28 15.71028. Nicko Tours 38,6 0,24 37.35029. Schumann Reisen 38,5 0,24 7.65030. Eberhardt 38,2 0,24 73.48731. Hansa Kreuzfahrten 36,4 0,23 22.10032. Viking Flusskreuzfahrten 34,0 0,21 23.00033. Anton Graf Reisen 33,4 0,21 163.32934. ITT 32,4 0,20 116.40035. Transorient Touristik 32,4 0,20 32.13736. Plantours & Partner 31,5 0,20 1.59037. RUF Jugendreisen 30,6 0,19 60.23438. Rainbow Tours 28,5 0,18 115.00039. Attika 27,9 0,17 41.04040. OFT Reisen 26,3 * 23.26941. Fox-Tours Reisen 26,2 * 42.80042. DB Klassenfahrten 23,0 0,14 156.00043. Lernidee Erlebnisreisen 21,5 0,13 7.42044. Corendon 18,5 0,12 42.00045. Windrose 18,2 0,11 5.24546. Interhome 18,0 0,11 73.89247. Hauser Exkursionen 18,0 0,11 8.70048. Tischler Reisen 17,8 0,11 25.24949. Frosch Sportreisen 16,9 0,11 24.87250. Hafermann 16,6 0,10 51.552

* im TUI-Umsatz enthalten

Quelle: FVW Dokumentation: Deutsche Veranstalte r2006

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29 Tourismus und Marken |

Die vier Umsatzmilliardäre TUI Deutschland, Thomas Cook, REWE Touristik und alltours bündeln aktuell ca. 11,5 Milliarden Euro und kontrollieren damit knapp 60 Prozent des Ge-samtmarktes.

Mit großem Abstand ist TUI Deutschland mit einem Marktanteil von knapp 28 Prozent Marktführer. Die Angaben der TUI umfassen die getrennt ausgewiesenen Umsätze diverser anderer Veranstalter wie des Last-Minute-Veranstalters L’tur, der Direktvertriebstochter Ber-ge & Meer Touristik, des Studienreisenspezialisten Gebeco und Dr. Tigges sowie von OFT-Reisen und FOX Tours, die jeweils ebenfalls zu TUI Deutschland gehören. Die TUI ist seit um-fangreichen Zukäufen in den 90er Jahren der größte Reisekonzern in Europa, seit der Fusion mit First Choice im Jahr 2007 der größte Reisekonzern der Welt und nun an der Londoner Börse unter dem Namen TUI Travel plc. gelistet. Die deutsche TUI AG hält 51 Prozent der Anteile an dem neuen Konzern. TUI Travel erwirtschaftet 18 Milliarden Euro Umsatz mit ins-gesamt 101 Veranstaltermarken und 48.000 Beschäftigten. In Deutschland ist die Hausmar-ke „TUI“ die wichtigste Reiseveranstaltermarke des Konzerns. Für die Sommersaison werden Reisen in knapp 50 Katalogen angeboten. Sie sind unterteilt in drei so genannte Katalogwel-ten. TUI Schöne Ferien ist vor allem für Badeurlaub konzipiert, es gibt Länderkataloge für alle Regionen. In der Katalog-Serie TUI Weltentdecker findet man hauptsächlich diverse Baustei-ne für Fernreise-Arrangements, aber auch Sportreisen und Flusskreuzfahrten. Und in den TUI Premium-Katalogen befinden sich Reiseangebote für die anspruchsvollere Klientel.

Abbildung I-10: Veranstaltermarken der TUI Gruppe auf dem deutschen Markt

Neben der Eigenmarke TUI operiert der Konzern mit einigen anderen Reiseveranstalter-marken. L’tur ist Europas größter Anbieter von Last-Minute-Reisen. Er ist in vielen euro-päischen Ländern aktiv und vermarktet Restkapazitäten zu günstigen Preisen. Die meisten Angebote sind 14 Tage vor Abreise buchbar. Die Marke 1-2-Fly soll sich in erster Linie an jüngere Kunden wenden und bietet Reisen etwas günstiger als die Eigenmarke TUI an; auch ein großes Angebot für junge Familien bietet dieser Veranstalter. Airtours ist neben TUI Pre-mium eine weitere Marke für das Hochpreissegment im Konzern und ist ein Veranstalter mit

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großer Tradition und über 35-jähriger Geschichte. Ob eine hochwertige Flugrundreise oder das Luxushotel – viele anspruchsvolle Reisende buchen bei Airtours. Gebeco ist ein Spezial-veranstalter, der auf Studienreisen und Erlebnisreisen spezialisiert ist, zu ihm gehört auch die Veranstaltermarke Dr. Tigges. Wolters Reisen ist ein Spezialist für Ferienhäuser und Ferien-wohnungen, in sieben Katalogen stehen diverse Unterkünfte in den meisten europäischen Ländern zur Auswahl.

Der noch relativ neue Veranstalter Discount Travel wurde in der Geiz-ist-geil-Periode ge-gründet, als Reaktion auf die sich neu entwickelnden Billiganbieter für Pauschalreisen, ob im Internet oder bei den Lebensmitteldiscountern Aldi und Lidl. Bei Discount Travel wer-den Flugpauschalreisen meist zu populären Badezielen zu äußerst günstigen Preisen ange-boten, Hauptaktivität des Veranstalters ist der Vertrieb über das Internet. OFT Reisen ist der Spezialveranstalter für den Nahen und Mittleren Osten. Berge & Meer schließlich ist die Di-rektvertriebstochter von TUI Deutschland; hier werden nur Reisen vermarktet, die nicht im Reisebüro buchbar sind. Diverse Kooperationen wie etwa mit dem Bertelsmann Buchclub, Leserreisen oder TV-Reisesendungen sorgen für Kunden. Weitere Marken von TUI sind u. a. Hapag-Lloyd Kreuzfahrten sowie die Fluggesellschaft TUIfly.

Thomas Cook als zweitgrößter Reisekonzern ist auf dem deutschen Reiseveranstalter-markt hauptsächlich mit den Marken Thomas Cook, Neckermann Reisen und Bucher Last Minute vertreten, dies wird in einem Fallbeispiel (siehe Teil II, Kapitel 2) näher untersucht.

Abbildung I-11: Reiseveranstaltermarken der REWE Touristik in Deutschland

Die REWE Touristik ist mit den Pauschalveranstaltern ITS, Tjaereborg, Jahn Reisen und ITS Billa Reisen auf dem Markt. Außerdem mit dem Veranstalter DERTOUR, der in verschie-denen Marktsegmenten aktiv ist, dem Fern- und Studienreiseveranstalter Meier’s Weltreisen sowie ADAC Reisen.

Aida Cruises, Phoenix Reisen, Hurtigruten und Transocean Tours sind die größten eigen-ständigen Kreuzfahrtveranstalter in Deutschland. Studiosus ist mit mehr als 200 Millionen Euro Umsatz der wichtigste Studienreisenanbieter in Deutschland, weitere sind Ikarus Tours, Lernidee Erlebnisreisen und Windrose Fernreisen. Wikinger Reisen ist Marktführer für Wan-derreisen, Canusa Reisen ein großer Spezialist für Reisen nach Nordamerika, Ruf Jugendrei-sen ist Marktführer für Reisen mit Jugendlichen. Ameropa als Tochter der Deutschen Bahn ist Marktführer für Bahnreisen, InterChalet ist als mittelständischer Reiseveranstalter führend

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31 Tourismus und Marken |

im Ferienhausmarkt. Abgesehen von den rund zehn umsatzstärksten Reiseveranstaltern han-delt es sich ausschließlich um Spezialisten, die nur in differenzierten Teilmärkten aktiv sind. Die meisten dieser in diesen Nischen operierenden Unternehmen haben gemein, dass sie seit der Jahrtausendwende satte Wachstumsraten präsentieren können, während die klassi-schen Pauschalreiseanbieter stagnieren oder nur leicht zulegen konnten.

Weil immer weniger Reisen durch Reisebüros vermittelt bzw. durch Reiseveranstalter or-ganisiert werden, geht das generelle Wachstum der Tourismuswirtschaft zum Teil an den Reiseveranstaltern vorbei. Der Reiseveranstaltermarkt als Teil des Gesamtreisemarktes setz-te 2006 knapp 20 Milliarden Euro um, etwas weniger als im bisherigen Rekordjahr 2001. Im Zeitraum von 1990 bis 2000 hatte sich der Markt für von Reiseveranstaltern organisierte Rei-sen noch verdoppelt.

Abbildung I-12: Entwicklung des Reiseveranstaltermarktes 1990 – 2006

15,9 16,5 17,018,3

20,1

17,8

19,4 19,819,118,6

18,9

0,0

5,0

10,0

15,0

20,0

25,0

1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

Gesamtumsatz des Marktes in Mrd. Euro

Quelle: FVW Dokumentation: Deutsche Veranstalter 1996 – 2006

Im Jahr 2002 gab es erstmals ein Minus in der Branchenentwicklung. Betroffen war ins-besondere das Geschäft im Mittelfeld der großen Veranstalter. Zurückzuführen ist dies auf die Anschläge vom 11. September sowie die in Deutschland vorherrschenden Diskussionen über Rezession und die Unsicherheit bezüglich Preissteigerungen mit der Einführung des

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32 | Die Tourismuswirtschaft

Euro im Januar 2002. Besonders preiswerte Ziele wie Bulgarien boomten auch in diesem Kri-senjahr nach wie vor; auch exklusive Angebote wie Kreuzfahrten mit Tagesreisepreisen von über 300 Euro verzeichneten Zuwachsraten. Die mittelständischen und kleinen Veranstalter, die sich auf verschiedene Nischen konzentrierten, konnten im Krisenjahr ebenfalls zulegen, ob bei hochwertigen Seereisen, Ferienhäusern, Abenteuer- oder Gesundheitsurlaub. Rück-gänge wurden vor allem bei der klassischen Pauschalreise zu typischen Badezielen oder zu volumenstarken Fernzielen wie den USA verzeichnet. Auch wenn der Gesamtmarkt in den Folgejahren wieder zulegte, verstärkte sich dieser Trend zum Billigsegment auf der einen und zum Hochpreis- und Spezialreisensegment auf der anderen Seite.

Reiseveranstalter in Europa

Abbildung I-13: Reiseveranstalter in Europa (Die fusionierten Konzerne TUI und First Choice sowie Thomas Cook und My Travel sind getrennt ausgewiesen, da die Zusammenführung erst 2007 erfolgte)

Unternehmen Land 2006 Umsatz (Mio Eur)

2006 Umsatz (Mio Eur)

Teilnehmer 2006

Teilnehmer 2005

1. TUI Deutschland 14.083,9 14.096,5 21.930.000 21.572.0002. Thomas Cook Deutschland 7.780,2 7.661,2 13.608.000 13.242.8003. My Travel Großbritannien 4.300,0 4.307,2 k.A. k.A.4. Rewe Deutschland 4.250,0 4.230,0 k.A. k.A.5. First Choice Großbritannien 4.000,0 3.590,0 4.544.000 4.778.0006. Kuoni Schweiz 2.600,0 2.379,4 k.A. k.A.7. Club Méditerranée Frankreich 1.679,0 1.590,0 1.328.000 1.370.0008. Alltours Deutschland 1.382,0 1.343,0 1.538.000 1.522.5009. Alpitour Italien 1.332,2 1.146,5 k.A. 997.00010. Grupo Iberostar Spanien 1.200,0 1.113,0 k.A. k.A.11. Hotelplan Schweiz 1.117,5 1.115,0 1.691.000 1.891.00012. OAD Group Niederlande 882,0 766,0 728.000 737.00013. FTI Deutschland 769,0 577,9 1.363.761 962.00014. Gruppo Ventaglio Italien 761,1 731,8 k.A. 610.60015. Verkehrsbüro Österreich 746,5 708,8 k.A. k.A.16. Öger Group Deutschland 623,0 677,0 1.250.000 1.367.44617. Holidaybreak Großbritannien 447,8 445,8 k.A. k.A.18. Voyages Fram Frankreich 410,0 411,4 k.A. k.A.19. Aida Cruises Deutschland 408,0 375,1 239.000 233.00020. Go Voyages Frankreich 402,0 313,0 978.000 756.00021. Sunweb Niederlande 300,0 250,0 265.000 k.A.22. Eden Viaggi Italien 268,0 198,5 k.A. k.A.23. Teorema Tour Italien 250,0 270,0 k.A. 381.00024. Phoenix Deutschland 236,1 223,6 164.500 157.70025. GTI-Travel Deutschland 228,0 224,0 463.002 442.21726. Schauinsland Deutschland 207,3 155,6 357.500 276.30027. Studiosus Deutschland 201,8 202,8 91.415 91.31328. Voyageurs du Monde Frankreich 191,1 172,2 k.A. k.A.29. Valtur Italien 180,5 153,2 k.A. k.A.30. Travelhouse Group Schweiz 170,7 176,4 k.A. k.A.

Quelle: FVW, Heft 13 vom 25.5.07

Auch im europäischen Reiseveranstaltermarkt herrscht eine oligopolistische Struktur vor. Die beiden größten ehemals deutschen Touristikkonzerne TUI Travel und Thomas Cook ver-einen mit den fusionierten Bereichen My Travel und First Choice mit über 30 Milliarden Euro

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33 Tourismus und Marken |

Umsatz mehr als 50 Prozent des Gesamtmarktes. Auf Platz drei steht dann die deutsche REWE Touristik. Der Schweizer Reisekonzern Kuoni besetzt den vierten Platz der größten europäischen Touristikkonzerne. Er erwirtschaftet als Marktführer ein Viertel seines Umsat-zes auf dem Schweizer Markt und ist darüber hinaus global aufgestellt. Geschäftseinheiten sind in Skandinavien, Großbritannien, Nordamerika, Frankreich, Spanien, Italien, den Nieder-landen, Österreich und Asien. Kuoni ist nicht wie TUI oder Thomas Cook auf das ganz breite Massengeschäft ausgerichtet, sondern versteht sich eher als Vereinigung von Spezialisten. Nummer zwei in der Schweiz ist Hotelplan, im europäischen Ranking mit über einer Milliarde Euro Umsatz nun unter den Top Ten.

Reisevermittlung

Oft werden touristische Leistungen nicht direkt an den Konsumenten verkauft, sondern über Reisemittler, in den meisten Fällen Reisebüros. Sie sind beauftragt, touristische Leistun-gen der Beherbergungsindustrie, der Transportindustrie, der Reiseveranstalter oder anderer Reisemittler an den Endkunden (oder einen weiteren Mittler) zu verkaufen. Dies versteht man als Vermittlungsleistung. Für diese Leistung erhält der Reisemittler in der Regel eine Provisi-on von dem Anbieter, dessen Leistungen er verkauft. Der Reisemittler bildet in vielen Fällen das erste Glied der Wertschöpfungskette eines touristischen Produktes.

Stationärer Reisevertrieb

Bis Ende der 80er Jahre war die Reisebürobranche durch klassisches Einzelunterneh-mertum und stetiges Wachstum geprägt. Seit Beginn der 90er Jahre wurde der Reisemittler-markt zunehmend organisierter und strukturierter; es bildeten sich Reisebürokooperationen, Reisebüroketten und später auch Franchise-Systeme von Veranstaltern. Ende der 90er Jahre setzte dann eine zunehmende Integration der Reisemittler in die neu strukturierten Reisekon-zerne ein. Reisebüroketten wurden durch die Veranstalter aufgekauft und Reisebürokoope-rationen, die sich ursprünglich bildeten, um Verhandlungsmacht gegenüber verschiedenen Veranstaltern gleichzeitig ausüben zu können, banden sich mit Verträgen enger an die Kon-zerne, da sie den zusätzlichen Provisionszugeständnissen nicht widerstehen konnten. Freie Reisebüros wurden verstärkt umworben und zu Franchise-Unternehmen der Konzerne um-strukturiert oder an vorhandene Reisebüroketten gebunden. Der Markt gilt seit 2004 als na-hezu vollständig aufgeteilt. Mehr als 98 Prozent der deutschen Haupterwerbreisebüros sind direkt einer Kette oder Kooperation zugehörig, im Vergleich zu 55 Prozent im Jahr 1999.

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34 | Die Tourismuswirtschaft

Abbildung I-14: Das Verschwinden der freien Reisebüros (Anteile in %)

26

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4646

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1999 2000 2001 2002 2003

Kooperation Ketten- und Franchise-System Freie Reisebüros

Quelle: FVW International (Hrsg.): FVW Dokumentation: Reisebüroketten und -kooperationen 2003

Neben den klassischen Reisebüros gibt es noch eine Vielzahl weiterer Vermittlungsstellen wie Internetportale, Leserreisen von Zeitungen oder Zeitschriften, Reiseclubs, Reiseberater oder Fremdenverkehrsämter. Zu den Aufgaben eines Reisebüros aus der Sicht der Leistungs-träger und Veranstalter gehören die Beratung des Kunden, die Reservierung einer Veranstal-terreise oder einer anderen touristischen Leistung wie etwa ein Flug, gegebenenfalls das In-kasso des Reisepreises für den Reiseveranstalter und das Aushändigen der Reiseunterlagen an den Kunden. Der Kunde erwartet von einem Reisebüro, dass dort seine speziellen Bedürf-nisse erkannt und berücksichtigt werden, außerdem einen Überblick über alle relevanten Rei-seangebote, Zielgebietskenntnisse, Kenntnisse über die Verkehrsmittel und einen qualifizier-ten Überblick über Preise und Tarife.

Früher war es üblich, dass das Reisebüro das Inkasso des Reisepreises selbst vornahm und dann die touristische Leistung abzüglich seiner Provision an den Leistungserbringer (z. B. den Reiseveranstalter) weiterleitete. Mittlerweile übernehmen Leistungserbringer wie Reiseveranstalter das Inkasso meist selbst und überweisen dem Reisebüro lediglich die Pro-vision. Letztlich hat diese Vorgehensweise viele Vorteile für die Beteiligten: Das Reisebüro braucht sich nicht um die Solvenz des Kunden o. Ä. zu kümmern und hat weniger Abläufe in der Buchhaltung durch weniger Kontobewegungen. Der Reiseveranstalter hingegen braucht sich nicht darum zu sorgen, dass Kundengeld durch ein insolventes Reisebüro verloren geht, da er den Reisenden auf jeden Fall befördern muss. Auch bei Firmendienstreisebüros werden die fälligen Beträge oft direkt von der Firma an die Airline vergütet; das buchende Reisebüro erhält lediglich die zuvor verhandelte Servicegebühr.

Page 33: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

35 Tourismus und Marken |

Die einzelnen Leistungsträger und Reiseveranstalter sind daran interessiert, dass der Ab-satzmittler ihre Angebote denen der Konkurrenz vorzieht, und bieten dem Reisemittler dafür verschiedene, meist finanzielle Anreize. Daher kann es manchmal zu einem Zwiespalt zwi-schen optimaler Beratung für den Kunden einerseits und Provisionsmaximierung für den Ab-satzmittler andererseits kommen.

Der Konzentrationsprozess im Reisevertrieb und die Ausrichtung vieler Büros an die gro-ßen Tourismuskonzerne sind zum Nachteil kleiner und mittlerer Veranstalter, die sich teilwei-se verstärkt zum Direktvertrieb ausrichten, wobei eine mehrgleisige Vertriebsstrategie für ei-nen Reiseveranstalter problematisch werden kann. So haben Reisebüros natürlich Angst, ihren Kunden an einen Veranstalter zu verlieren, der ihn zukünftig direkt bedient. Verstärkt ein Veranstalter seine Bemühungen im Direktvertrieb, hat dies meist zur Folge, dass sich der stationäre Vertrieb von ihm abwendet, vorausgesetzt, es gibt Alternativen. Viele Spezialver-anstalter haben so große Alleinstellungsmerkmale, dass der indirekte Vertrieb auch auf sie angewiesen ist. Der Konzentrationsprozess der Reisebüros ist auch zum Nachteil des End-kunden; die Reiseangebote, auf die ein Kunde im Reisebüro zurückgreifen kann, beschrän-ken sich mehr und mehr auf die vorgegebenen Produkte der großen Veranstalter, die wieder-um darauf ausgerichtet sind, die vorhandenen Kapazitäten zu füllen. Dadurch kommt es auch immer häufiger vor, dass sich Reiseinteressierte im Reisebüro nicht mehr gut beraten fühlen, gerade dann, wenn sie nicht die Produkte von der Stange wollen. Dies verhilft z. B. den Rei-semessen zum Auftrieb, wo sich Anbieter abseits der austauschbaren Standard-Pauschalrei-sen direkt den interessierten Endkunden präsentieren können.

Weniger Reisebüros in Deutschland

In Deutschland ist die Zahl der Reisebüros rückläufig. Der DRV zählte im Jahr 2006 knapp 12.000 Reisebüros in Deutschland. Es wird dabei unterschieden zwischen drei Gruppen von Reisebüros, und zwar zwischen klassischen (Voll-)Reisebüros erstens, die mindestens über eine Veranstalter- und eine DB- oder IATA-Lizenz verfügen1, zweitens Firmendienstreisebü-ros, die hauptsächlich der Vermittlung von Geschäftsreiseleistungen nachgehen, und drittens Touristikbüros. Die letzteren konzentrieren sich auf die Vermittlung von touristischen Leistun-gen, haben mindestens zwei Veranstalter-Lizenzen und sind gleichzeitig weder ein IATA-Büro noch eine DB-Agentur. Zusätzlich existieren noch weitere Vertriebsstellen, die ebenfalls tou-ristische Leistungen vermitteln, dies aber nicht als Haupterwerb betreiben. Dies können pri-vate Reiseberater, Bekleidungsgeschäfte oder auch Zeitungskioske sein. Die Zahl der sons-tigen Buchungsstellen wird unterschiedlich hoch beziffert, sie beläuft sich auf circa 4.000 (undifferenzierte Nebenerwerbbüros) und ist von der Tendenz her eher steigend.

Page 34: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

36 | Die Tourismuswirtschaft

Abbildung I-15: Entwicklung der Anzahl der Reisebüros in Deutschland

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1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

Gesamtzahl der Reisebüros

Quelle: FVW, Reisebüroketten und -kooperationen 1999 – 2006

Einen Rückgang gibt es hauptsächlich bei den Reisebüros mit touristischem Schwer-punkt. Sowohl 2004 als auch 2005 mussten jeweils viele hundert Büros schließen. Im Zuge des Konzentrationsprozesses gestaltet sich das Überleben insbesondere für viele kleine Agen-turen zunehmend schwieriger. Die umsatzstarken Reisebüros werden von den Konzernen gefördert, und den umsatzschwachen werden die Provisionen und Werbekostenzuschüs-se gekürzt. Aber auch bei den Firmendienstbüros findet derzeit eine Konsolidierung statt. Ein Grund ist die Umstellung vieler Airlines auf Nullprovison, das heißt, Reisebüros bekommen von der Airline keinerlei Provision mehr, sondern müssen vom Kunden eine zusätzlich zum Flugpreis zu entrichtende Service-Gebühr erheben. Begonnen hat dieser Trend in den USA, in Europa war die Deutsche Lufthansa AG ein Vorreiter für dieses Modell. Hinzu kommt, dass viele Billig-Airlines gar nicht über die klassischen Computerreservierungssysteme buchbar sind, sondern auch für Reisebüros nur wie vom Kunden selbst im Internet. Allein 2005 ha-ben in Deutschland 600 Reisebüros ihre IATA-Lizenz zurückgegeben. Dennoch muss her-vorgehoben werden, dass der klassische stationäre Reisevertrieb nach wie vor eine wichtige Rolle spielt und das in den 90er Jahren prognostizierte ganz große Reisebürosterben bislang ausgeblieben ist – trotz Billigfliegern, Nullprovision bei den klassischen Airlines, Internet und Direktvertriebsbemühungen der Reiseveranstalter. Die Einführung der Service-Entgelte bei-spielsweise hat sich im Nachhinein für einige Reisebüros als lukrativ herausgestellt. Für einen günstigen Flug oder Tarif war die Provision geringer als ein Service-Entgelt heute. Zudem hat das Reisebüro die Möglichkeit, z. B. keine innerdeutschen Flugscheine mehr zu vermitteln und den Kunden auf das Internet verweisen und so wenig lukrative Prozesse zu vermeiden.

Page 35: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

37 Tourismus und Marken |

Reisebüros, die sich rechtzeitig spezialisiert haben, z. B. auf Kreuzfahrten oder die 50plus-Generation, sind heute oft gut aufgestellt. Reiseveranstalter sind in Zeiten geringeren Wachs-tums auf die Reisebüroumsätze angewiesen, auch davon profitiert der stationäre Vertrieb. Auch die Verkaufsaktivitäten der Reisebüros haben sich massiv verändert. Die Situation, wo die Mitarbeiter in einem gemütlichen Büro passiv warten, bis ein Kunde zufällig hereinkommt, gibt es zwar heute immer noch, erfolgreiche Reisebüros sind allerdings aktiver: Sie sammeln und verwerten Adressen ihrer Kunden und Interessenten für Mailing-Aktionen, organisieren Kundenabende, pflegen ihren eigenen Internetauftritt oder gehören einem Verbund an, der zusammen im Internet vertreten ist und sich die Buchungen aufteilt.

Abbildung I-16: Entwicklung des Gesamtumsatzes der Reisebüros in Deutschland

25,1

21,9

19,8 20,5 20,7 20,8

23,824,2

0,0

5,0

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25,0

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1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006

Umsatz (Angabe in Mrd.)

Quelle: FVW, Reisebüroketten und -kooperationen 1999 – 2006

Die Umsätze der Reisebüros steigen nach einem Rückgang Anfang des Jahrtausends wieder leicht an. Es verteilt sich mehr Umsatz auf weniger Reisebüros, was sich positiv auf die Ertragssituation der Reisebüros auswirkt. Die FVW berechnet den Gesamtumsatz des sta-tionären Vertriebs im Jahr 2006 auf 20,8 Milliarden Euro. Im Vergleich zum Vorjahr war dies eine leichte Steigerung, auch 2005 wuchs der Absatz in den Reisebüros auf geringem Ni-veau. Gut die Hälfte davon entfiel auf den Bereich Touristik, etwa zwei Drittel des Gesamt-umsatzes wurden im Privatkundenbereich erzielt. Gemessen am Wachstum des Gesamtrei-semarktes, das derzeit etwa 3,5 Prozent jährlich beträgt, bedeutet das im Vergleich geringere Wachstum allerdings einen Verlust von Marktanteilen des stationären Vertriebs.

Page 36: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

38 | Die Tourismuswirtschaft

Ketten- und Franchisesysteme

Tabelle I-4: Ketten- und Kooperationszugehörigkeit der einzelnen Vertriebsmarken

Reisebüroketten Reisebüro-Franchise-Systeme

Reisebüro-Kooperationen

REWE Touristik Atlas, DER, Derpart Atlas, Derpart Deutscher Reisering,Prima Urlaub,Pro Tours/RCE, Tour Contact

TUILeisure Travel

TUI Reise Center,First Reisebüro,Hapag-Lloyd,Discount Travel,Touristik Express

First, TUI Reisecenter TUI Travel Star

Thomas Cook Thomas Cook Reisebüro Holiday Land Alpha Reisebüropartner,Neckermann Team,Neckermann Partner

OFT-Vertrieb Reiseland Travelchannel Group Holiday Express

TVG Flugbörse, FTI Ferienwelt, Koch Übersee,Reisebüro Kimmel,Sonnenklar.TV

Flugbörse,FTI Ferienwelt, 5 vor Flug

Spitzenreiter unter den Ketten- und Franchisesystemen ist mittlerweile die REWE Touris-tik mit 4,3 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2006. Zu den Vertriebsmarken gehören die Ket-ten und Franchisesysteme Atlas Reisebüro, DER Reisebüro und Derpart Reisebüro, die bei-den letzteren sind auch im Geschäftsreiseservice stark. Bis 2005 konnte die TUI am meisten Umsatz im Vertrieb vereinen. Seit dem Verkauf der ehemaligen Firmendienst-Reisebürokette TQ3 an die holländische BCD Holding rutschten die Hannoveraner mit TUI Leisure Travel auf 2,6 Milliarden Euro und damit auf Platz zwei. In der TUI Leisure Travel-Gruppe sind sämtli-che deutschen Vertriebsaktivitäten von TUI vereinigt. Neben TUI Reisecenter sind dies insbe-sondere Hapag-Lloyd Reisebüro und First Reisebüro. Unter dem Label First Business Travel ist der Konzern auch weiterhin im Geschäftsreiseservice aktiv. Thomas Cook erwirtschaftete 2006 mit den an den Konzern gebundenen Büros etwas über eine Milliarde Euro, gefolgt von der OFT-Gruppe mit Büros der Marken Reiseland und Travel Overland sowie Holiday Express mit 850 Millionen Euro Umsatz.

Page 37: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

39 Tourismus und Marken |

Abbildung I-17: Reisebüroketten und Franchisesysteme, Umsätze 2006 (Mio. Euro)

0

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1500

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4000

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2005 2006

Quelle: FVW Dokumentation: Reisebüroketten und -kooperationen 2006

Abbildung I-18: Vertriebsmarken der TUI Gruppe in Deutschland

Page 38: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

40 | Die Tourismuswirtschaft

Abbildung I-19: Vertriebsmarken der REWE Touristik

Business Travel

Der Geschäftsreiseservice (Business Travel) ist ein Geschäftsfeld der Branche der Absatz-mittler. Geschäftsreisen unterscheiden sich meist von Urlaubsreisen, so sind Reisedauer und Buchungszeitraum kürzer, die Reiseausgaben pro Tag sind höher und das Buchungsverhal-ten ist flexibler. Traditionell sind Geschäftsreisekunden ein wichtiger Bestandteil des statio-nären Reisevertriebs. Viele Reisebüroketten haben eigene Geschäftsfelder, die ausschließlich auf Business Travel spezialisiert sind.

Große Firmen buchen ihre Reiseleistungen mittlerweile durch eigene Travel Management-Abteilungen bei professionellen Geschäftsreiseservices. Dabei sind die Einkaufskonditionen meist zuvor von den Travel Managern der Firmen direkt mit Fluggesellschaften und Hotelket-ten unter Berücksichtigung von Größenvorteilen ausgehandelt worden. Die Geschäftsreise-büros wickeln dann alle Reiseleistungen wie das Einbuchen von Hotels oder das Ausstellen von Bahnfahrkarten zu fixen Service-Gebühren ab, die zuvor in Rahmenverträgen festgelegt wurden. Durch den vermehrten Einsatz von Travel Managern bei den Firmen konnten ge-waltige Einsparungen bei den Ausgaben für Geschäftsreisen erzielt werden. Davon haben al-lerdings bisher viele kleine und mittlere Unternehmen gar nicht profitiert, da sie den Einkauf der Leistungen für die Geschäftsreisen ihrer Mitarbeiter häufig einem Reisepartner überlassen und nicht selbst die Einkaufskonditionen aushandeln.

Die Anzahl der Geschäftsreisen ist zwar weiterhin steigend, allerdings wird für die einzel-ne Reise immer weniger ausgegeben. Auch werden die Geschäftsreisedienstleistungen von den Firmen immer häufiger neu ausgeschrieben, um die Kosten der Abwicklung weiter zu senken. Der Einsatz immer ausgefeilterer EDV-Systeme sowie allgemeine Rationalisierungs-maßnahmen, wie z. B. die Umstellung auf papierlose Flugtickets, ermöglichen einen immer effizienteren Ablauf des Geschäftsreiseaufkommens. Der Verband Deutsches Reisemanage-ment e. V. hat analysiert, dass jeder dritte Beschäftigte in der Bundesrepublik mindestens eine Geschäftsreise pro Jahr unternimmt. 65 Prozent aller durchgeführten Geschäftsreisen sind bedingt durch klassische Geschäftsreiseanlässe wie Kundenbesuche, Akquisition und Vertrieb, 35 Prozent aller Geschäftsreisen führen zu Veranstaltungen wie Messen, Kongres-sen, Events, Schulungen und Seminaren. Die bedeutendsten Auslandsziele für deutsche Ge-schäftsreisende sind die USA, Frankreich, China, Großbritannien und Italien.

Page 39: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

41 Tourismus und Marken |

Tabelle I-5: Große Geschäftsreiseanbieter in Deutschland

Umsatz 2006 (Mio. Euro)

Anzahl derBetriebsstellen

Mitarbeiter in Deutschland

Kundenstruktur

BCD Travel 1807 150 2500 Großkunden, KMU

Lufthansa City Center (LCC) Business Plus

803 100 2800 KMU, Großkunden

FCM DERTravel Solutions

750 80 750 Großkunden, KMU

CarlsonWagonlit Travel

798 66 696 Großkunden, u. a. Ba-cardi, Baur, Bitburger

FirstBusiness Travel

450 80 400 KMU, u. a. Beate Uhse,Wüstenrot, Hornbach,Douglas

American Express 947 600 Großkunden, KMU

DerpartTravel Solutions

450 72 450 KMU, u. a. Mazda, Danone

Quelle: Touristik Report, FVW

In Deutschland war lange Zeit die Geschäftsreisekette TQ3 der TUI Marktführer (jetzt BCD Travel). Weitere wichtige Marktteilnehmer im Geschäftsreisensegment in Deutschland sind die Geschäftsreisesparte der REWE Touristik mit DER- und Derpart-Büros, die Lufthansa City Center-Reisebüros sowie die deutschen Ableger der Weltmarktführer American Express und Carlson Wagonlit Travel. Die Geschäftsreiseserviceketten sind als Marke beim Endverbrau-cher häufig nicht sehr bekannt, sondern auf den Business-to-Business-Bereich konzentriert.

CRS-Anbieter

Eine wichtige Rolle im Vertrieb von touristischen Produkten spielen die Anbieter von Computerreservierungssystemen (CRS). In englischer Sprache werden sie Global Distributi-on Systems (GDS) genannt.

Reisemittler wie Reisebüros benötigen Informationen möglichst vieler touristischer Leis-tungsträger, um für ihre Kunden Angebote erstellen und buchen zu können. CRS-Anbieter haben Lösungen dafür entwickelt. Durch ein CRS können Mitarbeiter im Reisebüro mit nur einer Buchungsmaske auf die unterschiedlichsten Daten touristischer Produkte zugreifen.

Im Computerreservierungssystem werden Informationen über Preise und Verfügbarkei-ten von kompletten Pauschalreisen wie z. B. Badeurlaub, Kreuzfahrten oder Städtereisen ge-nauso zur Verfügung gestellt wie die Buchbarkeit von Flügen, Hotels, Mietwagen, Fähren, Bahnen, Bussen oder anderen Produkten. Die CRS-Anbieter stellen dabei ein System zur Ver-fügung, das auf der einen Seite an die einzelnen verschiedenen Buchungssysteme der An-bieter angebunden ist und auf der anderen Seite eine internetbasierte Anwendung speist, auf die der Reisebüroexpedient zugreifen kann. Die Eingaben werden über einheitliche, pro-

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42 | Die Tourismuswirtschaft

duktspezifisch angepasste Masken getätigt, die für alle angeschlossenen Leistungsträger gleich aussehen; dadurch wird der Schulungsaufwand für die Reisebüros gering gehalten. Die Informationen werden dabei direkt vom Anbietersystem übertragen, genauso werden eingegebene Daten direkt in das Backoffice-System des einzelnen Leistungsträgers übertra-gen. Bevor die Technologie an die Nutzung über das Internet angepasst wurde, benötigten Nutzer von Computerreservierungssystemen noch eigene spezielle Hardware. Durch das In-ternet ist aber auch die monopolartige Stellung von CRS beschädigt. Es haben sich diverse zusätzliche Internetanwendungen gebildet, die ebenfalls Buchungsanfragen bearbeiten kön-nen; man spricht dabei von so genannten Internet Booking Engines (IBE). Die großen Anbie-ter von CRS sind allerdings über Jahrzehnte etabliert und eingeführt, die Zukunft muss erst zeigen, ob ihre Dominanz durch das Internet tatsächlich abnimmt. Große CRS-Betreiber sind Amadeus, Galileo, Sabre oder Worldspan. Die Anbieter versuchen mit zusätzlichen Dienst-leistungen und Produkten für die Reisemittler der drohenden Konkurrenz aus dem Internet zu begegnen.

Online-Vertrieb im Tourismus

Der Online-Absatz ist sowohl für den Direktvertrieb von Hotels, Fluggesellschaften oder Reiseveranstaltern als auch im Reisemittlergeschäft eine wichtige Größe geworden. Auf al-len Stufen der Wertschöpfungskette des Tourismus wird versucht, durch Internetaktivitäten direkt an neue oder vorhandene Kunden zu gelangen. Zusätzlich entstehen ständig neue Un-ternehmen, deren ausschließlicher Zweck der Online-Reisevertrieb ist.

Vertriebschancen für alle Anbieter

Das Internet bietet allen Tourismus-Dienstleistern die Möglichkeit, ihre Leistungen selbst dem Kunden anzubieten. Die Akzeptanz des Verbrauchers gegenüber dieser Vertriebsform ist in den vergangenen Jahren ständig gestiegen. Das heißt, er hat immer weniger Hemmun-gen, beispielsweise seine Bahnkarte online bei der Deutschen Bahn zu bestellen, sein Flugti-cket online bei der Airline zu kaufen oder eine Pauschalreise bei einem Online-Reisebüro zu buchen. Die Möglichkeiten der Absatzwege scheinen unbegrenzt. Neben den eigenen Leis-tungen können auch andere touristische Leistungen online angeboten werden. So bietet der Online-Auftritt der Airline oder der Bahn auch die Möglichkeit, zusätzlich zum Ticket ein Ho-tel oder eine ganze Pauschalreise zu buchen, und Hotels bieten im Internet nicht nur die Zim-merreservierung, sondern auch die Buchung der Anreise. Insbesondere die Online-Portale der Low-Cost-Carrier spielten eine Vorreiterrolle; sie begannen schon früh neben ihrem eige-nen Produkt – der Flugleistung – weitere Leistungen wie Hotelübernachtungen, Mietwagen, Versicherungen, Transfers etc. zu vertreiben, da ihr Geschäftsmodell von Anfang an auch auf Erlösquellen basierte, die abseits vom eigentlichen Geschäftszweck generiert werden. Diese Entwicklung führt dazu, dass auf der touristischen Wertschöpfungskette zunehmend alle mit-einander konkurrieren: Jeder bucht bei jedem. Im besten Fall konkurriert man nur um die Pro-visionen, die eingespart werden, wenn der Kunde im Netz direkt zum jeweiligen Dienstleis-

Page 41: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

43 Tourismus und Marken |

ter findet. Das Nachsehen in diesem Prozess könnte langfristig der indirekte Vertrieb haben. Schafft dieser es jedoch, im Internet ebenfalls die richtige Strategie einzuschlagen, hat auch er Chancen auf neue Umsätze. Hierauf wird später näher eingegangen.

Abbildung I-20: Online-Aktivitäten entlang der touristischen Wertschöpfungskette

Reisender

Reiseveranstalter

BeherbergungDienstleistungsbetriebe vor OrtReiseleitung/Beförderung etc.

Beförderungsleistung

Incoming- agentur

Online-Reiseportal

Absatzmittler

CRS-Anbieter

Auch die Anbieter der klassischen Computerreservierungssysteme (CRS-Anbieter) gehen auf Vorwärtsintegration und gründen Online-Plattformen, um selbst an den Direktkunden zu gelangen. So betreibt Sabre über Tochterfirmen die Portale Travelocity.com oder Lastminute.com, Amadeus ist an opodo.de beteiligt.

Umsatzzuwächse bei Online-Buchungen

Der Anteil der Online-Buchungen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Genaue Umsatzzahlen der gesamten Tourismusbranche sind schwierig zu erheben, verschiedene Studien kommen zu abweichenden Ergebnissen.

Schon die Definition des Begriffs Online-Umsatz ist schwierig und uneinheitlich. Was ge-nau versteht man unter Online-Umsatz? In den meisten Fällen ist es so, dass ein Reisender mehrere Kommunikationskanäle nutzt, bevor er zum Kaufprozess schreitet. Das heißt, ein Kunde, der eine Pauschalreise bucht, informiert sich z. B. beim Einkaufsbummel im Reisebü-ro, liest in der Tageszeitung im Reiseteil die aktuellen Angebote und orientiert sich gleichzei-tig im Internet über weitere Angebote der Zielregion, für die er sich am meisten interessiert. Letztlich bucht er das Angebot, das ihm in Reisebüro empfohlen wurde, führt aber den ei-gentlichen Buchungsprozess im Internet durch, da er so nicht erneut das Reisebüro aufsu-

Page 42: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

44 | Die Tourismuswirtschaft

chen muss. Ist dies nun ein Online-Umsatz? Oder ein Kunde informiert sich ebenfalls über verschiedene Kanäle, bekommt von seinen Freunden einen Tipp und nutzt ausgiebig das In-ternet. Dort findet er schließlich genau das Angebot, das ihm passt, möchte es aber noch mit seiner Partnerin besprechen und druckt alles aus. Den eigentlichen Buchungsprozess führen sie dann im Reisebüro durch, da sie dort gute Erfahrungen gemacht haben. Dies ist theore-tisch ein Online-Umsatz, da der Kunde durch das Internet auf das Angebot aufmerksam wur-de und dadurch der Umsatz eigentlich dort generiert wurde, er wird aber in die Statistik als Umsatz des stationären Vertriebs eingehen. Insofern ist schwer zu erheben, welcher Online-Umsatz tatsächlich im Netz generiert wurde und welcher eigentlich dem Online-Umsatz hin-zuzurechnen wäre. Und die Neigung der Verbraucher, viele Kommunikationskanäle gleich-zeitig zu nutzen, um zu einer Buchungsentscheidung zu gelangen, nimmt weiter zu.

Generell lässt sich festhalten, dass der Anteil des Online-Umsatzes im Tourismus stän-dig wächst. Bislang handelt es sich bei der Masse des touristischen Online-Absatzes um Ein-zelleistungen, d. h. Flugtickets, Bahnfahrkarten, Hotelbuchungen, Ferienhausanmietungen oder Reservierungen bei Autovermietungen. Der Anteil der touristischen Einzelleistungen, der über das Netz vertrieben wird, dürfte 2006 im Schnitt bei ca. 20 Prozent gelegen haben. Bei kombinierten touristischen Produkten wie der Pauschalreise wird der Anteil noch bei un-ter fünf Prozent gelegen haben, allerdings mit steigender Tendenz. Im Ausland ist der An-teil der Online-Buchungen oft höher, beim neuen Thomas Cook plc Konzern wird geschätzt, dass der deutsche Konzernbereich knapp fünf Prozent online absetzt, wobei der englische Konzernteil, der aus MyTravel hervorgeht, einen Online-Anteil von 20 Prozent hat. Länder wie die skandinavischen, in denen das Internet besonders oft genutzt wird, verzeichnen ebenso einen höheren Anteil der Touristikausgaben im Internet als Deutschland. In den USA gehen Schätzungen davon aus, dass bis zur Hälfte des touristischen Umsatzes über das Netz ab-gewickelt wird. Sicher ist, dass der Online-Vertrieb in allen Segmenten und Ländern in den nächsten Jahren weiter steigen wird.

Tabelle I-6: Top Ten-Reiseseiten im Internet nach Besuchern pro Monat

Platz Aug 07 Dez 06

1 Bahn.de 5.801.000 Bahn.de 5.095.000

2 Ab-in-den-Urlaub.de (Aidu) 2.881.000 Germanwings 1.762.000

3 Expedia 2.415.000 Traveltainment 1.613.000

4 Traveltainment 2.354.000 Expedia 1.473.000

5 TUI.com 1.994.000 Lufthansa 1.342.000

6 Germanwings 1.422.000 HLX 977.000

7 Holidaycheck 1.363.000 HRS 933.000

8 Airberlin 1.341.000 T-Online Reisen 897.000

9 Lufthansa 1.269.000 Opodo 893.000

10 Thomas Cook 1.252.000 Aidu 841.000

Summe 22.092.000 15.826.000

Quelle: Nielsen Netratings/FVW

Page 43: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

45 Tourismus und Marken |

Da touristische Einzelleistungen wie Transportleistung oder Hotelübernachtung die höchs-te Akzeptanz im Online-Vertrieb haben, ist es nicht verwunderlich, dass die Anbieter dieser Leistungen auch die am meisten besuchten Seiten im Internet sind. Auf dem ersten Platz ist Bahn.de das beliebteste deutsche Reiseportal, gefolgt von der Lufthansatochter German-wings und anderen Low-Cost-Carriern. Bei Reiseportalen mit vielen touristischen Leistungen liegen die national bekanntesten Marken vorn: Expedia, Opodo oder Ab-In-Den-Urlaub.de. Traveltainment ist Techniklieferant für diverse Reisebüroseiten, so dass die hohen Besucher-zahlen hier keine Aussagekraft haben. Der Vergleich der Besucherzahlen im Dezember 2006 zu August 2007 zeigt, wie schnell sich die Marktanteile und absoluten Zugriffszahlen einzel-ner Reiseportale verändern. Innerhalb von nur acht Monaten haben sich bis auf den Markt-führer alle Teilnehmer im Ranking der Top Ten verändert, teilweise sogar gravierend.

2005 hat die FVW erstmals Umsatzzahlen deutscher Online-Reisebüros veröffentlicht, die zum Teil allerdings auf Schätzungen beruhten. Auch 2006 wurde die Erhebung wieder durchgeführt. Dabei sind lediglich Umsätze berücksichtigt, die sich auf Online-Portale mit einem umfangreichen touristischen Sortiment beziehen. Umsätze von Leistungserbringern werden nicht untersucht, so auch das Transportgewerbe nicht, das mit seinen Billigfliegern als treibende Kraft des touristischen E-Commerce gilt. Auch Webseiten, die nur auf die Ver-mittlung von Hotelbetten spezialisiert sind (hotel.de, hrs.de), sind nicht mit einbezogen. Le-diglich Bahn.de ist berücksichtigt, da es sich um ein Portal handelt, das auch andere touris-tische Leistungen vermittelt. Bahn.de erzielte nach 479 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2005 ein Jahr später bereits 642 Millionen Euro Umsatz, davon entfallen etwa 94 Prozent auf Fahr-scheine für die Deutsche Bahn. Dies bedeutet, dass das Portal immerhin 40 Millionen Euro touristischen Umsatz abseits von Bahntickets erzielt. Am erfolgreichsten sind Expedia und Opodo. Diese sind gleichzeitig auch die bekanntesten deutschsprachigen Online-Reisever-triebsmarken. Sie verzeichnen niedrige dreistellige Millionenumsätze. Sie vermitteln dabei nicht nur die Reisen etablierter Veranstalter, sondern produzieren zunehmend auch selbst Pauschalreiseangebote. „Dynamic Packaging“ werden die Eigenveranstaltungen der Online-Reisebüros häufig genannt, da sie – unabhängig von gedruckten Katalogen oder ähnlichem – tagesaktuell neue Pakete mit neuen Preisen zusammenschnüren können.

Viele Online-Reisebüros basieren auf einer so genannten Affiliate-Technik. Dies bedeu-tet, dass mehrere Anbieter auf die gleiche Datenbank zurückgreifen. Der Betreiber der Da-tenbank, z. B. eine Reisebürokette oder ein eigenes Online-Portal, gibt dann an den Seitenbe-treiber, über den die Buchung getätigt wurde, eine Provision ab. De facto greifen sehr viele Seiten im Internet – auch wenn sie sich von der Aufmachung unterscheiden, auf die gleichen Datenbanken zurück. Die Reisebürokooperationen versuchen nun mit eigenen Portalen, die dem stationären Vertrieb angegliedert sind, der Konkurrenz der reinen Online-Portale entge-genzutreten. So können alle Reisebüros, die Mitglieder der Kooperation sind, das Online-An-gebot für einen eigenen Auftritt nutzen. Reisebüroketten und Franchiseorganisationen kön-nen dabei ihre Marke auf den Internetvertrieb ausdehnen. Reisebürokooperationen hingegen haben meistens keine Marke, die beim Endkunden bekannt ist.

Page 44: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

46 | Die Tourismuswirtschaft

Tabelle I-7: Deutsche Online-Reisebüros 2006

Portal(e) Unternehmen Umsatz 2006 (teilweisegeschätzt*) in Mio. Euro

Bahn.de, Start.de Deutsche Bahn, DB Vertrieb

642

Expedia.de Expedia 320*

Opodo.de Opodo 241

Travelchannel.de, Reiseland.de,Otto-Reisen.de u. a.

Otto Freizeit und Touristik 175*

Buche24.de (zzg. Mitglieder Affiliates) Schmetterling 150

Lastminute.vom, Lastminute.de,Holidayautos.de u.a.

Travelocity 140*

Ab-in-den-Urlaub.de (Aidu.de),Holidayranking.de (zzgl. Affiliate)

Unister 120*

Ebookers.de, Octopustravel.de u. a. Travelport 110*

Merson.de, RT-Reisen.de, (zzgl. Mitgliederportale)

RTK-Gruppe 67

Holidaycheck.de Holidaycheck 58

Onlineweg.de (zzgl. Mitlgliederportale) TSS 48

Touristikboerse (zzgl. Affiliate) Travianet 32

Reise.coop (zzgl. Mitgliederportale) AER 31

Karstadt-Reisen.de, Necker-mann-Urlaubswelt.de u. a.

Karstadt Quelle 30

Weg.de Comvel 30

Ferien.de TUI Leisure Travel 20*

LCC24.de (zzgl. Mitgliederportale) Lufthansa City Center 18

Travelscout24.de Scout24 16*

Billigweg.de Billigweg.de 16

Travel24.com Travel24.com, Last-minute24.com

14

Quelle: FVW, Reisebüroketten und -kooperationen 2006

Auch die großen Touristikkonzerne beginnen, „neutrale“ Internetverkaufsplattformen an-zubieten. Als erstes startete thomascook.de im Herbst 2006 damit, auch Pauschalreisen in das Online-Portal mit aufzunehmen, die nicht den konzerneigenen Veranstaltern entstam-men. Auch die TUI will bei dem Internetauftritt ihrer Tochter Discount-Travel ein neutrales Portal schaffen und hat dort Produkte anderer Veranstalter aufgenommen.

Page 45: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

47 Tourismus und Marken |

Dominanz von Suchmaschinen beim Online-Vertrieb

Eine 2007 von Google beauftragte Studie hat herausgefunden, dass 34 Prozent aller Inter-netnutzer die Online-Recherche für touristische Produkte mit einer Suchmaschine beginnen. Nur 18 Prozent nutzen ein Online-Portal eines Reisemittlers, elf Prozent starten die Suche bei einer Airline und zehn Prozent gehen über eine Veranstalterseite. Damit ist Google ein verlän-gerter Arm der Wertschöpfungskette im touristischen Online-Vertrieb. Da bei Google keine Reisen gebucht werden können, ist dies zwar für den Reisevertrieb allgemein erst einmal kei-ne große Gefahr. Verwunderlich und enttäuschend ist es aber schon, dass es die bestehen-den großen Reiseportale in den letzten Jahren nicht geschafft haben, mit ihren Internetseiten das Vertrauen der Verbraucher zu gewinnen. Weiterhin hat die Studie herausgefunden, dass 75 Prozent der Internetnutzer Suchmaschinen zum Preisvergleich touristischer Produkte nut-zen, Online-Reisebüros folgen hier dicht mit 71 Prozent. Und wenn es um konkrete Produkt-informationen geht, binden sogar 87 Prozent eine Suchmaschine mit ein.

Luftverkehrsmarkt

Die größten Airlines sind Linienfluggesellschaften, die oft aus nationalen Fluggesellschaf-ten und einstigen Monopolbetrieben hervorgegangen sind. Sie bieten ein umfangreiches An-gebot an Flugstrecken und verstehen sich als Full Service Carrier. Sie sind heute in der Regel einer der drei Airline-Allianzen angegliedert, die sich seit Ende der 90er Jahre gebildet haben. Die großen Linienfluggesellschaften verfügen häufig über mindestens einen großen Dreh-kreuz-Flughafen, an dem ein Großteil ihrer Flotte stationiert ist. Das Pendant zu den Full-Ser-vice-Carriern sind die Billigfluggesellschaften, auch Low-Cost-Carrier oder seltener auch No-Frills-Carrier genannt. Sie bieten in der Regel keinen kostenlosen Service, haben schnellere Flugzeugumläufe, sind nur direkt im Internet buchbar und starten oft von Flughäfen mit ge-ringeren Start- und Landegebühren. Die eingesparten Kosten geben sie an die Kunden wei-ter, weshalb ihre Flugpreise häufig günstiger sind als die der klassischen Linienfluggesell-schaften. Außerdem existieren noch Ferienfluggesellschaften, die auf das Touristikgeschäft mit Charterflügen für Pauschalreisen spezialisiert sind, oder Nischengesellschaften, die meist ausschließlich bestimmte regionale Flugstrecken abdecken.

Die IATA (engl. International Air Transport Association) wurde am 28. August 1919 in Den Haag als ein Gemeinschaftsverband der Fluggesellschaften gegründet. Ziel der IATA ist die Koordination aller an Lufttransportdiensten beteiligten Unternehmen sowie die Förde-rung des sicheren, planmäßigen und wirtschaftlichen Flugverkehrs. In ihr sind heute weltweit etwa 285 Fluggesellschaften organisiert, sie bilden 94 Prozent des Luftverkehrsaufkommens ab. Die IATA sammelt umfangreiches Zahlenmaterial ihrer Mitglieder, weshalb ziemlich ex-akte Daten über den Flugverkehr vorliegen. Betrachtet man die Luftfahrtbranche als ganzes, so verdient sie 2007 zum ersten Mal wieder Geld, nach sechs Jahren eingeflogener Verluste. Insbesondere die US-amerikanischen Airlines hatten es in den ersten Jahren des neuen Jahr-tausends äußerst schwer, unter anderem durch die Geschäftseinbrüche des 11. September. Nun kann man beobachten, dass sich die notwendigen Sanierungen der US-amerikanischen Airlines im Endstadium befinden bzw. bereits vollendet sind.

Page 46: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

48 | Die Tourismuswirtschaft

Abbildung I-21: Umsatzrenditen der IATA-Mitglieder 1994 – 2008

-10,0

-8,0

-6,0

-4,0

-2,0

0,0

2,0

4,0

6,0

8,0

10,0

1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

%

AsienEuropaNord-Amerika

Quelle: IATA, New Financial Forecast, September 2007

Die IATA-Mitglieder durchleben derzeit ein Wachstum des Flugverkehrs von ca. fünf bis sechs Prozent jährlich. Das größte Wachstum bis zum Jahr 2010 wird für den arabischen Raum und vor allem für Asien vorausgesagt. 2005 wurden insgesamt 1.834 neue Flugzeuge bei den Flugzeugbauern Airbus und Boeing bestellt; dies ist nach 2.074 georderten Einheiten im Vorjahr die zweithöchste Anzahl der Geschichte.

Die Low-Cost-Carrier gewinnen eine immer stärkere Bedeutung. Ihr Anteil an angebote-nen Sitzplätzen auf Kurzstrecken ist sowohl in den USA als auch in Europa innerhalb weniger Jahre auf knapp 30 Prozent gestiegen. Auch in Asien und Südamerika nimmt der Anteil der stark expandierenden Billigflieger zu; in kaum einem Land der Welt hat sich noch kein Low-Cost-Carrier breitgemacht. Dies hat aber auch die etablierten Fluggesellschaften dazu ge-bracht, in den letzten Jahren signifikant Kosten zu senken. In den letzten 30 Jahren sind die Preise für Flugtickets konstant gesunken.

Die großen Airlines der Welt sind US-amerikanische Airlines. Sie befördern die meis-ten Passagiere. Die fusionierte europäische Gruppe Air France-KLM ist nach Umsatz derzeit die größte Airline der Welt. Aber auch die Lufthansa, Weltmarktführer bei Passagieranzahl im internationalen Flugverkehr, ist mit knapp 30 Milliarden Euro ein Schwergewicht unter den Fluggesellschaften. Die Konsolidierung bei den Fluggesellschaften hat seit der Jahrtau-sendwende an Fahrt gewonnen: Insbesondere in Europa, wo der Luftverkehr weitgehend liberalisiert wurde, gab es bereits viele Zusammenschlüsse und Übernahmen, aber auch Neugründungen. So sind traditionsreiche Airlines wie Sabena oder Aero Lloyd vom Markt verschwunden oder von Wettbewerbern übernommen worden, wie z. B. auch die Swiss von der Lufthansa.

Page 47: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

49 Tourismus und Marken |

Tabelle I-8: Die größten Fluggesellschaften der Welt, Umsatz in Mrd. USD, Passagiere in Tausend

Top 10Umsatz 2006

InternationalePassagiere 2005

Passagiere 2005

1 Air France-KLM 30,9 Lufthansa 35.740 American Airlines 98.038

2 Lufthansa 29 British Airways 28.922 Delta Air lines 86.007

3 American Airlines 22,6 Air France 28.898 Unites Airlines 66.717

4 United Airlines 19,2 KLM 21.435 Nothwest Wirlines 57.547

5 Delta Air Lines 17,6 American Airlines 20.659 Japan Airlines 50.884

6 British Airways 17,3 Singapore Airlines 16.618 Lufthansa 48.958

7 Continental Airlines 13,4 Cathay Pacific 15.369 Air France 48.315

8 Nothwest Airlines 12,6 Emirates 13.976 All Nippon Airways 47.787

9 US Airways Group 11,7 Scandinavian Airlines 13.378 China Southern Airlines 43.228

10 Southwest Airlines 9,3 Alitalia 12.841 Continental Airlines 42.777

Quelle: Umsatz: Reuters.com, Passagiere: IATA.org

Airline-Allianzen

Eine Airline-Allianz ist eine Kooperation verschiedener Fluggesellschaften. Dabei bleiben die Unternehmen rechtlich eigenständig, arbeiten aber in verschiedenen Bereichen zusam-men, um Synergien zu erzielen und sich globaler aufstellen zu können. Kooperationen kön-nen sich in folgenden Bereichen ergeben:

Gemeinsamer Check-in-Service Y

Ausstellung von einheitlichen Flugtickets Y

Gemeinsames Bonusprogramm für Vielflieger Y

Gegenseitige Öffnung der Airport-Lounges Y

Abstimmung von Flugplänen mit dem Ziel, ein weltweites Streckennetz anbieten zu können Y

Gegenseitige Vermietung von Sitzplätzen (Code-Sharing) Y

N Y utzung des Verbunds als größere Einkaufsmacht bei Zulieferern für Flugzeugersatzteile, Kerosin etc.Kooperationen bei organisatorischen Prozessen, beispielsweise Umsteigeservice an den Y

FlughäfenAngleichung von Qualitätsstandards Y

Ggf. gemeinsame Streckenrechte und Slots Y

Gemeinsame Nutzung von eigenen Flughafenterminals (Beispiel: Lufthansa-Terminal in Y

München, Austrian-Terminal in Wien)

Die Star Alliance ist der mächtigste und wichtigste Airline-Verbund. Die Allianz wurde 1997 von Air Canada, Lufthansa, Scandinavian Airlines, Thai Airways und United gegrün-det. Es war die erste Airline-Kooperation seit dem Bestehen von Fluggesellschaften. Erst-mals kooperieren Fluggesellschaften partnerschaftlich, um gemeinsam mehr zu erreichen. Den Fluggesellschaften bot sich durch die Gründung der Allianz die Möglichkeit, sich auf glo-

Page 48: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

50 | Die Tourismuswirtschaft

baler Basis zu erweitern – mit eigenen Ressourcen wären die Gesellschaften dazu gar nicht in der Lage gewesen. Die weltweite Präsenz war aber gleichzeitig notwendig, um den Flug-gästen moderne Flugprodukte anbieten zu können. Treibende Kraft hinter dem Verbund war der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Deutschen Lufthansa, Jürgen Weber. Heute ver-eint die Allianz 17 Fluggesellschaften und absolviert damit zurzeit mehr als 16.000 Flüge zu fast 900 Destinationen in mehr als 150 Ländern pro Tag. Sitz der Allianz ist Frankfurt. Neben den Gründungsmitgliedern gehören heute die folgenden Airlines dazu: Air New Zealand, die japanische ANA, die britische bmi, Spanair, der ehemalige schweizerische Traditionscarri-er Swiss, die größte afrikanische Fluggesellschaft South African Airways, die mit über 3.800 täglichen Starts und Landungen größte Airline im Verbund AS Airways, die portugiesische TAP, die führende Airline von Europa nach Brasilien, Austrian Airlines mit vielen Flugstrecken nach Osteuropa und in die GUS-Staaten, die Asiana und der Gründungskunde des A 380, Singapore Airlines. Die Erweiterung des Bündnisses ist in Arbeit, 2008 werden rechtzeitig zu den Olympischen Spielen zwei führende chinesische Airlines hinzukommen: Air China und Shanghai Airlines. Weiterhin wird Turkish Airlines dem Verbund beitreten, somit haben die Mitglieder neue Möglichkeiten im Nahen Osten und in Zentralasien.

Abbildung I-22: Mitglieder der Airline-Kooperation Star Alliance (Stand 2007)

Page 49: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

51 Tourismus und Marken |

Neben der Star Alliance haben sich noch zwei weitere Airline-Verbünde gebildet. Drei Jahre nach der Star Alliance wurde die Skyteam-Allianz gegründet, die von Air France und KLM dominiert wird. Durch Continental und Northwest ist die Allianz stark in Nordamerika. Die russische Fluglinie Aeroflot eröffnet den Mitgliedern Zugang zu einem riesigen Wachs-tumsmarkt. Daneben existiert der Oneworld-Verbund um die Carrier British Airways und American Airlines, der größten Airline der Welt. Die Stärken dieses Bündnisses liegen durch die Mitgliedschaft von Cathay Pacific und Qantas unter anderem im asiatischen und südpa-zifischen Raum. Auch die Iberia als Marktführer für viele Strecken von Europa nach Latein-amerika ist ein wichtiger Partner.

Die Star Alliance gilt aber innerhalb der Airline-Allianzen bezogen auf realisierte Synergi-en und Tiefe der Zusammenarbeit der verschiedenen Fluggesellschaften als führend, zudem ist sie weltweit flächendeckend vertreten, Wachstumspotenzial gibt es bei ihr vor allem noch in Asien.

Tabelle I-9: Mitglieder der Airline-Allianzen Skyteam und Oneworld

Abbildung I-23: Logos der Airline-Allianzen Skyteam und Oneworld

Page 50: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

52 | Die Tourismuswirtschaft

Deutsche Fluggesellschaften

In Deutschland dominiert die Deutsche Lufthansa als nationale Fluggesellschaft mit mehr als 20 Milliarden Euro Umsatz. Die Airline ist hervorragend aufgestellt und weltweiter Markt-führer für internationale Verbindungen. Mit den Flughäfen Frankfurt und München als Haupt-standorten sowie vielen Slots an allen wichtigen Flughäfen in Deutschland hat die Fluggesell-schaft eine breite Abdeckung. Das von Lufthansa initiierte Vielfliegerprogramm Miles & More – schon eine eigene Marke – bindet Millionen von Passagieren erfolgreich an die Lufthan-sa sowie an deren Star Alliance-Partner. Beteiligungen hat Lufthansa neben Air Dolomiti und Swiss unter anderem an Germanwings, einer erfolgreichen deutschen Billig-Airline.

Zweitgrößte Fluggesellschaft in Deutschland ist Air Berlin. Die von Joachim Hunold über-nommene Airline ist nicht nur durch starkes organisches Wachstum geprägt, sondern auch durch diverse Übernahmen und Zukäufe in der Phase der Konsolidierung. Air Berlin war ur-sprünglich insbesondere stark auf der Strecke von Deutschland nach Mallorca. Von vielen deutschen Städten flog die Airline die Balearen an, mit der Zeit sind auch andere Ziele in Eu-ropa hinzugekommen. Durch die Übernahme der dba von dem Bekleidungsunternehmer Wöhrl, der sie zuvor von der British Airways übernommen hatte, wuchs auch das innerdeut-sche Netz von Air Berlin beträchtlich. Der Zukauf der LTU stellte für Air Berlin den Einstieg ins Langstreckengeschäft dar. Die Bestellung von 50 Langstreckenjets des Typs Dreamliner bei Boeing zeigt, dass die langfristige Strategie von Air Berlin die Errichtung einer Airline abseits des Nischendaseins ist. Ein geplanter Zusammenschluss mit der Fluggesellschaft von Tho-mas Cook, der Condor, wird den Abstand zu Lufthansa weiter verringern.

TUIfly, hervorgegangen aus den beiden Fluggesellschaften der TUI Hapag-Lloyd Express (HLX) als Low-Cost-Carrier und Hapagfly als Ferienflieger bündelt das Airlinegeschäft des Touristikkonzerns in Deutschland. Durch die Konsolidierung in der Touristiklandschaft 2007 gehört die britische Thomson Fly ebenfalls zu dem Konzern. Thomson Fly hat eine starke Flot-te auch von Langstreckenfliegern, TUIfly ist auf Kurz- und Mittelstrecke ausgerichtet. Zudem hat der TUI-Konzern 25 neue Dreamliner bei Boeing bestellt. Es ist davon auszugehen, dass TUIfly und Thomson Fly zukünftig in der Hauptsache die konzerninterne Nachfrage im Feri-enflugbereich bedienen werden und weniger nach außen als Low-Cost-Carrier oder gar im Linienverkehr auftreten.

Tabelle I-10: Die deutschen Fluggesellschaften der Lufthansa-Gruppe und der Air Berlin-Gruppe

Lufthan-sa-Gruppe

Lufthansa Swiss Germanwings Air BerlinGruppe + Condor

Air Berlin LTU Condor

Anzahl Flugzeuge 490 389 74 27 160 96 27 35

Umsatz (Mrd. Euro) 23 19,8 2,6 0,6 3,9 1,6 1,1 1,2Passagiere (Mio.) 71 53,4 10,5 7,1 33,4 19,7 5,7 7,8

Der Konsolidierungsprozess in der Airline-Branche in Deutschland hat dazu geführt, dass bei Fluggesellschaften viele Marken vom Markt verschwunden sind und viele noch ver-schwinden werden. Dies sind langjährige Marken mit Tradition wie dba oder auch kurzfristig

Page 51: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

53 Tourismus und Marken |

aufgebaute Marken wie HLX. Die Gründung von TUIfly mag zwar die Marke des Mutterkon-zerns fördern, gleichzeitig wurden zwei andere Marken vernichtet. Die Marke HLX war pfiffig positioniert, die Kampagne „Fliegen zum Taxipreis“ sprach Urlauber wie Geschäftsreisende gleichermaßen an. Mit der Marke TUIfly tun sich Geschäftsreisende dagegen eher schwer. Hapagfly hingegen war im Markt so positioniert, eben nicht jede Preisschlacht mitmachen zu müssen: Qualität beim Ferienflieger, so war das Motto. Auch andere Reiseveranstalter kauf-ten Kontingente dieser Airline, das ist jetzt bei TUIfly nicht mehr möglich, da Konkurrenzver-anstalter ihre Touristen nicht unter dem TUI-Label in den Urlaub schicken können.

Als Fluggesellschaft von Thomas Cook sollte die Marke Condor schon einmal vom Markt verschwinden und der durchgängigen Markenstrategie von Thomas Cook weichen. Dieser Versuch wurde bekanntlich abgebrochen. Die Frage ist nur, ob dies nicht nur noch ein kurzes Aufbäumen vor dem dauerhaften Verschwinden der Marke war. Ob die Marke Condor bleibt, hängt davon ab, ob die Fluggesellschaft bis 2010 Air Berlin oder einem anderen Konsortium angehören wird. LTU ist ebenfalls eine Airline-Marke mit Tradition; auch sie wird langfristig der Expansion von Air Berlin zum Opfer fallen. Noch plant Air Berlin die Marke LTU für einen Teil der Langstreckenflüge zu Ferienzielen beizubehalten. Aber langfristig ist es für die Air-line sinnvoll, die Marke Air Berlin auch für diese Flüge zu nutzen, schließlich müssen Flug-gäste an beiden Enden der Flugstrecken gewonnen werden, und die Marke Air Berlin profi-tiert von der positiv besetzten Marke Berlin und transportiert den Qualitätsgedanken „Made in Germany“.

Abbildung I-24: Logos einiger deutscher Fluggesellschaften

Sicherheit der Fluggesellschaften – JACDEC Safety-Index

Für die Marke einer Fluggesellschaft ist neben der Zusammenstellung der Flotte, Aus-stattung der Flugzeuge, Servicelevel, Vielfliegerprogramm etc. vor allem die Sicherheit ent-scheidend.

Die in Hamburg ansässige Organisation Jet Airliner Crash Data Evaluation Centre (J.A.C.D.E.C.) berechnet regelmäßig einen Index, der die Sicherheit von Fluggesellschaften ermittelt. Errechnet wird der Index aus der Häufigkeit von Crashs bei den verschiedenen Air-lines. Die Daten von allen Flugzeugabstürzen weltweit werden gesammelt und ausgewertet. Der JACDEC Safety Index beschreibt die Todesfälle pro geflogener Flugleistung. Die Einheit dabei ist Anzahl der Todesfälle in Bezug zur geflogenen Strecke der Fluggesellschaft in Tera-meter. Ein Terameter entspricht einer Billion Meter, also 1.000.000.000 km. Erreicht eine Air-

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54 | Die Tourismuswirtschaft

line einen JACDEC Safety-Index von 0,8, so müsste man im statistischen Mittel 1,25 Milliar-den km mit der Fluggesellschaft fliegen, um einen Todesfall zu erreichen. Das bedeutet, man könnte über 28.000 Mal um die Welt fliegen. Die Lufthansa hat einen JACDEC-Index von 0,05 und gilt somit als eine der sichersten Airlines der Welt.

Tabelle I-11: JACDEC-Index einiger wichtiger Fluggesellschaften, Stand 2007

Airline Gründungsjahr Anzahl derZwischenfälle

Todesopfer insgesamt JACDEC Safety-Index

Aeroflot 1992 25 242 0,07

Air Berlin 1978 0 0 0,00

Air Canada 1937 18 360 0,05

Austrian Airlines 1958 2 31 0,05

China Airlines 1959 19 851 1,54

Easy Jet 1995 0 0 0,00

Emirates 1985 0 0 0,00

Iberia 1927 33 507 0,40

LTU 1955 1 0 0,00

Lufthansa 1928 61 282 0,05

Singapore Airlines 1972 1 83 0,07

Thai Airways 1959 13 381 0,64

US Airways 1938 19 400 0,22

Des Weiteren definiert die Europäische Union eine so genannte Schwarze Liste, in der sie Fluggesellschaften auflistet, denen nach Regeln europäischer Sicherheitsstandards keine Be-triebserlaubnis erteilt würde. In Europa dürfen diese Airlines weder landen noch starten. Hin-zu kommen haftungsrechtliche Probleme, wonach es Reisebüros und Reiseveranstaltern teil-weise nicht gestattet ist, Tickets dieser Airlines zu verkaufen bzw. nur im Verbund mit einer umfangreichen Aufklärung des buchenden Passagiers.

Beherbergung

Zur Beherbergungsindustrie gehört in erster Linie die klassische Hotellerie. Daneben exis-tieren auch Ferienwohnungen, Campingplätze, Sanatorien, Appartmenthäuser etc., die so genannte Para-Hotellerie. Kunden für die Beherbergungsindustrie sind die Reisenden selbst, Reisemittler aller Art, Business Travel-Firmen sowie Reiseveranstalter. Die Verhandlungs-macht von Reiseveranstaltern gegenüber den Hotels ist dabei recht unterschiedlich. Auf der einen Seite verlangen sie Sonderkonditionen (‚Nettopreise’) bei hohen Kontingentabnahmen und möglichst weiche Stornobedingungen, da sie selbst oft erst wenige Wochen vorher ge-naue Buchungszahlen kennen. Auf der anderen Seite ist der Veranstalter auf diese fest zuge-sagten Kontingente angewiesen, um Pauschalreiseangebote aufstellen zu können. Es kommt

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55 Tourismus und Marken |

immer wieder vor, dass Hotelkapazitäten knapp werden. Nicht nur bei exotischen Destinatio-nen gibt es oft nur wenig Auswahl an Hotels, die den nötigen Standard bieten. Neue Touris-tenströme, z. B. aus Asien oder Russland, belegen zusätzlich Hotelkapazitäten. Reisemittler, die nur in den wenigsten Fällen große Kontingente abnehmen, arbeiten mit Computerreser-vierungssystemen. Diese haben den Vorteil, dass sofort Verfügbarkeiten abgefragt und Bu-chungen durchgeführt werden können. Seit einigen Jahren ist es aber nicht mehr den Reise-mittlern allein vorbehalten, Hotelzimmer per Computerreservierungssystem zu buchen. Auch der Endkunde kann heute im Internet durch Internet Booking Engines (IBE) Verfügbarkeiten abfragen und Zimmernächte reservieren. Entweder direkt über das Hotel oder über andere Reisemittler aller Art.

Hotelklassifizierung

Eine international allgemeingültige Hotelklassifizierung gibt es zwar nicht, jedoch richten sich viele Angaben in Reiseausschreibungen an einer Einteilung der Hotels in fünf verschie-dene Kategorien aus, die meist in Sternen angegeben werden. Angelehnt an die Bezeichnun-gen des Schweizer Hotelier-Vereins werden in etwa folgende Bezeichnungen verwendet:

Tabelle I-12: Allgemeine Hotelqualifizierung

Anzahl Sterne Kategorie

* Einfaches Hotel

** Hotel der Touristenklasse

*** Mittelklasse-Hotel

**** First-Class-Hotel

***** De-Luxe-Hotel

Manchmal werden den Bezeichnungen noch Zusätze gegeben, um den Standard des Hotels genauer zu kennzeichnen, z. B. „Hotel der gehobenen Mittelklasse“ oder „einfaches Hotel der Touristenklasse“.

Welche Voraussetzungen ein Hotel erfüllen muss, um eine gewisse Anzahl von Sternen offiziell tragen zu dürfen, ist in jedem Land unterschiedlich. Der Vergabe zugrunde gelegt werden Merkmale des Hotels wie Ausstattung und Größe der Zimmer, Servicelevel, Lage des Hotels oder Zustand und Zuschnitt der Empfangs- und Aufenthaltsräume. In Europa wird die Klassifizierung in der Regel durch einen Verband oder eine Behörde durchgeführt, in einigen Ländern wie Spanien, Portugal oder Italien ist sie gesetzlich vorgeschrieben, in anderen frei-gestellt. Ein einheitliches Bewertungssystem ist in absehbarer Zeit nicht zu erwarten, zu groß ist der Interessenkonflikt der Länder untereinander.

In Deutschland wird die Hotelklassifikation seit 1996 vom Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) vorgenommen. Es gibt eine Einteilung in fünf Sternekategorien. Auszug aus dem Kriterienkatalog der Deutschen Hotelklassifizierung:

Page 54: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

56 | Die Tourismuswirtschaft

Kategorie Komfort – 3 Sterne

Einzelzimmer 14 m Y 2, Doppelzimmer 18 m2

14 Stunden besetzte separate Rezeption, 24 Stunden erreichbar Y

Zweisprachige Mitarbeiter, Sitzgruppe am Empfang, Gepäckservice Y

Getränkeangebot auf dem Zimmer Y

Telefon auf dem Zimmer, Internetzugang Y

Heizmöglichkeit im Bad, Haartrockner, Papiergesichtstücher Y

Ankleidespiegel, Kofferablage, Safe Y

Nähzeug, Schuhputzutensilien, Waschen und Bügeln der Gästewäsche Y

Systematischer Umgang mit Gästebeschwerden Y

Kategorie First Class – 4 Sterne

Einzelzimmer 16 m Y 2, Doppelzimmer 22 m2

18 Stunden besetzte separate Rezeption, 24 Stunden erreichbar Y

Lobby mit Sitzgelegenheiten und Getränkeservice, Hotelbar Y

Frühstücksbuffet mit Roomservice Y

Minibar oder 24 Stunden Getränke im Roomservice Y

Sessel/Couch mit Beistelltisch Y

Kosmetikartikel (z. B. Duschhaube, Nagelfeile, Wattestäbchen), Kosmetikspiegel Y

großzügige Ablagefläche im Bad Y

Internet-PC/Internet-Terminal Y

À-la-carte-Restaurant Y

Kategorie Luxus – 5 Sterne

Einzelzimmer 18 m Y 2, Doppelzimmer 26 m2, Suiten24 Stunden besetzte Rezeption mit Concierge, mehrsprachige Mitarbeiter Y

Doorman- oder Wagenmeisterservice Y

Empfangshalle mit Sitzgelegenheiten und Getränkeservice Y

Personalisierte Begrüßung mit frischen Blumen oder Präsente auf dem Zimmer Y

Minibar und 24 Stunden Speisen und Getränke im Roomservice Y

Körperpflegeartikel in Einzelflakons Y

Internet-PC auf dem Zimmer und qualifizierter IT-Supportservice Y

Kopfkissenauswahl, zentrale Bedienbarkeit der Zimmerbeleuchtung vom Bett, Safe im Y

ZimmerAbendlicher Turndownservice Y

Die großen Hotelketten und ihre Marken

Die bekanntesten Marken in der Beherbergungsindustrie gehören zu Hotelketten, also Gesellschaften mit mehreren eigenen Betrieben/Hotels. Bereits in den 60er Jahren begann eine umfangreiche Kettenbildung bei der Hotellerie. Die amerikanischen Hotelketten wie Hil-

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57 Tourismus und Marken |

ton, Hyatt, Sheraton, Marriott oder Intercontinental expandierten in Deutschland und Euro-pa. Gleichzeitig bildeten sich europäische Hotelketten. Durch die Einführung der Systemho-tellerie entstand eine neue Wettbewerbssituation. Da der Gast bei einer Hotelkette überall weiß, was ihn erwartet, wurde der Wettbewerb von der lokalen Ebene auf die nationale und internationale Ebene gebracht. Die meisten großen Hotelketten haben dabei verschie-dene Marken mit unterschiedlichem Ausstattungs- und Leistungsprofil. So zum Beispiel die Accor-Gruppe: Die weltweite Nummer 5 und Marktführer nach Anzahl der Hotelbetten in Deutschland bietet Hotels in jeder Kategorie.

Abbildung I-25: Hotelmarken der Accor-Gruppe

Unter der Marke Sofitel sind die Luxushotels der Gruppe gebündelt; sie bieten internatio-nal 5 Sterne. Weltweit gab es 2006 etwas mehr als 200 Hotels, die unter dieser Marke ope-rierten. Novotel ist ein 4-Sterne-Hotelprodukt des Konzerns mit knapp 400 Hotels mit über 70.000 Zimmern. Mercure ist im oberen Mittelklasse-Segment angesiedelt, die ibis-Hotels wiederum eine Stufe darunter im Economy-Segment. Diese Marken der Hotelgruppe sind weltweit vorzufinden. Etaphotels (Europa), Formule 1 (weltweit) und Motel 6 (USA) sind Ho-tel-Engagements im Budget-Segment. Hinzu kommen weitere Marken wie die Suite-Hotels in Europa, hierbei handelt es sich um Hotels, in denen es nur Suiten mit mindestens 30 Qua-dratmetern gibt, oder die 1999 übernommene Hotelkette Red Roof Inns in Amerika. Der Auf- und Ausbau weiterer Marken ist vom Unternehmen geplant.

Hotels der gleichen Marke innerhalb einer Gruppe werden häufig nach sehr strengen Maßstäben gleichwertig ausgestattet. Kriterien dabei sind nicht nur Raumgröße oder Bade-zimmerausstattung. Damit das Profil der einzelnen Marken nicht verwischt, ist jedes Detail genau festgelegt, z. B. die Größe der Empfangshalle, Art des TV auf dem Zimmer oder die Dicke der Bademäntel.

Page 56: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

58 | Die Tourismuswirtschaft

Die größte Hotelkette der Welt ist InterContinental Hotel Group aus Großbritannien. Zu ihr gehören Marken wie Crowne Placa oder Holiday Inn. Auf Platz zwei folgt die Wyndham World-wide Kette mit mehr als 6.000 Hotels. Zur Marriott-Kette gehören neben den Marriott Hotels & Resorts ebenfalls Marken wie Renaissance Hotels & Resorts, Courtyard oder Ritz-Carlton.

Tabelle I-13: Die 10 größten Hotelketten und ihre Marken, Stand: Januar 2007

Hotelkette Markenname(n) AnzahlHotels

AnzahlZimmer

InterContinental HG InterContinental, Crowne Plaza, Hotel Indigo, Holiday Inn, Ex-

press by Holiday Inn, Staybridges Suites, Candlewood Suites

3.741 556.246

Wyndham Worldwide Super 8, Days Inn, Ramada, Wyndham Hotels and Resorts,

Baymont Inn & Suites, Wingate by Wyndham, Travelodge,

Howard Johnson, AmeriHost Inn, Knights Inn

6.473 543.234

Marriott Int. Marriott Hotels & Resorts, JW Marriott Hotels & Resorts,

Renaissance Hotels & Resorts, Courtyard by Marriott, Residence

Inn by Marriott, Fairfield Inn by Marriott, Marriott Conference

Centers, TownePlace Suites by Marriott, TownePlace Suites by

Marriott, SpringHill Suites by Marriott, Marriott Vacation Club In-

ternational, Horizons by Marriott, The Ritz-Carlton Hotel Compa-

ny, L.L.C., The Ritz-Carlton Club, Marriott ExecuStay, Marriott

Executive Apartments, Grand Residences by Marriott

2.776 502.089

Hilton Corp. Conrad Hotels & Resorts, Doubletree, Embassy Sui-

tes Hotels, Hampton Hotels, Hilton, Hilton Garden Inn, Hil-

ton Grand Vacations Club, Hilton HHonors, Homewood

Suites by Hilton, The Waldorf=Astoria Collection

2.901 497.738

Accor Sofitel, Novotel, Mercure, Suitehotel, all seasons, Ibis,

Etap, Formule 1, Motel 6, Studio 6, Accor Thalassa

4.121 486.512

Choice Cambria Suites, Clarion, Quality, Comfort Suites, Comfort Inn,

Sleep Inn, MainStay Suites, Suburban, Econo Lodge,

Rodeway Inn

5.316 429.401

Best Western Best Western 4.164 315.401

Starwood Hot. & Res. Four Points, Sheraton, aloft Hotels, W Hotels, Le Me-

ridien, The Luxury Collection, Westin, St. Regis

871 265.598

Carlson Hospitality Regent Hotels & Resorts, Radisson Hotels & Resorts,

Park Plaza Hotels & Resorts, Country Inns & Suites

By Carlson, Park Inn

945 145.933

Global Hyatt Park Hyatt, Grand Hyatt, Hyatt Place, Hyatt Summerfield

Suites, Hyatt Resorts, Hyatt Vacation Club,

Classic Residence by Hyatt

733 141.011

Quelle: MKG Consulting

Page 57: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

59 Tourismus und Marken |

Hotelkooperationen

Neben den großen Hotelketten gibt es auch eine Reihe von Hotelkooperationen. Eine Kooperation ist meist ein Zusammenschluss mehrerer selbständiger Hotelbetriebe. Ein sol-cher Interessenzusammenschluss findet meist zwischen Hotels mit vergleichbarem Leis-tungs- und Ausstattungsstandard sowie bei Besetzung der gleichen Nischen oder Ansprache ähnlicher Kundengruppen statt. Die Kooperation kann verschiedene Tiefen der Zusammen-arbeit erreichen. Meist wird im Bereich Marketing/Vertrieb/PR zusammengearbeitet, so wer-den z. B. gemeinsame Verkaufsbüros unterhalten, gemeinsame Messepräsenzen organisiert oder gemeinsame Werbekampagnen geschaltet. Auch im Kundenbindungsmanagement ist die Kooperation meist sinnvoll, indem z. B. mit der Ausgabe einer gemeinsamen Kunden-karte, die Vorteile für Vielreisende einräumt, oder mit gemeinsamen Kundenmailings (Weih-nachtskarte, Newsletter, Angebotsspecials oder Geburtstagskarte) die Bindung des Kunden an die einzelnen Häuser der Kooperation erhöht wird. Auch ein gemeinsames Online-Portal mit Buchungstool oder ein gebündeltes Auftreten gegenüber dem indirekten Vertrieb oder Geschäftsreisestellen ist oft Inhalt der Zusammenarbeit.

Tabelle I-14: Beispiele für Hotelkooperationen

Name der Hotelkooperation Anzahl Hotelsin Deutschland

Anzahl Hotels im Ausland

Website

Ringhotels e.V. 144 2 Ringhotels.de

Flair Hotels e.V. 131 18 Flairhotel.com

Gast im Schloss 14 0 Gast-im-Schloss.de

Historik Hotels 42 2 Historikhotels.com

The Leading Hotelsof the World

26 390 Lhw.com

RELAIS & CHATEAUX 26 450 Relaischateaux.com

Small Luxury Hotelsof the World

4 305 Slh.com

Worldhotels 116 388 Worldhotels.com

(Quelle: Kompendium der Markenhotellerie 2006, Hotelverband Deutschland (IHA)

Die Hotelkooperationen können in Form einer Firma oder eines Vereins organisiert sein. Die Bestimmung von Aufnahmekriterien regelt, welches Haus der Kooperation beitreten darf und welches nicht.

Ein Beispiel für eine Hotelkooperation ist „Gast im Schloss“. Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss von Schlosshotels. Voraussetzung für den Beitritt zur Kooperation ist die historische Originalität des Beherbergungsbetriebes in einer Burg, einem Schloss, ei-nem Kloster oder einem Herrenhaus. Moderne Anbauten des 20. bzw. 21. Jahrhunderts sind nur gestattet, wenn sie sich dem Gesamtbild unterordnen, die Mehrzahl der dem Gast zu-gänglichen Räumlichkeiten muss sich in original historischen Bauwerken befinden. Zudem darf das Hotel maximal 100 Zimmer anbieten, bedarf eines hohen Standards bei Küche und

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60 | Die Tourismuswirtschaft

Service sowie einer individuellen Einrichtung und Ausstattung. Nicht alle Hotelkooperationen sind derart spezialisiert. Größere deutsche Hotelkooperationen sind Ringhotels e.V. oder Flair Hotels e.V. Sie sind nicht so sehr auf einen bestimmten Hoteltyp oder eine spezielle Zielgrup-pe eingestellt und bündeln diverse familiengeführte Hotels unter ihrem Dach. Berühmte in-ternationale Hotelkooperationen im High-End-Markt sind „The Leading Hotels of the World“, ein Zusammenschluss der luxuriösesten Hotels der Welt, RELAIS & CHATEAUX, eine Ver-einigung unabhängiger Luxushotels und Restaurants mit besonderem Ambiente oder Small Luxury Hotels of the World.

Abbildung I-26: Bekannte Marken von Hotelkooperationen im Luxus-Segment

Allgemeine Entwicklung

Im deutschen Hotelmarkt gab es seit Mitte der 90er Jahre einen dramatischen Zuwachs an Bettenkapazitäten. Laut Hotelverband Deutschland standen 1995 insgesamt 886 Hotels mit einer Kapazität von 140.000 Betten zur Verfügung. Im Jahr 2005 waren dies über 3.760 Hotels und mehr als 800.000 Betten. Dies entspricht einem Zuwachs von 320 Prozent bei Hotels und 470 Prozent bei den Betten. Dabei sind insbesondere die großen Hotelketten stark expandiert. Konzentrierten sich die großen Ketten in früheren Jahren zunächst auf eine starke Präsenz in den großen Städten, breiteten sie sich seit der Jahrtausendwende zuneh-mend auch in kleineren Städten und Ferienregionen aus. So sollen die starken Hotelmarken der Konzerne flächendeckend präsent sein. Die kleinen familienbetriebenen Hotels haben sich zunehmend Kooperationen angeschlossen, um im Wettbewerb bestehen zu können. Die Zimmerauslastung lag 2006 deutschlandweit bei ca. 62 Prozent. Das ist zwar mehr als in den Vorjahren, aber weniger als zu besseren Zeiten im Jahr 2000. Dafür ist insbesondere die gewachsene Bettenkapazität verantwortlich. Dabei ist die Auslastung bei Hotelzimmern mit Preisen über 100 Euro mit etwa 65 Prozent besser als die von Zimmern zwischen 50 bis 100 Euro, hier konnte nur eine Auslastung von 63 Prozent erreicht werden. Die schlechtes-te Belegung hatten die Hotels mit Zimmerpreisen von unter 50 Euro. Hier lag die Auslastung bei nur 53 Prozent.2

Dennoch wächst auch das Budget-Segment in der Beherbergungsindustrie. Nicht nur Marktführer Accor mit seinen Marken Formule 1 oder Etap sind am Markt vertreten. Auch an-dere Marken wie Motel One oder Holiday Inn Express haben in Deutschland Häuser eröffnet. Nicht zuletzt sind auch viele private Hostels neu entstanden. Auch in der Beherbergungsin-

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61 Tourismus und Marken |

dustrie bestätigt sich der Trend der sich zu billig oder teuer polarisierenden Nachfrage. So ver-bessern sich die durchschnittliche Zimmerauslastung sowie der durchschnittliche Zimmer-ertrag im Luxus- und im Budget-Segment schneller als im mittleren Segment. Die große Masse der Hotelübernachtungen wird aber nach wie vor im Mittelklassesegment getätigt.

Im Schnitt werden in Deutschland rund 80 Euro pro Hotelübernachtung gezahlt, europa-weit ist das vergleichsweise preiswert. In Großstädten wie Berlin sind es immerhin 125 Euro, das ist trotzdem nicht zu vergleichen mit den populären Städten des alten Europa wie Lon-don, Paris oder Venedig. Dort werden im Schnitt 180 bis 210 Euro pro Zimmer gezahlt.3 Die Ertragssituation in der Hotellerie generell ist nicht schlecht, auch in Deutschland nicht. Die Vermutung, dass trotz niedriger Auslastung ständig neue Bettenkapazitäten entstehen und sich dadurch ein ruinöser Wettbewerb bildet, der viele in die Pleite treibt, stimmt nicht. Be-sonders Neubauten sind häufig auch schon bei mittleren Auslastungen und nicht ganz so ho-hen Zimmerpreisen profitabel, da sie extrem wirtschaftlich konzipiert sind.

Der Anteil der Markenhotellerie in Deutschland ist allerdings noch weit entfernt von dem in den USA. Beziffert man in Deutschland den Anteil der Übernachtungen der Markenhotel-lerie mit knapp 24 Prozent, so liegt er in den USA bereits bei 66 Prozent.4 Den größten An-teil haben hierzulande immer noch unzählige Privathoteliers. Gerade in Deutschland vermu-ten die Strategen der Markenhotellerie daher noch großes Potenzial. Mit großem Einsatz von Ressourcen und vielen Investitionen bringen die großen Ketten ihre Expansion voran. So be-ginnt z. B. die Hilton-Gruppe mit ihrer 2006 neu eingeführten Marke Hilton Garden Inn im deutschen Mittelklassehotelmarkt Fuß zu fassen. Bis 2010 sollen 20 Hotels unter diesem Namen eröffnen. Accor will in dem Segment mit seiner Marke Mercure weiter wachsen, und auch Holiday Inn umwirbt verstärkt die vielen inhabergeführten Mittelklassehotels für ihr Franchise-Konzept auf der einen Seite und plant Neubauten auf der anderen Seite. Auch Star-wood will mit seiner Marke Four Points in Deutschland kräftig wachsen. Hinzu kommen wei-tere internationale Konzerne. Es ist auf jeden Fall zu erwarten, dass der Anteil der Markenho-tellerie in Deutschland auf absehbare Zeit jährlich zunehmen wird.

Nicht nur in Deutschland, besonders in den Schwellenländern ist die Hotellerie lukrativ. Arbeitskräfte und andere variable Kosten sind wesentlich niedriger, das Preisniveau ist jedoch oft annähernd dasselbe wie in westlichen Regionen. Gerade die großen Hotelketten expan-dieren auf diesen Märkten extrem schnell. Hotelimmobilien werden verkauft und zurückge-least, um finanziellen Spielraum bei der Expansion zu haben, so etwa bei der Hilton-Gruppe (die 2007 von der Investmentgesellschaft Blackstone gekauft wurde), der Accor-Gruppe oder Four Seasons. Hilton allein plant 100 neue Hotels in Indien und China. Accor hat 2007 die 300. Hoteleröffnung in der Asien-Pazifik-Region gefeiert, allein 2006 wurden 53 Hotels in die-ser Region fertig gestellt.

Kreuzfahrten

Der Kreuzfahrtmarkt gilt als eine der großen Wachstumsbranchen innerhalb der Touris-musindustrie. Kreuzfahrtexperten erwarten in den nächsten Jahren jeweils ein zweistelliges Wachstum in Europa. In den USA, dem größten Kreuzfahrtmarkt der Welt, prognostiziert man

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62 | Die Tourismuswirtschaft

ein jährliches Wachstum von fünf Prozent. Zurzeit sind weltweit etwa 350 Kreuzfahrtschiffe im Einsatz. Kreuzfahrtschiffe mit einer Gesamtkapazität von mehr als 100.000 Passagieren sind bei verschiedenen Werften in Auftrag gegeben. Für einen Hochsee-Kreuzfahrtneubau sind die Wartezeiten bei den Werften mittlerweile ähnlich lang wie für ein Langstreckenflugzeug bei Boeing oder Airbus. Die großen Werften sind über Jahre ausgebucht. Die neuen Schiffe wer-den zu einer erheblichen Ausweitung der Kapazitäten im Kreuzfahrtsegment sorgen.

Es gibt viele Gründe, die für eine Kreuzfahrt sprechen. Das alte Image der Kreuzfahrt – negativ ausgedrückt mit „SALZ“ = steif, alt, langweilig und zu teuer – stimmt so heute nicht mehr. Es gibt für fast jeden Reisenden das passende Schiff. Ob drei Sterne oder fünf, Abend-kleid oder Jeans mit T-Shirt, große oder kleine Schiffe, deutschsprachig oder international, die Auswahl ist riesig – und sie wird immer größer. Eine Kreuzfahrt verbindet den Komfort auf dem Schiff mit einer Rundreise – ohne Bettenwechsel und ohne ständiges Packen. Es lassen sich auch Länder erkunden, die über Land nur schwierig oder mit wenig Komfort zu berei-sen sind. Gibt es politische Unruhen in einem Zielort, so kann das Schiff einfach diesen Hafen auslassen und eine andere Route fahren. Diese Flexibilität kommt den Urlaubern auch bezüg-lich des Wetters zugute, ein Kreuzfahrtschiff kann immer da eingesetzt werden, wo das Wet-ter schön ist. Eine Hotelanlage ist hier im Vergleich klar benachteiligt. Oft herrschen an Bord höhere Sicherheits- und Hygienestandards als in den meisten Beherbergungsbetrieben und es gibt eine ärztliche Versorgung in Krankheitsfällen. Weitere Vorteile sind das leichte Knüp-fen neuer Kontakte, kindgerechte Aktivitäten und verschiedenste Entertainment-Angebote, die im Preis inbegriffen sind. Mit all diesen Argumenten versuchen diverse Kreuzfahrtver-markter, an neue Kunden zu kommen. Und es ist erstaunlich: Die meisten Gäste, die einmal eine Kreuzfahrt gebucht haben, werden zu Wiederholungsbuchern. Größere Betten-Kapazitä-ten im Markt führen dazu, dass wegen entsprechend intensiverer Bemühungen in Marketing und Vertrieb auch immer mehr Urlauber eine Kreuzfahrt ausprobieren.

Kreuzfahrten werden auch in Europa populärer, jedoch haben hierzulande bisher nur zwei Prozent der Bevölkerung eine Seereise gemacht, in den USA sind es weit mehr. Viele Tou-rismusmanager wittern ein großes Potenzial. Daher gibt es auch viele Reedereien, die ihre in den USA erzielten Überschüsse in Schiffsneubauten für den europäischen Markt stecken.

Routen und Schiffe

Kreuzfahrtschiffe befahren heute fast alle Regionen der Welt. Die meisten Schiffe tum-meln sich in der Karibik, insbesondere für amerikanische Kreuzfahrttouristen. Viele fahren auf festen Routen in regelmäßigem Turnus. Karibikkreuzfahrten haben eine Länge von vier, fünf oder sechs Tagen, es gibt aber auch längere Arrangements von zehn oder zwölf Tagen. An der Ostküste der USA fahren ebenfalls viele amerikanische Touristen. Die möglichen Routen führen von Neufundland über diverse Ostküstenstädte wie New York bis nach Florida. Kreuz-fahrten an der Westküste der USA können mit Mittelamerikabesuchen verbunden werden, und auch Südamerika ermöglicht viele interessante Routen: ob Antarktis, Galápagos-Inseln oder Amazonas. Auch im Indischen Ozean und im Roten Meer werden neuerdings kleinere Kreuzfahrtschiffe eingesetzt, einige Reedereien stationieren ihre Schiffe hierfür mittlerweile in Dubai. Auch um Australien und Neuseeland herum werden ganzjährig Kreuzfahrten veran-staltet, ebenso um Hawaii und die Fidschi-Inseln.

Page 61: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

63 Tourismus und Marken |

Tabelle I-15: Routen von Kreuzfahrtschiffen

Karibik Westliches Mittelmeer Ostsee

Ostküste USA, Kanada Östliches Mittelmeer Nordische Länder, Arktis

Westküste USA, Mittelamerika Indischer Ozean, Dubai Westeuropa

Südamerika, Antarktis Ferner Osten Atlantische Inseln, Westafrika

Südsee, Australien

Die Größe von Kreuzfahrtschiffen wird mit der so genannten Bruttoraumzahl (BRZ) be-schrieben. Sie umfasst den gesamten umbauten Raum. Üblicherweise wird diese Kennzahl durch die Anzahl der maximalen Passagiere geteilt, somit erhält man einen Wert für die Brut-toraumzahl pro Person, den man bei verschiedenen Schiffen vergleichen kann. So hat das Luxusschiff MS Europa beispielsweise einen Wert von 70,1 BRZ pro Person und das Club-schiff AIDAdiva 27,4 BRZ pro Passagier.

Man unterscheidet in der Regel zwischen folgenden Schiffsgrößen-Bezeichnungen bei Hochseeschiffen:

Boutique-Schiffe 30 – 200 Gäste Y

Mittelgroße Kreuzfahrtschiffe 200 – 500 Gäste Y

Große Kreuzfahrtschiffe 500 – 1.200 Gäste Y

Sehr große Kreuzfahrtschiffe 1.200 – 3.000 Gäste Y

Mega-Kreuzfahrtschiffe 3.000 Gäste und mehr Y

Boutique-Schiffe sind alle Kreuzfahrtschiffe mit bis zu 200 Passagieren. Meistens sind dies Schiffe, die für Küstenkreuzfahrten eingesetzt werden. Es werden dabei häufig wenig be-suchte Häfen, Inseln und Flussmündungen angefahren. Dies kann eine Reise zu den Fjord-landschaften Alaskas, Grönlands und des südlichen Amerika sowie in die Antarktis sein. An Bord wird das Augenmerk weniger auf Showprogramm oder Fitness-Einrichtungen gelegt, eher gibt es einen themenspezifischen Vortrag von einem Spezialisten. Das Erlebnis von Na-tur und Kultur steht im Vordergrund. Meist haben diese Schiffe eine persönliche Note. Mit-telgroße Kreuzfahrtschiffe sind häufig Schiffe, die zwischen 1970 und 1990 gebaut wurden oder Schiffe aus dem Expeditions- und Luxusbereich. Wie die Boutique-Schiffe können sie auf Grund ihrer Größe fast alle Häfen anlaufen, was größeren Schiffen oftmals nicht mög-lich ist. Heute werden Schiffe dieser Größe häufig auch für Themenkreuzfahrten genutzt. Die großen Kreuzfahrtschiffe sind oft ebenfalls in früheren Jahren erbaut worden. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Optimierung der Pro-Kopf-Kosten und des Yields werden heute in der Regel größere Schiffe in Auftrag gegeben. Im deutschen Hochsee-Kreuzfahrtangebot ar-beiten aber viele Veranstalter mit Schiffen in den mittleren Größen-Kategorien. Der Markt ist noch nicht so weit entwickelt, dass größere Schiffe rein deutschsprachig ausgelastet wer-den können. Die meisten Kreuzfahrtschiffe, die in den letzten Jahren ausgeliefert wurden und auf den Meeren unterwegs sind, fallen in die Kategorie der sehr großen Kreuzfahrtschiffe mit 1.200 bis zu 3.000 Passagieren. Einsatzgebiete sind die Küstenhäfen Nord- und Südamerikas (Ost- und Westküste), zwischen den Inseln rund um Hawaii sowie die europäischen Seerei-seziele im Mittelmeer oder am Nordkap. Oft können die Schiffe auf Grund ihrer Größe nicht mehr am Pier festmachen, so dass die Gäste mit schiffseigenen Booten zwischen dem Schiff

Page 62: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

64 | Die Tourismuswirtschaft

und dem Hafen pendeln müssen. Bei den Mega-Schiffen kann dieses Tendern schon ein we-nig Zeit in Anspruch nehmen, bis alle Gäste den Weg an Land gefunden haben. Dafür sind diese Mega-Schiffe jedoch zum Ausgleich selbst wie eine schwimmende Stadt. Das Leben der Passagiere spielt sich mehr an Bord ab: Einkaufspassagen, Restaurants, Swimmingpools, Sportanlagen und andere Freizeitangebote übertreffen die Infrastruktur eines durchschnittli-chen Urlaubsressorts an Land bei weitem.

Die drei großen Reedereien

Die drei großen Reedereien der Welt sind die Carnival Corporation, die Royal Caribbean International und die Star Cruises Group.

Carnival wurde 1972 von dem Unternehmer Ted Arison gegründet, der einige Jahre zu-vor als Partner die Norwegian Cruise Lines (NCL) gegründet hatte. Carnival Cruise Lines bekam nach einigen Versuchen mit gebrauchten Schiffen 1981 ihren ersten Neubau, die „Tropicale“. Die folgenden Jahre waren mit starker Expansion verbunden. Nicht nur ständig neue Schiffe, auch der Kauf vieler Wettbewerbsreedereien machte den Kreuzfahrtkonzern zu einem Riesen. Der größte Coup war die Fusion mit P&O Princess Cruises im Jahre 2003. Heute ist das Gesamtunternehmen unter dem Namen „Carnival Corporation & plc“ an der Londoner und New Yorker Börse gelistet und mit Abstand Marktführer im weltweiten Kreuz-fahrtgeschäft. Inklusive der im Bau befindlichen Schiffe besitzt die Reederei bis 2009 etwa 90 Schiffe mit über 165.000 Betten. In Deutschland ist insbesondere die Marke AIDA Cruises bekannt, die mit bahnbrechenden neuen Kreuzfahrtkonzepten und eigenen Neubauten den hiesigen Kreuzfahrtmarkt neu ordnete. AIDA Cruises ist Marktführer für Hochseekreuzfahrten in Deutschland. Sie ist durch P&O Princess Cruises in den Gesamtkonzern aufgegangen. Auf der Transatlantikroute, auf der die Hochseepassagierschifffahrt überhaupt erst begann, ist die Queen Mary II heute das berühmteste Kreuzfahrtschiff. Sie verkehrt regelmäßig zwischen New York und Europa, wird aber auch auf anderen Routen zusätzlich eingesetzt. Das zur Cu-nard Reederei gehörende Schiff wurde 2003 in Betrieb genommen und galt bis zur Fertigstel-lung der Freedom of the Seas als größtes Passagierschiff der Welt.

Zu Carnival Corporation & plc gehören folgende Reedereien:AIDA Cruises Y

Carnival Cruise Lines Y

Costa Crociere Y

Cunard Line Y

Holland America Line Y

Ocean Village Y

P&O Cruises Y

P&O Cruises Australia Y

Princess Cruises Y

Seabourn Cruise Line Y

Die Royal Caribbean International ist eine norwegisch-amerikanische Reederei und gleich-zeitig das zweitgrößte Kreuzfahrtunternehmen der Welt. Wichtigste Marke ist Royal Carib-bean Cruises mit 21 Schiffen im Einsatz und weiteren im Bau. Alle Schiffe dieser Reederei

Page 63: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

65 Tourismus und Marken |

tragen de Beinamen „of the Seas“. Außerdem gehört Celebrity Cruises mit 10 Schiffen zu dem Unternehmen.

Das derzeit größte Kreuzfahrtschiff der Welt ist die Freedom of the Seas, ein Schiff der Ro-yal Caribbean Cruise Line (zusammen mit dem Schwesterschiff, der im Mai 2007 getauften Liberty of the Seas). Sie haben jeweils Platz für 4.370 Passagiere und gehören zur so genann-ten Freedom-Klasse. Ein weiteres Schiff dieser Kategorie, die „Independence of the Sea“, wird 2008 ausgeliefert. Ebenfalls bereits im Bau ist das erste Schiff der nächsten Kategorie der Ree-derei, der Genesis-Klasse. Es wird bei Auslieferung 2009 die Schiffe der Freedom-Klasse als größte Kreuzfahrtschiffe der Welt ablösen. Das Schiff, das vermutlich „Genesis of the Seas“ heißen wird, kann über 6.000 Passagiere aufnehmen. Die Baukosten werden ca. 900 Millio-nen Euro betragen. Der Schwerpunkt der Royal Caribbean Cruise liegt auf Routen in die Kari-bik, es werden aber auch Reisen in alle anderen Kreuzfahrtregionen unternommen.

Royal Caribbean International umfasst:Azamara Cruises Y

Celebrity Cruises Y

Celebrity Expeditions Y

Island Cruises Y

Pullmantur Cruises Y

Royal Caribbean Cruises Y

Die wichtigste Marke von Star Cruises ist die Norwegian Cruise Line (NCL). Sie operiert international und verfügt über eine relativ junge Schiffsflotte, wobei einige Neubauten erst in Auftrag gegeben sind und bis 2011 ausgeliefert werden. Die Reederei vermarktet ihre Rei-sen unter der Marke „NCL Freestyle Cruising“. Freestyle Cruising soll dabei ein innovatives Urlaubskonzept sein, das in jeder Hinsicht speziell auf die Bedürfnisse der Reisenden ausge-richtet ist. Bezüglich des Essens, der Kleidung und der Unterhaltung soll Freiheit und Flexibi-lität gelten. Ein ausgefeilter, aber zugleich unaufdringlicher Service soll den Gästen den Auf-enthalt an Bord angenehm machen.

Zur Star Cruises Group gehören:Cruise Ferries Y

NCL America Y

Norwegian Cruise Line Y

Orient Lines Y

Star Cruises Y

Kreuzfahrtmarkt in Deutschland

Für den deutschen Markt gibt es diverse Kreuzfahrtschiffe, die exklusiv für deutschspra-chiges Publikum angeboten werden. Auch hierzulande profitiert das Kreuzfahrtbusiness von der sich polarisierenden Nachfrage zu Angeboten jenseits des austauschbaren Strand urlaubs. Besonders auch Kreuzfahrten im Luxus-Segment werden jedes Jahr stärker gebucht. 2006 buchten 22,6 Prozent aller Hochsee-Kreuzfahrtgäste eine Schiffsreise mit einem Tagesreise-preis von mehr als 250 Euro.5

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66 | Die Tourismuswirtschaft

Das in Deutschland berühmteste Kreuzfahrtschiff ist die MS Deutschland der Reederei Peter Deilmann. Die MS Deutschland bietet die Kulisse der Fernsehsendung Traumschiff. Sie ist gleichzeitig das Flaggschiff der 1976 gegründeten Reederei. Das erste Kreuzfahrtschiff von Peter Deilmann war die „Nordbrise“, die für Ostseefahrten und Kreuzfahrten entlang der Westküste Grönlands eingesetzt wird. Nach anderen Schiffskäufen investierte die Reederei 1980 in ihren ersten Neubau, die „Berlin“; auf diesem wurde in früheren Jahren die Fern-sehsendung Traumschiff produziert. Das Schiff wurde im Mai 1998 von dem Neubau MS Deutschland als Flaggschiff der Reederei abgelöst. Das neue Schiff mit Fünf-Sterne-Standard ist 175 Meter lang, 23 Meter breit und bietet auf zehn Decks Platz für maximal 520 Passagie-re, die von 280 Besatzungsmitgliedern umsorgt werden. Die MS Deutschland wurde im Mai 1998 fertig gestellt und kreuzt seitdem auf den Weltmeeren. Üblicherweise befährt das Schiff in den Sommermonaten Norwegische Fjorde und die Ostsee, im Frühjahr und im Herbst das Mittelmeer und die kanarischen Inseln, während es im Winter zu exotischeren Zielen wie Asi-en, Südafrika oder in die Karibik aufbricht. Vermutlich im Jahre 2010 soll es ein neues Hoch-seeschiff der Reederei geben. Neben der MS Deutschland betreibt die Reederei eine Flotte von zehn modernen Flusskreuzfahrtschiffen auf vielen Flüssen Europas.

Als Inbegriff für traditionelle Kreuzfahrten in Deutschland gelten ebenfalls die Kreuzfahrt-aktivitäten von Hapag-Lloyd mit seinen vier Schiffen im Premium-, Luxus- und Expeditions-segment. AIDA Cruises als Tochter von Carnival ist zurzeit mit fünf Schiffen (Stand 2008) auf dem deutschen Markt aktiv, der Ausbau der Flotte ist in Arbeit. Die Clubschiff-Flotte ist die Alternative zur klassischen Kreuzfahrt. Umfangreiche Sport- und Unterhaltungsangebote an Bord sorgen für die nötige Abwechslung. Auf beide Reedereien wird in einem Fallbeispiel (Teil II, Kapitel 9) genauer eingegangen.

Tabelle I-16: Übersicht der Reedereien und Schiffe in Deutschland für Hochseereisen, Stand Sommer 2007

Reederei Schiff Segment Anzahl Passagiere (max.)

AIDA Cruises AIDAcara Clubschiff 1.186

AIDAvita Clubschiff 1.266

AIDAaura Clubschiff 1.266

AIDAdiva Clubschiff 2.500

Peter Deilmann Deutschland Luxus 520

Delphin Seereisen Delphin Voyager 4 Sterne 650

Hansa Kreuzfahrten Delphin 3 Sterne plus 466

Ocean Monarch 3 Sterne 470

Dalmacija 3 Sterne 300

Hapag-Lloyd Kreuzfahrten Bremen Expedition 4 Sterne

164

Columbus 3 Sterne plus 408

Europa Luxus 408

Hanseatic Expedition 5 Sterne

184

Page 65: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

67 Tourismus und Marken |

Reederei Schiff Segment Anzahl Passagiere (max.)

Phoenix Kreuzfahrten Albatros 3 Sterne 830

Alexander von Humboldt 3 Sterne 380

Amadea 4 Sterne plus 584

Maksim Gorky 3 Sterne 630

Plantours Vistamar 3 Sterne plus 295

Sea Cloud Cruises Sea Cloud Segelschiff, Luxus 64

Sea Cloud II Segelschiff, Luxus 96

Transocean Tours Astor 4 Sterne 590

Astoria 4 Sterne 480

Arielle 3 Sterne 1029

Marco Polo 3 Sterne 850

Costa Kreuzfahrten Costa Viktoria 4 Sterne 1928

Hinzu kommen einige ausländische Reedereien, die sich ebenfalls auf den deutschen Markt konzentriert haben. Einige davon bieten auch Reisen mit deutscher Bordsprache an. Andere ergänzen ihre Auslastung mit generell internationalem Publikum durch deutsches Pu-blikum. Hurtigruten ist eine norwegische Reederei, deren Postschiffe entlang der norwegi-schen Küste traditionell einen sehr hohen Anteil deutscher Gäste befördern.

MSC Kreuzfahrten ist eine italienische Reederei und ebenfalls sehr stark auf dem deut-schen Markt engagiert. Auf den Schiffen herrscht italienisches internationales Flair mit haupt-sächlich Italienern, Franzosen, Spaniern und Deutschen an Bord. Es gibt keine einheitliche Bordsprache. Für die deutschen Gäste sind alle Borddurchsagen, Tagesprogramm, Speise-karten und Landausflüge (außer Karibik und Südamerika) auch auf Deutsch. Auf acht Hoch-seeschiffen reisen bereits über 100.000 Gäste pro Jahr aus Deutschland. MSC Kreuzfahrten ist die zurzeit am schnellsten wachsende Kreuzfahrtreederei. 2004 verzeichnete MSC noch rund 18.000 Passagiere. Vier weitere Schiffe sind schon im Bau oder in Auftrag gegeben. Die Reederei Costa Crociere ist ebenfalls ein italienisches Kreuzfahrtunternehmen und gehört zur Carnival Corporation. Bis 2007 stationierte die Reederei die Costa Classica in Kiel und bot damit rein deutschsprachige Fahrten an. Auf Grund der guten Nachfrage hat die größte eu-ropäische Kreuzfahrt-Reederei ab 2008 ein größeres Kreuzfahrtschiff in Deutschland statio-niert, die Costa Viktoria mit einer Maximalbelegung von 1.928 Passagieren. Außerdem bietet die Reederei in Deutschland Reisen auf diversen anderen Schiffen mit internationalem, meist europäischem Publikum an. Daneben sind Royal Carribean International, Norwegian Cruise Line und die Cunard Line mit eigenen Büros und Marketingleuten in Deutschland vertreten und vermarkten ihre – auch in Europa kreuzenden – Megaliner.

Der Deutsche Reiseverband (DRV) gibt eine jährliche Studie über den Kreuzfahrtmarkt in Deutschland heraus. So haben 2006 etwa 705.000 Gäste eine Hochsee-Kreuzfahrt gebucht, dies entsprach einem Wachstum von mehr als zehn Prozent. Insbesondere die internationa-len Reedereien konnten dabei die Gästezahlen steigern. Kerngeschäft der Hochseerederei-en auf dem deutschen Markt sind Kreuzfahrten im Mittelmeer. 37,5 Prozent der Reisenden wählten eine Schiffsreise in dieses Gebiet. Etwa 20 Prozent reisten nach Nordeuropa: Fahr-

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68 | Das Wissen um die Marke

ten zum Nordkap, nach Island oder zu den Fjorden Norwegens liegen im Wachstumstrend. Ebenfalls etwa 20 Prozent unternehmen eine Schiffsreise in Übersee, etwa in der Karibik. Die restlichen Kreuzfahrten werden in der Ostsee oder zu den atlantischen Inseln angetreten. Die durchschnittliche Reisedauer einer Hochseekreuzfahrt liegt bei 9,7 Tagen und der durch-schnittliche Reisepreis bei 1.928 Euro.

Nicht nur auf dem Meer, auch auf Binnengewässern sind Schiffsreisen populär. Deutsch-land ist der größte Markt für Flusskreuzfahrten weltweit. Über 310.000 Gäste buchen eine Flusskreuzfahrt. Beliebte Flüsse sind die Donau, der Rhein, der Nil oder Flüsse in Russland.

Das Wissen um die Marke3.

Marken zu beschreiben, gehört nicht zu den einfachen Aufgaben. Den meisten Menschen fällt es schwer, in wenigen Worten zu erklären, was eine Marke ist. Sogar Fachleute aus dem Marketing und der Werbung werden bei diesem Thema oftmals philosophisch. Häufig wer-den Merkmale oder Beschreibungen wie hohe Qualität, Produkt, Vertrauen, Versprechen oder sonstige Umschreibungen herangezogen, um eine Marke einzugrenzen. Nicht selten treffen diese Beschreibungen mehr oder weniger zu. Doch – und dies ist entscheidend – nicht alle Merkmalsbeschreibungen sind treffend. Nehmen wir zum Beispiel die Qualität. Seitdem Mellerowicz 1963 die Marke mit einer „gleich bleibenden oder verbesserten Qualität“6 be-schrieben hat, ist der Qualitätsaspekt nicht mehr von der Marke wegzudenken. Doch es gibt Marken, die den Qualitätsfaktor nicht als oberste Priorität sehen. Ein Beispiel ist die schwe-dische Modemarke H & M. Im Vordergrund steht hier das aktuelle modische Design und das Aufgreifen oder sogar Setzen von Trends zu einem unheimlich günstigen Preis. Wer bei H & M einkaufen geht, erwartet nicht die beste Qualität, sondern modische, trendige Klei-dung zu einem günstigen Preis. Dafür wird auch in Kauf genommen, dass ein bei H & M ge-kaufter Pullover nicht ewig hält. Bei vielen Produkten ist die Qualität bereits Standard und damit auch kein ausreichendes Differenzierungsmerkmal gegenüber dem Wettbewerb. Ein gutes Beispiel ist die Marke Bonaqua aus dem Hause Coca-Cola. Bonaqua ist kein Mineral-wasser, sondern ein normales Tafelwasser. Das bedeutet, dass Bonaqua aus keiner Quelle stammt, sondern die Qualität entspricht einem verbesserten, gefilterten und gereinigten Lei-tungswasser. Die Qualität von Bonaqua ist somit nicht der Kernbaustein der Marke, denn vie-len Kunden scheint sie egal zu sein bzw. den Kunden reicht es, dass die Qualität einem nor-malen Standard genügt.

Im Bereich des Tourismus ist die Qualität ebenfalls kein ausreichendes Kriterium – die Messbarkeit und damit die Vergleichbarkeit ist meistens nicht möglich. Wie soll auch, wenn von Destinationen im Tourismus die Rede ist, die Qualität einer Region oder Stadt wie New York, St. Moritz oder Rom zu messen sein? Ist es die Anzahl der Sehenswürdigkeiten? Oder die Menge der Sonnentage? Sind es die Hotels, die Verkehrsanbindung, die Umgebung oder eine Kombination von allen Facetten? Allein an diesen touristischen Beispielen zeigt sich,

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68 | Das Wissen um die Marke

ten zum Nordkap, nach Island oder zu den Fjorden Norwegens liegen im Wachstumstrend. Ebenfalls etwa 20 Prozent unternehmen eine Schiffsreise in Übersee, etwa in der Karibik. Die restlichen Kreuzfahrten werden in der Ostsee oder zu den atlantischen Inseln angetreten. Die durchschnittliche Reisedauer einer Hochseekreuzfahrt liegt bei 9,7 Tagen und der durch-schnittliche Reisepreis bei 1.928 Euro.

Nicht nur auf dem Meer, auch auf Binnengewässern sind Schiffsreisen populär. Deutsch-land ist der größte Markt für Flusskreuzfahrten weltweit. Über 310.000 Gäste buchen eine Flusskreuzfahrt. Beliebte Flüsse sind die Donau, der Rhein, der Nil oder Flüsse in Russland.

Das Wissen um die Marke3.

Marken zu beschreiben, gehört nicht zu den einfachen Aufgaben. Den meisten Menschen fällt es schwer, in wenigen Worten zu erklären, was eine Marke ist. Sogar Fachleute aus dem Marketing und der Werbung werden bei diesem Thema oftmals philosophisch. Häufig wer-den Merkmale oder Beschreibungen wie hohe Qualität, Produkt, Vertrauen, Versprechen oder sonstige Umschreibungen herangezogen, um eine Marke einzugrenzen. Nicht selten treffen diese Beschreibungen mehr oder weniger zu. Doch – und dies ist entscheidend – nicht alle Merkmalsbeschreibungen sind treffend. Nehmen wir zum Beispiel die Qualität. Seitdem Mellerowicz 1963 die Marke mit einer „gleich bleibenden oder verbesserten Qualität“6 be-schrieben hat, ist der Qualitätsaspekt nicht mehr von der Marke wegzudenken. Doch es gibt Marken, die den Qualitätsfaktor nicht als oberste Priorität sehen. Ein Beispiel ist die schwe-dische Modemarke H & M. Im Vordergrund steht hier das aktuelle modische Design und das Aufgreifen oder sogar Setzen von Trends zu einem unheimlich günstigen Preis. Wer bei H & M einkaufen geht, erwartet nicht die beste Qualität, sondern modische, trendige Klei-dung zu einem günstigen Preis. Dafür wird auch in Kauf genommen, dass ein bei H & M ge-kaufter Pullover nicht ewig hält. Bei vielen Produkten ist die Qualität bereits Standard und damit auch kein ausreichendes Differenzierungsmerkmal gegenüber dem Wettbewerb. Ein gutes Beispiel ist die Marke Bonaqua aus dem Hause Coca-Cola. Bonaqua ist kein Mineral-wasser, sondern ein normales Tafelwasser. Das bedeutet, dass Bonaqua aus keiner Quelle stammt, sondern die Qualität entspricht einem verbesserten, gefilterten und gereinigten Lei-tungswasser. Die Qualität von Bonaqua ist somit nicht der Kernbaustein der Marke, denn vie-len Kunden scheint sie egal zu sein bzw. den Kunden reicht es, dass die Qualität einem nor-malen Standard genügt.

Im Bereich des Tourismus ist die Qualität ebenfalls kein ausreichendes Kriterium – die Messbarkeit und damit die Vergleichbarkeit ist meistens nicht möglich. Wie soll auch, wenn von Destinationen im Tourismus die Rede ist, die Qualität einer Region oder Stadt wie New York, St. Moritz oder Rom zu messen sein? Ist es die Anzahl der Sehenswürdigkeiten? Oder die Menge der Sonnentage? Sind es die Hotels, die Verkehrsanbindung, die Umgebung oder eine Kombination von allen Facetten? Allein an diesen touristischen Beispielen zeigt sich,

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wie schwer der Faktor Qualität zur Beschreibung einer Marke herangezogen werden kann. Nun wäre zu argumentieren, dass dies bei Produkten einfacher ist, da hier eine technische Qualität messbar ist. Dies mag stimmen, aber auch das ist nur die halbe Wahrheit. Es gibt einen Unterschied zwischen einer technischen und einer von Kunden wahrgenommenen Qualität. Ein Beispiel aus dem Orangensaftbereich soll dies verdeutlichen. Als wir vor eini-ger Zeit die Marke Valensina analysierten, wurde bei der Analyse des Selbstbildes, also beim Management, festgestellt, dass eine hohe Qualität bei Valensina die oberste Priorität hat. So weit, so gut! Bei der Analyse des Fremdbildes, also bei den Kunden, stellten wir ebenfalls fest, dass Valensina häufig mit Qualität verbunden wurde. Nur, und dies ist entscheidend, die Kunden haben auch die Konkurrenzmarken wie Hohes C oder Beckers Bester mit einer hohen Qualität assoziiert. Obwohl Valensina wahrscheinlich tatsächlich eine höhere Qualität hatte, waren die Kunden nicht bereit, dafür auch mehr Geld auszugeben als für Marken wie Hohes C oder Beckers Bester. Qualität zahlt sich aber erst dann aus, wenn dafür auch ein höherer Preis erzielt werden kann. Qualität ist kein ausreichendes Unterscheidungskriterium für die Marke. Das gilt nicht nur für Orangensaft, sondern auch für viele andere Produkte aus dem Konsumgüterbereich. Wie ist beispielsweise die Qualität von Zigaretten einzuschätzen? Hat Marlboro eine höhere Qualität als Lucky Strike? Bestimmt nicht! Eine Zigarettenmarke wie Natural American Spirit wirbt damit, nur Tabaksorten zu verwenden, die keine Additive bzw. Zusatzstoffe beinhalten. Doch trotz einer besseren Qualität haben Marken wie Marlbo-ro und Lucky Strike höhere Marktanteile. Fazit: Eine hohe Qualität zahlt sich nicht immer aus und ist keine Erfolgsgarantie für eine Marke. Entscheidend ist, dass die Qualität auch von den Kunden wahrgenommen werden muss. Fazit: Alle reden von Qualität, aber verstehen jeweils etwas anderes darunter. Es gibt unterschiedliche Verständnisse von Qualität – einmal eine technische Qualität (z. B. naturbelassener Tabak) und eine wahrgenommene Qualität (z. B. Leitungswasser ist nicht schlechter als Quellwasser). Qualität ist demnach nicht immer rati-onal und objektiv bestimmbar, sondern abhängig von subjektiven Ansichten und Wahrneh-mungen. Wird also eine Marke analysiert, kommt es darauf an, weitere Kriterien als das Qua-litätsmerkmal zu finden.

Regel: Die Qualität allein ist kein ausreichendes Kriterium, um eine Marke zu definieren.

Marke ist Kommunikation

Wenn aber Merkmale wie Qualität nicht für die Definition von Marken ausreichen, wie ist dann eine Marke greifbar? Um eine Marke zu verstehen, muss das Umfeld von Marken be-trachtet werden.

Marken existieren niemals nur für sich, sie sind nicht autark. Marken werden immer von jemandem für jemanden entwickelt. In der Regel sind es Unternehmen, die Produkte für ihre Kunden entwickeln (historisch betrachtet entstammen die ersten Marken aus der Produktion und dem Handel mit Wirtschaftsgütern). Daraus sind zwei Erkenntnisse abzuleiten – zum ei-nen: Die Marke steht zwischen einem Anbieter (z. B. Unternehmen, Hersteller, Händler) und

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einem Abnehmer (z. B. Kunde). Zum anderen: Die Marke entsteht in einem Prozess. Sie wird vom Anbieter geplant, produziert, vermarktet und vom Abnehmer gekauft und konsumiert. Ein Unterschied der Marke zu einem Produkt ist, dass eine Marke immer wieder gekauft wird. Der Abnehmer ist kein gelegentlicher Käufer eines Produktes, sondern wird zum loyalen Kun-den der Marke; er baut eine Beziehung zur Marke auf.

Prozess bedeutet Zeit. Dies bedeutet: Marken brauchen für die Entstehung viel Zeit, eine langfristige Perspektive. Oder anders: Die Marke ist immer Evolution und niemals Revolution.

Gehen wir noch einmal zurück – die Marke ist Bestandteil in einem Prozess zwischen An-bieter und Abnehmer. Anbieter und Abnehmer stehen über die Marke miteinander in Kon-takt. Der Markenprozess wird somit zum Kommunikationsprozess. Denn egal, ob es sich um ein Unternehmen wie Procter & Gamble, eine Umweltorganisation wie Greenpeace oder eine Tourismusdestination wie New York handelt, der Prozess startet bei einem Sender, der die Marke aktiv entwickelt und umsetzt, und er hat einen Empfänger (Kunde, Geldspender, Tou-rist etc.), der die Marke kauft bzw. nutzt. Die Marke ist ein zentraler Bestandteil dieses Kom-munikationsprozesses. Die Marke ist Botschaft und Medium zugleich.

Abbildung I-27: Kommunikationsprozess der Marke

Marke

Medium

Botschaft

Unternehmen(Sender)

Kunde(Empfänger)

Innerhalb dieses Kommunikationsprozesses wird die Marke vom Sender ins Leben geru-fen. Der Sender ist der aktive Treiber beim Markenaufbau. Er gibt der Marke einen Namen, er bestimmt die Botschaften und legt sozusagen die Bausteine der Marke fest. Der Empfänger interpretiert die vom Sender erschaffenen Botschaften und akzeptiert diese (z. B. durch den Kauf) oder auch nicht (z. B. durch Ignorieren oder Verweigern).

Regel: Die Marke ist immer Bestandteil eines Kommunikationsprozesses.

Dies widerspricht ebenfalls der gängigen Meinung, dass die Marke allein in den Köpfen der Verbraucher entsteht; also der Verbraucher der entscheidende Part ist. Der Verbraucher als Empfänger ist ein Element im Rahmen des kommunikativen Prozesses; er ist zwar wich-tig, aber nicht allein ausschlaggebend.

Der Markenaufbau benötigt seine Zeit, denn bis die Empfänger die Marke mit den Bot-schaften verbinden, bedarf es viele Jahre. Mit mindestens fünf Jahren ist für den Aufbau einer Marke zu rechnen. In der Regel sind zehn Jahre anzusetzen, um eine Marke zu entwickeln.

Regel: Der Aufbau einer Marke ist zeitintensiv und bedarf einer langfristigen Strategie.

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Da die Marke innerhalb des Kommunikationsprozesses Botschaft und Medium zugleich ist, erhält sie eine eigene Identität. Sie ist als Medium wahrnehmbar (z. B. als Produkt sicht-bar), und sie steht für bestimmte, vom Sender festgelegte Botschaften.

Die zwei Ebenen der Marke

Die Marke als Botschaft und Medium kann wiederum in zwei Ebenen unterteilt werden. Diese aus der Semiotik (Wissenschaft von den Zeichen) stammende Unterteilung ist ein hilf-reiches Werkzeug, um die Marke besser zu verstehen.

Die erste Ebene betrifft alle formalen, also wahrnehmbaren Aspekte der Marke. Die zwei-te Ebene betrifft alle inhaltlichen, also nicht-wahrnehmbaren Aspekte der Marke.

Abbildung I-28: Zwei Ebenen der Marke

nicht wahrnehmbare Markenebene

wahrnehmbare Markenebene

Die Unterteilung in zwei Ebenen ist für jede Marke möglich. Jede Marke – ob ein Produkt wie Coca-Cola, eine Dienstleistung wie opodo, eine soziale Institution wie amnesty internati-onal oder eine Menschenmarke wie die Pop-Ikone Madonna – verfügt über eine wahrnehm-bare und eine nicht-wahrnehmbare Ebene. Beide Ebenen sind untrennbar miteinander ver-bunden – zusammen bilden sie die Identität der Marke. Nur aus dem Zusammenspiel von formalen und inhaltlichen Bausteinen entsteht eine unverwechselbare, durchsetzungsfähige und erfolgreiche Markenidentität.

Regel: Die Identität einer Marke besteht aus zwei Ebenen, der formalen (wahrnehmbaren) und der inhaltlichen (nicht-wahrnehmbaren) Ebene.

Die Einteilung in zwei Ebenen verdeutlicht auch, dass die Marke niemals eindimensional, sondern grundsätzlich interdisziplinär betrachtet werden muss. Es reicht nicht aus, die Marke nur mit betriebswirtschaftlichen Augen zu sehen. Die Marke hat natürlich einen wirtschaft-lichen Hintergrund, doch spielen auch psychologische (Analyse von nicht-wahrnehmbaren Aspekten wie beispielsweise Emotionen und Kognitionen), juristische (Schutz von Marken), soziologische (gesellschaftliche Wirkungen der Marke) und natürlich gestalterische (z. B. Ent-wicklung von Bild-Zeichen, Farbe, Designs etc.) Aspekte eine nicht zu unterschätzende Rolle. Bei der Entwicklung von Marken ist es daher unerlässlich, dass sich unterschiedliche, einan-der ergänzende Disziplinen mit der Marke beschäftigen.

Page 71: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

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Abbildung I-29: Interdisziplinäre Bereiche der Marke

Des

ign

und

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BWL/

VWL)

Psychologie

Rechtswissenschaften

Soziologie

Ethnologie

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scha

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Semiotik

Interdisziplinäre Sicht der Marke

Nur eine interdisziplinäre Sicht der Marke gewährleistet, was im Werbejargon häufig un-ter einer ganzheitlichen, synergetischen oder holistischen Markenbetrachtung zu verstehen ist.

Die erste Ebene der Marke

Wie sehen diese zwei Ebenen der Marke konkret aus? Was steckt dahinter? Schauen wir uns die erste formale Ebene an. Sie erscheint einfacher und plausibler, weil sie wahrnehmbar und in den meisten Fällen sichtbar ist. Die erste Ebene besteht aus folgenden sinnlich-wahr-nehmbaren Bausteinen:

Abbildung I-30: Bausteine der ersten Ebene

GeruchDesignTöne/Musik

Bildzeichen Schrift

Name

Farbe

Geschmack Haptik

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73 Tourismus und Marken |

Nicht alle hier dargestellten Bausteine der ersten Ebene sind gleichrangig – es gibt eine klare Hierarchie, ein Rangfolge, die nicht diskutabel ist. Der wichtigste Baustein auf der ersten Ebene ist der Markenname. Der Name rangiert über allen anderen formalen und wahrnehm-baren Bausteinen wie Bild-Zeichen, Farbe, Design, Werbung, Musik, Duft, haptisch fühlba-ren Oberflächen etc. Denn: Ohne einen Namen kann eine Marke nicht existieren.

Regel: Die Grundvoraussetzung für die Markenidentität ist ein Name.

Die Funktion des Namens

Ein Beispiel soll dies verdeutlichen: Der Versuch, eine Marke am Telefon einer anderen Person zu beschreiben, ohne den Namen zu nennen, führt immer zu Unklarheiten, weil an-dere einander bekannte und wahrnehmbare Markenelemente bzw. Umschreibungen her-angezogen werden müssen. Was bei dem „Auto mit dem Stern“ (Assoziation = Mercedes-Benz) noch machbar ist, weil das Bild-Zeichen gelernt wurde, funktioniert bei dem „Auto mit den sechs Sternen“ (Assoziation = Subaru) in Deutschland nicht (in Japan würde dies wahr-scheinlich anders aussehen, da die Marke Subaru naturgemäß dort ebenfalls über eine hohe Bekanntheit genießt). Dies bedeutet, dass egal, wie bekannt ein Bild-Zeichen ist, dieses im-mer zu größeren Missverständnissen führen kann als ein konkreter Name.

Eine gute, weil für jedermann nachvollziehbare Analogie, um den Zusammenhang von Marke und Name zu verdeutlichen, ist der Mensch. Die Identität eines Menschen ist ohne seinen Namen unvorstellbar.

Der Name ist Teil der Identität; dies gilt für Marken wie für Menschen. Wird ein Mensch geboren, erhält er kurz nach der Geburt seinen offiziellen Namen. Häufig diskutieren die El-tern bereits Wochen und Monate vor der Geburt über den Namen des Kindes. Daran ist zu er-kennen, dass die Namensfindung kein rationaler Akt ist. Mit dem Namen werden bereits be-stimmte Wünsche, Ziele, Bedürfnisse, subjektive Sympathien der Eltern verbunden. Bei der Marke ist das genauso. Wie bei einem Kind steht bei der Entwicklung der Marke die Namens-findung am Anfang des Prozesses – kein neues Produkt wird ohne Namen auf den Markt ge-worfen. Der Name wird zum Grundbaustein, zur Voraussetzung der zukünftigen Markeniden-tität. Er erfüllt zwei wichtige, grundlegende Kriterien jeder Marke:

die Identifikation und Y

die Differenzierung. Y

Ein Name identifiziert die Marke; fällt der Name während eines Gespräches, so wissen die Gesprächsteilnehmer, um welche Marke es sich handelt. Gleichzeitig ist ein guter Name differenzierend; er unterscheidet sich deutlich von anderen Namen. Beide Funktionen bedin-gen sich: Je besser der Name eine Marke identifiziert, desto stärker ist die Differenzierung gegenüber anderen Namen. Was hier so profan klingt, ist in Wirklichkeit immens wichtig und wird in der Praxis nicht immer durchgehend berücksichtigt. Sogar bei Menschen kann es Probleme geben, wenn der Name nicht ausreichend differenzierend, also ein so genann-ter Allerweltsname ist. So musste der Privatsender Sat.1 2005 die von ihm für die „Harald-Schmidt-Show“ verwendete Internetadresse schmidt.de wieder freigeben, da ein Berliner Webdesigner mit dem gleichen Namen dagegen geklagt hatte. Der Sender hatte die Inter-netadresse auch nach dem Ende der Harald-Schmidt-Show auf Sat.1 weiter betrieben. Der

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Webdesigner mit dem gleichen Nachnamen sah dadurch seine Namensrechte verletzt. Dem Webdesigner als Kläger stand das Namensrecht an der Webadresse zu.

Wie wichtig die Funktion der Differenzierung für die Marke ist, verdeutlicht das Beispiel des Namens „WM 2006“. Hier hatte die FIFA mehrmals versucht, sich diesen Namen als Marke für die Organisation und Durchführung einer Fußballweltmeisterschaft und andere Waren und Dienstleistungen beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) schützen las-sen. Die DPMA hat die Eintragung als Marke nicht zugelassen. Dies mit der Begründung, dass der Name WM 2006 zu wenig Unterscheidungskraft für eine Markenanmeldung habe.

Wird der Name gewechselt, entsteht auch eine neue Markenidentität. Deshalb darf der Name einer Marke nicht einfach ohne einen elementaren Grund gewechselt werden. Mit ei-nem neuen Namen muss auch die Identifikation und die Differenzierung der Marke vom Un-ternehmen im Kommunikationsprozess neu vermittelt und vom Kunden neu erlernt werden. Ein Beispiel ist die Umbenennung der KarstadtQuelle Holding in Arcandor im Jahr 2006. Thomas Middelhoff, Vorstandschef der Holding, argumentierte, das Unternehmen benötige durch die neue Ausrichtung im Tourismusgeschäft – insbesondere durch Thomas Cook – so-wie durch die neue globale Aufstellung des Unternehmens einen neuen Namen. Was heißt das? Ein neuer Name bedeutet, dass alle Teilnehmer im Kommunikationsprozess, die mit der Holding zu tun haben – wie beispielsweise Aktionäre, Finanzanalysten und Medienvertreter – einen komplett neuen Namen erlernen müssen. Das erfordert einen immens hohen Kommu-nikationsaufwand und benötigt viel Zeit.

Regel: Ein neuer Markenname bedeutet eine neue Markenidentität. Daher ist vom Na-menswechsel bei einer Marke grundsätzlich abzuraten.

Ein Namenswechsel sollte nur dann vorgenommen werden, wenn das Unternehmen in einer unüberwindbaren Krise steckt oder für ein nicht zeitgemäßes Geschäftsfeld steht. So ist beispielsweise die Umbenennung der Ruhrkohle AG in „Evonik“ im September 2007 nach-vollziehbar, weil das Unternehmen nicht mehr für die alte Energieform „Kohle“ stehen, son-dern das zukunftsträchtigere Feld der Energieeffizienz vermitteln möchte. Evonik steht also nicht für eine Erweiterung des Geschäftsfeldes, sondern für eine absolute Neuausrichtung, die glaubwürdig sein muss. Existiert bereits ein Markenname, der für eine positive Identifika-tion steht und eine Unterscheidung zum Wettbewerb gewährleistet, ist ein Namenswechsel tabu. Das Argument von Middelhoff ist auch deswegen nicht nachvollziehbar, weil viele Un-ternehmen und Marken wie Siemens oder General Electrics ihre Geschäftsfelder erweitern, ohne auch gleich ihren Namen zu verändern7. Auch ein Unternehmen wie der finnische Kon-zern Nokia, der mit Kabeln, Reifen, Gummistiefeln und Fernsehern groß geworden ist, hat seinen Namen behalten, als er zum globalen Marktführer für Mobilfunktelefone wurde. Es ist davon auszugehen, dass Nokia in den nächsten zehn Jahren weitere Geschäftsfelder für sich entdeckt und trotzdem seinen Namen behält.

Ein weiteres Beispiel, das zeigt, wie wichtig bewährte Markennamen sind, ist die weitest-gehende Eliminierung des seit 1955 gegründeten und bewährten Markennamens Condor im Jahr 2002.

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75 Tourismus und Marken |

Abbildung I-31: Logos Condor / Thomas Cook

Anstelle des bekannten Namens sollte die Fluggesellschaft den in Deutschland weniger bekannten und auch längeren Namen Thomas Cook verwenden. Das Ergebnis war vernich-tend; die Passagierzahlen waren stark rückläufig, der neue Name wurde von den Kunden nicht angenommen. Zwei Jahre später wurde der Name Condor wieder aktiv kommuniziert. Die 50 Flugzeuge, die zwischen 2002 und 2004 in Thomas Cook umlackiert wurden, erhiel-ten wieder ein neues Design. Heute werden beide Namen gleichzeitig verwendet, was alles andere als kundenorientiert ist, da der Kunde jetzt nicht genau weiß, ob er beide oder nur einen Namen verwenden soll. Dies ist nicht nur von den Markenverantwortlichen inkonse-quent, sondern auch gefährlich, da dies zu Unsicherheiten bei den Zielgruppen führt.

Abbildung I-32: Markennamen von Condor und Thomas Cook auf einem Flugzeug

Quelle: www.flickr.com; Urheber: Francesco Procida

Eine weit verbreitete Meinung ist, dass ein guter Name auch eine bestimmte Botschaft transportieren soll. Häufig wird gesagt, dass der Name die Kerneigenschaften der Marke be-inhalten soll, damit auf einen Blick erkennbar ist, welche Produkte hinter der Marke stehen. Dies ist eine Fehleinschätzung, und zwar aus zwei Gründen. Zum einen unterliegen auch Na-men bestimmten Trends, was bedeutet, dass Namen auch veralten können und einfach nicht mehr zeitgemäß sind. So würde eine Bank sich heute wahrscheinlich nicht mehr Commerz-bank oder Sparkasse nennen, sondern sich andere, moderne Namen suchen.

Zum anderen sind Marke und Produkt zwei unterschiedliche Ebenen. Die Marke ist im-mer losgelöst von den Produkten zu sehen. Der Name darf niemals die Produkteigenschaf-ten transportieren bzw. zu eng mit Produktattributen verbunden sein, da keiner voraussagen

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76 | Das Wissen um die Marke

kann, wie lange das Produkt aktuell ist bzw. was passiert, wenn es dieses Produkt nicht mehr gibt. Es ist dann problematisch, den alten Namen mit neuen Inhalten zu füllen. So steht die Marke Sony für verschiedene Produkte mit verschiedenen Eigenschaften, die sich aber tech-nisch überlebt haben. Problematisch ist, dass Produkte einen weitaus kürzeren Lebenszyklus haben als eine Marke. Der Lebenszyklus einer Marke lässt sich nicht in Jahren rechnen. Ein Beispiel: Sony hat viele Produkte erfunden, die damals innovativ waren, aber heute technisch überholt sind (u. a. das qualitativ bessere Videoformat Beta oder den legendären Walkman-Kassettenrekorder). Eine direkte Verbindung zwischen Markennamen und konkreten Produk-ten würde bedeuten, dass die Marke mit dem Produkt sterben würde oder sie müsste immer wieder neu positioniert und mit neuen Eigenschaften versehen werden.

Ein weiteres Beispiel ist die Marke Polaroid, wo der Name für die einzigartige und paten-tierte Technik stand, Bilder sofort entwickeln zu können. Mit dem Aufkommen der Digitalfo-tografie wurde die Polaroid-Technik entbehrlich. Sie verlor in kurzer Zeit ihre Unique Selling Proposition (USP) und damit ihre marktdominante Stellung. Auch als das Unternehmen den Versuch startete, in der Digitalfotografie Fuß zu fassen, half dies nichts. Der Markenname Po-laroid war zu stark mit der alten Technik verwoben, als dass dieser Wechsel in den Köpfen der Kunden hätte vollzogen werden können. Polaroid hat 2001 Insolvenz angemeldet und wur-de inzwischen von der Petters Group übernommen, die billige Unterhaltungselektronik wie DVD-Player und Flachbildschirme unter dem Namen Polaroid verkauft.

Regel: Marke und Produkt sind zwei verschiedene Inhalte, die nicht miteinander verquickt werden sollten. Der Marken-Lebenszyklus darf nicht vom Produkt-Lebenszyklus abhängig gemacht werden.

Dies heißt ebenfalls, dass der Markenmanager in ganz anderen Zeitspannen denken muss als ein Produktmanager. Ein Wechsel beim Marken-Management darf nicht automatisch be-deuten, dass die Markenstrategie oder die Markenkommunikation ebenfalls gewechselt wer-den darf. Hier ist sicherzustellen, dass die Markenidentität sich kontinuierlich weiterentwi-ckelt und von kurzfristigen Veränderungswünschen neuer Manager geschützt werden muss. Es gilt das Prinzip, dass die Marke immer ihre Manager überlebt. Dieses Verständnis hat sich noch nicht allen Etagen der Markenunternehmen herumgesprochen.

Die Funktion des Bild-Zeichens

Der zweitwichtigste Baustein auf der wahrnehmbaren Markenebene ist das Bild-Zeichen, umgangssprachlich auch häufig Logo genannt. Es ist dem Namen untergeordnet.

Warum ist dies so? Könnte man nicht meinen, das Bild-Zeichen sei genauso wichtig wie der Name? Die Antwort ist einfach an einigen Marken-Beispielen zu erklären. Beinah jeder kennt die Marken Porsche und Alfa-Romeo. Die Namen sind bekannt – sie sind identifizie-rend und differenzierend. Was ist mit den Bild-Zeichen der beiden Marken? Können Sie sich an die Bild-Zeichen der Automarken erinnern? Die meisten Menschen müssen dies vernei-nen, denn bei Porsche und Alfa-Romeo sind die Zeichen relativ komplex, da sie mehrere gra-fische Elemente vereinen. Sie sind nicht prägnant und damit kaum merkfähig.

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77 Tourismus und Marken |

Abbildung I-33: Logos der Marken Porsche und Alfa-Romeo

Die hier gezeigten Bild-Zeichen bestehen aus vielen visuellen Einzelelementen, wodurch der Lernprozess beim Betrachter erschwert wird. Trotz der nicht merkfähigen Bild-Zeichen sind diese Marken erfolgreich. Fazit: Eine Marke ist nicht auf ein Bild-Zeichen angewiesen. Eine Vielzahl von Marken existiert, die über gar kein Bild-Zeichen verfügen, sondern ihren Namen in rein typografischer Form darstellen. Hinzu kommt, dass ein Bild-Zeichen nur visu-ell im Marken-Kommunikationsprozess transportiert wird, also nur eingeschränkt nutzbar ist. Ein Name ist auch bei einem Gespräch vermittelbar. Ein sehr schönes Beispiel, wo versucht wurde, einen Namen durch ein Logo auszutauschen, ist der Musiker Prince. Prince verzichte-te eine Zeit lang wegen eines Rechtsstreites mit seinem Musikverlag auf seinen Namen und entwickelte daraufhin ein Zeichen.

Abbildung I-34: Prince-Zeichen

Dieses Zeichen sollte seinen Namen „Prince“ ersetzen. Fortan hieß das Zeichen nur „The Symbol“ und stand für „The Artist formerly known as Prince“. Das Experiment funktionier-te nicht, denn natürlich kannten und nannten seine Fans ihn immer noch Prince. Nur durfte er unter seinen originären Namen nicht mehr auftreten. „The Symbol“ und der lange, etwas umständliche Zusatz „The Artist formerly known as Prince“ konnten sich nicht durchsetzen. Marken ohne Namen können nicht existieren.

Diese Beispiele zeigen, dass eine Marke für ihren Markenstatus einen Namen haben muss; ein merkfähiges Bild-Zeichen ist nicht notwendig. Trotz allem kann ein solches Bild-Zeichen hilfreich sein, um auf der wahrnehmbaren Ebene der Marke ein weiteres Differenzie-rungsmerkmal gegenüber dem Wettbewerb zu schaffen. Zudem unterstützt ein gutes Bild-Zeichen den Namen und stärkt die Identifikation. Einige haben es sogar geschafft, ohne den Namensbestandteil auch autark zu wirken, indem sie zusätzlich die Marke identifizieren.

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78 | Das Wissen um die Marke

Abbildung I-35: Bild-Zeichen, die auch ohne den Namensbestandteil wirken – Nike-Swoosh, Mercedes-Stern, Apple-Apfel

Diese drei Beispiele verdeutlichen, dass bestimmte Bild-Zeichen unter bestimmten Um-ständen ohne Namen auftreten können. Doch Vorsicht! Dies bedeutet nicht, dass auf den Namen verzichtet werden kann. In Bezug auf die Bekanntheit war der Name zuerst da und erst dann wurde das Bild-Zeichen bekannt. Das Bild-Zeichen wurde auch immer in der ers-ten Phase der Markteinführung mit dem Namen zusammen visualisiert. Nur so konnte der Lernprozess beim Kunden erfolgreich stattfinden. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass das Bild-Zeichen sich verselbständigen kann, wenn es autark, also ohne Namen, eingesetzt wird. Dies ist insbesondere dann gefährlich, wenn das Bild-Zeichen auch noch einen eigenen Na-men erhält, wie das Beispiel von Nike zeigt. So wird das 1971 entwickelte Bild-Zeichen von Nike auch „swoosh“ genannt. Entfällt der originäre Markenname „Nike“, so läuft die Marke Gefahr, sich selber Konkurrenz zu machen und sich damit zu schädigen.

Wird die Namensentwicklung durch das Management noch häufig als wichtig einge-stuft, erfolgt die Zeichenentwicklung nicht selten nach rein subjektiv-ästhetischen Gesichts-punkten. Bild-Zeichen werden häufig nach dem persönlichen Geschmack des Entscheiders (Unternehmer, Geschäftsleitung etc.) gestaltet und nicht immer nach Marken bildenden Kri-terien. Nach dem Motto: Gut ist, was gefällt. Da ein Bild-Zeichen aber auch zum Erfolg einer Marke beitragen soll, ist dieser Aspekt nicht zu unterschätzen. Procter & Gamble hat dies am eigenen Leib spüren müssen. Das Unternehmen hatte ein Bild-Zeichen, das zu negativen Ge-rüchten bei den Kunden führte. Das Unternehmen bekam das wirtschaftlich zu spüren. Was war passiert? Procter & Gamble hatte seit Ende des 19. Jahrhunderts, also rund hundert Jah-re lang, ein Zeichen, das einen Halbmond mit Gesicht und dreizehn Sterne zeigte.

Abbildung I-36: P & G-Mann im Mond-Zeichen

Um 1980 kamen in Teilen der USA erste Gerüchte auf, dass dieses Zeichen satanischen Ursprungs sei. Zuerst kursierten diese Gerüchte nur in bestimmten Kreisen, doch nach eini-ger Zeit sah sich das Unternehmen in der Situation, etwas dagegen unternehmen zu müs-sen. Es wurden verschiedene Gutachten erstellt, die dieses Zeichen entlasten sollten. Es half

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nichts – die Gerüchte und auch die negativen Auswirkungen auf den Absatz konnten nicht eingedämmt werden. P & G, einer der weltgrößten Hersteller von Konsumgütern, sah sich durch den öffentlichen Druck gezwungen, ein komplett neues Zeichen zu entwickeln.

Abbildung I-37: Neues P & G -Zeichen

Die Gestaltung des neuen Zeichens ist eine Kehrtwendung. Es ist ein sachliches, rationa-les Zeichen, das keine negativen Deutungen zulässt. Procter & Gamble hat aus dieser Erfah-rung gelernt, dass ein Zeichen missverstanden und negativ gedeutet werden kann, was zu wirtschaftlichen Einbußen geführt hat. Daraus ist erkennbar, dass ein Bild-Zeichen nicht nur subjektiv-ästhetischen Kriterien genügen muss, sondern durchaus eine größere, betriebs-wirtschaftliche Tragweite hat und daher unter professionellen Gesichtspunkten als Teil einer ganzheitlichen und damit interdisziplinären Markenstrategie entwickelt werden muss.

Regel: Die Gestaltung eines Bild-Zeichens darf nicht unterschätzt werden. Ein Bild-Zei-chen für eine Marke darf nicht nur nach subjektiv-ästhetischen Kriterien gestaltet werden, sondern muss die gesetzten Markenziele unterstützen.

Bild-Zeichen lassen sich grundsätzlich in drei Kategorien einteilen – und zwar in: Wort-Zeichen, Y

Bild-Zeichen und Y

die Kombination: Wort-Bild-Zeichen. Y

Die häufigste Form ist die Kombination aus dem Namen und einem Bild-Zeichen.

Abbildung I-38: Beispiel für eine Kombination aus Namen und Bild-Zeichen

Bei Wort-Bild-Zeichen gibt es verschiedene Varianten, in welcher Reihenfolge Name und Bild-Zeichen stehen. Die häufigste Form ist, dass zuerst der Name und dann das Bild-Zeichen erscheint. Dies hängt mit der kulturell bedingten Leserichtung in westlichen Gesellschaften zusammen, da wir von links nach rechts lesen und der Schwerpunkt damit auf dem Namen liegt. Dieses Gestaltungsprinzip kann durchaus bewusst durchbrochen werden, wenn der Name bereits soweit bekannt ist, dass der Schwerpunkt auf dem Bild-Zeichen liegen sollte. Oder auch, wenn ein sehr prägnantes und visuell markantes Bild-Zeichen entwickelt wurde, das für eine hohe Aufmerksamkeit sorgt.

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80 | Das Wissen um die Marke

Reine Wort-Zeichen bilden die zweithäufigste Variante. Hier wird der Markenname typo-grafisch umgesetzt. Eventuell wird die Schrift leicht überarbeitet, damit das Wort-Zeichen an Individualität und Prägnanz gewinnt.

Abbildung I-39: Beispiel für reine Wortzeichen

Das Thema Schriftwahl wird genauso wie bei der Entwicklung von Bild-Zeichen nicht sel-ten stiefmütterlich behandelt. Dies liegt zum einen an anderen Prioritäten bei der Entwicklung einer neuen Marke. So kümmern sich Markenverantwortliche häufig gern zuerst um juristi-sche (z. B. Anmeldung von Marken) und ökonomische (z. B. Businesspläne) Belange, wenn es um die Gründung einer Marke geht. Die Gestaltung von Bild-Zeichen und die Wahl der Ty-pografie werden dann schnell zu einem Randprojekt.

Zum anderen ist dies einfach die Unkenntnis, was gute Typografie leisten kann. Das gilt nicht nur für die Unternehmensseite, sondern insbesondere für Werbeagenturen, die häu-fig wenig Fantasie bei der typografischen Beratung walten lassen. Viele Grafik-Designer ha-ben einfach keine ausreichende Typografieausbildung hinter sich und greifen somit häufig auf eine beschränkte Auswahl von Katalogschriften zurück. Fazit: Die Schriftwahl gehört zu den am meisten unterschätzten Aspekten bei der Entwicklung von Bild-Zeichen und Erschei-nungsbildern. Dabei ist es relativ einfach, eine gute, für die Marke passende Schrift zu finden, da es eine große Vielfalt an guten Schriftfamilien gibt.

Die Funktion der Farbe

Der drittwichtigste Markenbaustein auf der ersten Ebene ist die Farbe. Auch hier gilt ähn-liches wie bei der Schrift, denn häufig wird die Farbgestaltung relativ lieblos vorgenommen. Blau dominiert. Dies hat mit unseren kulturell bedingten Sehgewohnheiten zu tun. Blau wird in der westlichen Kultur als beruhigend, vertrauensvoll und sicher angesehen. So sind rund 60 Prozent aller Logos in der westlichen Kultur blau – und dies in allen Facetten: vom fri-schen, kühlen Hellblau (z. B. KLM) zum gediegenem Dunkelblau (z. B. Deutsche Bank).

Einige Marken haben es verstanden, mit Hilfe der Farbe einen kommunikativen Wettbe-werbsvorteil zu generieren. So gibt es durchaus Marken, die mit Hilfe ihrer Farben identifi-zierend und gleichzeitig differenzierend auf dem Markt auftreten. Beispiele sind das typische Orangegelb der Champagnermarke Veuve Clicquot, die Deutsche Telekom mit der eigenwil-ligen Farbe Magenta oder das Logistik- und Kurierunternehmen UPS mit der seltenen und da-mit differenzierenden Farbkombination aus Braun und Gold.

Die Entscheidung für eine nicht alltägliche Farbe erfordert Mut, den viele Unternehmen nicht aufbringen wollen. Problematisch an Farben ist, dass ihre Wirkung zwar unbestritten ist, es aber schwer fällt zu sagen, ob Braun besser wirkt als Bordeaux oder ob Rot für mehr Auf-merksamkeit sorgt als Orange. Farben sind äußerst subjektiv. Es ist schwer vorherzusagen, ob eine Farbe den meisten gefällt oder nicht. Man kann sich vortrefflich darüber streiten, ob das Dunkelrot der Marke Air Berlin schön ist oder nicht.

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81 Tourismus und Marken |

Aber Farben können mehr: Neben der Identifikation und Differenzierung können sie eben-falls Botschaften transportieren. So ist die Lackierung der HLX-Flugzeuge in gelb-schwarz den bekannten New Yorker Taxis nachempfunden. Die Botschaft der Farbwahl sowie des Designs ist eindeutig: Fliegen mit HLX ist so günstig und einfach wie Taxifahren. Zwar fliegt HLX seit Mitte 2007 unter dem Namen und der Farbgebung TUIfly; doch die Farbgestaltung war so auffällig, einprägsam und damit markenbildend, dass sich die Frage stellt, ob die Auf-gabe der Marke nicht ein Fehler ist.

Abbildung I-40: Flugzeug von HLX

Quelle: www.tuifly.com

Ein wichtiger Faktor bei der Farbgestaltung für eine Marke ist die technische Umsetzbar-keit, die häufig vernachlässigt bzw. unterschätzt wird. Zwei Aspekte sind entscheidend – die Farbe muss

immer gleich aussehen und Y

in der Produktion auf verschiedenen Untergründen umsetzbar sein. Y

Was bedeutet das? Farben wirken auf verschiedenen Untergründen und je nach Druck-verfahren unterschiedlich. Eine Farbe auf Papier (z. B. in einer Zeitungsanzeige) wirkt anders als die gleiche Farbe auf Kunststoff (z. B. auf einem Kugelschreiber) oder auf Metall (z. B. auf einem Schild). Je komplizierter die Farbe ist, desto größer ist die Gefahr, dass die Farbe im-mer anders aussieht. Dies ist für die Identifikation und Differenzierung der Marke kontrapro-duktiv.

Die Machbarkeit in der Produktion bedeutet, dass nicht zu viele Farben für ein Marken-Zeichen ausgewählt werden dürfen. Das ist zum einen zu teuer, denn jede Farbe ist ein neu-er Druckgang und dies belastet das Marketingbudget. Zum anderen sind viele Farben immer eine weitere Fehlerquelle bei der Produktion. So gibt es beispielsweise in der kleinen Darstel-lung von Bild-Zeichen in bestimmten Druckverfahren grundsätzlich Probleme (z. B. durch das gröbere Raster im Siebdruck).

Dies alles sind Gründe für Marken wie beispielsweise die Deutsche Telekom, sich für eine einfache Farbe wie Magenta zu entscheiden. Es ist eine der vier Grundfarben Cyan, Schwarz,

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Gelb und Magenta der 1971 definierten Europäischen Farbskala für den Offsetdruck (auch Euroskala genannt). Ob diese Farbe subjektiv gefällt oder nicht, hat für die Deutsche Tele-kom eine geringere Priorität als die vielen Vorteile, die in der gleichen Darstellung der Far-be durch die Vereinfachung des Produktionsprozesses und die dadurch erreichten Kosten-einsparungen entstehen. Das Magenta der Deutschen Telekom sieht auf jedem Untergrund gleich aus; keine Agentur oder Druckerei hat mit dieser Farbe ein umsetzungstechnisches Problem. Und das Wichtigste: Die Marke hat mit Hilfe der Farbe Magenta ein Alleinstellungs-merkmal geschaffen.

Regel: Farben sorgen für Orientierung, indem sie die Marke identifizieren und vom Wett-bewerb differenzieren. Daher ist die Farbwahl für eine Marke von strategischer Be-deutung.

Ein Beispiel, wo eine differenzierende Farbe gesucht und diese Farbe auch im Slogan, also einem weiteren Baustein des Marken-Daches, aufgenommen wurde, ist das Unterneh-men PIN AG, ein privater Brief-Dienstleister. Da die Deutsche Post bereits mit der Farbe Gelb belegt ist, hat sich das Konkurrenzunternehmen ein frisches Grün ausgesucht. Die Farbe wur-de in dem Slogan des Unternehmens „schick es grün“ noch einmal aufgenommen, der mit der Doppeldeutigkeit der Formulierung spielt.

Abbildung I-41: Logo der PIN AG

Mit dem Baustein „grüne Farbe“ als Klammer in der Visualisierung und dem Slogan wird die differenzierende Wirkung zum Wettbewerb verstärkt. Über den Slogan wird die Aufmerk-samkeit zusätzlich auf die Farbe gelenkt. Maßnahmen, die Querverbindungen zwischen ein-zelnen Markenbausteinen herstellen, beschleunigen den Aufbau der Marke.

Die Funktion des Designs

Auf der wahrnehmbaren Ebene spielt das Design der Marke ebenfalls eine entscheiden-de Rolle, wobei zwei Kategorien zu unterscheiden sind:

a) das Corporate Design (oder auch Erscheinungsbild) und b) weitere Designelemente wie z. B. Produktdesign, Verpackung etc.

Das Corporate Design gehört inzwischen zum Standard der meisten Marken und Unter-nehmen. Es hat sich in der Praxis gezeigt, dass ein konsistentes Erscheinungsbild die Identi-fikation der Marke extrem erleichtert. Ein Corporate Design definiert alle visuellen Elemente – vom Einsatz des Logos über die richtige Verwendung der Typografie bis hin zu konkreten grafischen Umsetzungen wie Geschäftsausstattung (Visitenkarte, Briefbogen, Kurzmitteilun-gen etc.), Internetauftritte, Messeauftritte, Firmenautos und Kleidung – und reguliert deren Einsatz in der Praxis. Ziel des Corporate Designs ist es, nach außen (also bei Kunden und an-deren Zielgruppen), aber auch nach innen (bei den Mitarbeitern) in allen visuellen Aspekten

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einheitlich zu wirken und damit die Wiedererkennung zu erhöhen. Dass mit einem einheitli-chen Erscheinungsbild auch Kosten gespart werden, ist daran zu verdeutlichen, dass es für grafische Vorlagen fest definierte Vorlagen gibt, die einmal entwickelt immer wieder von al-len internen Abteilungen und externen Agenturen und Druckereien verwendet werden kön-nen. Inzwischen ist es die Regel, dass das Corporate Design digital erstellt wird, was bedeu-tet, dass für Briefbögen und andere Drucksachen bereits so genannte digitale „Templates“ erstellt werden (druckfähige Dateien), die dann ohne Weiteres von allen Beteiligten verwen-det werden können.

Der zweite Bereich, in dem das Design als Markenbaustein eine Rolle spielt, sind Produkt-designs oder individuelle Verpackungsgestaltungen. Ein Beispiel für einen designorientierten Markenbaustein ist die typische „Nierenform“ beim Kühler eines BMW-Automobils.

Abbildung I-42: BMW-Niere am Flughafen München

Quelle: Adjouri Brand Consultants

Die Niere ziert nicht nur den Kühler aller BMW-Modelle; sie wird auch als ein prägnan-tes Werbemotiv benutzt. So beispielsweise am Terminal 2 des Flughafens München als rie-sengroßes Display – unübersehbar für alle Reisenden, die an der Gepäckausgabe das Termi-nal verlassen. Ein Abbild der Niere ziert ebenfalls die Formel 1-Boliden von BMW. Die Niere ist zu einem Markenbaustein geworden, weil sie konsequent über alle Modelle hinweg und langfristig eingesetzt wurde. Jeder Designer bei BMW, der ein neues Modell fertigt, hat die Maßgabe, die Niere als Markenbaustein zu verwenden – sie ist „heilig“. Dadurch ist sie zu ei-nem typischen Erkennungsmerkmal der Marke geworden – zusätzlich zum BMW-Logo, den blau-weißen Farben sowie dem ebenfalls langfristig eingesetzten und damit gelernten Slo-gan „Freude am Fahren“.

Ebenso kann das Design der Verpackung ein Markenbaustein werden. Ein Beispiel ist die quadratische Form der Marke Ritter Sport. Die quadratische Form der Schokolade hebt sich von der Konkurrenz ab; die Verpackung – und nicht allein der Geschmack oder die Qualität – wird somit zum entscheidenden Differenzierungsmerkmal der Marke. Markenrelevant ist die zusätzliche Betonung der quadratischen Verpackung durch den Slogan „quadratisch – prak-tisch – gut“, der aus der markanten Form heraus eine Brücke zur guten Qualität schafft. Hier-durch erhält die Marke auf der wahrnehmbaren Ebene über den Slogan eine zusätzliche Her-vorhebung, die sich bei den Zielgruppen festsetzt.

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Das Design als Markenbaustein wird in der Regel von Unternehmen unterschätzt und häufig als eine Spielwiese des Marketings betrachtet. Insbesondere von technisch geprägten Unternehmen, die ingenieursgetrieben sind, wird das Design als eine Disziplin angesehen, die den „Schein“ und nicht das „Sein“ betrifft und damit nicht ernsthaft in Betracht gezogen wird. Dabei gibt es auch in technischen Bereichen gute Beispiele, dass Design ein entschei-dender Marken-Baustein ist, der bei den Kunden einen Bedarf weckt.

Ein Beispiel ist der iPod von Apple. Hier hat das Unternehmen bewiesen, dass Design und technische Qualität sich nicht widersprechen, sondern auf einer Augenhöhe liegen. Auch an-dere Unternehmen haben MP3-Player entwickelt, die sogar noch mehr Speicher und mehr Funktionen haben als der iPod von Apple. Doch Apple hat es verstanden, über ein schlich-tes, ansprechendes Design und mit einfacher Bedienerführung eine phänomenale Nachfra-ge in der Öffentlichkeit zu schaffen, die das Unternehmen aus der Nische herausgeholt hat. Der iPod hat das Interesse der Öffentlichkeit auch auf die anderen Produkte von Apple, wie beispielsweise Computer, gelenkt, so dass diese auch Marktanteile gewinnen konnten. Der nächste Schritt von Apple war die Einführung des Mobiltelefons iPhone, das technische Neu-erungen wie ein Soft-Touch-Feld mit einem eigenwilligen Design verbindet.

Ein weiteres, bereits legendäres Beispiel ist die Marke swatch. Als die Schweizer Uhren-industrie angesichts der Invasion günstiger japanischer Digitaluhren Mitte 1980 ins Trudeln kam, hatte der Gründer von swatch, Nicolas Hayek, die rettende Idee. Er entwickelte ein De-signobjekt, das auch die Uhrzeit anzeigt.

Abbildung I-43: swatch-Logo

Primär war die swatch somit keine Uhr, sondern ein Designstück, ein Schmuckgegen-stand für das Handgelenk. Mehrmals im Jahr werden verschieden gestaltete Modelle auf den Markt gebracht. Die Kunden haben also die Möglichkeit, Uhren zu sammeln. Wäre die swatch nur eine Uhr, würde eine reichen. Doch als Designgegenstand kann je nach Outfit die passende swatch getragen werden. Auch hier zeigt sich, dass das Design eine wichtige-re Funktion als die Technik einnehmen kann.

Die Gesetzgebung hat erkannt, dass das Design für eine Marke entscheidend ist. So kann ein individuelles, differenzierungsfähiges Design beim Deutschen Patent- und Markenamt als Geschmacksmuster angemeldet werden. Somit erlangt der Rechtsinhaber das ausschließli-che Benutzungsrecht für das Design der Marke.

Regel: Design als Markenbaustein empfiehlt sich insbesondere bei qualitativ gleichwerti-gen Produkten (z. B. Schokolade wie Ritter Sport, Uhr von swatch), um eine Diffe-renzierung zu gewährleisten.

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85 Tourismus und Marken |

Die Funktion anderer wahrnehmbarer Bausteine

Neben Name, Logo, Farbe und Design gibt es weitere sinnlich-wahrnehmbare Baustei-ne, die jedoch in der Markenpraxis häufig stiefmütterlich verwendet werden. Zu diesen zäh-len auditive, also hörbare, Markenbausteine, aber auch riechbare (olfaktorische) und den Ge-schmackssinn sowie den Tastsinn ansprechende (haptische) Elemente.

Auditive Markenbausteine sind beispielsweise die Melodien, also die Klingeltonabfolge, innerhalb der Werbung der Deutschen Telekom oder auch die kurze Musik bei den Werbe-trailern der Krombacher-Werbung, wenn die typische Insel, das satte Grün der Wälder und das frische Blau des Wassers auftauchen. Durch den langfristigen und kontinuierlichen Ein-satz wurden diese Melodien gelernt; der Hörer erkennt sofort, um welche Marke es sich hier handelt. Bei Krombacher weiß der Fernsehzuschauer, dass sonntags nach der Tagesschau, wenn die typische Krombacher-Melodie ertönt, der Tatort anfängt. Auch bei der Formel 1 funktioniert das auditive Prinzip dieses Markenbausteins von Krombacher.

Dass eine Marke nicht nur über visuelle Bausteine wahrgenommen wird, nutzt auch die Automobilindustrie für sich. So werden bei der Entwicklung eines neuen Modells auch die verschiedenen Geräusche – wie Motorengeräusche oder das Geräusch beim Schließen der Türen – bewusst „gestaltet“. Der Kunde soll ein für die Marke typisches Geräusch hören bzw. wohlklingende, satte Geräusche wahrnehmen. So beschäftigen inzwischen alle Marken der Automobilbranche eigens Ingenieure, die für den Klang der Motoren zuständig sind. Bei Fer-rari werden beispielsweise dem Lastenheft für zukünftige Autos grundsätzlich von vornherein Vorschläge an ausgewählten Klängen beigelegt. Die Motoren erhalten somit einen typischen Markenklang, den Herbert von Karajan mit dem Ausspruch kommentiert haben soll, „ein Fer-rari braucht kein Radio, denn der Motor klingt wie ein ganzes Orchester“. 8

Auch der Geschmack kann sich zu einem entscheidenden Markenbaustein entwickeln. Als Coca-Cola im Jahr 1985 bekannt gab, den Geschmack der Brause zu ändern, führte dies bei den Kunden zuerst zu einem vorher nie da gewesenen Proteststurm und, als dies nichts änderte, zur Konsumverweigerung. Das Unternehmen aus Atlanta hatte durch Marktfor-schung herausgefunden, dass der ewige Konkurrent Pepsi in zahlreichen Blindverkostungen von den Kunden bevorzugt wurde. Coca-Cola sah sich gezwungen, innerhalb kürzester Zeit wieder den alten, bewährten Geschmack unter dem Namen Classic Coke einzuführen. Fazit: Über Geschmack kann man sich streiten, bei einer Marke wie Coca-Cola anscheinend nicht.

Riechbare (olfaktorische) und fühlbare (haptische) Markenbausteine werden in der Mar-ken-Praxis noch selten eingesetzt, da der Schwerpunkt der meisten Marken in der visuellen Umsetzung liegt. Außerdem sind die Möglichkeiten für den Einsatz nicht bekannt bzw. ha-ben sich noch nicht durchgesetzt. Es wird fälschlicherweise häufig angenommen, dass die visuelle Wahrnehmung die wichtigste ist. Fest steht, dass in dem Geruchs- und Tastsinn ein großes, noch weitgehend unentdecktes Feld liegt. In den beiden genannten Bausteinen liegt ein großes Potenzial und zwar nicht nur deshalb, weil diese weniger häufig genutzt werden. Entscheidend ist, dass wir dem, was wir riechen und fühlen, eine höhere Glaubwürdigkeit zutrauen als visuellen Reizen. Wenn wir etwas sehen, wägen wir ab. Der Weg zur Entschei-dung, ob wir es gut oder schlecht finden, ist ein Prozess. Beim Riechen und auch beim Füh-len wissen wir relativ schnell, ob es uns gefällt oder nicht. Diese Sinne täuschen uns weit weniger. Ein weiteres Argument, warum hier ein großes Potenzial steckt, ist, dass es immer

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besser ist, den Empfänger einer Botschaft gleichzeitig über mehrere Sinne anzusprechen, als nur über das Sehen und Hören. Auch hier ist die Automobilbranche wieder Vorreiter, die ol-faktorische Markenbausteine wie den Geruch eines Autos oder haptische Elemente wie das Anfühlen der Sitz-Bezugsstoffe oder das Material der Konsole nach diesen Kriterien strate-gisch angeht und gezielt entwickelt.

Fest steht: Der Kampf um mehr Aufmerksamkeit und Differenzierung führt in Zukunft dazu, dass Markenstrategien mehr wahrnehmbare Bausteine wie Riechen, Fühlen und Schmecken einsetzen werden.

Die zweite Ebene der Marke

Die zweite Ebene der Marke betrifft alle nicht-wahrnehmbaren Elemente, also alles, was wir an Vorstellungen, Gefühlen, Meinungen, Erfahrungen, Einstellungen, Motivationen mit der Marke verbinden. Allein an dieser Auflistung von verschiedenen Inhalten ist bereits das Grundproblem dieser Markenebene erkennbar. Was wir nicht sinnlich wahrnehmen können, ist auch schwer zu erfassen und noch schwerer zu beschreiben.

Doch trotz allem steht fest, dass die Marke aus mehr Bestandteilen besteht als Name, Bild-Zeichen, Farbe und Design. Fest steht auch, dass diese nicht-wahrnehmbaren Bestand-teile weitaus stärker das menschliche Unterbewusstsein ansprechen. Wie also sollte diese Schwierigkeit gelöst werden, nicht-wahrnehmbare Bausteine wahrnehmbar zu machen?

Eine pragmatische Vorgehensweise ist es, einen Oberbegriff für alle nicht-wahrnehmba-ren Inhalte zu finden. Einen Begriff, der Vorstellungen, Emotionen, Einstellungen und Moti-vationen mit einschließt. Hierfür eignet sich der Begriff der Assoziation optimal, da eine As-soziation wertneutral ist. Ob wir verschiedene Vorstellungen, Emotionen, Einstellungen oder Meinungen zu einer Marke haben, kann unter dem Begriff der Assoziationen subsummiert werden (siehe Abb. 44).

Ausgehend vom Oberbegriff der Assoziation gilt es nun im nächsten Schritt, sich diesen genauer anzusehen. Zwei Dimensionen von Assoziationen sind zu unterscheiden. Die ers-te Dimension betrifft die Unterteilung nach denotativen und konnotativen Assoziationen. Die zweite Dimension teilt sich auf in emotionale und kognitive Assoziationen.

Die erste Dimension ist semiotischer Natur: Denotative Assoziationen (lat. denotare = be-zeichnen) geben die Primär- oder auch Grundbedeutung einer Botschaft wieder. Diese Pri-märbedeutung ist grundsätzlich unabhängig von der Situation oder vom Kontext. Bei dem Wort „St. Moritz“ wäre eine denotative Assoziationen beispielsweise „Skiort“.

Konnotative Assoziationen (lat. „con-“ = „mit“ und „notatio“ = „Anmerkung“) stehen für die Sekundär- oder auch Nebenbedeutung einer Botschaft. Konnotationen hängen von der Situation und vom Kontext ab, das heißt, das gleiche Wort steht für verschiedene Bedeu-tungen, die kulturell unterschiedlich geprägt sind. So löst „St. Moritz“ bei unterschiedlichen Menschen verschiedene Konnotationen aus (z. B. „schick“, „überteuert“, „elegant“, „mon-dän“ etc.). Mit Hilfe der Einteilung nach dem denotativen und konnotativen Charakter einer Assoziation kann bereits die inhaltliche Struktur einer Marke beschrieben werden.

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Abbildung I-44: Alle nicht-wahrnehmbaren Bausteine können als Assoziationen bezeichnet werden.

Emotionen

Kognit

ionen

Vorstellungen

Erwartungen

Mot

ivatio

nen

Einste

llung

en

„Assoziationen“

Beispiel: iWie unterschiedlich konnotative Bedeutungen bei einer Marke sein können, zeigt sich an der 501-Jeans der Marke Levi’s. Die denotative Bedeutung ist eindeutig: Jeans. Doch bei den konnotativen Bedeutungen zur Marke offenbaren sich die kulturellen Unterschiede zwischen Europa und den USA. So steht die 501-Jeans in Europa für eine hochpreisige, modische Jeans mit Kultcharakter. In den USA dagegen ist die gleiche Jeans eine niedrigpreisige Arbeitshose, die für Gartenarbeiten benutzt oder zum Barbecue angezogen wird. Die kulturell bedingten Unterschiede in den Konnotationen führen zwangsläufig zu unterschiedlichen Markenstrate-gien in den jeweiligen Regionen.

Die zweite Dimension ist psychologischer Natur: Ist der Bereich der Kognitionen relativ gut in der Wissenschaft beschrieben worden, gibt es bei den Emotionen größere Unklarhei-ten, insbesondere wie sie entstehen und wie sie wirken. Auch die Messung von Emotionen (z. B. die Stärke von Emotionen) gestaltet sich als schwierig.

Zu den emotionalen Assoziationen gehören alle Begriffe, die mit Freude, Furcht, Interes-se, Leid, Scham, Schuldgefühl, Überraschung, Verachtung, Widerwillen und Zorn zu tun ha-ben. Zu den kognitiven Assoziationen gehören u. a. alle Begriffe, die mit Denken, Erinnerung und Lernen zu tun haben, also die zur menschlichen Informationsverarbeitung notwendig sind. Entscheidend ist, dass Emotionen und Kognitionen niemals alleine für sich betrachtet werden können. Beide hängen untrennbar zusammen. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen.

Die Emotion Furcht steht nicht für sich allein, sondern ist in der Regel mit Erfahrung, Erin-nerung oder Lernen verbunden. So haben wir gelernt, in welchen Situationen wir Angst ver-spüren (z. B. im Dunkeln, alleine, in der Masse mit Menschen, in engen Räumen etc.). Wir erinnern uns an solche Situationen und vermeiden diese in Zukunft. So verhält es sich grund-sätzlich mehr oder weniger stark mit allen Emotionen. Dies bedeutet, dass es bei der Betrach-tung der nicht-wahrnehmbaren Markenebene darum geht, nicht nur emotionale und kog-nitive Assoziationen alleine für sich zu betrachten, sondern den Zusammenhang zwischen diesen Assoziationen zu verstehen.

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Regel: Emotionen können nicht für sich allein betrachtet werden, sondern immer in Ver-bindung mit Kognitionen.

Wie können Kognitionen und Emotionen für eine Marke analysiert werden, um aus den Ergebnissen eine stichhaltige Markenstrategie entwickeln zu können? Hier hilft die semioti-sche Sichtweise. Die Semiotik ist die Wissenschaft der Zeichen. Mit ihrer Hilfe können Be-deutungen von Zeichen interpretiert und bestimmt werden. Wie funktioniert dies? Wie geht die Semiotik vor?

Die Semiotik untersucht unter anderem, wie Zeichen in Beziehung zueinander Bedeutun-gen bilden. Dabei ist ein Zeichen nicht nur visueller Natur, sondern kann ein Wort, ein Duft, ein Geräusch oder ähnliches sein. Die Semiotik geht davon aus, dass alle Zeichen, die wir interpretieren, miteinander in Beziehung stehen. Aus dieser Beziehung können die entspre-chenden Bedeutungen interpretiert werden. Innerhalb der Semiotik ist es die Semantik, die sich mit der Interpretation von Bedeutungen beschäftigt. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. Das Wort „Tisch“ allein steht für eingeschränkte Assoziationen. Es ist relativ unkonkret. Erst die Verbindung mit den Worten „Glas“ und „groß“ gibt dem Wort „Tisch“ eine konkretere Bedeutung. Wir wissen dann, um was für einen Tisch es sich handelt.

Das gleiche Prinzip kann bei Marken angewendet werden. Ein Begriff wie „Qualität“ ist allgemeiner Natur und damit zu wenig konkret – er kann für vieles stehen. Auch die zusätzli-che Beschreibung „gut“ hilft uns noch nicht weiter, denn wir wissen nicht, worauf sich die-ses „gut“ bezieht. Doch wenn damit weitere Begriffe verbunden sind (z. B. „gutes Material“ und „lange Garantiezeit“), wird klar, was mit Qualität bei einer Marke konkret gemeint ist.

Abbildung I-45: Beispiel für Qualität verbunden mit zwei weiteren Assoziationen

„Qualität“ „lange Garantiezeit“

„gutes Material“

Fazit:

Die Primärassoziation „gute Qualität“ für eine Marke hat für die weitere strategische Vorge-hensweise keinen Wert. Erst die Verbindung mit anderen Begriffen ist wirklich relevant.

Um eine Marke semantisch zu untersuchen, müssen alle damit verbundenen Begriffe (Assoziationen) erfasst werden. Um die Bedeutung herauszubekommen, müssen die Verbin-dungen zwischen diesen Assoziationen dargestellt werden. Dabei ist es unerheblich, ob diese Assoziation emotionaler oder kognitiver Natur ist. Eine Assoziation wie „Qualität“ kann emoti-

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onaler Natur (z. B. gefühlte Qualität) oder kognitiver Art (z. B. aus Erfahrung) sein. Diese Form der semiotischen Markenanalyse ist eine relativ junge Disziplin, die jedoch bei der Deutung von Assoziationen viel versprechende Ergebnisse liefert.9

Regel: Alleinstehende Assoziationen sind für die Markenanalyse wertlos. Es kommt dar-auf an, die kausale Verkettung der Assoziationen aufzudecken. Nur so kann die Be-deutung von Assoziationen erklärt werden.

Bei der Betrachtung der nicht-wahrnehmbaren Markenebene ist ein so genanntes se-mantisches Netzwerk erkennbar. Dieses besteht aus mehreren kognitiven und emotionalen Assoziationen, die miteinander zusammenhängen.

Abbildung I-46: Semantisches Netzwerk von miteinander verbundenen Assoziationen

Assoziation 1

Assoziation 2

Assoziation 3

Assoziation 4

Assoziation 5

Assoziation 6

Dieses semantische Netzwerk wird auch als Assoziations-Landkarte einer Marke bezeich-net. Es gibt verschiedene Verfahren, um Assoziationen zu einer Marke zu erfassen und de-ren Verbindungen untereinander darzustellen. Die einfachsten Verfahren basieren auf quali-tativen Methoden, in denen die Zielgruppen einer Marke beispielsweise in Interviews oder Gruppendiskussionen aufgefordert werden, zur Marke zu assoziieren. Diese Verfahren haben den großen Nachteil, dass sie wegen der meist kleinen Stichprobe nicht repräsentativ sind. Größere und damit repräsentative Stichproben werden in der Regel durch quantitative Me-thoden erfasst.

Um Assoziationen zu erfassen, ist es wichtig, dass möglichst keine Vorgaben existieren – zum Beispiel indem bestimmte Begriffe oder Assoziationen angekreuzt werden müssen. Da jede Marke über einen individuellen Assoziationskern verfügt, müssen die Assoziationen einer Marke immer frei, also ohne vorgegebene Begriffe, erfasst werden. In einem Marken-Forschungsprojekt mit dem Institut für Psychologie der Universität Göttingen in den Jahren 2000 bis 2002 hat die Adjouri GmbH gemeinsam mit der Universität verschiedene Methoden zur vorgabenfreien Erfassung von Assoziationen ausprobiert und weiterentwickelt. Dabei hat sich das Freelisting-Verfahren besonders gut bewährt. Das Freelisting-Verfahren ist einfach und nachvollziehbar, weil es aus drei Stufen besteht. Die einzige Frage, die gestellt wird, ist: Was verbinden Sie mit der Marke xyz? Die befragte Person hat in zehn Feldern Platz, ihre As-soziationen zu formulieren – und zwar ohne Vorgaben. Die Person kann also in ihren eigenen Worten frei assoziieren. Da es keine Vorgaben gibt, werden kognitive und emotionale Assozi-ationen gleichermaßen erfasst. Im zweiten Teil dieses Buches wird das Freelisting-Verfahren bei den Fallstudien zur Destination Berlin und der Maritim Hotelgesellschaft angewendet und zum besseren Verständnis demonstriert.

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90 | Das Wissen um die Marke

Sind diese Primärassoziationen durch das Freelisting erfasst, gilt es herauszufinden, wie diese miteinander verknüpft sind, um die Assoziations-Landkarte der Marke zu entwickeln. Mit speziellen Verfahren (z. B. einem Triadentest) ist es möglich, diese Verbindungen zwi-schen den Assoziationen festzustellen und auch darzustellen. Das Ergebnis sind dann so genannte „Kognitive Landkarten“ der Marke, bei denen die Assoziationen und deren Ver-knüpfungen dargestellt werden. Mit diesen Kognitiven Landkarten kann die zweite, nicht-wahrnehmbare Markenebene beschrieben werden.

Durch die Verbindung von allen wichtigen Assoziationen (und hier sind alle kognitiven und emotionalen Assoziationen gemeint) können die Bedeutungen der Marke erklärt werden. So entfällt die pauschale Beschreibung einer Marke, wie sie häufig zu hören ist, dass die Mar-ke zum Beispiel für „Qualität“ und „Innovation“ steht. Dies sind Plattitüden und Allgemein-plätze, die keiner Marke gerecht werden und auch keine Hilfe für die Entwicklung einer Stra-tegie sind. Erst wenn herausgefunden wird, was diese „Qualität“ ausmacht und was wirklich „innovativ“ ist, kommt man dem Kern der Marke näher.

Abbildung I-47: Beispiel für eine Kognitive Landkarte anhand der Marke Valensina

leckerr

Vitamine

Fruchtfleisch

Onkel Dittmeyerfruchtig

gute Preis-Leistung

Sonne Frische

gesund

Werbung

wie frisch gepresst

Qualität

durstlöschend

Spanien

natürlich

Quelle: Adjouri Brand Consultants

Bei diesem Beispiel der Marke Valensina sind die 15 wichtigsten Assoziationen in einer Kognitiven Landkarte dargestellt. Einige dieser Assoziationen sind miteinander verbunden und stellen ein Cluster dar, eine Ansammlung von für die Marke relevanten Begriffen. Andere wiederum stehen für sich alleine – in der Fachsprache werden diese Assoziationen ohne Bin-dung an andere als Satelliten bezeichnet. Sie wurden zwar mit der Marke assoziiert, stehen aber in keiner kausalen Relation mit anderen Assoziationen. Dies ist beispielsweise bei die-ser Kognitiven Landkarte bei der Assoziation „Qualität“ erkennbar. Die meisten Kunden von Valensina haben dem Orangensaft eine hohe Qualität bescheinigt, konnten dies aber nicht konkretisieren. Die Kognitive Landkarte zeigt, dass Assoziationen wie „Vitamine“, „frisch ge-

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presst“ oder „natürlich“ nicht im Zusammenhang mit Qualität genannt wurden. Fatal war je-doch, dass diese Qualität nicht mit einem höheren Preis korrelierte – die Assoziation „gutes Preis-Leistungsverhältnis“ steht weit entfernt von „Qualität“. Dies bedeutet: Der Kunde war nicht bereit, für Valensina mehr auszugeben. Er griff lieber zum Konkurrenzsaft, der eine ähn-lich hohe Qualität hatte, aber günstiger war.

Der Aufbau einer Marke

Wie entsteht eine Marke? Die Antwort auf diese Frage scheint auf den ersten Blick kom-plex zu sein. Doch beim näheren Hinsehen stellt sich heraus, dass wir diese Frage bereits be-antwortet haben. Zumindest indirekt, denn die Markenbildung ist in zwei Schritte gegliedert. Diese beiden Schritte richten sich nach den beiden Ebenen der Marke, die bereits beschrie-ben wurden. Daraus erwächst die logische Konsequenz, dass der erste Schritt der Marken-bildung die erste, wahrnehmbare Ebene der Marke betrifft. Der zweite Schritt der Markenbil-dung umfasst die Ebene der nicht-wahrnehmbaren Markenbausteine.

Grundlegend kann also festgehalten werden: Im ersten Schritt erhält eine Marke den wichtigsten Baustein aus der ersten Markenebene: den Namen. Wie wir herausgearbeitet haben, ist der Name für die Marke der wichtigste, der elementare Baustein, ohne den es kei-ne Marke gibt.

Abbildung I-48: 1. Schritt der Markenbildung

LeistungMarkierung

(Name)markierteLeistung

Jeder, der in der Markenpraxis tätig ist, kennt diesen Schritt. Bei der Entwicklung einer neuen Marke (egal ob Produkt, Dienstleistung oder Unternehmen) kommt der Namensfin-dung eine frühe und zentrale Rolle zu. Hieran ist zu erkennen, dass der Entwicklung des Na-mens eine wichtigere Rolle zufällt als der Entwicklung eines Bild-Zeichens. Ohne Namen kann kein Unternehmen gegründet, kein Produkt auf dem Markt gelauncht werden. Das Bild-Zeichen kann warten.

Der Name reicht nicht aus, um eine Marke zu entwickeln, denn in dieser Phase haben wir es mit einem benannten Produkt, einer Dienstleistung oder einem Unternehmen zu tun – also mit einer markierten Leistung. Die elementare Existenzgrundlage der ersten Marken ebene ist zwar durch die Namensgebung geschaffen, aber es fehlen die Grundlagen der zweiten, nicht-wahrnehmbaren Markenebene: das, was wir mit der Marke verbinden, assoziieren – die kognitiven und emotionalen Marken-Bausteine, die zu guter Letzt auch unser Konsumver-halten beeinflussen. Die Marke hat noch keine Seele; diese muss sich noch entwickeln. Hier greift die zweite Phase der Markenbildung:

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Abbildung I-49: 2. Schritt der Markenbildung

markierteLeistung Bedeutung Marke

In der zweiten Phase wird die markierte Leistung mit Bedeutungen „aufgeladen“. Hier er-hält sie die Bedeutungen, die Marken identifizieren und von anderen differenzieren. Was so leicht klingt, ist in der Realität ein Prozess, der viel Zeit und Energie erfordert.

Wie wir inzwischen wissen, entstehen Bedeutungen semiotisch betrachtet aus der Ver-bindung von Assoziationen. Bei der Betrachtung der Kognitiven Landkarte kommt es nun da-rauf an, diese Assoziationsverbindungen nach kausalen Ursachen-Wirkungsketten zu deu-ten. Es gilt, die Bausteine herausfinden, die die Ursache für bestimmte Assoziationen sind. Nehmen wir wieder das Beispiel „Qualität“. Wird mit „Qualität“ ein bestimmtes Material ver-bunden, so könnte die kausale Ursache hierfür beispielsweise die Beschaffenheit der Ober-fläche sein.

Abbildung I-50: Die kausale Ursache für die Assoziation „Qualität“.

Wirkung

Assoziation„Qualität“

Ursache/Wirkung

Assoziation„Material“

Ursache

Assoziation„Oberfläche“

Bedeutungen entstehen nicht aus dem Nichts, sondern haben immer eine Wurzel, eine Ursache. Diese Kausalität muss herausgefunden werden, erst dann können die strategisch einsetzbaren Bedeutungen für die weitere Vorgehensweise genutzt werden. In der Regel be-sitzt die Marke auf der zweiten Ebene mehrere dieser Ursache-Wirkungsketten.

Bedeutungen entstehen auf zwei Wegen: zum einen über Kommunikation, zum anderen aus persönlicher Erfahrung mit der Marke.

Eine gute Markenkommunikation vermittelt den Empfängern die Bedeutung bildenden Ursache-Wirkungsketten. Die vermittelte Markenbotschaft darf also nicht nur Aufmerksam-keit generieren, kreativ oder lustig sein, sondern muss in erster Linie alle Bausteine vermit-teln, die „bedeutend“ sind. Ziel ist, dass die potenziellen Kunden genau die gewünschten As-soziationen lernen.

Um die Bedeutung bildenden Ursache-Wirkungsketten wirklich zu verinnerlichen, ist die persönliche Erfahrung des Kunden mit der Marke unumgänglich. Nur durch den direkten Umgang mit der Marke kann der potenzielle Kunde feststellen, ob die durch die Kommunika-tion vermittelten Bedeutungen mit seinen Erwartungen übereinstimmen. Markenkommuni-kation hat somit immer das Ziel, den Kunden zu überzeugen, sich persönlich mit der Marke zu beschäftigen und seine eigenen Erfahrungen zu machen. Erst aus der eigenen Erfahrung mit der Marke kann eine langfristige Bedeutung wachsen. Markenkommunikation und Mar-kenerfahrung bilden somit einen Kreislauf.

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93 Tourismus und Marken |

Abbildung I-51: Der Kreislauf zwischen Markenkommunikation und Markenerfahrung

Marken-Kommunikation

Marken-Erfahrung

Bildung von Bedeutung

Marke kommt von merken. Für die Markenkommunikation bedeutet dies, dass sie die be-deutungsbildenden Assoziationen kennt und diese kontinuierlich wiederholt. Durch die kon-tinuierliche Kommunikation, also die Verbindung des Markennamens mit den Botschaften, wird die Marke langfristig mit Bedeutungen aufgeladen. Hierbei kommt der Kommunikation eine vorbereitende Rolle zu, denn sie kann nur positive Vorurteile zur Marke aufbauen. Sie leistet in dieser Phase zuallererst ein Versprechen, das dann durch die eigene Erfahrung der Kunden bestätigt und damit als Bedeutung zementiert wird. Dies bedeutet, dass die Marken-kommunikation direkt eins zu eins die Markenbausteine wiedergeben muss. Es heißt auch, dass diese Botschaften nicht übertreiben dürfen, damit der Kunde in der Phase der Marken-erfahrung nicht enttäuscht wird. Für die Markenverantwortlichen bedeutet dies, dass die ent-sprechenden Markenbausteine bekannt sein müssen. Ohne eine Analyse zu handeln, rein aus Intuition, wäre in den Zeiten der inflationären Produktflops unverantwortlich.

Das Ziel der Markenkommunikation, den Kunden dazu zu bringen, persönliche Erfahrun-gen mit der Marke zu sammeln, kann durch so genannte Incentivierungen (z. B. Probeabon-nement bei Zeitungen, Probefahrten bei Automobilen, Testverkostungen bei Lebensmitteln etc.) forciert werden.

Regel: Bedeutungen entstehen durch kontinuierliche, sich wiederholende Markenkom-munikation mit dem Ziel, dass der Kunde das Versprechen der Markenbotschaften durch eigene Markenerfahrung bestätigt sieht.

Wurde dies vom Unternehmen erfolgreich realisiert, entsteht über eine starke Kundenbin-dung eine starke Nachfrage: Dieser Nachfragesog gegenüber dem Kunden wird auch „Mar-ken-Evokation“ genannt.10 Die Marke evoziert (lat. = hervorrufen, bewirken), das heißt sie entwickelt ein beim Kunden durchsetzungsfähiges Bedeutungssystem, das zu einer hohen Loyalität gegenüber der Marke führt. Im Tourismus ist dies häufig bei Destinationen zu fin-den, wo Urlauber jedes Jahr immer an den gleichen Ort fahren. Die Destination ist als Mar-ke zu einem starken, evozierenden Bedeutungssystem geworden, das jede Alternative ver-drängt.

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94 | Das Wissen um die Marke

Bleibt die Frage, welche Art der Kommunikation, welche Maßnahme und welches Medi-um für den Bedeutungsaufbau der Marke besser oder schlechter ist? Auch diese Frage muss individuell für jede Marke beantwortet werden. Es ist ein weit verbreitetes Vorurteil in der Marketingpraxis, dass die Werbung die beste Methode ist. Zugegeben, die Werbung wird in der Regel am häufigsten für den Bedeutungsaufbau von Marken verwendet. Das ist nicht unbedingt ein Pro für diese Kommunikationsform, denn es bedeutet zwangsläufig, dass dies zu einer Reizüberflutung führt mit der Folge, dass Werbung immer weniger beachtet wird bzw. wirkt. Ein Aspekt, der bei vielen werbetreibenden Unternehmen bereits zum Umden-ken geführt hat.

Ein weiterer Aspekt ist, dass es eine Reihe von Marken gibt, die zur Bedeutungsbildung auf jegliche Werbung verzichtet haben oder diese Kommunikationsform äußerst spartanisch eingesetzt haben. Nehmen Sie folgende Beispiele aus der Markenpraxis:

Abbildung I-52: Beispiele für Marken, die zur Bedeutungsbildung fast komplett auf Werbung verzich-tet haben.

Kennen Sie Werbung von Tupperware? Das amerikanische Unternehmen hat auf Wer-bung verzichtet und seine Vertriebspolitik mit seiner Kommunikation verbunden. Tupper-ware setzt in der Distribution auf so genannte „Hausfrauen-Happenings“: Dies sind private Verkaufsveranstaltungen von Kunden, die die Nachbarschaft dazu einladen. Eine Verkaufs-person von Tupperware ist nur beratend dabei. Die Wirkung ist phänomenal, denn durch die Ausrichtung dieser Happenings durch einen Kunden erlangt die Marke eine vollkommen an-dere, tiefer gehende Glaubwürdigkeit, als wenn die Party von Tupperware direkt veranstaltet werden würde. Dieser Vertriebsweg ist zugleich die Kommunikation, die durch persönliche Empfehlung erfolgt. Damit wird, anders als bei massenkommunikativen Kommunikations-formen wie Werbung, zwar keine große Quantität erreicht, dafür aber eine unvergleichliche Qualität. Bei diesen Happenings wird die Marke mit ausreichend positiven Bedeutungen auf-geladen, weil die persönliche Erfahrung im Umgang mit ihr direkt zu Hause stattfindet.

Auch Marken wie Body Shop oder Starbucks haben weitestgehend auf Werbung verzich-tet und sind trotzdem erfolgreich. Dies funktionert am ehesten dann, wenn die neuen Pro-dukte auch über ausreichend starke Differenzierungsmerkmale verfügen, wie bei Body Shop (Kosmetik ohne Tierversuche) und Starbucks (Coffee to go). Auch eine Marke wie der Online-Auktionär eBay hat erst sehr spät, als der Markenstatus bereits erreicht war, mit Werbung an-gefangen. Die erfolgreiche Werbekampagne „drei, zwei, eins ... meins“ von eBay hatte nicht das Ziel, die Marke aufzubauen, sondern noch mehr Kunden von der Marke zu überzeugen und damit die Marktführerschaft auszubauen und zu stärken.

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95 Tourismus und Marken |

Fazit:

Marken sind nicht unbedingt auf Werbung angewiesen. Werbung ist für die Marke kein Muss. Werbeagenturen, die Markenanalysen durchführen, sind daher meistens befangen. Denn das Ergebnis einer Markenanalyse könnte ja auch sein, komplett auf Werbung zu verzichten und beispielsweise den Bedeutungsaufbau einer Marke über andere Medien zu erreichen (z. B. über Online-Marketing, Hausfrauenparties, Public Relations etc.) oder über die Vertriebspolitik und damit komplett auf oftmals teure Werbung zu verzichten (siehe die Marke Tupperware).

Regel: Werbung ist keine Notwendigkeit, um eine Marke zu bilden. Die Marke ist auf Kommunikation angewiesen, was ebenfalls andere Kommunikationsformen mit einschließt.

Was ist eine Marke?

Da wir nun wissen, woraus eine Marke besteht (zwei Ebenen der Marke) und wie eine Marke entsteht (zwei Schritte zur Markenbildung) fällt die Definition der Marke leichter.

Zuerst gilt es, die beiden Ebenen der Marke nacheinander zu erschaffen, also die wahr-nehmbaren Bausteine zu definieren und dann durch Kommunikation die Bedeutungen zu bil-den. Vier Kriterien sind hierbei relevant – dies sind:

Differenzierung: Wahrnehmbare und nicht-wahrnehmbare Bausteine müssen sich von Y

Bausteinen der Wettbewerbsmarken erkennbar unterscheiden. Prägnanz: Alle Bausteine müssen in knapper Form die Botschaften treffend darstellen. Y

Langfristigkeit: Alle Bausteine müssen über mehrere Jahre in der Kommunikation einge- Y

setzt werden. Kontinuität: Die Bausteine dürfen nicht verändert werden, sondern sollten sich in Form Y

und Inhalt wiederholen.

Diese vier Kriterien gelten für beide Ebenen der Marke. Name, Bild-Zeichen, Farbe, aber auch emotionale und kognitive Assoziationen müssen differenzierend, prägnant, langfristig und kontinuierlich eingesetzt werden. Ist dies gegeben, steht der Markenbildung nichts im Weg. Daraus kann die Definition der Marke abgeleitet werden.

Definition der Marke:

Die Marke ist ein differenzierendes Zeichen, das für eine Leistung steht und auf Kontinuität aufgebaute Botschaften langfristig erfolgreich an die Kunden kommuniziert.

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96 | Das Wissen um die Marke

Das differenzierende Zeichen ist primär der Name; in der Regel gehören dazu ebenfalls die anderen wahrnehmbaren Markenbausteine wie Bild-Zeichen, Farbe, Design etc. Diese Zeichen markieren die Leistung (Produkt, Dienstleistung oder Unternehmen).

Die Marke wird dadurch gekennzeichnet, dass innerhalb eines Kommunikationsprozesses auf Kontinuität aufgebaute Botschaften erfolgreich an die Kunden kommuniziert werden.

Warum erfolgreich? Weil es keine erfolglosen Marken gibt! Nicht alle markierten Leistun-gen werden erfolgreich mit Bedeutungen aufgeladen. Erst wenn die markierte Leistung er-folgreich aufgeladen wurde, kann sie sich gegenüber anderen markierten Leistungen durch-setzen und am Markt bestehen. Marken funktionieren nach dem Prinzip des ökonomischen Darwinismus – nur die Besten überleben. Dieser Marken-Darwinismus bedeutet, dass nur die Marken auf dem Markt überleben werden, die über starke Bedeutungen verfügen. Er-folgreiche Kommunikation bedeutet, dass die Marke immer zielorientiert kommuniziert wird, d. h. dass die Kommunikation der Marke immer ein vom Unternehmen (Sender) vorgegebe-nes Ziel erfüllen muss. Dies kann ein wachstumsorientiertes Ziel sein (z. B. Gewinnerhöhung oder Steigerung des Marktanteils) oder auch ein qualitatives (z. B. Aufladen der Marke mit be-stimmten Bedeutungen). Marken können eine Zeit lang erfolglos sein bzw. eine Schwäche-phase haben, doch kraft ihrer starken Bedeutungen, also der engen Verbindungen von As-soziationen, können diese Marken Krisen besser und effizienter meistern. Ein Beispiel ist die Einführung der A-Klasse von Mercedes-Benz im Jahre 1997.

Abbildung I-53: Elchtest-Anzeige von Mercedes-Benz / A-Klasse

Durch einen Fahrtest, den so genannten „Elchtest“, wurde festgestellt, dass das Auto bei einigen Manövern umkippen könnte. Für die Marke Mercedes-Benz, die unter anderem mit Sicherheit assoziiert wird, war dies fatal. Die Geschäftsleitung reagierte schnell und konse-quent. Nachträglich wurden alle A-Klasse-Fahrzeuge mit dem elektronischen Stabilitätspro-gramm (ESP) ausgerüstet. Parallel wurde das Problem offensiv in der Kommunikation darge-stellt – mit einem Schuss Selbstironie. Das Problem wurde damit gelöst; die A-Klasse wurde ein Erfolg, denn die Kunden verbanden mit der Marke Mercedes-Benz starke Bedeutungen, die bereits seit Generationen kontinuierlich aufgebaut wurden und nicht ohne weiteres zer-stört werden konnten.

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97 Tourismus und Marken |

Wie stark Bedeutungen einer Marke sein können, zeigt ein anderes Beispiel. Eine starke Marke kann sich ebenfalls vom Unternehmen loslösen und ohne das Unternehmen weiter-existieren – ein Beispiel ist die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft, kurz AEG genannt, die 1883 ihren Anfang nahm. Das Unternehmen AEG wurde 1996 vom damaligen Mutterkon-zern Daimler-Benz AG abgewickelt, doch die Marke existiert erfolgreich weiter.

Abbildung I-54: Die Marke AEG hat ihr Gründungsunternehmen überlebt

Wer beispielsweise einen AEG-Staubsauger kauft, erwirbt tatsächlich ein Produkt der schwedischen Firma Electrolux. Electrolux hat 2004 die Lizenz für die globale Nutzung der Marke AEG für einige Sparten von einer Verwertungsgesellschaft erworben. Den Kunden stört dies nicht; AEG steht als Marke immer noch für positive Assoziationen. Fazit: Marken können also auch ihre eigenen Gründungsunternehmen überleben und erfolgreich weiter-existieren.

Das Prinzip des Marken-Hauses

Da es schwierig ist, die Markenidentität zu definieren, ist grundsätzlich eine Metapher hilfreich. Wie wir wissen, ist die Marke ein Phänomen, das bereits durch viele Vergleiche be-schrieben wird. So wird die Marke häufig als Persönlichkeit dargestellt. Mit seinen Arbeiten u. a. für die Marken Siemens und Reemtsma gehört der Markenpionier Hans Domizlaff (1892 bis 1971) zu den wichtigsten Begründern der Markenforschung. Mit seiner Aussage „die Marke hat ein Gesicht wie ein Mensch“11 prägte er den Vergleich zwischen Mensch und Mar-ke. So nahe liegend dieser Vergleich ist, so schwierig ist er auch. Bei einer Metapher geht es in erster Linie darum, Dinge zu vereinfachen. Nun ist es ja so, dass der Mensch an sich nicht gerade einfach zu erklären ist. Den „Menschen“ in einem Satz kurz und prägnant zu erfas-sen, ist eine Herausforderung. Daher ist dieser Vergleich nicht optimal; vielmehr geht es da-rum, eine Metapher zu finden, die die Marke treffend und einfach auf den Punkt beschreibt. Hier bietet sich das Bild eines Hauses an.

Warum ein Haus? Das Haus besteht aus wahrnehmbaren Elementen (Dach, Außenwän-de etc.) und von außen nicht-wahrnehmbaren Elementen (z. B. Räume, Fundament, Keller). Zudem ist ein Haus überall und jedermann bekannt – unter einem Haus kann sich jeder et-was vorstellen, egal welchem Kulturkreis er entstammt.

Die Parallelen sind offensichtlich: Um ein Haus zu bauen, wird Zeit benötigt. Zudem kom-men bei einem Hausbau, wie bei einer Marke, verschiedene Gewerke, also Disziplinen, zu-sammen.

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98 | Das Wissen um die Marke

Abbildung I-55: Das Marken-Haus als Metapher, um die Marke plastisch darzustellen

Das Bild eines Hauses beschreibt die Markenidentität treffend. Das Marken-Haus gliedert sich in drei Teile:

das Marken-Dach (dieses steht für alle wahrnehmbaren Markenbausteine) Y

die Marken-Räume (diese stehen für alle nicht-wahrnehmbaren Markenbausteine) Y

das Marken-Fundament (der Markenkern in Form der Kognitiven Landkarte) Y

Die dritte Ebene, das Marken-Fundament, ist eine Weiterentwicklung des Marken-Hau-ses von der ersten Veröffentlichung im Jahr 2004.12 Das Marken-Fundament ist eine Zusam-menfassung aller Kernergebnisse der Marke in Form der Kognitiven Landkarte, die bereits vorgestellt wurde. Somit wird dem Betrachter schnell und überschaubar verdeutlicht, welche Kern-Assoziationen für die Marke stehen und wie diese miteinander vernetzt sind. Auf diesem Fundament steht sinnbildlich das Marken-Haus.

Regel: Das Marken-Haus besteht aus drei Ebenen: einer wahrnehmbaren und einer nicht-wahrnehmbaren Ebene sowie dem Marken-Fundament.

Das wahrnehmbare Marken-Dach kann wiederum unterteilt werden in:

Abbildung I-56: Dach mit Name, Logo, Farbe etc.

Marken-Prägnanz

Marken-Einzigartigheit

Das Marken-Dach

Page 98: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

99 Tourismus und Marken |

Die nicht-wahrnehmbaren Marken-Räume werden unterteilt in:

Abbildung I-57: Marken-Räume aufgeteilt nach vier Hauptmerkmalen von emotionalen und kognitiven Bausteinen

Marken-Vertrauen

Marken-Loyalität

Marken-Sympathie

Marken-Nutzen

Die Marken-Räume

Auch hier trifft die Metapher auf die Marke zu, denn beide Ebenen gehören untrennbar zusammen – ein Haus ohne Dach oder Räume ist nicht vorstellbar. Kein Architekt, kein Bau-meister würde ein Haus und Räume ohne ein Dach konstruieren. Ein schützendes Dach in Form eines guten Markennamens ist die Voraussetzung, der Schutz für eine Marke. Somit findet sich die semiotische Sicht der Marke in den Ebenen des Marken-Hauses wieder.

Die einzelnen Elemente, die das Marken-Haus bilden (Name, Logo, Farbe, emotionale und kognitive Assoziationen etc.) werden als „Bausteine“ der Marke bezeichnet. Alle einzel-nen Bausteine bilden zusammen das Marken-Haus. Die Bausteine können zwar einzeln ana-lysiert und betrachtet werden, aber erst als gemeinsame Struktur ergeben sie ein schlüssiges Bild in Form des Marken-Hauses.

Bei der Betrachtung der Markenidentität können die Ebenen einzeln analysiert werden; doch erst die Addition aller einzelnen Ebenen zu einem Gesamtbild zeigt, ob wir es hier mit einer Marke zu tun haben bzw. wie stark diese Marke ist. Aus den Analyseergebnissen, die im Marken-Haus dargestellt werden, sind die Stärken und Schwächen sowie das Potenzial der Marke ablesbar. Wie sieht dies im Einzelnen aus?

Auf der Ebene des Marken-Daches wird die Prägnanz aller wahrnehmbaren Bausteine der Marke untersucht – so zum Beispiel:

Bekanntheit und Prägnanz des Markennamens (z. B. Lufthansa + damit in Verbindung Y

stehende Namen wie Miles & More, Star Alliance etc.). Bekanntheit und Prägnanz des Wort-Bild-Zeichens (z. B. „der Kranich“). Y

Bekanntheit und Prägnanz der Farbe (z. B. Blau und Gelb). Y

Bekanntheit und Prägnanz weiterer wahrnehmbarer Markenbausteine (z. B. Slogans wie Y

„There is no better way to fly“).

Um bei einer Markenanalyse die kognitiven und emotionalen Assoziationen sortieren zu können, wurden vier Marken-Räume definiert. Dies sind:

Markeneinzigartigkeit (Wie einzigartig sind spezielle Bausteine der Marke?) Y

Markennutzen (Welchen Nutzen bieten einzelne Bausteine der Marke?) Y

Markenvertrauen (Welche Bausteine sind besonders vertrauensbildend?) Y

Markenloyalität (Welche Bausteine dienen der stärkeren Bindung von Kunden?) Y

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100 | Das Wissen um die Marke

Entscheidend ist, dass alle Ergebnisse der Markenanalyse als nachvollziehbare Werte dar-gestellt werden (Benchmarks). Nur so kann langfristig überprüft werden, ob Markenstrategie und Maßnahmen zu einer Verhaltensänderung der Kunden geführt haben.

Werden diese Fragen innerhalb einer Analyse beantwortet, kann ein komplettes Marken-Haus mit all seinen Facetten dargestellt werden.

Um für die Markenstrategie die entscheidenden Ergebnisse herauszuarbeiten, müssen die Ergebnisse aus dem Marken-Haus noch einmal verdichtet werden. Diese Kernergebnis-se werden im so genannten „Marken-Schlüssel“ dargestellt. Der Marken-Schlüssel zeigt, wie die Marke zukünftig geführt werden muss, indem er auf einen Blick das Potenzial der Mar-ke zusammenfasst.

Abbildung I-58: Der Marken-Schlüssel fasst die Kernergebnisse übersichtlich zusammen

Der Marken-Schlüssel ist der Zugang zum Marken-Haus, denn mit Hilfe des Schlüs-sels kann die Markenstrategie entwickelt werden. Dabei werden im linken Bereich des Mar-ken-Schlüssels zum einen die wichtigsten Assoziationscluster aus der Kognitiven Landkar-te dargestellt. Im rechten Teil (der so genannten „Barte“) des Marken-Schlüssels werden die wichtigsten Ergebnisse als Stärken und Schwächen veranschaulicht. So werden alle „bedeu-tenden“ Ergebnisse komprimiert und anschaulich visualisiert.

Abbildung I-59: Der Marken-Schlüssel zum Marken-Haus

BRAND FOUNDATION INDEX

BRAND ROOM INDEX

BRAND ROOF INDEX

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101 Tourismus und Marken |

Marke und Identität

Welche Zielgruppen sollten nun eigentlich analysiert werden? Aus welchen Säulen setzt sich das Marken-Haus zusammen? Bei der Analyse von Marken bzw. bei der Entwicklung von Strategien ist häufig das Vorurteil zu sehen, dass nur die Kunden bzw. die potenziellen Kunden befragt werden müssen. Das ist ein Irrtum! Eine rein externe Analyse würde die Mar-ke nicht korrekt darstellen, denn die eigentliche Markenkompetenz liegt im Unternehmen. Gemäß des bereits dargestellten Kommunikationsprozesses ist es der Sender, der aktiv die Marke gestaltet. Der Sender hat die Idee; er entwickelt das Marken-Dach und gestaltet die Marken-Räume. Dies geschieht natürlich in Wechselwirkung mit den Empfängern, doch der Sender darf mit seinem Wissen bei der Analyse einer Marke nicht vernachlässigt werden.

Es ist unumgänglich, nicht nur die Empfänger (z. B. Kunden) zu analysieren, sondern im ersten Schritt die Menschen im Unternehmen zu betrachten, die über die Marke entschei-den.13 In der Regel sind die Markenverantwortlichen im Unternehmen auf der Ebene des Ma-nagements zu finden. Aus Erfahrung ist aber zu empfehlen, weitere Bereiche und Abteilun-gen in die Analyse einzubinden, die tagtäglich mit der Marke arbeiten und Kontakt mit den Kunden haben (z. B. der Vertrieb). Das Ergebnis sind ein Selbstbild (interne Sicht auf die Mar-ke) und ein Fremdbild (externe Sicht) der Marke.

Abbildung I-60: Selbstbild und Fremdbild überschneiden sich nicht. Eine Markenidentität kann sich nicht entwickeln.

Selbstbild(des Unternehmens)

Fremdbild(des Kunden)

Das Unternehmen kann nur dann erfolgreich mit den Zielgruppen kommunizieren, wenn es die richtigen Botschaften vermittelt. Es ist also wichtig, dass das Unternehmen eine mög-lichst analoge Sicht zur Marke hat wie die Zielgruppen. Ist dies nicht der Fall, wird der Kom-munikationsprozess gestört – das Unternehmen kommuniziert an der Zielgruppe vorbei. Die Marke kann sich nicht entwickeln; sie erhält keine eigene Identität.

Regel: Die Marke entsteht nicht allein in den Köpfen der Verbraucher, sondern aus der Verbindung von Selbstbild (Unternehmenssicht) und Fremdbild (Kundensicht).

Erst aus der Überschneidung von Selbst- und Fremdbild ergibt sich die Markenidentität. Je größer die Schnittmenge, desto stärker ist die Identität der Marke.

Page 101: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

102 | Das Wissen um die Marke

Abbildung I-61: Selbst- und Fremdbild überschneiden sich. Eine Markenidentität ist vorhanden.

Selbstbild (Unternehmen)

Marken-identität

Fremdbild (Kunde)

Diese Sicht auf die Marke verdeutlicht dem Management, ob das interne Bild der Mar-ke noch mit dem externen Bild übereinstimmt. Die Analyse der Markenidentität ist auch ein probates Mittel gegen eine in der Praxis häufig anzutreffende blauäugige Sicht im Unterneh-men („wir wissen, wie unsere Marke funktioniert“ oder „dies haben wir schon immer so ge-macht“). Für die Entwicklung des Marken-Hauses bedeutet dies, dass es nicht ausreicht, nur die Kunden zur Marke frei und ohne Vorgaben assoziieren zu lassen. Die Anwendung des Freelistings beim Management bringt nicht nur das interne Markenbild zu Tage, sondern sorgt auch immer wieder für überraschende Ergebnisse. Dies gilt ebenso für die Analyse des Marken-Daches sowie der Marken-Räume; das Selbstbild aus der Sicht des Unternehmens stimmt in den seltensten Fällen mit dem Fremdbild der Zielgruppen überein. Doch für die Identität einer Marke ist eine größtmögliche Überlappung entscheidend. Denn erst der Grad der Übereinstimmung zeigt, welche Kraft in der Marke steckt.

Regel: Die Identität einer Marke entsteht aus der Schnittmenge der gemeinsamen Asso-ziationen von Selbstbild (des Unternehmens) und Fremdbild (der Kunden).

Anhand des Schaubildes kann ebenfalls veranschaulicht werden, was das Image einer Marke ist. Ein Begriff, der im Marketing gern inflationär verwendet wird und dessen Bedeu-tung nicht immer allen ganz klar ist. Denn das Image wird gern mit „Bild“, „Vorstellungen“, „Reputation“ etc. gleichgesetzt. Dabei ist häufig das Vorurteil zu finden, dass die Marke ein Image hat. Die Psychologie misst jedoch bei Images die Einstellungen, die Kunden zu einer Marke haben (beispielsweise über ein Polaritätenprofil). Dies bedeutet zum einen, dass nicht die Marke ein Image hat, sondern die Kunden haben Images bzw. Einstellungen zur Marke. Zum anderen bedeutet es, dass das Image immer nur einen Teilbereich der Markenidentität ausmacht. Die Markenidentität ist die Ganzheit aller gemeinsamen Assoziationen, die das Un-ternehmen und die Kunden zur Marke haben.

Regel: Das Image zu einer Marke ist nur ein Bruchteil der Markenidentität. Beide Begriffe dürfen nicht synonym verwendet werden.

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103 Tourismus und Marken |

Die Marken-Checkliste

Nachdem nun die Marke definiert und anschaulich in Form einer Metapher (Marken-Haus und -Schlüssel) dargestellt wurde, stellt sich als nächstes die Frage, wie wir erkennen, ob eine Marke vorliegt. Dies ist ein schwieriges Unterfangen, denn jede Marke muss individu-ell betrachtet werden. Hilfreich ist eine Checkliste, die ausgehend von der Definition und der Metapher des Marken-Hauses die wichtigsten Bausteine der Marke hinterfragt.

Um einen Markenstatus zu erkennen, dient die folgende Checkliste als erste Hilfe.

Marken-Checkliste

Name: Existiert ein guter, prägnanter Markenname?

Bild-Zeichen: Liegen andere wahrnehmbare Zeichen vor?

Differenzierende Zeichen:Liegen weitere differenzierende Zeichen auf der wahrnehmbaren Ebene vor?

Bekanntheit: Ist die Marke grundsätzlich bekannt?

Leistung: Steht die Marke für ein Produkt oder für eine Dienstleistung?

Alter: Ist die Marke mehr als zehn Jahre alt?

Langfristiger Erfolg: Ist die Marke über eine lange Zeit erfolgreich?

Kontinuität: Hat sich die Marke kontinuierlich weiterentwickelt?

Klare Botschaft: Ist die Botschaft der Marke eindeutig, prägnant und homogen?

Positive Assoziationen: Steht die Marke mehrheitlich für positive Assoziationen?

Zunächst wird überprüft, ob die Grundvoraussetzung für den Markenstatus durch den Namen gegeben ist. Es muss ein Name sein, der juristisch schutzfähig ist und somit bei ei-nem Markenamt eingetragen werden kann. Hauptkriterium ist die Unterscheidungskraft ge-genüber Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen. So sind beispielsweise rein beschreibende, allgemeine oder hoheitliche Namen (z. B. Alpen, Ostsee, Berlin) nicht als Markennamen schutzfähig.

Der zweite Punkt hinterfragt, ob es neben dem Namen noch andere wahrnehmbare Bau-steine aus der ersten Markenebene gibt – also Bild-Zeichen, Farbe, Design etc. Zwar könnte eine Marke auch ohne andere wahrnehmbare Bausteine als den Namen auskommen, doch in der Praxis ist dies äußerst selten der Fall. In der Regel verfügt eine Marke neben dem Na-men über weitere wahrnehmbare Bausteine.

Beim dritten Kriterium wird mit der Differenzierung eine Voraussetzung abgefragt, die auf alle wahrnehmbaren Markenbausteine zutrifft.

Die Bekanntheit ist ebenfalls eine Voraussetzung. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Marke allgemein, also jedem, bekannt sein muss, sondern nur bei den anvisierten Zielgrup-pen in den vom Unternehmen definierten Märkten. So existieren zahlreiche regionale oder lokale Marken, die außerhalb ihres Einzuggebietes keinem bekannt sind, aber trotzdem den Status einer Marke genießen.

Page 103: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

104 | Das Wissen um die Marke

Die Frage nach der Leistung bezieht sich auf ein Produkt bzw. eine Dienstleistung und hat den Hintergrund, dass es viele Zeichen (Name, Bild-Zeichen etc.) gibt, die sich von ande-ren Zeichen differenzieren und eine hohe Bekanntheit genießen, aber für keine konkrete Leis-tung stehen. So sind beispielsweise Verkehrsschilder Zeichen, auf die die ersten vier Kriterien der Checkliste zutreffen (ein Vorfahrtsschild ist auch bekannt und differenzierend), doch sie stehen für kein Produkt und für keine Dienstleistung. Die Bezeichnung Produkt oder Dienst-leistung muss nicht immer auf rein typische Wirtschaftsgüter bezogen sein, sondern kann durchaus auch weiter gefasst werden. So kann auch eine Person wie Madonna hierunter subsummiert werden, denn auch sie verkauft mit ihrer Musik eine erfolgreiche Leistung.

Das nächste Kriterium betrifft das Alter der Marke. Aus beiden Stufen der Markenbildung wissen wir, dass die Bedeutungsbildung nicht kurzfristig erfolgt. Für die Bildung einer Marke sind mindestens fünf, in der Regel sogar zehn Jahre zu veranschlagen. Bedeutungen müs-sen nicht nur kommuniziert und gelernt, sondern auch durch die Kunden erfahren werden (z. B. durch Kauf oder Konsum). Durch permanente Wiederholung der Marken-Botschaften wird die Marke mit positiven Bedeutungen aufgeladen, die sich dann durch eigene, indivi-duelle Erfahrung im Bewusstsein der Kunden festsetzen. Dies ist ein verhaltenspsychologi-scher Prozess, der durch Wiederholung und Kontinuität der Botschaften entsteht. Bis eine er-kennbare Menge der Zielgruppe zu regelmäßigen Kunden der Marke geworden ist, vergehen mehrere Jahre. Daher ist die Markenbildung immer ein strategisches, also mittel- bis langfris-tiges Unterfangen.

Werden diese Kriterien berücksichtigt, steht dem langfristigen Erfolg, nämlich der Durch-setzungskraft der Marke, nichts mehr im Weg. Ist das markierte Produkt oder die Dienstleis-tung nach zehn Jahren immer noch nicht erfolgreich bzw. wurden die vom Unternehmen definierten Ziele nicht erreicht, kann nicht von einer erfolgreichen Markenbildung gespro-chen werden.

Die kontinuierliche Entwicklung bezieht sich auf alle Bausteine der Marke, egal ob diese von der ersten oder zweiten Markenebene kommen. Kontinuität ist essentiell, denn die lang-fristige Verknüpfung von Assoziationen zu Bedeutungen funktioniert ausschließlich durch die Wiederholung der vermittelten Assoziationen, die in Form und Inhalt immer aufeinander auf-bauen müssen. Dies wiederum bedeutet, dass die vermittelten Markenbotschaften niemals radikal verändert werden dürfen, um z. B. die Aufmerksamkeit zu erhöhen. So ist beim Wech-sel der Werbeagentur häufig zu beobachten, dass diese den Ehrgeiz mitbringt, eine neue, „kreative“ Werbekampagne zu entwickeln, die sich bewusst von der alten unterscheidet. Bei Markenwerbung geht es nicht primär um Kreativität, sondern um die kontinuierliche und sich wiederholende Vermittlung der einmal definierten Markenbausteine.

Ein Beispiel, bei dem die Werbung durch einen radikalen Wechsel der kreativen Leitidee die Marke zerstörte, ist Camel. Jahrelang warb Camel mit dem Slogan „Ich gehe meilenweit für meine Camel“. Gezeigt wurde ein „Dschungel-Mann“, der sprichwörtlich meilenweit lief, um sich am Ende des Tages mit einer Camel-Zigarette zu belohnen. In den 80er Jahren än-derte Camel urplötzlich und ohne erkennbaren Grund seine Werbekampagne. Auf einmal wurden Kamelplüschtiere in humorvollen Situationen gezeigt. Diese Spots und Anzeigen wa-ren humorvoller und auch kreativer als die alte Kampagne. Doch der Bruch war radikal. Sie hatten mit den gelernten Bedeutungen der Marke nichts mehr zu tun. Der bisherige Camel-Kunde sah sich durch die Werbung nicht mehr angesprochen. Der Marktanteil der Marke

Page 104: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

105 Tourismus und Marken |

sank so radikal, dass die R.J. Reynolds Tobacco Company 1999 die internationalen Vertriebs-rechte der Marke an die Japan Tobacco veräußerte.

Die letzten beiden Punkte auf der Checkliste betreffen die klare Botschaft. Hiermit ist die Prägnanz sowie die Vermittlung von positiven Assoziationen gemeint – dies ist selbsterklä-rend. Um eine Marke mit Bedeutungen aufzuladen, ist es nicht Ziel führend, wenn die ver-mittelten Botschaften kompliziert und unscharf formuliert sind. Hier gilt das Prinzip, dass oft „weniger mehr“ ist. Oder anders: Einfache und treffend formulierte Botschaften sind eine Vo-raussetzung für die Bedeutungsbildung. Von seiner Herkunft bedeutet das Wort „prägnant“ auch „schwanger“, was für unsere Zwecke mit „inhaltsschwanger“ treffend wiedergegeben werden kann.

Klare und prägnante Botschaften bedeuten, dass diese besser und schneller von den Empfängern wahrgenommen und gelernt werden. Insbesondere im visuellen Bereich, aber auch bei sprachlichen Inhalten (Markennamen, Markenslogans etc.) kommt es darauf an, schnell und effektiv wahrgenommen zu werden. Zum Verständnis der ganzheitlichen Wahr-nehmung sind die Gesetze der Gestaltpsychologie hilfreich, die Ende des 20. Jahrhunderts von Christian von Ehrenfels entwickelt wurden. Für die Marke sind diese Gestaltgesetze ent-scheidend, denn Basisgedanke ist, dass alles Erkennen ein Wiedererkennen mit Hilfe von Ge-staltvergleichen und -beurteilen ist14. Die folgenden beispielhaften Gestaltgesetze verdeutli-chen, wie ganzheitliche Wahrnehmung funktioniert.

Abbildung I-62: Gestaltgesetze

Gesetz der Ähnlichkeit

Gesetz der Geschlossenheit

Gesetz der Nähe

BC

DAGesetz der fortgesetzten Linie

Quelle: Paul Roemer

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106 | Das Wissen um die Marke

Das Prinzip der Gestaltgesetze ist direkt auf die Marke übertragbar – insbesondere auf der Ebene des Marken-Daches. Gerade bei der Gestaltung von Bild-Zeichen zeigt sich, ob diese prägnant sind oder nicht. Die Überprüfung erfolgt bei der Verkleinerung von Bild-Zeichen – hier ein Beispiel:

Abbildung I-63: Ob Bild-Zeichen prägnant sind, zeigt sich in der Verkleinerung.

Quelle: http://www8.thomascook.de/tc/index.jsp

Auf dieser Online-Seite ist gut zu sehen, welche Bild-Zeichen noch erkennbar sind und welche durch die Verkleinerung bzw. Digitalisierung (Darstellung in 72 dpi) ihre klare Form verlieren. So ist beispielsweise das Wort-Bild-Zeichen von alltours gut erkennbar; auch ITS und Öger Tours sind prägnant. Dagegen sind die Weltkugel mit dem Schriftzug von Thomas Cook und der Schriftzug von Neckermann innerhalb des Bild-Zeichens nicht mehr erkennbar. Das Bild-Zeichen verliert seine Funktionen der Identifikation und Differenzierung.

Die Gestaltgesetze betreffen nicht nur die wahrnehmbaren Bausteine (also beispielsweise die visuelle Gestaltung), sondern auch die nicht-wahrnehmbaren Botschaften, die in Bezug auf den Inhalt ebenfalls prägnant sein müssen und im Rahmen der Marken-Kommunikation vermittelt werden. Erfolgreiche Marken sind somit immer Markengestalten, also Marken, die auf einer guten Gestaltung nach den Prinzipien der ganzheitlichen Wahrnehmung beruhen.

Der Marken-Baum: Geschichte als Basis der Marke

Wie wir wissen, benötigt der Aufbau einer Marke innerhalb eines stetigen Kommunikati-onsprozesses viel Zeit. Es ist eine langfristige Aufgabe, die viel Geduld erfordert. Diese Zeit-spanne hängt mit dem nachhaltigen Aufbau der Markenidentität zusammen, die die Marke durch sich ständig wiederholende Botschaften mit identitätsstiftenden Bedeutungen auflädt.

Im Umkehrschluss bedeutet diese zeitliche Dimension der Marke, dass die Geschichte der Marke eine nicht wegzudenkende Basis für die Analyse der Markenidentität ist. Oder an-ders: Die Geschichte der Marke bildet die Basis für die entscheidenden Bausteine der Mar-kenidentität.

Page 106: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

107 Tourismus und Marken |

Für die Historie der Marke existiert eine nachvollziehbare Metapher: der Baum. Denn ähn-lich wie bei einem Baum erlangt die Marke durch stetige Kommunikation Jahr für Jahr an Stärke. Je älter eine Marke, desto stärker ist der identitätsstiftende Stamm.

Abbildung I-64: Der Marken-Baum verdeutlicht die Tradition der Marke

Marken-Baum

Marken-Management

Marken-Aufbau

Dachmarke

Familienmarke

Einzelmarken

Die Wurzeln der Marke bilden die initialen Botschaften, die von Beginn an konsequent eingesetzt wurden. Aus den vielen Wurzeln wird dann zu guter Letzt ein starker Stamm, also eine starke Marke, die auch Krisen und Veränderungen standhält. Der Stamm der Marke ist im übertragenen Sinn die Dachmarke, die sich dann im oberen Bereich des Baumes in Fa-milien- und Einzelmarken aufteilt. Diese Metapher hilft bei der Entwicklung von Markenar-chitekturen. Sie zeigt, dass eine Verästelung in verschiedene Submarken nur dann möglich ist, wenn der Markenstamm stark genug ist. Eine zu schnelle Entwicklung von Submarken, also eine so genannte Markendehnung, kann nur dann funktionieren, wenn die Stamm-Mar-ke sich erfolgreich etabliert hat.

Wie erwähnt, ist die Geschichte einer Marke die Basis für die Markenidentität. Die histo-risch begründete Markenidentität ist ein kollektives Gedächtnis. Insbesondere die erfolgrei-chen Phasen der Markengeschichte müssen genau analysiert und die entsprechenden Bau-steine erkannt werden. Zwei Beispiele machen dies deutlich: Citroën und Volvo.

Page 107: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

108 | Das Wissen um die Marke

Abbildung I-65: Der Klassiker „Citroën DS“ und der Moderne „Citroën C6“

Quelle: www.citroen-presse.de

Abbildung I-79: Der Klassiker „Volvo 1800“ und der Moderne „Volvo C30“

Quelle: www.volvocars-presse.de

Beide Marken haben alte und damals erfolgreiche Modelle wieder aufleben lassen. Die Anlehnung an die Formen des Citroën DS ( auch „La Déesse – Die Göttin“ genannt) aus den 50er Jahren sowie des Volvo 1800 ES (auch „Schneewittchensarg“ genannt) aus den 70er Jahren sind bei den neuen Modellen der Marken erkennbar. Es sind zwar komplett neue Au-tos entwickelt worden, aber die alten Erfolgsmodelle standen Pate. Auch der 1998 einge-führte New Beetle der Marke Volkswagen ist die Fortsetzung des legendären VW Käfers. Der Baustein „Design“ wurde aus der Markengeschichte erfolgreich in die Gegenwart übersetzt.

Die Markenkategorien

In der Literatur finden sich viele Kategorien von Marken. Je nach Sichtweise können Mar-ken nach der Form (materielle Produkt- oder immaterielle Dienstleistungsmarken), nach der Herkunft (Hersteller- oder Handelsmarken), nach Zielgruppen (Marken an Endkunden oder an Betriebe) oder nach Regionen (regionale, nationale, internationale oder globale Marken) differenziert werden. Wirklich hilfreich sind diese Differenzierungen nicht, da es dem Kunden in der Regel egal ist, ob es sich um eine Hersteller- oder Handelsmarke handelt, auch die Un-terscheidung, ob Dienstleistungsmarke oder Produktmarke, ist für den Konsumenten irrele-vant. Die Grundprinzipien der Marke sind überall gleich. Grundsätzlich lassen sich Marken in drei Kategorien einteilen:

Page 108: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

109 Tourismus und Marken |

Abbildung I-66: Die Marken-Kategorien lassen sich in Form einer Pyramide darstellen

Dachmarke

Familienmarke

Einzelmarke

Die Einzelmarke bedeutet, dass ein Name für ausschließlich eine direkte Leistung steht (ein Produkt, eine Dienstleistung, ein Unternehmen etc.).

1 Name 1 Leistung

Die Formel ist: Ein Name ist gleich einer Marke. Im Prinzip fängt jede Geschichte einer Marke mit der Einzelmarke an; sie ist der Beginn der Markenentwicklung. Ein Beispiel für Ein-zelmarken ist Jägermeister; hier gibt es nur das eine Getränk unter dem Namen.

Die Unterschiede zwischen Einzel-, Familien- und Dachmarken können anhand der Mar-ke Nivea dargestellt werden. So gab es am Anfang der Marke Nivea die blaue Cremedose.

Abbildung I-67: Cremedose als Ursprung der Marke Nivea

Quelle: Adjouri Brand Consultants

Die Nivea-Cremedose ist ein typisches Beispiel für eine Einzelmarke. Sie war der Anfang der Erfolgsgeschichte der Marke. Inzwischen ist aus der Einzelmarke Nivea eine Familien-marke geworden, die verschiedene artverwandte Produkte unter dem gleichen Namen ver-bindet.

Die Familienmarke zeichnet sich dadurch aus, dass unter dem gleichen Namen verschie-dene Produkte existieren. Entscheidend ist, dass die Produkte artverwandt sind, das heißt, sie bieten ähnliche oder gleiche Leistungen an (z. B. Körperpflege).

Page 109: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

110 | Das Wissen um die Marke

Die Dachmarke unterscheidet sich von der Familienmarke dadurch, dass eine Verwandt-schaft nicht direkt erkennbar ist. So ist bei Nivea die Dachmarke Beiersdorf.

Abbildung I-68: Die Dachmarke Beiersdorf

Auf Nivea-Produkten findet sich grundsätzlich ein Hinweis auf die Dachmarke Beiersdorf, genauso wie bei anderen Familienmarken des Unternehmens wie Florena, Hansaplast, Label-lo, Eucerin oder Tesa. Aus dieser Unterscheidung sind jeweils auch verschiedene Strategien für Marken ableitbar. Da ein Unternehmen in der Regel mit einer Einzelmarke startet, besteht die erste strategische Option in der Ausweitung der Einzelmarke zu einer Familienmarke. So werden artverwandte Produkte entwickelt, die von den aufgebauten Markenbausteinen der Einzelmarke profitieren. Ein bekanntes Beispiel ist die Marke Milka. So hat die 1901 registrier-te Marke Milka, die zu Kraft Foods gehört, diese Strategie betrieben. Dabei übernehmen die Bausteine des Marken-Daches die formale Klammer: die Farbe Lila, der weiße Schriftzug und die lila Kuh tauchen als identifizierende und gleichzeitig differenzierende Bausteine auf allen Produkten der Familienmarke auf. Häufig erscheint noch der Stammname Milka als verbin-dende Klammer (z. B. Milka Luflée, Milka Herzen, Milka Montelino, Milka Leo etc.). Die Vor-teile liegen auf der Hand: Neben dem Wachstum und der Marktdurchdringung der Marke besteht der größte Vorteil darin, dass die Abhängigkeit von einem oder wenigen Produkten reduziert wird. Wird bei Milka auf ein Produkt aus dem breiten Spektrum verzichtet (z. B. wie bei Milka Lila Stars), hat dies keine großen Auswirkungen auf die Stamm-Marke. Insbesonde-re bei technisch geprägten Produkten ist dies ein großer Vorteil, denn hier ist der Produktle-benszyklus weitaus kürzer als bei den meisten Konsumgütern.

Der Nachteil der Familienstrategie besteht in der Gefahr, dass die Marke zu stark gedehnt wird, was nichts anderes bedeutet, als dass eine zu große und unübersichtliche Bandbreite an Produkten unter der gleichen Marke zu finden ist. Der Kunde verliert den Überblick, was zu Irritationen führt und damit die Marke schwächt.

Der nächste strategische Schritt gemäß der Markenpyramide besteht in der Entwicklung einer Dachmarke, wobei verschiedene Familien- und Einzelmarken unter einem erkennba-ren Marken-Dach zusammengeführt werden. Hintergrund solcher Dachmarkenstrategien ist häufig, dass die Zugehörigkeit zu einem größeren Unternehmen gezeigt werden soll. Dieses Unternehmen wird dann zu einer Dachmarke aufgebaut. Ist die Dachmarke bei den Zielgrup-pen bekannt, ist auch die Einführung neuer Einzel- und Familienmarken für das Unterneh-men einfacher.

Page 110: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

111 Tourismus und Marken |

Abbildung I-69: Dachmarke Henkel

Henkel ist ein typisches Beispiel für eine bekannte und erfolgreiche Dachmarke, die ein-zelne Familien- und auch Einzelmarken vereint.

Eine Dachmarke erfüllt eine weitere Funktion, denn sie richtet sich häufig nicht nur an Endkunden, sondern ebenfalls an weitere, speziellere Zielgruppen wie beispielsweise Ana-lysten, Finanzinvestoren oder auch Journalisten. Ziel der Dachmarke ist es zu verdeutlichen, welche erfolgreichen Marken zum Unternehmen gehören.

Im Tourismus werden Dachmarken häufig kreiert, wenn es darum geht, verschiedene Einzelmarken zusammenzufassen. So soll u. a. die Zugehörigkeit zu einer Gruppe gezeigt oder auch eine gemeinsame Kommunikationskampagne (z. B. Werbung) finanziert werden. Beispiele für die Zugehörigkeit zu einer Gruppe sind Star Alliance oder Oneworld.

Abbildung I-70: Star Alliance und Oneworld als Beispiele für die Zugehörigkeit zu einer Gruppe

So verpflichten sich die Mitglieder der jeweiligen Gruppe, in ihrer Werbung oder bei-spielsweise auf den Flugzeugen einen Hinweis auf die Dachmarke zu geben (z. B. A Mem-ber of Star Alliance).

Auch bei Destinationen ist eine Dachmarke zu empfehlen, insbesondere wenn viele klei-ne Ortschaften sich zusammentun, um für die gesamte Region zu werben.

Nicht immer ist eine Dachmarkenstrategie zu empfehlen, insbesondere wenn sensib-le Produktbereiche dazu gehören, die in den Medien und in der Öffentlichkeit für negative Schlagzeilen sorgen können. Denn: Sollte eine Familienmarke unter einer bekannten Dach-marke durch eine negative Berichterstattung auffallen (z. B. durch Produktfehler), können durch einen Bumerang-Effekt neben der Dachmarke auch andere Familienmarken geschä-digt werden.

Page 111: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

TEIL IIFallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken

Page 112: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

115 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Einleitung

Unterscheiden sich Tourismusmarken grundsätzlich von anderen Marken? Gibt es spezi-elle Charakteristika von Marken im Tourismus, die nur für diese gelten? Nein – grundsätzlich gelten die im ersten Teil genannten Grundlagen für alle Marken, egal ob sie aus dem Kon-sum-, dem Investitionsgüter- oder dem Tourismusbereich kommen. Doch wie sieht es außer-halb dieser Grundlagen aus? Auch wenn die Grundlagen der Marke für alle Branchen gelten, stellt sich die Frage, ob es bei Tourismusmarken spezifische Besonderheiten gibt. Am Ende aller Fallbeispiele gehen wir auf diese Frage konkret ein.

Im folgenden Teil werden Marken im Tourismusbereich anhand von konkreten und nach-vollziehbaren Fallbeispielen dargestellt. Da es auch im Tourismus verschiedene Kategorien gibt, sind die Fallbeispiele in folgende Segmente unterteilt:

Tabelle II-1: Übersicht der Fallbeispiele

Kategorie Fallbeispiel

1 Destinationenmarke BerlinSüdafrika

2 Integrierte Tourismusmarke Thomas Cook

3 Tourismusmarke im stationären Vertrieb Lufthansa City Center

4 Online-Vertrieb-Marke im Tourismus Expedia

5 Spezialveranstalter Studiosus ReisenAmeropa Reisen

6 Produktmarke Hurtigruten

7 Verkehrsträger/Fluggesellschaften Thai AirwaysEasyjet

8 Hotelmarke Maritim

9 Kreuzfahrtmarke AidaHapag-Lloyd

Bei unserem ersten Fallbeispiel, der Destination Berlin, führte die Adjouri: Brand Consul-tants GmbH im Auftrag der Berlin Tourismus Marketing GmbH eine Primäranalyse in sechs Ländern durch, um auf aktuelle und valide Ergebnisse zurückgreifen zu können. Zu den ana-lysierten Ländern zählen Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Niederlande, Polen und die Vereinigten Staaten.

Im Hotelsegment wurde für die Marke Maritim im Jahr 2006 ebenfalls von der Adjouri GmbH eine bundesweite Markenanalyse durchgeführt, die in diesem Buch als Fallbeispiel dargestellt wird. Zusätzliche Fallbeispiele werden dargestellt, um zum einen das Bild abzurun-den und zum anderen die Besonderheiten des Segments auf den Punkt zu bringen. Die Aus-wahl der Fallbeispiele und Marken erfolgte nach markenspezifischen Erfolgskriterien wie Be-kanntheit, wirtschaftlicher Erfolg, Marktanteile, mediale Präsenz und zu guter Letzt nach dem Markenstatus. Die meisten Marken sind nicht nur Fachleuten bekannt, sondern auch einer

Page 113: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

116 | Destinationen und Marke

breiteren Öffentlichkeit. Hinzu kommen bewusst jedoch auch Fallbeispiele wie Ameropa Rei-sen, die in einer für die breitere Öffentlichkeit unbekannteren Nische aktiv sind.

Für dieses Buch wurde Berlin als Tourismusmarke eigens analysiert und zwar in einer Zeit, in der Berlin Anstrengungen unternimmt, sein Markenprofil zu schärfen. Die Ergebnisse wer-den exklusiv in dieser Publikation zur Verfügung gestellt.

Destinationen und Marke1.

Kann eine Destination eine Marke sein? Und wenn ja, wie ist der Markenstatus zu definie-ren? Diese beiden Fragen haben es in sich, denn auf den ersten Blick wirken Destinationen im Gegensatz zu klassischen Produkten alles andere als homogen. Ein fester Markenkern, eine homogene Markenidentität scheint im Widerspruch zu der Vielfalt einer Region, einer Stadt oder sogar einem Land zu stehen.

Ist dies wirklich so? Nein, denn was für alle Marken gilt, gilt auch für Destinationen. Das bedeutet im Klartext, dass die gleichen Regeln, die für eine Konsumgütermarke wie Coca-Co-la und Marlboro gelten, auch für eine Destination von Belang sind. Es bedeutet nicht, dass es keine Unterschiede gibt, doch spielen sich diese Unterschiede in den Ausprägungen ab. Die Grundlagen einer Marke bleiben unberührt.

Nehmen wir als Beispiel das Marken-Dach. Für eine Destination gelten die gleichen Prin-zipien wie für andere Marken auch. Will eine Destination Markenstatus für sich beanspru-chen, braucht sie auf der Ebene des Marken-Daches einen prägnanten, identifizierenden und differenzierenden Namen sowie in der Regel auch ein ebenso prägnantes Wort-Bild-Zeichen oder andere wahrnehmbare Markenbausteine.

Dasselbe gilt für die Ebene der Marken-Räume. Auch hier kommt es auf den Aufbau und die Kommunikation von starken kognitiven und emotionalen Assoziationen an, die bei den Kunden (z. B. Touristen) „bedeutend“ werden. Ist die Ebene der wahrnehmbaren Marken-bausteinebei einer Destination noch relativ einfach hinzubekommen (z. B. über ein Wappen), stellt dies für die Kommunikation von bedeutenden Assoziationen bei Destinationen eine ech-te Herausforderung dar. Woran liegt das?

Zwei grundlegende Kriterien sind hier entscheidend. Einerseits wird eine Destination in der Regel durch ihre Vielfalt beschrieben und ist damit von Natur aus heterogen. Eine Stadt wie New York besteht aus geografischer, soziologischer, kultureller, ethnischer, geschichtli-cher und wirtschaftlicher Sicht aus vielen Einzelaspekten, die schwer in wenigen Worten zu-sammengefasst werden können und daher auch kein klares Profil vermitteln. Andererseits ist diese Vielfalt, diese Kulmination von Einzelaspekten einer Destination nicht immer von den Markenverantwortlichen steuerbar, anders als in einem Unternehmen, wo klare Hierarchien existieren und die Interessenslage in der Regel überschaubarer ist. In einer Stadt oder Regi-on gibt es viele unterschiedliche Bereiche und Verwaltungen wie Industrie- und Handelskam-mer, Handwerkskammer, Tourismusamt, Marketinggesellschaften etc., die alle zwar ähnliche

Page 114: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

116 | Destinationen und Marke

breiteren Öffentlichkeit. Hinzu kommen bewusst jedoch auch Fallbeispiele wie Ameropa Rei-sen, die in einer für die breitere Öffentlichkeit unbekannteren Nische aktiv sind.

Für dieses Buch wurde Berlin als Tourismusmarke eigens analysiert und zwar in einer Zeit, in der Berlin Anstrengungen unternimmt, sein Markenprofil zu schärfen. Die Ergebnisse wer-den exklusiv in dieser Publikation zur Verfügung gestellt.

Destinationen und Marke1.

Kann eine Destination eine Marke sein? Und wenn ja, wie ist der Markenstatus zu definie-ren? Diese beiden Fragen haben es in sich, denn auf den ersten Blick wirken Destinationen im Gegensatz zu klassischen Produkten alles andere als homogen. Ein fester Markenkern, eine homogene Markenidentität scheint im Widerspruch zu der Vielfalt einer Region, einer Stadt oder sogar einem Land zu stehen.

Ist dies wirklich so? Nein, denn was für alle Marken gilt, gilt auch für Destinationen. Das bedeutet im Klartext, dass die gleichen Regeln, die für eine Konsumgütermarke wie Coca-Co-la und Marlboro gelten, auch für eine Destination von Belang sind. Es bedeutet nicht, dass es keine Unterschiede gibt, doch spielen sich diese Unterschiede in den Ausprägungen ab. Die Grundlagen einer Marke bleiben unberührt.

Nehmen wir als Beispiel das Marken-Dach. Für eine Destination gelten die gleichen Prin-zipien wie für andere Marken auch. Will eine Destination Markenstatus für sich beanspru-chen, braucht sie auf der Ebene des Marken-Daches einen prägnanten, identifizierenden und differenzierenden Namen sowie in der Regel auch ein ebenso prägnantes Wort-Bild-Zeichen oder andere wahrnehmbare Markenbausteine.

Dasselbe gilt für die Ebene der Marken-Räume. Auch hier kommt es auf den Aufbau und die Kommunikation von starken kognitiven und emotionalen Assoziationen an, die bei den Kunden (z. B. Touristen) „bedeutend“ werden. Ist die Ebene der wahrnehmbaren Marken-bausteinebei einer Destination noch relativ einfach hinzubekommen (z. B. über ein Wappen), stellt dies für die Kommunikation von bedeutenden Assoziationen bei Destinationen eine ech-te Herausforderung dar. Woran liegt das?

Zwei grundlegende Kriterien sind hier entscheidend. Einerseits wird eine Destination in der Regel durch ihre Vielfalt beschrieben und ist damit von Natur aus heterogen. Eine Stadt wie New York besteht aus geografischer, soziologischer, kultureller, ethnischer, geschichtli-cher und wirtschaftlicher Sicht aus vielen Einzelaspekten, die schwer in wenigen Worten zu-sammengefasst werden können und daher auch kein klares Profil vermitteln. Andererseits ist diese Vielfalt, diese Kulmination von Einzelaspekten einer Destination nicht immer von den Markenverantwortlichen steuerbar, anders als in einem Unternehmen, wo klare Hierarchien existieren und die Interessenslage in der Regel überschaubarer ist. In einer Stadt oder Regi-on gibt es viele unterschiedliche Bereiche und Verwaltungen wie Industrie- und Handelskam-mer, Handwerkskammer, Tourismusamt, Marketinggesellschaften etc., die alle zwar ähnliche

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117 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Interessen haben, aber nicht immer am gleichen Strang ziehen. Auch hat ein Bürgermeis-ter nicht die gleichen Möglichkeiten bei der Markenführung wie ein Unternehmensvorstand. Trotz allem gibt es bei Destinationen ausreichend Beispiele, wo die Markenbildung erfolg-reich durchgeführt wurde und sich nicht allein durch Zufall entwickelt hat.

Das Fallbeispiel Berlin

Wenn eine Stadt mit Vielfalt beschrieben werden soll, dann trifft dies auf Berlin in jegli-cher Hinsicht zu. Aber Berlin mit Vielfalt zu beschreiben, wäre nicht ausreichend, und hier ist bereits das Problem erkennbar. Über Berlin wurde schon so viel geschrieben und gesagt, dass eine umfassende Beschreibung der Stadt sich immer als eine nicht zu lösende Heraus-forderung darstellt. Doch um möglichen Missverständnissen gleich ein Ende zu setzen: Hier geht es nicht um eine komplette und umfassende Beschreibung Berlins mit all seinen Facet-ten und Hintergründen, sondern um die Analyse und Darstellung der Stadt als Destinations-marke. Und allein dies ist eine komplexe Thematik.

Berlin wird gern als eine Stadt beschrieben, die im Wandel ist und sich immer wieder neu erfindet. Eine Stadt, die nie stillsteht. Mit anderen Worten: Berlin ist nie fertig, sondern immer in Bewegung, in einem wechselnden Zustand. Fest steht: Die Stadt polarisiert; es gibt vie-le Berlin-Fans, die von der Anziehungskraft der Stadt fasziniert sind; aber auch genug Men-schen, die gegenüber Berlin und allem, was mit der Stadt zusammenhängt, negativ einge-stellt sind. Für die einen ist Berlin lebendig, interessant, charmant und faszinierend; für andere ist Berlin laut, schmuddelig, arm und frech. Doch vorab ein Ergebnis: Aus der Markenanalyse wird erkennbar, dass die positiven Seiten Berlins überwiegen; die Kritik verhallt. Es zeigt sich: Berlin ist eine Stadt der Widersprüche, eine Stadt der Gegensätze, die von ihren Dissonanzen lebt und daraus ihre Energie entwickelt.

Tabelle II-2: Magic Cities 2006

Städte Übernachtungen Veränderung zu 2005 in %

Berlin 15.910.372 8,8

München 8.858.818 4,1

Hamburg 7.119.808 11,5

Frankfurt/Main 5.094.511 11,3

Köln 4.382.428 4,1

Dresden 3.499.145 18,6

Düsseldorf 2.902.350 8,0

Stuttgart 2.573.843 11,3

Hannover 1.572.933 4,2MagicCities 51.914.208 9,1

Quelle: Magic Cities

Page 116: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

118 | Destinationen und Marke

Aus markenstrategischer Sicht scheint Berlin auf den ersten Blick schwer beschreibbar und damit auch schwer zu analysieren. Dies ist die eine Seite. Auf der anderen Seite übt die Stadt in der Tat eine unvergleichliche Faszination aus – insbesondere auf Besucher, ob Städ-tetouristen oder Geschäftsreisende. Die Entwicklung Berlins in Bezug auf den Bereich Touris-mus ist eindeutig positiv (siehe Tabelle II-2).

Die Zahlen sprechen für sich; auch die Tendenz ist optimistisch zu bewerten. Der Berlin-Tourismus hat sich zu einer wirtschaftlichen Säule der Stadt entwickelt. Im Rahmen unserer Markenanalyse wurde in allen sechs Ländern gefragt: „Welche Stadt/Region ist für Sie ein Muss im Rahmen einer Deutschland-Reise? Bitte nennen Sie bis zu drei, jedoch mindestens einen Ort!“ Das Ergebnis unterstreicht die Bedeutung der Destination Berlin.

Tabelle II-3: Deutschland

Rang Nennungen % der Befragten1 Berlin 52 %

2 Hamburg 34 %

3 München 25 %

4 Ostsee 12 %

5 Köln 10 %

6 Bayern 9 %

7 Dresden 8 %

8 Nordsee 8 %

9 Schwarzwald 8 %

10 Alpen 4 %

Tabelle II-4: Frankreich

Rang Nennungen % der Befragten1 Berlin 61 %

2 München 29 %

3 Köln 20 %

4 Bayern 14 %

5 Schwarzwald 14 %

6 Hamburg 10 %

7 Frankfurt 7 %

8 Aachen 6 %

9 Freiburg 4 %

10 Heidelberg 2 %

Page 117: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

119 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Tabelle II-5: Niederlande

Rang Nennungen % der Befragten1 Berlin 51 %

2 Köln 20 %

3 München 20 %

4 Düsseldorf 14 %

5 Trier 11 %

6 Aachen 9 %

7 Schwarzwald 9 %

8 Hamburg 8 %

9 Eifel 6 %

10 Bayern 5 %

Tabelle II-6: Polen

Rang Nennungen % der Befragten1 Berlin 68 %

2 München 18 %

3 Köln 12 %

4 Hamburg 11 %

5 Dresden 7 %

6 Hannover 7 %

7 Dortmund 5 %

8 Bayern 4 %

9 Bonn 4 %

10 Leipzig 4 %

Tabelle II-7: UK

Rang Nennungen % der Befragten1 Berlin 75 %

2 München 34 %

3 Frankfurt 20 %

4 Köln 8 %

5 Schwarzwald 7 %

6 Rheintal 7 %

7 Bayern 7 %

8 Stuttgart 6 %

9 Düsseldorf 4 %

10 Dresden 2 %

Page 118: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

120 | Destinationen und Marke

Tabelle II-8: USA

Rang Nennungen % der Befragten1 Berlin 64 %

2 München 27 %

3 Frankfurt 21 %

4 Bayern 9 %

5 Schwarzwald 9 %

6 Hamburg 8 %

7 Rheintal 6 %

8 Köln 5 %

9 Stuttgart 5 %

10 Heidelberg 4 %

Berlin steht mit grundsätzlich mehr als 50 Prozent der Nennungen unangefochten an erster Stelle. In Deutschland folgen Hamburg und München; ansonsten liegt München in der Regel an zweiter Stelle (außer in den Niederlanden, wo Köln wegen der geografischen Nähe an zweiter Stelle steht). Als Regionen werden im Ausland insbesondere Bayern und der Schwarzwald als wichtige Destinationen gesehen; in Deutschland rangiert die Ostsee inzwi-schen vor den süddeutschen Regionen.

Es stellt sich die Frage, was die Faszination Berlins ausmacht. Welche Markenbausteine sind ausschlaggebend für die bisherige Anziehungskraft der Stadt? Und welche müssen es in Zukunft sein? Ist Berlin überhaupt eine Marke? Oder sollte die Stadt lieber auf die hetero-gene Struktur setzen und gar nicht versuchen, die komplexe Vielfalt in eine Markenbotschaft zu pressen?

Um diese Fragen optimal beantworten zu können, wurde von uns die Analyse in sechs Ländern durchgeführt. Der Erhebungszeitraum war Mitte 2007, so dass die Ergebnisse zum Erscheinen des Buches absolut aktuell sind und damit ein umfassendes Bild abgeben.

Tabelle II-9: Stichprobengröße

Anzahl der Befragten Land

Deutschland 110

Frankreich 135

Niederlande 122

Polen 111

UK 112

USA 204Insgesamt 794

Das für die Analyse und Strategieentwicklung eingesetzte Verfahren ist das Brand Ambas-sador System®15, dass von Adjouri in einem Forschungsprojekt mit dem Institut für Psycholo-gie der Universität Göttingen entwickelt wurde. Die Ergebnisse werden nach dem Prinzip des

Page 119: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

121 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Marken-Hauses erfasst, also alle wahrnehmbaren Bausteine des Marken-Daches sowie alle relevanten kognitiven und emotionalen Bausteine der vier Marken-Räume.

Beim Marken-Fundament wird die Kognitive Landkarte erfasst. Hierfür setzt das Brand Ambassador System zwei innovative Methoden ein, um die Assoziationen zu erfassen und die Verbindungen zwischen den Assoziationen darzustellen. Dies sind:

das Freelisting und Y

der Triadentest. Y

Wie im ersten Teil in den Markengrundlagen beschrieben, kommt es im ersten Schritt darauf an, alle Assoziationen zu einer Marke zu erfassen. Dies geschieht mit Hilfe des Free-listings, das ein freies Assoziieren ohne Einschränkungen in den eigenen Worten möglich macht. Das Prinzip beim Freelisting ist einfach. Am Anfang wird ausschließlich die Frage ge-stellt, was die Person mit „Berlin“ verbindet. Der Proband hat in zehn Feldern Platz, alle seine Assoziationen zu notieren, ohne Vorgaben, was Inhalt, Form und Länge angeht.

Abbildung II-1: Beispiel für Freelisting

Zwar füllen die wenigsten Personen alle zehn Felder aus, doch werden in der Regel zwi-schen fünf und sieben Assoziationen zu einer Marke genannt. Das Ergebnis des Freelistings ist der gesamte Assoziationsraum zu einer Marke. Entscheidend ist, und dies ist der Unter-schied zu vielen anderen Verfahren, dass hier tatsächlich keine Vorgaben existieren.

Wie sind die Assoziationen zu bewerten? In der Regel werden in den ersten drei Feldern spontane Assoziationen zur Marke genannt (also Assoziationen, die offensichtlich sind). Dies ist normal und ebenso richtig, denn es zeigt, dass die Marke sich nicht von ihrer Kernkom-petenz verabschiedet hat. In den weiteren Feldern werden häufig konkrete bzw. spezifische Assoziationen genannt; Teilaspekte, die auf individuelle oder differenzierende Besonderhei-ten der Marke eingehen.

Page 120: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

122 | Destinationen und Marke

Das Freelisting erfolgt in drei Schritten. Im ersten Schritt werden alle Assoziationen frei gesammelt (siehe Abbildung II-1). Im zweiten Schritt muss die gleiche Person ihre eigenen Assoziationen positiv oder negativ bewerten.

Abbildung II-2: Bewertung der Assoziationen von sehr positiv bis sehr negativ

Dies ist eine Weiterentwicklung des Verfahrens, das im Forschungsprojekt mit der Uni-versität Göttingen konzipiert wurde16. Hierbei erscheinen die genannten Assoziationen in ei-ner Spalte links, die befragte Person muss ihre eigenen Assoziationen auf einer Skala positiv oder negativ bewerten. So kann beispielsweise festgestellt werden, ob eine Assoziation wie „Qualität“ als gut oder schlecht gesehen wird.

Im dritten Schritt muss die befragte Person ihre eigenen Assoziationen nach Wichtigkeit bewerten.

Abbildung II-3: Bewertung der Assoziationen nach Wichtigkeit

Page 121: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

123 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Nicht alle Assoziationen, die genannt werden, sind gleich wichtig. So kann es beispiels-weise sein, dass die Assoziation „hoher Preis“ häufiger assoziiert wird, aber die Assoziati-on „gute Qualität“ als wichtiger angesehen wird. Mit diesem dritten Schritt kann kontrolliert werden, ob es Assoziationen gibt, die zwar nicht so häufig genannt wurden, aber trotz allem sehr bedeutend sind.

Mit den drei Schritten im Freelisting können alle frei ermittelten Assoziationen nach einem Punktesystem berechnet und tabellarisch aufgelistet werden. Das Ergebnis wird als Ranking dargestellt. Es verdeutlicht auf einen Blick, welche Assoziationen wie häufig genannt wurden und wie wichtig diese sind, aber auch wie homogen bzw. heterogen der gesamte Assoziati-onsraum der Marke ist.

Der nächste Schritt führt zur Kognitiven Landkarte der Marke. Um die bedeutungsrele-vanten Verbindungen zwischen den Assoziationen zu erfassen, wird ein Triadentest durchge-führt. Beim Triadentest werden aus den 15 wichtigsten Assoziationen des Freelistings nach einem bestimmten Schlüssel Dreiergruppen von Assoziationen (so genannte „Triaden“) ge-bildet und einer neuen Stichprobe vorgelegt. Diese Personen müssen nun die Assoziation an-kreuzen, die am wenigsten zu den beiden anderen Assoziationen passt. So kann die „Nähe“ von Assoziationen zueinander ermittelt werden. Das Ergebnis ist die Kognitive Landkarte einer Marke, die als dreidimensionales Netzwerk von Assoziationen dargestellt wird. Aus der Beziehung zwischen den Assoziationen kann die markenrelevante Bedeutung abgelesen werden. Je näher bestimmte Assoziationen zueinander stehen, desto stärker ist deren bedeu-tungsbildende Beziehung.

Die Kognitive Landkarte einer Marke bildet das Fundament des Marken-Hauses. Was kompliziert klingt, ist eine äußerst anschauliche Methodik, mit der nicht nur die Kern-Asso-ziationen zu einer Marke plastisch gezeigt werden können, sondern auch die kausalen Wir-kungszusammenhänge dieser Begriffe.

Bei der Analyse der Destination Berlin wurden sowohl das Freelisting als auch ein Triaden-test durchgeführt – also in jedem Land zwei Analysen (Freelisting und Triadentest) mit zwei verschiedenen Stichproben. Darüber hinaus wurden mit Hilfe von offenen und geschlosse-nen Fragen die Bausteine des Marken-Daches sowie der Marken-Räume analysiert und stra-tegisch bewertet. Bei den Marken-Räumen betrifft dies Bausteine Berlins als Marke wie Ein-zigartigkeit, Nutzen, Vertrauen und Loyalität.

Aufgabe und Vorgehensweise bei der Primäranalyse Berlin

Die Aufgabe ist es, festzustellen, ob Berlin als Destination für Touristen einen Markensta-tus hat und, wenn ja, zu bestimmen, welche Bausteine die Marke Berlin ausmachen. Hier-bei soll über den Ist-Status als Marke hinaus das Potenzial der Destination Berlin dargestellt werden.

Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass Berlin Markenstatus besitzt, stellt sich die Frage, wie homogen (oder heterogen) die Marke ist und welche Assoziationen aus dieser Vielfalt am stärksten und damit am wichtigsten sind.

Page 122: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

124 | Destinationen und Marke

Die Vorgehensweise gliedert sich in vier Phasen auf. Dies sind:

Grundanalyse Primäranalyse Strategie Umsetzung

Bei der Grundanalyse wird ein Blick auf Bausteine des Marken-Daches geworfen. Mit welchen Bausteinen tritt Berlin gegenwärtig auf? Welche formalen und inhaltlichen Kriterien machen Bausteine wie Name, Bild-Zeichen, Farben etc. aus?

Innerhalb der zweiten Phase, der Primäranalyse, werden die Ergebnisse der Markenana-lyse dargestellt und interpretiert. Dies betrifft insbesondere die Ergebnisse aus dem Freelis-ting, die Kognitive Landkarte zu Berlin sowie die Ergebnisse aus den offenen und geschlos-senen Fragen.

Die dritte und vierte Phase, Strategie und Umsetzung, werden an dieser Stelle nur ange-rissen, zum einen weil die Analyse zum Fertigstellungstermin des Buches noch nicht kom-plett beendet war. Zum anderen weil die Stadt Berlin in der zweiten Jahreshälfte 2007 eine Ausschreibung für eine Markenkampagne ausgelobt hat und die kreative Umsetzung für die Marke Berlin sich somit im Prozess befindet.

Die erste Phase: Die Grundanalyse zur Destination Berlin

Da bei einer Marke die historischen Wurzeln entscheidende Informationen zur Identität geben können, sollte grundsätzlich ein Blick auf die Geschichte der Marke geworfen werden. Bei Tourismusdestinationen ist dies problematisch, da die historische Entwicklung weitaus komplexer und facettenreicher ist als bei einer Konsumgütermarke. Bei einer Stadt, Region oder gar einem Land gibt es eine kaum zu bewältigende Fülle an geschichtlichen Informati-onen. Daher wird bei Berlin auf eine komplette Aufarbeitung der Geschichte verzichtet und nur bei relevanten, aus Markensicht erforderlichen Anlässen auf spezifische historische Ent-wicklungen eingegangen. Hier überlassen wir es den Ergebnissen der Markenanalyse aufzu-zeigen, was in Bezug auf die Geschichte Berlins von den Zielgruppen genannt wurde.

Bei der Betrachtung des Marken-Daches einer Destinationsmarke offenbart sich die Viel-falt an wahrnehmbaren Bausteinen, die einerseits den Reiz einer Marke ausmachen, anderer-seits aber auch für eine ungeahnte Komplexität sorgen. Folgende wahrnehmbare Bausteine können auf der Ebene des Marken-Daches für eine Tourismusdestination definiert werden:

Name und andere Bezeichnungen für die Destination (z. B. New York / „Big Apple“) Y

Bild-Zeichen (z. B. Wappen und andere Bild-Zeichen einer Stadt oder Region wie das Ti- Y

rol-Zeichen, Elemente einer Flagge wie das Ahornblatt Kanadas oder die Sterne der US-amerikanischen Flagge)Farben und Designs (markante Flaggenfarben und -muster eines Landes wie beispiels- Y

weise das Rot-Gelb der spanischen Fahne, die rote Sonne der japanischen Flagge, das skandinavische Kreuz der Flaggen Dänemarks, Schwedens, Norwegens, Finnlands und Islands)Sehenswürdigkeiten (z. B. Eiffelturm für Paris, Pyramiden für Ägypten, Kolosseum für Y

Rom, Basilius-Kathedrale für Moskau etc.)Slogans (z. B. „I love New York“ oder „Leipziger Freiheit“) Y

weitere Markenbausteine wie beispielsweise Werbekampagnen für eine Destination Y

Page 123: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

125 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Der wichtigste Baustein der Marke ist ihr Anker: der Name. Hier zeigt sich bereits ein ers-ter, grundlegender Unterschied zwischen Tourismusmarken und anderen Marken. Anders als bei einer unternehmensgeführten Marke, die über einen gewissen Freiraum bei der Na-mensentwicklung verfügt, ist der Name bei einer Destination gegeben und damit fest ze-mentiert. Auch wenn der Name der isländischen Hauptstadt „Reykjavik“ nicht jedem leicht über die Zunge geht, ist dieser Name inzwischen bekannt, gelernt und damit nicht mehr ver-änderbar. Schwierig ist dies natürlich für Ortsnamen, die auf der denotativen Ebene für eher negative Assoziationen stehen. Orte wie „Elend“ (Ort in Sachsen-Anhalt) oder „Kotzen“ (Ort in Brandenburg) stehen hier vor einem grundsätzlichen Problem. Hier hilft nur eine selbst-bewusste Kommunikation, die zu dem Namen steht. Städte- und Destinationsnamen sind in der Regel historisch gewachsen; ob sie sich für eine Marke gut oder weniger gut eignen ist unerheblich.

Der Name Shangri-La

Ausnahmen bestätigen die Regel. So gibt es in China einen Ort, der einen neuen Namen erhalten hat: Die chinesische Regierung nannte 2002 den Ort Zhongdijan in Shangri-La um. Die chinesische Regie-rung nahm Bezug auf den weltberühmten Roman „Lost Horizon“ von James Hilton von 1933. Andere Quellen besagen jedoch, dass der im Roman beschriebene Ort an der heutigen Grenzregion zu Kashmir war und nicht in Zhongdijan. Es ist davon auszugehen, dass die Umbenennung aus tourismuspoliti-schen Gesichtspunkten stattgefunden hat, um den Ort für Besucher interessanter zu gestalten.

Dass Namensänderungen einer Stadt eher zu Irritationen führen, zeigt das Beispiel der indischen Stadt Bombay. So ist u. a. nicht eindeutig geklärt, ob es Mumbai oder Bombay heißt. Der Stadtrat von Bombay hatte bereits Mitte der 90er Jahre beschlossen, die Metropo-le in Mombai umzubenennen (der Name geht auf die Hindu-Göttin Mumbadevi zurück). Das Parlament in Delhi hat aber der Umbenennung nicht zugestimmt, so dass offizielle Gebäu-de in der Stadt immer noch den alten Namen tragen (wie z. B. die Börse „Bombay Stock Ex-change“). Die Europäische Union dagegen nutzt in ihren offiziellen Versionen bereits den Na-men Mumbai. Für einen Touristen ist diese Namensdiskussion verwirrend.

Fest steht, dass die Neuentwicklung von Namen für Destinationen eine Ausnahme bildet. Eine weitere zu beachtende Besonderheit ist, dass in Bezug auf Destinationsnamen zwei Gruppen existieren: a) Destinationen mit dem gleichen Namen in den meisten gängigen Sprachen und b) Destinationen, bei denen der Name in verschiedenen Sprachen unterschiedlich er-

scheint.

Das ist deshalb wichtig, weil wir wissen, dass eine Marke grundsätzlich und durchgehend weltweit mit dem gleichen Namen auftreten sollte. Marlboro, Nokia oder Chanel werden in allen gängigen Sprachen mehr oder weniger gleich ausgesprochen und geschrieben. Bei De-stinationen ist dies nicht immer der Fall. Einige Beispiele sollen das verdeutlichen:

Page 124: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

126 | Destinationen und Marke

Tabelle II-10: Veränderungen von Destinationsnamen in anderen Sprachen

Originalname Namen in andere Sprachen

Napoli Naples, Neapel

Nürnberg Nuremberg

München Munich

Wien Vienna

Bayern Bavaria

Turku* Åbo

Helsinki* Helsingfors

* Obwohl Turku und Helsinki die heute mehrheitlich benutzten finnischen Bezeichnungen sind, wurden die beiden Städte zuerst in der schwedischen Sprache ausgesprochen.

Dagegen gibt es Destinationen wie New York, London, Paris oder Tokio, die in der Re-gel immer gleich geschrieben und ausgesprochen werden. Auch der Name Berlin gehört zu dieser Gruppe.

Da eine Marke einen kurzen, prägnanten und möglichst international gleich aussprech-baren Namen benötigt, haben Destinationen, bei denen dies der Fall ist, einen entscheiden-den Vorteil beim Aufbau einer Marke. Müssen bei einer Destination dagegen erstmal alle ver-schiedenen Varianten gelernt werden, erschwert dies den Markenaufbau. So wird ein Tourist, der ein zweisprachiges Verkehrsschild in Finnland mit der finnischen Stadtbezeichnung „Tur-ku“ und dem schwedischsprachigen Pendant „Åbo“ sieht, Schwierigkeiten beim Verständ-nis haben.

Auch lange Namen sind grundsätzlich problematisch, da nicht nur ihre Merkfähigkeit eingeschränkt ist, sondern weil lange Namen häufig so abgekürzt werden, dass eine Identi-fizierung unmöglich wird. So wird beispielsweise die Stadt Mönchengladbach in Nordrhein-Westfalen auf Autobahnschildern aus Platzmangel häufig als „M’gladbach“ visualisiert. Wie soll ein Tourist auf dem Weg nach Mönchengladbach, der auf schnelle Orientierung ange-wiesen ist, dies in Sekundenbruchteilen verstehen können? Ein kurzer, prägnanter Name, der international gleich geschrieben und ausgesprochen wird, ist eine Voraussetzung für die Markenbildung.

Berlin erfüllt diese Voraussetzungen, was den Markennamen angeht, optimal. Berlin ist kurz, einfach zu merken und wird in den gängigen Sprachen gleich oder ähnlich ausgespro-chen. Ursprünglich entstammt der Name Berlin wohl dem Slawischen; eine genaue, allge-mein anerkannte Deutung gibt es nicht. Es wird angenommen, dass die slawische Wurzel „brl“ oder „brlo“ für Sumpf, Morast oder sandiger Boden steht.17

Eine weitere Problematik betrifft die Frage der Differenzierung, was bedeutet, dass mit dem Namen nur eine Marke verbunden wird. Bei Berlin existieren gleich mehrere Orte mit dem gleichen Namen wie die deutsche Hauptstadt. Was auf den ersten Blick ein Problem sein könnte, relativiert sich auf den zweiten Blick, da die hohe internationale Bekanntheit der deutschen Hauptstadt für eine ausreichende Differenzierung sorgt.

Page 125: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

127 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Die Rolle von Wort-Bild-Zeichen

Bei der Betrachtung von visuellen Zeichen für Berlin, sind außer Sehenswürdigkeiten mehrere mögliche Anwärter für markenrelevante Bausteine erkennbar. In der Regel hat jede Stadt oder Region ein offizielles Wappen und eine Flagge – bei Berlin sind dies:

Abbildung II-4: Wappen und Flagge Berlins

Quelle: www.berlin.de

In beiden Elementen kommt der gleiche aufrechtstehende Bär mit roter Zunge und ro-ten Krallen vor. Das Landeswappen zeigt auf einem weißen Untergrund in einem Schild den aufgerichteten schwarzen Bären. Darauf steht eine in Gold gestaltete, fünfblätterige Laubkro-ne, aus Mauersteinen mit einem Tor in der Mitte. Genutzt wird das Landeswappen von offi-ziellen Stellen wie Abgeordnetenhaus, Rechnungshof, den Berliner Gerichten sowie von der Berliner Verwaltung.

Die Landesflagge nutzt den gleichen Bären – eingebettet in die drei Farbstreifen Rot-Weiß-Rot.

Zusätzlich gibt es ein Landessymbol, das dem Wappen ähnlich ist und von der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport für Verbände und Vereine bereit gestellt wird, die den Bezug zu Berlin darstellen wollen.

Abbildung II-5: Landessymbol Berlins

Quelle: www.berlin.de

Wappen und Landesflagge sind von der Visualisierung schlicht gehalten und somit aus-reichend prägnant, was dem Markencharakter Auftrieb gibt.

Zusätzlich zum Wappen gibt es ein offizielles Wort-Bild-Zeichen für die Berliner Verwal-tungen und Unternehmen, die sich im Landesbesitz befinden.

Page 126: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

128 | Destinationen und Marke

Abbildung II-6: Offizielles Wort-Bild-Zeichen Berlins

Quelle: brandsoftheworld.com

Das Berlin-Wort-Bild-Zeichen ist ein abstrahiertes Abbild des Brandenburger Tores. Rechts ist der Name als Wortzeichen eingebettet. Alles ist in rot gehalten, die offizielle Farbe des Lan-des Berlin. Ist das offizielle Landeswappen nicht notwendig, wird das Berlin-Wort-Bild-Zeichen von allen Institutionen des Landes Berlin für kommunikative Aktivitäten wie Publikationen und Werbung genutzt. Die Berlin Partner GmbH koordiniert die Vergabe der Lizenzrechte und kon-trolliert die korrekte Verwendung des Berlin-Wort-Bild-Zeichens. Auch das Berlin-Wort-Bild-Zeichen ist gestalterisch schlicht gehalten und erfüllt die markenrelevanten Kriterien.

Obwohl das Berlin-Wort-Bild-Zeichen in der Werbung mehr Anwendung findet, hat der Berliner Bär eine starke Symbolfunktion für Berlin. Dies ist unter anderem an einer Aktion un-ter dem Namen „Berliner Buddy Bären“ erkennbar, die 2001 startete. Bei dieser Aktion wur-den Bärenstatuen von Künstlern bemalt und im Berliner Stadtbild platziert. Inzwischen ist daraus ein internationales Projekt entstanden. Dieses Projekt ist inzwischen so erfolgreich ge-worden, dass es von anderen Städten kopiert wurde. So hat München diese Idee aufgegrif-fen und eine Löwenstatue herausgebracht.

Die Rolle der Sehenswürdigkeiten

Zu der Ebene des Marken-Daches gehören auch andere sinnlich-wahrnehmbare Elemen-te wie Sehenswürdigkeiten, die für bestimmte Destinationen stehen können.

Jede mehr oder weniger bekannte Stadt oder Region verfügt über eine Vielzahl von Se-henswürdigkeiten. Entscheidend ist jedoch, dass nicht jede Sehenswürdigkeit für die Mar-kenbildung relevant ist. Auch hier geht es darum, dass die Sehenswürdigkeit ausreichend differenzierend zu anderen Sehenswürdigkeiten anderer Destinationen ist. So kann sicherlich der Berliner Funkturm als Sehenswürdigkeit klassifiziert werden, nur als ein differenzierender und damit markenrelevanter Baustein für Berlin ist der Funkturm nicht geeignet, da beispiels-weise Paris den weitaus höheren und stärker differenzierenden Eiffelturm hat.

Auch die Alpen sind sicherlich sehenswürdig, doch für eine bestimmte Destination nicht ausreichend differenzierend, da sie von vielen Orten in Österreich, der Schweiz, Italien, Frank-reich und auch Deutschland in der Visualisierung ihrer Tourismuskampagnen beansprucht und genutzt werden. So hat sich u. a. Südtirol aktuell ein Corporate Design entwickeln lassen mit einer bunten Alpensilhouette als visuelles Symbol. Die fehlende Differenzierungskraft gilt ebenfalls für Kirchen, die natürlich in der Regel Sehenswürdigkeit darstellen, doch da histori-sche Kirchen vielfach romanischer oder gotischer Bauart sind, ist die Unterscheidungsfähig-keit und damit die Markengrundlage nicht gegeben – außer es handelt sich um ein exponier-tes Gebäude wie den gotischen Bau des Kölner Doms, der durch seine Architektur über einen differenzierenden Charakter verfügt, obwohl er nur die zweitgrößte Kirche Deutschlands ist (die größte Kirche ist das Ulmer Münster).

Page 127: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

129 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Ausreichend prägnante und differenzierende Sehenswürdigkeiten sind daran zu erken-nen, dass sie häufig in Form von visuellen Zeichen, z. B. als Wort-Bild-Zeichen, übernom-men werden.

Abbildung II-7: Differenzierende Sehenswürdigkeiten als visuelle Zeichen

Der Kölner Dom mit seinen markanten Doppeltürmen eignet sich in optimaler Weise als Markenbaustein. Aus diesem Grund hat die Stadt Köln den Dom als visuelles Element auf-genommen.

Abbildung II-8: Wort-Bild-Zeichen Kölns

Anders als bei Berlin wurde beim Wort-Bild-Zeichen Kölns zusätzlich das Wappen mit auf-genommen sowie der Zusatz „Stadt“, also zwei zusätzliche Elemente, die der Prägnanz und damit dem Markencharakter entgegenwirken. So wird im Tourismusbereich auf das Wappen sowie auf die Bezeichnung „Stadt“ folgerichtig verzichtet.

Berlin verfügt naturgemäß über eine Vielzahl von echten und gewollten Sehenswürdig-keiten, die an dieser Stelle nicht alle aufgelistet werden können. Doch in unserer Marken-analyse (BTM-Analyse Frage 12: Wenn Sie an Berlin denken, welche Bilder (Orte, Stadtteile, Bauwerke, Sehenswürdigkeiten, kulturelle Institutionen, Symbole etc.) fallen Ihnen als Erstes ein?) wird erkennbar, welche Berliner Sehenswürdigkeiten, Orte bzw. Symbole von den Tou-risten und potenziellen Touristen tatsächlich wahrgenommen werden. Dies ist die Maßgabe, um daraus die strategischen Markengrundlagen zu schaffen.

Page 128: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

130 | Destinationen und Marke

Tabelle II-11: Deutschland

Ranking Nennungen % der Befragten1 Brandenburger Tor 73 %

2 Reichstag 32 %

3 Fernsehturm 24 %

4 Alexanderplatz 16 %

5 Kurfürstendamm 14 %

6 Mauer 14 %

7 Museumsinsel 13 %

8 Siegessäule 15 %

9 KaDeWe 11 %

10 Zoo 11 %

Tabelle II-12: Frankreich

Ranking Nennungen % der Befragten1 Mauer 73 %

2 Brandenburger Tor 40 %

3 Museen 8 %

4 Reichstag 8 %

5 Denkmäler 6 %

6 Mauerfall 5 %

7 Alexanderplatz 3 %

8 Architektur 3 %

9 Checkpoint Charlie 3 %

10 nichts 3 %

Tabelle II-13: Niederlande

Ranking Nennungen % der Befragten1 Mauer 47 %

2 Brandenburger Tor 35 %

3 Checkpoint Charlie 21 %

4 Reichstag 17 %

5 Kurfürstendamm 14 %

6 nichts 9 %

7 Holocaust Mahnmal 7 %

8 Fernsehturm 6 %

9 Potsdamer Platz 6 %

10 Unter den Linden 6 %

Page 129: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

131 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Tabelle II-14: Polen

Ranking Nennungen % der Befragten1 Brandenburger Tor 67 %

2 Mauer 50 %

3 Reichstag 22 %

4 Fernsehturm 13 %

5 Pergamon Museum 7 %

6 Alexanderplatz 6 %

7 Siegessäule 6 %

8 Berliner Bär 5 %

9 Berliner Dom 5 %

10 Museen 5 %

Tabelle II-15: UK

Ranking Nennungen % der Befragten1 Mauer 54 %

2 Brandenburger Tor 20 %

3 Reichstag 14 %

4 nichts 9 %

5 Museen 7 %

6 Architektur 6 %

7 Checkpoint Charlie 6 %

8 Alexanderplatz 4 %

9 Berliner Dom 4 %

10 Kirchen 4 %

Tabelle II-16: USA

Ranking Nennungen % der Befragten1 Mauer 37 %

2 nichts 14 %

3 Brandenburger Tor 12 %

4 Reichstag 7 %

5 Museen 7 %

6 Kultur 5 %

7 Kirchen 4 %

8 Geschichte 4 %

9 Speisen 3 %

Page 130: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

132 | Destinationen und Marke

Vier von sechs Ländern nennen die Mauer an erster Stelle, dann das Brandenburger Tor (in den USA an dritter Stelle). Dass die Mauer in Deutschland erst an sechster Stelle genannt wird, ist darauf zurückzuführen, dass das historische Interesse inzwischen gesättigt ist. Deut-sche Berlin-Touristen wollen lieber das neue Berlin kennen lernen; die Mauer ist Vergangen-heit. Für ausländische Touristen hat die Mauer jedoch eine klare Priorität.

Entscheidend an dieser Frage ist, welche Sehenswürdigkeit, welcher Ort oder welches Bauwerk ein prägendes, markantes Bild hinterlässt. Ein Bild, das Symbolcharakter hat. Aus deutscher Sicht ist dies eindeutig das Brandenburger Tor, gefolgt vom Reichstag und dem Fernsehturm.

Somit steht – nicht ganz überraschend – fest, dass das Brandenburger Tor in Berlin einen primären Status einer Sehenswürdigkeit besitzt und einen hohen Symbolwert hat. Es ist da-her nur konsequent, das Brandenburger Tor in das Berlin-Wort-Bild-Zeichen aufzunehmen.

Wie bedeutend das Brandenburger Tor als visueller Markenbaustein ist, zeigt sich auch an der vielfältigen Nutzung in Form von anderen Wort-Bild-Zeichen.

Abbildung II-9: Vielfältige Nutzung des Brandenburger Tors in Wort-Bild-Zeichen

Dass das Brandenburger Tor dabei nicht nur für Berliner Unternehmen eingesetzt wird, sondern darüber hinaus auch eine bundesweite Bedeutung erlangt hat, zeigt sich an folgen-den Beispielen:

Abbildung II-10: Bundesweite Bedeutung des Brandenburger Tors

Die Sehenswürdigkeit Brandenburger Tor steht damit nicht nur für Berlin, sondern viel-fach für Deutschland insgesamt. Es erfüllt die Identifizierungs- und Differenzierungsfunktion und ist damit ein bedeutender Markenbaustein.

Neben dem Brandenburger Tor wird in allen sechs befragten Ländern mit Berlin auch der Reichstag assoziiert. Ein Gebäude, das wie kein anderes für die Geschichte und für das Neue steht. Der Fernsehturm als markantes Gebäude wird nur in Deutschland und in Polen signifi-kant wahrgenommen; als ein international eingesetztes visuelles Symbol ist er nicht zu emp-fehlen.

Page 131: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

133 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Die Rolle des Slogans

Ein guter Slogan fasst die wichtigsten Elemente einer Marke in wenigen Worten zusam-men. Es ist ein in Worte gepresster Extrakt der Marke. Ein guter Slogan ist kurz, einprägsam, differenzierend und international einsetzbar. Aus dem letzten Aspekt ergibt sich auch die ent-scheidende Frage, ob ein Slogan aus der jeweiligen Sprache in andere Sprachen übersetzt werden soll, was die Gefahr mit sich bringt, dass damit die kreative Idee verloren geht. Die Al-ternative ist, gleich einen Slogan auf Englisch zu benutzen, der zwar international eingesetzt werden kann, aber möglicherweise nicht von allen Einheimischen verstanden wird.

Grundsätzlich ist zu empfehlen, einen Slogan in der eigenen Landessprache zu entwi-ckeln, da die Sprache auch ein Teil der Region und damit markenbildend ist. Eine Überset-zung ins Englische ist dann eine notwendige Konsequenz. Eine Ausnahme bilden Destina-tionen mit internationalem Stellenwert, die von einer Vielzahl ausländischer Gäste besucht werden. Diese haben die Möglichkeit, gleich einen englischsprachigen Slogan einzusetzen.

Berlin hat in seiner Entwicklung einige Slogans eingesetzt, die mehr oder weniger lange von der Stadt medial genutzt wurden. Hinzu kommen einige Formulierungen, die eine gewis-se Bekanntheit entwickelt haben. Dazu zählen Slogans und Formulierungen wie

„Berlin ist eine Wolke.“ Y

„Berlin ist eine Reise wert.“ Y

„Berlin erwartet Sie wieder.“ Y

„Treffpunkt der Welt“ Y

„Berlin tut gut.“ Y

„Das neue Berlin.“ Y

„Schaustelle Berlin.“ Y

„Berlin – stündlich neu“ („Berlin – different every hour“) Y

„Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin.“ Y

Der letztgenannte Slogan hat seine Wurzeln aus dem Sport, genauer aus den DFB-Po-kalspielen. Die Fans sangen dieses Lied im Hinblick auf die seit 1985 in Berlin stattfindenden Endspiele. Ebenso in Bezug auf das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in Berlin wurde dieser Schlachtruf von allen Fanblöcken benutzt. Im Rahmen von touristischen Kultur-marketing-Kampagnen wird dieser Slogan von der Berlin Tourismus Marketing GmbH und deren Partnern eingesetzt.

Die zweite Phase: Die Markenanalyse zu Berlin

Die Ergebnisse der Markenanalyse sind umfangreich, da sechs Länder einzeln untersucht wurden. In allen Ländern wurde ein eigenes Freelisting durchgeführt und mit einer weiteren Stichprobe der Triadentest durchgeführt, um für jedes Land eine eigene Kognitive Landkar-te zu Berlin zu erhalten. Zudem wurden quantitative und qualitative Fragen gestellt, um das Marken-Dach sowie die vier Marken-Räume Berlins zu erfassen. Aus Platzgründen werden hier nicht alle Ergebnisse der Markenanalyse dargestellt, sondern Schwerpunkte herausge-filtert.

Page 132: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

134 | Destinationen und Marke

Da Berlin sich einer großen Bekanntheit erfreut, ist es nicht verwunderlich, dass viele As-soziationen die allgemeinen Erwartungen widerspiegeln. Das ist auch gut so. Denn natür-lich werden Assoziationen von den Zielgruppen genannt, die keine Überraschung sind. Doch nicht die Nennung von Assoziationen allein ist relevant, sondern welche Gewichtung diese Assoziationen haben und wie diese miteinander in der Kognitiven Landkarte verbunden sind. Zudem stellt sich am Anfang die Grundfrage, ob Berlin überhaupt über einen Markenkern verfügt, also über homogene Assoziationen. Oder ist Berlin wirklich so vielfältig, so diffus, so komplex, dass es sich immer wieder anders darstellen muss – also eine sich wandelnde Mar-ke. Diesen Fragen wollen wir auf den Grund gehen.

Was assoziieren Sie mit Berlin? Diese Frage hat es in sich, denn sie erfasst das gesamte Spektrum an möglichen Assoziationen. Diese Frage ist der Beginn des Freelistings und ge-währt dem Probanden den notwendigen Freiraum, in seinen eigenen Worten ohne Vorgaben assoziieren zu können. Hier die Ergebnisse aus den Freelisting für alle Länder:

Abbildung II-11: Ergebnisse: Freelisting Überblick I (Deutschland, Frankreich, Polen)

Flughäfen

Begriff

Mauer

Kulturangebot

Hauptstadt

Geschichte

Museen

tolles Nachtleben

Architektur

Wiedervereinigung

große Restaurant-und Kneipen-n-auswahl

interessanteSehenswürdigkeiten

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

PW

Bier

Berliner Lebensart

modern

Denkmäler

1091

374

423

344

225

304

255

234

210

223

148

148

143

134

130

Begriff

Brandenburger Tor

Nahverkehr

Ost/West

Love Parade

2. Weltkrieg

Autobahn

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

PW

847

716

543

302

165

262

219

152

162

124

141

119

108

105

93

Deutschland Frankreich PolenBegriff

Brandenburger Tor

Brandenburger Tor

Hauptstadt

Weltstadt

Bundespolitik

Reichstag

Fernsehturm

Zoologischer Garten

Flüsse undSeenlandschaft

Kulturangebot

gute Shopping-g-möglichkeiten

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

PW

interessanteSehenswürdigkeiten

Mauer/Teilung

Tolles Nachtleben

Alexanderplatz

Museen

597

531

374

349

273

316

282

229

230

220

222

211

210

191

170

Mauer

interessanteSehenswürdigkeiten

Hauptstadt

Fernsehturm

Kulturangebot

Reichstag

Museen

gute Shopping-g-möglichkeiten

Page 133: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

135 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Abbildung II-12: Ergebnisse: Freelisting Überblick II (Niederlande, UK, USA)

Begriff

MauerMauer

Geschichte

große Restaurant-und Kneipen-n-auswahl

interessanteSehenswürdigkeiten

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

PW

740

346

498

337

231

317

268

249

194

209

179

167

159

157

152

Begriff

2. Weltkrieg

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

PW

1247

1029

528

499

416

451

417

318

320

248

309

246

204

188

131

Niederlande UK USABegriff

gute Shopping-g-möglichkeiten

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

15

PW

interessanteSehenswürdigkeiten

Essen/Speisen

Kurfürstendamm

Stadtbesichtigung

538

475

415

386

310

376

340

169

248

143

167

130

126

115

114

Mauer

Kulturangebot

Museen

Architektur

Kulturangebot

Berliner Lebensart

Ost/WestOst/West

Großstadt

Museen

schön

14

Kulturangebot

Geschichte

Architektur

Bier

Museen

tolles Nachtleben

2. Weltkrieg

Essen/Speisen

Brandenburger Tor

Hauptstadt

große Restaurant-und Kneipen-n-auswahl

Ost/West

Berliner Lebensart

Essen/Speisen

Geschichte

Berliner Lebensart

Bier

gute Shopping-g-möglichkeiten

Brandenburger Tor

Tolles Nachtleben

Architektur

Ost/West

große Restaurant-und Kneipen-n-auswahl

interessanteSehenswürdigkeiten

Drei grundlegende Erkenntnisse sind aus den Länder-Freelistings zu Berlin ableitbar: Erstens: Die Assoziationen sind durchweg positiv. Das Berlin-Bild ist in allen sechs Län- Y

dern ähnlich gut. Zweitens: Es gibt in allen sechs Ländern gemeinsame Kern-Assoziationen, also homoge- Y

ne Vorstellungen. Berlin verfügt somit über einen festen Markenkern. Drittens: Es gibt erkennbare Schwerpunkte in den jeweiligen Ländern, die für die Berlin- Y

Kommunikation entscheidend sind.

Eine große Mehrheit der Befragten assoziiert mit Berlin „Mauer“. Aus der Betrachtung der einzelnen Assoziationen ist zu erkennen, dass Berlin-Besucher eine große Erwartungshal-tung haben, „Reste der Mauer“ zu sehen. Zudem zeigt sich, dass die Mauer, obwohl ein ne-gatives geschichtliches Ereignis, eine gewisse Faszination ausübt. Assoziationen wie „die fa-mose Berliner Mauer“ verdeutlichen, dass dies ein Höhepunkt eines Berlin-Besuches ist. Als wichtigste Sehenswürdigkeit wird in der Regel das Brandenburger Tor genannt. Hiermit wird bestätigt, dass das Tor am Pariser Platz mehr ist als eine Sehenswürdigkeit – es ist ein Berliner Symbol; häufig wird es sogar als ein gesamtdeutsches Symbol von ausländischen Gästen ge-sehen. Weitere gemeinsame Kernassoziationen sind „Kulturangebot“, „tolle Shoppingmög-lichkeiten“ und „Essen und Trinken“. Bei der Betrachtung der einzelnen Länder zeigt sich je-doch, dass bereits beim Freelisting verschiedene Schwerpunkte gesetzt wurden. So haben US-Amerikaner „Essen und Speisen“ an vierter Stelle genannt. Interessant ist auch der Blick

Page 134: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

136 | Destinationen und Marke

in die Einzelassoziationen; so wird mit Berlin nicht nur Berliner Essen assoziiert, sondern auch Begriffe wie „Biergarten“, „Schnitzel“ oder „Strudel“, was darauf hinweist, dass Berlin stell-vertretend für Deutschland gesehen wird. Beim Cluster „Kulturangebot“ werden stellvertre-tend die Einzelassoziationen britischer Befragungsteilnehmer gezeigt.

Cluster „Kulturangebot“ (Einzelaussagen aus UK)

Berlin is noted for its numerous cultural institutions, burlesque, cultural place, culture (8), fabulous cul-ture, mainly with beer, I imagine it to be quite cultured, modern culture, reminds me of film cabaret, the city and culture, the culture (2), the culture, theatre, Berlin theatre, concert house, art, art galleries (2), I imagine it to be quite cultured – art galleries etc., music (2), music scene, music – going out, or-chestras, the song

Die häufige Nennung zu Kultur bestätigt, wofür Berlin bereits bekannt ist. Doch das Free-listing zeigt, was mit dem schwammigen Oberbegriff „Kulturangebot“ konkret gemeint ist.

Mit Berlin wurde ebenfalls häufig „Nachtleben“ assoziiert – hierzu zählen Aussagen wie „Stadt, die niemals schläft“, „tolles, brausendes Nachtleben“, „good party atmosphere“ und die vielen „exciting clubs“.

Neben den gemeinsamen Kernassoziationen setzen einige Länder Schwerpunkte. So ist beispielsweise für Niederländer (4. Platz im Freelisting), Franzosen (9. Platz im Freelisting) und Briten (5. Platz im Freelisting) die „Architektur“ enorm wichtig. Einzelaussagen wie „eine neue spektakuläre Bauart“ oder „Architekturunterschiede alt und neu“ verdeutlichen, dass Berlin aus städtebaulicher Sicht etwas zu bieten hat.

Interessant ist auch die Einschätzung zu den „Menschen“, die insgesamt als sehr positiv gesehen wird. Hierzu gehören Einzelaussagen wie „a lot of different people“, „young trendy people“, „Lebensfreude“ oder „viel soziales Leben“. Daraus ist erkennbar, dass es durchaus eine typische „Berliner Lebensart“ gibt.

Mit einer weiteren Stichprobe wurde mit 15 Assoziationen aus dem Freelisting ein Tria-dentest durchgeführt, um für jedes Land eine Kognitive Landkarte zu Berlin zu erhalten.

Stellvertretend für alle sechs Kognitiven Landkarten zu Berlin wird ein Blick auf die Asso-ziationskarten von Deutschland, Frankreich und den USA geworfen. Anhand der deutschen Kognitiven Landkarte wird das Prinzip für die Interpretation kurz beschrieben (siehe Abbil-dung II-13).

Die Kognitive Landkarte zu Berlin aus deutscher Sicht zeigt viele gemeinsame Assziations-cluster und wenige freistehende Assoziationen (so genannte Satelliten). Was bedeutet dies?

Das erste zusammenhängende Cluster besteht aus den Assoziationen „Alexanderplatz“, Y

„Kurfürstendamm“ und „Potsdamer Platz“. Das zweite Cluster besteht aus „interessante Sehenswürdigkeiten“, „großes Kulturange- Y

bot“, „Zoologischer Garten“ und „Museen“. Das dritte Cluster besteht aus den beiden Assoziationen „Brandenburger Tor“ und „Mauer Y “. Das vierte Cluster verbindet die Assoziationen „multikulturelle Weltstadt“, „gute Shop- Y

pingmöglichkeiten“, „tolles Nachtleben“ und „Nahverkehr“. Dagegen existieren nur zwei Assoziationen, die mit keinen anderen Assoziationen verbun- Y

den sind – dies sind „Flüsse und Seen“ und „gute Übernachtungsmöglichkeiten“.

Page 135: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

137 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Abbildung II-13: Kognitive Landkarte zu Berlin aus deutscher Sicht

Flüsse und Seen

Mauer

gute Übernachtungsmöglichkeiten

Zoologischer Garten

interessante Sehenswürdigkeiten

Nahverkehr

Brandenburger Tor

Museen

Potsdamer Platz

Alexanderplatz

grosses Kulturangebot

gute Shoppingmöglichkeiten

tolles Nachtleben

Kurfürstendamm

multikulturelle Weltstadt

Die Menge an zusammenhängenden Clustern zeigt, dass es bei den Deutschen bereits ein zusammenhängendes Bild zu Berlin gibt. Berlin füllt viele Themenbereiche aus; diese The-menbereiche (Cluster) verfügen über ein starkes Profil. Fazit: Aus Sicht der Deutschen ist Ber-lin eine starke Marke. Wie werden diese Assoziationscluster interpretiert? Nehmen wir das Beispiel des dritten Clusters, so zeigt sich, dass das „Brandenburger Tor“ weniger als eine Se-henswürdigkeit gesehen wird, sondern eher als ein historisches Symbol, das in Verbindung mit „Mauer“ für das Ende des Kalten Krieges und für die Wiedervereinigung steht. Dies be-deutet, dass deutsche Besucher an dieser Stelle Informationen zu diesem Ereignis der Wie-dervereinigung erwarten, zumindest ein Stück der „Mauer“.

Das in der Nähe befindliche zweite Cluster verdeutlicht, dass die „interessanten Sehens-würdigkeiten“ mit „Museen“ und „großem Kulturangebot“ assoziiert werden und nicht mit historischen Monumenten. Auch der Berliner Zoo gehört in dieses Cluster, ist also ein Muss für Museen- und Kulturinteressierte.

Interessant ist auch das vierte Cluster, bei dem „multikulturelle Weltstadt“ mit den Ein-kaufsmöglichkeiten, dem Nachtleben und den guten Verkehrsanbindungen innerhalb Berlins verbunden wird. Hier ist der legendäre Ruf Berlins als Partystadt deutlich signifikant.

Beim ersten Cluster ist zu erkennen, dass die drei bekannten Orte „Alexanderplatz“, „Kur-fürstendamm“ und „Potsdamer Platz“ nicht mit „guten Shoppingmöglichkeiten“ und auch nicht mit „interessanten Sehenswürdigkeiten“ verbunden werden. Daraus ist zu schließen, dass diese Orte dem Besucher zwar bekannt sind, dieser aber von den Shoppingmöglichkei-ten dort nicht überzeugt ist bzw. andere Einkaufsorte bevorzugt. Für die drei Orte bedeutet dies, dass sie noch kein markantes Profil haben, das für bestimmte Assoziationen steht, son-dern besucht werden, da sie bekannt sind. Es ist davon auszugehen, dass die deutschen Ber-lin-Besucher zu viel von den drei Orten erwarten und eventuell enttäuscht sind.

Page 136: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

138 | Destinationen und Marke

Dass nur zwei Assoziationen keinem Cluster angehören, zeigt, dass Berlin aus deutscher Sicht über zahlreiche, viel versprechende Themen verfügt.

Beim Blick auf die Kognitive Landkarte aus französischer Sicht zeigt sich ein differenzier-teres Bild mit folgenden Assoziationsclustern:

Abbildung II-14: Kognitive Landkarte zu Berlin aus französischer Sichtdeutsche Hauptstadt

grosse Restaurant-, Bar- und Kneipenauswahl

Berliner Lebensart

Mauer Geschichte

DenkmälerBrandenburger Tor

Architektur

interessante Sehenswürdigkeiten

grosses Kulturangebot

Bier

Museen

tolles Nachtleben

Jugend/jung

modern

Das erste Cluster besteht aus den Assoziationen „modern“ und „Jugend/jung“. Y

Das zweite Cluster beinhaltet „große Restaurant-, Bar- und Kneipenauswahl“, „Bier“ und Y

„Berliner Lebensart“. Beim dritten Cluster sind „Mauer“, „Brandenburger Tor“, „großes Kulturangebot“, „Ge- Y

schichte“ und „Denkmäler“ miteinander vernetzt. Im vierten Cluster verbinden sich die Assoziationen „interessante Sehenswürdigkeiten“ Y

und „Museen“. Aus französischer Sicht gibt es drei Assoziationen, die nicht mit anderen verbunden sind: Y

„deutsche Hauptstadt“, „tolles Nachtleben“ sowie „Architektur“.

Fangen wir den Satelliten an. Die allein stehende Assoziation „Architektur“ steht in kei-nem Zusammenhang mit „interessanten Sehenswürdigkeiten“, das mit „Museen“ verbun-den ist. Dies bedeutet, dass hiermit die moderne Architektur der Stadt gemeint ist. Auch der Satellit „tolles Nachtleben“ steht nicht in Verbindung mit „Jugend“, „Berliner Lebensart“ oder „großes Kulturangebot“, was bedeutet, dass es zwar ein großes Angebot gibt, aber Franzo-sen hiermit nichts Spezielles verbinden.

Die „Berliner Lebensart“ hat eindeutig einen gastronomischen Hintergrund; in den Res-taurants, Bars und Kneipen lässt sich diese Lebensart am besten studieren.

Page 137: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

139 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Wie aus deutscher Sicht ist auch bei den Franzosen das „Brandenburger Tor“ mit „Mau-er“ und „Geschichte“ verbunden. Das Brandenburger Tor ist auch hier also keine „interessan-te Sehenswürdigkeit“, sondern primär ein Symbol für die deutsche Wiedervereinigung. Die „interessanten Sehenswürdigkeiten“ beziehen sich eindeutig auf „Museen“ und stehen da-mit bei den Franzosen ganz oben auf der Besuchsliste.

Insgesamt zeigt sich aus französischer Sicht, dass der Assoziationsraum weitaus verteilter im Raum ist. Das Profil der Stadt ist zwar in den Clustern erkennbar, besteht aber nicht so klar wie aus deutscher Sicht. Aus französischer Sicht hat Berlin eindeutig einen geschichtlichen Schwerpunkt, verbunden mit einer gastronomischen Dimension. Der Assoziationsraum der Marke zeigt aber auch, dass das Bild Berlins in Frankreich noch ausbaufähig ist. So muss die Assoziation „tolles Nachtleben“ mit einer weiteren Assoziation verbunden werden, damit hier eine markenrelevante Bedeutung entstehen kann. Auch das Cluster „jung/Jugend“ steht au-tark am Rande der Kognitiven Landkarte und zeigt, dass dies zwar gesehen wird, aber nicht richtig zugeordnet werden kann. Hier wird deutlich, dass aus französischer Sicht die Stadt im Wandel ist.

Ein interpretativer Blick auf die Kognitive Landkarte aus US-amerikanischer Sicht zeigt fol-gendes Bild:

Abbildung II-15: Kognitive Landkarte zu Berlin aus US-amerikanischer Sicht

grosse Restaurant- und Kneipenauswahl, Speisen

Berliner Lebensart

Architektur

Bier

tolles Nachtleben

gute Shoppingmöglichkeiten

Brandenburger Tor

Museen

Geschichte

interessante Sehenswürdigkeiten

Mauer

deutsche Hauptstadt

Weltstadt

großes Kulturangebot

gute Übernachtungsmöglichkeiten

Das erste Cluster besteht aus „Geschichte“ und „Brandenburger Tor“. Y

Das zweite Cluster verbindet „Mauer“, „interessante Sehenswürdigkeiten“, „großes Kul- Y

turangebot“ und „Museen“. Im dritten Cluster vereinen sich „gute Shoppingmöglichkeiten“ und „tolles Nachtleben“. Y

Page 138: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

140 | Destinationen und Marke

Alleinstehende Satelliten sind „große Restaurants- und Kneipenauswahl, Speisen“, „Ber- Y

liner Lebensart“, „Bier“, „Architektur“, „deutsche Hauptstadt“, „Weltstadt“ und „gute Übernachtungsmöglichkeiten“.

Allein aus der geringen Menge an zusammenhängenden Assoziationen und den vielen Satelliten zeigt sich, dass aus amerikanischer Sicht ein sehr undifferenziertes Bild über Ber-lin vorherrscht. Es gibt zwar viele Assoziationen zu Berlin, aber wenige, aus denen marken-relevante Bedeutungen entstehen. Dies bedeutet, dass in den USA noch ein großes Poten-zial zum Aufbau der Marke sowie in der Kommunikation markenrelevanter Botschaften liegt. Ein Beispiel: So ist die allein stehende Assoziation „Weltstadt“ noch inhaltsleer – also ohne markenrelevante Bedeutung. Hier gilt es in Zukunft zu erreichen, dass Weltstadt mit anderen Assoziationen ein Cluster bildet – beispielsweise mit „tolles Nachtleben“, „große Restaurant- und Kneipenauswahl“ oder „Berliner Lebensart“.

Wie bei der deutschen und der französischen Landkarte ist das „Brandenburger Tor“ pri-mär ein gesamtdeutsches Symbol. Dagegen sind „interessante Sehenswürdigkeiten“ eher geschichtlich und kulturell einzuordnen. Die Größe dieses Clusters belegt, dass Amerikaner ein starkes historisches Interesse an Berlin haben.

Bei den „guten Shoppingmöglichkeiten“ in Verbindung mit „tollem Nachtleben“ zeigt sich, dass hier nicht die klassischen Einkaufsgegenden Alexanderplatz, Potsdamer Platz oder Kurfürstendamm gesehen werden, sondern eher Szenegeschäfte (Second Hand Shops, Anti-quitäten, Design- und Modeläden) in den Gegenden, wo das Nachtleben Berlins stattfindet.

Die hier vorgenommene Interpretation gibt nur einen kleinen Einblick in die möglichen strategischen Ansätze für die Marke Berlin in den jeweiligen Ländern. Um eine Gesamtsicht zu erhalten, müssen die freien Assoziationen aus dem Freelisting und die Ergebnisse der Ko-gnitiven Landkarten mit den quantitativen und qualitativen Ergebnissen verglichen werden.

Abbildung II-16: Wie stark steht Berlin für Deutschland?

gar nicht weniger stark eher stark sehr stark

100 %

50 %

1% 0% 0%1% 2% 2%

Deutschland Polen

Frankreich UK

Niederlande USA

8% 9% 9% 8%5%

32%

37%

62%

21%

32%30%

59%

54%

28%

70%

63%65%

4%

Page 139: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

141 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Eine elementare Erkenntnis ist, dass Berlin mehr als eine Tourismusdestination oder eine Stadt ist. Berlin steht für die Mehrheit der Befragten stellvertretend für Deutschland (siehe Abbildung II-16).

Berlin ist ein Symbol für Deutschland – nicht nur als Hauptstadt, sondern Berlin steht auch für geschichtliche, politische, kulturelle, wirtschaftliche und gastronomische Inhalte. Dies ist wichtig, da ausländischen Touristen vermittelt werden muss, dass für einen Deutsch-landbesuch Berlin ein Muss ist. In Berlin zeigt sich Deutschland als komprimiertes Gesamt-bild. Dies ist interessant, da sich umgekehrt die Frage stellen würde, ob London für Großbri-tannien, Peking für China, Washington für die USA oder Wien für Österreich repräsentativ stehen. Beeindruckend ist, dass sogar die deutschen Befragten, obwohl diese naturgemäß eine weitaus differenziertere Sicht als Ausländer haben, mit knapp 60 Prozent Berlin gleich Deutschland sehen. Daraus ist zu erkennen, dass die Deutschen Berlin als Hauptstadt akzep-tiert haben – nur ein Prozent der Befragten haben hier „gar nicht“ ausgefüllt.

In diesem Zusammenhang ist ein Blick auf die Frage nach der Internationalität der Stadt interessant.

Abbildung II-17: Wie stark steht Berlin für Internationalität?

gar nicht weniger stark eher stark sehr stark

100 %

50 %

1% 1%0%0%1%

Deutschland

Frankreich

Niederlande

Polen

UK

USA

2%

10%

16%

5%

15%

5%

52%

61% 60%

36%

47%

67%

36%

22%

59%

25%

47%

2%

30%

Das Ergebnis ist bemerkenswert, denn Berlin steht für Deutschland und zugleich für In-ternationalität. Berlin schafft also den Spagat, deutsch und international zu sein. Dies könn-te ein entscheidendes Differenzierungsmerkmal gegenüber anderen deutschen Destinatio-nen sein.

Aus Tourismussicht stellt sich naturgemäß die Frage, ob Berlin grundsätzlich eine Reise wert ist.

Page 140: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

142 | Destinationen und Marke

Abbildung II-18: Bitte beurteilen Sie die folgenden Aussagen zu Berlin auf einer Skala von 1 (trifft über-haupt nicht zu) bis 7 (trifft voll zu). Berlin ist immer eine Reise wert.

1

2

3

4

6

7

5

Deutschland Frankreich Niederlande Polen UK USA

5,7 5,5 5,75,45,5

6,0

Auf einer Skala von 1 (trifft überhaupt nicht zu) bis 7 (trifft vollkommen zu) erreicht Ber-lin einen Mittelwert bei allen sechs Ländern von 5,6, was ein guter Wert ist. In Frankreich, Deutschland und den USA liegen die Ausprägungen etwas über diesem Durchschnitt.

Wenn es um Spaß und gute Unterhaltung geht, erfüllt Berlin ebenfalls die Erwartungen.

Abbildung II-19: Bitte beurteilen Sie die folgenden Aussagen zu Berlin auf einer Skala von 1 (trifft über-haupt nicht zu) bis 7 (trifft voll zu). Berlin ermöglicht Spaß und gute Unterhaltung.

1

2

3

4

6

7

5

Deutschland Frankreich Niederlande Polen UK USA

5,75,3 5,4

5,0

5,6 5,5

Aus deutscher, polnischer, französischer und amerikanischer Sicht bietet die Stadt Spaß und Unterhaltung, allein aus niederländischer und britischer Sicht liegt der Wert zwar noch im positiven Bereich, doch weniger ausgeprägt als in den anderen vier Ländern. In Verbin-dung mit der Frage nach vielen Ausgeh- und Freizeitmöglichkeiten zeigt sich das in Abbil-dung II-20 dargestellte Bild.

Hier erhält Berlin insgesamt ein positives Ergebnis, das jedoch differenziert zu betrach-ten ist. Sind die Ausprägungen aus deutscher, polnischer, französischer und amerikanischer Sicht sehr positiv, gibt es aus niederländischer und britischer Sicht weniger Zustimmung (ob-wohl die Werte ebenfalls im positiven Bereich liegen). Aus den letzten beiden Diagrammen ist somit zu erkennen, dass Berlin insgesamt für Freizeit, Spaß und Unterhaltung steht, doch die niederländischen und britischen Erwartungen hier nicht ganz erfüllt werden. Dies wird

Page 141: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

143 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

auch bei der Frage nach dem legendären Ruf in Bezug auf das Berliner Nachtleben ersicht-lich, wo aus deutscher, polnischer und amerikanischer Sicht ausgeprägte, positive Werte er-mittelt wurden.

Abbildung II-20: Bitte beurteilen Sie die folgenden Aussagen zu Berlin auf einer Skala von 1 (trifft über-haupt nicht zu) bis 7 (trifft voll zu). Berlin bietet unglaublich viele Ausgeh- und Freizeit-möglichkeiten.

1

2

3

4

6

7

5

Deutschland Frankreich Niederlande Polen UK USA

5,9

5,1 5,3

4,5

5,8 5,6

Interessant ist ebenfalls das nächste Diagramm, das auf die Freundlichkeit der Berliner eingeht.

Abbildung II-21: Bitte beurteilen Sie die folgenden Aussagen zu Berlin auf einer Skala von 1 (trifft über-haupt nicht zu) bis 7 (trifft voll zu). Die Berliner Freundlichkeit beschert den Besuchern angenehme Erlebnisse.

1

2

3

4

6

7

5

Deutschland Frankreich Niederlande Polen UK USA

4,9 4,8

5,5

4,85,2

4,9

Vor dem Hintergrund des immer wieder gehörten Vorurteils, dass Berliner sehr direkt oder sogar unfreundlich sein können (so genannte „Berliner Schnauze“), ist dies ein positi-ves Ergebnis. Zwar kamen in den Freelistings vereinzelt Nennungen über „rude people“ zu Tage, doch insgesamt betrachtet werden die Berliner als freundliche und hilfsbereite Men-schen gesehen.

Steht Berlin für ein gutes Gefühl? Diese Frage nach einem emotionalen Aspekt ist ein zu-sätzliches Kontrollkriterium, das Themen wie Freundlichkeit, Sympathie und Erwartungser-füllung konzentriert abbildet.

Page 142: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

144 | Destinationen und Marke

Abbildung II-22: Wie stark steht Berlin für ein gutes Gefühl?

gar nicht weniger stark eher stark sehr stark

100 %

50 %

Deutschland

Frankreich

Niederlande

Polen

UK

USA

17%

35%

22% 22% 22%18%

56%

66%

54%

63%

52%

19%

7%11%

8%

23%

28%

62%

2% 2%0%

7%

2% 2%

Das Bild ist über alle sechs Länder positiv. Die Ausprägungen auf der negativen Seite sind gering; die Mehrheit der Befragten findet, dass Berlin für eher starke, wenn nicht sogar sehr starke gute Gefühle steht (in keinem Land liegt der Wert bei „eher stark“ unter 50 Pro-zent). Auch bei der Frage, ob Berlin für ein „hohes Ansehen“ steht, wird deutlich, dass hier die Mehrheit durchgängig sehr positiv antwortet.

Abbildung II-23: Wie stark steht Berlin für ein hohes Ansehen?

gar nicht weniger stark eher stark sehr stark

100 %

50 %

Deutschland

Frankreich

Niederlande

Polen

UK

USA

11%

16%

21% 21%

4%

13%

72%

57%

77%

55%

25%

12%8%

19%21%

31%

61%

3%1% 0%0%

2% 1%

71%

Page 143: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

145 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Fazit:

Berlin steht hoch im Kurs bei allen Befragten. Was aus den Übernachtungszahlen schon erkennbar ist, wird auch durch die Ergebnisse der Markenanalyse bestätigt.

Wie im ersten Kapitel beschrieben, ist eine Zielgruppe niemals homogen, sondern kann nach unterschiedlichen Kriterien gegliedert werden. Aus Sicht der Marke gibt es innerhalb der Zielgruppe ein Segment, das ein besonderes Augenmerk erfordert und häufig übersehen wird: die Fans der Marke!

Die Fans der Marke haben eine besonders starke Bindung zur Marke und fallen durch hohe Markenloyalität auf. Sie sehen die Marke in jeder Hinsicht positiv; auch offensichtliche Fehler werden verziehen. Fans der Marke sind somit die Keimzelle einer erfolgreichen Mar-ken-Kommunikation, da Fans die Marke nicht nur permanent nutzen, sondern auch mündlich weiterempfehlen. Dabei ist es unerheblich, ob es eine Konsumgütermarke oder eine Investi-tionsgütermarke ist – Fans finden sich überall, in jedem Segment. Auch im Tourismus zeigt sich dies beispielsweise an Destinationen, wo Marken-Fans jährlich immer wieder hinfahren, obwohl die Welt voller schöner Alternativen ist. Auch Berlin hat seine Fans:

Tabelle II-17: Die Fans einer Marke sind besonders loyal.

Land Befragte insgesamt davon Berlin-Fan Berlin-Fan in % der Befragten Deutschland 110 29 29 %

Frankreich 135 18 13 %

Niederlande 122 10 8 %

Polen 111 29 26 %

UK 112 31 28 %

USA 204 91 45 %

Gesamt 794 208 26 %

Fans sind das Ergebnis von evozierenden Marken, also Marken, die über ein durchset-zungsfähiges Bedeutungssystem verfügen. Bei der Marke Berlin ist dieser Anteil hoch; es ist davon auszugehen, dass Berlin für starke Bedeutungen steht, die sich im Bewusstsein der Fans manifestiert haben.

Die Frage, die sich stellt, ist, welche markenstrategischen Schwerpunkte gesetzt werden müssen, um Berlin für die Zukunft optimaler aufstellen zu können. Bevor aus allen Ergebnis-sen das Marken-Haus als Übersicht entwickelt wird, gibt ein Blick auf einige qualitative Er-gebnisse Aufschluss über relevante Details.

Bei der offenen Frage, wie Berlin in einem Satz erklärt werden kann, antworteten die meisten Befragten, dass Berlin mit den Begriffen „Geschichte“ und „Hauptstadt“ zu beschrei-ben sei, was zeigt, dass der historische Zusammenhang Berlins ein entscheidender Faktor für den Besuch der Stadt ist. Interessant sind jedoch Äußerungen wie „schön/schöne Ausstrah-lung“ (25 Prozent der niederländischen Befragten, 23 Prozent der polnischen Befragten, 9 Prozent der US-amerikanischen Befragten). Auch die Beschreibung „lebendig“ wird von den meisten ausländischen Befragten genannt.

Page 144: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

146 | Destinationen und Marke

Um eine Marke zu optimieren, ist die Frage nach den Schwächen entscheidend (Wo liegen die Schwächen von Berlin?). Hier ergibt sich ein interessantes, weil gegensätzliches Bild.

Tabelle II-11: Deutschland

Ranking Nennungen % der Befragten1 dreckig / mangelnde Sauberkeit 23 %

2 Verschuldung 20 %

3 Größe / zu groß 9 %

4 Ghettos / Problembezirke 8 %

5 hohe Kriminalität 8 %

6 öffentliche Armut / Armut der Menschen / Sozialschwache 8 %

7 Berlin hat keine Schwächen / mir fallen keine ein 7 %

8 zu multikulturell / zu hoher Ausländeranteil 7 %

9 zu viele Baustellen 7 %

10 weiß ich nicht / keine Ahnung 6 %

Tabelle II-12: Frankreich

Ranking Nennungen % der Befragten1 weiß ich nicht / keine Ahnung 21 %

2 Vergangenheit 11 %

3 Wetter / Klima / Kälte 8 %

4 Berlin hat keine Schwächen / mir fallen keine ein 7 %

5 hohe Lebenshaltungskosten / Kosten allgemein 5 %

6 die Entfernung / Entfernung zu Frankreich 4 %

7 ehemalige Ost-West-Teilung / Berliner Mauer 4 %

8 dreckig / unsauber 3 %

9 ich war noch nicht in Berlin / Ich kenne Berlin nicht 3 %

10 Lage (geografisch) 3 %

Page 145: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

147 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Tabelle II-13: Niederlande

Ranking Nennungen % der Befragten1 weiß ich nicht / keine Ahnung 26 %

2 düstere Ausstrahlung / grau / „Betonausstrahlung“ 8 %

3 Hektik allgemein / Verkehrshektik 8 %

4 Nichts / Berlin hat keine Schwächen 8 %

5 Baustellen 7 %

6 Größe 6 %

7 zu weit / Entfernung 6 %

8 dreckig / schmutzig 5 %

9 Armut 4 %

10 Ich war noch nicht in Berlin 4 %

Tabelle II-14: Polen

Ranking Nennungen % der Befragten1 Berlin hat keine Schwächen / mir fallen keine ein 20 %

2 weiß ich nicht / keine Ahnung 15 %

3 Verkehr allgemein / Stau 9 %

4 fehlende Gastfreundlichkeit / Hochnäsigkeit /Mentalität der Einwohner

7 %

5 dreckig / schmutzig 5 %

6 Größe / zu groß 4 %

7 Ich war noch nicht in Berlin 4 %

8 schlechte Promotion Berlins als Touristenstadt /zu wenig Werbung für die Stadt

4 %

9 Spuren der Ost-West-Teilung / schwach entwickelter Ostteil 3 %

10 teuer 3 %

Page 146: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

148 | Destinationen und Marke

Tabelle II-15: UK

Ranking Nennungen % der Befragten1 Berlin hat keine Schwächen / mir fallen keine ein 21 %

2 weiß ich nicht / keine Ahnung 18 %

3 Klima / Wetter 5 %

4 Unfreundlichkeit der Menschen 5 %

5 Vergangenheit 5 %

6 Größe / zu groß 3 %

7 Ich war noch nicht in Berlin 3 %

8 schlechte Promotion Berlins als Touristenstadt /zu wenig Werbung für die Stadt

3 %

9 Spuren der Ost-West-Teilung / Schwach entwickelter Ostteil 3 %

10 teuer 3 %

Tabelle II-16: USA

Ranking Nennungen % der Befragten1 Nichts / Berlin hat keine bzw. kaum Schwächen /

mir fallen keine ein27 %

2 weiß ich nicht / keine Ahnung 16 %

3 Vergangenheit / Geschichte allgemein 6 %

4 Unfreundlichkeit der Einwohner / Mentalität allgemein 6 %

5 Sprache 4 %

6 Spuren der Ost-West-Teilung / Aufbau Ost 4 %

7 Regierung / Politik 3 %

8 Ich war noch nicht in Berlin 3 %

9 2. Weltkrieg / Hitler 2 %

10 Kriminalität 2 %

Die Sicht der deutschen Befragten steht im Kontrast zu den Meinungen der anderen fünf Länder. So werden aus deutscher Perspektive Themen wie „dreckig“, „Verschuldung“, „Pro-blembezirke“ oder „hohe Kriminalität“ genannt. Auch wenn andere Städte ebenfalls mit die-sen Problemen zu kämpfen haben, bedeutet dies für Berlin, dass hier Stereotype aufgebaut worden sind. Aus polnischer Sicht steht „dreckig“ an fünfter Stelle, in Frankreich und den Niederlanden an achter Stelle und in den USA auf dem 15. Platz.

Ein ernstzunehmender Faktor ist, dass die „Größe“ der Stadt als eine relevante Schwäche genannt wurde – aus deutscher Sicht immerhin an dritter Stelle und in den Niederlanden, Po-len und Großbritannien an sechster Stelle. Da nicht davon auszugehen ist, dass hier die tat-sächliche Größe der Stadt gemeint ist (denn andere Metropolen sind ebenfalls von der Fläche her groß oder größer), ist davon auszugehen, dass hier von der gefühlten Größe Berlins ge-

Page 147: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

149 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

sprochen wird. Insbesondere die Weitläufigkeit der Stadt sowie die große Distanz zwischen einzelnen Sehenswürdigkeiten und Plätzen und das Fehlen eines Zentrums (vergleichbar mit klassisch gewachsenen Städten) geben den Befragten das Gefühl von Größe, was als nega-tives Kriterium ausgelegt wird. Hieraus ist abzuleiten, dass viele Berlin-Besucher dies nicht von vornherein wissen und daher angesichts der Menge an Sehenswürdigkeiten und der zu-rückzuliegenden Distanz überrascht sind. Dies führt zu Orientierungslosigkeit und Irritationen, was wiederum als Schwäche der Stadt angesehen wird.

Für die Markenbildung relevant ist, dass Berlin häufig mit keinen Schwächen in Verbin-dung gebracht wird – in Frankreich und den Niederlanden steht dieser Aspekt an vierter Stel-le, in Polen, Großbritannien und den USA jeweils an erster Stelle. Daraus ist abzuleiten, dass die Erwartungen der Berlin-Besucher im Großen und Ganzen erfüllt werden. Auch aus deut-scher Sicht wird dieser Aspekt an siebenter Stelle genannt, was unterstreicht, dass Berlin – trotz kritischer Punkte und auch genannter Schwächen – ein insgesamt positives Bild abgibt. Aus der Analyse wird ebenfalls ein Detail erkennbar: Bezüglich des Wetters sind die französi-schen und britischen Berlin-Besucher überrascht; anscheinend wird hier erwartet, dass Ber-lin deutlich wärmer sei oder zumindest weniger schlechtes Wetter haben sollte. Dies ist na-turgemäß ein Aspekt, der nicht in der Verantwortung von Markenentscheidern liegt, doch eventuell sollte diesen Erwartungen in Frankreich und Großbritannien kommunikativ etwas entgegengesetzt werden.

Alle Einstellungsprofile zu Berlin im Vergleich

Aus den Einstellungsprofilen, den so genannten Markenimages der Befragten zu Berlin, bestätigt sich die Erkenntnis, dass Berlin nicht als heterogenes Sammelsurium gesehen wird, sondern auch ein ähnliches Einstellungsprofil aufweist. Obwohl Images nur zum Teil wich-tige Erkenntnisse für die Marke liefern, da sie nur einen kleinen Ausschnitt der sich schnell wandelnden Einstellungen der Befragten widerspiegeln, zeigt es doch, dass Berlin bei allen mehr oder weniger analoge Ausprägungen aufweist. Oder anders: Berlin hat ein Profil. Die-ses Profil ist mehrheitlich positiv.

Page 148: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

150 | Destinationen und Marke

Abbildung II-24: Einstellungen zu Berlin

Wie sehen Sie Berlin?

schnell

stark

dynamisch

universell

gepflegt

warm

sympatisch

mutig

auffällig

individuell

modern

einfach

innovativ

komfortabel

international

spannend

preiswert

freundlich

ansprechend

unvergleichbar

langsam

schwach

schwerfällig

speziell

ungepflegt

kalt

unsympatisch

feige

unauffällig

standardisiert

traditionell

kompliziert

konservativ

unkomfortabel

national

langweilig

überteuert

abstoßend

vergleichbar

unvergleichbar

0123 321

DeutschlandFrankreichNiederlandePolenUKUSA

Das Marken-Haus der Destination Berlin

Aus dem Marken-Haus ist erkennbar, dass Berlin über ein stabiles Fundament verfügt. Die Freelistings sowie die Kognitiven Landkarten bei allen sechs Ländern zeigen in komprimierter Form innerhalb des Marken-Fundaments, dass Berlin einen stabilen Markenkern hat.

Page 149: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

151 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Folgende Assoziationen bilden den Markenkern Berlins:

Abbildung II-25: Assoziationen, die den Markenkern Berlin bilden

Architektur / alt und neu / Geschichte /Museen / Denkmäler / Plätze

Teilung / ehemalige Grenze / Kalter Krieg /Fall der Mauer / Reste

BRANDENBURGER TOR

Intensiv / Dynamik / Vielfalt / einzigartigesErlebnis / Musik / Events / Künstler / Galerien /Avantgarde / Unterhaltung

GROSSES KULTURANGEBOT

Heterogen / pragmatisch / offen / gesellig / jung /trendy / spontan / soziales Leben / alternativ / laut /

sympathisch

BERLINER LEBENSART

Bars und Clubs / Restaurants / Kneipen / Szene /24 Stunden / lange Nächte / aktiv / lebendig /Party / gute Atmosphäre

TOLLES NACHTLEBENMAUER

INTERESSANTE SEHENSWÜRDIGKEITEN

Diese Kernassoziationen hängen miteinander zusammen und sind bedeutungsbildend. Zentrales Element ist das Brandenburger Tor, weil sich hier als bekanntes und – dies ist ent-scheidend – akzeptiertes visuelles Symbol alle weiteren Markeninhalte konzentrieren. Das Brandenburger Tor ist sozusagen der Schlüssel zum gesamten Marken-Haus, alle anderen Kern-Assoziationen konzentrieren sich um diesen zentralen Baustein.

Das Brandenburger Tor ist weitaus mehr als eine Sehenswürdigkeit, es ist ein Inbegriff für die Stadt und für Deutschland. Das Brandenburger Tor vermittelt auf der Ebene des Marken-Daches (z. B. als Bild, als anfassbares Gebäude) und auf der Ebene der Marken-Räume starke Konnotationen mit emotionalen und kognitiven Ausprägungen (Freiheit, Wiedervereinigung, Geschichte, Zukunft). Es steht also nicht nur für geschichtliche Assoziationen, sondern primär für einen Wert (Freiheit) und auch für die Zukunft (Wandel, Optimismus, das neue Deutsch-land etc.), was unter anderem durch die Neugestaltung des Platzes und der weiteren Um-gebung unterstrichen wird. Für die Marke Berlin bedeutet dies, dass das Brandenburger Tor zwar nicht inflationär als Medium eingesetzt werden darf, doch ausgesucht und qualitativ hochwertig für bestimmte Anlässe eingebettet werden muss – dies stärkt die Marke Berlin.

Die Kern-Assoziation „Mauer“ steht im direkten Zusammenhang mit dem Brandenburger Tor, wobei hier eine starke historische und zugleich faszinierende Dimension hinzukommt. Der Berlin-Besucher erwartet mehr „Mauer“. Er ist enttäuscht von der Nicht-Sichtbarkeit der Mauer bzw. von den wenigen, rudimentären Teilstücken und den dezentral gelegenen Infor-mationen. Für die Marke Berlin bedeutet dies, das Thema „Mauer“ zu erweitern, hierzu mehr Hintergrundinformationen zu vermitteln und zwar – dies ist wichtig – nicht vereinzelt in ent-legenen Bezirken, sondern zentral an den Routen der Top-Sehenswürdigkeiten. Berlin muss offensiver und selbstbewusster mit diesem Thema umgehen. Die Kern-Assoziation „großes Kulturangebot“ ist keine Überraschung, doch betrifft dies nicht, wie vielleicht erwartet, die Oper- und Theaterbühnen der Stadt, sondern Aspekte wie Kunst und Galerien, größere, aber

Page 150: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

152 | Destinationen und Marke

auch kleinere Ausstellungen und – dies ist ein Baustein mit großem Potenzial – die musika-lische Seite Berlins.

Die Kern-Assoziation „tolles Nachtleben“ betrifft die Vielfalt an Bars, Kneipen und Restau-rants und hängt mit der Kern-Assoziation „Berliner Lebensart“ eng zusammen. Hieran sind die multikulturelle Seite Berlins, aber auch das junge, frische und lebendige Element der Stadt geknüpft. Auch das soziale Leben auf den Straßen von Berlin ist den Befragten aufgefallen und gehört zur typischen Berliner Lebensart.

Die Kern-Assoziation „interessante Sehenswürdigkeiten“ zieht einen heterogenen Raum an weiteren Assoziationen nach sich. Hierzu gehören die klassischen Bauwerke und Orte wie Reichstag, Fernsehturm, Alexanderplatz und Potsdamer Platz. Aber auch neuere Orte wie das Holocaust-Mahnmal oder der Hauptbahnhof reihen sich in diese Assoziationskette mit ein. Erkennbar ist auch, dass räumlich betrachtet die meistgenannten Sehenswürdigkeiten im Osten der Stadt zu finden sind. Der Kurfürstendamm (als Sehenswürdigkeit und Shop-pingmeile), Schloss Charlottenburg, Siegessäule oder der Funkturm werden weniger häufiger genannt. Allein der Zoologische Garten bildet aus deutscher Sicht eine Ausnahme.

Bei diesem Markenkern muss einschränkend festgestellt werden, dass einige Baustei-ne zentral beeinflusst werden können; andere Bausteine liegen nicht in der Verantwortung der Markenverantwortlichen, so dass hier keine direkte markenbildende Stärkung stattfinden kann.

Alle Ergebnisse lassen sich überschaubar (siehe Abbildung II-26) im Marken-Haus Berlin darstellen, das aus dem Marken-Fundament (zusammengefasste Ergebnisse aller Freelistings sowie aller Kognitiven Landkarten), den Marken-Räumen (alle emotionalen und kognitiven Bausteine) sowie dem Marken-Dach besteht (alle wahrnehmbaren Bausteine).

Kurz zur Erklärung, wie das Marken-Haus gelesen werden muss. Alle aus der Marken-analyse erfassten Werte werden zusammengefasst und als Benchmarks dargestellt. Der Bench mark-Wert liegt zwischen 0 und 10. Je höher dieser ist, desto besser und stärker ist die Marke. Ab einem Wert von 5 liegt ein Markenstatus vor; alles unter 5 kann noch nicht als ausreichend homogene und anerkannte Marke betrachtet werden.

Berlin verfügt über einen stark ausgeprägten Markenstatus. Der Marken-Haus-Index liegt zwischen 6,7 (USA) und 7,7 (Deutschland). In Frankreich (7,1) ist er ähnlich hoch wie in den Niederlanden (7,2). Aus polnischer Sicht (7,6) erreicht er beinahe den gleich hohen Wert wie in Deutschland. Bei der Betrachtung der einzelnen Ebenen fällt auf, dass das Marken-Dach die niedrigsten Werte aufweist. So liegt der Wert aus deutscher Sicht bei 6,9 und in Polen so-gar bei 7,2. In den Niederlanden (4,8) und in den USA (4,5) sind die Werte für das Marken-Dach am wenigsten stark ausgeprägt. Dies bedeutet, dass die Marke Berlin in diesen beiden Ländern am wenigsten wahrgenommen wird. Schaut man beim Marken-Dach in die Einzel-dimension und prüft, wie oft Berlin zuletzt in den Medien wahrgenommen wurde, zeigt sich, dass dies in den USA, in Großbritannien und in den Niederlanden am geringsten geschieht. Hier muss Berlin seine Wahrnehmung deutlich verstärken.

Auf der Ebene der Marken-Räume zeigen sich sehr homogene Werte in einem Korridor zwischen 7 und 8. Überraschend ist, dass die USA mit 7,9 hier den höchsten Wert auswei-sen. Bei den Marken-Räumen werden folgende Dimensionen gemessen:

Einzigartigkeit (Brand Uniqueness Value) Y

Emotionen (Brand Emotion Value) Y

Page 151: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

153 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Vertrauen (Brand Credit Value) Y

Bindung (Brand Loyalty Value) Y

Abbildung II-26: Brand House Indices der Marke Berlin

6,9

6,0

4,8

7,2

5,3

4,5

7,3

7,2

7,9

BRAND ROOF INDEX

7,3

7,1

7,0

8,3

7,7

8,4

8,0

7,6

7,2

7,7

7,1

7,2

7,6

6,9

6,7

BRAND ROOMS INDEX

BRAND FOUNDATION INDEX

BRAND HOUSE INDEX

Deutschland

Frankreich

Niederlande

Polen

UK

USA

Darstellung der Ergebnisse als Benchmarks

Diese wiederum teilen sich in Einzelfragen auf. In allen vier Dimensionen erhält Berlin die besten Noten aus den USA, erst dann folgt Deutschland. Dies bedeutet, dass eine hohe po-sitive Bindung aus emotionaler und kognitiver Sicht besteht. Zum Brand Loyalty Value gehört unter anderem die Frage, wie viele sich als Berlin-Fans darstellen würden. Auch hier liegt der

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154 | Destinationen und Marke

Wert in den USA am höchsten, was deutlich macht, dass in den USA noch ein großes Poten-zial an Berlin-Interessierten vorliegt.

Für die weiterführende Strategie bedeutet dies, dass Berlin als starke Marke gesehen wird und – dies ist entscheidend – auch über einen homogenen Kern verfügt. Daraus folgt, dass Berlin nicht für jedes Land eine eigene Kampagne mit verschiedenen Botschaften konzipieren muss. Der Markenkern kann prinzipiell die gleichen Botschaften kommunizieren. Doch aus den einzelnen Länderergebnissen wird auch deutlich, dass verschiedene Schwerpunkte ge-setzt werden müssen. Diese Schwerpunkte ergeben sich aus den länderspezifischen Kogniti-ven Landkarten sowie aus den jeweiligen Freelistings mit den Detail-Assoziationen.

Erkennbar ist ebenfalls, dass auch in Zukunft das Potenzial der Destination nicht ausge-schöpft ist. Berlin lebt nicht nur von interessanten Sehenswürdigkeiten, der Mauer und dem Brandenburger Tor, sondern insbesondere durch das große und wechselnde Kulturangebot, das dynamische Angebot an Ausgehmöglichkeiten und eine typische Berliner Lebensart, die durch junge, kreative Menschen geprägt ist. Mauer und Geschichte sind selbstbewusst als ein Teil Berlins zu kommunizieren; diese Bereiche dürfen nicht ausgeklammert werden.

Das Fallbeispiel Südafrika

Einleitung

Südafrika wird auf Grund der multikulturellen Zusammensetzung seiner Bevölkerung auch Regenbogennation genannt. In Südafrika gibt es elf offizielle Landessprachen, damit ist es nach Indien das Land mit der größten Zahl an offiziellen Sprachen. Nach Kolonialzeit und Zweitem Weltkrieg herrschte bis 1990 das System der Apartheid; seit 1994 dürfen alle Bür-ger wählen und das Land wächst zu einer mehr oder weniger friedlichen multikulturellen Ge-sellschaft zusammen. Nelson Mandela, Widerstandskämpfer, Staatspräsident und Friedens-nobelpreisträger ist ein wichtiger Teil des Marken-Baums von Südafrika. Der Wandel von der Apartheid zur gleichberechtigten Vielvölkergesellschaft in Südafrika ist insbesondere auch mit seinem Namen verknüpft. Nun rückt Südafrika wieder in den Mittelpunkt des öffentli-chen Interesses, wenn 2010 erstmals in der Geschichte der Menschheit auf dem afrikani-schen Kontinent die Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen wird.

Tourismus nach Südafrika

Der Tourismus ist in Südafrika eine wichtige Säule für die Wirtschaft. Rund sieben Milli-onen Besucher verzeichnet das Land jährlich, etwa 1,1 Millionen Menschen sind im Touris-mus beschäftigt. Acht Touristen bedeuten einen neuen Arbeitsplatz, daher ist die Regierung bestrebt, den Tourismus zu fördern – bei einer Arbeitslosenzahl von annähernd 40 Prozent eine kluge Entscheidung.

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155 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Deutschland gilt als einer der wichtigsten Märkte für Fernreisen auf der Welt. Für Süd-afrika sind die Deutschen die zweitwichtigste Reisenation der Welt. Insgesamt reisen rund 250.000 Deutsche pro Jahr nach Südafrika, mehr kommen nur aus Großbritannien. Und nie-mand gibt im Land mehr Geld aus als die Deutschen, mit durchschnittlich über 11.000 Süd-afrikanischen Rand (ca. 1.200 Euro) pro Aufenthalt.

Abbildung II-27: Zahl der Ankünfte in Südafrika nach Nationen

443

249

183

110 112

7048

34 34 37 26

488

259 255

125106

89

54 49 44 42 32

0

100

200

300

400

500

600

Eng

land

Deu

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land

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000)

20022006

Quelle: South African Tourism

Großbritannien ist als ehemalige Kolonialmacht noch heute stark mit Südafrika verbunden. Fast 60 Prozent der Bürger in Großbritannien kennen Menschen aus Südafrika. In Deutsch-land sind es nur etwa 25 Prozent. Es bestehen zahlreiche Familien- und wirtschaftliche Be-ziehungen zwischen den beiden Ländern. So kommt es, dass wesentlich mehr Bürger aus Großbritannien als aus Deutschland jährlich ans Kap reisen.

Im Durchschnitt bleiben Deutsche 17,4 Tage im Land. Trotz steigender Preise in den letz-ten Jahren sind die Lebenshaltungskosten in Südafrika durch einen für Europäer günstigen Wechselkurs vergleichsweise gering. Vorteilhaft sind darüber hinaus das angenehme Wetter sowie die Tatsache, dass es keine Zeitverschiebung nach Deutschland gibt, ein Urlaubsauf-enthalt in Südafrika ist dadurch gefühlt länger als in anderen Fernreisedestinationen bei an-sonsten gleicher Reisedauer.

Die Fluganbindung von Deutschland nach Südafrika ist recht komfortabel; es gibt tägliche Direktverbindungen mit Lufthansa und South African Airways sowie zahlreiche Möglichkei-ten anderer europäischer und arabischer Carrier mit Umsteigen im jeweiligen Hub. Dennoch sind die Flugkapazitäten in den Hauptreisezeiträumen knapp.

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156 | Destinationen und Marke

Das Marken-Dach

Der Name Südafrika

Südafrika ist die direkte deutsche Übersetzung von South Africa. Wie viele andere Desti-nationenmarken heißt Südafrika in vielen Sprachen der Welt unterschiedlich.

Südafrika – Deutsch Y

South Africa – Englisch Y

Afrique du Sud – Französisch Y

África del Sur/Sudáfrica – Spanisch Y

Allein in den offiziellen Amtssprachen des Landes wird der Name jeweils anders ausge-sprochen:

Republiek van Suid-Afrika (Afrikaans) Y

Mzantsi Afrika (isiXhosa) Y

Ningizimu Afrika (isiZulu) Y

Afrika Dzonga (Xitsonga) Y

Afrika-Borwa (Nord-Sotho) Y

Sewula Afrika (isiNdebele) Y

Afrika Borwa (Süd-Sotho) Y

Afurika Tshipembe (Tshivenda) Y

Aforika Borwa (Setswana) Y

Ningizimu Afrika (Siswati) Y

Dass der Name in vielen Sprachen unterschiedlich ist, ist zwar für den Aufbau als inter-nationale Marke erschwerend. Doch allen Sprachen ist gemein, dass der Name den geogra-fischen Standort darstellt. Damit allein ist der Name einzigartig und differenzierend. Niemand würde es mit einem anderen afrikanischen Zielgebiet verwechseln (bei anderen afrikanischen Ländern wie Gambia, Sambia oder Ghana ist allein schon wegen des vergleichsweise undif-ferenzierten Namens der Markenstatus weniger prägnant). Parallel wird Südafrika wegen sei-ner Vielfalt und den verschiedenen Ethnien auch „Regenbogenland“ genannt.

Das Wort-Bild-Zeichen und die Farben Südafrikas

Ein Bestandteil des Marken-Daches ist die auffällige Nationalflagge von Südafrika. ImApril 1994 begann mit Einführung der neuen Verfassung offiziell die neue Zeit nach der Apartheid in Südafrika. Zu diesem Termin bekam das Land seine neue Nationalflagge, sie war das Ergebnis eines Wettbewerbs und soll den Aufbruch in eine neue, vereinigte und friedli-che Zukunft darstellen.

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157 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Abbildung II-28: Nationalflagge von Südafrika

Das quer liegende Ypsilon in Grün spiegelt die neue Einheit des Landes wider. Es wird durch einen gelben Zwischenraum von der schwarzen dreieckigen Fläche links getrennt. Die rote Fläche oben und die blauen Fläche unten sind durch eine weiße Linie von dem liegen-den Ypsilon getrennt. Die Farben Schwarz, Gelb, Grün, Weiß, Rot und Blau sollen die ver-schiedenen Bevölkerungsschichten abbilden in Zusammenhang mit der Geschichte und den Eigenschaften des Landes. Die konkrete Bedeutung der einzelnen Farben wurde nicht offizi-ell vorgegeben und wird unterschiedlich interpretiert, aber nach öffentlicher Meinung steht das Rot für das Blut, das für die Freiheit vergossen wurde, Schwarz für die schwarze Bevöl-kerung, Weiß für die weiße Bevölkerung und die neuen Ideale, das Gelb für die farbige Be-völkerung, für die Bodenschätze und die immer scheinende Sonne, das Blau für die Ozeane und das Grün für die Landschaft und die Hoffnung. War die neue Nationalflagge am Anfang umstritten, ist sie mittlerweile von allen Bevölkerungsschichten anerkannt und akzeptiert. Die Farben der Nationalflagge werden häufig in Zeichen anderer Unternehmen und Organisatio-nen des Landes aufgegriffen: Zum Beispiel in den Wort-Bild-Zeichen von South African Tou-rism, South African Airways, der Touristikmesse Indaba, dem Label Proudly South African, der nationalen Lotterie NLTF, dem nationalen Weinverband South Africa Wines United oder dem Bewerberzeichen zum Fifa Worldcup.

Abbildung II-29: Wort-Bild-Zeichen, die Farben und Muster der Nationalflagge aufgreifen

Die langfristige und immer wiederkehrende Nutzung der Farben und auch der Struktur der Nationalflagge unterstützt deren Bedeutung für das Marken-Dach von Südafrika.

Page 156: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

158 | Destinationen und Marke

Während bis 2004 das Wort-Bild-Zeichen der staatlichen Tourismusorganisation South African Tourism (SAT) einem häufigen Wandel unterlag, herrscht seitdem Kontinuität. 2004 wurde ein neues globales Design veröffentlicht, an dem seither festgehalten wird. Das Bild-Zeichen hat sich danach nicht mehr verändert. Die Hauptfarbe Südafrikas ist Rot. Das Wort-Bild-Zeichen ist zumeist auf rotem Hintergrund dargestellt, manchmal auch auf weißem Grund mit einem roten Balken oder Vorhang. Es verkörpert ein farbenfrohes Perlenamulett in den Farben der Nationalflagge. Auch die innere Form der Nationalflagge ist übernommen, je-doch steht das Ypsilon gerade. Das Wort-Bild-Zeichen ist zusätzlich von drei runden Perlen-reihen umgeben, eine in Weiß, eine in Gelb und eine in Schwarz. Auf dem roten Hintergrund wirkt das Wort-Bild-Zeichen farbenfroh und ausgeglichen, passend zur Regenbogennation.

Abbildung II-30: Wort-Bild-Zeichen South African Tourism auf rotem Hintergrund

Das aktuell verwendete Wort-Bild-Zeichen trägt den ausgewählten Claim Südafrikas. Beim internationalen Wort-Bild-Zeichen steht „South Africa – It’s impossible“ unter oder ne-ben dem auffälligen Bildzeichen. In der deutschen Version ist der Claim übersetzt mit „Süd-afrika – Alles ist möglich“. Trotz des Bestrebens, in der Kommunikation mit der Marke Südaf-rika weltweit möglichst einheitlich aufzutreten, wurde auf eine wortwörtliche Übersetzung in „Es ist unmöglich“ o. ä. in Deutschland verzichtet, da das Potenzial für falsche Assoziationen zu groß gewesen wäre. Gerade im deutschen Sprachgebrauch ist das Wort „unmöglich“ an-ders besetzt als die entsprechende Übersetzung in Südafrika. Nicht nur in Deutschland, in al-len europäischen Staaten wurde der Claim ins Positive übersetzt, so z. B. in Großbritannien zu „It’s possible“, in Frankreich zu „C’est Possible“. Die südafrikanische Form des Claims „South Africa – It’s impossible“ wird nur in außereuropäischer Kommunikation verwendet.

Abbildung II-31: Wort-Bild-Zeichen Südafrika in Großbritannien

Abbildung II-32: Wort-Bild-Zeichen Südafrika in Deutschland

Page 157: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

159 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Neben der Nationalflagge und dem offiziellen Wort-Bild-Zeichen von Südafrika gibt es ebenfalls ein Wappen, das im Jahr 2000 von Staatspräsident Thabo Mbeki vorgestellt wurde.

Abbildung II-33: Das Wappen von Südafrika

Dieses Wappen spielt für das Markendach Südafrikas längst nicht so eine entscheiden-de Rolle wie die Nationalflagge und deren Farben; das Wappen nutzen in erster Linie die Re-gierung und deren Auslandsvertretungen. Umgeben von zwei Stoßzähnen außen und zwei Getreideähren innen ist ein Schild mit zwei Menschen abgebildet, die einer Felsmalerei ent-stammen. Die Menschen reichen einander die Hände. Ein Schriftzug in der bereits ausgestor-benen Khoisan-Sprache bedeutet ungefähr „Unterschiedliche Völker vereinen sich“. Über dem Schild ist ein Sekretärvogel, vor ihm eine Protea-Pflanze und über ihm die Sonne zu se-hen. Das Wappen soll der Identifikation aller Südafrikaner dienen und die Veränderungen im Land symbolisieren.

Sehenswürdigkeiten und Charakteristika

Abbildung II-34: Der Tafelberg in Kapstadt

Page 158: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

160 | Destinationen und Marke

Zum Marken-Dach einer Destination gehören auch die unverwechselbaren Sehenswür-digkeiten, die jeder mit ihr verbindet. In Südafrika ist dies an oberster Stelle das Kap der Gu-ten Hoffnung, wo sich der Indische und der Atlantische Ozean vereinen. Genauso bekannt ist der Tafelberg, an dessen Fuß sich Kapstadt befindet. Nicht ganz so berühmt sind der Krü-ger-Nationalpark mit den Big Five (unter den Big Five versteht man die fünf großen Säugetie-re Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard), die an der Küste des Indischen Ozeans ent-langlaufende Gartenroute oder die Weinanbaugebiete rund um Stellenbosch.

Der Tafelberg ist der berühmteste Berg in Afrika und von der Bekanntheit vergleichbar mit dem Ayers Rock in Australien. Er wird unverwechselbar mit Kapstadt und Südafrika ver-bunden.

Werbung und Kampagnen

Ebenfalls seit 2004 nutzt Südafrika die so genannte Koordinatenkampagne, insbesonde-re, um an seinem Image zu arbeiten und weiteres Interesse an dem Land zu wecken. Sie zeigt Orte und Erlebnisse in Südafrika unter Angabe der genauen Position auf Längen- und Brei-tengrad. Die Koordinaten an sich sind eine Anspielung auf die Lage Südafrikas: Das südlichs-te Ende des Kontinents, ein unverwechselbarer USP. Charakteristisch an der Kampagne ist, dass sie nur versprechen soll, was nachher auch eingehalten wird.

Abbildung II-35: Beispiel Koordinatenkampagne

Page 159: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

161 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Bekanntheit und Interesse

Die Deutschen sind gut über Südafrika informiert. 81 Prozent geben an, Südafrika aus der Berichterstattung ihrer Tageszeitung zu kennen oder schon einmal eine Dokumentati-on im Fernsehen gesehen zu haben. 58 Prozent haben bereits eine Reisereportage über das Land gesehen. Die Hälfte der Bundesbürger verfolgt die politische Entwicklung des Landes und ebenso viele geben an, schon einmal in Erwägung gezogen zu haben, nach Südafrika zu reisen.18 Vorteilhaft für die Marke Südafrika ist auch, dass mehr als jeder zweite Bewohner in Deutschland in seinem Freundes- oder Bekanntenkreis jemanden kennt, der bereits nach Südafrika gereist ist. Und die große Mehrheit aller Gäste, die Südafrika besucht haben, äußert sich anschließend positiv bis sehr positiv über das Land.

Potenzielle Reisende, die an einem Urlaub in Südafrika interessiert sind, haben in erster Li-nie Interesse an Wildbeobachtung, am Erleben der schönen Landschaft und Natur sowie an Besuchen der großen Städte und am Erkunden der fremden Kulturen.

Abbildung II-36: Interessen von potenziell an Südafrikareisen Interessierten

16%

18%

23%

28%

35%

41%

48%

52%

65%

66%

68%

70%

72%

89%

91%

0% 25% 50% 75% 100%

in einem Urlaubsort bleiben

Wellness

Adventure-Sports

spezielle Interessen

Wandern

Einkäufe

Verbindung mit einer Reise nach Namibia

Geschichte der Rassentrennung

Wein-Regionen besuchen

am Strand entspannen

fremde Kulturen erkunden

die größten Städte besuchen

ins Gebirge fahren

schöne Landschaft

Wildbeobachtung

Prozentuale Anzahl

Quelle: South African Tourism

Folgende Bausteine des Marken-Fundaments von Südafrika sind erkennbar: Wild lebende Tiere Y

Schöne Landschaften, Natur Y

Kulturelle Vielfalt, interessantes städtisches Leben Y

Geschichte und Kultur Y

Page 160: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

162 | Destinationen und Marke

Blickt man auf die Hauptkonkurrenten der Destination Südafrika, dann bestätigt sich dieses Bild. Insbesondere gelten Australien, Kenia, Brasilien und Thailand als Mitbewerber-destinationen im Fernreisemarkt. All diese Destinationen werben mit ähnlichen Attributen, vergleicht man die Angebotsstruktur der Reiseanbieter: Dies sind in erster Linie Safari/Tiere/Wildbeobachtung, Natur/Landschaft, Erholung/Strand, fremde Kulturen/städtisches Leben und besondere Sehenswürdigkeiten.

Untersuchungen von South African Tourism haben positive und negative Assoziationen bezogen auf das Land Südafrika herausgefunden. Positive Assoziationen sind dabei neben den wild lebenden Tieren und der schönen Natur die gute touristische Infrastruktur, dank de-rer komfortabel Safaris erlebt werden können. Ebenso das gute Wetter, Südafrikas Vorzüge als Ganzjahresdestination, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis sowie der europäische Stan-dard vor Ort. Negative Assoziationen sind die große Verbreitung von HIV, Kriminalität, Pro-bleme bedingt durch die Apartheid, politische Instabilität sowie die vergleichsweise teuren Fluganreisekosten. Etwas überraschend ist die Assoziation der politischen Instabilität, hat doch in Südafrika noch nie ein Staatsstreich stattgefunden. Zudem gibt es seit dem Ende des 19. Jahrhunderts freie Wahlen (wenn auch erst seit 1994 alle Bevölkerungsschichten wäh-len dürfen). Vermutlich färbt insbesondere die Situation Zimbabwes der letzten Jahre auf den ganzen Kontinent und so auch auf das Markenfundament Südafrikas ab. In nachfolgender Tabelle II-17 werden die wahrgenommenen positiven und negativen Assoziationen Südafri-kas zusammengefasst.

Tabelle II-17 : Positive und negative Assoziationen mit Südafrika

Positiv Negativ

Wild lebende Tiere HIV-/AIDS-Epidemie

Komfortable Safari Kriminalität

Ganzjährig gutes Wetter Apartheid

Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis Politische Instabilität

Europäischer Lebensstandard Teure Fluganreise

Quelle: South African Tourism

Gründe für die Reiseentscheidung

Die fünf Hauptgründe, die zur Entscheidung für eine Reise nach Südafrika geführt haben, waren der Wunsch, die schönen Landschaften zu erleben, unterschiedliche Kulturen zu er-fahren, die Möglichkeit zu haben, in Südafrika den verschiedensten Aktivitäten nachgehen zu können, auf Wildbeobachtung zu gehen, das angenehme Klima zu erleben und/oder sich ei-nen Traum zu erfüllen.

An einer Reise nach Südafrika gehindert haben Interessierte insbesondere die hohen Kos-ten für die Anreise. An zweiter Stelle stehen Sicherheitsbedenken sowie Unsicherheiten be-züglich der politischen Stabilität. So gut wie keinen Einfluss auf die Reiseentscheidung hat die HIV-/Aids-Epidemie.

Page 161: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

163 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Abbildung II-37: Antriebsgründe für eine Reise nach Südafrika

20%

25%

26%

26%

30%

33%

37%

39%

49%

63%

0% 25% 50% 75%

Rassenbezogene Gründe

Empfehlung durch Freunde/Bekannte

sich zu entspannen

freundliche Leute

warmes Klima

einen Traum verwirklichen

Safari

viele Beschäftigungsmöglichkeiten

fremde Kulturen erkunden

schöne Landschaft genießen

Quelle: South African Tourism

Abbildung II-38: Hindernisgründe für eine Reise nach Südafrika

2%

6%

8%

9%

13%

20%

26%

29%

38%

39%

0% 25% 50% 75%

keine interessante Unternehmungen

Bedenken über AIDS

kein entspannendes Reiseziel

keine Bekanntschaften vor Ort

zu lange Anreisezeiten

zu teuer

Ungewiss bezüglich polit. Situation /ziviler Unruhen

Bedenken um eigene Sicherheit

allgemeine Sicherheitsbedingungen

zu hohe Anreisekosten

Quelle: South African Tourism

Page 162: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

164 | Destinationen und Marke

Markenmanagement Südafrika

Während andere Fremdenverkehrsämter sich teilweise noch als Informationsbüros be-trachten, betreibt Südafrika seit einigen Jahren bereits ein professionelles Markenmanage-ment. Rund um die Jahrtausendwende wurde die erste Tourism Growth Strategy entworfen, die erstmals klare Zielsetzungen für die Entwicklung des Tourismus nach Südafrika setzte. In dieser waren nicht nur klassische Volumenziele definiert wie Zahl der Ankünfte, sondern auch qualitative Ziele wie z. B. Erhöhung der Verweildauer oder der direkten Reiseausgaben vor Ort. Um die Ziele zu erreichen, wurde in den Jahren 2001 bis 2002 eine umfangreiche Zielgruppenananlyse für die wichtigsten Quellmärkte Südafrikas durchgeführt (Großbritanni-en, Deutschland, Frankreich, USA, Japan, China). Es wurden in den verschiedenen Märkten jeweils verschiedene Zielgruppen festgestellt, die für Südafrika von Bedeutung sind. Die Er-gebnisse dieser Untersuchungen flossen aktiv in die Strategien und Kommunikationsmaß-nahmen von South African Tourism ein. Seitdem werden regelmäßig Befragungen zur Mar-kenentwicklung Südafrikas durchgeführt, um die Erreichung von Zielen zu überprüfen und gegebenenfalls die Marketingstrategien anzupassen.

In Deutschland fokussiert sich South African Tourism danach derzeit im Speziellen auf drei Kernzielgruppen, die insgesamt 2,8 Millionen Menschen umfassen. Diese Zielgruppen sind sehr genau umrissen und definiert. Angesprochen wird zum einen eine Zielgruppe „Sin-gle and DINK-Travellers“, bestehend aus Alleinverdienern bzw. Paaren ohne Kinder mit dem Durchschnittsalter von 33 Jahren, eine Zielgruppe „Middle-Aged Travellers “, im Durch-schnitt 52 Jahre alt, sowie eine Zielgruppe „Senior Travellers“ innerhalb der Silver Generati-on mit Durchschnittsalter 64. Alle Zielgruppen sind fernreiseaffin, und dem Tourist Bord sind Konsum- und Reiseeigenschaften bekannt. So können sie gezielt Kampagnen angehen, die sich möglichst genau an die vorgegebene Zielgruppe wenden. Für diverse Kommunikations-maßnahmen und zum Markenaufbau investiert Südafrika allein in Deutschland einen einstel-ligen Millionenbetrag pro Jahr.

Abbildung II-39: Kernzielgruppen South African Tourism in Deutschland

Family Travellers Senior Travellers Middle-Aged Travellers Single and DINK-Travellers

Quelle: South African Tourism Marktforschung

Fest steht: Südafrika ist eine starke Destinationenmarke. Der Name ist prägnant und diffe-renziert, allerdings in jedem Sprachgebrauch verschieden. Die wechselvolle Geschichte des Landes und der positive Ausgang der jüngeren Geschichte haben die Marke geprägt. Vor-bildlich auf der Ebene des Marken-Daches ist die konsequente Anwendung der südafrikani-schen Farben aus der Nationalflagge. Die Flagge und die Farben sind bekannt. Leicht prob-lematisch für die Marke sind die auch vorhandenen negativen Assoziationen, insbesondere bezogen auf Kriminalität, politische Instabilität oder die HIV-/Aids-Epidemie. Dieses gilt es an-zugehen, um das Markenfundament nicht zu beeinträchtigen. Doch die positiven Assoziati-onen wie schönes Wetter, herrliche Landschaften, vielseitige Flora und Fauna, gutes Preis-Leistungs-Verhältnis oder kulturelle Vielfalt überwiegen und sind markenbestimmend.

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165 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Südafrika hat ein großes Potenzial über die nächsten Jahre auf dem Weg zur und wäh-rend der Fußball-Weltmeisterschaft. Es wird eine große mediale Präsenz geben, so dass die ganze Welt auf Südafrika schauen wird. Schafft das Land es, den multikulturellen Geist und die Schönheiten des Landes in den Medien zu transportieren, ist ein weiterer positiver Mar-kenaufbau Südafrikas möglich.

Integrierte Tourismuskonzern-2. marke

Die Idee einer integrierten Tourismusmarke stammt ursprünglich aus Großbritannien. Das Konzept dabei ist, nicht nur alle Stufen der touristischen Wertschöpfungskette unter einem Dach zusammenzufassen, sondern auch alle teilnehmenden Leistungserbringer mit der glei-chen Marke zu benennen, d. h. Reiseveranstalter, Reisemittler, Fluggesellschaft, Hotelkette und Service-Agentur vor Ort. In Deutschland versuchten sich insbesondere die TUI und auch Thomas Cook an solch einem Konzept, wie es Anfang des Jahrtausends sehr in Mode war, mittlerweile aber wieder etwas nüchterner betrachtet wird. Diese Entwicklung soll am Bei-spiel der Thomas Cook Group beschrieben werden.

Das Fallbeispiel Thomas Cook Group

Die Thomas Cook Group ist nach der TUI der zweitgrößte Tourismuskonzern in Europa. Die Marke Thomas Cook gilt als die bekannteste Touristikmarke überhaupt; mit mehr als 160 Jahren Tradition ist sie gleichzeitig die älteste aller Tourismusmarken. Im Thomas Cook-Kon-zern wird sie auf allen Bereichen der Wertschöpfungskette eingesetzt.

Die Thomas Cook-Gruppe als Touristikkonzern in ihrer heutigen Struktur und Bedeutung entstand maßgeblich Ende der 90er Jahre, als KarstadtQuelle und die Lufthansa das Geschäft der Charter-Fluglinie Condor mit der NUR Touristic zusammenlegten. Die wichtigste Touris-tikmarke der NUR Touristic war Neckermann Reisen. An der neu gegründeten C&N Touristik AG waren Lufthansa und KarstadtQuelle anschließend etwa zehn Jahre gemeinsame Gesell-schafter des Konzerns zu je 50 Prozent. Im Jahr 2000 übernahm der neue Verbund zunächst den französischen Reisekonzern Havas Voyages. Ein Jahr später erwarb C&N Touristik dann das in Großbritannien ansässige Unternehmen Thomas Cook. Seit dieser Zeit firmiert der neu entstandene zweitgrößte Touristikkonzern Europas unter dem Namen des Erfinders der Pau-schalreise.

Wie bei der TUI auch war man von den Wachstumsraten bis Anfang des Jahrtausends verwöhnt und setzte auf einen voll integrierten Tourismuskonzern mit der Devise ‚Alles aus einer Hand’. So sollten nicht nur eigene Reiseveranstalter zu dem Unternehmen gehören, sondern auch ein eigener Reisevertrieb, eigene Hotels, eigene Flugzeuge und eigene Inco-

Page 164: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

165 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Südafrika hat ein großes Potenzial über die nächsten Jahre auf dem Weg zur und wäh-rend der Fußball-Weltmeisterschaft. Es wird eine große mediale Präsenz geben, so dass die ganze Welt auf Südafrika schauen wird. Schafft das Land es, den multikulturellen Geist und die Schönheiten des Landes in den Medien zu transportieren, ist ein weiterer positiver Mar-kenaufbau Südafrikas möglich.

Integrierte Tourismuskonzern-2. marke

Die Idee einer integrierten Tourismusmarke stammt ursprünglich aus Großbritannien. Das Konzept dabei ist, nicht nur alle Stufen der touristischen Wertschöpfungskette unter einem Dach zusammenzufassen, sondern auch alle teilnehmenden Leistungserbringer mit der glei-chen Marke zu benennen, d. h. Reiseveranstalter, Reisemittler, Fluggesellschaft, Hotelkette und Service-Agentur vor Ort. In Deutschland versuchten sich insbesondere die TUI und auch Thomas Cook an solch einem Konzept, wie es Anfang des Jahrtausends sehr in Mode war, mittlerweile aber wieder etwas nüchterner betrachtet wird. Diese Entwicklung soll am Bei-spiel der Thomas Cook Group beschrieben werden.

Das Fallbeispiel Thomas Cook Group

Die Thomas Cook Group ist nach der TUI der zweitgrößte Tourismuskonzern in Europa. Die Marke Thomas Cook gilt als die bekannteste Touristikmarke überhaupt; mit mehr als 160 Jahren Tradition ist sie gleichzeitig die älteste aller Tourismusmarken. Im Thomas Cook-Kon-zern wird sie auf allen Bereichen der Wertschöpfungskette eingesetzt.

Die Thomas Cook-Gruppe als Touristikkonzern in ihrer heutigen Struktur und Bedeutung entstand maßgeblich Ende der 90er Jahre, als KarstadtQuelle und die Lufthansa das Geschäft der Charter-Fluglinie Condor mit der NUR Touristic zusammenlegten. Die wichtigste Touris-tikmarke der NUR Touristic war Neckermann Reisen. An der neu gegründeten C&N Touristik AG waren Lufthansa und KarstadtQuelle anschließend etwa zehn Jahre gemeinsame Gesell-schafter des Konzerns zu je 50 Prozent. Im Jahr 2000 übernahm der neue Verbund zunächst den französischen Reisekonzern Havas Voyages. Ein Jahr später erwarb C&N Touristik dann das in Großbritannien ansässige Unternehmen Thomas Cook. Seit dieser Zeit firmiert der neu entstandene zweitgrößte Touristikkonzern Europas unter dem Namen des Erfinders der Pau-schalreise.

Wie bei der TUI auch war man von den Wachstumsraten bis Anfang des Jahrtausends verwöhnt und setzte auf einen voll integrierten Tourismuskonzern mit der Devise ‚Alles aus einer Hand’. So sollten nicht nur eigene Reiseveranstalter zu dem Unternehmen gehören, sondern auch ein eigener Reisevertrieb, eigene Hotels, eigene Flugzeuge und eigene Inco-

Page 165: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

166 | Integrierte Tourismuskonzernmarke

mingagenturen. Das Konzept gab vor, auf allen Stufen der Wertschöpfungskette mitzuverdie-nen, überall mit einer einheitlichen Marke aufzutreten und so am zukünftigen Wachstum des weltweiten Tourismus optimal zu partizipieren. Der Nachfragerückgang in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends führte die Thomas Cook AG allerdings in finanzielle Schwierigkeiten. Der Geschäftsrückgang war bedingt durch die Anschläge im September 2001 und die dar-auf folgende Zurückhaltung bei den Reisebuchungen und vor allem durch die beginnende allgemeine Konsumzurückhaltung insbesondere in Deutschland. Gleichzeitig begann sich die Nachfrage langsam in Richtung billig und in Richtung teuer zu polarisieren, zumindest gab es Wachstumsraten nur an den beiden Extremen, das Mittelfeld stagnierte. Dies traf die großen Konzerne TUI und Thomas Cook besonders hart, da sie mit den Wachstumsraten im Massen-markt ihre Expansion finanzieren wollten. Der stagnierende Gesamtmarkt und vor allem die sehr hohen Kosten diverser Zukäufe des Konzerns der vorhergehenden Jahre führten dazu, dass Thomas Cook im Jahre 2004 kurz vor der Insolvenz stand. Ein radikales Sanierungspro-gramm wurde durchgeführt. Bald darauf konnte der Konzern wieder ein positives Ergebnis vorweisen. Inzwischen war die Unternehmensleitung wieder von der Idealvorstellung eines voll integrierten Tourismuskonzerns abgerückt. Die Zahl der Hotelbeteiligungen wurde re-duziert und das Management einzelner Veranstaltermarken und der Fluglinie Condor wurde wieder selbständiger.

Anfang 2007 verkaufte die Lufthansa ihren Anteil an der Thomas Cook AG an den Karstadt-Quelle-Konzern. Dieser wiederum fusionierte das Unternehmen mit der britischen MyTravel plc. Die Firmen haben im Juni 2007 die Fusion vollzogen und sind seitdem unter dem Namen Thomas Cook Group plc an der Londoner Börse gelistet. Die Arcandor AG (vormals Karstadt-Quelle) hält mit ca. 52 Prozent der Anteile die Mehrheit an Thomas Cook, gleichzeitig gilt die-se Touristikbeteiligung als eine der langfristig strategisch wichtigen Säulen der Arcandor AG. MyTravel war zuvor die Nummer 4 auf dem europäischen Tourismusmarkt, vor der Fusion zu 100 Prozent im Streubesitz, deren Aktionäre halten heute noch 48 Prozent des Gesamt-konzerns. Das neue Unternehmen ist Marktführer im Touristikgeschäft in Großbritannien und Skandinavien und hat eine führende Marktposition in Kontinentaleuropa und Kanada mit ei-ner Fülle von Tourismusmarken (Veranstalter, Vertrieb, Airlines, Online-Vertrieb). Die wich-tigste Marke ist Thomas Cook und zudem auf dem deutschen Markt Neckermann Reisen. Die Flugmarke Condor gehört noch zum Konzern, allerdings ist der Verkauf an die Air Berlin Gruppe beschlossen. Nach dem Komplettverkauf der Airline spätestens 2010 geht die Marke Condor an die Lufthansa zurück, die sie vermutlich nicht weiter einsetzen wird. Die Flugzeu-ge der Airline werden dann unter einem der Labels von Air Berlin fliegen.

Konzernstruktur

Der Konzern ist in fünf Geschäftsbereichen strukturiert:Großbritannien und Irland Y

Nordeuropa Y

Nordamerika Y

Kontinentaleuropa Y

Fluggesellschaften Deutschland Y

Page 166: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

167 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Die Gesellschaften des Konzerns in Großbritannien sind stark vertikal integriert, das heißt Fluggesellschaft, Veranstalter und Vertrieb arbeiten unter einem Management, die Flugzeuge werden ausschließlich für eigene Reiseveranstaltungen genutzt. Dies ist in Kontinentaleuropa anders. In Deutschland arbeitet die noch zum Konzern gehörige Fluggesellschaft Condor au-tark, das heißt, ihre Flugzeuge werden nicht ausschließlich für das Veranstaltergeschäft ein-gesetzt, sondern sind auch im Einzelplatzverkauf von Flugtickets und für andere Veranstalter aktiv. Auch die Vertriebsgesellschaften arbeiten meist selbständiger als in Großbritannien und sind nicht komplett in der vertikalen Ebene integriert. Genauso sind die Veranstalteraktivitäten in Deutschland eigenständiger in ihrem Handeln.

Tabelle II-18: Konzernbereiche Thomas Cook Group

Geschäftsbereich Umsatz 2006

Großbritannien und Irland 4,7 Mrd. Euro

Nordeuropa 1,2 Mrd. Euro

Nordamerika 0,7 Mrd. Euro

Kontinentaleuropa 4,6 Mrd. Euro

Fluggesellschaft Deutschland 1,2 Mrd. Euro

Quelle: Thomas Cook Group plc

Aktivitäten in Kontinentaleuropa

Tabelle II-19: Markennutzung von Neckermann und Thomas Cook in Europa

Neckermann Thomas Cook

Deutschland Deutschland

Belgien Belgien

Niederlande Frankreich

Polen

Ungarn

Slowenien

Slowakei

Der Geschäftsbereich Kontinentaleuropa wird aus Deutschland gesteuert. Kontinental-europa ist neben dem Heimatmarkt Großbritannien das wichtigste Geschäftsfeld des Touristik-riesen. Starke Marktpositionen hat der Konzern in Deutschland, den Niederlanden, Österreich und Polen. In all diesen Ländern rangiert der Konzern direkt hinter dem Marktführer auf Platz 2. In den Tourismusmärkten Belgien, Frankreich und Ungarn ist die Thomas Cook Group Markt-führer. In all den sieben Quellmärkten ist der Konzern unterschiedlich organisiert aufgestellt. Synergien, beispielsweise beim Hoteleinkauf, werden jedoch genutzt, für diesen Geschäfts-

Page 167: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

168 | Integrierte Tourismuskonzernmarke

bereich gibt es ein zentrales Einkaufsmanagement. Die größten Destinationen nach Gäste-zahlen aus den Quellmärkten Kontinentaleuropas sind Mallorca, Deutschland, Antalya und Gran Canaria.

Die Marken Neckermann und Thomas Cook werden in verschiedenen Quellmärkten Kon-tinentaleuropas eingesetzt, sie werden also international genutzt. Zusätzlich verfügt der Kon-zern über nationale Marken in den einzelnen Ländern: Aquatour in Frankreich, in Belgien Pe-gase oder in den Niederlanden Vrij Uit.

Tabelle II-20: Beispiele für nationale Marken der Thomas Cook Group in Kontinentaleuropa

Nationale Marken Einsatzgebiet

Bucher Last Minute Last Minute-Marke in Deutschland

Vrij Uit Busreiseveranstalter in den Niederlanden

Pegase Marke für Premiumreisen in Belgien

Aquatour Spezialveranstalter in Frankreich

Marken auf dem deutschen Markt

Tabelle II-21: Übersicht der Touristikmarken der Thomas Cook AG

Veranstalter Vertrieb E-Commerce Airline

Thomas Cook Reisen Thomas Cook Reisebüro Thomascook.de Condor

Neckermann Reisen Neckermann Neckermann-reisen.de

Neckermann Preisknüller Holiday Land Thomascook-reisen.de

Bucher Last Minute Bucherreisen.de

Condor.com

In Deutschland ist Thomas Cook mit vier Veranstaltermarken aktiv, die jeweils unter-schiedlich positioniert sind. Thomas Cook Reisen ist die Premiummarke auf dem deutschen Markt; ihr Slogan lautet „Qualitätsurlaub mit individuellem Anspruch“. Frühere Veranstalter-marken wie Terramar oder Kreutzer wurden ihr geopfert. Neckermann Reisen ist der Anbieter im breiten Mittelfeld („Markenzeichen für gute Qualität zu günstigen Preisen“), Neckermann Preisknüller die Discount-Marke („Flexibel planen – extragünstig reisen.“) und Bucherreisen der Last-Minute-Spezialist („Der Spezialist für kurzfristigen Urlaub“). So versucht der Kon-zern mit relativ wenigen Veranstaltermarken, das breite Spektrum des Touristikangebots zu vermarkten. Zum Vergleich: Marktführer TUI ist zwar auch um einiges größer, arbeitet aber derzeit mit acht verschiedenen Veranstaltermarken auf dem deutschen Markt (TUI, 1-2-Fly, airtours, Berge & Meer, Discount Travel, Dr. Tigges, Gebeco, oft-Reisen). Thomas Cook ist Nummer 2 auf dem deutschen Markt mit etwas über drei Milliarden Euro Umsatz (zum Ver-gleich TUI: ca. 4,5 Mrd.).

Page 168: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

169 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Abbildung II-40: Wort-Bild-Zeichen der deutschen Veranstalter-Marken von Thomas Cook

Thomas Cook hat etwa 140 eigene Reisebüros. Über die Franchisekette Holiday Land sind rund 330 sowie über die Neckermann Franchise-Systeme weitere 610 Reisebüros an den Konzern gebunden. Zusätzlich arbeitet der Konzern mit anderen Reisebüros weiterer Ko-operationen, auch wenn diese nicht direkt an den Konzern angebunden sind.

Markengeschichte

Thomas Cook selbst gilt als Erfinder der Pauschalreise, sein erstes Projekt war die Organi-sation eines Ausflugs im Jahr 1841 – per gecharterter Eisenbahn von Leicester nach Lough-borough – über 500 Gäste hatten teilgenommen und waren begeistert. Thomas Cook entwi-ckelte seine Ideen weiter und bot im Jahr 1855 die erste Pauschalreise ins Ausland an – zu einer Ausstellung nach Paris. Cook galt als Perfektionist, er bereiste alle Routen, bevor er sie seinen Gästen anbot, verteilte vor der Reise umfangreiche Reiseunterlagen und übernahm die Reiseleitung in den ersten Jahren grundsätzlich selber. Die ersten Reisen nach Ägypten entwickelten Cook und seine Firma 1869 und organisierten die erste Nilkreuzfahrt. Bald da-rauf war das Unternehmen so aktiv in der Veranstaltung von Flusskreuzfahrten auf dem Nil, dass der Fluss in England den Spitznamen „Cooks Kanal“ bekam. Cook expandierte auch in Auslandsvertretungen, unter anderem in Deutschland, Frankreich und Indien. Seit 1871 fir-mierte das Unternehmen unter Thomas Cook & Son, da sich auch Thomas Cooks Sohn John Mason Cook in dem Unternehmen engagierte. Nach dem Tod seines Vaters führte John Ma-son Cook das Unternehmen erfolgreich weiter und trieb auch die weitere Internationalisie-rung voran. Auch nach seinem Ableben blieb das Unternehmen in Familienhand. 1900 war das Unternehmen Weltmarktführer in der Reisebranche. 1902 entstand die erste Winter-sportbroschüre von Thomas Cook und in den 20er Jahren organisierte das Unternehmen den ersten Touristen-Charterflug von New York nach Chicago. Die Familie Cook verkaufte die Fir-ma Ende der 20er Jahre schließlich, und zwar an ihre damals einzige internationale Konkur-renz: die Firma Wagon-Lits mit Sitz in Paris und Brüssel.

Page 169: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

170 | Integrierte Tourismuskonzernmarke

Einsatz der Marke Thomas Cook in Deutschland

Die ursprüngliche Strategie nach der Übernahme von Thomas Cook durch C & N Touristik im Jahr 2001 war es, die Marke Thomas Cook auf allen Stufen der touristischen Wertschöp-fungskette des Konzerns einzusetzen. Bekanntlich ist dies durch die finanziellen Schwierigkei-ten des Konzerns nicht nachhaltig und durchgängig realisiert worden, sichtbar etwa bei der Fluggesellschaft Condor. Dennoch ist die Marke Thomas Cook seit dem Markenrelaunch des Konzerns 2002 in Deutschland allgegenwärtig.

Thomas Cook Reisen

Der Reiseveranstalter Thomas Cook Reisen, hervorgegangen aus den ehemaligen Ver-anstaltern Terramar und Kreutzer, ist die Premiummarke in Deutschland. Die Gründung der neuen Marke war nicht einfach. Hatten Terramar und Kreutzer zusammen etwa 630.000 Gäs-te, so schaffte die neu gegründete Thomas Cook Reisen-Marke im ersten Jahr gerade ein-mal 350.000 Gäste. Ein Beispiel dafür, dass es nicht unbedingt die sinnvollste Strategie ist, aus zwei etablierten Marken eine neue zu schaffen. Nur 30 Prozent der ursprünglichen Gäs-te buchten bei dem neuen Veranstalter. Nach einem verlustreichen Start schreibt die Tochter jedoch seit 2004 schwarze Zahlen und verzeichnet ein gestiegenes Gästeaufkommen. Der Marktanteil bei Pauschalreisen liegt bei rund 20 Prozent.

Das Programm wird in insgesamt 15 Katalogen präsentiert. Diese sind nach geografi-schen Gesichtspunkten sortiert. Das Angebot umfasst genauso Pauschalurlaub am Strand wie umfassende Rundreisearrangements und eine große Auswahl an Bausteinmodulen. Auch einen Katalog für Luxusreisen gibt es bei Thomas Cook Reisen. Unter dem Namen ‚Le-bensart’ werden in der Hauptsache luxuriöse Hotels vermarktet. Zur Orientierung für Reise-büros und Kunden werden die Hotels und Ressorts charakterisiert und Highlights wie Well-ness, mögliche Aktivitäten oder Gourmetküche herausgestellt.

Der mit Abstand wichtigste Vertriebskanal ist wie für die meisten großen Reiseanbieter der indirekte Reisevertrieb. So existieren verschiedene Partnerbindungsprogramme, die den stationären Vertrieb stärker an den Veranstalter binden sollen. Einmal im Jahr lädt Thomas Cook Reisen seine 1.000 besten Verkäufer ein zur so genannten Travel Lounge. Diese wird in verschiedenen Städten Deutschlands durchgeführt, nämlich in Düsseldorf, Hamburg, Leip-zig, Frankfurt und Stuttgart. Bei den Veranstaltungen wird darauf Wert gelegt, dass sie nicht als reine Produktschulungen in Konferenzräumen von Hotels stattfinden, sondern an außer-gewöhnlichen Locations mit Erlebnischarakter veranstaltet werden.

Thomas Cook Reisen gehört zu den fünf bekanntesten Reiseveranstaltern in Deutschland. Nach einer Untersuchung der Markenbekanntheit im Jahr 2007 kam Thomas Cook Reisen auf einen Bekanntheitsgrad von 60,6 % und belegte damit hinter TUI, Neckermann und All-tours Platz vier.

Page 170: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

171 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Tabelle II-22: Markenbekanntheit von Reiseveranstaltern 2007

Ranking Veranstalter Bekanntheit in %1 TUI 94,7

2 Neckermann 89,0

3 Alltours 70,8

4 Thomas Cook Reisen 60,6

5 ITS 57,3

6 AIDA 57,1

7 L‘Tur 55,3

8 Jahn Reisen 54,2

9 Öger 50,3

10 1-2-Fly 50,2

Quelle: Gruner + Jahr Markenvierklang Touristikunternehmen

Thomas Cook Reisebüro

Die 140 Reisebüros in Deutschland, die unter dem Label Thomas Cook operieren, sind in einem Franchise-System organisiert. Sie sind angehalten, in erster Linie Produkte des Tho-mas Cook-Konzerns zu verkaufen. Von der Franchisezentrale erhalten die Büros Tipps und Vorschriften zur Einrichtung und Außendarstellung des Reisebüros.

Abbildung II-41: Außenauftritt Thomas Cook Reisebüro

Page 171: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

172 | Integrierte Tourismuskonzernmarke

Im Intranet des Unternehmens können die Mitgliederbüros jederzeit über Kataloge, Wer-bemittel, Plakate, Vorlagen für Anzeigen, Mailings etc. verfügen. Die Zentrale organisiert re-gelmäßig Schulungen für Expedienten. Auch Online-Schulungen zu den Katalogreisen von Thomas Cook oder Neckermann genauso wie für die notwendigen EDV-Programme sind für interessierte Reisebüromitarbeiter jederzeit durchführbar, unabhängig von festen Terminen oder Orten.

Abbildung II-42: Beispiel Anzeigenvorlage Thomas Cook Reisen

Quelle: Thomas Cook

Ein persönliches Vertriebsteam mit Innen- und Außendienstmitarbeitern von Thomas Cook kümmert sich um die Reisebüros. Mitarbeiter informieren das Reisebüro über alle Pro-dukt- und Vertriebsthemen von Thomas Cook Reisen, aber auch zu den anderen Veranstal-termarken des Konzerns Neckermann Reisen, Bucher Last Minute und Aldiana. Zudem un-terstützen sie bei Fragen zur Buchungsabwicklung und Reservierungstechnik, beraten bei geplanten Marketingaktionen und Verkaufsveranstaltungen und stehen für Fragen rund um Agenturvertrag und Provisionsregelungen zur Verfügung.

Thomas Cook bei Condor

Auch wenn die Airline seit 2004 in Deutschland nicht mehr unter Thomas Cook Airline firmiert, ist die Zugehörigkeit zu Thomas Cook durchaus noch ersichtlich, so etwa auf den Heckflossen der Flugzeuge. In anderen Ländern wie in Belgien oder Großbritannien betreibt der Konzern auch eigene Thomas Cook Airlines.

Page 172: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

173 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Thomas Cook im Internet

In Deutschland haben alle Veranstaltermarken von Thomas Cook einen eigenen Inter-netauftritt. Der Veranstalter Thomas Cook betreibt ein Portal unter thomascook-reisen.de. Zusätzlich existiert das weit größere Portal thomascook.de. Dieses ist als veranstalterüber-greifendes Online-Portal konzipiert. Hier sind nicht nur die Reisen aller konzerneigenen Veran-stalter zu finden, sondern auch die der Konkurrenz. Ziel des Portals ist es, das Online-Mittler-geschäft nicht allein den sich neu gebildeten Online-Reisebüros wie Expedia.de oder Opodo.de zu überlassen.

Abbildung II-43: Das Online-Portal Thomascook.de

Das Marken-Dach von Thomas Cook

Die Marke Thomas Cook lebt in erster Linie von ihrem sehr bekannten Namen. Der Vorteil des Namens ist auch seine Internationalität: In allen Ländern der Welt assoziieren die Men-schen die gleichen Bedeutungen mit ihm.

Page 173: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

174 | Integrierte Tourismuskonzernmarke

Das Wort-Bild-Zeichen

Abbildung II-44: Wort-Bild-Zeichen Thomas Cook

Der Thomas Cook-Ball soll an eine Weltkugel und die leidenschaftliche und inspirierende Identität von Thomas Cook erinnern. Drei Farben stellen die Marke Thomas Cook dar: Dun-kelblau, Hellblau und Gelb.

Das Wort-Bild-Zeichen ist immer ein fester Bestandteil in der Kommunikation von Tho-mas Cook. Der Ball darf pro Außenauftritt aber immer nur einmal eingesetzt werden. Wird bei einer Vorlage an einer anderen Stelle der Thomas Cook-Ball verwendet, so wird beispielswei-se das Thomas Cook Reisen-Zeichen ohne Ball verwendet.

Abbildung II-45: Wort-Bild-Zeichen Thomas Cook Reisen

Abbildung II-46: Corporate Design von Thomas Cook Reisen

Thomas Cook verfügt über einen hohen Markenstatus. Es ist eine der bedeutendsten Tourismusmarken überhaupt. Allein die lange Geschichte der Marke und ihre starken Wur-zeln in den Anfängen des Tourismus verdeutlichen, wie wichtig eine langfristige und kontinu-ierliche Entwicklung für den Aufbau einer Marke ist.

Page 174: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

175 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Tourismusmarke im stationären 3. Vertrieb

Das Fallbeispiel Lufthansa City Center

Einleitung

Lufthansa City Center (LCC) ist die größte touristikkonzernunabhängige Reisebüro-Fran-chisekette in Deutschland. Sie umfasst in Deutschland etwa 300 Reisebüros. Auch im Aus-land ist die Kette aktiv: Insgesamt sind 580 Büros in 66 Ländern im Reisevertrieb tätig und er-wirtschaften einen Milliardenumsatz. Die einzelnen Reisebüros sind dabei unternehmerisch selbständig, profitieren aber von den Vorteilen eines Franchise-Systems und von den positi-ven Assoziationen der Marke Lufthansa. Die Mitgliedsreisebüros erhalten attraktive Reisepro-dukte für die Kunden, die von Touristikexperten in der Zentrale ausgewählt und provisionsver-handelt werden. In der Lufthansa City Center-Kette ist die Verpflichtung der Mitgliederbüros, die Umsätze auf ganz bestimmte Veranstalter zu konzentrieren, weniger stark ausgeprägt als in Franchisesystemen, die konzerngebunden sind. So stellen viele Büros ihr Touristiksor-timent relativ selbständig zusammen; Vereinbarungen hat die Kette mit den meisten nam-haften Veranstaltern und vielen anderen touristischen Leistungserstellern. Auch die indivi-duelle Vertragsgestaltung eines LCC-Büros mit einem touristischen Anbieter ist möglich. Für die Franchisegebühr erhalten die teilnehmenden Reisebüros ein umfangreiches Angebot an technischer Infrastruktur, Werbemitteln, Schulungen und andere Beratungsdienstleistungen. Die Geschäftsreisesparte der Kette wird unter der Marke Lufthansa City Center Business Plus geführt. Ein eigener Veranstalter heißt mytour.

Geschichte und Entwicklung

Das erste Lufthansa City Center wurde 1991 in Dresden durch die Deutsche Lufthan-sa AG gegründet. Bereits 1992 wurde das erste Büro außerhalb Deutschlands gegründet: das Lufthansa City Center im estnischen Tallinn. Im Jahr 1994 wurde die Franchisezentra-le Lufthansa City Center Reisebüropartner GmbH (LCR) eröffnet, im gleichen Jahr wurden von Lufthansa City Center 100 Prozent der Anteile von der Lufthansa übernommen. Eine enge Zusammenarbeit mit der Lufthansa blieb bestehen. Die Nutzung des Namens Lufthan-sa ist seitdem durch einen Markennutzungsvertrag geregelt. Die Internationalen Lufthansa City Center sind in einer eigenen Gesellschaft gebunden, die allerdings ebenfalls in erster Li-nie durch die Lufthansa City Center Reisebüropartner GmbH (LCR) kontrolliert wird. 2002 er-öffnete die Kette das erste Büro in Südamerika, zwei Jahre später expandierte der Verbund auch auf dem asiatischen Markt, ein Büro wurde in Peking eröffnet.

Page 175: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

176 | Tourismusmarke im stationären Vertrieb

In Deutschland sind einige der Lufthansa City Center-Reisebüros auf bestimmte Segmen-te wie Kreuzfahrten, Golf oder Studienreisen spezialisiert. Durch die Konzernunabhängigkeit der Kette war sie gerade für Reisebüros mit Geschäftsfeldern abseits des Massengeschäfts die bessere Alternative als andere Ketten oder Kooperationen. Der Großteil des Touristik-Um-satzes ist zwar bei den Großveranstaltern, die Strategie für die nächsten Jahre ist allerdings insbesondere die Förderung des Mittelstandsumsatzes sowie eigener Reiseveranstaltungen und Gruppenreisen. Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass befürchtet wird, die Großveranstalter könnten in der Zukunft ihre Provisionen kürzen und gegebenenfalls sogar auf Nettoumsätze umstellen wollen. So will man sich auch in Zukunft seine Unabhängigkeit wahren.

Marken-Dach

Der Name

Die Lufthansa City Center profitieren stark von der Marke Lufthansa, womit in erster Linie der Bereich der Fluggesellschaft verbunden wird (und nicht Lufthansa als Konzernname). Zu-dem findet der Name in den Töchtern Lufthansa Cityline und Lufthansa Cargo Anwendung.

Neben Vorteilen durch die Markenbekanntheit von Lufthansa hat der Name allerdings auch Nachteile. So ist dem Kunden durch den Namen nicht gleich bewusst, dass es sich bei einem Lufthansa City Center um ein klassisches Vollreisebüro handelt, das nicht nur Flug-scheine der Lufthansa verkauft, sondern auch beispielsweise Kreuzfahrten oder Ferienhäu-ser vermittelt.

Das Wort-Bild-Zeichen

Das Wort-Bild-Zeichen von Lufthansa City Center ist angelehnt an das Wort-Bild-Zeichen der Fluggesellschaft. So steht zunächst das Symbol von Lufthansa, der eingekreiste Kranich, neben dem Namen „City Center“ im Lufthansa-Gelb. Darunter steht in blauer Schrift die Be-zeichnung City Center. Der Eigenname eines Reisebüros wiederum steht ebenfalls in blauer Schrift über dem Lufthansa City Center Wort-Bild-Zeichen.

Abbildung II-47: Wort-Bild-Zeichen Lufthansa City Center

Der Außenauftritt der Büros ist einheitlich. Bei der Außenwerbung steht zunächst der um-kreiste Lufthansa-Kranich mit dem Schriftzug Lufthansa City Center in gelb, daneben steht in blauer Schrift der Name des Reisebüros.

Page 176: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

177 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Abbildung II-48: Außenauftritt eines Lufthansa City Centers

Kommunikationspolitik von LCC

Es gibt einen eigenen Marketingausschuss der Franchise-Kette. Ihm gehören gewählte Reisebüroinhaber an. Er entscheidet regelmäßig über die Marketingaktivitäten der Kette, die gemeinsam durchgeführt oder den einzelnen Büros wahlweise zur Verfügung gestellt wer-den. Kooperationen mit bestimmten Destinationen oder Airlines vereinbart die Gruppe ge-schlossen. Werbekostenzuschüsse, die dabei für die Kette vereinbart sind, werden wiede-rum vom Marketingausschuss in Abstimmung mit dem Sponsor für bestimmte Aktionen verwendet. Dies können Point-of-Sale-Aktionen sein wie Plakate oder andere Schaufenster-dekoration genauso wie klassische Werbeaktionen oder eine Anzeigenkampagne, bei der die einzelnen Büros eingebunden werden. Bei allen Kommunikationsmaßnahmen wird auf ein einheitliches Erscheinungsbild geachtet. Hierbei kommen auch neue technische Lösungen zum Einsatz. Durch ein so genanntes Ad-Kid-Tool bietet die Kette den einzelnen Büros auf ei-ner webbasierten Lösung die Möglichkeit, Text- und Bildinhalte so einzupflegen, dass direkt druckfähige Anzeigenvorlagen exportiert werden können. Hierbei wird auf vorprogrammier-te Templates zurückgegriffen, die nach den aktuellen Regeln des Corporate Designs der Ket-te gestaltet sind. So ist auf der einen Seite sichergestellt, dass das Layout aller Lufthansa City Center einheitlich ist, auf der anderen Seite haben die einzelnen Büros den Vorteil, dass sie ohne Inanspruchnahme einer Werbeagentur o. ä. eine Anzeige erstellen und diese selbst an das entsprechende Medium senden können.

Page 177: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

178 | Tourismusmarke im Online-Vertrieb

Außerdem gibt es ein einheitliches Internetportal der Kette unter LCC24.de. Da die Kette Multichannel-Kommunikation ernst nimmt, existiert ein relativ einzigartiges Konzept des On-line-Auftritts der Dachmarke LCC24.de. Dies fördert eine enge Bindung des Online-Kunden zum nächstgelegenen Lufthansa City Center. So hat jeder Kunde die Möglichkeit, neben ei-ner reinen Internet-Buchung den persönlichen Kontakt zum nächsten Lufthansa City Cen-ter-Berater aufzunehmen. Zusätzlich haben die meisten Reisebüros der Kette einen eigenen Online-Auftritt. Diese Internetpräsenzen sind seit 2007 dem einheitlichen „Look & Feel“ der Dachmarkenplattform LCC24.de angepasst und greifen auf verschiedene Buchungstools der Franchise-Zentrale zurück. Auch ein einheitliches Online-Modul für den Geschäftsreiseser-vice steht zur Verfügung, das von den einzelnen Büros individuell angepasst werden kann.

Bei den Lufthansa City Center-Reisebüros kann durchaus von einer Marke gesprochen werden, die sich an die starke Marke Lufthansa anlehnt. Hierbei findet ein Bedeutungstrans-fer über die Klammer des Marken-Daches statt. Entscheidender Baustein ist der gemeinsam benutzte Markenname Lufthansa sowie das gleiche Wort-Bild-Zeichen (Kranich im Kreis) und das gelb-blaue Erscheinungsbild, das alle weiteren Bausteine wie beispielsweise die Typogra-fie festlegt. Mit dieser Konsequenz ist von einer Submarke von Lufthansa zu sprechen, da die Zielgruppen mit Lufthansa eher eine Fluggesellschaft assoziieren als ein Reisebüro. Dies be-deutet aber auch, dass die Entwicklung der LCCs direkt mit der Entwicklung der Marke Luft-hansa verbunden ist. Je nachdem, wie die Marke Lufthansa agiert, dürfte dies auch auf die Submarke LCC abfärben.

Tourismusmarke im Online-Vertrie4. b

Das Fallbeispiel Expedia

Einleitung und Hintergrund

Nachdem bislang mehr klassische und traditionelle Tourismusmarken dargestellt wur-den, ist es an der Zeit, einen Blick in den Bereich der Neuen Medien zu werfen. Anhand des Unternehmens Expedia soll dargestellt werden, ob und wie das Unternehmen zu einer Mar-ke geworden ist und ob hier andere Gesetze vorherrschen als bei klassischen Tourismusmar-ken. Das Unternehmen Expedia gehört zu den führenden Online-Reiseportalen weltweit. Das Angebot von Expedia richtet sich an Geschäfts- sowie an Urlaubsreisende und vermittelt die relevanten Informationen und Mittel für das gesamte Reisepaket – von der Recherche über die Planung zur Buchung. Das Spektrum reicht von Flugscheinen, Hotelreservierungen, Leih-

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178 | Tourismusmarke im Online-Vertrieb

Außerdem gibt es ein einheitliches Internetportal der Kette unter LCC24.de. Da die Kette Multichannel-Kommunikation ernst nimmt, existiert ein relativ einzigartiges Konzept des On-line-Auftritts der Dachmarke LCC24.de. Dies fördert eine enge Bindung des Online-Kunden zum nächstgelegenen Lufthansa City Center. So hat jeder Kunde die Möglichkeit, neben ei-ner reinen Internet-Buchung den persönlichen Kontakt zum nächsten Lufthansa City Cen-ter-Berater aufzunehmen. Zusätzlich haben die meisten Reisebüros der Kette einen eigenen Online-Auftritt. Diese Internetpräsenzen sind seit 2007 dem einheitlichen „Look & Feel“ der Dachmarkenplattform LCC24.de angepasst und greifen auf verschiedene Buchungstools der Franchise-Zentrale zurück. Auch ein einheitliches Online-Modul für den Geschäftsreiseser-vice steht zur Verfügung, das von den einzelnen Büros individuell angepasst werden kann.

Bei den Lufthansa City Center-Reisebüros kann durchaus von einer Marke gesprochen werden, die sich an die starke Marke Lufthansa anlehnt. Hierbei findet ein Bedeutungstrans-fer über die Klammer des Marken-Daches statt. Entscheidender Baustein ist der gemeinsam benutzte Markenname Lufthansa sowie das gleiche Wort-Bild-Zeichen (Kranich im Kreis) und das gelb-blaue Erscheinungsbild, das alle weiteren Bausteine wie beispielsweise die Typogra-fie festlegt. Mit dieser Konsequenz ist von einer Submarke von Lufthansa zu sprechen, da die Zielgruppen mit Lufthansa eher eine Fluggesellschaft assoziieren als ein Reisebüro. Dies be-deutet aber auch, dass die Entwicklung der LCCs direkt mit der Entwicklung der Marke Luft-hansa verbunden ist. Je nachdem, wie die Marke Lufthansa agiert, dürfte dies auch auf die Submarke LCC abfärben.

Tourismusmarke im Online-Vertrie4. b

Das Fallbeispiel Expedia

Einleitung und Hintergrund

Nachdem bislang mehr klassische und traditionelle Tourismusmarken dargestellt wur-den, ist es an der Zeit, einen Blick in den Bereich der Neuen Medien zu werfen. Anhand des Unternehmens Expedia soll dargestellt werden, ob und wie das Unternehmen zu einer Mar-ke geworden ist und ob hier andere Gesetze vorherrschen als bei klassischen Tourismusmar-ken. Das Unternehmen Expedia gehört zu den führenden Online-Reiseportalen weltweit. Das Angebot von Expedia richtet sich an Geschäfts- sowie an Urlaubsreisende und vermittelt die relevanten Informationen und Mittel für das gesamte Reisepaket – von der Recherche über die Planung zur Buchung. Das Spektrum reicht von Flugscheinen, Hotelreservierungen, Leih-

Page 179: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

179 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

wagen, Seereisen, Bahnkarten bis zu kompletten Pauschalreisen. Zudem ist Expedia Dienst-leister für Reise-Einzelhändler und stellt Services auf Großhandelsbasis zur Verfügung. Insge-samt arbeiten weltweit rund 4.600 Mitarbeiter für Expedia.

Markengeschichte

Expedia wurde als Online-Reisebüro im Oktober 1996 vom Software-Unternehmen Mi-crosoft gegründet. Richard Barton, ein Mitarbeiter von Microsoft und zuständig für Reise-CDs des Unternehmens, hatte die Idee zur Gründung eines Online-Reiseportals. Als der CD-Markt einbrach, stellte er seine Idee dem Microsoft-Chef Bill Gates vor, der spontan begeistert war. Das Unternehmen konnte starten. Obwohl viele Fachleute in dieser Zeit nicht daran glaubten, dass Privatleute sich ihre eigene Reise ohne ein Reisebüro organisieren würden, schien das Geschäftsmodell zu funktionieren: Bereits im März 1997 vermeldete Expedia, dass sie inner-halb von einer Woche für eine Million US-Dollar Reisen verkauft habe; davon waren 80 Pro-zent Flugreisen. Zwei Jahre später wurde in Großbritannien das Geschäft aufgenommen, die deutsche Tochtergesellschaft Expedia.de wurde 1999 gegründet.

Im Jahre 1999 wird Expedia als Spin-off von Microsoft an die Börse gebracht. Der Mut-terkonzern Microsoft behält jedoch über seine Anteile von mehr als 86 Prozent die Kontrolle über Expedia. 2000 erwirbt Expedia zwei Unternehmen: zum einen das Unternehmen Vaca-tionSpot.com in Seattle, ein Reservierungsnetzwerk für Ferienhäuser; zum anderen das Un-ternehmen Travelscape.com aus Las Vegas, das auf günstige Hotelzimmer spezialisiert ist. Zwei Jahre später wird ein Anteil von Expedia durch das Unternehmen USA Networks von Microsoft für 1,5 Milliarden US-Dollar erworben. 2003 verkauft Microsoft die restlichen An-teile für weitere 3,3 Milliarden Dollar.

Marken-Dach und -Räume

Der Name Expedia ist ein Kunstname, der sich von dem Begriff „Expedition“ ableiten lässt. Die Endung -ia basiert auf einem lateinischen Stamm; damit soll sichergestellt werden, dass der Name weltweit einsetzbar ist und verstanden wird.

Beim Wort-Bild-Zeichen von Expedia ist zu unterscheiden zwischen dem Mutterkonzern Expedia Inc. und den nationalen Submarken wie beispielsweise Expedia.de.

Abbildung II-49: Wort-Bild-Zeichen des Multikonzerns und einer Submarke

Das Wort-Bild-Zeichen der Submarken findet sich auf allen nationalen Internetauftritten wieder. Das Wort-Bild-Zeichen des Mutterkonzerns wird dagegen zurückhaltend eingesetzt.

Page 180: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

180 | Tourismusmarke im Online-Vertrieb

Das Wort-Bild-Zeichen der jeweiligen Submarken besteht aus einem Bild- sowie einem Wortzeichen. Das Bildzeichen, eine abstrahierte Weltkugel mit einem Flugzeug, suggeriert die globale Ausrichtung des Unternehmens. Aus dem grafischen Blickwinkel erfüllt das Bild-zeichen nicht alle markenrelevanten Kriterien, die ein prägnantes Wort-Bild-Zeichen erfüllen muss. Zu kritisieren ist die Vielzahl der grafischen Elemente, in Form der im Comicstil ge-zeichneten Weltkugel sowie des Flugzeuges. Abgesehen von subjektiv-ästhetischen Aspek-ten ist die Vielzahl der grafischen Elemente in der technischen Umsetzung, so beispielsweise in der starken Verkleinerung sowie in der schwarz-weißen Darstellung, insbesondere bei ei-ner schlechteren Auflösung wie bei einem Fax, kritisch zu sehen.

Das Wort-Bild-Zeichen des Mutterkonzerns dagegen, ein abstrahiertes „E“, erfüllt alle markenrelevanten Kriterien. Es ist prägnant, eigenständig, differenzierend und technisch um-setzbar.

Expedia richtet sich nicht nur an Privat-, sondern auch an Geschäftsreisende. Basis des Erfolges von Expedia ist die Online-Kompetenz des Unternehmens. So hat Expedia von An-fang an auf innovative Online-Lösungen gesetzt. Ein Aspekt ist, dass Expedia zu den ersten Online-Reiseportalen gehörte, welche das „Dynamic Packaging“ angeboten haben. Dynamic Packaging bezeichnet die Kombination von verschiedenen Leistungen wie Flugtickets, Hotel-reservierungen und Tourismusangeboten vor Ort. Auch die direkte Ankopplung an Hotelre-servierungssystemen verspricht einen schnelleren und preisgünstigeren Zugriff auf freie Ho-telzimmer.

Die Gründung 1996 macht Expedia zu einem Pionier, einem Innovator, der durch die technische Kompetenz des Mutterkonzerns Microsoft, einen Trend in Gang gesetzt oder zu-mindest verstärkt hat. Der klassische Vertriebsweg bei der Reisebuchung über ein Reisebü-ro wurde durch Expedia und einige, damals wenige Mitwerbewerber, in Frage gestellt. Fest steht, dass sich die Reisebuchungsgewohnheiten von einer Vielzahl von Kunden durch die Möglichkeiten der Online-Buchung gewandelt haben.

Die Nutzer von Expedia haben folgende Merkmale: Sie sind in der Regel mittleren Alters, mehr Frauen als Männer, verfügen über ein höheres Bildungsniveau und sind häufig in Füh-rungspositionen tätig, in der Regel also Beamte, Angestellte oder Selbständige. Die Nutzer verfügen über ein hohes Haushaltsnetto-Einkommen und, dies ist nicht überraschend, sind bereits erfahren in der Nutzung neuer Medien, so beispielsweise als Online-Käufer von an-deren Portalen.

Expedia hat von Anfang stark auf Marketingmaßnahmen gesetzt. Um sich von einem der wichtigsten Wettbewerber auf dem amerikanischen Markt, dem Unternehmen Travelocity, abzusetzen, investierte Expedia im Jahre 2000 rund 50 Millionen US-Dollar in multimediale Marketingmaßnahmen mit der Botschaft „Don’t just travel. Travel right“ und „Where do you want to go today?“.

Neben der Marke Expedia.com und ihren nationalen Ablegern gehören weitere Submar-ken wie Hotels.com, Hotwire, Expedia Corporate Travel, Trip Advisor, und Classic Custom Vacations zum Unternehmen.

Hotwire.com ist ein Anbieter von rabattierten Reisen, bei dem der preissensible Kunde sich über günstige Reisemöglichkeiten informieren, während ein Anbieter unbelegte Plätze im Flugzeug, leere Hotelzimmer oder Leihwagen verkaufen kann. Tripadvisor liefert Reisein-

Page 181: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

181 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

formationen und -empfehlungen in Form von Hotelrankings und Tipps. Classic Custom Vaca-tions ist ein Urlaubsservice für anspruchsvolle Kunden im Luxussegment.

Wie erfolgreich Expedia ist, zeigen eine Reihe von Auszeichnungen. Expedia wurde Test-sieger von acht Online-Reiseportalen im Bereich „Last-Minute-Reisebuchung“19. Computer-Bild hat 16 Online-Reiseportale getestet und Expedia wurde auch hier Testsieger20. Ende 2006 gewann Expedia den „Online-Star“, den größten europäischen Internet-Publikums-preis.

Expedia ist trotz des relativ jungen Alters eine erfolgreiche Marke. Als einer der Pionie-re im Bereich der Online-Reiseportale hat es Expedia geschafft, von Jahr zu Jahr stetig neue Kunden zu gewinnen und bestehende Kunden zu halten.

Problematisch ist jedoch die Strategie bei den Submarken, die vom Namen und auch von anderen wahrnehmbaren Bausteinen des Marken-Daches keine erkennbare Beziehung zu Expedia haben. Da diese von Expedia selber als Marken vorgestellt werden, aber der externe Markenstatus fragwürdig ist, kann diese strategische Entscheidung nicht nachvollzogen wer-den. Bei Hotwire.com, Tripadvisor sowie auf Classic Custom Vacations ist kein erkennbarer Hinweis auf Expedia zu finden.

Spezialveranstalter5.

Das Fallbeispiel Studiosus Reisen

Einleitung

Studiosus Reisen ist Marktführer für Studienreisen in Deutschland. Der Reiseveranstalter mit Sitz in München bietet Reisen in so gut wie alle studienreisegeeigneten Reisegebiete der Welt, nach eigenen Angaben in über 100 Länder auf mehr als 1.000 Routen.

Eine Studienreise ist eine Sonderform der Pauschalreise. Der Begriff Studienreise ist nicht eindeutig definiert und stellt auch keine geschützte Bezeichnung dar. Meist wird eine qualita-tiv höherwertige Rundreise mit fachlich geeigneter Reiseleitung und begrenzter Teilnehmer-zahl als Studienreise bezeichnet. Eine Abgrenzung zu Begriffen wie Rundreise, Bildungsrei-se, Erlebnisreise, Kulturreise etc. ist schwierig. In den 70er und 80er Jahren war es populär, Reisen als Studienreisen zu bezeichnen und so einen höheren Qualitätsanspruch zu verspre-chen. Jedoch ist der Ausdruck Studienreise in den 90er Jahren bei vielen Veranstaltern aus der Mode gekommen, das Wort Erlebnisreise wurde wesentlich beliebter.

Page 182: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

181 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

formationen und -empfehlungen in Form von Hotelrankings und Tipps. Classic Custom Vaca-tions ist ein Urlaubsservice für anspruchsvolle Kunden im Luxussegment.

Wie erfolgreich Expedia ist, zeigen eine Reihe von Auszeichnungen. Expedia wurde Test-sieger von acht Online-Reiseportalen im Bereich „Last-Minute-Reisebuchung“19. Computer-Bild hat 16 Online-Reiseportale getestet und Expedia wurde auch hier Testsieger20. Ende 2006 gewann Expedia den „Online-Star“, den größten europäischen Internet-Publikums-preis.

Expedia ist trotz des relativ jungen Alters eine erfolgreiche Marke. Als einer der Pionie-re im Bereich der Online-Reiseportale hat es Expedia geschafft, von Jahr zu Jahr stetig neue Kunden zu gewinnen und bestehende Kunden zu halten.

Problematisch ist jedoch die Strategie bei den Submarken, die vom Namen und auch von anderen wahrnehmbaren Bausteinen des Marken-Daches keine erkennbare Beziehung zu Expedia haben. Da diese von Expedia selber als Marken vorgestellt werden, aber der externe Markenstatus fragwürdig ist, kann diese strategische Entscheidung nicht nachvollzogen wer-den. Bei Hotwire.com, Tripadvisor sowie auf Classic Custom Vacations ist kein erkennbarer Hinweis auf Expedia zu finden.

Spezialveranstalter5.

Das Fallbeispiel Studiosus Reisen

Einleitung

Studiosus Reisen ist Marktführer für Studienreisen in Deutschland. Der Reiseveranstalter mit Sitz in München bietet Reisen in so gut wie alle studienreisegeeigneten Reisegebiete der Welt, nach eigenen Angaben in über 100 Länder auf mehr als 1.000 Routen.

Eine Studienreise ist eine Sonderform der Pauschalreise. Der Begriff Studienreise ist nicht eindeutig definiert und stellt auch keine geschützte Bezeichnung dar. Meist wird eine qualita-tiv höherwertige Rundreise mit fachlich geeigneter Reiseleitung und begrenzter Teilnehmer-zahl als Studienreise bezeichnet. Eine Abgrenzung zu Begriffen wie Rundreise, Bildungsrei-se, Erlebnisreise, Kulturreise etc. ist schwierig. In den 70er und 80er Jahren war es populär, Reisen als Studienreisen zu bezeichnen und so einen höheren Qualitätsanspruch zu verspre-chen. Jedoch ist der Ausdruck Studienreise in den 90er Jahren bei vielen Veranstaltern aus der Mode gekommen, das Wort Erlebnisreise wurde wesentlich beliebter.

Page 183: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

182 | Spezialveranstalter

Studiosus steht aber nach wie vor zum Terminus Studienreise, spricht aber von der mo-dernen Studienreise, um falschen Assoziationen entgegenzuwirken.

Für Studiosus besteht die moderne Studienreise aus vier Elementen:21

Dem Leben begegnen: Studiosus-Gäste sollen den Alltag der Menschen in fremden Kul- Y

turen kennen lernen und die wesentlichen Informationen über die aktuelle Situation des Landes zu Wirtschaft, Politik und sozialen Themen erfahren.Kultur erleben: Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten des Reiseziels werden besichtigt. Da- Y

bei erläutert der Reiseleiter Wissenswertes über Kunst, Geschichte, Literatur, Musik und Religion.Entspannung genießen: Studiosus-Gäste sollen während ihrer Urlaubsreise auch Zeit Y

für eigene Unternehmungen, Erholung und Entspannung haben, zudem landestypische Spezialitäten genießen und das Lebensgefühl fremder Kulturen spüren – etwa durch Be-suche auf dem Basar, im Café oder am Strand.Rücksicht nehmen: Neben den touristischen Zielen für die Gäste sollen Studienreisen Y

auch nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit konzipiert und durchgeführt werden, also auf Umweltschutz und Verantwortung gegenüber dem Gastland ausgerichtet sein.

Die Studiosus-Gruppe

Im Frühjahr 1954 wurde Studiosus – damals unter dem Namen Reisedienst Studiosus von Werner Kubsch in München gegründet. Die erste Reise führte von München auf den Balkan und nach Griechenland, Werner Kubsch übernahm zu Beginn selbst die Reiseleitung. Heute führt Peter-Mario Kubsch das Familien-Unternehmen in der zweiten Generation. Zur Studiosus-Gruppe gehören insgesamt drei Reiseveranstalter, die wiederum jeweils in ver-schiedenen Geschäftsfeldern tätig sind. Studiosus Reisen GmbH bündelt u. a. das klassische Studienreisengeschäft, das gleichzeitig das größte Geschäftsfeld ist. Der Veranstalter Marco Polo Reisen GmbH gehört seit 2001 zur Unternehmensgruppe, er wurde damals zugekauft und war in einem ähnlichen Geschäftssegment wie Studiosus aktiv. Heute ist Marco Polo anders positioniert: Während Studiosus die Premium-Marke und ein umfassender, vielseiti-ger Studienreiseanbieter ist, bedient Marco Polo ein etwas günstigeres Preissegment. Mar-co Polo nennt seine Reiseangebote nicht Studienreisen, sondern Entdeckerreisen und rückt den Erlebnischarakter etwas mehr in den Vordergrund. Gleichzeitig sind im Vergleich zu den Angeboten von Studiosus weniger Leistungen im Grundreisepreis inkludiert. Die Gruppe ist inhabergeführt und beschäftigt insgesamt 265 Mitarbeiter und 620 Reiseleiterinnen und Rei-seleiter.

Studiosus Gruppenreisen ist ein eigener Veranstalter, der ausschließlich Gruppenreisen für Sondergruppen organisiert. Für bestimmte Auftraggeber werden exklusiv Reiseangebote ausgearbeitet, die sich konkret auf die definierten Kundenwünsche wie Reiseroute, Abreise-ort, Reisedauer, Preisniveau etc. ausrichten. Auftraggeber sind dabei Volkshochschulen, Ver-eine, Clubs, Verbände, Privatkunden oder Firmen. Bei Studiosus Gruppenreisen ist mit SGR Tours auch eine Billigreisemarke angesiedelt, die z. B. im Leserreisengeschäft mit verschie-denen Verlagen aktiv ist.

Page 184: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

183 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Tabelle II-23: Geschäftsfelder der Studiosus Gruppe

Studiosus Reisen GmbH Marco Polo Reisen GmbH Studiosus Gruppenreisen GmbH

Studiosus – Studienreisen Marco Polo Erlebnis- und Entdeckerreisen

Studiosus Gruppenreisen

Studiosus – Citylights(Städtereisen)

Marco Polo –Individuelle Reisen ohne Gruppe

SGR Tours

Studiosus – me & more Marco Polo – Young Line Travel

Studiosus – Sprachreisen

Kultimer – Events und Kulturtipps

Angebotspalette von Studiosus Reisen

Studiosus Reisen teilt seine Reiseangebote in fünf verschiedene Segmente. Das umfang-reichste ist das Feld der Studienreisen.

Das Angebot an Studienreisen wird in sechs verschiedenen Katalogen angeboten. Die klassischen Studienreisen werden wiederum in fünf geografische Bereiche eingeteilt:

Fernreisen: Studienreisen nach Asien, Arabien und Australien. Y

Fernreisen: Studienreisen nach Afrika und Amerika. Y

Westliche Mittelmeerländer: Studienreisen nach Italien, Malta, Spanien, Portugal, Marok- Y

ko, Tunesien und Libyen.Östliches Mittelmeer: Studienreisen nach Griechenland, Ägypten, Kroatien, Zypern, Isra- Y

el, Syrien, Jordanien und in die Türkei.Mittel-, Nord- und Osteuropa: Studienreisen nach Frankreich, Benelux, Großbritannien, Y

Irland, Skandinavien, Island, Mitteleuropa, Osteuropa, Polen, Russland und in das Balti-kum.

Studiosus bietet innerhalb seines Angebots Studienreisen mit verschiedenem Profil an:

Tabelle II-24: Bezeichnung der Reisevarianten bei Studiosus

Studienreise-Variante Beschreibung

Klassikstudienreise Studienreise in kleinen Gruppen, besonders ausführli-ches und intensives Besichtigungsprogramm.

Wanderstudienreise Bei diesen Studienreisen wird aktiv gewandert. Wie intensiv,das gibt wiederum eine Klassifizierung in fünf Stufen an.

Fahrradstudienreise Wie bei der Wanderstudienreise wird auch hier die kör-perliche Anforderung in fünf Stufen eingeteilt.

ServicePlus-Studienreise Den Interessen der älteren Reisegeneration wird mit zusätzlichemService und geruhsameren Reisen Rechnung getragen.

Preiswert Studienreise Diese Reisen bieten einen günstigeren Preis, dadurch sind die Gruppen größer und die Hotelqualität teilweise schlechter.

Page 185: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

184 | Spezialveranstalter

Studienreise-Variante Beschreibung

Naturstudienreise Reisen, bei denen weniger kulturelle Sehenswürdig-keiten besucht werden, dafür aber viel Natur.

Expeditionsstudienreise In einigen Ländern und Regionen gibt es noch nicht die erfor-derliche touristische Infrastruktur, um Reisen auf hohem Ni-veau zu bieten. Um den Reisenden von Beginn an darauf zu sen-sibilisieren, werden sie als Expeditionsreise bezeichnet.

Kreuzfahrtstudienreise Studienreisen auf Kreuzfahrten mit eigenem Reiseleiter.

Für Wander- und Fahrrad-Studienreisen sowie für Familienstudienreisen wird jeweils noch ein eigener Katalog herausgebracht.

Neben den Studienreisen hat Studiosus Reisen weitere Produktlinien definiert. So gibt es einen eigenen Katalog für Städtereisen, um der steigenden Nachfrage in diesem Segment gerecht zu werden. In dem als Studiosus CityLights bezeichneten Angebot werden sowohl Gruppenreisen als auch Individualreisen angeboten. Unter dem Label Studiosus me & more werden Reisen für Singles und andere Alleinreisende angeboten. In diesen Programmen ist der Aufpreis für ein Einzelzimmer im Reisepreis enthalten. Besonders viele Angebote gibt es über Weihnachten und Silvester. Studiosus Sprachreisen bietet mit verschiedenen Angebo-ten für verschiedene Zielgruppen Reisen mit einem Sprachlernaufenthalt an.

Als eine Mischung zwischen Newsletter und Reisekatalog erscheint sechs Mal jährlich der kultimer. In ihm werden vor allem Eventreisen angeboten, beispielsweise zu Pop-, Jazz- oder Klassik-Konzerten, aber auch zu Ausstellungen und Festivals. Ergänzt wird das Pro-gramm durch diverse Themenreisen.

Studiosus ist Mitglied in vielen Verbänden und Interessengemeinschaften, dies oft auch als aktives Mitglied.

ASTA American Society of Travel Agents, German ChapterDRV Deutscher ReiseVerband e.V.FDSV Fachverband Deutscher Sprachreisen-Veranstalter e. V.F.U.R. Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e. V.IATA International Air Transport AssociationPATA Pacific Asia Travel Association, International and Bavaria ChapterSKÅL-Club Internationale Vereinigung von Führungskräften aus der TourismusbrancheStfT&E Studienkreis für Tourismus und Entwicklung e. V.TOI Tour Operators Initiative for Sustainable Tourism Development

Marken-Dach

Studiosus bezeichnet eigentlich den studentischen Grad bzw. die lateinische studenti-sche Selbstbezeichnung. Sie wird an einigen Universitäten in der internen Kommunikation genutzt. In der Zeit vom ersten Semester bis zum Vordiplom oder dem Bachelor bezeichnen sich Studenten mit der abgekürzten Form stud. (studiosus) + Fachrichtung, also z. B. stud. phil. oder stud. phys. Studiosus bezeichnet also Studenten, die an einer Hochschule studie-

Page 186: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

185 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

ren. Der Begriff bezieht sich auf den studiosus, den eifrig Lernenden (studium, -i, lat. „Eifer“). Hieran knüpft der Name Studiosus Reisen an. Der Name ist leicht zu merken und assoziiert schnell die Reiseform der Studienreise.

Abbildung II-50: Wort-Zeichen Studiosus

Studiosus nutzt kein Bild-Zeichen, sondern nur eine typografische Form des Markenna-mens. Das Wort-Zeichen ist klar und prägnant; es fehlt jegliche visuell-spielerische Formen-sprache. Die Schrift ist schnörkellos.

Als Claim nutzt Studiosus den Zusatz Intensiverleben, der auf allen Stufen der Kommuni-kationskette eingesetzt wird.

Abbildung II-51: Anzeige von Studiosus

Marken-Räume

Studiosus Reisen ist einer der bekanntesten Studienreiseveranstalter in Deutschland. Eine von Lernidee Erlebnisreisen durchgeführte umfangreiche schriftliche Kunden- und Interes-sentenbefragung mit 4.532 ausgewerteten Fragebögen ergab, dass Studiosus etwas hinter Meier’s Weltreisen der bekannteste Studienreiseveranstalter ist, schließt man DERTOUR als Bausteinspezialist aus der Betrachtung aus.

Page 187: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

186 | Spezialveranstalter

Abbildung II-52: Bekanntheit von Studien- und Erlebnisreiseveranstaltern

...ist bei vielen Leuten bekannt.

1,48

1,53

1,54

1,80

1,87

1,91

2,38

2,38

2,60

2,68

2,81

2,93

3,14

1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50 4,00

(1=trifft voll zu - 4=trifft gar nicht zu)

Meier's Weltreisen

Dertour

Studiosus

Dr. Tigges

Hurtigruten

Airtours

Lernidee Erlebnisreisen

Gebeco

Wikinger Reisen

Ikarus Tours

Windrose

Hauser Exkursionen

Kiwi Tours

Quelle: Marktforschung Lernidee Erlebnisreisen 2006

Abbildung II-53: Wahrgenommene Angebotsvielfalt von Studienreiseanbietern

…hat eine breite Angebotsvielfalt.

1,46

1,50

1,64

1,70

1,83

1,88

1,91

2,10

2,20

2,25

2,36

2,50

2,69

1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50 4,00

(1=trifft voll zu - 4=trifft gar nicht zu)

Studiosus

Meier's Weltreisen

Dertour

Lernidee Erlebnisreisen

Gebeco

Airtours

Dr. Tigges

Ikarus Tours

Windrose

Wikinger Reisen

Hauser Exkursionen

Hurtigruten

Kiwi Tours

Quelle: Marktforschung Lernidee Erlebnisreisen 2006

Page 188: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

187 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Nicht verwunderlich ist die hoch angenommene Angebotsvielfalt von Studiosus. Keinem anderen Anbieter wird ein umfangreicheres Programm zugetraut. Gleichzeitig gilt Studiosus als einer der Studienreiseveranstalter mit dem höchsten Niveau.

Abbildung II-54: Wahrgenommenes Reiseniveau bei Studienreiseanbietern

…bietet Reisen auf hohem Niveau.

1,36

1,38

1,73

1,85

1,88

1,90

1,92

2,06

2,19

2,23

2,26

2,26

2,50

1,00 1,50 2,00 2,50 3,00 3,50 4,00

(1=trifft voll zu - 4=trifft gar nicht zu)

Lernidee Erlebnisreisen

Studiosus

Meier's Weltreisen

Hurtigruten

Windrose

Dr. Tigges

Gebeco

Airtours

Dertour

Hauser Exkursionen

Wikinger Reisen

Ikarus Tours

Kiwi Tours

Quelle: Marktforschung Lernidee Erlebnisreisen 2006

Reiseleiter

Studiosus legt seit jeher ganz besonderen Wert auf qualifizierte Reiseleiter. Diese Aus-richtung ist ein wichtiger Bestandteil der Marken-Räume des Unternehmens. Das Studio-sus-Management weiß, dass die Frage, ob eine Studienreise bei den Gästen gut ankommt, maßgeblich mit der Qualität der Reiseleitung zusammenhängt. Daher gibt es ein eigenes Qualitätsmanagement-System für die Auswahl, Aus- und Weiterbildung der Studiosus-Rei-seleiter. Dieses wurde 1998 erstmals nach DIN EN ISO 9001 zertifiziert und wird regelmäßig durch externe Experten überprüft. Die Kundenzufriedenheit mit der Reiseleitung wird durch Kundenfragebögen, die jeweils am Ende der Reise an die Gäste verteilt werden, erfasst. Dem-nach sind 96,8 Prozent der Kunden mit der Reiseleitung zufrieden.22

Die Einteilung von geeigneten Reiseleitern erfolgt nach verschiedenen Kriterien, je nach Route, Reiseart und notwendigen Sprach- und Fachkenntnissen. Es werden in der Regel er-fahrene Reiseleiter mit einem breiten Wissen eingesetzt. Möchten Reiseleiter erstmals für Stu-diosus arbeiten, müssen sie zunächst ein spezielles Auswahlseminar bestehen, bei dem der Bewerber in Interaktion mit einer Gruppe gestellt wird. In verschiedenen Situationen werden dann Eigenschaften wie Führungskompetenz oder die Fähigkeit zur lebendigen Vermittlung

Page 189: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

188 | Spezialveranstalter

von Inhalten bewertet. Ist ein Bewerber erfolgreich, so wird er in speziellen Schulungen auf seinen Einsatz als Studiosus-Reiseleiter vorbereitet. Während der ersten Reisen wird ein Rei-seleiter noch von einem Ausbildungsreferenten gecoacht und bekommt gegebenenfalls Hil-fe von einem langjährig erfahrenen Reiseleiter. Für bestehende Studiosus-Reiseleiter werden regelmäßig Reiseleiterseminare veranstaltet, die von Studiosus organisiert werden. Sie sol-len die nötige Weiterbildung aller 620 Reiseleiter garantieren. Durch die kontinuierliche Aus-wertung der Gästebewertungsbögen wird die Qualität der Reiseleiter ständig überprüft. Da-bei werden auch Gewichtungen durchgeführt, bei welcher Art von Reisen die Reiseleiter am besten bewertet werden. Dieses fließt dann in die nächste Reiseleiter-Einsatzplanung ein.

Des Weiteren fördert Studiosus Reisen eine Reihe sozialer und ökologischer Projekte in den Zielgebieten, um seiner Verantwortung im Rahmen von Nachhaltigkeit im Tourismus ge-recht zu werden. Zudem ist im Unternehmen ein eigenes Umweltmanagement-System ins-talliert, das jährlich von einem externen Gutachter überprüft wird.

Internet und Vertrieb

Bei seinem Internetauftritt präsentiert Studiosus neben den Reiseangeboten zusätzliche Informationen etwa zu Ländern, Klima, Kleidung etc. wie im Katalog. Bei den einzelnen Rei-sen können Verfügbarkeiten überprüft werden, auch zu verschiedenen Zimmerkategorien, also beispielsweise, ob zum gewünschten Reisetermin auch noch ein Einzelzimmer gebucht werden kann.

Im Bereich Sicherheit auf Reisen möchte Studiosus Reisen eine Vorreiterrolle überneh-men. Insbesondere im Internet kommuniziert Studiosus die jeweils aktuellen Meldungen zur Reisesicherheit in den einzelnen Destinationen. Ein entsprechendes Popup-Fenster öffnet sich automatisch, wenn man die Studiosus-Homepage öffnet. Hier werden Informationen über die Situation vor allem in politisch weniger stabilen Ländern dargeboten. Diese fast auf-dringliche Art, interessierte Reisegäste auf mögliche Gefahren und politische Instabilität hin-zuweisen, ist allerdings umstritten.

Beim Internetauftritt bietet Studiosus verschiedene Möglichkeiten zur Buchung an. Ent-weder kann direkt per E-Mail-Formular gebucht werden bzw. können bei einer telefonischen Beratung eines Service-Mitarbeiters von Studiosus Fragen geklärt werden, die für die Bu-chungsentscheidung notwendig sind. Oder aber es wird ein Reisebürofinder angeboten, der für den Reiseinteressenten ein geeignetes Reisebüro in der Nähe aufspürt. Hierbei werden diejenigen Büros bevorzugt, die an Produktschulungen von Studiosus teilgenommen ha-ben. Studiosus ist auch stark im indirekten Vertrieb engagiert. Mehr als 7.500 Reisebüros in Deutschland, Österreich und in der Schweiz haben eine Agenturbeziehung zu Studiosus Rei-sen. Der Anteil des Umsatzes über Reisebüros beträgt bei Studiosus nach Unternehmensan-gaben über 90 Prozent.

Page 190: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

189 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Fazit:

Studiosus ist eine starke Marke. Die lange Geschichte seit Mitte der 50er Jahre, die große Erfahrung und die erfolgreiche Entwicklung verdeutlichen, dass Studiosus zu den etablier-ten Marken im Tourismusbereich gehört. Nicht nur die hohe Bekanntheit, sondern auch die Zufriedenheitswerte sprechen für die Stärke der Marke. Über die Jahrzehnte hat es Stu-diosus geschafft, sich gemäß dem Prinzip des Marken-Baumes kontinuierlich weiterzuent-wickeln und seinen Ruf zu festigen.

Das Fallbeispiel Ameropa-Reisen

Ameropa-Reisen als eine Tochter der Deutschen Bahn ist Spezialist für erdgebundene touristische Reiseangebote, in denen die Transportleistung meist aus Eisenbahnfahrten be-steht. Mit etwa 100 Millionen Euro Umsatz und 500.000 Reisenden ist Ameropa Marktfüh-rer für touristische Bahnreisen in Europa. Insbesondere Reisen innerhalb Deutschlands und in das nahe europäische Ausland, wie zum Beispiel nach Frankreich oder in die Schweiz, kennzeichnen das Angebot von Ameropa-Reisen. Trends für Kurzreisen und klimabewusstes Reisen bescheren dem Reiseveranstalter derzeit Zuwächse. Ameropa ist der klassische Ni-schenanbieter für den Zweit-, Dritt- oder Viert-Urlaub.

Geschichte

Gegründet wurde das Unternehmen 1951, der Unternehmenszweck war allerdings zu Be-ginn ein anderer als heute. Ameropa organisierte Reisen für die Angehörigen der in Deutsch-land stationierten Streitkräfte aus Amerika nach Deutschland und Europa. Allerdings schon wenige Zeit später, als der Tourismus auch in Deutschland einsetzte, bot Ameropa-Reisen für den deutschen Markt Urlaubsaufenthalte in den klassischen Urlaubsregionen Deutsch-lands, Österreichs, der Schweiz und Italiens an. In den 70ern übernahm die Deutsche Ver-kehrs-Bank, eine hundertprozentige Tochter der Deutschen Bundesbahn, das Unternehmen. Ameropa expandierte daraufhin noch stärker, 1986 übernahm das Unternehmen das Touris-tikgeschäft (Städtetouren) der Deutschen Bahn, zwei Jahre später wurden die Reiseangebo-te von Ameropa an das Reservierungssystem Start angebunden. 1993 schließlich übernahm die Deutsche Bahn AG alle Anteile direkt. Bis heute ist Ameropa eine Bahn-Tochter. Anfang des Jahrtausends stand ein Verkauf zur Debatte. Diese Pläne wurden allerdings nur kurze Zeit verfolgt. 2007 ist Ameropa-Reisen zu einer strategischen Tochter der Deutschen Bahn avan-ciert und wurde nach einem Relaunch in die Markenarchitektur der Deutschen Bahn AG in-tegriert.

Page 191: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

190 | Spezialveranstalter

Produkt und Vertrieb

Das Angebot von Ameropa ist vielfältig. Das Kerngeschäft dabei ist Urlaub in Deutsch-land. Etwa 80 Prozent der Gäste von Ameropa buchen ein Angebot im eigenen Land. Zweit-wichtigstes Reiseziel für das Unternehmen ist Frankreich, gefolgt von Österreich und der Schweiz.

Abbildung II-55: Die wichtigsten Zielgebiete von Ameropa

Quelle: Ameropa-Reisen

Abbildung II-56: Altersstruktur der Ameropa-Kunden

Quelle: Ameropa-Reisen Marktforschung

Page 192: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

191 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Die Kunden von Ameropa sind zur Hälfte über 50 Jahre alt, 22 Prozent sind unter 30 Jahre. Damit ist die Altersstruktur der Kunden breit gefächert. Entgegen dem Anschein ist Ameropa nicht nur ein Veranstalter für die ältere Generation. Als Spezialist im Last-Minu-te-Geschäft und für Kurzreisen hat der Zeitpunkt der Buchungseingänge eher kurzfristigen Charakter. Rund 30 Prozent der Buchungen bei Ameropa werden zwischen 14 Tagen und einem Tag vor Reisebeginn gebucht, nur knapp 50 Prozent länger als vier Wochen vor Ab-reise. Diese Zahlen zeigen, wie sehr Ameropa im Kurzfrist- und Aktionsgeschäft engagiert ist. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer beträgt firmenweit 2,9 Tage. In der Sparte Urlaub in Deutschland ist die durchschnittliche Aufenthaltsdauer mit 5,2 Tagen allerdings deutlich hö-her als im Städtereisensegment mit 2,0 Tagen. Im Vergleich zu 2003 hat sich die Aufenthalts-dauer um etwa 20 Prozent verkürzt. Dies verrät also zum einen einen Trend zu kurzfristigeren Buchungen und zum anderen einen Trend zu kürzeren Aufenthaltsdauern.

Abbildung II-57: Durchschnittliche Aufenthaltsdauer in Tagen

0

1

2

3

4

5

6

Gesamtreisen Urlaub in D & EU Städtereisen Last Minute

Tage

Quelle: Ameropa-Reisen Marktforschung

Das Programm wird in bis zu zehn verschiedenen Katalogen vermarktet. Reisekataloge sind noch immer das wichtigste Verkaufsinstrument eines Reiseveranstalters, sowohl beim Kunden als auch im Reisebüro. Bei Ameropa sind die einzelnen Reisen geografisch und the-matisch verschiedenen Katalogen zugeordnet. So kommt es vor, dass für ein und dieselbe Destination in verschiedenen Katalogen unterschiedliche Reisen angeboten werden, je nach Reiseform oder Schwerpunkt – inwiefern dies der Übersichtlichkeit des Angebots dienlich oder hinderlich ist, sei dahingestellt. Die meisten Kataloge erscheinen als Ganzjahreskataloge, einige auch als Halbjahreskataloge, so „Urlaub in Deutschland & Europa“ oder „Städtereisen und Kurzurlaub“. Diese beiden Programme bilden gleichzeitig den Schwerpunkt des Ange-bots. Ergänzt werden sie durch diverse weitere Kataloge für Reisen nach Frankreich, Club-touren, Wellnessreisen und Weinreisen. Der Katalog „Erlebnisreisen mit Bahn & Schiff“ bietet ein umfangreiches Programm der berühmtesten Bahnstrecken der Welt sowie ausgewählter Flusskreuzfahrten. Dieser wird ergänzt durch sehr umfangreiche Programme für den Glacier-Express auf der berühmten Eisenbahnstrecke durch die Schweizer Alpen.

Page 193: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

192 | Spezialveranstalter

Tabelle II-25: Übersicht über die Reisekataloge von Ameropa-Reisen

Winterkataloge: Städtereisen & KurzurlaubUrlaub im WinterWeihnachten und SilvesterFrankreich à la carte

Ganzjahreskataloge: Erlebnisreisen mit Bahn & SchiffGlacier-Express & mehrRadtouren und WandernWellness in Deutschland & mehrWochenendspaßUrlaub in Sachsen

Sommerkataloge: Frankreich à la carteStädtereisen und KurzurlaubUrlaub in Deutschland & EuropaWein & Genuss

Abbildung II-58: Beispiele für Reisekataloge von Ameropa-Reisen

Die Kataloge haben ein übersichtliches und pragmatisch durchdachtes Design. Ein Farb-code weist jedem Katalog im Innenteil eine eigene Grundfarbe zu. Insbesondere dem Expedi-enten im Reisebüro, der häufiger mit den verschiedenen Katalogen von Ameropa zu tun hat, mag dies eine Hilfe sein. Die Reiseverläufe und Reisebeschreibungen verteilen sich auf vier Spalten pro Seite, im oberen Teil jeder Seite sind Bilder der jeweiligen Reiseziele abgedruckt. Da es kein festes Raster für die Größe der Bilderleiste gibt, hat man eine gewisse Flexibili-tät bei der Textmenge, die pro Seite untergebracht werden muss. In den Preistabellen helfen Farbcodes, schnell die zugehörige Saisonzeit herauszufinden.

Page 194: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

193 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Der Reisebürovertrieb ist für Ameropa das wichtigste Standbein im Verkauf. Das Unter-nehmen richtet sich dabei vornehmlich an die Agenturen mit DB-Umsatz. Um die Marke Ameropa bei den Agenturen fester zu verankern und das Programm zu schulen, gibt es ein Team von Außendienstmitarbeitern, die nach Regionen aufgeteilt den indirekten Vertrieb be-treuen. Zusätzlich werden regelmäßig Reisebürostammtische und eine Roadshow veranstal-tet, bei der das aktuelle Ameropa-Programm den Mitarbeitern aus den Reisebüros vorgestellt wird. Einmal im Jahr organisiert Ameropa-Reisen eine aufwändig organisierte Programm-präsentation. Diese findet jedes Jahr in einem anderen Ort, der gleichzeitig Zielgebiet von Ameropa-Reisen ist, statt. So 2007 auf Rügen, 2006 in Warnemünde und 2005 in St. Moritz. Zu dieser Programmpräsentation eingeladen werden die rund 200 bestbuchenden Agentu-ren und einige neue Agenturen mit viel Potenzial. Die Programmpräsentation hat bei einigen Reisebüros einen schon legendären Ruf. Während der Programmpräsentation werden alle teilnehmenden Expedienten in Teams à ca. 15 Teilnehmer aufgeteilt. Diese Teams durchlau-fen dann verschiedene Workshop-Stationen, die meist ähnlich aufgeteilt sind wie die Reisen innerhalb der Kataloge. In jedem Workshop müssen die Reisebüromitarbeiter Aufgaben lö-sen und bekommen Punkte von den Workshop-Leitern zugeteilt. Das Team mit den meisten Punkten darf zur Belohnung noch einmal zusammen in den Urlaub fahren.

Der Markenname

Der Name stammt aus der Gründungszeit des Unternehmens. Hatte er anfangs noch eine konkrete Bedeutung, nämlich Gäste aus AMERika nach EurOPA zu bringen, so hat der Name Ameropa heute keinen inhaltlichen Bezug mehr zum Geschäftsmodell des Reiseveranstal-ters. Es liegt aber nahe, dass „Ameropa“ etwas mit Reisen zu tun haben muss. Der Name ist gut lesbar, leicht merkbar und hat den Vorteil, dass er – da er mit dem Buchstaben „A“ be-ginnt – im Alphabet bei vielen Auflistungen vorne steht. Der Name ist auch in anderen Spra-chen verwendbar, dies ist aber für den Veranstalter derzeit von geringer Bedeutung, da er sich auf den deutschsprachigen Markt konzentriert.

Wort-Bild-Zeichen und Slogan

Wie bereits erwähnt, wurde der Bahntochter Ameropa 2007 ein neues Layout verpasst, das den Reiseveranstalter mehr an die Mutter binden soll. Das Wort-Bild-Zeichen an sich blieb unverändert, bekommt aber das DB-Wort-Bild-Zeichen als Zusatz.

Abbildung II-59: Wort-Bild-Zeichen Ameropa-Reisen (alt und neu)

Page 195: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

194 | Spezialveranstalter

Das Ameropa-Wort-Bild-Zeichen an sich ist ein Wort-Zeichen, das den Namen des Unter-nehmens in Großbuchstaben darstellt.

Neben der Verankerung der Muttergesellschaft im Wort-Bild-Zeichen ist das gesamte Layout von Ameropa angeglichen worden. Auf jedem Katalogtitel findet sich nun ein rotes Element, das an das Corporate Design der Deutschen Bahn erinnern soll. Beim Katalog „Er-lebnisreisen mit Bahn & Schiff“ ist dies ein roter Schal, den ein weiblicher Reisegast trägt, beim Städtereisen-Katalog ein roter Pullover des Fotografierenden. Ebenfalls neu ist, dass auf dem Katalogtitel weniger eine klassische Produktbeschreibung zu finden ist, sondern ein kre-ativer Spruch. So liest man „Abgefahrene Ideen für den Winterurlaub“ oder „Städtereisen. Raus aus dem Winterschlaf“.

Abbildung II-60: Ameropa-Reisen Katalogtitel

Den Trend zum Kurzurlaub zwischendurch möchte Ameropa verstärkt nutzen, daher kam es zu dem neuen Slogan „Mach mal kurz Urlaub“. Damit sollen verstärkt Reisende angespro-chen werden, die sich kurzfristig für einen Zusatzurlaub entscheiden. Dieser Slogan löst den bisherigen „Wir machen Urlaub“ ab. Damit wird auch der Außenauftritt den Veränderun-gen des Produkt-Portfolios in den letzten Jahren angepasst. Gab es vor einigen Jahren auch die Vermittlung von Ferienhäusern als Geschäftsfeld, konzentriert sich der Veranstalter heu-te ganz auf Reisen mit der Bahn. Der neue Slogan unterstreicht sozusagen die Kernkompe-tenz des Veranstalters.

Ameropa-Reisen als ein mittelständischer Reiseveranstalter mit jahrzehntelanger Erfah-rung ist eine erfolgreiche Marke. Innerhalb der Tourismusbranche hat die Marke einen ver-lässlichen Ruf und erfreut sich großer Bekanntheit. Beim Endkunden bestehen teilweise noch Bekanntheitsdefizite. Der neue Markenauftritt in der Markenfamilie der DB ist für die Marke Ameropa in erster Linie eine Chance, das Potenzial der Marke zu stärken.

Page 196: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

195 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Produktmarke im Tourismus6.

Das Fallbeispiel Hurtigruten

Einleitung und Hintergrund

Hinter der Bezeichnung Hurtigruten steht eine einzigartige Rundreise per Schiff an der norwegischen Küste zwischen Bergen und Kirkenes, die ganzjährig gebucht werden kann. Sie ist gleichzeitig die norwegische Postschifflinie, die seit dem 19. Jahrhundert die Orte der über 2.700 km langen Route an der Westküste Norwegens miteinander verbindet. Die Schif-fe stellen eine Kombination zwischen Fracht-, Passagier- und Kreuzfahrtschiffen dar. Den Rei-senden erwartet eine Vielfalt an besonderen Eindrücken, sowohl auf dem Schiff, als auch bei den Landgängen. Die Gesamtreise dauert zwölf Tage; es können jedoch auch Teilstrecken gebucht werden, wie von Bergen nach Kirkenes in sieben und von Kirkenes nach Bergen in fünf Tagen. Bei der Gesamtreise werden in den zwölf Tagen 34 Häfen nordgehend und 33 Häfen südgehend angelaufen. Dabei ist der Fahrplan auf der 2.500 Seemeilen langen Fahrt so eingerichtet, dass nordgehend die Häfen nachts angelaufen werden und südgehend tags-über angelaufen (und umgekehrt). Im Sommer lässt sich die Mitternachtssonne erleben, im Winter das Nordlicht.

Abbildung II-61: Die Strecke der Hurtigruten-Schiffe

Page 197: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

196 | Produktmarke im Tourismus

Die Reise beginnt mit der Einschiffung in Bergen. Am zweiten Tag erreichen die Hurtigru-tenschiffe den 15 km langen Geirangerfjord, es folgen Trondheim, die Überquerung des Po-larkreises, die Lofoten, Tromsö, Hammerfest, das Nordkap und schließlich am siebten Tag Kirkenes, der Wendepunkt der Reise. Hier lässt sich die Hurtigrutenreise auch mit dem Rück-flug nach Bergen und weiter in die Heimat oder aber mit einem Nachprogramm, etwa nach Murmansk, beenden. Andere wiederum beginnen ihre Hurtigrutenreise erst hier südwärts in Richtung Bergen. Während der Aufenthalte in den Häfen können die Gäste entweder auf ei-gene Faust Erkundungen machen oder organisierte Ausflüge dazubuchen.

Gegenwärtig fahren drei Schiffsgenerationen mit unterschiedlichen Kapazitäten unter der Flagge der Reederei Hurtigruten Group ASA. Hierzu zählen zwei traditionelle Schiffe aus den 50er und 60er Jahren, drei Schiffe aus den 80er Jahren sowie acht Schiffe, die in den letzten 15 Jahren gebaut wurden. Alle drei Schiffsgenerationen haben gemeinsam, dass sie sowohl Fracht- als auch Passagierkapazitäten aufweisen und speziell für den Einsatz bei Hurtigruten gebaut worden sind.

Markengeschichte

Die Wurzeln von Hurtigruten hängen eng mit der Geschichte der norwegischen Küste und dem Fischhandel zusammen. Der Handel mit getrocknetem Fisch war für die Küstenbe-wohner eine wichtige Einkommensquelle, doch der Seeweg entlang der Küste mit ihren Fjor-den und Felsen galt als schwierig und risikoreich. Das Fehlen von Seezeichen, Leuchttürmen und exakten Seekarten machte aus jeder Seereise entlang der Küste ein Risiko. Der norwe-gische Staat hatte jedoch ein starkes Interesse, den Norden und Süden des lang gestreckten Landes besser zu verbinden und unterstützte dieses Ansinnen mit Geldmitteln.

Kapitän Richard With war es schließlich, dem es im Jahre 1893 gelang, mit seinem Dampfschiff Vesteralen einen regelmäßigen Schiffsliniendienst entlang der norwegischen Küste zu errichten. Er war es auch, der zusammen mit dem Lotsen Anders Holthe exak-te Seekarten erstellte. So konnte er die Strecke von Bergen nach Kirkenes in nur einer Wo-che befahren und dies auch in der Nacht, was zu dieser Zeit revolutionär war. Da diese Stre-cke nun schnell befahren werden konnte, nannte er sie Hurtigruten („schnelle Strecke“). Die Schiffe, die auf der schnellen Strecke eingesetzt wurden, waren gleichzeitig Passagierschiffe, Postzubringer und Transportfrachter. Dies hat sich bis heute nicht geändert, außer dass sich der Anteil der Passagiere erhöht hat.

Gesellschaftsrechtlich hat Hurtigruten eine turbulente Entwicklung hinter sich. Bevor im Jahre 2006 die beiden Reedereien OVDS und TFDS zur Reederei Hurtigruten Group ASA fu-sionierten, waren insgesamt acht Reedereien als Betreibergesellschaften für die Strecke aktiv. Mit dieser Fusion ist zum ersten Mal in der Geschichte der Hurtigruten eine einzige Reede-rei zuständig; gleichzeitig ist aus dem Unternehmen der größte touristische Anbieter Norwe-gens entstanden.

Die Kompetenz der Seeleute genießt einen exzellenten Ruf, so verfügt jeder der Kapitä-ne vor dem Hurtigruten-Einsatz über mindestens fünf Jahre Erfahrung in norwegischen Küs-tengewässern sowie ein zusätzliches Lotsen-Patent. Alle Schiffe fahren unter norwegischer

Page 198: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

197 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Flagge und verfügen somit über hohe Sicherheitsstandards. Der Jahresumsatz beträgt rund vier Milliarden norwegische Kronen (rund 520 Mio. Euro). Rund 3.400 Mitarbeiter sind für das Unternehmen tätig.

Hurtigruten ist inzwischen zu einem nationalen Symbol Norwegens geworden.

Marken-Dach und -Räume

Der Name Hurtigruten ist nur auf den ersten Blick untypisch für einen Markennamen, da es eine Bezeichnung in norwegischer Sprache ist. Doch gerade dies macht den Namen un-terscheidbar und prägnant. Zudem ist der Name in anderen Sprachen nicht so unverständ-lich, dass es hier zu Verständnisproblemen kommen könnte. Der Sinnzusammenhang der „schnellen Strecke“ ist leicht zu erkennen. Entscheidend ist die Einzigartigkeit des Namens, der damit automatisch zur Differenzierung führt. Somit erfüllt der Name alle Voraussetzun-gen einer Marke.

Positiv ist ebenfalls, dass es inzwischen auch nur eine Betreibergesellschaft unter diesem Namen gibt, so dass hier eine kontinuierliche Entwicklung in der Markenstrategie erkennbar ist. Der Name Hurtigruten soll an Prominenz gewinnen und im Vordergrund stehen.

Das Wort-Bild-Zeichen wurde im Zuge der Fusion im Jahre 2006 verändert.

Abbildung II-62: Neues Wort-Bild-Zeichen von Hurtigruten

Abbildung II-63: Altes Wort-Bild-Zeichen von Hurtigruten

Das alte Wort-Bild-Zeichen zeigt das konkrete Produkt, das Abbild eines Schiffes. Dar-unter steht der Name in Verbindung mit dem Slogan „the most beautiful seavoyage of the world“. Im Deutschen nutzt als Slogan Hurtigruten seit Jahren „Die schönste Seereise der Welt“. Der Slogan ist in allen Kommunikationsmaßnahmen präsent.

Das neue Wort-Bild-Zeichen verzichtet auf die Abbildung eines Schiffes und stellt dage-gen ein abstrahiertes „H“ in den Vordergrund. Hier zeigt sich, dass der Name durch den An-fangsbuchstaben gestärkt werden soll.

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198 | Produktmarke im Tourismus

Abbildung II-64: Beispielanzeige Hurtigruten

Die Schiffe sind mit den Jahren immer komfortabler geworden. Die Hurtigruten-Schiffe der neuen Generation haben mit einem ursprünglichen Postschiff nicht mehr viel gemein-sam. Sie bieten verschiedene Kategorien an. Standardkabinen befinden sich auf den unteren Decks und haben eine Größe zwischen neun bis 13 Quadratmeter, es gibt Innen- und Au-ßenkabinen. Auf den mittleren Decks befinden sich Mini-Suiten; sie sind zwischen 18 und 21 Quadratmeter groß und bieten Komfort wie ein First-Class-Hotel inkl. Fernseher und Minibar. Suiten befinden sich jeweils auf den oberen Decks, sie haben eine Größe zwischen 28 und 40 Quadratmeter und bieten teilweise auch Privatveranda und Badewanne. Das Catering in den bordeigenen Restaurants ist vergleichbar mit anderen hochwertigen Kreuzfahrtschiffen. Daneben gibt es Panoramalounges, Bars, Shops und Internetcafés.

Aus einer Rundreise entlang der norwegischen Küste ist ein touristisches Event gewor-den, das seinesgleichen sucht. Inzwischen ist die Produktpalette angewachsen. Zwar ist die klassische Reise mit dem Postschiff entlang der Küste immer noch die Hauptattraktion, doch das Unternehmen bietet auch weitere Produkte an. Hierzu gehören vor allem Reisen in die Antarktis und auch nach Grönland. Bisher wurden Schiffe der neuen Generation in der Win-tersaison zeitweise in der Antarktis oder vor der Küste Chiles eingesetzt. Seit 2007 betreibt die Reederei ein eigens für polare Regionen gebautes Schiff für diese Expeditionsreisen: die neu gebaute MS Fram.

Dass das Unternehmen erfolgreich arbeitet, ist an den Zahlen beispielsweise aus Deutsch-land erkennbar. Der deutsche Markt war schon immer einer der wichtigsten für das Kreuz-fahrtgeschäft der Hurtigruten-Reederei. Die Hurtigruten GmbH hat die Generalvertretung der

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199 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Hurtigruten für Deutschland und Österreich inne. Seit den 90er Jahren konnte die Reederei ihre Gästezahlen aus Deutschland fast stetig steigern. Im Jahr 2006 konnten mit über 36.000 Passagieren fast 110 Millionen Euro umgesetzt werden.

Hurtigruten erfüllt in jeder Kategorie den Markenstatus. Insbesondere die lange Geschich-te der Strecke und damit verbunden die Überwindung von naturgegebenen Risiken, die zu einem einzigartigen Naturerlebnis geführt haben, geben der Marke ein Profil, das sich von anderen Seereisen abhebt. Die Marke Hurtigruten hat etwas Besonderes, etwas nicht Alltäg-liches, das sich von normalen Kreuzfahrten unterscheidet. In der Strategie der Marke wird dies mit Bedacht gepflegt. Ein wichtiges strategisches Kriterium ist der Aspekt, dass es eine Konzentration auf den Markennamen Hurtigruten gibt. So wurde gesellschaftsrechtlich dafür gesorgt, dass es nur eine Betreibergesellschaft unter diesem Namen gibt; sowohl die Mutter-gesellschaft in Norwegen als auch die Generalvertretungen – wie beispielsweise in Deutsch-land. Die radikale Überarbeitung des Wort-Bild-Zeichens mit dem abstrahierten „H“ verdeut-licht, dass dieser wahrnehmbare Baustein zukünftig verstärkt im Vordergrund stehen soll.

Markenmanagement bei Flug-7. gesellschaften

Im Gegensatz zu Destinationen sind Fluggesellschaften als Marken weitaus weniger kom-plex. Dies hängt mit den strukturellen und damit auch organisatorischen Gegebenheiten zu-sammen, denn hinter einem Verkehrsträger steht in der Regel ein Unternehmen, das schnel-ler und flexibler die einzelnen Bausteine der Marke gestalten und definieren kann.

Bei den Verkehrsträgern werden zwei unterschiedliche Fluglinien als Marken beschrieben – zum einen die Thai Airways und zum anderen ein vollkommen anderes Konzept, das unter dem Namen easyJet bekannt ist. An diesen beiden Konzepten soll dargestellt werden, wie es um den Markenstatus steht und welche Strategien eingesetzt werden.

Das Fallbeispiel Thai Airways

Einleitung und Hintergrund

Die Thai Airways International Public Company Limited ist die nationale Fluggesellschaft Thailands. Sie gehört zu den 20 größten Fluglinien weltweit. Jedes Jahr werden rund 18 Mil-lionen Passagiere nach Europa, in die USA, nach Asien sowie nach Australien befördert. Zur Fluggesellschaft gehören zudem weitere Unternehmen und Beteiligungen – u. a. Ge-

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199 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Hurtigruten für Deutschland und Österreich inne. Seit den 90er Jahren konnte die Reederei ihre Gästezahlen aus Deutschland fast stetig steigern. Im Jahr 2006 konnten mit über 36.000 Passagieren fast 110 Millionen Euro umgesetzt werden.

Hurtigruten erfüllt in jeder Kategorie den Markenstatus. Insbesondere die lange Geschich-te der Strecke und damit verbunden die Überwindung von naturgegebenen Risiken, die zu einem einzigartigen Naturerlebnis geführt haben, geben der Marke ein Profil, das sich von anderen Seereisen abhebt. Die Marke Hurtigruten hat etwas Besonderes, etwas nicht Alltäg-liches, das sich von normalen Kreuzfahrten unterscheidet. In der Strategie der Marke wird dies mit Bedacht gepflegt. Ein wichtiges strategisches Kriterium ist der Aspekt, dass es eine Konzentration auf den Markennamen Hurtigruten gibt. So wurde gesellschaftsrechtlich dafür gesorgt, dass es nur eine Betreibergesellschaft unter diesem Namen gibt; sowohl die Mutter-gesellschaft in Norwegen als auch die Generalvertretungen – wie beispielsweise in Deutsch-land. Die radikale Überarbeitung des Wort-Bild-Zeichens mit dem abstrahierten „H“ verdeut-licht, dass dieser wahrnehmbare Baustein zukünftig verstärkt im Vordergrund stehen soll.

Markenmanagement bei Flug-7. gesellschaften

Im Gegensatz zu Destinationen sind Fluggesellschaften als Marken weitaus weniger kom-plex. Dies hängt mit den strukturellen und damit auch organisatorischen Gegebenheiten zu-sammen, denn hinter einem Verkehrsträger steht in der Regel ein Unternehmen, das schnel-ler und flexibler die einzelnen Bausteine der Marke gestalten und definieren kann.

Bei den Verkehrsträgern werden zwei unterschiedliche Fluglinien als Marken beschrieben – zum einen die Thai Airways und zum anderen ein vollkommen anderes Konzept, das unter dem Namen easyJet bekannt ist. An diesen beiden Konzepten soll dargestellt werden, wie es um den Markenstatus steht und welche Strategien eingesetzt werden.

Das Fallbeispiel Thai Airways

Einleitung und Hintergrund

Die Thai Airways International Public Company Limited ist die nationale Fluggesellschaft Thailands. Sie gehört zu den 20 größten Fluglinien weltweit. Jedes Jahr werden rund 18 Mil-lionen Passagiere nach Europa, in die USA, nach Asien sowie nach Australien befördert. Zur Fluggesellschaft gehören zudem weitere Unternehmen und Beteiligungen – u. a. Ge-

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200 | Markenmanagement bei Fluggesellschaften

sellschaften wie Ticketing-Services, Hotels und Restaurants, Airline Catering, Betankung von Flugzeugen, Transport-Services sowie die regionale Fluggesellschaft Nok Air23. Nok Air ist ein Low-Cost-Carrier, den Thai Airways im Heimatmarkt etabliert hat, um das No Frills-Geschäft nicht kampflos anderen asiatischen Airlines zu überlassen.

Um das Fallbeispiel Thai Airways darstellen zu können, wird im ersten Schritt auf den Marken-Baum, also die historische Entwicklung, eingegangen. Dies dient dazu, die Wur-zeln der Marke zu erfassen. Im zweiten Schritt wird das Marken-Dach analysiert. Bei einem Verkehrsträger umfasst dies mehr als Namen und Wort-Bild-Zeichen. Insbesondere bei Ver-kehrsträgern bilden Bausteine wie die Flugzeuge selbst und das gesamte Erscheinungsbild elementare Bestandteile des Marken-Daches.

Im nächsten Schritt werden die Marken-Räume, also die nicht-wahrnehmbaren Baustei-ne, dargestellt. Wofür steht Thai Airways? Was wird mit Thai Airways verbunden?

Abbildung II-65: Flugzeug aus der Thai Airways Flotte

Quelle: Thai Airways

Der Marken-Baum

Die Wurzeln der Thai Airways liegen im Jahr 1959. Die skandinavische Fluglinie Scandi-navian Air Systems (SAS) und die thailändische Regierung starteten ein Joint Venture unter dem Namen Thai Airways Company (TAC) mit dem Ziel, eine internationale Fluggesellschaft aufzubauen. Der eigentliche Start war jedoch ein Jahr später, als Thai Airways am 1. Mai 1960 den Flugbetrieb mit von SAS geleasten Flugzeugen in andere asiatischen Länder auf-nahm. Bereits zwei Jahre später ersetzte Thai Airways ihre Propellerflugzeuge durch Düsen-flugzeuge. 1964 beförderte Thai Airways bereits 100.000 Passagiere. SAS zog sich nach und nach von dem Engagement zurück, im Jahr 1977 erwarb die thailändische Regierung die restlichen 15 Prozent des Kapitals und wurde damit alleiniger Eigentümer der Gesellschaft. Mit der Ausgabe von 100 Millionen Aktien an der Bangkoker Börse wurde im Jahr 1992 ein Privatisierungsprozess in Gang gesetzt. Mit einem Anteil von rund 53 Prozent bleibt das thai-ländische Finanzministerium jedoch der größte Anteilseigner der Gesellschaft.

Aus der historischen Betrachtung von Thai Airways kann Folgendes festgehalten werden: Mit einer Entwicklungsdauer von rund fünf Jahrzehnten verfügt Thai Airways über eine aus-reichend lange Zeit, um einen Markenstatus erreicht zu haben. Das Unternehmen arbeitet er-folgreich, was aus den Umsätzen sowie den steigenden Passagierzahlen zu entnehmen ist.

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201 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Das Marken-Dach

Der Markenname Thai Airways ist abgeleitet aus dem vollständigen juristischen Namen Thai Airways International Public Company Limited. Der Name erfüllt alle Attribute eines gu-ten Markennamens. Er ist kurz, prägnant, international verständlich und in allen gängigen Sprachen aussprechbar.

Das Wort-Bild-Zeichen

Das Bildzeichen von Thai Airways steht grundsätzlich in Kombination mit dem Namen; es ist somit ein Wort-Bild-Zeichen, wobei hier das Bildzeichen vor dem Namen erscheint. Die umgekehrte Reihenfolge ist weitaus häufiger.

Abbildung II-66: Wort-Bild-Zeichen Thai Airways

Das Bildzeichen, eine abstrahierte Orchidee, nimmt Bezug auf die vielfältige Kultur und Geschichte Thailands. Die geschwungene, ornamentale Form steht für Anmut und Stolz der nationalen thailändischen Fluggesellschaft. Die Farben Gold, Magenta und Purpur stehen für Seide, das Gold der Tempel und das Purpur der tropischen Orchideen. Die Farben unterstrei-chen in gelungener Weise die positive Gestalt des Zeichens. In den Anfangsjahren, als die Fluggesellschaft in erster Linie regional unterwegs war, nutzte Thai Airways ein Wort-Bild-Zei-chen, das als „tanzender Mann“ bekannt war. Es zeigte einen klassischen Tänzer. Im Zuge der Internationalisierung wurde das Design modifiziert. Der Name wird mit lateinischen und thailändischen Schriftzeichen verwendet.

Abbildung II-67: Kabinenpersonal von Thai Airways

Quelle: Thai Airways

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202 | Markenmanagement bei Fluggesellschaften

Die Bekleidung des Kabinenpersonals ist ebenfalls in den Farben Purpur und Magenta gehalten.

Die Marken-Räume

Thai Airways hat, gemessen an den angebotenen Passagierkilometern, den weltweit 15. Platz unter den Fluggesellschaften. Die Fluggesellschaft verfügt über eine Flotte von 89 Ma-schinen. Das Durchschnittsalter der Flotte beträgt 5,9 Jahre.24

Auf der Strecke von Deutschland nach Thailand ist Thai Airways mit 21 Verbindungen wöchentlich Marktführer. Thai Airways setzt generell auf ihren Strecken von Deutschland nach Thailand ab Frankfurt ausschließlich Boeing 747-400 sowie ab München den neuen Airbus 340-600 ein. Beide Flugzeugtypen sind mit einer neuen Bestuhlung in Business Class (Royal Silk Class) und First Class (Royal First Class) ausgestattet. Die Ausstattung entspricht modernem Standard in der Airlinebranche. Ein Beispiel: In der Royal First Class finden sich so genannte Sleeper-Seats mit einem Sitzabstand von 203,2 Zentimeter. Diese Sitze lassen sich bis zu 180 Grad neigen und die Fußstützen können bis zu 70 Zentimeter ausgezogen wer-den. Trennwände zwischen den einzelnen Sitzen schützen die Privatsphäre. In der Royal Silk Class beträgt der Sitzabstand rund 50 Zentimeter weniger; hier lässt sich der Sitz bis zu 170 Grad neigen. Beide Klassen verfügen über justierbare Kopfstützen und Videobildschirme di-rekt am Platz. Der Sitzabstand in der Economy Class ist mit 86,36 Zentimeter vorbildlich; da-mit bietet Thai Airways in der Economy Class einen größeren Sitzabstand als viele Wettbe-werber in der Branche.

Thai Airways ist eine internationale Fluggesellschaft – insgesamt werden 35 Länder in vier Kontinenten angeflogen. Das Spektrum umfasst 13 nationale und 74 Ziele weltweit. Der Schwerpunkt des Streckennetzes von Thai Airways befindet sich im Raum Asien/Pazifik mit 20 Ländern mit 42 Zielen. Zentrales Drehkreuz der Airline ist der im September 2006 eröffne-te neue Bangkoker Flughafen Suvarnabhumi International Airport. Der Name Suvarnabhumi (gesprochen sù-wan-ná-pum) wurde vom Thailändischen König Bhumibol Adulyadej (Rama IX.) gewählt und bedeutet goldene Halbinsel oder goldenes Land. Thai Airways verfügt als Drehkreuz mit Suvarnabhumi über den modernsten Flughafen Asiens, der gleichzeitig auch für den A380 ausgerichtet ist. Thai Airways hat sechs Exemplare des Passagier-Großraum-flugzeugs A380 bestellt.

Engere Kooperationen hat Thai Airways mit folgenden Fluggesellschaften: Lufthansa, El Al Israel Airlines, Emirates, Japan Airlines, Malaysian Airlines sowie South African Airways. Darüber hinaus ist Thai Airways Mitglied und auch eines der fünf Gründungsmitglieder der Star Alliance.

Neben der Primärleistung als Verkehrsträger bietet Thai Airways über ihre Einzelmarke Royal Orchid Holidays Arrangements für Aufenthalte vom kurzen Zwischenstopp bis zur lan-gen Urlaubsreise an. Das Vielfliegerprogramm von Thai Airways existiert unter der Bezeich-nung Royal Orchid Plus. Es besteht seit 1993 und hat mehr als 1,4 Mio. Mitglieder in fast 200 Ländern. Es funktioniert ähnlich wie das in Deutschland bekannte Programm der Deutschen Lufthansa Miles & More. Je gebuchtem und angetretenem Flug werden Meilen gesammelt; die Anzahl hängt zum einen von der Entfernung des Fluges, zum anderen von der Buchungs-

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203 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

klasse des Flugtickets ab. Durch die Mitgliedschaft im Star Alliance-Verbund können Passa-giere auch auf Flügen anderer Star Alliance-Mitglieder (wie z. B. der Deutschen Lufthansa) Meilen sammeln. Je nach Anzahl der im Kalenderjahr gesammelten Meilen können Teilneh-mer von Royal Orchid Plus einen Silver- oder Gold-Status erreichen. Der Gold-Status ist ver-gleichbar mit dem Senator-Status beim Vielfliegerprogramm der Deutschen Lufthansa. Mit ihm haben Mitglieder Vorteile wie Lounge-Nutzung an den Airports, zusätzliches Freigepäck oder Wartelistenpriorität.

Thai Airways hatte ihren letzten Totalverlust im Jahr 2001 außerhalb des Flugbetriebs. Der letzte tödliche Unfall fand im Jahr 1998 statt, der schlimmste Vorfall war 1992 mit insgesamt 113 Todesopfern. Mit insgesamt 13 Flugzeugunglücken und 381 Todesopfern seit Bestehen lag das JACDEC-Rating von Thai Airways im Jahr 2007 bei 0,64, damit besetzt Thai Airways in der Liste der 50 größten Airlines einen der hinteren Plätze. Obwohl das Flottenalter ein we-nig über dem Durchschnitt asiatischer Fluggesellschaften liegt, ist die Reputation von Thai Airways als sehr gut zu bewerten. So hat Thai Airways eine Vielzahl von renommierten Aus-zeichnungen erhalten. Thai Airways erhielt 2006 bei den Skytrax World Airline Awards den „World’s Best Cabin Staff“ sowie den „Best Airline Onboard Economy Catering” Preis. Nach 2005 erhielt die Airline diese Anerkennung für die beste Verpflegung in der Economy Class bereits zum zweiten Mal in Folge.

Thai Airways ist eine starke Marke. Zusammenfassend ist festzustellen, dass ein kontinu-ierlicher Aufbau zur Marke stattgefunden hat. Die eigene Vision von Thai Airways „The First Choice Carrier with Touches of Thai” wird konsequent auf der Ebene des Marken-Daches so-wie der Marken-Räume durch den Einsatz markenrelevanter Bausteine realisiert.

Das Fallbeispiel easyJet

Einleitung und Hintergrund

Im Vergleich zu Thai Airways als Vertreter einer traditionellen Fluggesellschaft wird im nächsten Fallbeispiel die zur Kategorie der Billigfluggesellschaften zählende easyJet als Mar-ke untersucht sowie ihre Strategie vorgestellt. Was macht einen Billigfluganbieter konkret aus? Billigfluganbieter oder auf englisch „Low-Cost-Carrier“ konzentrieren sich grundsätz-lich auf die Kerndienstleistung Personentransport. Weitere Services wie Catering werden in der Regel nur gegen Bezahlung angeboten. Diese Konzentration auf eine Kerndienstleistung führt zu Kostenvorteilen, die überwiegend an den Fluggast weitergegeben werden können, so dass Low-Cost-Carrier deutlich günstigere Konditionen bieten als klassische Fluggesell-schaften.

easyJet gehört zwar nicht zu den ersten Billigfluggesellschaften, doch kann das Unterneh-men als einer der Pioniere in diesem Sektor bezeichnet werden, da hier von Anfang an kon-sequent markenstrategisch gedacht wurde. Die Fluglinie mit dem orangefarbenen Schriftzug gehört bereits zum festen Bild auf den europäischen Flughäfen. easyJet gehört zu den größ-

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204 | Markenmanagement bei Fluggesellschaften

ten Low-Cost-Carriers in Europa. Billigflüge erfreuen sich einer stetig wachsenden Beliebt-heit; so wird durchschnittlich jeder fünfte Flug in Deutschland mit einer Billigfluggesellschaft durchgeführt. easyJet transportiert jährlich rund 30 Millionen Flugpassagiere.

Inzwischen operiert das Unternehmen, das sich selber als „Spartariffluggesellschaft“ be-zeichnet, von 16 Basen in Europa aus. Dies sind: Basel Euroairport, Belfast International Air-port, Berlin-Schönefeld, Bristol, Dortmund, East Midlands, Edinburgh, Genf, Glasgow, Li-verpool, London Gatwick, London Luton, London Stansted, Mailand Malpensa, Newcastle, Paris Orly und Madrid-Barajas. Die größte Basis in Großbritannien ist London Gatwick; auf dem europäischen Kontinent ist Berlin die größte. easyJet hat rund zehntausend Mitarbeiter in 18 Ländern verteilt.

Das Unternehmen easyJet ist noch ein Familienunternehmen und befindet sich mehrheit-lich im Besitz der Familie Haji-Ioannou.

Markengeschichte

Die ersten Billigfluglinien stammen aus den USA; Pionier ist die 1971 gegründete Southwest Airlines. Die erste europäische Billigfluglinie war Laker Airways. Im Jahre 1985 wurde die irische Fluggesellschaft Ryanair von Tony Ryan gegründet und versuchte mit nied-rigen Preisen den direkten Wettbewerbern Aer Lingus und British Airways Marktanteile ab-zunehmen. 1995 beschloss British Airways die Gründung einer eigenen Billigfluglinie unter dem Namen Go, die aber erst 1998 den Betrieb auf dem Londoner Flughafen Stansted auf-nahm.

easyJet ist ein junges Unternehmen, das im März 1995 vom damals 28-jährigen Stelios Haji-Ioannou gegründet wurde. Der erste Flug fand im November des gleichen Jahres mit ei-nem geleasten Flugzeug statt und ging von London zu den schottischen Städten Edinburgh und Glasgow. Rund ein Jahr später erhielt die Fluggesellschaft ihr erstes eigenes Flugzeug. Das erste Ziel außerhalb Großbritanniens war Amsterdam. 1997 bestellte das Unternehmen 12 neue Flugzeuge vom Typ Boeing 737-300, die 2000 ausgeliefert wurden. Im gleichen Jahr erhielt easyJet ihr Air Operating Certificate (AOC) und wurde somit als finanziell eigenständi-ge Airline anerkannt.

Ein Jahr später übernahm easyJet 40 Prozent der Schweizer Charterfluggesellschaft TEA Basel AG und benannte sie in easyJet Switzerland um. Drei Jahre nach der Gründung verkauf-te easyJet das erste Ticket online; im Jahr 1999 wurden bereits rund eine Million Tickets online verkauft. Ein Jahr später waren es drei Millionen Flugtickets, die online verkauft wurden.

Ende 2000 wurde easyJet an der Londoner Börse notiert. Im Herbst 2002 übernahm ea-syJet den Wettbewerber Go und wurde damit zur größten europäischen Billig-Fluglinie. Im Oktober 2003 wurde der erste Airbus 319 von easyJet in Betrieb genommen; insgesamt wur-den 120 Flugzeuge des europäischen Herstellers bestellt. Airbus wurde damit zum bevorzug-ten Lieferanten für easyJet. 2004 bestand das Streckennetz aus mehr als 140 Verbindungen zu 43 europäischen Zielen. Im Frühjahr 2005 hat easyJet bereits einhundert Millionen Flug-gäste befördert.

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205 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Marken-Dach und -Räume

Der Name ist gleichzeitig Programm. easyJet ist unkompliziert und einfach. Neben den günstigen Preisen soll das Fliegen zu einem simplen Vorgang gemacht werden. Die Bot-schaft ist klar: Fliegen ist keine exklusive Angelegenheit mehr, sondern eine alltägliche Reise-möglichkeit wie Bus fahren. Intern legt das Unternehmen einen hohen Maßstab an sein Er-scheinungsbild; die aufgestellten Regeln müssen konsequent eingehalten werden.

Abbildung II-68: Wort-Bild-Zeichen easyJet

Das Wort-Bild-Zeichen passt sich dieser Botschaft an. Das kleine „e“und das große „J“ im Namen zeigen, dass mit konventionellen Regeln gebrochen wird. easyJet ist bewusst an-ders. Diese Schreibweise, so wird intern vorgeschrieben, muss überall eingehalten werden. In normalen Texten wird der Markenname easyJet immer als Schriftzug, also Wort-Zeichen verwendet.

Die Signalfarbe Orange unterstreicht das. Orange ist alles andere als gediegen oder kon-servativ. Die Farbe ist jugendlich, frech, provokativ und aufmerksamkeitsstark.

Die Kommunikation von easyJet, hauptsächlich Außenwerbung in Form von Plakaten, Radio, Online-Werbung und Öffentlichkeitsarbeit, spielt gezielt mit diesen Elementen. Oran-ge wird dominant eingesetzt, um die Aufmerksamkeit zu erhöhen. Die Botschaft der Texte ist unmissverständlich. Der Slogan von easyJet ist: Come on, let’s fly! Zusätzlich setzt easyJet auf Guerilla-Marketing-Aktionen. In Großbritannien wurde die Botschaft kommuniziert, dass sich easyJet gegenüber den etablierten Konkurrenten wie British Airways für das Recht der Konsumenten, günstig fliegen zu dürfen, einsetzt.

Welche nicht-wahrnehmbaren Bausteine machen easyJet so erfolgreich? Zugegeben, die Strategie von easyJet unterscheidet sich auf den ersten Blick nicht besonders von ande-ren Low-Cost-Carriern. So scheint sich alles auf den Baustein eines günstigen Preises zu kon-zentrieren, denn wesentliche Elemente der Strategien von Billigfluggesellschaften sind:

radikale Preisangebote, die über Werbung kommuniziert werden. Sie gelten grundsätz- Y

lich nur, wenn frühzeitig gebucht wird, und sind nur für ein kleines Kontingent buchbar. nach Möglichkeit ausschließlich Direktvertrieb, d. h. keinerlei Provisionen an Vertriebspart- Y

ner wie Reisebüros. häufig wird nur ein Flugzeugtyp verwendet, was Reparatur- und Instandhaltungskosten Y

spart. auf First- und Businessklassen wird verzichtet. Freie Sitzplatzwahl an Bord. Y

keine Freigetränke oder Snacks; diese gibt es nur gegen Aufpreis. Y

geringe Freigepäckmengen; Mehrgepäck kostet extra. Y

kurze Bodenstandzeiten; der Turnaround beträgt meistens rund 25 Minuten zwischen Y

zwei Flügen. in der Regel werden Non-Stop-Flüge und keine Transfers angeboten. Y

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206 | Markenmanagement bei Fluggesellschaften

Anflug von Sekundärflughäfen mit geringen Abfertigungsgebühren. Y

niedrige Gehälter und wenige Mitarbeiter in den Flugzeugen, Flughäfen sowie in der Ver- Y

waltung.

easyJet unterscheidet sich in vielen Maßnahmen nicht von Wettbewerbern wie Ryanair, Air Berlin, Germanwings, tuifly oder wizzair. Das Credo der Kostensenkung zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Unternehmen.

So werden bei easyJet häufig nicht die zentralen Hauptflughäfen angeflogen. Die Be-schränkung auf zwei Flugzeugtypen, die Boeing 737 und den Airbus 319, sorgt für weniger Wartungsaufwand als bei traditionellen Fluggesellschaften. Das Credo Kostensenkung ist zu-dem an der Firmenzentrale von easyJet erkennbar. Nicht in der Londoner Innenstadt, son-dern neben dem zentralen Taxistand am Flughafen London Luton residiert easyJet in einem orangefarbenen Gebäude. Die Verwaltung ist schlank; das Management klein und die Or-ganisation einfach. Telearbeit von zu Hause und so genannte „Hot Desks“, bewegliche und flexible Arbeitsplätze, gehören zum alltäglichen Bild bei easyJet. Die Mitarbeiter sind flexibel und müssen häufig mehrere Jobs übernehmen, unter anderem wird auf Reinigungsperso-nal während der Abfertigungszeiten verzichtet – das Kabinenpersonal reinigt das Flugzeug in Eigenregie.

Welche Bausteine sind es also, die easyJet zu einer unterscheidbaren und damit erfolg-reichen Marke machen?

Ein entscheidender Baustein ist der direkte Vertrieb über das Internet, der schon sehr früh von easyJet eingesetzt wurde. Das Credo ist: so simpel wie nur möglich. So wurde im April 1998 der erste Flug online verkauft. Inzwischen liegt der Online-Verkauf bei rund 95 Prozent; der Rest wird über Call-Center und zu einem geringen Anteil am Verkaufsschalter direkt am Flughafen abgewickelt. easyJet ist damit zu einem der größten Onlinehändler in Großbritan-nien geworden. Der Online-Verkauf wird gezielt vom Unternehmen unterstützt. So erhält je-der Kunde, der online bucht, eine Ermäßigung. Zudem wird sichergestellt, dass immer die billigsten Flüge nur online verfügbar sind. Des Weiteren führte easyJet als einer der ersten Flugzeuggesellschaften die Möglichkeit ein, Bordkarten schon vorab auszudrucken, um die Warteschlangen vor dem Check-In-Schalter umgehen zu können. Zwar setzen die Wettbe-werber auch auf das Internet, doch easyJet hat hier früh Maßstäbe gesetzt. Die Internetprä-senz des Unternehmens wurde bereits häufig ausgezeichnet.

Die flache Hierarchie hat auch Auswirkungen auf die Firmenkultur des Unternehmens. Zwanglose Kleidung ist definitiv erlaubt und erwünscht. Außer bei den Piloten besteht kein Krawattenzwang bei den Mitarbeitern. Dies entspricht auch den Erwartungen der Mehrheit der Fluggäste, die in der Regel zwischen 20 bis 29 Jahren und gut ausgebildet sind, über ein hohes Einkommen verfügen, bereits arbeiten oder noch studieren.

Das Unternehmen ist erfolgreich. Die Wachstumsraten betragen zwischen 15 und 20 Prozent pro Jahr. Auch eine Vielzahl von Preisen und Auszeichnungen sprechen für den Er-folg von easyJet. So hat das Unternehmen unter anderem 1999, 2000 sowie 2003 die Aus-zeichnung als „beste low cost Airline“ des Business Traveller Magazins erhalten. Im gleichen Jahr nennt das Marketing Magazine die Gründung von easyJet eines der entscheidenden Marketingereignisse des 20. Jahrhunderts.

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207 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Die Flotte von easyJet ist ausgesprochen jung, sie verzeichnet ein Durchschnittsalter von lediglich 2,3 Jahren. Dadurch ist nicht nur der Kerosinverbrauch im Vergleich zu traditionellen Airlines extrem niedrig, auch der CO2-Ausstoß je Passagierkilometer ist einer der niedrigsten der Branche. Einen Verlust oder schweren Unfall hatte die Airline bisher nicht zu verzeichnen, der JACDEC-Index von easyJet liegt bei 0,0.

Ein weiterer Aspekt ist die Pünktlichkeit, die bei dem Unternehmen internationalen Stan-dards gerecht wird. easyJet gehört in Europa zu den fünf pünktlichsten großen Fluggesell-schaften. Um das transparent zu kommunizieren, veröffentlicht easyJet wöchentlich eine Pünktlichkeitsstatistik.

Neben der Fluglinie easyJet existieren weitere Unternehmen einer so genannten easy-Group, die von Stelios Haji-Ioannou kontrolliert werden. Hierzu zählen: easyCar, easyValue, easyEverything, easyCar, easyInternetCafe, easyHotels, easy4Man, easyMoney, easyValue, easyCinema, easyBus, easyJobs, easyPizza, easyMusic, easyCruise, easyWatch, easyMobile.

Zwischen easyJet und den weiteren Unternehmen existieren keine gegenseitigen Betei-ligungen, doch sind firmenübergreifende Marketingaktivitäten Realität. Auch bei diesen Un-ternehmen bzw. Bereichen ist die Schreibweise gleich; ebenfalls wird die Farbe Orange als visuell-wahrnehmbare Klammer übernommen. Diese Inflation an Bereichen mit dem Mar-kennamen easy ist kritisch zu bewerten, da sie die junge Primärmarke easyJet verwässert. easyJet hat sich zwar unternehmerisch etabliert, das Geschäftsmodell wird sich aber in Zu-kunft verändern müssen. Low-Cost allein wird nicht mehr ausreichen; für die Differenzierung werden weitere Markenbausteine benötigt. Daher ist der extensive Einsatz des easy-Namens nicht zu empfehlen, weil er zurzeit mehr für Irritationen sorgt, als ein konsistentes Marken-bild zu vermitteln.

Für die Markenbildung störend sind negative Vorkommnisse, die den Billigfluggesell-schaften zugeschrieben werden, wie beispielsweise Vorwürfe wie irreführende Preise in der Werbung. Hierzu zählen Lockangebote für Frühbucher und für geringe Kontingente oder nicht sofort erkennbare Aufschläge wie Flughafengebühren, Kerosinzuschläge etc. Häufig wird auch der Kundendienst als kritischer Punkt gesehen, wenn Flüge ausgefallen oder Kof-fer verloren gegangen sind25.

Doch trotz dieser negativen Vorkommnisse, die Billigfluglinien grundsätzlich betreffen, hat sich die Markenstrategie von easyJet bewährt, obwohl der größte Wettbewerber Ryan-air zehn Jahre Vorsprung hatte. In Zukunft wird es jedoch nicht mehr ausreichen, allein auf den günstigen Preis zu setzen. Der Preis allein ist kein ausreichendes Differenzierungsmerk-mal zum Wettbewerb. Denn nicht nur andere Billigfluglinien bieten günstige Konditionen an, auch die etablierten Fluggesellschaften wie beispielsweise Lufthansa mit dem 2006 einge-führten „betterFly-Tarif“ fliegen teilweise zu ähnlich günstigen Preisen.

Zudem herrscht im Billigflugmarkt eine Konsolidierung; Neugründungen sind kaum noch zu verzeichnen. easyJet übernahm 2002 den Wettbewerber Go; 2003 übernahm Ryanair die Flug-linie Buzz; 2005 wurden ein Großteil der Strecken von gexx an dba abgegeben und 2006 über-nahm Air Berlin zu guter Letzt die dba. Das Wachstum ist somit schwieriger geworden, was be-deutet, dass nur die Unternehmen mit einer erfolgreichen Markenstrategie überleben werden.

Für easyJet bleibt aus Sicht der Markenstrategie nur die Möglichkeit, andere differenzie-rende Bausteine zu finden und diese mit dem genuinen Baustein „günstiger Preis“ zu ver-binden. Zudem gilt es auch, weitere Zielgruppen zu gewinnen. So will easyJet künftig stär-

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208 | Markenmanagement bei Fluggesellschaften

ker Geschäftskunden (Business Traveller) an sich binden. Die wichtigsten Zielgruppe sind so genannte „High Income Parents“, also Reisende zwischen 30 und 49, gebildet, mit einem hohen Einkommen, die spontan, aber regelmäßig mit easyJet fliegen. Danach folgen Stu-denten, ältere Reisende über 50 und Teenager. Rund 80 Prozent der Fluggäste von easyJet nutzen den Flug für Freizeitreisen – davon sind 60 Prozent Urlaubsreisende und 40 Prozent Fluggäste, die Verwandte oder Freunde besuchen.

Ein weiteres Ziel ist, durch Kommunikation die Bekanntheit von easyJet-Destinationen zu erhöhen, da dies ein entscheidender Faktor bei der Auswahl einer Fluglinie ist.

Aus der bisherigen Erfahrung ist bekannt, dass potenzielle Kunden mehrheitlich glauben, dass sie viele Kompromisse eingehen müssen, wenn sie mit einer Billigfluglinie verreisen. Da-her ist es ein Ziel von easyJet, diesem Problem mit verschiedenen Optionen für Reisende et-was entgegenzusetzen.

easyJet beschreibt seinen Markenkern wie folgt: „The smarter choice for travel“ (die schlaue Wahl beim Reisen). Aus diesem Markenkern heraus beschreiben Adjektive, was un-ter „smarter choice“ konkret zu verstehen ist.

Innerhalb der strategischen Ausrichtung definiert easyJet seinen „Brand Character“ fol-gendermaßen: intelligent, begehrt, unkonventionell, geistreich/witzig, faszinierend/fesselnd, jung, bahnbrechend. easyJet ist nicht: selbstgefällig, ordinär, grob, aggressiv, unreif, ver-spielt.

Die Differenzierung bei easyJet soll über emotionale und funktionale Bausteine erfolgen. Der Marken-Charakter ist eindeutig auf den Service-Gedanken bezogen, der über die Mitar-beiter von easyJet vermittelt wird. Gemäß dem Marken-Charakter will sich das Unternehmen von den etablierten Fluggesellschaften, die häufig in ihrem Service als selbstgefällig oder ar-rogant gesehen werden, unterscheiden. So werden die easyJet-Mitarbeiter in einer eigenen Akademie nach eigens aufgestellten Verhaltensregeln geschult.

Neben diesem Baustein gibt es weitere Elemente, die in der Strategie zum Tragen kom-men. Nicht nur günstig sollen die Flüge sein, zusätzlich will easyJet mehr Transparenz (keine versteckten Gebühren) und Flexibilität anbieten. So kann der Fluggast beispielsweise ohne Mehrkosten einen früheren Flug nehmen, wenn ein Sitzplatz verfügbar ist. Für einen kleinen Mehrbeitrag kann der Fluggast schneller an Bord gehen und sich einen Sitzplatz aussuchen. Sollte der Fluggast seinen Flug verpasst haben, muss er keinen neuen Flug bezahlen, son-dern nur eine so genannte „rescue fee“ bezahlen. Flexibilität bedeutet auch, dass Buchungs-änderungen für eine geringe Gebühr bis mindestens zwei Stunden vor der planmäßigen Ab-flugzeit durch einen Anruf beim easyJet-Call-Center oder bis eine Stunde vor der Abflugzeit am Verkaufsschalter im Flughafen durchgeführt werden können. Auch Namensänderungen können noch bis zwei Stunden vor Abflug online durchgeführt werden.

Zusätzlich differenziert sich easyJet über konkret nachvollziehbare Vorteile wie beispiels-weise keine Gewichtsbeschränkungen für Handgepäck, solange der Fluggast sein Gepäck selber in die Gepäckablage heben kann. Fluggäste mit Handgepäck können direkt zum Si-cherheitscheck gehen.

Fest steht, dass easyJet eine erfolgreiche Marke geworden ist. Obwohl das Unternehmen noch relativ jung ist, sind die Bausteine der Marke deutlich erkennbar. Ein günstiger Tarif ist dabei nicht mehr allein ausschlaggebend, da dies zur Differenzierung gegenüber Wettbe-werbern wie Ryanair, Air Berlin, Germanwings etc. nicht mehr ausreicht. Um sich als Marke

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209 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

unter den Fluggesellschaften zu etablieren, ist ein ganzes Bündel an Bausteinen notwendig. Bei der Marke easyJet gehören hierzu Bausteine wie ein frisches und jugendliches Erschei-nungsbild auf der Marken-Dachebene – vom Namen über das Wort-Bild-Zeichen bis zur Far-be Orange. Bei den Marken-Räumen sind es Bausteine wie Sicherheit, Pünktlichkeit und die schnelle und flexible Abwicklung.

In Zukunft wird easyJet neben dem Flugbetrieb andere Dienstleistungen stärker einbin-den müssen.

Hotelmarke8.

Das Fallbeispiel Maritim

Einleitung

Um die Bandbreite, angefangen von Fluggesellschaften, Schiffen, onlinebasierten Reise-portalen, Spezialvermittlern und Nischenanbietern, zu komplettieren, soll der Bereich der Ho-tels anhand eines Fallbeispieles dargestellt werden. Hierbei werfen wir einen Blick auf die Ma-ritim Hotelgesellschaft, die auf eine lange und erfolgreiche Geschichte zurückblicken kann.

Die Maritim Hotelgesellschaft hat ihren Schwerpunkt in Deutschland – hier befinden sich die meisten Hotelanlagen. Doch gegenwärtig steht die Expansion ins Ausland im Fokus der Strategie. Maritim bietet in erster Linie Hotels in der 4-Sterne-Kategorie an; der Schwerpunkt liegt auf Tagungen und Kongressen sowie auf Geschäftsreisenden. Zusätzlich verfügt das Unternehmen über Resort- und Clubhotels und so genannte Patientenhotels, die in direkter Nähe zu Kliniken gebaut wurden. Der Verwaltungssitz befindet sich in Bad Salzuflen; der zen-trale Verkauf und die Reservierung werden von Darmstadt aus getätigt. Das Unternehmen befindet sich im Familienbesitz und ist das zweitgrößte Hotelunternehmen Deutschlands.

Basis für das Fallbeispiel ist eine umfangreiche Markenanalyse, die von Adjouri: Brand Consultants im Jahre 2006 für das Unternehmen durchgeführt wurde. Ziel dieser Analyse war es, zum einem festzustellen, welche Bausteine die Marke Maritim ausmachen, und zum anderen, welche Potenziale die Marke hat.

Bei der Markenanalyse wurde mit Hilfe des Brand Ambassador Systems das Selbstbild bei den Mitarbeitern sowie das Fremdbild bei den Zielgruppen erfasst. Die externe Zielgrup-pe wurde in drei Segmente unterteilt:

bestehende und potenzielle Individualreisende, Y

bestehende und potenzielle Geschäftsreisende, Y

bestehende und potenzielle Tagungsentscheider. Y

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209 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

unter den Fluggesellschaften zu etablieren, ist ein ganzes Bündel an Bausteinen notwendig. Bei der Marke easyJet gehören hierzu Bausteine wie ein frisches und jugendliches Erschei-nungsbild auf der Marken-Dachebene – vom Namen über das Wort-Bild-Zeichen bis zur Far-be Orange. Bei den Marken-Räumen sind es Bausteine wie Sicherheit, Pünktlichkeit und die schnelle und flexible Abwicklung.

In Zukunft wird easyJet neben dem Flugbetrieb andere Dienstleistungen stärker einbin-den müssen.

Hotelmarke8.

Das Fallbeispiel Maritim

Einleitung

Um die Bandbreite, angefangen von Fluggesellschaften, Schiffen, onlinebasierten Reise-portalen, Spezialvermittlern und Nischenanbietern, zu komplettieren, soll der Bereich der Ho-tels anhand eines Fallbeispieles dargestellt werden. Hierbei werfen wir einen Blick auf die Ma-ritim Hotelgesellschaft, die auf eine lange und erfolgreiche Geschichte zurückblicken kann.

Die Maritim Hotelgesellschaft hat ihren Schwerpunkt in Deutschland – hier befinden sich die meisten Hotelanlagen. Doch gegenwärtig steht die Expansion ins Ausland im Fokus der Strategie. Maritim bietet in erster Linie Hotels in der 4-Sterne-Kategorie an; der Schwerpunkt liegt auf Tagungen und Kongressen sowie auf Geschäftsreisenden. Zusätzlich verfügt das Unternehmen über Resort- und Clubhotels und so genannte Patientenhotels, die in direkter Nähe zu Kliniken gebaut wurden. Der Verwaltungssitz befindet sich in Bad Salzuflen; der zen-trale Verkauf und die Reservierung werden von Darmstadt aus getätigt. Das Unternehmen befindet sich im Familienbesitz und ist das zweitgrößte Hotelunternehmen Deutschlands.

Basis für das Fallbeispiel ist eine umfangreiche Markenanalyse, die von Adjouri: Brand Consultants im Jahre 2006 für das Unternehmen durchgeführt wurde. Ziel dieser Analyse war es, zum einem festzustellen, welche Bausteine die Marke Maritim ausmachen, und zum anderen, welche Potenziale die Marke hat.

Bei der Markenanalyse wurde mit Hilfe des Brand Ambassador Systems das Selbstbild bei den Mitarbeitern sowie das Fremdbild bei den Zielgruppen erfasst. Die externe Zielgrup-pe wurde in drei Segmente unterteilt:

bestehende und potenzielle Individualreisende, Y

bestehende und potenzielle Geschäftsreisende, Y

bestehende und potenzielle Tagungsentscheider. Y

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210 | Hotelmarke

Entscheidend ist auch hier, dass wie bei dem Fallbeispiel Berlin ebenfalls für alle drei Ziel-gruppensegmente jeweils eine Kognitive Landkarte für die Marke Maritim entwickelt wurde. So ergeben das Freelisting und die Kognitive Landkarte das Fundament des Marken-Hauses. Zudem wurden die nicht-wahrnehmbaren Bausteine (Marken-Räume) sowie die wahrnehm-baren Bausteine (Marken-Dach) analysiert. Kurz ein Überblick auf die Stichproben:

Tabelle II-26: Stichproben-Charakterisierung

Zielgruppen Anzahl der Befragten Durchschnittsalter der ZielgruppenBestehende Tagungskunden 103 44

Potenzielle Tagungskunden 110 45

Bestehende Geschäftsreisende 111 47

Potenzielle Geschäftsreisende 138 43

Bestehende Individualreisende 119 57

Potenzielle Individualreisende 110 47

Insgesamt 691 47

Es ist verständlich, dass in diesem Buch auch aus unternehmensinternen Gründen nicht alle Ergebnisse dargestellt werden können. Daher wird an dieser Stelle ein Extrakt der Kern-ergebnisse vorgestellt.

Markengeschichte

Die Hotels von Maritim fallen in der Regel allein durch ihre Größe auf, da sie häufig in zentraler Lage große Kapazitäten für Kongresse und Tagungen bieten. Das Prinzip „Wohnen und Tagen unter einem Dach“ zieht sich von Anfang an wie ein roter Faden durch die Mar-kengeschichte.

Die Wurzeln der Marke Maritim reichen bis in die 60er Jahre. Bei einem Spaziergang des Bürgermeisters von Timmendorf mit Hans-Joachim Gommolla, dem Gründer von Maritim, wurde der Wunsch der Kurverwaltung nach einem Kongresszentrum geäußert. Hierbei ent-stand die Idee, dieses Kongressgebäude mit einem Hotel zu verbinden. Es war die Geburts-stunde der Idee, „ Wohnen und Tagen“ miteinander zu verbinden. 1969 war es dann soweit: das Maritim Seehotel Timmendorfer Strand mit zehn Stockwerken wurde mit einem großen Festakt eingeweiht. Bereits nach dem ersten Geschäftsjahr konnte ein positives Ergebnis ge-zogen werden: Von den 120.000 Übernachtungen hatte das Kongressgeschäft mehr als die Hälfte ausgemacht. Die Auslastung lag mit 78 Prozent über den Erwartungen. Bereits drei Jahre später, im Jahr 1972, wurden drei weitere Maritim-Hotels eröffnet (in Kiel, Bad Salzuf-len sowie in Gelsenkirchen). Das Konzept ging auf: 1984 wurden weitere fünf Maritim-Ho-tels gebaut. 1988 kamen noch einmal fünf neue Hotels hinzu. Neben dem Konzept „Wohnen und Tagen unter einem Dach“ hat Maritim von Anfang an erkannt, dass ein guter und indi-vidueller Service von den Kunden honoriert wird. Die Mitarbeiter hatten von der Gründung an einen hohen Stellenwert im Unternehmen; 1973 führte Hans-Joachim Gommolla die fünf-

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211 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

einhalb-Tagewoche und ein dreizehntes Monatsgehalt ein, was für die Hotelbranche damals noch nicht üblich war.

Fest steht, dass die Maritim Hotelgruppe erfolgreich arbeitet. Die Zahlen sprechen für sich: Im Jahre 2006 lag der Gesamtumsatz der Hotelgesellschaft mit 378 Millionen Euro um 41 Millionen Euro über dem Vorjahresniveau. Mit gegenwärtig 48 Hotels zählt Maritim zu den führenden deutschen Hotelketten. Im Ausland befinden sich davon 11 Hotels – und zwar in: Belek, Marmaris und Alanya (alle Türkei), Djerba und Hammamet in Tunesien, bei Kairo und in Sharm el Sheikh in Ägypten, in Riga, auf Malta, Mauritius und Teneriffa.

Über die Millennium & Copthorne Hotels plc ist Maritim als Marketing- und Sales-Partner weltweit präsent.

Marken-Dach und -Räume

Aus funktionaler Sicht erfüllt der Name in jeder Hinsicht die Kriterien einer Marke. Er be-steht aus drei Silben, ist prägnant, international verständlich, gut aussprechbar und steht in erster Linie für positive Botschaften.

Der Name Maritim öffnet naturgemäß eine semantische Assoziationswelt, die mit Meer zusammmenhängt. Da das erste Hotel in Timmendorf an der Ostsee entstand, ist der Name eine logische Konsequenz, insbesondere unter dem Aspekt, dass der Name für weitere, mit der Ostsee zusammenhängende Assoziationen steht wie beispielsweise Frische, Urlaub, Er-holung und Entspannung. Auch wenn inzwischen der Schwerpunkt nicht mehr auf Hotels an der Küste steht, ist der semantische Hintergrund des Namens positiv zu bewerten. Als eine „Oase“ inmitten der Städte stellt der Name keinen Bruch zur historisch entwickelten Positio-nierung. Die Ergebnisse der Markenanalyse zeigen, dass der Name grundsätzlich positiv be-wertet wird.

Das Bild-Zeichen nimmt diese Assoziationskette zur „maritimen“ Welt auf: Es besteht aus drei Segeln, die zentriert oberhalb des Namens stehen.

Abbildung II-69: Wort-Bild-Zeichen Maritim Hotels

Bei der Markenanalyse wurde intern bei den Mitarbeitern und extern mit allen Zielgrup-pen ein Freelisting durchgeführt, um zu erfahren, welche Assoziationen frei ermittelt werden können und wie homogen der Assoziationsraum ist. In der Grafik II-70 sind alle internen und externen Freelistings zusammengefasst.

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212 | Hotelmarke

Abbildung II-70: Externe und interne Freelistings zur Marke Maritim Hotels

SERVICE

GUTE STANDORTE

GASTRONOMIE

Konservativ/traditionell

Familiäre Atmosphäre

Deutsche Hotelkette

MEER

Logo

Ambiente

Gute Zimmer

Gutes Frühstück

Gutes Personal

Freizeitangebote

Professionalität

Gutes Arbeitsklima

FREUNDLICHKEIT

FremdbildKUNDEN

TAGUNGSHOTEL

PARTNERCARD

Sauberkeit

Fitness / Wellness

Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis

SelbstbildMITARBEITER

Das Freelisting verdeutlicht, dass durchweg positive Assoziationen mit Maritim verbun-den werden. Sich deckende Assoziationen sind „Service“, „Freundlichkeit“, „gute Standor-te“, „Tagungshotel“, „Gastronomie“, „Partnercard von Maritim“ sowie „Meer“. Darüberhin-aus assoziieren die Kunden mit Maritim klare Vorteile wie „gute Zimmer“, „gutes Frühstück“, „Fitness/Wellness“, „gutes Preis-Leistungs-Verhältnis“, „Sauberkeit“, „gutes Personal“ und „Freizeitangebote“.

Beim Selbstbild assoziieren die Mitarbeiter zusätzlich „konservativ/traditionell“, „deutsche Hotelkette“, „familiäre Atmosphäre“, „gutes Arbeitsklima“, „Professionalität“ und „Wort-Bild-Zeichen“.

Diese von den Mitarbeitern und den Kunden genannten weiteren Assoziationen zeigen eine große Bandbreite für die Weiterentwicklung der Markenstrategie auf.

Obwohl im weiteren Verlauf der Analyse auch kritische Aspekte von den Kunden ange-sprochen wurden, zeigt das Freelisting, dass eine positive Grundstimmung vorliegt, die für eine starke Marke spricht. Welche Markenbausteine können aus den Ergebnissen erarbeitet werden?

Erster Markenbaustein: Unternehmenskultur

Nicht ungewöhnlich ist die Tatsache, dass das interne Freelisting bei den Mitarbeitern an-dere Schwerpunkte setzt als die externen Assoziationen der Zielgruppen, denn Assoziationen wie „familiäre Atmosphäre“ und „gutes Arbeitsklima“ genießen aus Sicht der Mitarbeiter eine höhere Priorität als eine Assoziation wie „Fitness/Wellness“. Diese beiden Assoziationen zei-gen eindeutig, dass die Unternehmenskultur positiv ausgeprägt ist. Dies hat zudem eine kau-sale Beziehung zu den Wurzeln der Marke, da der Stellenwert der Mitarbeiter von Anfang an eine hohe Bedeutung hatte. In einer Branche, in der eine gute Kundenbeziehung elementar ist, hat die interne Stimmung bei den Mitarbeitern einen extrem hohen Stellenwert.

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213 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Zweiter Markenbaustein: freundlicher Service

Aus dem Freelisting und insbesondere aus der Überschneidung ist erkennbar, dass „Ser-vice“ in Zusammenhang mit „Freundlichkeit“ einen strategischen Markenbaustein darstellt. Dies wird auf der Kundenseite durch die Assoziation „Gutes Personal“ untermauert. Auf der Seite der Mitarbeiter dagegen ist die Assoziation „Familiäre Atmosphäre“ im Zusammenhang mit „Service“ und „Freundlichkeit“ zu sehen. Die Mitarbeiter schätzen die familiäre Unterneh-menskultur, die auch durch die geringe Fluktuation bestätigt wird. Dies hat einen direkten kausalen Zusammenhang zur von den Kunden empfundenen Servicefreundlichkeit, da der loyale, wiederkehrende Gast sich nicht mit einer wechselnden Belegschaft abfinden muss.

Dritter Markenbaustein: Meer

Ein weiterer Baustein ist die Assoziation „Meer“, die zum einem durch den Namen und das Bild-Zeichen der Marke sowie zum anderen durch die Wurzeln des Unternehmens ge-prägt wird (Standort Timmendorfer Strand). Dieser Baustein hat gegenüber dem Wettbewerb einen differenzierenden Charakter, der uneingeschränkt einzigartig ist.

Vierter Markenbaustein: Gastronomie

Ein weiterer Markenbaustein ist die Assoziation „Gastronomie“, die auch in der weiteren Befragung als überdurchschnittlich bewertet wurde. Insbesondere die Kundensegmente ha-ben unter anderem das Frühstück als herausragend bewertet.

Bemerkenswert sind die vielen faktenorientierten Assoziationen bei den Kundensegmen-ten wie „Ambiente“, „gute Zimmer“, „Sauberkeit“, „Freizeitangebote“ sowie „gutes Preis-Leistungs-Verhältnis“. Alle Kundengruppen konnten der Marke konkrete Vorteile, die aus der eigenen Erfahrung entstammen, zuordnen. Diese Vorteile ziehen sich wie ein roter Faden durch alle weiteren Ergebnisse der Markenanalyse.

Ein Blick auf die Kognitive Landkarte der Zielgruppe der Individualreisenden zeigt, dass hier ein Gravitationsfeld an miteinander zusammenhängenden Assoziationen besteht.

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214 | Hotelmarke

Abbildung II-71: Kognitive Landkarte der Zielgruppe der Individualreisenden

Zwei Assoziationscluster prägen die Kognitive Landkarte der Marke Maritim. Das erste Assoziationscluster ist durch seine Größe geprägt, woraus schon zu erkennen ist, dass die Individualreisenden sich mit der Marke auseinandergesetzt und damit eine starke Beziehung zur Marke haben. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Baustein „Service“, der ganz konkret mit harten Fakten wie „Freundlichkeit“, „gute Gastronomie“, „gute Zimmer“, „Sauberkeit“ oder „Qualität“ gesehen wird. Auch die Assoziation „Wohlfühlen“ gehört in dieses Cluster, was zeigt, dass hier nicht nur funktionale, sondern auch emotionale Kriterien genannt werden. Aus der Kognitiven Landkarte ist bei diesem Cluster zu sehen, dass der Vorteil „Sauberkeit“ sich ganz konkret auf „gute Zimmer“ bezieht. Auch „Service“ ist direkt mit „Sauberkeit“ ver-knüpft, so dass hier erkennbar wird, wie ein guter Service von den Kunden empfunden wird. Die Verknüpfung von „Preis-Leistung“ und „gutes Frühstück“ zeigt auch, dass gerade das Frühstücksbuffet als hochwertig und seinen Preis wert empfunden wird.

Zudem existiert ein weiteres Cluster um die Assoziation „Wellness“, das rein funktionale Inhalte aufweist. Die Verknüpfung zur „Maritim PartnerCard“ verdeutlicht, dass dieses Kun-denbindungsinstrument mit konkreten Vorteilen verbunden wird. Die „guten Standorte“ ste-hen dagegen allein im Markenraum, was bedeutet, dass dies zwar von den Kunden erkannt (assoziiert) wird, aber die anderen genannten Vorteile eine weitaus höhere Bedeutung für die Individualreisenden haben. So wären die Individualreisenden auch bereit, Maritim zu nutzen, auch wenn der Standort nicht optimal wäre.

Für Individualreisende als eine durchaus kritische Zielgruppe, die im Durchschnitt einen längeren Aufenthalt haben als Geschäftsreisende, ist dies ein positives Ergebnis. Die Größe des Clusters zeigt ebenfalls, dass die Individualreisenden eine hohe Loyalität zur Marke ha-ben. Bei der Frage nach den Schwächen der Marke zeigte sich, dass rund ein Fünftel der Indi-vidualreisenden keine negativen Aspekte nennen konnte. Das Freelisting sowie die Kognitive

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215 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Landkarte bilden das Fundament des Marken-Hauses, also die unterste Ebene. Die Ergebnis-se der Marken-Räume sowie des Marken-Daches, die auf einzelne Bausteine der Marke Ma-ritim en detail eingingen, unterstreichen das positive Gesamtbild, das aus den freien Assozi-ationen bereits erkennbar war.

Bezogen auf das Marken-Haus von Maritim zeigt sich folgendes Bild:

Abbildung II-72: Marken-Haus von Maritim

7,7

7,9

9,0

7,1

6,9

8,2

6,3

7,3

8,1

6,8

7,3

8,3

BRAND ROOF INDEX

BRAND ROOMS INDEX

BRAND FOUNDATION INDEX

BRAND HOUSE INDEX

Tagungsentscheider

Geschäftsreisende

Individualreisende

Auch hier gilt: Je höher der Wert, desto besser. Ein Wert von mehr als 5 verdeutlicht, dass hier eine Marke vorliegt; alles unter 5 ist zu heterogen, um als Marke bezeichnet wer-den zu können. Extrem homogene Marken erreichen häufig einen Wert von rund 8 – eine 10 als maximales Ergebnis ist in der Praxis rein theoretischer Natur, da dies die „perfekte Mar-ke“ bedeuten würde.

Das Ergebnis des Marken-Hauses von Maritim verdeutlicht, dass der Markenstatus mit ei-nem Wert von 7,5 sehr hoch ist. Maritim ist somit eine starke Marke, die von allen Zielgrup-pen als eine homogene Einheit gesehen wird.

Insgesamt betrachtet ist für die Marke Maritim feststellbar, dass die bisherige Strategie die gesetzten Ziele erfüllen konnte, obwohl der Wettbewerbsdruck in den letzten Jahren zu-genommen hat. Maritim ist auf einem guten Weg. Der Markenstatus hat einen hohen Wert, der bezeugt, dass Maritim eine starke Marke ist, die über ausreichend differenzierende Bau-steine verfügt.

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216 | Kreuzfahrtmarken

Aus den Wurzeln ist erkennbar, dass der Gründer Hans-Joachim Gommolla mit seinem Dienstleistungsverständnis die Marke grundlegend geprägt hat. Bereits am Anfang hat er die Maritim-Philosophie formuliert: „Der Gast ist die wichtigste Person in unserem Unternehmen. Er ist nicht auf uns, sondern wir sind auf ihn angewiesen. Ein Gast bedeutet keine Unterbre-chung unserer Arbeit, er ist vielmehr ihr Sinn.“ Maritim hat sich früh ein Leitbild gegeben, das konsequent durchgehalten wurde. Dass dieses Credo heute noch Gültigkeit bei Maritim hat, zeigt sich an den Ergebnissen der Markenanalyse. Die Mitarbeiter haben eine hohe Loyalität zum Unternehmen; die Fluktuation ist gering; häufig wiederkehrende Gäste bauen über die Mitarbeiter eine Beziehung zur Marke auf. Fazit: Dies führt zu einer starken Kundenbindung. Der Anteil an Stammgästen ist mit rund 35 Prozent als sehr hoch anzusehen, was zeigt, dass Maritim nicht nur im kollektiven Gedächtnis der Kunden verankert ist, sondern hier auch ein Bedarf geweckt wird.

In Zukunft gilt es die erfassten Markenbausteine stärker in die Strategie einzubinden und Maßnahmen zu entwickeln, die diese Bausteine und deren Inhalte deutlicher kommunizieren.

Kreuzfahrtmarken9.

Das Fallbeispiel AIDA Cruises

Einleitung und Hintergrund

Wer an Kreuzfahrten denkt, hat häufig Assoziationen und Bilder im Bewusstsein, die Fernsehserien wie „Traumschiff“ oder „Love Boat“ vermitteln. AIDA hat von Beginn an ge-gen dieses Klischee gearbeitet. Typische, tradierte Muster sollten nicht mit einer Kreuzfahrt auf einem AIDA-Schiff assoziiert werden. Im Gegenteil: leger und aktiv waren die Synonyme, die für AIDA stehen sollten. Damit hat das Unternehmen eine Vorreiter-Rolle auf dem Markt der Seereisen in Deutschland übernommen.

Im Gegensatz zur klassischen Kreuzfahrt gibt es keine festen Essenszeiten und Sitzord-nung in den Restaurants, keine Kleiderordnung, kein Captain’s Dinner und Mitternachtsbuf-fet. Dafür gibt es eine Vielzahl an Freizeit-, Sport und Wellnessangeboten sowie Kundenclubs für verschiedene Altersklassen. Es soll ein zwangloses, aber dennoch gehobenes Ambiente geschaffen werden. Der Zweck der Ausrichtung war, eine Zielgruppe zu erreichen, die vorher Kreuzfahrten als Urlaubsform nicht in Erwägung gezogen hat. Im Gegensatz zum klassischen Kreuzfahrtreisenden sollte das Publikum jünger und moderner sein. Auch ein anderes Preis-segment als bei der klassischen Kreuzfahrt soll neue Kundengruppen erschließen. Ein Urlaub mit AIDA muss nicht teurer sein als ein Urlaub in einer Clubanlage an Land.

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216 | Kreuzfahrtmarken

Aus den Wurzeln ist erkennbar, dass der Gründer Hans-Joachim Gommolla mit seinem Dienstleistungsverständnis die Marke grundlegend geprägt hat. Bereits am Anfang hat er die Maritim-Philosophie formuliert: „Der Gast ist die wichtigste Person in unserem Unternehmen. Er ist nicht auf uns, sondern wir sind auf ihn angewiesen. Ein Gast bedeutet keine Unterbre-chung unserer Arbeit, er ist vielmehr ihr Sinn.“ Maritim hat sich früh ein Leitbild gegeben, das konsequent durchgehalten wurde. Dass dieses Credo heute noch Gültigkeit bei Maritim hat, zeigt sich an den Ergebnissen der Markenanalyse. Die Mitarbeiter haben eine hohe Loyalität zum Unternehmen; die Fluktuation ist gering; häufig wiederkehrende Gäste bauen über die Mitarbeiter eine Beziehung zur Marke auf. Fazit: Dies führt zu einer starken Kundenbindung. Der Anteil an Stammgästen ist mit rund 35 Prozent als sehr hoch anzusehen, was zeigt, dass Maritim nicht nur im kollektiven Gedächtnis der Kunden verankert ist, sondern hier auch ein Bedarf geweckt wird.

In Zukunft gilt es die erfassten Markenbausteine stärker in die Strategie einzubinden und Maßnahmen zu entwickeln, die diese Bausteine und deren Inhalte deutlicher kommunizieren.

Kreuzfahrtmarken9.

Das Fallbeispiel AIDA Cruises

Einleitung und Hintergrund

Wer an Kreuzfahrten denkt, hat häufig Assoziationen und Bilder im Bewusstsein, die Fernsehserien wie „Traumschiff“ oder „Love Boat“ vermitteln. AIDA hat von Beginn an ge-gen dieses Klischee gearbeitet. Typische, tradierte Muster sollten nicht mit einer Kreuzfahrt auf einem AIDA-Schiff assoziiert werden. Im Gegenteil: leger und aktiv waren die Synonyme, die für AIDA stehen sollten. Damit hat das Unternehmen eine Vorreiter-Rolle auf dem Markt der Seereisen in Deutschland übernommen.

Im Gegensatz zur klassischen Kreuzfahrt gibt es keine festen Essenszeiten und Sitzord-nung in den Restaurants, keine Kleiderordnung, kein Captain’s Dinner und Mitternachtsbuf-fet. Dafür gibt es eine Vielzahl an Freizeit-, Sport und Wellnessangeboten sowie Kundenclubs für verschiedene Altersklassen. Es soll ein zwangloses, aber dennoch gehobenes Ambiente geschaffen werden. Der Zweck der Ausrichtung war, eine Zielgruppe zu erreichen, die vorher Kreuzfahrten als Urlaubsform nicht in Erwägung gezogen hat. Im Gegensatz zum klassischen Kreuzfahrtreisenden sollte das Publikum jünger und moderner sein. Auch ein anderes Preis-segment als bei der klassischen Kreuzfahrt soll neue Kundengruppen erschließen. Ein Urlaub mit AIDA muss nicht teurer sein als ein Urlaub in einer Clubanlage an Land.

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217 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Das Konzept ging auf. AIDA Cruises mit Hauptsitz in Rostock ist bezogen auf Umsatz und Passagiere führend in Deutschland. Als erfolgreicher Reiseveranstalter und Reeder bietet AIDA Cruises Seefahrten zu verschiedenen Destinationen wie Dubai, Kanaren, Karibik, Mit-telamerika, Mittelmeer sowie Nord- und Ostsee. Insgesamt fahren vier Clubschiffe zur See – hierzu zählen die AIDAaura, AIDAcara, AIDAdiva und die AIDAvita. Drei weitere Clubschiffe sind bei der Meyer-Werft in Papenburg bestellt; bis 2010 sollen alle drei Schiffe ausgeliefert werden. Jedes Jahr wird die AIDA-Flotte so um ein weiteres Schiff wachsen und die Betten-kapazität erheblich steigern. Jahrelang wurde mit „AIDA – Das Clubschiff“ geworben. Nun muss AIDA versuchen, dieses Bild abzustreifen bzw. zu erweitern, sonst sind die 12.000 Bet-ten Kapazität, die AIDA Cruises 2010 zur Verfügung haben wird, nur schwer jede Woche zu füllen. Mehr als 600.000 Passagiere benötigt das Unternehmen dann pro Jahr, im Vergleich zu 2006 bedeutet das, dass die Gästezahlen zweieinhalb Mal so hoch sein müssen. Und die Konkurrenz erweitert ihre Kapazitäten ebenso. AIDA Cruises beschäftigt insgesamt rund 2.400 Mitarbeiter, davon ca. 2.000 an Bord der Schiffe.

AIDA Cruises ist eine Marke von Carnival Corporation, dem größten Kreuzfahrtkonzern der Welt.

Markengeschichte

Die Wurzeln starten mit der Unterzeichnung des Bauvertrages für das erste Clubschiff AIDA mit der Kvaerner Masa Yards in Turku/Finnland im Jahre 1994. Auftraggeber war die nach der deutschen Wiedervereinigung privatisierte Deutsche Seereederei in Rostock. Mit einem neuartigen Seereisekonzept sollen Elemente eines Clubs an Land auf eine Schiffsrei-se übertragen werden. Zwei Jahre später wird das neue Schiff durch die Frau des Bundes-präsidenten, Christiane Herzog, in Rostock getauft. Anschließend geht es auf Jungfernfahrt rund um Westeuropa nach Palma de Mallorca. Von dort aus fährt es für die übrige Saison ei-nen Schmetterlingskurs von je sieben Tagen, abwechselnd durch das westliche und östliche Mittelmeer. In den Wintermonaten fährt das Schiff in der Karibik. Da das Produkt durch eine falsche Vermarktung anfangs nicht die erforderliche Auslastung bekommt, ist die Reederei gezwungen, das Schiff zu verkaufen. Sie chartert es später zurück und versucht weiter, das neue Schiffskonzept auf dem deutschen Markt zu etablieren.

Erst durch eine Zusammenarbeit mit dem britischen Kreuzfahrtunternehmen P&O Princess Cruises kann das Schiff 1999 zurückgekauft werden. P&O übernimmt das deutsche Kreuz-fahrtunternehmen ganz, setzt auf starke Expansion und bestellt gleich zwei weitere größe-re Clubschiffe im AIDA-Stil; sie werden 2002 und 2003 in den Dienst gestellt. Um die Schif-fe unterscheiden zu können, bekamen sie seitdem einen Namenszusatz. So wurde das erste Schiff von AIDA in AIDAcara umbenannt, die größeren Schwesterschiffe bekamen die Na-men AIDAvita und AIDAaura. P&O möchte mehr und auch im traditionellen Kreuzfahrtmarkt in Deutschland eine Rolle spielen. Unter der Dachmarke Seetours wird eine neue Marke auf-gebaut: A-ROSA Kreuzfahrten. Ein Schiff, die A-ROSA Blu, wird umgebaut und soll für deut-sche Gäste auf den Weltmeeren fahren. Auch zwei Flusskreuzfahrtschiffe werden der Mar-ke zugegliedert. Mit sehr hohem finanziellem Aufwand wird die Marke A-ROSA in den Markt eingeführt und beginnt auch, erfolgreich zu werden.

Page 222: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

218 | Kreuzfahrtmarken

Nach einem Übernahmekampf mit Royal Caribbean im Jahr 2003 kann Carnival die Aktio-näre überzeugen und P&O Princess Cruises wird mit Carnival Corporation zusammengeführt. Seetours mit AIDA und A-ROSA geht als ehemalige Tochter der P&O in den Gesamtkonzern mit ein. Nach der Übernahme verändern sich die Prioritäten in Deutschland und das Fluss-kreuzfahrtgeschäft wie auch der Name A-ROSA werden an die Arkona Touristik verkauft; sie darf die Marke A-ROSA allerdings nur für Flusskreuzfahrten benutzen. Das vorhandene Schiff A-ROSA Blu wird in die bestehende AIDA-Flotte als AIDAblu eingegliedert, die Marke See-tours wird aufgegeben.

Zu den Olympischen Spielen 2004 in Athen wird die AIDAaura Deutsches Schiff. Im gleichen Jahr werden zwei Clubschiffe für rund 630 Millionen Euro bei der Meyer Werft in Papenburg bestellt. 2005 eröffnet das Unternehmen AIDA Cruises eine eigene Direktion in Wien. 2005 wird ein dritter Nebau von AIDA Cruises für 315 Mio. Euro in Auftrag gegeben.

2006 wird ein vierter Neubau für 330 Mio. Euro in Auftrag gegeben. Im gleichen Jahr wird AIDA Cruises nach ISO 9001, ISO 14001 und OHSAS 18001 sowie dem neuen Indust-riestandard „GLC Social Responsibility“ zertifiziert. Im August 2006 erreicht AIDA Cruises die Marke von einer Million Passagieren.

2007 wird der Neubau AIDAdiva mit einer spektakulären Taufe in Dienst gestellt. Dafür wurde AIDAblu an eine andere Marke von Carnival gegeben, so dass sich AIDA ganz auf Clubschiff-konzipierte Schiffe einstellen kann.

Marken-Dach und -Räume

AIDA ist in Deutschland mit einem Anteil von rund 34 Prozent Marktführer für Kreuzfahr-ten. So nehmen pro Jahr in Deutschland mehr als 705.000 Gäste an einer Urlaubsreise im Be-reich Hochsee teil26. Das entspricht weniger als einem Prozent der bundesdeutschen Bevöl-kerung. In Großbritannien sind es rund 1,25 Millionen und in den USA / Kanada sogar 10,18 Millionen Passagiere. Brancheninsider gehen daher von einem großen Potenzial in Deutsch-land aus.

Die konsequente Pflege des Markennamens zieht sich vom Unternehmen bis zu den jeweiligen Schiffen hindurch. So existieren inzwischen folgende Schiffe: AIDAcara (1996), AIDAvita (2002), AIDAaura (2003) sowie AIDAdiva (2007) – drei weitere Schiffe befinden sich im Bau. Die AIDAdiva als modernstes Schiff der AIDA-Flotte wurde in der Meyer Werft in Pa-penburg gebaut und hat insgesamt 1.025 Kabinen, zwei Drittel davon haben einen Balkon. In einem 2.300 Quadratmeter großen Wellnessbereich können sich die Passagiere erholen, das Sonnendeck bietet mit Swimmingpools und Strandkörben genug Platz für bis zu 2.500 Passagiere. Auf Deck 11, dem Sportdeck, stehen Golfabschlagplätze, Volley- und Basketball-felder zur Auswahl. Ein Joggingparcours führt rund um den Schornstein. Das Herzstück des Schiffs ist ein Theatrium mit einer Fläche von 3.000 Quadratmetern, es bietet Theater, Bars und Marktplatz in einem – und das Ganze über drei Decks auf beweglichen Bühnen.

Auch die Großschreibung des Namens zeigt, dass der Name von Anfang an eine primä-re Stellung in der Markenstrategie hatte. Der Name steht für Kultur (semantische Assoziati-on zur Oper), Unterhaltung sowie für Entspannung. Er ist kurz, prägnant, international ver-ständlich und mit positiven Assoziationen besetzt; eine Verbindung zur Oper ist durchaus erwünscht gewesen.

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219 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Weiterhin bestehen auf der Ebene des Marken-Daches visuelle Bausteine wie das Wort- Bild-Zeichen sowie weitere Bausteine. Auch hier steht der Markenname im Vordergrund. Die vier Buchstaben sind unterschiedlich in der Farbe. Die bunte Auswahl unterstreicht die Bot-schaft: AIDA ist anders, bunt und somit unkonventionell.

Abbildung II-73: Wort-Bild-Zeichen AIDA

Quelle: AIDA

Im Jahre 2006 wurde das Wort-Bild-Zeichen von AIDA nach zehn Jahren modifiziert. Es zeigt neben dem typografisch gestalteten Wortzeichen AIDA zusätzlich einen weiteren, visu-ellen Baustein: den Mund am Bug der Clubschiffe.

Abbildung II-74: AIDA Kussmund

Quelle: AIDA

Der Mund am Bug, auch „roter Kussmund“ genannt, war von Anfang an ein starkes vi-suelles Zeichen, das den jeweiligen Schiffen des Kreuzfahrtanbieters ein unverkennbares Ge-sicht gab. Bereits 1996 hatte der Rostocker Maler Feliks Büttner das visuelle Zeichen auf den

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220 | Kreuzfahrtmarken

ersten Schiffsbug gemalt. Und dies mit einem fulminanten Erfolg, was Bekanntheit und Sym-pathie anging. Der visuelle Baustein „Mund“ wird parallel intern sowie extern zum Leitbild „hier ist das Lächeln zu Hause“ genutzt.

Um die Differenzierung zu klassischen Kreuzfahrtschiffen zu unterstreichen, sind auch die Rümpfe der Clubschiffe unkonventionell gestaltet worden. Die vom „Mund“ abgeleitete Vi-sualisierung zieht sich wie ein roter Faden über das gesamte Schiff. Somit werden alle vier gegenwärtig fahrenden Clubschiffe auch von weitem sofort identifiziert – ein entscheidender und funktionierender Baustein der Marke.

Die AIDA kreuzte 1996 erstmals mit Kussmund und ägyptischen Augen an der Bordwand durch das Mittelmeer und die Karibik. Dies hat die Rumpfbemalung vieler anderer Kreuzfahrt-schiffe verändert. Seit einiger Zeit haben nun auch Norwegian Cruise Line Freestyle Cruising, NCL America und auch Ocean Village auf beiden Seiten des Schiffes großflächige Rumpfbe-malungen. Royal Caribbean nutzen den Schiffsrumpf sogar hin und wieder als Werbefläche.

Das Unternehmen hat früh auf Entertainment gesetzt – unter anderem wurde 2001 ge-meinsam mit dem Unternehmen Schmidts Tivoli das Unternehmen SeeLive gegründet, das für das Entertainment-Programm an Bord zuständig ist. Der wichtigste Markenbaustein ist der ausgeprägte Freizeit-, Fitness- und Wellnessbereich, der schon auf dem ersten Schiff eine wichtige Rolle spielte. Durch diesen Baustein unterscheidet sich AIDA von klassischen Kreuz-fahrtschiffen.

Wie wichtig der unterhaltende Faktor ist, zeigt auch die Tatsache, dass neben Taufpatin-nen aus dem politischen Umfeld, wie den Frauen von Bundespräsident Herzog oder Bun-deskanzler Schröder, auch Personen aus dem Schauspiel- und Modebereich, wie Iris Berben oder Heidi Klum, für die entsprechenden Tauf-Events gebucht werden.

Der Vertriebskanal Reisebüro ist für AIDA Cruises elementar; so werden mehr als 90 Pro-zent der Kreuzfahrten auf den AIDA-Schiffen über Reisebüros vertrieben. Viele Urlauber müs-sen erst noch überzeugt werden, ihren Landurlaub aufs Schiff zu verlegen, um die ständig steigenden Kapazitäten zu füllen. Diese Aufgabe kann am ehesten ein Reisebüro erfüllen. Ins-gesamt arbeitet AIDA mit rund 10.000 Vertriebspartnern zusammen. Wie erfolgreich AIDA hier unterwegs ist, zeigt die Tatsache, dass AIDA für das Geschäftsjahr 2003/2004 bei einer Umfrage von 2.300 Reisebüros zur beliebtesten Reederei gewählt wurde. Ein Betreuungsko-zept bei AIDA sorgt dafür, dass Reisebüros in ihren Verkaufsbemühungen gefördert werden. Dieses ist in drei Stufen eingeteilt; die Top 100, Top 300 sowie 2.000 weitere Büros.

Trotz des jungen Alters hat es AIDA geschafft, Markenstatus zu erlangen. Auf der Ebene des Marken-Daches tragen hierzu ein prägnanter Name, ein funktionierendes Wort-Bild-Zei-chen sowie insbesondere der „Mund“ am Bug der Schiffe teil. Diese wahrnehmbaren Bau-steine übertragen sich auf die Botschaften der Marke auf der Ebene der Marken-Räume. Die Marke AIDA ist anders, sie ist unkonventionell und hat mit Traditionen gebrochen. Marken-strategisch hat sich AIDA damit bewusst vom Wettbewerb abgesetzt. Die markenstrategi-sche Positionierung hat dazu geführt, dass sich über den bestehenden Markt der traditionel-len Kreuzfahrten hinaus ebenfalls weitere, jüngere Zielgruppen für Kreuzfahrten und damit auch für die Marke AIDA begeistern konnten.

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221 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Das Fallbeispiel Hapag-Lloyd Kreuzfahrten

Hapag-Lloyd ist die fünftgrößte Container-Reederei der Welt, Traditionsmarke in der Schifffahrt und gleichzeitig Logistik-Standbein der TUI AG. Während mehr als 140 Contai-nerschiffe zu dem Unternehmen gehören, besteht Hapag-Lloyd Kreuzfahrten aus einer Flotte von vier Kreuzfahrtschiffen, die strategisch im klassischen traditionellen Kreuzfahrtsegment ausgerichtet sind. Sie bilden gleichzeitig das Herzstück der Kreuzfahrtaktivitäten der TUI-Gruppe. Mit Hapag-Lloyd Kreuzfahrten wird nicht der Massenmarkt angesprochen, sondern exklusive Nischen im Luxus- und Expeditionsbereich. Der Versuch der TUI, eine Kooperation mit AIDA Cruises einzugehen, um verstärkt auf dem Kreuzfahrt-Volumenmarkt einzusteigen, scheiterte an den Kartellbehörden. Dies ist bedauerlich, denn AIDA Cruises und eine neue TUI Cruises hätten vom Markenprofil gut zueinander gepasst. Nun ist geplant, dass die TUI über ihre Hapag-Lloyd-Marke auch ein Konzept entwickeln wird, um den breiteren Markt bei Kreuzfahrten zu bedienen und so – ggf. mit einem Schiffszukauf – in einem ähnlichen Seg-ment wie AIDA aktiv zu werden.

Markengeschichte

Hapag-Lloyd hat eine große Tradition in der Schifffahrt. Entstanden ist die Reederei 1970 aus der Fusion der beiden Reedereien Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesell-schaft (Hapag) und Norddeutscher Lloyd (NDL), Bremen. Hapag wurde 1847, die Norddeut-sche Lloyd 1857 gegründet, somit waren bei der Fusion beide bereits seit mehr als 100 Jah-ren in der Seeschifffahrt tätige Traditionsunternehmen.

Abbildung II-75: Aktie der Norddeutschen Lloyd

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Passagier-Seeschifffahrt in erster Linie auf der Transatlantikroute zwischen Europa und Amerika, auf dieser waren die beiden Reedereien konkurrierend tätig. Sie waren mit die ersten Schifffahrtsunternehmen, die einen Linienver-

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222 | Kreuzfahrtmarken

kehr zwischen den beiden Kontinenten einführten und so u. a. den Boom der Auswande-rungswelle von Europa nach Amerika nutzten. Am Anfang noch mit Segelschiffen aus Holz, später mit Stahlschiffen und Schraubenantrieb, galten die beiden deutschen Reedereien ne-ben der Cunard Line aus Großbritannien als treibende Kräfte der Entwicklung der Seeschiff-fahrt für Passagiere. Hapag war die größte Reederei der Welt, gefolgt von der NDL. Schiffe beider Reedereien erreichten die Auszeichnung für die schnellste Atlantiküberquerung, das blaue Band, wobei der NDL mit mehr Schiffen das blaue Band ergatterte. Hapag war dafür profitabler.

Abbildung II-76: Die Chemnitz (I) der NDL, 1902 in den Dienst gestellt

Außerhalb der Nordatlantik-Linienschifffahrt war insbesondere Hapag mit reinen „Lust-fahrten auf See“ aktiv, so wurden Fahrten in das Mittelmeer oder nach Ostasien angeboten. Der Erste Weltkrieg bewirkte einen Dämpfer für die deutsche Schifffahrt, ein Großteil der Passagierflotte geht entweder auf See verloren oder wird von den Siegermächten beschlag-nahmt. In den 20er Jahren beginnt der Wiederaufbau, die Norddeutsche Lloyd stellt Ende 1923 den Neubau „Columbus“ in den Dienst. Mit Platz für 1.500 Passagiere wird er zu ei-nem der beliebtesten Transatlantikliner beim internationalen Reisepublikum. Vom Erfolg an-getrieben, lässt die Reederei noch zwei weitere Passagierschiffe bauen, die „Europa“ und die „Bremen“, die jeweils 1928 in den Dienst gestellt wurden und neue Maßstäbe im Passagier-schiffsbau setzten. Mit 130.000 PS schaffen die Schwesterschiffe die Strecke über den Atlan-tik in 4 Tagen und 17 Stunden, ein neuer Rekord. 2.200 Gäste und 1.000 Mann Besatzung finden auf diesen Schiffen Platz. In der Zeit zwischen den Weltkriegen waren beide Reede-reien, sowohl der NDL als auch die Hapag außerhalb der Transatlantiklinie mit Kreuzfahrten aktiv. Reisen zu atlantischen Inseln, ins Polarmeer, ins Mittelmeer, in den europäischen Nor-den und nach Westindien wurden angeboten. In der Zeit des Nationalsozialismus übernahm die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude (KdF) die Organisation von Seereisen. 1937 wur-den mit neun Schiffen Seereisen mit über 136.000 Passagieren durchgeführt. In den Kriegs-jahren dienten viele Schiffe als Marine-Wohnschiffe oder auch als Lazarettschiffe. Nach dem

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223 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Zweiten Weltkrieg gingen die noch funktionstüchtigen Schiffe als Reparationszahlungen an die Siegermächte. Es bedurfte eines kompletten Neuanfangs in der Kreuzfahrtindustrie in Deutschland. Unter deutscher Flagge durften erst 1954 wieder Passagierschiffe über den At-lantik fahren. So kauft der NDL ein gebrauchtes schwedisches Schiff, tauft es in „Berlin“ um und beginnt nach 15 Jahren Unterbrechung wieder den Liniendienst auf der Nordatlantikrou-te. Es folgt 1959 ein weiteres gebrauchtes Schiff, welches als „Bremen“ zwischen Bremer-haven und New York eingesetzt wird, 1965 ein drittes, die neue „Europa“. 1957 überque-ren zwar erstmals seit Ende des Zweiten Weltkriegs über eine Million Menschen den Atlantik an Bord eines Passagierschiffes, 1958 läutete allerdings die erste Atlantiküberquerung mit dem Flugzeug das Ende der transatlantischen Linienschifffahrt ein. Die Hapag ist nach dem Zweiten Weltkrieg weniger ambitioniert in der Passagierschifffahrt und konzentriert sich vor-nehmlich auf Frachtverkehr. 1972 wird die „Europa“ der ehemaligen Norddeutschen Lloyd, mittlerweile fusioniert mit Hapag zu Hapag-Lloyd, umgebaut und als Flaggschiff der neu-en Reederei und als reines Kreuzfahrtschiff eingesetzt. Sie wird 1981 durch einen Neubau, die neue „Europa“ (Nr. V) abgelöst. Heute fährt wiederum eine neue „Europa“, das sechste Schiff dieses Namens für die Reederei.

Marken-Dach

Der Name

Hapag-Lloyd ist eine der bekanntesten Touristikmarken in Deutschland. Da die Wurzeln der Marke bis nach 1848 reichen, profitiert sie insbesondere von der langen Tradition.

Verwendung von Hapag-Lloyd:Hapag-Lloyd Kreuzfahrten Y

Hapag-Lloyd Reisebüro Y

Hapag-Lloyd Container Line Y

Hapag-Lloyd Executive Y

Hapagfly (ehemals Hapag-Lloyd Flug) Y

Hapag-Lloyd Express Y

Sowohl Hapagfly als auch Hapag-Lloyd Express gibt es seit 2007 nicht mehr. Diese sind zur neuen Airline TUIfly verschmolzen. Die TUI hat durch die Umbenennung den Logistik-Tra-ditionsnamen Hapag aus ihrem Airline-Geschäft verbannt. Die neue TUIfly ist nun beides: Fe-rienflieger und Low-Cost-Airline. Der Auftritt unter neuem Dach brachte nicht nur Vorteile für das Airline-Engagement der TUI: Andere Veranstalter, die früher Flugkontingente bei Hapag-fly eingekauft haben, vermeiden dies nun, um nicht eigene Kunden mit der Marke der Kon-kurrenz zum Urlaubsort zu befördern.

Hapag-Lloyd Reisebüro ist eine Vertriebsmarke von TUI Leisure Travel, der Vertriebstoch-ter des Reisekonzerns. Etwa 200 Reisebüros in Deutschland tragen den Namen Hapag-Lloyd Reisebüro. Unter der Marke Hapag-Lloyd fahren mehr als 140 Frachtschiffe des Logistikkon-zerns. Unzählige Container sind mit dem Namen beschriftet. Hapag-Lloyd Executive ist eine kleine, auf Geschäftsreisen im Privatjet spezialisierte Fluggesellschaft mit Sitz in Hannover.

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224 | Kreuzfahrtmarken

Das Wort-Bild-Zeichen

Das Wort-Bild-Zeichen von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten nimmt die Buchstaben H und L aus dem Namen auf. Diese wurden visuell als miteinander verbundene Pfeile stilisiert. Es ver-fügt über keine große Differenzierungskraft, da im Tourismus- und im Transportbereich viele Unternehmen Pfeile als Bild-Zeichen einsetzen.

Abbildung II-77: Wort-Bild-Zeichen Hapag-Lloyd Kreuzfahrten

Marken-Räume

Hapag-Lloyd Kreuzfahrten ist in drei Bereichen aktiv: Im Super-Luxus-Segment, im Ex-peditions-Segment und im Premium-Segment. Die vier Schiffe verteilen sich auf diese drei Segmente.

Die MS Europa ist im Ultra-Luxus-Segment angesiedelt. Hapag-Lloyd Kreuzfahrten selbst wirbt mit „MS Europa – Die schönste Yacht der Welt“. Sie ist das Aushängeschild der Ree-derei. Vom Berlitz Cruise Guide wurde sie mehrfach mit dem Prädikat 5 Sterne plus ausge-zeichnet. Die EUROPA bietet maximal 408 Gästen Platz, und das ausschließlich in Suiten mit separatem Wohn- und Schlafbereich und begehbarem Kleiderschrank. Jeder Gast erhält an Bord seine eigene E-Mail-Adresse, für diejenigen, die mit der Außenwelt im Namen von MS Europa kommunizieren möchten. Auf sieben Decks verteilt befinden sich die Kabinen, die in zehn unterschiedlichen Kategorien angeboten werden.

In der Reisesaison 2007/2008 fährt die MS Europa folgende Route: Amazonas, Karibik, Mittelamerika, Hawaii, Südsee, Mikronesien, Asien, Indischer Ozean, Arabische Halbinsel, Suezkanal, Mittelmeer, Atlantik-Küste, Nordeuropa, Östliches Mittelmeer, Arabien, Seychel-len, Südafrika, Transatlantik, Südamerika. Neben klassischen Kreuzfahrten werden spezielle Reisen unter den Themenklammern Aktiv, Event, Familien, Genuss, Golf, Kultur und Musik angeboten.

Die MS Hanseatic ist ein Expeditionsschiff mit 5 Sterne-Hotel-Standard. Sie bietet ma-ximal 185 Passagieren Platz und ist auch für schwierigere Gewässer wie schmale Fjorde, enge Flussläufe oder Packeis gebaut. Als Claim nutzt die Reederei „MS Hanseatic – Ihre ganz persönliche Expedition“. So fährt die MS Hanseatic auch ungewöhnliche Routen: Antarktis, Südamerika (Chilenische Fjorde, Panamakanal, Amazonas), Transatlantik, Arktis (Norwegen, Spitzbergen, Grönland, Kanadische Arktis, Island), Großbritannien, Westeuropa, Mittelmeer, Östliches Mittelmeer (Suezkanal), Orient (Rotes Meer, Arabische Halbinsel), Indischer Ozean (Lakkadiven, Malediven, Seychellen, Ostafrika, Komoren, Madagaskar), Südafrika und Nami-bia, Antarktis. Die Kreuzfahrten werden unter dem Label „Expedition“ als Erlebnisreise oder „Expedition Wissen“ als Studienreise angeboten.

Page 229: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

225 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

Abbildung II-78: MS Europa in dreidimensionaler Zeichnung

Quelle: Hapag-Lloyd Kreuzfahrten

Die MS Bremen ist ebenfalls ein Expeditionsschiff; sie bietet maximal 164 Personen Platz und bietet von der Hotelkategorie her 4 Sterne. Das Besondere an dem Schiff ist, dass es mit der höchsten Eisklasse für Passagierschiffe (E4) ausgestattet ist. Zudem hat es einen sehr geringen Tiefgang, so dass Expeditionen abseits der Standardrouten möglich sind und auch kleinere Häfen und Flüsse angelaufen werden können. 12 expeditionstaugliche motor-betriebene Schlauchboote mit Platz für alle Gäste zum Erforschen noch flacherer Gewässer unterstreichen den Expeditionscharakter der Bremen. Sie fährt auf folgender Route: Chile, Polynesien (Osterinsel, Gesellschaftsinseln), Mittelamerika (Mexiko, Panamakanal), Karibik, Nordamerika, Kanada (Neufundland), Arktis (Grönland, Norwegen, Spitzbergen), Nordwest-passage, Kamtschatka, Süd- und Ostasien (Japan, China, Marianen-Inseln), Australien (Ost-küste), Neuseeland, Subantarktis (Semi-Circumnavigation), Antarktis. Als Claim trägt die MS Bremen „Die Entdeckerin mit Sinn fürs Abenteuer“.

Die MS Columbus ist im Premium-Segment angesiedelt und bewegt sich im 3-Sterne-plus-Hotelstandard. Beworben werden Reisen mit der MA Columbus unter dem Claim „Die Welt von ihrer schönsten Seite“. Das Schiff bietet maximal 420 Passagieren Platz und be-dient eher die bekannteren Routen der Kreuzfahrtschiffe. So fährt die Columbus 2007/2008 von der Karibik bis ins Mittelmeer, dann über die Häfen von Westeuropa, Ostsee, Norwegen, Großbritannien und Island nach Spitzbergen. Anschließend zur Schnupperreise auf Nordsee und Ostsee, dann wieder nach Westeuropa zum Mittelmeer und Schwarzem Meer.

Vermarktung und Vertrieb

Die Kreuzfahrten von Hapag-Lloyd werden je Schiff in einem eigenen Katalog angebo-ten. Das Layout ist in allen Katalogen modern, mit vielen Bildern und großzügig Platz ausge-stattet. Texte werden in einem 2-Spalten-Design dargestellt. Der Preisteil ist jeweils in einem Extra-Heft dargestellt. Die Kataloge von Hapag-Lloyd wirken eher wie Lifestyle-Magazine als Reisekataloge, dies soll das Fremdbild des Traditionsunternehmens etwas verjüngen. Auch wenn alles ästhetisch aussieht, wirkt es doch ein wenig zu bunt und ein bisschen unüber-

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226 | Kreuzfahrtmarken

sichtlich, da die konkreten Informationen nicht schnell erfassbar sind. Der Leser muss sich Zeit nehmen, um den Katalog zu erfassen. Die Kataloge der einzelnen Schiffe unterscheiden sich auch jeweils leicht voneinander. Es gibt zwar eine Linie, die von allen Katalogen einge-halten wird, alle Cover sind in Orange gehalten, die Schriftarten werden beibehalten, die An-ordnung der Bilder und die generelle Platzaufteilung im Katalog. Im Detail stellen sich jedoch Unterschiede bei den einzelnen Schiffskatalogen heraus, so werden u. a. keine identischen Icons für Nachprogramme verwendet und der Reiseablauf ist unterschiedlich dargestellt. Der Katalog der MS Europa ist dabei der am hochwertigsten wirkende. Das Papier hat eine höhe-re Grammatur, der Umschlag ist zusätzlich mit UV-Lack überzogen und generell ist das Lay-out vom Platz noch großzügiger als die Kataloge der anderen Schwesterschiffe.

Abbildung II-79: Katalog-Cover von Hapag-Lloyd Kreuzfahrten

Hapag-Lloyd Kreuzfahrten setzt für seine Schiffe stark auf den Reisebürovertrieb. Es wer-den viele Marketingaktionen mit Büros durchgeführt, die auf Kreuzfahrten spezialisiert sind. Reisebüros können Partneragentur von Hapag-Lloyd werden und kommen so auch in den Genuss von Marketingzuschüssen der Reederei an das Reisebüro bzw. können von den Mar-ketingaktionen Hapag-Lloyds profitieren. So wird bei jeder Anzeige ein Partnerbüro integriert und als Ansprechpartner und Buchungsstelle genannt. Es gibt jedoch verschiedene Stufen der Zusammenarbeit mit Reisebüros.

Strategie der Marke

Auch hier steht fest, dass Hapag-Lloyd Kreuzfahrten eine der klassischen Kreuzfahrtmar-ken in Deutschland mit einer langen Tradition ist.

Strategisch wurde die Marke Hapag-Lloyd Kreuzfahrten in den letzten Jahren noch stär-ker im Luxusbereich positioniert. Noch 2002 war Hapag-Lloyd Kreuzfahrten auch im Fluss-kreuzfahrtgeschäft tätig. Hierzu wurden Schiffe gechartert und es war schwierig, den Stan-dard zu bieten, den die Gäste von Hapag-Lloyd erwartet haben. Hapag-Lloyd Kreuzfahrten ist eine klare Premiummarke; sie kann ihre Reisen immer ein wenig teurer verkaufen als die Konkurrenz, muss aber im Gegenzug auch immer mehr bieten. So wurde der Flusskreuzfahr-tenbereich aufgegeben. Die Ausrichtung liegt auf Luxus und auf der Nische Expedition, man konzentriert sich auf Einzelplatzverkauf und weniger auf das Gruppengeschäft. Die Ausnah-

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227 Fallbeispiele und Analysen aus der Praxis der Tourismusmarken |

me ist hierbei die MS Columbus, die auch über Leserreisen oder andere Sondergruppen ver-marktet wird. Allerdings fällt die MS Columbus für die Marke Hapag-Lloyd Kreuzfahrten auch etwas aus dem Rahmen, da sie eben kein Luxus- und kein Nischenprodukt ist, sondern ein durchschnittliches Kreuzfahrtschiff der oberen Mittelklasse.

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TEIL IIILeitfaden für Markenstrategien im Tourismus

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231 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

Leitfaden für Markenstrategien 1. im Tourismus

Tourismusmarken unterscheiden sich in den Grundlagen nicht von anderen Marken. Das Prinzip des Marken-Hauses gilt auch hier: Die Einteilung in ein wahrnehmbares Marken-Dach und in nicht-wahrnehmbare Marken-Räume ist auf alle Marken übertragbar. Die Frage, die sich stellt, ist, ob es zwischen allen Tourismusmarken auf der Ebene der Marken-Räume emotionale oder kognitive Analogien gibt. Auch dies ist grundsätzlich zu bejahen. Denn egal, ob es sich um Destinationen, Verkehrsträger oder Online-Reiseportale handelt, die Assozia-tion „Reisen“ wird mehr oder weniger überall im Tourismusbereich vorkommen. Interessant ist es jedoch, die einzelnen Ausprägungen zu bestimmen und hierzu individuelle Strategien zu entwickeln. So wird die Assoziation „Reisen“ bei einem Verkehrsträger eine andere Aus-prägung haben als bei einer Destinationsmarke.

Eine weitere Parallele ist, dass es einige Tourismusmarken ähnlich wie im Konsumgü-terbereich geschafft haben, eine Art Gattungsbegriff für einen ganzen Bereich zu werden. Im klassischen Markenbereich gibt es hierzu viele Beispiele wie Tempo für Taschentücher, Uhu für Kleber oder Hoover für Staubsauger (zumindest in angelsächsischen Ländern). Die-ses Prinzip ist ebenfalls bei einigen Destinationen anzutreffen, deren Namen auf andere ver-gleichbare Orte übertragen werden, um bei den Zielgruppen positive Assoziationen zu we-cken. Beispiele für solche Destinationen sind:

Paris des Ostens = Bukarest (wird aber auch für Budapest, Shanghai und Prag genutzt) Y

Paris des Nahen Ostens = Beirut Y

Paris des Nordens = Riga Y

Venedig des Nordens = St. Petersburg Y

Venedig des Ostens = Suzou Y

Kapstadt des Nordens = Murmansk Y

St. Moritz der Südsee = Queenstown in Neuseeland Y

Mailand des Südens = Bari Y

Sächsische Schweiz = Elbsandsteingebirge in Sachsen Y

Märkische Schweiz = im Osten Brandenburgs Y

Mecklenburgische Schweiz = im Nordosten Deutschlands Y

Destinationen wie Paris, Venedig oder die Schweiz finden sich häufig wieder, was zeigt, dass diese Regionen für konzentrierte und homogene Assoziationen stehen und damit star-ke Marken sind, mit denen andere sich gern vergleichen möchten. Daraus ist zu erkennen, dass diese Destinationen als Marken für sehr starke Bedeutungen stehen, die sich internatio-nal durchgesetzt haben und die sich auf andere Destinationen übertragen lassen.

Wenn eine Destination sich entschließt, einen solchen Assoziationstransfer durchzufüh-ren (z. B. „Paris des ...“), dann ist dies nicht als eigenständige Markenstrategie zu betrach-ten. Denn Marke bedeutet, eine eigene Identität aufzubauen und für Differenzierungen zu sorgen.

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232 | Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus

Fazit:

Die grundlegenden Markenprinzipien sind in allen Branchen gleich. Ob Tourismus- oder Kosmetik- oder Investitionsgütermarken, alle Marken bestehen aus den genannten zwei Ebenen der wahrnehmbaren und nicht-wahrnehmbaren Bausteine. Das Prinzip der Marken-identität als Ergebnis von Selbst- und Fremdbild lässt sich auf alle Branchen übertragen. Nur die strategischen Ansatzpunkte und die Umsetzungen unterscheiden sich nach den individuellen Gegebenheiten der jeweiligen Branche.

Ziel dieses Kapitels ist es daher darzustellen, wie eine Marke grundsätzlich aufgebaut wer-den kann, welche Schritte und Maßnahmen nötig sind und welche Fehler vermieden wer-den sollen. Dies wird an einzelnen, konkreten Beispielen gezeigt. Eine allgemeingültige Vor-gehensweise, die auf alle Fragestellungen explizit eingeht, ist nicht möglich.

Vorgehensweise beim Aufbausowie beim Ausbau einer Marke

Das Vorgehen erfolgt in der gleichen Weise, wie es die Theorie vorschreibt und zumeist auch in der Praxis der Wirtschaft gelebt wird. Dies sind: die Analyse der Ist-Situation, die Ent-wicklung einer langfristigen Markenstrategie und die Umsetzung von markenbildenden oder markenstärkenden Maßnahmen, je nachdem, ob eine neue Marke entwickelt oder eine be-reits vorhandene Marke ausgebaut werden soll.

Ohne eine Analyse ist der Aufbau einer Marke heutzutage nicht möglich. Zwar gibt es Bei-spiele in der Praxis, wo ohne große Planung das Unternehmen sozusagen vom Erfolg eines Produktes überrascht ist bzw. wo ohne eine Informationsbasis eine Marke geschaffen wur-de, doch ist dies die große Ausnahme. Vielmehr wurden in diesen Fällen intuitiv die richtigen Entscheidungen getroffen. Ein Prinzip, gegen das nichts einzuwenden ist, solange der Erfolg einem Recht gibt, was das Ganze aber zu einem Glücksspiel macht. Dafür hängt die Marken-bildung von zu vielen Faktoren ab, dass man sich auf die Kraft der Intuition verlassen kann. Unternehmer, die sich rühmen, rein intuitiv vorgegangen zu sein, verkennen, dass auch sie auf irgendwelche Informationen und Erfahrungen gebaut haben (auch wenn hier keine for-male Analyse durchgeführt wurde, entsteht die intuitive Entscheidung nicht aus dem Nichts). Fest steht: Die Einführung einer neuen Tourismusmarke, egal ob bei einem Verkehrsträger, einem Nischenanbieter oder einer Destination, ist eine komplexe, mehrdimensionale Angele-genheit, die ohne eine gute Informationsbasis nicht machbar ist. Zu viele Strategien enden in einer Sackgasse, weil die Ziele und die Positionierung nicht der Realität entsprachen.

Doch genauso ist davor zu warnen, sich allein auf Daten einer Marktforschung zu ver-lassen. Zuviel Marktforschung kann genauso gut auch den Entscheidungsspielraum zu stark einengen. Statistiken sind ein probates Hilfsmittel, um einen Eindruck über die Situation zu erhalten – aber eben nur ein Hilfsmittel. Niemals sollte ein Markenverantwortlicher sich allein auf Statistiken verlassen, sondern diese als Entscheidungsbasis, als eine Grundlage von vie-len nutzen. Zudem kommt es darauf an, was und wie analysiert wird.

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233 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

Analyse, Strategie und Umsetzung beziehen sich auf die beiden Phasen der Markenbil-dung, die im ersten Kapitel bereits beschrieben wurde. Die erste Phase der Markenbildung ist, der im Aufbau befindlichen Marke einen Anker in Form eines Namens zu geben. Die zwei-te Stufe nimmt die markierte Leistung auf.

Doch bevor ein Name entwickelt und gefunden wird, müssen Informationen zur Ist-Situ-ation gesammelt werden. Der gesamte Prozess sieht folgendermaßen aus:

Abbildung III-1: Prozess zum Auf- bzw. Ausbau einer Marke

1 . A n a ly s e

Analyse der Wurzeln(Marken-Baum)

Analyse der Markenidentität (Marken-Haus)

Analyse des Wettbewerbs

z. B.Namensentwicklung

2 . S tr a te g ie

Festlegung von Zielen

Definition der Positionierung

Definition der Strategie

Festlegung des Zeitrahmens

Bestimmung des Budgets

Definition von Maßnahmen

3 . U m s e tz u n g

z. B. Wort-Bild-Zeichen z. B. Corporate Design z. B. Werbung

Page 236: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

234 | Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus

Der erste Schritt: Die Analyse

Bei der Analyse ist zu unterscheiden, ob bereits eine bestehende Marke vorhanden ist, die gestärkt werden soll, oder ob eine komplett neue Marke aufgebaut werden soll.

Abbildung III-2: Analyse für neue oder bestehende Marken

A n a ly s e

Aufbau einer neuen Marke

Erweiterung einer bestehenden Marke

Bei einer bereits bestehenden Marke müssen im ersten Schritt die Wurzeln der Marke analysiert werden (Marken-Baum). Es gilt, alle relevanten geschichtlichen Bausteine der be-stehenden Marke zu erfassen. Das Ziel ist es, Bausteine der Marke zu finden, die aus der Tra-dition heraus in der Vergangenheit die Marke immer wieder erfolgreich geprägt haben. In erster Linie sind dies Strategien, Maßnahmen, bestimmte Formulierungen oder spezielle Bil-der, die in der vergangenen Kommunikation häufiger über einen langen Zeitraum verwendet wurden (z. B. Headlines, Slogans, grafischer Stil in der Kommunikation, Farben, Testimonials etc.). Die Quelle für diese Marken-Baum-Analyse sind alte Werbekampagnen, Pressemittei-lungen, Fotos, vergangene Geschäftsberichte, Jubiläumsschriften, Kataloge, Interviews mit dem Gründer etc. Die meisten Unternehmen haben hierfür eigene Archive angelegt, wo die-se Materialien zu finden sind. Aber auch externe Quellen wie beispielsweise Museen, bran-chenübergreifende Archive oder Publikationen zu diesem Thema können hilfreich sein. Eine gute Informationsquelle sind ebenfalls Mitarbeiter, die seit mehreren Jahrzehnten im Unter-nehmen arbeiten, oder sogar ehemalige Mitarbeiter wie Pensionäre, die noch über ein um-fangreiches Wissen verfügen. Auch wenn die Fluktuation in der Arbeitswelt zugenommen hat, gibt es diese Perlen im Unternehmen, die es zu interviewen gilt.

Befindet sich eine Marke im Aufbau, gilt es von Anfang an alle Bausteine der „Geburts-stunde der Marke“ sorgfältig zu archivieren. Dies erleichtert die zukünftige Arbeit an der Mar-ke ernorm.

Werden in den Wurzeln der Marke erfolgreiche Bausteine gefunden, muss anhand der aktuellen Analysen bewertet werden, ob und wie diese historisch erfolgreichen Strategien und Maßnahmen auch in Zukunft eingesetzt werden können.

Der zweite Schritt besteht in der Analyse von Selbst- und Fremdbild. Bei einer bestehen-den Marke wurde dies im ersten und zweiten Teil ausführlich in der Theorie und Praxis darge-stellt (am Fallbeispiel Maritim). Bei einer Destination, die noch keinen Markenstatus hat, aber schon (geografisch) existiert, besteht eine Grauzone, weil hier nicht bei Null gestartet werden muss. Da schon etwas vorhanden ist, muss das bereits Existierende analysiert werden.

Doch wie sieht dies mit noch nicht bestehenden Marken aus? Wie kann bei einer nicht vorhandenen Marke das Selbst- und das Fremdbild festgestellt werden? Da die Ist-Situation

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235 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

als Marke nicht erfasst werden kann, muss hier die Soll-Situation analysiert werden. Dies be-deutet, dass übergreifend für die Branche der Marke gefragt werden muss. Auch ein Freelis-ting ist für die Analyse der Soll-Situation gut durchführbar. Hier wird dann nicht konkret nach den Assoziationen zu einer Marke gefragt, sondern allgemein „was assoziieren Sie mit einem optimalen Online-Reiseportal/mit einem guten Billigflug-Anbieter etc.?“ Die Assoziationen beziehen sich in diesem Fall immer auf eine konstruierte Marke, die das Optimum darstellt und die Bedürfnisse und Erwartungen der potenziellen Kunden widerspiegelt. Diese konstru-ierte Marke wird als Benchmark für die zu entwickelnde Marke herangezogen.

Des Weiteren muss nach den konkreten Erwartungen, den vermeintlichen Stärken und Schwächen, den emotionalen und kognitiven Wünschen und Bedürfnissen der potenziel-len Kunden gefragt werden. Wichtig ist, dass dieses Fremdbild mit den Erwartungen und Assoziationen der Markenverantwortlichen (Selbstbild) gespiegelt wird, um von Anfang an eine größtmögliche Überschneidung der inneren und äußeren Bilder zur neuen Marke zu er-reichen. Nur so kann vom Start an eine erfolgreiche Kommunikation zwischen Sender und Empfängern und damit eine starke Markenidentität aufgebaut werden.

Bei der Analyse des Wettbewerbs und des Marktes geht es um zwei Ziele. Die Analyse des Wettbewerbs dient dazu, eine größtmögliche Differenzierung zu konkurrierenden Mar-ken zu finden. Da die eigene Marke nicht nur eine starke Identität benötigt, sondern auch vom Unterschied lebt, ist die Suche nach differenzierenden Bausteinen eine überlebensnot-wendige Voraussetzung. Dabei müssen differenzierende Bausteine nicht unbedingt klare Produktvorteile sein; vielmehr geht es darum, bestimmte differenzierende Kern-Assoziatio-nen im Bewusstsein der Kunden zu verankern.

Die Analyse des Marktes dient in erster Linie dazu, Entwicklungen zu erkennen sowie Trends und Nischen zu finden, um sich in diesen als erster positionieren zu können. Neue Trends können sich zu einem eigenen Markt entwickeln, so wie AIDA Cruises es mit ihren auf Unterhaltung getrimmten Kreuzfahrten für ein jüngeres Publikum vorgemacht hat. Bei der Beschreibung der Umsetzungen wird auf Trends in der Tourismusbranche konkret ein-gegangen.

Da die Analyse bereits detailliert im zweiten Teil beschrieben wurde, liegt der Schwer-punkt im dritten Teil auf der Strategie und insbesondere auf der praxisnahen Umsetzung von Markenbausteinen. Folgende Checkliste gibt einen Überblick über die wichtigsten Fragen und Inhalte der Analyse für eine Marke.

Checkliste

Marken-Baum:

Welche historischen Meilensteine der Marke gibt es?

Mit welchen Methoden, Maßnahmen wurden Krisen gemeistert?

Gibt es traditionelle Bausteine bzw. Muster, die sich immer wiederholen?

Welche Worte, Slogans etc. wurden früher erfolgreich benutzt?

Gibt es eine bemerkenswerte Geschichte oder interessante Stories rund um die Gründung der Marke?

Hat es Modifizierungen im Namen, beim Wort-Bild-Zeichen, bei der Farbe, in der Wortwahl gegeben?

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236 | Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus

Wie sah die Werbung im Zeitlauf der Geschichte aus? Was ist heute noch bekannt?

Gibt es berühmte Persönlichkeiten, die die Marke im Laufe der Jahrzehnte genutzt haben?

Analyse des Wettbewerbs und des Marktes:

Wie unterscheiden sich die Wettbewerber? Welche Bausteine sind differenzierend?

Gibt es eine freie Nische für die Differenzierung (Positionierung)? Wenn ja, welche?

Was haben die Wettbewerber richtig gemacht; was falsch?

Was sind die Erfolg versprechenden Trends?

In welche Richtung entwickelt sich der Gesamtmarkt?

Selbst- und Fremdbild:

Wie stark ist die Überschneidung zwischen den eigenen Assoziationen zur Marke und den externen?

Was sind die Stärken und Schwächen meiner Marke bzw. meines Produktes(beim Markenaufbau)?

Wie bekannt ist die eigene Marke bzw. die Marken des Wettbewerbs(ungestützt und gestützt)?

Welche wahrnehmbaren Bausteine wurden von den Kunden gelernt (Marken-Dach)?

Was sind die Bedürfnisse der Kunden sowie der potenziellen Kunden?

Was sind die Erwartungen der Kunden/der potenziellen Kunden?

Was sind die emotionalen und kognitiven Inhalte meiner bestehenden bzw. zukünftigen Marke? Welche Botschaften müssen vermittelt werden (Marken-Räume)?

Welche Gewohnheiten in Bezug auf meine Marke haben meine Kunden/potenziellen Kunden?

Im welchen Umfeld, bei welchen Gelegenheiten wird die Marke genutzt?

Welche Medien werden von meinen Kunden/potenziellen Kunden genutzt?

Gibt es bereits Fans meiner Marke? Was macht diese Gruppe der Fans aus?

Diese Checkliste bildet unter anderem die Grundlage für die Entwicklung der einzelnen Analyseschritte bzw. auch für die Konzeption von offenen und geschlossenen Fragen oder für die Moderation von Gruppendiskussionen.

Der zweite Schritt: Die Strategie

Die Strategieentwicklung ist die Königsdisziplin im Markenmanagement. Die Kunst ist es, viele Variablen und alle Bausteine der Marke effektiv, aber auch effizient umsetzen zu kön-nen. Effektiv bedeutet, dass das vorgegebene Ziel auch erreicht wird. Effizient heißt, dass die Auswahl der Mittel und Maßnahmen zur Zielerreichung auch unter ökonomischen Kriterien erreicht wird, also die Wahl der Mittel im Verhältnis zu einem tragbaren Budget und in einem überschaubaren Zeitrahmen steht.

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237 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

Fest steht, und dies wird leider immer wieder vergessen, dass die Marke an sich schon eine Strategie ist. Sich für eine Marke zu entscheiden, bedeutet bereits, sich strategisch zu befassen. Denn allein die zeitliche Dimension der Markenbildung (mindestens fünf Jahre) ist nur unter strategischen Gesichtspunkten zu bewerkstelligen.

Auf Basis der Analyse werden im ersten Schritt die Ziele definiert. Bei der Zieldefinition ist in der Praxis häufig leider festzustellen, dass Ziele formuliert werden, die äußerst vage und fle-xibel sind. So ist in Briefings von Unternehmen oder Tourismusverbänden häufig von Zielen wie „das Image der Region, der Marke etc. soll verbessert werden“ oder „die Bekannheit der Marke XYZ ist zu erhöhen“. Flexible und „weiche“ Ziele sind ein Widerspruch in sich, da es gerade bei Zielen darauf ankommt, konkret nachvollziehbare Messgrößen zu haben, an de-nen auch die Effektivität der Zielerreichung festgestellt werden kann.

Das Mindestmaß an nachvollziehbar definierten Zielen ist die zeitliche Limitierung in lang-, mittel- und kurzfristigen Zielen. Hierbei werden zuerst die langfristigen Ziele definiert, von de-nen dann die mittel- und kurzfristigen Ziele abgeleitet werden. Langfristige Ziele sind mit fünf bis zehn Jahren anzusetzen; mittelfristige Ziele mit einem bis fünf und kurzfristige Ziele mit den ersten zwölf Monaten. Häufig wird vor den zeitlich limitierten Zielen noch eine Vision for-muliert, die die grundlegende Richtung der Marke wiedergibt.

Wichtig ist, dass über das Zeitmaß hinaus auch andere messbare Kriterien bei der Zielde-finition herangezogen werden. Soll der Marktanteil gesteigert werden, muss angegeben wer-den, in welchem Zeitrahmen dieser um wie viel Prozent gesteigert werden soll. Soll die Be-kanntheit erhöht werden, so ist auch hier klar zu definieren, ob dies kurz- oder mittelfristig mit wie viel Prozent angesetzt wird. Aus rein ökonomischer Perspektive ist es nahe liegend, Zie-le zu definieren, die den Umsatz bzw. den Gewinn betreffen. Dagegen ist nichts einzuwen-den, wenn ökonomische Ziele nicht den grundlegenden Markenzielen widersprechen. Doch es gibt auch Situationen, wie beispielsweise der Aufbau einer Marke oder eine Marke, die sich in einer Krise befindet, bei denen es hier zu einem Widerspruch zwischen ökonomischen und markenorientierten Zielen kommen kann. Denn ein höherer Umsatz kann unter anderem Maßnahmen wie eine Preisreduzierung nach sich ziehen. Eine Preisreduzierung, um den Ab-satz zu erhöhen, ist in den meisten Fällen schädlich für die Marke, da ein bestimmtes Preis-niveau ein Teil der Markenidentität ist. Daher kann es in diesen Situationen weitaus sinnvoller sein, auf den schnellen Umsatz zu verzichten, um die Marke langfristig zu stärken und zu sta-bilisieren. Dies erfordert natürlich ein Management mit Weitsicht und Markenverständnis.

Bei Ryanair liegt der strategische Fokus eindeutig auf dem Preis. Die Kommunikation des Unternehmens zielt darauf, das günstige Angebot zu vermitteln. Diese strategische Ausrichtung ist aus Markensicht fa-tal, da dies auf lange Sicht nicht durchzuhalten ist. Da Ryanair in einem harten Wettbewerb steht, ist das Ende der Preisspirale absehbar. Sich auf einen günstigen Preis zu fokussieren, dient nicht dem Mar-kenaufbau. Eine starke Marke vereint mehrere Kern-Assoziationen, die auch zu guter Letzt einen höhe-ren Preis rechtfertigen, da der Kunde bereit ist, für einen Mehrwert auch mehr zu bezahlen.

Bei der Markenbildung spielt in jedem Fall die Bekanntheit des Markennamens im ersten Schritt eine entscheidende Rolle. Bekanntheit – und hier ist die ungestützte Form gemeint – ist eine notwendige Voraussetzung für den Markenaufbau. Erfolgreiche Marken verfügen grundsätzlich über eine hohe Bekanntheit im Markt. Doch Bekanntheit allein reicht nicht aus,

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238 | Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus

denn auch negative Dinge können bekannt sein. Parallel zur Bekanntheit kommt es also da-rauf an, positive Botschaften nachhaltig und erfolgreich zu vermitteln, die Identität stiftend für die spätere Marke sind. So kann unter anderem nicht nur die Bekanntheit des Markenna-mens als Ziel definiert werden, sondern auch die Bekanntheit von einzelnen Botschaftsinhal-ten – also einzelnen Kern-Assoziationen, wofür die Marke stehen soll (wie z. B. die Kern-As-soziation „Berliner Lebensart“ bei der Marke Berlin).

Sind die Ziele definiert, ist anhand der Analyseergebnisse die Positionierung der Marke festzulegen. Die Positionierung fasst die entscheidenden Kern-Bausteine der Marke kurz und schlüssig zusammen, die die Marke vom Wettbewerb unterscheidet. Die Positionierung ist also immer eine Differenzierung gegenüber der Konkurrenz. In der Regel ist eine Positionie-rung knapp und einfach formuliert; sie dient der schnellen Erfassung, wofür die Marke steht und wie sie sich gegenüber dem Wettbewerb im Markt unterscheidet. Die Positionierung ist strategischer Natur, was bedeutet, dass sie grundsätzlich langfristig orientiert ist und nicht permanent geändert werden darf.

Nach der Positionierung wird erst entschieden, welche Strategie zum Erfolg führt. Nach-dem die Entscheidung, eine Marke aufzubauen, bereits eine strategische Entscheidung ist, muss unterschieden werden, ob es um den Aufbau einer neuen Marke oder um die Stärkung der Marktposition bei einer bestehenden Marke geht.

Bei der Stärkung einer bereits existierenden Marke sind zwei strategische Optionen vor-handen: a) die Ausweitung von einer Marke zu mehreren Marken,b) die Eingrenzung von mehreren Marken auf eine Marke.

Wann ist die erste bzw. die zweite strategische Vorgehensweise zu empfehlen? Die Ausweitung von einer Marke zu mehreren Marken ist dann sinnvoll, wenn es darum

geht, sich von einem Produkt unabhängiger zu machen (z. B. zusätzlich zu Zugreisen auch Schiffsreisen anzubieten). Steht die Marke ausschließlich für ein Produkt, ist der Markenle-benszyklus direkt an den Produktlebenszyklus gebunden.

Abbildung III-3: Markenlebenszyklus und Produktlebenszyklus sind miteinander verbunden.

Produktlebenszyklus

Markenlebenszyklus

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239 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

Die Gefahr ist groß, dass das Produkt nicht mehr erfolgreich ist und damit der Marke schadet (so kommt es zum „Polaroid-Effekt“, wo das Produkt nicht mehr dem Stand der Technik genügte und damit die Marke zum Absturz brachte). Sind Produktlebenszyklus und Markenlebenszyklus aneinander gekoppelt, nimmt die Marke Schaden, wenn es dem Pro-dukt schlecht geht. Um diesem „Polaroid-Effekt“ strategisch etwas entgegenzusetzen, ist eine Erweiterung sinnvoll.

Abbildung III-4: Markenlebenszyklus und Produktlebenszyklusentwickeln sich unabhängig voneinander.

Produkt-lebenszyklus 1

Produkt-lebenszyklus 2

Produkt-lebenszyklus 3

Markenlebenszyklus

Ziel ist es, den Markenlebenszyklus von einzelnen Produkten unabhängiger zu gestalten. Einzelne Produkte oder Dienstleistungen tragen zwar zur Markenidentität bei; doch sollten diese Produkte vom Markt verschwinden, wird die Marke insgesamt nicht geschädigt. So ist beispielsweise die Marke Nivea nicht direkt abhängig davon, ob eine spezielle Tagescreme oder ein bestimmter Rasierschaum angeboten wird. Sollte ein Rasierprodukt von Nivea vom Markt verschwinden, wird sich die Marke Nivea trotzdem weiter entwickeln.

Konkret werden weitere Produkte oder Dienstleistungen angeboten, um damit das Leis-tungsspektrum zu erweitern. Werden ähnliche Leistungen unter dem gleichen Namen oder Namensbestandteilen angeboten (z. B. easyJet, easyCafe, easyInternet etc.), ist dies eine Fortentwicklung der Einzelmarke zur Familienmarke.

Wichtig bei der Weiterentwicklung zur Familienmarke ist, dass immer ein wahrnehmba-rer Baustein des Marken-Daches als übergreifender, familiärer Zusammenhang erkannt wird. Über den Namen hinaus können dies ebenfalls weitere wahrnehmbare Bausteine wie Wort-Bild-Zeichen, Farbe (die Farbe Lila bei Milka) oder Design (die „Niere“ bei BMW) sein. Der große Vorteil ist, dass bereits die vorhandene Bekanntheit der Einzelmarke für die Auswei-tung genutzt wird. Der Markenaufbau für die neuen Produkte geht schneller vonstatten, da die vorhandene Markenidentität auf neue Leistungen transferiert wird. Der Nachteil ist, dass ein eventueller Flop eines Produktes allen anderen Produkten der Familienmarke schaden kann. Zudem wird die Kern-Leistung der ursprünglichen Marke bei einer Überstrapazierung auf zu viele neue Produkte aufgeweicht. Die Folge: Die Markenidentität der ursprünglichen Einzelmarke weicht auf; die Marke verliert an Durchsetzungskraft am Markt.

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240 | Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus

Abbildung III-5: Aus dem Stamm der Einzelmarke entwickeln sich „verwandte“ Familienmarken mit ei-nem erkennbaren Namenszusammenhang.

FamilienmarkeX

FamilienmarkeXA

FamilienmarkeXB

FamilienmarkeXC

FamilienmarkeXD

FamilienmarkeXE

Bevor die Entscheidung für eine Familienmarkenstrategie fällt, muss untersucht werden, ob das neue Produkt bzw. die neue Dienstleistung überhaupt mit der Markenidentität der Stamm-Marke vereinbar ist. Oder anders: Der Transfer von Identität stiftenden Bausteinen funktioniert nicht automatisch bei allen neuen Produkten bzw. Dienstleistungen.

Beispiel: i

So versuchte Beiersdorf unter der Marke Nivea in Deutschland im Rahmen einer Markener-weiterung eine Babypflege-Serie auf den Markt zu bringen. Vergeblich. In der ersten Jah-reshälfte 2002 wurde das Babyprogramm in Deutschland eingestellt. Anscheinend bezieht sich die Kern-Assoziation „Pflege“ bei der Marke Nivea eher auf Erwachsene und nicht auf Säuglinge.

Auch das Nivea-Beispiel zeigt, dass es nicht nur darauf ankommt, eine Assoziation wie „Pflege“ zu erfassen, sondern die kausalen Hintergründe dieser Assoziation zu kennen.

Werden die Leistungen unter verschiedenen Namen ohne erkennbaren Zusammenhang angeboten (über Bausteine des Marken-Daches wie Wort-Bild-Zeichen, Farbe, Design etc.), ist dies eine Ausweitung mit weiteren Einzelmarken.

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241 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

Abbildung III-6: Neben der ursprünglichen Einzelmarke („Stamm“) werden weitere weitestgehend un-abhängige Einzelmarken entwickelt.

EinzelmarkeX

EinzelmarkeA

EinzelmarkeB

EinzelmarkeC

EinzelmarkeD

EinzelmarkeE

In der Praxis geschieht dies häufig, wenn weitere Unternehmen oder Marken zugekauft werden. Dabei ist die erworbene Marke auf dem Markt bekannt und verfügt über eine so star-ke Markenidentität, dass der Name bestehen bleibt. Die durch Akquisition erworbenen Mar-ken werden dann parallel, meist ohne erkennbaren Zusammenhang, auf dem Markt einge-setzt.

Der Vorteil ist, dass jede Marke autark auf dem Markt eingesetzt wird. Jede Marke ver-fügt über eine eigene Strategie und kann sich selbst entwickeln. Durch diese Eigenständig-keit können sie sich unterschiedlich gut (oder auch schlecht) durchsetzen. Die Schattenseite ist, dass für jede Marke einzeln Ressourcen wie Budget, Zeit, Mitarbeiter etc. eingesetzt wer-den müssen. Da die Pflege einer Marke intensiv ist, bedeutet dies einen höheren Kosten- und auch Zeitaufwand.

Die zweite strategische Option ist die Eingrenzung von mehreren Marken zu einer Marke bzw. wenigen Marken – also die Reduktion. Dies ordnet sich nahtlos an die eben beschrie-bene Situation an, wenn durch vielfältige Akquisitionen das Marken-Portfolio zu unübersicht-lich geworden ist und die Gefahr einer „Zerfransung“ droht. Auch hier finden sich zwei Vari-anten in der Praxis:

Reduktion auf insgesamt weniger Marken Y

Eingrenzung auf eine Marke Y

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242 | Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus

Bei der ersten Variante ist durch die historische Entwicklung oder durch Zukäufe ein Port-folio an Marken entstanden, das zu einer unübersichtlichen Struktur führt. Ein bekanntes Bei-spiel aus der Praxis ist der Unilever-Konzern, der im Rahmen der Strategie unter dem Namen „Path to Grow“ im Jahre 2000 beschloss, von seinen insgesamt 1.600 Marken nur noch 400 übrig zu lassen. Mit dieser Reduktion nach dem Prinzip „weniger ist mehr“ sollten nur noch die stärksten und wichtigsten Marken behalten werden. Ziel war es, mit den wichtigsten Mar-ken profitabler zu werden.

Bei der zweiten Variante gilt es, die akquirierten Marken aufzugeben und in eine Marke zu überführen. Das Ziel ist es, mit dieser Maßnahme die eigene Marke zu stärken. Ein pro-minentes Beispiel dafür ist die Eingliederung der Marken dba und teilweise auch LTU in Air Berlin. So legitim und verständlich dieser Schritt ist, so gefährlich ist er auch. Denn nicht im-mer sind die Kunden bereit, diesen Schritt mitzumachen und zu akzeptieren. Der Versuch der Eliminierung der traditionellen Marke Condor zugunsten der Marke Thomas Cook zeigt, dass dieser Schritt zum einen wohlüberlegt und zum anderen strategisch behutsam durch-geführt werden muss.

Eine Möglichkeit, um die radikale Aufgabe einer Marke zu umgehen, ist, die Eliminierung von bestehenden Marken schrittweise vorzunehmen. Hierbei werden im ersten Schritt beide Marken miteinander kombiniert. Es ist nicht zu empfehlen, dass beide Wort-Bild-Zeichen pa-rallel gezeigt werden, sondern ausschließlich das Wort-Bild-Zeichen der Marke, die bleiben soll. Die zu eliminierende Marke wird nur namentlich dazugesetzt.

Im zweiten Schritt entfällt nach einer gewissen Zeitspanne (in der Praxis werden hierfür häufig fünf Jahre angesetzt) der Name der alten Marke. Die Identität der alten Marke wurde auf die neue Marke übertragen.

Abbildung III-7: Markenreduktion in zwei Schritten

Ausgangssituation:MARKE A

MARKE A

MARKE A

MARKE B

MARKE B

1. Schritt:

2. Schritt:

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243 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

Checkliste Strategie

Grundlegendes:

Ist es überhaupt sinnvoll, eine Marke zu etablieren?

Gibt es differenzierende Bausteine, die für eine Markenstrategie sprechen?

Bestehen intern die Ressourcen (Budgets, Kompetenzen, Mitarbeiter, Zeit etc.), um nachhaltig eine Marke aufbauen zu können?

Verfolgen intern alle die gleichen Ziele beim Markenaufbau? Ist das Selbstbild homogen?

Sind die formulierten Ziele zeitlich schlüssig gegliedert?

Sind die Ziele messbar und damit kontrollierbar?

Wird die Positionierung von allen mitgetragen?

Markenerweiterung:

Besteht ein Zusammenhang zwischen einzelnen Produkten/Dienstleistungen?

Ergänzen sich die einzelnen Produkte/Dienstleistungen?

Welche Einsparpotenziale sind zu erwarten (Werbung, Vertrieb etc.)?

Wurde vorab überprüft, ob ein Transfer von Identität stiftenden Bausteinen realistisch ist?

Welche Bausteine des Marken-Daches sollen als formale Klammer dienen?

Markenreduktion:

Was sind die Folgen, wenn bestehende Marken eliminiert werden? Wie reagieren die Kunden?

Kann eine womöglich negative Reaktion seitens der Kunden durch Kommunikation aufgefan-gen werden (Werbung, Direct Marketing, Road Shows, persönliche Gespräche etc.)?

Der dritte Schritt: Die Umsetzung

Je nach strategischen Schwerpunkten sind die Möglichkeiten bei der Umsetzung na-hezu unbegrenzt. Denn beruhend auf den Ergebnissen der Analyse können verschiedene Maßnahmen definiert werden, um die Ziele zu erfüllen. Konsens aller strategischen Vorge-hensweisen ist die Kommunikation der Markenbausteine, um entweder eine Marke neu zu entwickeln oder um eine bereits vorhandene Marke zu stärken. Denn nur über die Kommu-nikation der spezifischen Markenbausteine können die jeweiligen Bedeutungen bei der Mar-ke entstehen. Da nicht alle kommunikativen Möglichkeiten dargestellt werden können, be-schränken wir uns auf folgende Maßnahmen, die eingehender beleuchtet werden:

Naming Y

Entwicklung von Slogans Y

Kreation von Wort-Bild-Zeichen Y

Werbung Y

Internet und Online-Marketing Y

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244 | Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus

Das Naming

Die elementare Voraussetzung beim Markenaufbau ist die Namensentwicklung. Da der Name als Anker der Marke anzusehen ist, mit dem alle Kern-Assoziationen der Marke ver-bunden sind, muss diese Aufgabe strategisch angegangen werden. Dies bedeutet, dass die Namensentwicklung professionell umgesetzt werden muss. Zwar gibt es in der Praxis häu-fig auch den Fall, dass ein Markenname zufällig oder intuitiv entwickelt wurde und dies sogar erfolgreich war, doch sollte dies eher die Ausnahme bilden. Da es ohne einen guten Namen keine prägnante Identität der Marke geben kann, ist die Entwicklung nicht zu unterschätzen.

In der Praxis ist häufig die Meinung vorzufinden, dass die Namensfindung nicht so schwierig sein kann, da es ja nur um einige gut klingende Buchstaben in einer bestimmten Reihenfolge geht. Zudem scheu-en viele Manager die Kosten, die einige Namingagenturen für ihre Arbeit berechnen. Häufig liegen die-se Kosten im sechsstelligen Bereich – in der Regel zwischen 100.000 und 200.000 Euro. Warum also sollte man es nicht alleine versuchen? Die Markenpraxis zeigt, dass dies auch funktionieren kann. Ein Beispiel ist der Name Alice. Das Te-lefonunternehmen HanseNet wurde im Jahre 2003 von der Telecom Italia übernommen, so dass ein neuer Name entwickelt wurde. Der Name soll, so heißt es, spontan bei einem Abendessen entwickelt worden sein, als ein italienischer Fernsehmoderator einem befreundeten Telecom Italia-Manager den Vorschlag gemacht hat, einen emotionalen Namen wie Alice, ähnlich dem Märchen „Alice im Wonder-land“ zu nehmen.27

Auch wenn diese Geschichte wunderbar klingt, bedeutet dies nicht, dass damit die Namensfindung er-folgreich abgeschlossen ist. Ein zufällig gefundener Name muss trotz allem auf negative Konnotationen überprüft werden. Zudem stellt sich zu guter Letzt die Frage, ob alle juristischen Hürden mit dem Na-men genommen werden können. Somit wurde zwar beim Alice-Abendessen der kreative Prozess extrem verkürzt, was aber nicht die Markenverantwortlichen daran hindert, den Namen sorgfältig und gewis-senhaft durchchecken zu lassen. Dass dies häufig nicht passiert, zeigen Markennamen, die in anderen Sprachen und Kulturen negati-ve Konnotationen hervorrufen. Beispiele sind hier Namen wie die Modellbezeichnung „MR2“ von Toy-ota („MR2“ kann im französischen „merde“ ausgesprochen werden), „TT“ von Audi („TT“ kann im eng-lischen „titti“ ausgesprochen werden, was für die weibliche Brust steht) oder „Tungsten“ von Palm („Tungsten“ heißt auf schwedisch „schwerer Stein“ – nicht gerade positiv für einen handgerechten Ta-schencomputer).

Die Namensentwicklung unterliegt dem gleichen Prozess wie die Markenanalyse, was bedeutet, dass, um einen Namen zu finden, ebenfalls das Selbst- und das Fremdbild der zu-künftigen Marke erfasst werden muss. Da bei einer Marken-Neuentwicklung noch keine Mar-kenidentität vorliegt, unterscheidet sich die Fragestellung, weil hier nicht die Ist-Situation ab-gefragt wird, sondern wie die Marke in Zukunft aussehen kann und welche Erwartungen in die Marke gesetzt werden (Soll-Situation).

Bei der Entwicklung eines Namens sind folgende Kriterien zu beachten: Der Markenname muss kurz sein und sollte nicht mehr als vier Silben haben. Y

Die 4-Silbenregel ist kein Dogma, sondern eine Empfehlung, die sich in der Praxis be-währt hat. So gibt es zwar auch gute Markennamen, die mehr als vier Silben haben, aber

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245 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

in der Regel setzen sich Namen durch, die kurz sind. Namen wie Persil, Odol, Tempo, Audi, Condor, TUI, Öger etc. zeigen, dass in der „Kürze die Würze“ liegt. Auch bei länge-ren Namen wie „Mercedes-Benz“ oder „Coca-Cola“ zeigt sich, dass die wenigsten Men-schen den kompletten Namen aussprechen, sondern dann eher vom „Mercedes“ oder von „Cola“ bzw. „Coke“ reden. Auch bei Destinationen ist dieses Prinzip häufig zu sehen. Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen oder Mecklenburg-Vorpommern werden häufig abgekürzt (in „NRW“ bzw. umgangssprachlich „Meck-Pomm“). Ein guter Markenname muss ausreichend differenzierend sein. Y

Differenzierung ist die Voraussetzung für den erfolgreichen Aufbau einer eigenen Mar-ken-Identität. Daher ist es unerlässlich, dass der Name sich deutlich von anderen Mar-kennamen unterscheidet. Schwierig wird dies bei Destinationen, die den gleichen Namen tragen – wie das Beispiel der Stadt Frankfurt es zeigt. Frankfurt am Main ist zwar größer und auch bekannter als Frankfurt an der Oder, doch ohne den Zusatz kommt es immer wieder zu Irritationen. Ein guter Markenname sollte möglichst wenige negative Assoziationen vermitteln. Y

Es ist ein Irrtum zu glauben, dass es einen Markennamen ohne negative Assoziationen gibt. In jeden Namen können grundsätzlich immer negative Konnotationen hineininter-pretiert werden. Die Frage ist nur, ob diese negativen Konnotationen schädlich für die Markenidentität sind. So vermitteln Namen wie „Commerzbank“ oder „Sparkasse“ si-cherlich nicht mehr den Zeitgeist von heute, sind aber auch nicht schädlich für die jewei-ligen Marken. Ziel bei der Namensentwicklung ist es, dass möglichst viele positive Assoziationen mit dem Namen vermittelt werden. Ein guter Markenname muss international verständlich und aussprechbar sein. Y

Auch wenn ein Name ausschließlich regional genutzt werden soll, muss von Anfang an darauf geachtet werden, dass er international nutzbar ist. Denn es ist nicht vorhersagbar, wie sich die Marke in Zukunft entwickelt, eine internationale Ausdehnung der Marke kann nicht ausgeschlossen werden. Zudem wird die Marke in der Regel ebenfalls über das In-ternet kommuniziert, so dass hier bereits automatisch eine größere Verbreitung stattfindet. Ein guter Markenname muss juristisch schutzfähig sein. Y

Diese Voraussetzung ist elementar, denn ohne juristische Schutzfähigkeit ist die Marke angreifbar und nicht langfristig zu halten. Das wichtigste juristische Kriterium ist die Dif-ferenzierung gegenüber anderen Namen. Erst wenn der Name amtlich registriert wurde (z. B. in Deutschland beim Deutschen Patent- und Markenamt / DPMA), kann der ®-Zu-satz verwendet werden. Das ™-Zeichen dagegen sagt nichts über die Registrierung aus, sondern nur, dass das Zeichen im geschäftlichen Verkehr genutzt wird.

Hinzu kommen nicht notwendige, aber hilfreiche Kriterien wie, dass ein guter Markenname phonetisch gut klingen sollte, Y

der Anfangsbuchstabe vorne im Alphabet zu finden sein sollte. Y

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246 | Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus

Abbildung III-8: Namens-Checkliste

Checkliste Namensentwicklung

ja neinMuss-Faktoren Ist der Name kurz (vier Silben bis acht Buchstaben)?

Ist der Name prägnant (treffend)?

Klingt der Name gut?

Hat der Name eine positive Bedeutung?

Ist der Name international verständlich?

Ist der Name schutzfähig (in verschiedenen Warenklassen)?

Existiert der Name so oder in ähnlicher Form bereits?

Kann-Faktoren Ist der Name internetfähig?

Quelle: Adjouri, „Alles, was Sie über Marken wissen müssen“, S. 54

Die Entwicklung eines Slogans

Warum ein Slogan? Macht ein Slogan überhaupt Sinn? Dies sind durchaus wichtige Fra-gen, denn nicht immer ist ein Slogan hilfreich. Grundsätzlich gilt, dass ein guter Slogan eine erfolgreiche Unterstützung für die Kommunikation einer Marke ist. Doch was ist ein guter Slogan? Was ist der Zweck eines Slogans?

Ein Slogan darf nicht austauschbar sein, sondern muss den Marken-Kern widerspiegeln. So wird beispielsweise der Slogan „Land of contrasts“ (Land der Gegensätze) von 69 Ländern und Regionen genutzt28. Welches Spektrum Slogans abdecken, zeigen folgende Beispiele:

Bochum macht jung. Y

Gifhorn beflügelt. (das in der Lüneburger Heide gelegene Städtchen Gifhorn hat 16 Wind- Y

und Wassermühlen)Braunschweig. Löwenstadt. (Heinrich dem Löwen zu verdanken, Herzog im Mittelalter) Y

Schweinfurt. Wir haben mehr auf Lager. (früher: die Kugellagerstadt) Y

Karlsruhe. Wer uns findet, findet uns gut. Y

Dresden. (nur ein Punkt; soll Selbstbewusstsein demonstrieren) Y

Munich loves you. München mag dich. (früher von 1972-2005: Weltstadt mit Herz) Y

Leipziger Freiheit (früher: Leipzig kommt) Y

Ruhrgebiet. Der Pott kocht. Y

Sachsen-Anhalt. Wir stehen früher auf. Y

Baden-Württemberg. Wir können alles. Außer Hochdeutsch. Y

Bei der Entwicklung eines Slogans ist darauf zu achten, dass dieser folgende Kriterien er-füllt:

Der Slogan bringt den Marken-Kern kreativ auf den Punkt. Y

Karlsruhe hat es vorgemacht: Wer uns findet, findet uns gut. Der Slogan zeigt exempla-risch, dass Karlsruhe selbstbewusst mit dem Manko fehlender Größe spielt. Karlsruhe will auch keine große Stadt sein, die im Zentrum des Interesses steht. Aber die Menschen,

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247 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

die nach Karlsruhe kommen (oder es finden), sind dann positiv überrascht. Diese kreati-ve Wendung verdeutlicht einen selbstbewussten Auftritt und sorgt mit einer humorvollen Formulierung automatisch für Sympathie. Auch der Slogan von Baden-Württemberg (Wir können alles. Außer Hochdeutsch.) de-monstriert Selbstbewusstsein und nimmt die vermeintlich einzige Schwäche aufs Korn. Ein guter Slogan ist möglichst kurz. Y

Im Prinzip schlägt ein kürzerer Slogan lange Worthülsen. Es gibt aber auch Ausnahmen wie beispielsweise der bekannte Slogan der Marke Ikea („Wohnst Du noch oder lebst Du schon?“). Dieser untypisch lange Slogan funktioniert aber trotz allem, weil hier die Mar-kenbausteine von Ikea kreativ formuliert zum Ausdruck kommen (Botschaft: die Marke Ikea ist kein Möbelhaus, sondern eine Lebenseinstellung). Bei einem Slogan kommt es jedoch darauf an, dass er einfach zu merken ist, und dies bedeutet, dass wenige Worte die Merkfähigkeit unterstützen. Er sollte einfach zu merken sein. Y

Neben der Quantität der Worte eines Slogans kommt es darauf an, kreative Formulierun-gen zu finden, die ebenso die Merkfähigkeit unterstützen. Komplizierte Wortspiele oder nicht gängige Wörter sind zu vermeiden. Auch Doppeldeutigkeiten, die schwer zu erfas-sen sind, sollten vermieden werden. Er muss eindeutig positiv sein und darf keine negativen Konnotationen zulassen. Y

Im Gegensatz zu einem Markennamen, der nie nur für positive Assoziationen steht, darf ein guter Slogan keinen Spielraum für negative oder störende Konnotationen beinhalten. Er sollte in jeder Hinsicht positiv ausgerichtet sein. Sicherlich gibt es einige Grenzfälle wie der von der Elektronik-Handelskette Saturn von 2003 bis Oktober 2007 eingesetzte Slo-gan „Geiz ist geil“. Hier kann trefflich darüber diskutiert werden, ob der Slogan eine po-sitive Ausrichtung hat, denn selten hat ein Slogan so stark polarisiert wie dieser. Fest steht, dass zum einen die Bekanntheit der Handelskette enorm gesteigert werden konn-te und zum anderen die preisaggressive Strategie der Handelskette damit zum Ausdruck gebracht wurde. Der Slogan muss differenzierend sein. Y

Ein guter Slogan muss sich von denen der Wettbewerber unterscheiden. Es ist besser, kei-nen Slogan zu entwickeln, als einen zu verwenden, der gleich oder ähnlich anderer Slo-gans ist. So sind allein bei www.Slogan.de insgesamt 292 Slogans mit dem Begriff „Quali-tät“ in allen Variationen zu finden; die Unterscheidungsfähigkeit geht hierbei verloren. Auch „schön“ scheint ein geflügeltes Wort zu sein, wie die folgenden Beispiele demonstrieren:29

Algarve <<Europas schönste Ecke.>> Y

Algund <<Schön, hier zu sein! >> Y

Costa <<Der schönste Platz auf dem Meer.>> Y

Daydreams <<Der Tag ist schön!>> Y

Esco (CH) <<Schöne Ferien.>> Y

Franken <<Wein. Schöner. Land.>> Y

Grecotel <<Wo Griechenland am schönsten ist.>> Y

Grindelwald <<Natürliche Schönheit.>> Y

Hurtigruten <<Die schönste Seereise der Welt.>> Y

Kroatien <<Zeitlose mediterrane Schönheit.>> Y

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Lahn-Taunus <<Kein schöner Land.>> Y

Mecklenburg-Vorpommern <<Sanft, schön und aufregend.>> Y

Much <<Bergisch schön.>> Y

Münster <<Unter Deutschlands Schönen eine der Schönsten.>> Y

Neuseeland <<Am schönsten Ende der Welt.>> Y

Niedersachsen <<Ein schönes Stück Deutschland.>> Y

Obertauern <<Ganz oben ist die Welt am Schönsten.>> Y

Olimar <<Das Schönste aus Italien.>> Y

Region Ennepe-Ruhr <<Der schönste Teil vom Ruhrgebiet.>> Y

Schweiz <<Ein schönstes Stück Europa.>> Y

Schweizer Jugendherbergen (CH) <<Schön günstig gelegen.>> Y

Sonnenbühl <<Wo die Alb am schönsten ist.>> Y

Steigerwald <<Unser Steigerwald – Von Natur aus schön!>> Y

Trentino <<Auftanken, wo Italien am schönsten ist.>> Y

TUI <<Sie haben es sich verdient. Schöne Ferien!>> Y

Tunesien <<Die schönste Seite des Mittelmeers.>> Y

Bei der Frage, ob der Slogan gleich auf Englisch entwickelt oder ob er in der jeweiligen Landessprache genutzt wird, gibt es geteilte Meinungen. Grundsätzlich gilt, dass die Ver-ständlichkeit Priorität hat. Bei englischen Slogans wird allzu häufig vorausgesetzt, dass die Zielgruppen über ein gewisses Sprachniveau verfügen und den englischen Sinnzusammen-hang ohne weiteres verstehen. Dies täuscht. Insbesondere dann, wenn der Slogan eine dop-peldeutige oder sogar humorvolle Bedeutung hat, wird dies in der Regel nur von „native speakern“ vollends wahrgenommen. Daher spricht vieles dafür, einen Slogan in der jeweili-gen Herkunftssprache der Marke zu entwickeln und diesen dann in verschiedene Sprachen zu übersetzen (auch wenn der Slogan dann etwas von seiner Kreativität verliert, ist dies in der Regel möglich). In seltenen Fällen kann es passieren, dass ein Slogan gar nicht übersetzt wer-den muss. Audis Marken-Slogan „Vorsprung durch Technik“ hat sich sogar im angelsächsi-schen Sprachraum erfolgreich etabliert.

Bei Tourismusmarken sieht dies etwas anders aus. Da hier davon ausgegangen werden muss, dass die Marke in mehreren Ländern und damit auch in verschiedenen Sprachräumen unterwegs ist (z. B. Verkehrsträger, Reiseveranstalter etc.), bietet es sich an, gleich einen englischen Slogan zu entwickeln. Da Englisch im Tourismus eine etablierte Sprache ist, spart ein englischer Slogan komplizierte Übersetzungen. Dies trifft insbesondere im geschäftlichen Verkehr zwischen Unternehmen zu (also im B-to-B-Segment). Doch auch im Tourismusbe-reich muss mit Bedacht herangegangen werden, auch wenn Englisch als Sprache gängiger ist. Denn die Gefahr von missverständlichen Inhalten bleibt, was zu Irritationen bei den Kun-den führt und die Zielsetzung des Slogans konterkariert. So setzt TUI im deutschsprachigen Raum den Slogan „Ein TUI Urlaub hält länger“; im englischsprachigen Raum ist die TUI-Inter-netseite mit der Adresse www.thomson.co.uk verbunden – hier erscheint der Slogan „Don’t just travel, travel with a smile“. Der Slogan nimmt somit direkt Bezug auf das Bild-Zeichen in Form des Lächelns. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Bezug zum Lächeln nicht auch in der deutschen Fassung aufgenommen wird. Aus Markensicht würde dies das Marken-Dach von TUI stärken.

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249 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

Bild-Zeichen und Design

Wenn es um die Gestaltung eines Bild-Zeichens geht, muss aus Markensicht gewähr-leistet sein, dass die beiden Grundfunktionen der Marke, Identifizierung und Differenzierung, eingehalten werden. Leider ist dies häufig nicht der Fall, denn viele Zeichen sind sich in der Tourismusbranche ähnlich. So sind entweder viele Weltkugelformen (Abbildung 9) zu finden oder abstrahierte Kombinationen von Sonnen, Stränden (und Palmen) mit Meereswellen (oft mit einer abstrahierten Möwe kombiniert) (Abbildung 10).

Abbildung III-9: Wort-Bild-Zeichen in Form von abstrahierten Weltkugeln

Abbildung III-10: Wort-Bild-Zeichen mit Stränden, Wellen und Sonnen

Natürlich ist es für ein internationales oder sogar globales Reiseunternehmen nahe lie-gend, eine Weltkugel zu zeigen. Doch für die Markenbildung ist dies kontraproduktiv, da hier-durch keine Differenzierung zu den vielen anderen, analogen Zeichen stattfindet. Und damit ist dies eine verlorene Chance, einen weiteren Baustein auf der Ebene des Marken-Daches zu entwickeln, der markant und prägend ist.

Bei der Entwicklung von markanten Bausteinen auf der Ebene des Marken-Daches gilt es nicht nur ein prägnantes und differenzierendes Bild-Zeichen zu gestalten, sondern auch wei-tere markante Bausteine zu definieren. Empfehlenswert ist die Suche nach einer Form, die typisch für die Tourismusmarke ist. Bei einer Destination kann dies beispielsweise die Gestalt des Ortes bzw. der Region sein. Die Tourismusdestination Sylt hat dies optimal umgesetzt.

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250 | Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus

Abbildung III-11: Die markante Form der Insel Sylt

Die Form der Sylt-Insel hat inzwischen eine hohe Bekanntheit; es gibt tatsächlich eine Fangemeinde, die diese Form beispielsweise auf das eigene Auto klebt – und damit als Wer-beträger für diese Destination unterwegs ist. Da dies keine bezahlte Werbeform ist, sondern rein auf Freiwilligkeit beruht, ist der Wirkungsgrad noch höher einzuschätzen. Es ist die di-rekte Empfehlung eines überzeugten Sylt-Urlaubers. Besser geht es nicht. Bei Destinatio-nen existieren weitere, ähnliche Beispiele wie die geografische Gestalt Italiens (Schuh), die iberische Halbinsel (Gesicht und Kopf) oder sogar der Kontinent Afrika mit seiner typischen Form.

Ein Beispiel, bei dem für ein vorhandenes Produkt (Transsibirische Eisenbahn) ein neuer Name mitsamt einem Wort-Bild-Zeichen entwickelt wurde, ist Zarengold.

Abbildung III-12: Zarengold-Logo

Gestaltung: Adjouri GmbH

Abbildung III-13: Cover Zarengold-Katalog

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251 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

Das Wort-Bild-Zeichen, das in goldener Farbe erscheint, setzt direkt den Namen und die Kern-Bedeutung der neuen Marke visuell um. Zarengold wurde im Jahr 2001 eingeführt und hat sich erfolgreich als Marke entwickelt. Das Zeichen wird in verschiedenen Ebenen der Kommunikation eingesetzt.

Abbildung III-14: Waggon des Sonderzugs Zarengold mit Logo

Abbildung III-15: Zarengold Postkarte

Werbung und Werbemittel

Werbung ist ein hilfreiches Instrument, um die festgesetzte Strategie von Tourismus-marken umzusetzen. Konkrete Aufgabe der Werbepolitik ist es in der Regel, die zuvor be-stimmten Zielgruppen über touristische Produkte zu informieren und den Verbraucher dazu

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zu bewegen, ein bestimmtes Angebot eines touristischen Leistungserbringers zu buchen. Werbung ist sicherlich wichtig für den Erfolg einer Marke, jedoch sollte ihr Einfluss auf eine Markenbildung nicht überschätzt werden. In der Werbung sollen durch eine geschickte Art der Visualisierung von Tourismusdienstleistungen Werbebotschaften transportiert werden, die das Kaufverhalten des Endverbrauchers positiv beeinflussen. Werbebotschaften haben im Tourismus eine besondere Rolle, da ein touristisches Produkt wie eine Pauschalreise, ein Hotelzimmer oder eine Destination vor Reiseantritt nicht getestet werden kann, dies im Ge-gensatz zu vielen anderen Konsumgütern. Wichtig bei Tourismusmarken ist daher, dass for-mulierte Werbebotschaften einigermaßen ehrlich sind und möglichst nur das versprechen, was nachher auch eingehalten wird. Hat ein Gast auf Grund übertriebener Anpreisungen aus werblichen Aktivitäten des Tourismusanbieters eine Erwartungshaltung, die bei Inanspruch-nahme der touristischen Leistung nicht erfüllt werden kann, wirkt sich dies besonders schäd-lich auf die Marke aus. Tourismusmarken sind dauerhaft erfolgreicher, wenn die Werbung nicht mehr verspricht, als das Produkt letztlich halten kann. Viele touristische Produkte sind auch derart einzigartig, dass es gar keiner Manipulation bedarf. Lediglich die passenden Al-leinstellungsmerkmale müssen optimal herausgestellt werden, um eine gute Werbebotschaft für die Marke zu formulieren.

Prospekte und Kataloge

Innerhalb der Werbepolitik von Tourismusmarken haben Kataloge und Prospekte eine be-sondere Bedeutung. In Katalogen wird meist das konkret gefasste Gesamtangebot einer be-stimmten Angebotspalette oder Produktgruppe präsentiert, Prospekte befassen sich in der Regel eher mit allgemeineren Informationen. Gedruckte Werbemittel haben die Aufgabe, den Reiseinteressenten umfassend über das Angebot eines Anbieters von touristischen Leistun-gen zu informieren und gegebenenfalls zu konkreten Buchungsentscheidungen zu führen. Kein Reiseveranstalter, keine Destination, kein Ferienhausvermittler und kein Kreuzfahrtree-der kommt ohne Prospekte und/oder Kataloge aus. Alle Versuche, auf diese zu verzichten, sind bisher gescheitert.

Abbildung III-16: Von Reiseveranstaltern genannte Vor- und Nachteile von Reisekatalogen (angegeben ist die Anzahl der Nennungen)

Quelle: Flick, Kerstin: Die Zukunft des Reisekatalogs

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Vorteil eines Reisekataloges ist, dass der Interessant ihn physisch in der Hand halten kann und dabei übersichtlich alle relevanten Informationen zum Buchen einer Reise an einem Ort findet. Der große Nachteil des Reisekatalogs für die Anbieter ist zum einen der immense Kos-tenblock, der durch eine Katalogproduktion entsteht, zum anderen die festgeschriebenen Preise und mangelnde Flexibilität. Es ist nach Druck nicht mehr möglich, auf die Preise der Konkurrenz zu reagieren, auf geändertes Nachfrageverhalten preispolitisch einzugehen und damit einfach seinen Yield zu verbessern, so wie es Fluggesellschaften tun können. Meist er-scheinen Reisekataloge für die kommende Sommersaison im Herbst. Meistens werden Kata-loge produziert, die entweder ein halbes oder ein ganzes Jahr Gültigkeit haben. Ganzjahreska-taloge haben den Vorteil, dass Kosten eingespart werden können und die Logistik vereinfacht wird, aber gleichzeitig haben sie auch den Nachteil, dass sich der Veranstalter sehr weit im Voraus Reisen, Termine, Preise und Leistungen festlegen muss. Um auf neue Reisetrends und geändertes Nachfrageverhalten eingehen zu können, ist gerade bei kürzeren Reisen und Pauschalarrangements, die kurzfristig gebucht werden, der Mehraufwand für einen Halbjah-reskatalog sinnvoll. Reiseprospekte mit kürzeren Laufzeiten suggerieren dem Leser auch ein größeres Maß an Aktualität.

Reiseveranstalter, die sowohl direkt an Kunden vertreiben als auch über den indirekten Vertrieb, sind meist gezwungen, zwei verschiedene Auflagen der einzelnen Kataloge zu pro-duzieren. Die Auflage, die sich an Direktkunden richtet, ist mit Kontaktmöglichkeiten und Bu-chungsinformationen direkt zum Veranstalter ausgestattet. Die Auflage für Reisebüros ist da-gegen neutral gehalten, der Katalogleser findet nur Kontaktmöglichkeiten zu dem Reisebüro, das den Katalog ausgegeben hat.

Abbildung III-17: Übersicht Reisekatalogauflagen TUI Schöne Ferien, TUI Weltentdecker und TUI PremiumWinterkataloge 2007/2008 Auflage

geplant Farbteil-SeitenSommerkataloge 2008 Auflage

geplanntFarbteil-Seiten

TUI Schöne Ferien TUI Schöne FerienÄgypten, Tunesien 620.000 284 Ägypten, Tunesien 690.000 216Deutschland 400.000 256 Deutschland 770.000 572Kanarische Inseln – Kapverdische Inseln 730.000 220 Österreich, Schweiz 550.000 388Mallorca, Spanien, Portugal 490.000 172 Bulgarien, Kroatien 675.000 216Afrika 240.000 158 Italien, Malta 950.000 506Asien 320.000 232 Türkei 800.000 208Karibik, Mittel- & Südamerika 430.000 224 Griechenland, Zypern 1.050.000 336FamilyCluburlaub 270.000 60 Portugal 580.000 100Family Auto & Flug 250.000 88 Spanien Festland, Frankreich 650.000 184Wintersport 480.000 486 Kanarische Inseln - Kapverdische Inseln 1.000.000 220Vital 300.000 276 Mallorca 1.200.000 204Bade- & Erlebnisparks 130.000 84 Afrika 240.000 216Weihnachten & Silvester 160.000 72 Asien 320.000 208Fly & More 150.000 176 Karibik, Mittel- & Südamerika 530.000 280Riu Hotels 130.000 172 Vital 420.000 424TUI Weltendecker Family Cluburlaub 270.000 102Amerika, USA mit Hawaii, Kanada 300.000 364 Family Auto & Flug 500.000 292Australien 250.000 260 Bade- & Erlebnisparks 178.000 64Asien 320.000 180 Fly & More 215.000 246Afrika 300.000 140 Riu Hotels 212.000 232Sports Golf 170.000 104 TUI WeltendeckerSports Hiking & Biking, Tauchen 150.000 60 Amerika, USA mit Hawaii, Kanada 400.000 96Städte erleben 430.000 196 Australien 250.000 260TUI Premium Asien 320.000 180Mediterran 190.000 188 Afrika 300.000 168Naheliegend 190.000 188 Sports Golf 170.000 92Exotisch 190.000 188 Sports Hiking & Biking 128.000 112ROBINSON 170.000 196 Sports Tauchen 128.000 140

Kurzreisen 220.000 180Flüsse erleben 180.000 116Städte erleben 690.000 326TUI PremiumMediterran 260.000 296Naheliegend 240.000 152Exotisch 240.000 288ROBINSON 405.000 260

Summe 7.760.000 5.024 15.731.000 7.880

Quelle: TUI Deutschland, Mediadaten Nr. 2

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Um zu zeigen, welchen Stellenwert der Reisekatalog für den Verkauf von touristischen Leistungen hat, soll hier kurz ein Überblick über die Reisekataloge der TUI-Hausmarken TUI Schöne Ferien, TUI Weltentdecker und TUI Premium gegeben werden. Sie erscheinen halb-jährlich. Betrachtet man die Auflagen der einzelnen Kataloge, wird deutlich, welche Mengen von Papier Jahr für Jahr benötigt werden, um den Kunden Angebote für die schönsten Wo-chen im Jahr näher zu bringen. Allein die TUI-Hausmarke produziert 7,7 Millionen Kataloge für die Wintersaison und mehr als 15,7 Millionen Kataloge für die Sommersaison. Spitzenrei-ter bei Auflagen mit über einer Million gedruckten Exemplaren sind die Sommerkataloge für Mallorca, die Kanarischen Inseln und Griechenland. Möchte man alle Sommerkataloge lesen, muss man 7.880 Seiten durchblättern. Außerdem produziert die TUI noch Kataloge u. a. für die Ferienhausvermittlung Wolters Reisen, den familienorientierten Veranstalter 1-2 Fly und die Prämienmarke airtours. Addiert man alle Auflagen dieser Veranstaltermarken, werden mehr als 33 Millionen Reisekataloge von TUI Deutschland gedruckt. Dem stehen 12,3 Millio-nen Gäste gegenüber, das heißt es müssen knapp drei Kataloge gedruckt werden, um einen Gast zu generieren. Bedenkt man, dass die meisten Reisenden zu zweit buchen, erhöht sich die benötigte Kataloganzahl pro Buchung nochmals. Bei anderen Veranstaltern liegt dieser Wert durchaus noch höher.

Die Gestaltung der Kataloge ist ein wichtiger Baustein des Marken-Dachs von touristi-schen Anbietern. So werden die verschiedensten Katalogkonzepte am Markt ausprobiert. Letztlich zeigt die Erfahrung allerdings, dass zu viel Kreativität in der Kataloggestaltung meist hinderlich für den Verkauf ist. Ein Reisekatalog sollte in erster Linie als Verkaufsinstrument ge-sehen werden. Der Endkunde muss mit ihm genauso umgehen können wie der Reisebüro-expedient. Natürlich ist ein Reisekatalog auch eine Imagebroschüre und eine Visitenkarte des Unternehmens, dies sollte aber nicht dazu führen, dass sich beispielsweise junge Kreative an neuen Designs ausprobieren mit extra kleinen Schriftarten für einen Katalog, der vielleicht in erster Linie für die 60plus-Generation produziert wird. Ein besonderes Augenmerk bei der Ge-staltung von Katalogen sollte auf die Übersichtlichkeit gelegt werden, die schließlich einer der größten Vorteile eines Reisekataloges ist. So drucken einige Veranstalter Preise und Leistun-gen direkt zu der Produktbeschreibung, andere produzieren einen gesonderten Preisteil. Die Praxis zeigt, dass gesonderte Preisteile die Reiseausschreibung im Katalog zwar ästhetischer erscheinen lassen, jedoch in der Handhabung als unübersichtlich gelten. Daher sollten nach Möglichkeit alle relevanten Informationen zu einem bestimmten Angebot im Katalog an der gleichen Stelle zu finden sein.

Wichtig für einen Reisekatalog sind:Übersichtlichkeit der Angebote Y

Vollständigkeit der Informationen Y

Verkaufsförderung Y

Visualisierung der Angebote Y

Emotionalisierung der Angebote Y

Ein Katalog sollte neben den konkreten touristischen Angeboten auch allgemeine Infor-mationen über das Unternehmen, also z. B. den Reiseveranstalter, beinhalten, über ein In-haltsverzeichnis verfügen, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sowie Hinweise zu einem möglichen Buchungsprozess bereitstellen und idealerweise auch ein Buchungsfor-mular beinhalten.

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255 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

Zur einer vollständigen Darstellung, beispielsweise einer Studien-Rundreise, gehören in der Regel folgende Informationen:

Reisename Y

Reisetermine Y

Einleitungstext/Kurzbeschreibung mit Hinweis auf Reiseform etc. Y

Reisehöhepunkte Y

Tag-für-Tag-Verlauf mit Angabe von Orten, Sehenswürdigkeiten, Attraktionen etc., die Y

besichtigt werdenInformationen zu den Unterkünften während der Reise Y

Angaben zu den im Reisepreis enthaltenen Mahlzeiten Y

Ausführliche Beschreibung der im Reisepreis enthaltenen Leistungen wie Anreise, Be- Y

sichtigungsprogramm etc.Angabe der nicht enthaltenen Leistungen wie beispielsweise Visumgebühren, innerdeut- Y

sche Anschlussflüge etc.Mindesteilnehmerzahl und Maximalteilnehmerzahl Y

Gesundheitshinweise wie z. B. Impfungsempfehlungen Y

Einreisebestimmungen, Zollvorschriften Y

Auch auf absehbare Zukunft wird der Reisekatalog zu den klassischen und notwendigen Kommunikationsmitteln der Tourismusbranche gehören. Für viele Reisende gehört das Blät-tern im Katalog quasi schon zum Urlaub dazu. Inwieweit Internetpräsenzen den Reisekatalog auf lange Sicht überflüssig machen, bleibt abzuwarten. Bis auf Weiteres allerdings ist es für die meisten Anbieter von touristischen Leistungen unabdingbar, sowohl gedruckte Werbe-mittel zu produzieren, als auch einen Internetauftritt zu unterhalten.

Weitere Möglichkeiten der Werbung

Neben Katalogen und Prospekten als Werbemitteln gibt es noch viele weitere Formen der Werbung für Tourismusmarken. Beliebt im Tourismus ist Werbung im Bereich der Printme-dien, z. B. Anzeigen in Tageszeitungen, Wochenzeitungen, Zeitschriften etc. So investierten in den ersten acht Monaten 2007 die deutschen Reiseveranstalter nach einer Erhebung von Thomson Media Control etwa 70 Prozent ihrer Werbeausgaben in Zeitungen und Zeitschrif-ten. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass der Anteil von Imagewerbung bei den Reiseveranstaltermarken weniger hoch ist als in anderen Branchen, der Schwerpunkt liegt oft im Bereich Produktwerbung, das heißt, es wird z. B. eine bestimmte Reise beworben. Um ein touristisches Produkt gut zu bewerben, eignet sich in erster Linie die Printwerbung, da dort viele Informationen auf wenig Raum dargestellt werden können.

Neben Printwerbung gibt es audiovisuelle Werbung wie TV- oder Kinospots. Sie eignen sich insbesondere für Imagewerbung von Tourismusmarken. Besonders häufig werden TV-Kampagnen z. B. von Verkehrsträgern wie Fluggesellschaften genutzt, aber auch von Desti-nationen wie Österreich oder der Türkei oder aber von den großen Reiseveranstaltern wie all-tours, TUI und ITS.

Zunehmende Bedeutung im Tourismus bekommt auch die Internetwerbung, da immer mehr Reiseinteressenten dort auf Orientierungssuche nach allgemeinen Informationen oder für konkrete Angebote von touristischen Produkten gehen. Besonders empfehlenswert in dem Bereich ist die Suchmaschinenwerbung.

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256 | Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus

Direktmarketing bietet die Möglichkeit, für Tourismusmarken noch gezielter die Bedürf-nisse und Wünsche der Kunden von touristischen Leistungen zu bedienen. So kann z. B. bei Direktmailings an Kunden oder Interessenten personalisiert auf bestimmte Interessen wie Reiseformen, Zielgebiete, Vorlieben beim Hotelstandard etc. eingegangen werden, voraus-gesetzt, die Daten stehen zu Verfügung. Es ist also wichtig, eine Datenbank aufzubauen und diese mit allen persönlichen Informationen zu versehen, die man im Verlauf der Kommuni-kation mit dem Verbraucher erhält. Dies sind geografische Informationen wie Wohnort und Anschrift, demografische Informationen wie Geburtsdatum, Familienstand und verhaltens-orientierte Informationen wie Reiseinteressen und Konsumverhalten. Diese Informationen können bei der Kommunikation mit dem Kunden oder Interessenten etwa in Form eines Newsletters spezifisch eingesetzt werden. Ziel bei Direktmarketing-Aktionen sollte immer sein, mit dem Kunden in den Dialog zu treten, das heißt, ihn aufzufordern sich weiter mit ei-nem bestimmten touristischen Produkt zu beschäftigen, etwa auf einer Internetseite, im sta-tionären Vertrieb im Reisebüro oder direkt beim Anbieter, z. B. durch das Ausfüllen eines Re-sponse-Elements wie einer Postkarte, die zurückgesendet wird oder auch durch einen Anruf im Callcenter. Schafft man es, in einen Dialog zu treten, ist personalisiertes One-to-One-Mar-keting möglich, das zwar teuer gerechnet auf den einzelnen Kontakt, jedoch äußerst effizi-ent in der Umsetzung ist. Dialogmarketing lässt sich sowohl zur Neukundengewinnung als auch zur Kundenbindung nutzen. Kundenbindungsinstrumente im Direktmarketing sind ne-ben einem Kundennewsletter (Versand elektronisch oder postalisch) z. B. der Versand einer Geburtstagspostkarte, eines Weihnachtsgrußes, Einladungen zu Messeauftritten oder Kun-denveranstaltungen, Hinweise auf Berichterstattungen in Medien wie Film, Funk und Fern-sehen oder auch das Zusenden bestimmter neuer Angebote, die auf das Kundenprofil zuge-schnitten sind.

Public Relations

Im Tourismus spielt Public Relation eine besonders große Rolle, da Reiseangebote nicht vor Reisebeginn getestet werden können. Der Konsument muss sich auf die Versprechen des touristischen Anbieters verlassen. Da die Anbieterbeschreibung von touristischen Produkten werblich geprägt ist, benötigt der Reisende zusätzliche Informationen von Dritten. Dies kön-nen Freunde und Bekannte sein, Bewertungs- bzw. Erfahrungsportale im Internet oder eben – vermeintlich objektive – Informationen aus publizistischen Medien.

Touristische Leistungserbringer sollten die Möglichkeiten von Public Relations intensiv nutzen. Instrumente sind in erster Linie Pressemitteilungen oder Pressetexte, auch mit Bild- oder Videomaterial, Presse- und Recherchereisen oder PR-Veranstaltungen. Pressereisen haben eine besondere Bedeutung bei touristischer PR-Arbeit. Meistens werden Reisejour-nalisten eingeladen, um direkt vor Ort die Vorzüge eines Hotels, einer Ferienanlage, eines Kreuzfahrtschiffes oder einer ganzen Rundreise kennen zu lernen mit dem Ziel, dass sie an-schließend positiv darüber berichten. Viele der Reiseredaktionen insbesondere von Tages- und Wochenzeitungen haben keine umfangreichen Budgets, daher sind die Medien darauf angewiesen, von dem einzelnen Anbieter gesponsert zu werden. Im Idealfall hat der Journa-list ein positives Reiseerlebnis und berichtet darüber dementsprechend. In den meisten Fällen

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findet eine positive Berichterstattung statt – wenn es etwas zu kritisieren gibt, wird es dezent umschrieben. Gründe dafür sind auch die Abhängigkeiten der Journalisten gegenüber den touristischen Anbietern. Zum einen werden sie häufig während der Reise kostenlos verwöhnt – häufig engagierter als die zahlenden Gäste – und haben schon deshalb das Bedürfnis, das Reiseerlebnis positiv zu beschreiben. Hinzu kommt, dass der Journalist darauf angewiesen ist, auch in Zukunft wieder eingeladen zu werden, und sich deshalb bei den Reiseanbietern nicht unbeliebt machen will. Häufig ist es auch so, dass fest angestellte Mitarbeiter der Re-daktionen aus zeitlichen Gründen gar nicht an einer längeren Reise teilnehmen können. Da-her wird viel mit freien Journalisten gearbeitet. Freie Journalisten leben von Zeilenhonoraren und verkaufen daher ihre Reisereportagen, Hotelberichte etc. an mehrere Redaktionen. So können touristische Anbieter von relativ niedrigen Investments mehrfach profitieren. Gene-rell gilt, je mehr Novitäten ein Reiseanbieter vorweisen kann, desto einfacher ist es für ihn, journalistische Berichterstattung zu erreichen. Häufig kooperieren Anbieter der Tourismusin-dustrie und die Fremdenverkehrszentralen von Destinationen miteinander, wenn Presserei-sen organisiert werden.

Neben PR durch Reisejournalismus gibt es auch die Möglichkeit von Sponsoringaktivi-täten, beispielsweise im Bereich Sportsponsoring. Die Lufthansa ist Sponsor beim DFB und beim Fußball-Erstligisten FC Bayern, der Flughafenbetreiber Fraport bei Eintracht Frankfurt und die TUI bei Hannover 96.

Reisemessen

Reisemessen sind ein wichtiges Marketinginstrument für viele Teilnehmer der Tourismus-branche. Zum einen bieten sie Möglichkeiten für die eigene Marke in den Bereichen Image-werbung, Produktwerbung, Verkaufsförderung, Vertriebssteuerung und Öffentlichkeitsar-beit. Auf der anderen Seite sind Besuche auf Reisemessen wichtig für die Erforschung neuer Trends, für Marktforschung und Konkurrenzanalyse. Gerade in Zeiten von sich immer schnel-ler differenzierenden Tourismusangeboten ist dieser Aspekt nicht zu unterschätzen. Auf Rei-semessen werden die Besucher in Endverbraucher und Fachbesucher eingeteilt, es gibt zum einen Messen, die ausschließlich Fachbesucher zulassen, andere öffnen an bestimmten Ta-gen ausschließlich für Fachbesucher und an anderen Tagen für alle Besucher. Zu Fachbesu-chern und Ausstellern gehören Reiseveranstalter, Reisebüros, Fremdenverkehrsämter, Flug-gesellschaften und die Beherbergungsindustrie.

Auf allen Quellmärkten spielen Reisemessen eine immer wichtigere Rolle. Die weltgröß-te und wichtigste Reisemesse ist die Internationale Tourismusbörse (ITB), die jedes Jahr im März in Berlin veranstaltet wird. Sie ist für die Tourismusbranche in erster Linie eine wichti-ge Fachmesse, richtet sich allerdings auch an den Endkunden. Sie hatte 2007 über 10.000 Aussteller aus fast allen Ländern der Welt und knapp 180.000 Besucher. Die zweite wichtige Fachmesse ist die World Travel Market (WTM) in London, die jedes Jahr im November veran-staltet wird. Diese Messe hat zwar weniger Aussteller, gilt aber als äußerst umsatzstark. Der Veranstalter der WTM gibt an, dass Geschäftsabschlüsse im Wert von 28 Milliarden Pfund je-des Jahr auf der Messe getätigt werden.

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258 | Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus

Tabelle III-1: Ausgewählte, wichtige internationale Reisemessen

Name Monat Ort Aussteller Besucher

TTF – Travel & Tourism Fair / OTM Outbound Travel Mart

Januar Bangalore (Indien) 1.200 180.000

VAKANZ Tourismus-Messe Januar Luxembourg-Kirchberg(Luxemburg)

180 25.000

ATF, ASEAN Tourism Fair Januar wechselnd

FITUR –International Tourism Trade Fair

Januar/Februar Madrid (Spanien) 18.000 100.000

FESPO 08 –Messe für Ferien und Freizeit

Januar/Februar Zürich (Schweiz) 700 70.000

MITT 2008 – InternationalTravel & Tourism Exhibition

März Moskau (Russland) 2.700 90.000

WTF – World Travel Fair März Shanghai (China) 450 28.000

INDABA 2008 Mai Kwa Zulu Natal (Südafrika) 1.700 4.600

ITB Asia Oktober Singapur (Singapur)

TTW Montreux –Travel Trade Workshop 2008

Oktober Montreux (Schweiz)

WTM (Großbritannien) November London 5.500 45.000

Eine weitere bedeutende Messe im Ausland ist die FITUR in Madrid, die nicht nur für den spanischen Markt ausgerichtet wird, sondern auch für alle lateinamerikanischen Quellmärkte. Fachbesucher aus fast allen spanischsprachigen Ländern besuchen diese Messe. Die MITT in Moskau ist die zentrale Reisemesse für Anbieter von Tourismusdienstleistungen in Russland. Die Bedeutung dieser Messe hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Die ATF ist eine Messe, die jedes Jahr von der ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) organisiert wird. Mitglieder in diesem Staatenbund sind Thailand, Indonesien, Malaysia, die Philippinen, Singapur, das Sultanat Brunei, Vietnam, Myanmar und Laos. Fachbesucher aus aller Welt besuchen die ATF, um Vertreter der Tourismusindustrie der ASEAN-Staaten zu treffen. Die wichtigste Reisemesse für den indischen Markt ist die TTF in Bangalore, die im Januar statt-findet. Auch die Internationale Tourismusbörse in Berlin will am Wachstum des Tourismus in Asien partizipieren, 2007 richtete sie erstmals die ITB Asia in Singapur aus.

In Deutschland gibt es neben der ITB weitere Reisemessen, die sich in erster Linie an den Endverbraucher wenden. Seit der Jahrtausendwende entstehen immer neue, meist regiona-le Reisemessen, die sich auch gut für die verschiedenen Tourismusanbieter als Plattform eig-nen, insbesondere für die Spezialisten, deren Angebote nicht in jedem Reisebüro zu finden sind. Die zunehmende Differenzierung in der touristischen Nachfrage ist ein Hauptgrund für den Erfolg von Publikumsmessen. Interessenten, die nicht den Urlaub von der Stange wol-len, sondern etwas Spezielleres, wie zum Beispiel eine Reise auf der Transsibirischen Eisen-bahn, eine Tauchreise auf Belize, eine Motorradreise durch die Mongolei oder eine Fluss-kreuzfahrt auf dem Mekong, bekommen auf einer Reisemesse eine bessere Beratung als im

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Reisebüro, da im stationären Vertrieb meist keine derartige Spezialisierung vorhanden ist. Der Reiseinteressent kann natürlich im Internet recherchieren. Will er trotzdem persönlich und fachgerecht für sein Zielgebiet beraten werden, ist eine Reisemesse für ihn die richtige Platt-form. Dort kann er sich den richtigen Reisespezialisten aussuchen, ihn persönlich kennen ler-nen und gegebenenfalls gleich eine Reise buchen.

Tabelle III-2: Ausgewählte Reisemessen in Deutschland

Name Monat Ort Aussteller Besucher

Reisemarkt Rhein-Neckar-Pfalz Januar Mannheim (Deutschland) 300 20.000

CMT – Internationale Ausstellungfür Caravan-Motor-Touristik

Janaur Stuttgart (Deutschland) 1.500 180.000

Reisen Hamburg – InternationaleAusstellung Tourismus & Caravaning

Februar Hamburg (Deutschland) 1.200 84.000

C-B-R 2008 – Freizeit und Reisen Februar München (Deutschland) 1.500 114.000

4. Reisebörse Bremen Februar Bremen (Deutschland) 100 95.000

5. Reisebörse Leipzig Februar Leipzig (Deutschland) 130 100.000

ITB Berlin –Internationale Tourismusbörse

März Berlin (Deutschland) 10.000 177.000

IMEX 2008 April Frankfurt (Deutschland) 3.400 8.300

Die wichtigsten Reisemessen für die Endverbraucher in Deutschland sind die CMT (Inter-nationale Ausstellung für Caravan-Motor-Touristik) in Stuttgart, die jedes Jahr im Januar ver-anstaltet wird, sowie die im Februar angebotenen Messen in München und Hamburg.

Ein Messeauftritt kann ein wertvoller Baustein für die Pflege einer Tourismusmarke sein. Entscheidend dabei ist jedoch, wie das Engagement auf einer Messe umgesetzt wird. Zu-nächst sollte eine Entscheidung darüber getroffen werden, wen man auf einer Messe errei-chen möchte. Ist das vordergründige Ziel, Kontakte zu Fachbesuchern wie Reisebüromitar-beitern, Journalisten oder Mitarbeitern von Reiseveranstaltern zu knüpfen, sollte man sich für eine Messe entscheiden, die hauptsächlich Fachbesucher anspricht, beispielsweise die ITB in Berlin. Möchte man eher Kontakt zu einer kaufkräftigen Endverbraucher-Zielgruppe, so ist etwa ein Messestand auf der CMT in Stuttgart sinnvoll. Entscheidet sich ein Tourismusunter-nehmen dann für einen Messeauftritt, so sollte es nicht annehmen, dass lediglich ein schön gestalteter Messestand, ein paar Prospekte und ein paar hübsche Hostessen zu einem Erfolg bei dem Messeengagement führen. Vielmehr sollte mit der Entscheidung für eine Messebe-teiligung das gesamte Engagement mit einer Art Dialogkonzept abgerundet werden – und auch die nötigen finanziellen Mittel sollten dazu mit eingeplant werden. D. h. im Vorfeld der Messe sollten Kunden/Partner/Interessenten etc. in einem Mailing, mit Anzeigen o. ä. dar-über informiert werden, dass man auf der Messe präsent sein wird. In dieser Kommunikati-onsmaßnahme sollte man auch anbieten, konkrete Termine zu vereinbaren. Zudem sollte der Anbieter unbedingt ausreichend qualifiziertes Personal am Messestand einplanen. Sucht ein Interessent den Stand z. B. eines Reiseveranstalters auf und trifft auf eine kurzfristig engagier-te Messehostess, die von dem Produkt keine Ahnung hat und sich nicht einmal geografisch

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in den Zielgebieten des Veranstalters auskennt, so ist der Messeauftritt für die Marke schäd-lich und die Investition sinnlos. Für mögliche neue Kontakte/Interessenten etc., die sich auf einer Messe finden können, empfiehlt es sich außerdem, bereits vorher eine Veranstaltung im Nachgang der Messe zu planen, so z. B. eine Vortragsveranstaltung etwa 14 Tage nach der Messe, die noch einmal konkret über das touristische Produkt informiert. Einladungen zu dieser Veranstaltung können dann während der Messe ausgesprochen werden. In der Regel nehmen Interessenten ein solches Angebot gern an, um sich in Ruhe und abseits vom Mes-setrubel weitergehend zu informieren.

Multichannel-Strategiein der Kommunikation von Tourismusmarken

Die Markentreue im Tourismus ist weit weniger stark ausgeprägt als bei anderen Kon-sumgütern. Daher sind die permanente Neukundengewinnung und auch die Kundenbin-dung unerlässlich für den Erfolg einer Marke. Dabei ist es gerade im Tourismus wichtig, nicht einzelne Kommunikationskanäle isoliert zu betrachten, sondern als Gesamtheit. Der Endver-braucher informiert sich grundsätzlich bei mehreren Quellen, bevor er sich für eine touristi-sche Leistung entscheidet oder einer Tourismusmarke Vertrauen schenkt. D. h., er lässt sich in einem Reisebüro beraten, informiert sich bei Bekannten und Freunden, recherchiert im In-ternet über Suchmaschinen und Reiseportale, blättert in Reisekatalogen, beachtet Meldun-gen in seiner Tageszeitung, im Radioprogramm oder im Fernsehen und besucht ggf. noch eine regionale Reisemesse. Entscheidend ist, dass der Verbraucher fast immer mehrere Kom-munikationskanäle gleichzeitig nutzt. Die für die Anbieterseite der Tourismusindustrie dafür notwendige Strategie in der Kommunikation von Tourismusmarken nennt man Multichan-nel-Strategie.

Abbildung III-18: Informationskanäle für den Verbraucher im Tourismus

Berichterstattung in:TageszeitungTVRadioOnline-Zeitung

(klassische) Werbung in:TageszeitungZeitschriftenTVRadio

Online-ReiseportalSuchmaschineCRS-Anbieter

Reisemesse

Beratung durch:stationärer Vertrieb/Reisebüro

Anbieter direkt(Reiseveranstalter,Airline, Hotel etc.)

Reiseentscheidung

I n f o r m a tio n s k a n ä le , d ie R e is e in te r e s s e n te n p a r a lle l n u tz e n k ö n n e n

Persönliche Empfehlung:FreundeBekannte

Buchung

Anbieter direktReisebüro Online-Portal

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261 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

Im Unterschied zu anderen Konsumgüter-Kaufentscheidungen nutzt der Verbraucher im Tourismus die unterschiedlichen Kommunikationskanäle auch bei vergleichsweise kleineren Ausgabeentscheidungen nebeneinander. Das heißt, auch bei einem Flug von Berlin nach Köln für 80 Euro oder einer einzelnen Hotelübernachtung in einer fremden Stadt vergleicht der Konsument mehrere Informationsquellen. Bei Produkten mit Grundnutzen, bei denen der Preis entscheidet, also z. B. bei einer Transportleistung durch Billigflieger oder einer Autoan-mietung möchte der Verbraucher ganz sichergehen, dass er wirklich das günstigste Ange-bot gefunden hat. Da es keine gültige Regel gibt, wo er diese bestimmte Leistung am güns-tigsten erhält, also ob im Reisebüro, beim Discounter, bei einem Online-Portal oder direkt bei der Airline bzw. Autovermietung, überprüft der Kunde die verschiedenen Möglichkeiten. Bei Produkten mit Zusatznutzen, also touristischen Leistungen, die z. B. über eine reine Beförde-rungsleistung hinausgehen (wie etwa eine besondere Wochenendreise in eine europäische Metropole), informiert sich der Kunde auch auf allen Kanälen, in diesem Fall aber nicht vor-dergründig wegen des besten Preises, sondern da er das bestimmte Produkt finden möchte, was genau seinen Bedürfnissen entspricht, ein Produkt, das einzigartig ist und das Besonde-re bietet. Der Verbraucher weiß aus Erfahrung, er kommt nur dann zu einem befriedigenden Ergebnis, wenn er sich umfassend informiert.

Es ist also für jede Tourismusmarke von großer Bedeutung, alle möglichen Bereiche der Kommunikation zum Kunden wie Verkaufsförderung, Öffentlichkeitsarbeit, Werbung, Inter-netauftritt, Messen etc. parallel und nicht isoliert voneinander zu betrachten. Aktionen, die entweder lediglich den Point-of-Sale, also das Reisebüro, berücksichtigen oder nur online durchgeführt werden, sind weniger erfolgreich als kombinierte Kampagnen. Die schwieri-ge Herausforderung für Tourismusmarken ist dabei, ein optimales Zusammenspiel der ver-schiedenen Vertriebswege zu erreichen. Bewirbt beispielsweise ein Reiseveranstalter eine bestimmte Reise in einer regionalen Tageszeitung oder über einen Radiosender, so sollte si-chergestellt werden, dass der indirekte Vertrieb im Verbreitungsgebiet der ausgewählten Me-dien über die Angebote informiert ist und diese auch buchen kann, und dies unabhängig da-von, ob der Reiseveranstalter bei der Kampagne eigentlich auf seinen Onlineauftritt, auf ein Callcenter oder ein ganz bestimmtes Reisebüro verweist. Die Kunden lassen sich nicht vor-schreiben, wo sie sich als nächstes über das touristische Produkt genauer informieren, dies kann ohne Weiteres ein ganz anderes Reisebüro als das in der Werbung genannte sein. Ist dieses nicht in die Kampagne eingebunden, ist das Risiko groß, dass der Reiseinteressent zur Konkurrenz getrieben wird. Sicherlich ist es für viele Veranstalter nicht einfach, alle Vertriebs-stellen in einem bestimmten Gebiet zu erreichen, allein schon aus Gründen von Konzernzu-gehörigkeiten, Konkurrenzsituation der Reisebüros oder begrenzten Ressourcen des Veran-stalters, aber Versuche hierzu sollte er auf jeden Fall starten, z. B. durch Ankündigungen in Fachmedien. Genauso sollte ein Anbieter direkt erreichbar sein, wenn er auch in seiner Wer-bung ausschließlich auf seine Reisebüropartner hinweist. Es gibt immer Kunden, die sich di-rekt an den Produzenten der Leistung wenden wollen. Sicherlich stößt man dabei auf Wi-derstände im indirekten Vertrieb, da der Eindruck entstehen könnte, der Anbieter wolle die Kunden direkt bedienen, um Provisionen zu sparen. Für den Gesamterfolg einer Aktion aber ist die Ansprache der Kunden auf allen Ebenen wichtig. Dies gilt nicht nur für die touristi-schen Leistungserbringer wie Reiseveranstalter, Fluggesellschaften usw. Auch beim Mar-kenmanagement von Destinationen sollte beachtet werden, dass beispielsweise eine reine

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262 | Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus

TV-Kampagne weniger Erfolg bringt, als wenn man Online-Aktivitäten, Öffentlichkeitsarbeit und Verkaufsförderung am Point-of-Sale mit ihr verbindet. Wird bei einem Reiseinteressenten durch einen TV-Spot das Interesse an einer bestimmten Destination geweckt, so ist es wahr-scheinlich, dass er sich im Reisebüro, im Internet, bei Freunden oder auf einer Reisemes-se genauer darüber informiert. Hat man zuvor die Reisebüros entsprechend informiert, bei-spielsweise durch eine Mailingaktion mit einer Beschreibung der TV-Werbung, zusätzlich mit konkreten Aufstellungen von Angeboten, Veranstaltern und Hotels, ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass der Reisende seinen Urlaub tatsächlich in der Destination verbringt. Der vor-bereitete Expedient weiß beim Besuch des Interessenten sofort über die TV-Kampagne Be-scheid und kann kompetent entsprechende Angebote vorlegen. Sofern er nicht in Kenntnis gesetzt wurde, rät der Reisebüroangestellte allein aus Informationsmangel gegebenenfalls zu einer ganz anderen Destination.

Durch die Notwendigkeit einer Multichannel-Strategie stellt sich auch gar nicht die Fra-ge für touristische Anbieter, ob sie wie bereits erwähnt einen Katalog produzieren oder einen Internetauftritt pflegen, sondern nur diejenige, wie der Reisekatalog mit anderen Kommuni-kationsmöglichkeiten wie z. B. einem Internetauftritt am besten kombiniert wird. Genauso müssen Touristikanbieter Konzepte realisieren, die nicht entweder auf Internetvertrieb oder auf stationären Vertrieb spezialisiert sind, sondern darauf, wie es möglich ist, den stationären Vertrieb in die eigenen Internetvertriebsaktivitäten einzubinden.

Die Marke auf allen Stufen der Dienstleistungskette im Tourismus

Um Tourismusmarken erfolgreich aufzubauen und zu pflegen, ist es wichtig, die Bot-schaften der Marke auf allen Stufen der Dienstleistungskette zu transportieren. Das gilt ins-besondere für touristische Produkte, die wiederum selbst aus unterschiedlichen Teilleistun-gen bestehen, so z. B. für die Pauschalreise. Dies stellt für den Reiseveranstalter eine große Herausforderung dar, weil viele touristische Dienstleister häufig nur für bestimmte Teilleis-tungen verantwortlich sind, der Reisende jedoch eine Gesamtbewertung des Reiseprozesses vornimmt. Der Reiseveranstalter muss nicht nur sicherstellen, dass alles funktioniert und der Gast zufrieden ist, sondern auch darauf achten, dass seine Marke auf allen Ebenen wahrge-nommen wird:

Information/Beratung Y

Buchung/Reiseunterlagen Y

Anreise/Transportleistung/Transfer Y

Unterkunft/Verpflegung/Service Y

Reiseleitung/Ausflüge/Aktivitäten Y

Rückreise Y

Kommunikation nach der Reise Y

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263 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

Abbildung III-19: Dienstleistungskette im Tourismus

Anreise/Transportleistung/Transfer

Unterkunft/Verpflegung/Service

Reiseleitung/Ausflüge/Aktivitäten

Rückreise

Information/Beratung

Buchung/Reiseunterlagen

Kommunikation nach der Reise

v o r d e r R e is e

w ä h r e n d d e r R e is e

n a c h d e r R e is e

Den ersten Kontakt bekommt der Reisende vor der Reise, wenn er sich für ein bestimm-tes Produkt interessiert. Er informiert sich im Reisebüro, blättert im Katalog und recherchiert im Internet. Dabei soll der Kunde wahrnehmen, mit welchem Reiseveranstalter er in den Ur-laub fährt. Hierfür ist es notwendig, dass das Corporate Design des Veranstalters, z. B. das Bild-Zeichen, auf allen Unterlagen, mit denen der Kunde vor, während und nach der Reise konfrontiert wird, sichtbar ist. Dies ist wichtig, damit der Reisende überhaupt eine Verbin-dung zu der Marke aufbauen kann. Lediglich die Auswahl aus einem bestimmten Katalog und die Rechnung mit einem Veranstalter in Verbindung zu bringen, reicht nicht aus. Bereits in der Beratungsphase muss dies beachtet werden. Wünscht der Kunde im Reisebüro bei-spielsweise ein individuelles Angebot, so empfiehlt es sich, dem Reisebüro eine entsprechen-de Dokumentenvorlage zu überlassen, die der Expedient zum Drucken des Angebots nutzen kann. Die Inhalte dafür können z. B. über ein CRS oder über eine Intranet-Lösung kom-men. Ist die Buchung getätigt, so folgen ggf. Buchungsbestätigung, Reiseunterlagen, Flugti-ckethülle, Kofferanhänger, Reisepasshüllen, Kreditkartentasche usw. Während der Reise sind dies beispielshalber Bord-TV, Tischaufkleber, Sitztaschen, Empfangsschilder am Flughafen, Beschilderung im Transferbus, Branding im Hotel wie Tagespläne, Tischkennzeichnungen im Restaurant, Bekleidung des Reiseleiters/Animateurs etc. Da es häufig vorkommt, dass sich verschiedene Reiseveranstalter aus Kostengründen Infrastruktur vor Ort teilen, gibt es in dem Bereich große Defizite. So passiert es z. B., dass ein Reiseleiter vor Ort, der für mehrere Ver-anstalter tätig ist, die Gäste am Flughafen einfach mit einem Universalschild empfängt, auf dem die Logos aller Veranstalter aufgeführt sind, die im Laufe des Tages oder der Woche empfangen werden. Oder im Transferbus vom Flughafen ins Hotel hängt noch ein Schild von DERTOUR, obwohl der Kunde TUI gebucht hat. Oder der Kunde wird vor Ort im Hotel mit verschiedenen konzerngleichen Marken konfrontiert, z. B. im Falle von Thomas Cook gleich-zeitig mit Neckermann, da beide Veranstalter dieselbe Incoming-Agentur vor Ort nutzen. Die in Deutschland teuer aufgebaute Positionierung von Thomas Cook als Premiumveranstalter

Page 266: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

264 | Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus

und Neckermann Reisen als Preiswertmarke ist dann beim Kunden schnell über den Haufen geworfen, indem für den Thomas Cook-Reisenden der Mehrwert verpufft. Es empfiehlt sich also, auf diesen Bereich ein besonderes Augenmerk zu richten.

Für ein erfolgreiches Markenmanagement ist die richtige Platzierung des Corporate De-signs ein wichtiger Baustein, macht aber allein kein erfolgreiches Markenerlebnis aus. Natür-lich muss der Reisende auch mit den Leistungen des Reiseveranstalters zufrieden sein. Wie schon bei den Werbemitteln beschrieben, ist es wichtig, dass die Beratung zwar verkaufs-orientiert ist, aber die Leistungsmerkmale der Reise im Beratungsgespräch richtig darlegt, damit der Gast die Reise mit den richtigen Erwartungen antritt. Schulungen und umfangrei-ches Informationsmaterial für den Reisebüroexpedienten sind dabei unabdingbar. Während der Reise muss der Kunde dann die Leistungen erhalten, die er gebucht hat. D. h. gebuch-te Transfers, Ausflüge, Hotelübernachtungen, Verpflegungsleistung, Wellnesspakete etc. Ob der Kunde zufrieden ist, hängt aber nicht nur damit zusammen, ob alle touristischen Dienst-leistungen wie geplant zur Verfügung gestellt werden. Hinzu kommen Faktoren, die nicht direkt durch die einzelnen touristischen Leistungserbringer beeinflussbar sind, wie z. B. die Wahrnehmung der Destination an sich, die Empfindung von Ortsbild, Natur, Freundlichkeit der Einheimischen oder der touristischen Infrastruktur vor Ort wie Gastronomie, Unterhal-tungsangebote usw. Nicht zuletzt spielen auch das Wetter während des Aufenthalts, andere Reisende im gleichen Hotel, der eigene Gesundheitszustand, Harmonie mit dem Partner und weitere unbeeinflussbare Faktoren eine Rolle zur Gesamtbeurteilung des Reiseerlebnisses.

Nur wenn sich alle einzelnen Facetten zu einem positiven Ganzen fügen, nimmt der Gast sein Reiseerlebnis als positiv wahr und assoziiert mit der in Anspruch genommenen Touris-musmarke einen gelungenen Urlaub. Sicherlich verzeiht er kleine Fehler an der einen oder an-deren Stelle, wenn die Mehrheit der Einzelleistungen und Gegebenheiten stimmt. Der Reise-veranstalter trägt dabei nicht nur rechtlich die Gesamtverantwortung, sondern steht auch mit seinem Namen und seiner Marke für die Gesamtleistung gerade. Da die Beteiligten Dienst-leister in einer Art Abhängigkeitsverhältnis zu dem Reiseveranstalter stehen, haben alle einzel-nen Leistungserbringer ein Interesse an einem reibungslosen Ablauf. Damit das Zusammen-spiel funktioniert, ist ein professionelles Qualitätsmanagement unabdingbar. So ist es wichtig, dass eventuelle Reklamationen möglichst bereits während der Reise an einer zentralen Stelle gesammelt und nicht nur vor Ort bei dem touristischen Einzeldienstleister erfasst und nach Möglichkeit ausgeräumt werden, damit der Veranstalter selbst entsprechend reagieren kann. Auch nach der Reise sollte zum Kunden Kontakt gehalten werden. Ein Fragebogen zur Qua-lität der Reise fördert nicht nur die Bindung des Kunden an die Marke, sondern liefert auch wertvolle Hinweise für das Qualitätsmanagement.

Für die Tourismusmarke ist es am besten, wenn der Kunde nicht nur zufrieden, sondern von der Leistung, die er in Anspruch genommen hat, begeistert ist („Fans“). Dies ist immer dann der Fall, wenn die vorher gesetzten Erwartungen nicht nur erfüllt, sondern übertroffen werden. Begeisterte Kunden verinnerlichen ihr positives Markenerlebnis nicht nur bei sich selbst, sie transportieren dies auch in ihre Umwelt. Daher ist es eine einfache Strategie für touristische Leistungserbringer, mehr zu leisten als zuvor versprochen wurde. Dies kann mit Kleinigkeiten erreicht werden, die der Gast nicht erwartet hat. Ein nicht erwarteter Begrü-ßungscocktail bei Ankunft am Zielort, eine kostenlose Zeitung, ein zusätzlicher Ausflug, ein zusätzlicher Gang beim Essen oder ein kleines Präsent. Derartige Überraschungen können

Page 267: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

265 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

die Kundenzufriedenheit enorm steigern, ohne viel zu kosten. Sie können auf jeder Stufe der touristischen Dienstleistungskette eingeführt werden. Leider wird davon bisher noch viel zu-wenig Gebrauch gemacht. Viele Anbieter im Tourismus haben immer noch die Meinung, sie müssten jedes noch so kleine Detail, das der Gast erwarten kann, in der Leistungsbeschrei-bung darstellen, um einen werblichen Vorteil gegenüber dem Wettbewerb zu haben. Für den Aufbau oder die Pflege einer Marke ist das zu kurzfristig gedacht.

Trends und Ausblick – 2. Die Zukunft des Tourismus

Die über 60-Jährigen werden die größte touristische Zielgruppe in der westlichen Welt. Y

Der Reisende von Morgen ist reiseerfahren, qualitätsbewusst, umweltbewusst, gesund- Y

heitsbewusst, erlebnisorientiert und hat eine Vielfalt von individuellen Interessen.Reiseentscheidungen werden spontaner und flexibler getroffen, der Verbraucher wird hy- Y

brid und multioptional.Es wird häufiger, weiter und kürzer gereist. Y

Das Internet wird langfristig die Organisation und den Absatz touristischer Produkte nach- Y

haltig verändern.Reisemittler der Zukunft sind hoch spezialisierte Dienstleistungsunternehmen, ihre Tätig- Y

keit geht über den reinen Verkauf einer Pauschalreise hinaus.Neue Touristenströme aus den Schwellenländern werden die Gästestruktur in vielen Ur- Y

laubsgebieten verändern.

Tourismusnachfrage der Zukunft

Abbildung III-20: Kräfte, die auf die touristische Nachfrage der Zukunft wirken

flexibel

spontan

multioptional

Reise

Kunde

individuell

einzigartigerlebnisreich

Low CostNo Frills

No Servicebillig

High-EndService-PlusHochpreis

Page 268: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

265 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

die Kundenzufriedenheit enorm steigern, ohne viel zu kosten. Sie können auf jeder Stufe der touristischen Dienstleistungskette eingeführt werden. Leider wird davon bisher noch viel zu-wenig Gebrauch gemacht. Viele Anbieter im Tourismus haben immer noch die Meinung, sie müssten jedes noch so kleine Detail, das der Gast erwarten kann, in der Leistungsbeschrei-bung darstellen, um einen werblichen Vorteil gegenüber dem Wettbewerb zu haben. Für den Aufbau oder die Pflege einer Marke ist das zu kurzfristig gedacht.

Trends und Ausblick – 2. Die Zukunft des Tourismus

Die über 60-Jährigen werden die größte touristische Zielgruppe in der westlichen Welt. Y

Der Reisende von Morgen ist reiseerfahren, qualitätsbewusst, umweltbewusst, gesund- Y

heitsbewusst, erlebnisorientiert und hat eine Vielfalt von individuellen Interessen.Reiseentscheidungen werden spontaner und flexibler getroffen, der Verbraucher wird hy- Y

brid und multioptional.Es wird häufiger, weiter und kürzer gereist. Y

Das Internet wird langfristig die Organisation und den Absatz touristischer Produkte nach- Y

haltig verändern.Reisemittler der Zukunft sind hoch spezialisierte Dienstleistungsunternehmen, ihre Tätig- Y

keit geht über den reinen Verkauf einer Pauschalreise hinaus.Neue Touristenströme aus den Schwellenländern werden die Gästestruktur in vielen Ur- Y

laubsgebieten verändern.

Tourismusnachfrage der Zukunft

Abbildung III-20: Kräfte, die auf die touristische Nachfrage der Zukunft wirken

flexibel

spontan

multioptional

Reise

Kunde

individuell

einzigartigerlebnisreich

Low CostNo Frills

No Servicebillig

High-EndService-PlusHochpreis

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266 | Trends und Ausblick – Die Zukunft des Tourismus

Der Nachfrager bestimmt das Angebot, in der Zukunft mehr denn je. Der Gast will nicht mehr als Durchschnittsreisender gelten, sondern etwas Besonderes sein. Seine Ansprüche werden vor allem individueller und verschiedener. Der Massenmarkt wird immer differenzier-ter, die einzelnen Segmente immer kleiner, immer neue Nischen werden sich entwickeln. Weltraumflüge, Skilaufen in der Wüste von Dubai, Bärenjagd in Sibirien, zum Inline-Skaten nach New York – all das ist jetzt schon nahezu selbstverständlich.

No Frills, Billigflüge, Budget-Hotels, All Inclusive super günstig auf der einen Seite und ex-trem serviceorientiert, individuell, ausgefallen und exklusiv auf der anderen Seite – die Nach-frage wird in diesen Bereichen am stärksten wachsen.

Die ausgeprägte Reiseerfahrung führt zu zusätzlichen Bedürfnissen und zu einem gestei-gerten Qualitätsbewusstsein. Ein Reisegast, der bereits mehrere hundert Hotelübernachtun-gen in den verschiedensten Regionen der Welt hinter sich hat, kann die Vor- und Nachteile von Hotels bezüglich Lage, Ausstattung und Service einschätzen, er weiß, dass es verschiede-ne Zimmerkategorien gibt, und kennt die Qualität, die ein Frühstücksbuffet bieten sollte. Der Reisende wird dabei den Standard immer am oberen Ende dessen, was er kennt, definieren.

Es wird sich eine Vielzahl neuer Serviceangebote für Reisende weiterentwickeln, bei-spielsweise Gepäckabhol- und Eincheck-Service oder die private Reisebegleitung als Betreu-ung für ältere Menschen. Sitzplatzreservierungen im Flugzeug waren in der Vergangenheit nur etwas für Vielflieger. Es beginnt sich herumzusprechen, dass Sitzplatzreservierungen ver-einzelt möglich sind. Es wird zum Standard, dass sich Gäste ihren Sitzplatz im Flugzeug be-reits bei der Buchung reservieren möchten. Für alle Gäste im Flugzeug das gleiche Essen – auch hier ist es wahrscheinlich, dass es langfristig zu einem Umbruch kommt, so dass der Fluggast bereits vor Abflug entscheidet, was er essen möchte, und die Fluggesellschaften ihr Catering auf die ganz speziellen Bedürfnisse der Kunden ausrichten.

Die Reiseintensität wird weiter zunehmen und die durchschnittliche Reisedauer abneh-men. Die Zweit-, Dritt- oder Viertreise wird bei einer großen Zielgruppe zum Standard. Wach-sen wird das Segment der Kurzfrist-Reisen, zu denen man sich flexibel entschließt. Moderne Informationstechnologien machen den Spontanurlaub möglich und die Nachfrage danach wird wachsen. Nach dem Motto einfach-mal-kurz-raus und zum Shoppen nach Riga oder an den Strand nach Barcelona. Markentreue spielt bei der Auswahl der Leistungsträger hier kei-ne Rolle.

Die Trends zu spontaneren Reisentscheidungen, die ganz individuell ausgerichtet sind und flexibel getätigt werden, werden die Nachfrage nach Bausteinen und modularen Ange-boten verstärken. Die klassische Pauschalreise kann die neuen Bedürfnisse nicht mehr befrie-digen. Der Kunde von Morgen will nicht mehr das erleben, was andere auch erleben, er will einzigartig sein, etwas Neues erleben und authentische Erfahrungen machen.

Eine 2007 von TUI in Auftrag gegebene Studie beim Trendforschungsinstitut Ears and Eyes hat außerdem drei neue Reiseformentrends herausgearbeitet:

Der Reisende wird mehr Urlaubszeit für Körper, Seele und Sinne verwenden. So wird die Y

Nachfrage nach Reisen, die karitativen Zwecken dienen, wie z. B. die Mitarbeit an Ent-wicklungsprojekten, steigen. Auch Reisen, die den Zweck einer Weiterbildungsmaßnah-me haben oder der allgemeinen Sinnfindung dienen, werden zunehmen. Neben einem Wachstum an Wellness-Angeboten werden Urlaubsaufenthalte auch mit Klinik-Aufent-halten verbunden.

Page 270: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

267 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

Der Reisende von Morgen definiert den Luxus neu. Kreative Überraschungen sind wich- Y

tiger, als permanent alles vom Feinsten serviert zu bekommen. Ein organisiertes Mitter-nachtspicknick bei Vollmond kommt besser an als die Animation am Swimmingpool. Mehr Reisen für spezielle Zielgruppen, die unter sich reisen wollen, werden nachgefragt, Y

dies können z. B. Reisen für Singles, Alleinerziehende, Vogelzüchter oder Wanderbegeis-terte sein.Inwieweit ein zunehmendes Umweltbewusstsein Einfluss auf die touristische Nachfrage

haben wird, ist umstritten. Trotz der Debatten um CO2-Ausstoß, Klimawandel und besonde-re Klimaschädigung durch Flugreisen ist im Tourismus der Trend zu Billigfliegern und gleich-zeitig zu immer häufigeren Flugreisen genauso wie zu Fernreisen ungebrochen. Ähnlich ver-hält es sich bei der Nachfrage nach Automobilen der SUV-Kategorie (Sport Utility Vehicles wie Porsche Cayenne, Audi Q7, BMW X5), deren Fahrzeuge zwar mehr Treibstoff verbrau-chen, sich aktuell aber nichtsdestotrotz großer Beliebtheit erfreuen. Es ist daher wahrschein-lich, dass sich ein zunehmendes Umweltbewusstsein auf absehbare Zeit nicht nachhaltig auf die Nachfrage nach touristischen Leistungen auswirkt.

Tourismus für die neuen Alten

Mit Sicherheit ist zu erwarten, dass die Bevölkerung in der westlichen Welt weiter altern wird. Das Statistische Bundesamt geht in einer Schätzung davon aus, dass der Anteil der über 60-Jährigen in Deutschland von zurzeit 26 Prozent bis 2025 auf 34 Prozent ansteigt, bis zum Jahre 2050 gar auf 38 Prozent. Bei angenommenem gleichem Reiseverhalten bedeutet dies, dass die Gruppe der über 60-Jährigen ohnehin den größten Anteil aller Reisenden aus-machen wird. Zieht man noch hinzu, dass die „neuen Alten“ immer „jüngere Alte“ werden, bedingt durch medizinischen Fortschritt, höhere Lebenserwartung, gesündere Lebensweise, mehr Fitness bis ins hohe Alter usw., ist davon auszugehen, dass die Reiseintensität innerhalb der Gruppe der über 60-Jährigen weiter zunehmen wird. Das Konsumverhalten der „neuen Alten“ ist ein anderes als das der Elterngeneration, die 60-Jährigen sind die neuen 40-Jähri-gen: Man ist zwar länger alt als jung, aber auf der anderen Seite „dauerjugendlich“. Noch vor 20 Jahren überlegten sich Autofahrer mit Erreichen des siebzigsten Geburtstages, den Wa-gen stehen zu lassen bzw. an die Kinder zu verschenken und besser nicht mehr selbst zu fah-ren. Heute kaufen sich 70-Jährige noch einen Neuwagen, ggf. mit 75 und evtl. mit 80 wieder einen. Analog ist es auch beim Reiseverhalten. Nicht wenige 75-jährige unternehmen noch regelmäßig Fernreisen. Viele der neuen Alten sind ohnehin sehr reiseerfahren, die zukünfti-gen Alten – die auch schon in jüngeren Lebensjahren mehr von der Welt gesehen haben als die Elterngeneration im gleichen Lebensalter – werden es noch mehr sein. Die umfangreiche Reiseerfahrung bedeutet einen steigenden Anspruch an die Qualität von touristischen Dienst-leistungen und die touristische Infrastruktur. Als Herausforderung für die Tourismusindustrie kommt hinzu, dass die neuen Alten wesentlich flexibler und weniger markentreu sind. Dieses Mehr an Flexibilität wird den Wettbewerb zwischen touristischen Angeboten stärker heraus-stellen als bisher. Zudem werden die Konsumenten generell immer heterogener. Die touristi-sche Nachfrage wird dadurch immer individueller; es werden sich immer mehr spezielle Ni-schen im Touristikangebot bilden.

Page 271: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

268 | Trends und Ausblick – Die Zukunft des Tourismus

Die Zukunft der Kreuzfahrt

Der Kreuzfahrtsektor wird in den nächsten Jahren eine zunehmend wichtigere Bedeutung einnehmen. Die dramatische Aufstockung von Betten-Kapazitäten wird durch weitere Mar-keting- und Vertriebsmaßnahmen immer mehr Urlauber auf Schiffe lenken. Dabei haben die Reedereien erkannt, dass fast jeder Reisende ein potenzieller Kreuzfahrtkunde ist. Da viele Reisebüros im Rahmen der notwendigen Segmentierung nach neuen Spezialisierungen su-chen, treffen viele Vertriebsmitarbeiter der Kreuzfahrtreedereien in den Reisebüros auf offe-ne Ohren. In speziellen Verkaufsseminaren wird den Reisebüro-Expedienten eingehämmert, dass es für jeden Kunden das richtige Schiff gibt und dass die meisten Seereisekunden bei richtiger Beratung zu treuen Stammkunden werden und dadurch auch zur dauerhaften Erlös-quelle für das Reisebüro. Da Kreuzfahrten in der Regel auch eher höherpreisig sind und die Provision mit einem Prozentsatz berechnet wird, bleibt für den Mittler auch mehr Profit als bei anderen Reisen. So kommt der eine oder andere Kunde bei der Beratung im Reisebüro zu einer Kreuzfahrt, obwohl er eigentlich einen klassischen Urlaub mit Hotel, Strand und ei-ner kleinen Rundreise dazu buchen wollte. Außerdem nehmen die PR-Aktivitäten der Reede-reien stark zu; dieser Trend ist schon seit einiger Zeit zu beobachten. Langfristig werden die zusätzlichen Schiffskapazitäten und Marketinganstrengungen dazu führen, dass immer mehr Menschen Urlaub auf dem Schiff machen werden. Das Wachstum wird sich auf alle Kreuz-fahrtsegmente erstrecken, das heißt, sowohl im Budget-Bereich als auch im Premiumseg-ment werden die Gästezahlen steigen.

Offen ist, inwieweit die zurzeit im Bau bzw. in der Planung befindlichen Megaliner auf Dauer den Geschmack der Reisenden treffen. In den USA scheinen auch Schiffe mit 4.000 oder mehr Betten beim Reisenden anzukommen. Nachteilig bei so hohen Passagierzahlen ist, dass es durchaus auch mal eine Stunde dauern kann, bis alle Gäste vom Schiff an Land gebracht sind. Inwieweit der Gast auf den zukünftigen Megalinern bereit ist, mit den unter-schiedlichsten Nationalitäten zusammen auf einem Schiff den Urlaub zu verbringen, muss sich noch zeigen. Europäische Gäste beispielsweise fühlen sich mit einer Mehrzahl amerika-nischer Gäste an Bord nicht so wohl.

Auch das Segment Flusskreuzfahrten wird wachsen. Eine Flusskreuzfahrt ist gerade für die ältere Generation die ideale Möglichkeit, eine Rundreise zu unternehmen. Im Vergleich zu einer klassischen Rundreise ist es nicht nötig, jeden Tag das Hotel zu wechseln; es müssen keine Koffer gepackt werden und ermüdende und anstrengende Busfahrten oder Inlandsflü-ge entfallen ebenso.

Die Zukunft des Reisevertriebs

Klar ist, dass sich ein Großteil des Reisevertriebs in das Internet oder andere Vertriebs-formen vom klassischen stationären Vertrieb wegverlagern wird. Jede Stufe der Wertschöp-fungskette hat dabei die Chance, selbst die Kunden anzusprechen und an sich zu binden. Ne-ben den Leistungserbringern, die ihren Direktvertrieb forcieren werden, den CRS-Anbietern,

Page 272: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

269 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

die mit eigenen Online-Aktivitäten eigene Umsätze generieren werden und weiteren, neuen Anbietern im Online-Vertrieb werden auch neue Formen des stationären Vertriebs Umsätze hinzugewinnen. Nach dem erfolgreichen Start der Reisevermittlung bei Aldi, Lidl und Tchibo ist zu erwarten, dass weitere branchenfremde Vertriebsstellen hinzukommen.

Abbildung III-21: Tourismus-Absatzwege im Internetzeitalter

Reisender

Reiseveranstalter

BeherbergungDienstleistungsbetriebe vor OrtReiseleitung/Beförderung etc.

Beförderungsleistung

Incoming- agentur

Online-Reiseportal

Absatzmittler

CRS-Anbieter

Für Reiseveranstalter ist das Internet sicherlich eine große Chance, zukünftig Kunden di-rekt zu bedienen, den indirekten Vertrieb zu umgehen und so Provisionen einzusparen. Zur-zeit ist allerdings eine Multichannel-Strategie im Vertrieb am wichtigsten. Da sich der Kunde im Internet genauso informiert wie im Reisebüro, auf Reisemessen ebenso wie bei Bekann-ten, muss ein Reiseveranstalter überall vertreten sein und vor allem die einzelnen Aktivitäten aufeinander abstimmen. Das heißt auch, die Informationen, die in einem Reisekatalog abge-druckt werden, müssen mit den Inhalten im Online-Auftritt harmonieren und der indirekte Vertrieb muss bei Kampagnen mit eingebunden werden.

Mit Direktmarken im Internet und den sich ergebenden neuen Vertriebsformen wie Dis-countern etc. haben die Reiseveranstalter zusätzliche Chancen, ihren Yield zu verbessern, da sich neue Abverkaufsmöglichkeiten für Über- und Restkapazitäten bieten. In der Zukunft wer-den über diese Vertriebskanäle insbesondere einfache Produkte hohe Umsätze erzielen, die keine intensive Beratung erfordern.

Auch Leistungsträger touristischer Einzelleistungen wie Beherbergung, Transport etc. be-nötigen einen Multichannel-Ansatz im Vertrieb. Allerdings ist davon auszugehen, dass durch die Möglichkeiten des Internets der Anteil am Direktvertrieb in der Zukunft deutlich gestei-gert wird.

Die Zukunft des Reisebüros

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Zukunft der klassischen etablier-ten stationären Reisebüros. Das ganz große Reisebürosterben wurde zwar schon oft voraus-

Page 273: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

270 | Trends und Ausblick – Die Zukunft des Tourismus

gesagt, hat jedoch bisher nur sehr eingeschränkt stattgefunden. Auf absehbare Zeit werden Reisebüros wichtige Vertriebsschiene für viele Reiseveranstalter bleiben. Ob der stationäre Vertrieb dauerhaft überleben kann, hängt davon ab, inwieweit er bereit ist, sich den neuen Anforderungen anzupassen.

Die Einnahmestruktur von Reisebüros wird sich verändern. Reisebüros werden sich noch mehr als Dienstleister verstehen müssen und weniger als von Provisionen lebende Vermitt-ler. Das Beispiel der Fluggesellschaften mit Einführung der Null-Provison hat gezeigt, dass es auch ohne Provision funktionieren kann. Ob es dazu kommen wird und wann, dass die großen Reiseveranstalter auf Nullprovision umstellen, kann nicht vorhergesagt werden. Die Verhandlungsmacht einer Fluggesellschaft mit Monopolstellung auf vielen Flugstrecken ist natürlich auch eine andere als die eines Reiseveranstalters, der komplett austauschbare Pro-dukte anbietet. In England und in der Schweiz gibt es aber bereits jetzt Anzeichen von Pau-schalreisenvermittlung mit Entgelt-Vergütung. Eine Reisebüro-Umfrage von Roland Berger hat ergeben, dass 77 Prozent der Reisebüros es für wahrscheinlich halten, dass sie in der Zu-kunft vom Kunden ein Serviceentgelt verlangen. Gleichzeitig glauben 59 Prozent, dass die Kunden das Serviceentgelt zunächst nicht akzeptieren werden. Langfristig werden Kunden wahrscheinlich bereit sein, Serviceentgelte zu entrichten, genau wie für andere Dienstleistun-gen wie Steuerberatung oder Technikberatung auch.

Abbildung III-22: Herausforderungen des stationären Vertriebs in der Zukunft

R e is e b ü r o

Kundenwünschewerden immerausgefallener

Internet: - Online-Portale - Dynamic Packaging - Bewertungsportale

Neue Vertriebsarten: - Discounter - Home-Agents

Leistungsträger forcierenDirektvertrieb

Das Reisbüro muss ein neues Dienstleistungsverständnis entwickeln. Die neuen gestie-genen Ansprüche der Verbraucher, die nach immer spezielleren Produkten fragen werden, stellen den stationären Reisevertrieb vor besondere Herausforderungen. Die FVW beschäftigt regelmäßig so genannte Mystery-Shopper: In einer bestimmten Region geht ein Testkäufer mit einem bestimmten Reise-Anliegen in vier Reisebüros. So war die Testfrage im Sommer 2007 bei Reisebürobesuchen in Hagen folgende: „Im Herbst möchte ich gern eine Rundrei-se durch Patagonien machen und dort in den verschiedenen Nationalparks wandern. Ich rei-se allein und habe drei Wochen Zeit.“ Die Mitarbeiter in drei der besuchten vier Reisebüros wussten gar nicht, wo Patagonien liegt und waren mit der Beratung völlig überfordert.30 Will der stationäre Reisevertrieb in Zukunft überleben, muss er auch derartige Anliegen beraten können. Der Knackpunkt dabei ist qualifiziertes Personal und professionelles Management

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von Beratungsleistungen. Auch die Überschreitung einer kritischen Größe ist entscheidend, als Fach-Reisebüro benötigt man ein breiteres Kompetenzfeld. Das Reisebüro der Zukunft wird einen höheren Ertrag pro buchendem Kunden erzielen als das klassische Reisebüro heu-te, dafür muss es aber auch mehr leisten. Auch eine Einbeziehung des Internets in eine Rei-seberatung darf für das Reisebüro kein Tabu sein; der Kunde wird den Reiseberater respek-tieren, der auf Anhieb alle wichtigen Websites zur Reiseplanung kennt. Das Reisebüro der Zukunft muss sich über Service und Kompetenz definieren und sich nach Möglichkeit spezi-alisieren; den Kampf um das günstigste Angebot für den Kunden wird es in Zeiten von Inter-net, Dynamic Packaging und Discountern im Reisevertrieb verlieren.

Wer Zugang zum Kunden hat, kann auch Geld verdienen. Eine Chance für Reisebüros neben neuen Serviceangeboten und Spezialisierung ist es, durch Eigenveranstaltung zusätz-liche Ertragspotenziale zu heben. 2007 haben sich beispielsweise fünf Reisebüros zusam-mengetan und ein komplettes AIDA-Schiff mit 1.300 Betten für eine Tour gechartert. Mit Un-terstützung einiger Kollegen gelang es ihnen, das Schiff auszulasten. Das Risiko war groß, aber das Ertragspotenzial bei einem Vollcharter ist eben auch ein anderes als bei reiner Ver-mittlungsleistung. Es muss ja nicht gleich ein AIDA-Charter sein – eine individuelle Gruppen-reise mit spezieller Reisebegleitung funktioniert auch. Vorteil ist, dass das Reisebüro etwas Exklusives anbieten kann, was der Kunde nur hier bekommt.

Auch Reisebüros können Umsätze durch das Internet generieren. Hierbei hat ein stati-onäres Reisebüro in der Zukunft die Wahl zwischen zwei verschiedenen Strategien. Entwe-der verfolgt es ein Multichannel-Konzept, indem es nach wie vor die persönliche Kompetenz der Mitarbeiter in den Vordergrund stellt und das Internet zur Ergänzung der Leistungspalet-te nutzt. So kann durch geschicktes Cross-Media-Marketing eine Marke aufgebaut werden, die sich langfristig von der stationären auch in die elektronische Ebene mitnehmen lässt. Das Reisebüro muss versuchen, die persönliche Bindung an die Kunden in den Online-Verkauf zu übertragen. So kann dem Kunden suggeriert werden, dass seine persönliche Online-Bu-chung durch sein persönliches Reisebüro überwacht wird, auch ohne das persönliche physi-sche Erscheinen im Büro. Mit derartigen Konzepten wird das Reisebüro zwar eine lokale Mar-ke bleiben, kann aber langfristig am Markt bestehen.

Die andere Möglichkeit ist es, eine reine Online-Marke zu gründen und eine Online-Ver-triebsplattform aufzubauen. Dabei wird es ein Reisbüro schwer haben, gegen die millionen-schweren Werbebudgets von Opodo oder Expedia anzukommen, um eine Marke für das Massengeschäft aufzubauen. Aber es wird immer mehr Nischen geben, in denen man auch mit bescheidenen Mitteln bzw. mit Expertenwissen und Engagement eine Marke aufbauen und Erfolg haben kann. Nachfolgend sollen hierzu zwei Beispiele genannt werden.

Spezialisten im Internet

Spezialisten im Tourismus werden gerade im Internet noch eine große Zukunft haben. Meist handelt es sich um kleine Nischen, die von keinem großen Veranstalter besetzt wer-den können, einfach, weil es zu teuer wäre, das Know-how zu sammeln oder einzukaufen. Nicht selten entstehen profitable Unternehmen dadurch, dass sich ein Reisebürounterneh-mer auf Grund von persönlichen Interessen auf eine ganz spezielle Nische ausrichtet – on-line wie offline.

Page 275: Marken auf Reisen: Erfolgsstrategien fur Marken im Tourismus

272 | Trends und Ausblick – Die Zukunft des Tourismus

So verhält es sich bei dem Beispiel Bahnurlaub.de. Es handelt sich hierbei um eine Inter-netplattform eines Reisebüros, das sich auf Bahnreisen spezialisiert hat. Die Idee war ganz einfach: Alle touristischen Pauschalreisen, die Strecken mit der Eisenbahn beinhalten, (abge-sehen vom Linienverkehr) hat der Inhaber auf einer Internetseite zusammengetragen. Voll-ständigkeit war sein Hauptziel; die Ästhetik der Seite war ihm erst einmal nicht wichtig. So wurden übersichtlich alle touristischen Reisen eingepflegt, die von den verschiedensten An-bietern auf dem deutschen Markt vertrieben oder organisiert werden. Dies beinhaltet zum Beispiel die Produkte Glacier-Express in der Schweiz, Reisen mit dem Orient-Express in Süd-ostasien, Bahnreisen in Zentralasien oder mit der Bergenbahn in Skandinavien. Professionelle Beratung am Telefon gab es dazu; das qualifizierte Personal aus dem Reisebüro kannte sich aus. In wenigen Jahren konnte das Unternehmen stark wachsen, Umsätze und Erträge ent-wickelten sich hervorragend. Die meisten der Angestellten sind ausschließlich mit Buchun-gen des Online-Portals beschäftigt, das reine Reisemittlergeschäft im stationären Büro spielt für das Unternehmen kaum noch eine Rolle. Neben dem nötigen Know-how für das Produkt war sicherlich auch Verständnis für Online-Marketing sowie eine gute Programmierung der Seite, die für hervorragende Suchmaschinenplatzierungen sorgte, für den Erfolg verantwort-lich. Bahnurlaub.de ist eines der besten Beispiele dafür, wie sich gerade die Nachfrage nach spezielleren Angeboten am ehesten im Internet bei einzelnen Spezialisten bündeln wird.

Ein weiteres Beispiel ist das Online-Portal vornesitzen.de. Der Inhaber dieses Unterneh-mens hat sich schon immer für die vorderen Sitze im Flugzeug, also die Business Class und First Class, interessiert. Er sammelte alle Informationen der besseren Klassen der verschiede-nen Airlines und stellte diese auf seiner Internetseite zur Verfügung. Die Beschreibung um-fasst technische Daten wie Sitzabstand, Sitzbreite und Neigungswinkel genauso wie Fotos und Informationen über den Service am Boden und in der Luft. Gleichzeitig eignete er sich umfassendes Tarif-Know-how an, so dass sein Unternehmen die Flüge der Edelklassen güns-tiger anbieten kann als ein Reisebüro. Viele Airlines bieten Spezialtarife an, die allerdings an verschiedene Bedingungen geknüpft sind. Der Flugabsatz seines Unternehmens ist stark steigend.

Spezialistentum wie in diesen beiden Beispielen wird langfristig Erfolg haben. Es werden sich immer neue Nischen bilden, die den veränderten spezielleren Kundenwünschen gerecht werden.

Bewertungsportale im Internet – Web 2.0 im Tourismus

Eine zunehmende Rolle für die Tourismusbranche werden auch allgemein zugängliche Bewertungsportale im Internet spielen, beispielsweise für Hotels. Sie geben bessere Auskünf-te über die Qualität eines Hotels als der Mitarbeiter im Reisebüro. Letzterer weiß vielleicht von einer Hand voll Kunden etwas über die genaue Lage und den Servicestandard eines be-stimmten Hotels. Ein Online-Bewertungsportal kann die Meinung Hunderter oder Tausender Gäste auswerten und publizieren. Für Hotels, die bei der Bewertung gut wegkommen, ist die-ser Trend sicherlich ein Segen, genauso wie er Horror für diejenigen Häuser ist, die schlecht bewertet werden. Noch mag es nicht zur Regel gehören, dass ein Reisender das Hotel nach Bewertungsportalen im Internet auswählt. Die Wahrscheinlichkeit aber, dass es zum regel-

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273 Leitfaden für Markenstrategien im Tourismus |

mäßigen Ritual bei den Urlaubern wird, vor der Reise die Bewertung eines Hotels zu prüfen und nach der Reise dieses selbst zu bewerten, ist sehr groß. Für den Verbraucher kann dies nur von Vorteil sein. Das Nachsehen hat das Reisebüro oder der Berater bei der Geschäftsrei-seservicestelle. Er muss mindestens genauso gut Bescheid wissen wie das Bewertungsportal im Internet, damit der Kunde ihm langfristig bei der Reiseentscheidung vertraut.

Holidaycheck ist derzeit Marktführer in Deutschland für die Hotelbewertung im Netz. Das Portal Hotelbewertung.de wird wiederum von Holidaycheck.de gespeist. Zoover.de ist ein Ableger einer erfolgreichen niederländischen Seite. Weitere aussichtsreiche Seiten für lang-fristigen Erfolg sind Trivago.de und Votello.de. Auch HRS und Expedia bieten mittlerweile Be-wertungs-Tools auf ihren Seiten an.

International ist Tripadvisor ein sehr beliebtes Bewertungsportal. Hier werden nicht nur Hotels, sondern auch andere touristische Leistungen bewertet und kommentiert.

Tabelle III-3: Kennziffern Hotelbewertungsportale, Stand: April 2007

Bewertungsportal Bewertungen Hotels Länder

Holidaycheck.de 448.687 34.900 165

Hotelbewertung.de 105.000 8.200 94

Hotelkritiken.de 7.250 4.000 104

Trivago.de 90.000 18.000 k. A.

Votello.de k. A. 50.000 90

Zoover.de 312.542 51.542 135

Quelle: FVW Heft 10 2007, FVW Umfrage

Welche Portale mit Bewertungen touristischer Leistungen durch Internetuser langfristig die erfolgreichsten sein werden, ist nicht vorhersagbar. Mit Sicherheit werden solche Porta-le aber eine entscheidende Rolle für die Nachfrage nach konkreten touristischen Anbietern spielen.

Zielgebietsagenturen im Internet

Incoming-Agenturen sind noch zögerlich, was den endkundenorientierten Internetauf-tritt in den Quellmärkten betrifft. Sicherlich bekämen sie von den Veranstaltern, die bei ihnen buchen, harschen Gegenwind, würden sie sich im Internet direkt an die Kunden ihrer Groß-kunden wenden. Langfristig wird sich aber sicher auch hier ein Umbruch vollziehen. Das Beispiel einer Zielgebietsagentur aus Costa Rica, die auf den deutschsprachigen Markt spe-zialisiert ist, ist hierfür interessant: Zurzeit ist das deutschsprachige Personal der Agentur da-mit beschäftigt, auf der einen Seite die Gäste vor Ort zu betreuen, auf der anderen Seite den Kontakt zu den deutschen Veranstaltern zu halten, die der Agentur die Gruppen oder Indivi-dual-Buchungen bringen. Die Agentur sieht ihre Kompetenzen in der Organisation und Be-treuung innerhalb der Destination und nicht im Marketing im Quellmarkt Deutschland. Nun ist es aber so, dass ca. 30 Prozent des Reisepreises, den der Kunde bei seinem Reisemittler

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oder Reiseveranstalter in Deutschland zahlt, bei den verschiedenen Stufen der Wertschöp-fungskette in Deutschland verbleibt. Dies entspricht häufig weit mehr als der Gewinnmarge der Incoming-Agentur. Zielgebietsagenturen haben Einkaufsvorteile, sie können beispiels-weise Hotels günstiger einkaufen, als ein Kunde es direkt kann. Den Einkaufsvorteil können sie teilweise an den Endkunden weitergeben (und dann nicht mehr dem sonst zwischen-geschalteten Veranstalter). Beide Seiten profitieren von einem solchen Geschäft. Sicherlich sind Kunden zurzeit noch zögerlich, die Flüge bei der Fluggesellschaft selbst und dann ganze Rundreisearrangements direkt in Costa Rica zu buchen, ohne dass sie einen Ansprechpartner in Deutschland haben. Aber die Möglichkeit besteht, dass es langfristig zu einem Umdenken kommt, und dass der Kunde das Geld, das für die Betreuung in Deutschland nötig ist, lieber vor Ort investiert, z. B. in ein besseres Hotel.

Mobiler Reisevertrieb

Nicht nur das Internet, auch der mobile Reisevertrieb gewinnt an Bedeutung. Die Idee dabei ist, dass Reiseberater ähnlich wie Versicherungsvertreter den Kunden zu Hause, im Büro oder an einem neutralen Ort besuchen, ihn dort beraten und dann auch Reisen verkau-fen. Oder alternativ sogar bei Kaffee und Kuchen im privaten Ambiente beim Reiseberater zu Hause. Mit verschiedenen Konzepten wird der mobile Reisevertrieb derzeit getestet und or-ganisiert. Internetbasierte Technologien zum Einbuchen der Reisen werden von den Reise-vertriebsorganisationen angeboten, so benötigt der Reiseberater nur noch ein Telefon und einen Computer mit Internetanschluss. Da auch die großen Computer-Reservierungs-Syste-me heute internetbasiert arbeiten, gibt es keine technischen Probleme und die gleiche An-bindung der Buchungsprogramme wie im Reisebüro. So haben arbeitslose Reisebüroexpedi-enten aus der Not eine Tugend gemacht, eine Ich-AG gegründet und begonnen, Reisen von Hause aus zu vermarkten. Auch ehemalige Reisebürobesitzer, die keine Lust mehr auf die hohen Fixkosten bei Ladenmieten und Ärger mit Angestellten hatten, wählten diesen Weg und betreuen nun die lukrativsten Kunden von zu Hause aus weiter. Auch nach dem Prinzip von Tupperware-Partys werden in Form von privaten Powerpoint-Präsentationen Urlaubszie-le vorgestellt und Reisen verkauft. Der Vorteil für den Einzelunternehmer ist, dass die Provi-sionen attraktiv sein können bei gleichzeitig fast null Fixkosten. Er kann sich die Zeit selbst einteilen und braucht auch kaum Geld für Marketing. Vorausgesetzt, er bietet eine gute Leis-tung, wird er auch schnell im Bekanntenkreis weiterempfohlen. Der mobile Reisevertrieb ist so erfolgreich, dass innerhalb kürzester Zeit die meisten Reisebüroketten- und Kooperatio-nen Modelle entwickelt haben, solche so genannten Home Agents in ihre Organisation ein-zubinden. Meist kümmert sich die Zentrale um die infrastrukturelle Ausstattung wie Technik für den Home Agent und gibt Unterstützung bei Buchhaltung und anderen organisatori-schen Notwendigkeiten, dafür behält die Zentrale einen geringen Prozentsatz der Provision ein. Auch einzelne Reisebüros bemühen sich schon um freie Mitarbeiter, die als Reiseberater tätig werden. Ideal ist eine solche Beschäftigung auch für junge Mütter, die vor ihrer Schwan-gerschaft als Reiseverkehrskauffrau beschäftigt waren. Insbesondere die neuen technischen Möglichkeiten mit internetbasierten Reservierungssystemen sind dafür verantwortlich, dass das klassische Reisebüro ein kleines Stückchen mehr seine Daseinsgrundlage verliert. Die

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Zeiten, in denen fünfstellige Summen in hoch komplizierte Technologien investiert und kom-plexe EDV-Programme begriffen werden mussten, um etwa einen Flug oder ein Bahnticket zu buchen, sind vorbei.

Die mobile Form des Reisevertriebs wird mit Sicherheit eine große Zukunft haben. Zum einen bietet sie viele Vorteile für den selbständigen Reiseverkäufer, zum anderen entspricht der Heimverkauf den Konsumentenwünschen von Morgen. Die Kunden wollen einen aus-gezeichneten Service, der persönlich auf sie zugeschnitten ist – und das auch außerhalb der starren Öffnungszeiten eines Reisebüros. Mobile Reiseverkäufer können dieses Bedürfnis be-friedigen.

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Anmerkungen

Unter einer DB-Lizenz versteht man die Lizenz, für die Deutsche Bahn Fahrkarten ausstellen und verkaufen zu dürfen. Etwa 3.100 Reisebüros haben eine 1. solche Lizenz. Die IATA-Lizenz ist nötig, wenn man Flugscheine einbuchen, ausstellen und verkaufen möchte. Etwa 4.100 Reisebüros in Deutschland sind dazu in der Lage.Vgl. Hotelverband Deutschland (IHA), Hotelkonjunkturbarometer Sommer 20072. Vgl. Hotelbenchmark Survey Deloitte3. FVW Hotel Spezial, Nr 12/074. Vgl. DRV Kreuzfahrtstudie 20065. Mellerowicz; 1963; S. 76. Adjouri; Financial Times Deutschland; 02.04.077. Vgl. F.A.Z.; 15.09.07; Nr. 215; C68. Vgl. Adjouri 19939. Vgl. Adjouri; 1993; S. 23910. Vgl. Domizlaff; 1982; S. 14111. Vgl. Adjouri; 200412. Adjouri; 200213. Vgl. Adjouri; 1993; S. 12214. Brand Ambassador® wurde von Adjouri als EU-Marke geschützt.15. Vgl. Adjouri; 2002; S. 14016. Herbert Schwenk; Berliner Stadtentwicklung von A-Z; Edition Luisenstadt, 199717. Vgl. Marketing SA in Germany, Second edition 200718. Urlaub Perfekt; 03/0719. ComputerBild; 06/200720. Vgl. Annual Report 200621. Vgl. Annual Report 200622. Vgl. Annual Report 2006; S. 15-1623. Stand September 200724. Focus Online; 03.04.0725. Quelle: DRV-Kreuzfahrtenstudie 200626. Vgl. Tagesspiegel; 7.10.2007; S. 3427. Vgl. Tagesspiegel; 01.09.2007; S. 1828. Quelle: www.Slogan.de29. Vgl. FVW vom 27.09.0730.

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Literatur

ADJOURI, NICHOLAS: Die Marke als Botschaft, Münsterschwarzach 1993ADJOURI, NICHOLAS: Die Marke als Botschafter, Wiesbaden 2002ADJOURI, NICHOLAS: Alles, was Sie über Marken wissen müssen, Wiesbaden 2004ADJOURI, NICHOLAS: Financial Times Deutschland, Hamburg, 02.04.07BIEGER, THOMAS: Tourismuslehre – Ein Grundriss, Bern 2004DOMIZLAFF, HANS: Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens: ein Lehrbuch der Markentech-

nik, Hamburg 1982F.A.Z.-INSTITUT: Branchen & Visionen 2010 Tourismus, Frankfurt 2003F.A.Z.: Ein Motor, der klingt wie Miles Davis, Frankfurt, 15.09.07

FLICK, KERSTIN: Die Zukunft des Reisekatalogs, Diplomarbeit an der Fachhochschule Worms, 2006

FREYER, WALTER: Tourismus-Marketing, 5. Auflage, München 2007KIRIG, ANJA/WENZEL, EIKE: Tourismus 2020, Kelkheim 2006LACHMANN, JÖRDIS/WIECZOREK, MARYLKA: Cross Marketing im Tourismus, Hamburg 2005LILIENTHAL, ANDREAS: Der Reisemarkt für Senioren, Bremen 2007MARKETING JOURNAL: Tourismus – wohin geht die Reise? München 2006MARKETING SA in Germany, Second edition, 2007MELLEROWICZ, KONRAD: Markenartikel: die ökonomischen Gesetze ihrer Preisbildung und Preis-

bindung, München 1963MUNDT, JÖRN W.: Reiseveransaltung, 5. Auflage, München 2000NESS, OLIVIA: Tourismusmarketing für Senioren, Saarbrücken 2007OPASCHOWSKI, HORST W.: Das gekaufte Paradies, Hamburg 2001POMPL, WILHELM/LIEB, MANFRED G.: Internationales Tourismusmanagement, München 2002ROSSMANN, DOMINIK/SEITZ, ERWIN: Fallstudien zum Tourismus-Marketing, 2. Auflage, München

2007 ROTH, PETER/SCHRAND, AXEL: Touristikmarketing, 4. Auflage, München 2003SCHWENK, HERBERT: Berliner Stadtentwicklung von A-Z, Edition Luisenstadt 1997TAGESSPIEGEL: Die Wiedertäufer, Berlin, 7.10.2007, S. 34TAGESSPIEGEL: Kreative Spannung, Berlin, 01.09.2007, S. 18THAMM, MICHAEL/SCHRÖDER, RALF: AIDA – Die Erfolgsstory, Bielefeld 2007WIESNER, KNUT A.: Strategisches Tourismusmarketing, Berlin 2006

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Die Autoren

Dr. Nicholas Adjouri, Jahrgang 1965, hat eine finnische Mutter und einen syri-schen Vater. Nach einem Studium der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste Berlin und einem Zusatzstudium Innovationsmanagement an der TU Berlin promovierte er 1993 an der FU Berlin zum Thema „Die Marke als Botschaft“. Seit 1988 arbeitet Nicho-las Adjouri in der Marken-Praxis. 1995 gründete er seine eigene Markenberatung in Berlin, die seitdem für internationale Marken arbeitet. 2000 initiierte er ein Marken-Forschungspro-jekt mit dem Institut für Psychologie der Universität Göttingen, wo er ein Doktorandenstipen-dium stiftete. 2007 rief er ein Marken-Forschungsprojekt mit der Tongji-Universität in Shang-hai ins Leben. Nicholas Adjouri hält zahlreiche Vorträge und Seminare zu Markenthemen.

Im Gabler Verlag sind bereits folgende Bücher von Nicholas Adjouri erschienen:Die Marke als Botschafter (2002), Y

Alles, was Sie über Marken wissen müssen (2004), Y

Sport-Branding (2006, gemeinsam mit Petr Stastny). Y

Kontakt:Adjouri: Brand Consultants GmbH I Helmholtzstr. 2-9 I 10587 Berlin Tel.: 030-28 39 88-0 I Fax: 030-28 39 88-20 E-Mail: [email protected] I Internet: www.adjouri.com

Tobias Büttner, geboren 1975, aufgewachsen in Wiesbaden. Nach dem Abitur unterschiedliche Beschäftigungen in der Werbebran-che, unter anderem im Rahmen eines halbjährigen Aufent-halts in Kapstadt. Anschließend Studium der Betriebswirt-schaftslehre in Berlin mit Abschluss im Jahr 2002. Während dieser Zeit erste Tätigkeiten in der Tourismusbranche. Nach dem Studium arbeitete er zunächst als Marketingleiter bei Lernidee Erlebnisreisen GmbH, ei-nem mittelständischen Reiseveranstalter, der u. a. Weltmarktführer für Reisen auf der Trans-sibirischen Eisenbahn. Seit 2004 ist Tobias Büttner dort in der Geschäftsführung tätig.

Kontakt:Lernidee Erlebnisreisen GmbH I Eisenacher Str. 11 I 10777 Berlin Tel.: 030-786 0000 I Fax: 030-786 55-96 E-Mail: [email protected] I Internet: www.lernidee.de

M k b t i B li

rnidee Erlebnisreisen GmbH ei