malte geib kooperatives customer relationship ivianagement · meinen studentischen mitarbeitem...
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Malte Geib
Kooperatives Customer Relationship IVIanagement
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Malte Geib
Kooperatives Customer Relationship Management
Fallstudien und Informationssystemarchitektur in Finanzdienstleistungsnetzwerken
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Walter Brenner
Deutscher Universitats-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber <http://dnb.ddb.de> abrufbar.
Dissertation Universitat St. Gallon, 2005
I.Auflage April 2006
Alle Rechte vorbehalten
© Deutscher Universitats-Verlag/GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006
Lektorat: Brigitte Siegel / Sabine Scholler
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Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedrucktauf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany
ISBN 3-8350-0278-3
Geleitwort v̂
Geleitwort
Die Transformation der Finanzdienstleistungsbranche schreitet voran. Outsourcing, Offshoring und die Bildung mehrstufiger Wertschopfungsnetzwerke tragen zur Industrialisierung der Bankenbranche bei. Die modeme Bank konzentriert sich mehr und mehr auf ihre Kemkompetenzen, insbesondere auf die Kundenberatung. Gleichzeitig steigen die Anforderungen der Kunden, da viele Kunden von ihrer Bank eine umfassende Finanzberatung erwarten, die alle Anlage-, Finanzierungs-, Vorsorge-und Risikomanagementprodukte abdeckt. Dazu gehoren beispielsweise klassische Bankprodukte wie Girokonten, Kredite und Wertpapierdepots, aber auch Produkte fur die Altersvorsorge, die Immobilienfmanzierung sowie Sach- und Lebensversiche-rungen.
Banken mussen ihre Kunden nicht nur umfassend beraten konnen, sie miissen ihnen ebenso alle diese Produkte gebiindelt bereitstellen konnen. Dafiir arbeiten sie mit Pro-duktpartnem zusammen, deren Kemkompetenz die Innovation von Finanzprodukten sowie das effiziente Management und die Abwicklung von Vertragen mit Kunden ist. Als Resultat bilden sich Netzwerke aus Finanzdienstleistungsuntemehmen, die darauf ausgelegt sind, umfassende Finanzdienstleistungen effizient zu erbringen. Einige dieser Netzwerke wie z.B. den genossenschaftlichen Finanzverbund gibt es zwar schon seit langem, die Komplexitat der Vemetzung sowie die Dekonstruktion grosserer Finanzdienstleistungsuntemehmen in kleinere, unabhangige Einheiten ist jedoch in den letzten Jahren stark vorangeschritten.
Malte Geib hat sich mit seiner Arbeit das Ziel gesetzt, die Auswirkungen dieser Ver-anderungen auf kundenorientierte Prozesse und Informationssysteme zu untersuchen, erfolgreiche Netzwerke zu analysieren und schliesslich Handlungsempfehlungen fur die Wirtschaft abzuleiten. Als Hauptergebnis prasentiert er eine Architektur fur kundenorientierte Informationssysteme, die Finanzdienstleistungsuntemehmen bei der Transformation hin zu Wertschopfiingsnetzwerken unterstiitzen soil.
Die praktische Fundierung der Arbeit auf mehrjahriger Zusammenarbeit mit fuhrenden Finanzdienstleistungsuntemehmen in Kompetenzzentren des Instituts fur Wirtschafts-informatik an der Universitat St. Gallen sowie auf mehreren Fallstudien aus der Finanzdienstleistungsbranche, beispielsweise FIDUCIA IT AG und MLP AG, gewahr-leistet ihre hohe Relevanz flir die Wirtschaft. Gleichzeitig wertet Herr Geib die be-stehende wissenschaftliche Literatur umfassend aus und tragt damit dazu bei, erfolgreiche Konzepte von Schlagwortem zu trennen und somit ein realistisches Bild der Potenziale zu zeichnen. Dem Wissenschaftler liefert die vorliegende Arbeit einen stabilen Rahmen fur die Analyse von kundenorientierten Informationssystemen in Untemehmensnetzwerken. Die Arbeit zeigt auf der einen Seite die Potenziale, aber auch die Grenzen der Zusammenarbeit von Untemehmen im Bereich der Finanzdienst-
vi Geleitwort
leistungsbranche auf. Studenten und Dozenten bietet die Arbeit durch die Fallstudien
und anschaulichen Beispiele einen einfachen Einstieg in das Thema.
Neben Untemehmen der Finanzdienstleistungsbranche kann die Arbeit auch Unter-nehmen anderer Dienstleistungsbranchen bei der Bewaltigung der Transformation hin zu Untemehmensnetzwerken unterstiitzen. Alle Analysen deuten darauf hin, dass die Vemetzung von Untemehmen in Zukunfl immer mehr zunehmen wird.
Prof. Dr. Walter Brenner
Vorwort vn
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen meiner mehr als dreijahrigen Tatigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in den Kompetenzzentren „Customer Knowledge Management" (CC CKM) und „Customer > Knowledge > Performance" (CC CKP) am Institut fiir Wirtschaftsinformatik der Universitat St. Gallen (IWI-HSG). In diesen Kompetenzzentren forschte ein Team von wissenschaftlichen Mitarbeitem in Zu-sammenarbeit mit Untemehmen an Themen des Customer Relationship Managements und des Wissensmanagements.
An dieser Stelle mochte ich alien danken, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben. Mein Dank gebtihrt zunachst Prof. Dr. Walter Brenner und Prof Dr. Hubert Osterle fur die wissenschaftliche Betreuung, die ausgezeichneten Arbeitsbedingungen und das interessante und praxisnahe Forschungsumfeld am IWI. Prof Hans C. Brech-biihl und Prof M. Eric Johnson, PhD, vom Center for Digital Strategies der Tuck School of Business am Dartmouth College, USA, danke ich fur die Unterstiitzung meines halbjahrlichen Forschungsaufenthaltes am Dartmouth College. Mein besonde-rer Dank gilt auch den Leitem der Kompetenzzentren, Dr. Lutz Kolbe und Prof Dr. Ceroid Riempp, fiir die fachliche und personliche Unterstiitzung und die freundschaft-liche und intensive Zusammenarbeit.
Bei meinen KoUegen und Freunden am IWI-HSG mochte ich mich fur die motivie-rende und humorvoUe Zusammenarbeit bedanken. Mein spezieller Dank gilt meinen TeamkoUegen Dr. Adrian Biiren, Malte Dous, Harald Gabriel, Dr. Sandra Gronover, Dr. Henning Gebert, Susanne Glissmann, Dr. Stefan Kremer, Dr. Oliver Kutsch, Annette Reichold, Harald Salomann, Ragnar Schierholz und Dr. Enrico Senger fiir die zahlreichen Diskussionen und Anregungen. Stellvertretend fur alle weiteren KoUegen am IWI und anderen Instituten mochte ich an dieser Stelle Christian Braun, Dr. Marc Casar, Dr. Ellen Enkel, Dimitrios Gizanis, Clemens Herrmann, Florian Melchert, Alexander Schwinn, Christian Wilhelmi und Felix Wortmann fur ihre Hilfsbereitschaft sowie die fachliche und personliche Unterstiitzung danken. Dank gebiihrt weiterhin meinen studentischen Mitarbeitem Marion Bragger, Renate Fahmi, Linda Morgenthaler, Claudine-Sachi Riiegsegger und Michael Stahlberger fur die grosse Ent-lastung bei administrativen, technischen und inhaltlichen Aufgaben.
Die Zusammenarbeit in den Praxisprojekten mit Michael Heidt, Dr. Winfried Kohne, Liesel Pusacker und Martin Rothaut (Deutsche Telekom AG), Markus Maier und Klaus Zelmer (Bausparkasse Schwabisch-Hall), Dr. Heribert Bissling, Stefan Kabisch und Norbert Scheiner (kreditwerk) hat mir grosse Freude bereitet und ich danke ihnen fur die guten Erfahrungen. Stellvertretend fur alle anderen Interviewpartner mochte ich Markus Bayha (FIDUCIA IT AG), Dr. Carsten Stockmann (MLP), Bernard Kobler (Luzemer Kantonalbank) und Beat Gotz (UBS AG) fur die Unterstutzung bei der Er-stellung der Fallstudien danken.
viii Vorwort
Von ganzem Herzen danke ich Fritzi Kohler fiir die Unterstiitzung, die Motivation und das Verstandnis wahrend der Erstellung dieser Arbeit. Ganz besonders danke ich schliesslich meinen Eltem Mechthild und Ekkehard Geib, die mich stets forderten und ausserordentlich unterstutzten. Ihnen widme ich diese Arbeit.
Miinchen, im November 2005 Malte Geib
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Die Finanzdienstleistungsbranche befindet sich mitten in einem tief greifenden Struk-turwandel. Globalisierung, Deregulierung der Finanzmarkte, Disintermediation, technologischer Fortschritt und neue Wettbewerbsstrukturen fiihren zu einem wach-senden Wettbewerbsdruck. Durch diese Entwicklungen steigt die Bedeutung der Kundenorientierung und damit des Customer Relationship Management (CRM). Gleichzeitig entstehen Untemehmensnetzwerke, um die Leistungen flir die Kunden wirtschaftlicher zu erbringen. Jedes Einzeluntemehmen eines solchen Netzwerkes spezialisiert sich auf seine Kemkompetenzen, wahrend das gesamte Netzwerk die fmanziellen Kundenbediirfnisse voUstandig abdeckt. Diese Desintegration der Wert-schopfungskette erschwert jedoch das CRM, da sie zu einer Aufteilung von kunden-orientierten Daten und Informationssystemen iiber die kooperierenden Untemehmen fuhrt.
Die Forschungsfrage dieser Arbeit ist: Wie soUen Finanzdienstleistungsnetzwerke ihre kundenorientierten Informationssysteme gestalten? Ausgehend von einer Fallstudien-analyse erfolgreicher Finanzdienstleistungsnetzwerke analysiert die Arbeit den Leidensdruck, der zum Aufbau einer kooperativen CRM-Losung fuhrt. Darauf auf-bauend analysiert sie die kooperativen Prozesse in Marketing, Vertrieb und Service und die Aufgabenteilung zwischen den kooperierenden Untemehmen. Als Haupt-ergebnis entwickelt sie eine Referenz-Informationssystemarchitektur fur die kundenorientierten Informationssysteme zur Unterstiitzung der Prozesse. Abschliessend analysiert sie ausgewahlte Standardsoftware im Hinblick auf die Anforderungen der Refe-renz-Informationssystemarchitektur.
Die entwickelte Referenz-Informationssystemarchitektur besteht aus Applikations-und Integrationsarchitektur. Die Applikationsarchitektur unterscheidet zwischen operativen, analytischen und kommunikativen CRM-Systemen so wie Transaktions-systemen und den zugrunde liegenden Datenbanken. Sie gibt Handlungsempfehlungen fur Aufbau und Verteilung dieser Applikationen zwischen den Untemehmen eines Finanzdienstleistungsnetzwerkes. Die Integrationsarchitektur kombiniert die drei An-satze der Datenintegration, Funktionsintegration und Prasentationsintegration. Sie gibt Handlungsempfehlungen fur die Nutzung dieser drei Ansatze zur Integration von Applikationen und Datenbanken zwischen den Untemehmen eines Finanzdienstleis-tungsnetzwerkes.
Ergebnis der Softwareanalyse ist, dass kein einzelnes der untersuchten Standardsoft-waresysteme alle Anfordemngen des kooperativen CRM in Finanzdienstleistungs-netzwerken erfullen kann. Losungen fur das kooperative CRM sind in vielen Fallen Best-of-Breed Losungen oder Eigenentwicklungen. Standardsoftware wird jedoch im Gegensatz zu Eigenentwicklungen an Bedeutung gewinnen und starker eingesetzt werden.
Inhaltsubersicht
Inhaltsiibersicht
1 Einleitung 1
1.1 Ausgangslage 1
1.2 Zielsetzung, Abgrenzung und Adressaten 3
1.3 Entstehung und Einordnung 4
1.4 Forschungsmethodik 5
1.5 Aufbau 9
2 Grundlagen 11
2.1 Situation der Finanzdienstleistungsbranche 11
2.2 Business Engineering 16
2.3 Business Networking in der Finanzdienstleistungsbranche 24
2.4 Customer Relationship Management 31
2.5 Zusammenfassung 46
3 Fallstudien: Erfahrungen aus der Praxis 49
3.1 Auswahl der Untemehmen und Bezugsrahmen 49
3.2 Luzemer Kantonalbank 51
3.3 UBS Global Asset Management 56
3.4 MLPAG 63
3.5 FIDUCIA IT AG 75
3.6 Erkenntnisse 100
3.7 Zusammenfassung 104
4 Prozessarchitektur fiir Unternehmensnetzwerke 106
4.1 Kundenprozess und Leistungen 106
4.2 CRM-Prozesslandkarte 107
4.3 Ausgewahlte kooperative Prozesse 109
4.4 Zusammenfassung 120
5 IS-Architektur fiir Unternehmensnetzwerke 122
5.1 Anforderungen 122
5.2 Kundenbezogene Daten und Funktionen 123
5.3 Applikationsarchitektur 129
5.4 Integrationsarchitektur 149
5.5 Analyse ausgewahlter Standardsoftwarelosungen 162
5.6 Zusammenfassung 184
xii Inhaltsubersicht
6 Zusammenfassung und Ausblick 186
6.1 Ergebnisse der Arbeit 186
6.2 Kritische Wiirdigung und weiterer Forschungsbedarf 187
6.3 Technologische Trends 189
Anhang A Erganzungen zu den Fallstudien 199
A.l Interviews 199
A.2 Analysierte Dokumente 200
Anhang B Modellierungstechniken des Business Engineering 201
B.l Metamodell 201
B.2 Prozesslandkarte 201
B.3 Aufgabenkettendiagramm 201
B.4 Entity-Relationship-Diagramm 202
Anhang C Elemente der CRM-Prozesslandkarte 203
C.l Prozesse 203
C.2 Leistungen 204
Literaturverzeichnis 205
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 1
1.1 Ausgangslage 1
1.2 Zielsetzung, Abgrenzung und Adressaten 3
1.3 Entstehung und Einordnung 4
1.4 Forschungsmethodik 5 1.4.1 Angewandte Forschung in der Wirtschaftsinformatik 5 1.4.2 Forschungsprozess der Arbeit 7
1.5 Aufbau 9
2 Grundlagen 11
2.1 Situation der Finanzdienstleistungsbranche 11 2.1.1 Steigende Bedeutung der Kundenorientierung 12 2.1.2 Entstehung von Untemehmensnetzwerken 12 2.1.3 Herausforderungen der Kundenorientierung in Netzwerken 14 2.1.4 Beitrag fiir diese Arbeit 15
2.2 Business Engineering 16 2.2.1 Modelle 17 2.2.2 Architekturen 18 2.2.3 Referenzmodelliemng 22 2.2.4 Beitrag fur diese Arbeit 23
2.3 Business Networking in der Finanzdienstleistungsbranche 24 2.3.1 Geschaftsstrategie 24 2.3.2 Geschaftsprozesse 27 2.3.3 Informationssysteme 28 2.3.4 Beitrag ftir diese Arbeit 30
2.4 Customer Relationship Management 31 2.4.1 Definition und Gestaltungsbereiche 31 2.4.2 Prozesse 33 2.4.3 Informationssysteme 39 2.4.4 Datenschutz und rechtliche Rahmenbedingungen 43 2.4.5 Beitrag fiir diese Arbeit 46
2.5 Zusammenfassung 46
3 Fallstudien: Erfahrungen aus der Praxis 49
3.1 Auswahl der Untemehmen und Bezugsrahmen 49
3.2 Luzemer Kantonalbank 51 3.2.1 Untemehmen 51 3.2.2 Ausgangssituation 53
Inhaltsverzeichnis
3.2.3 Erkenntnisse 56
3.3 UBS Global Asset Management 56 3.3.1 Untemehmen 56 3.3.2 Ausgangssituation 58 3.3.3 Erkenntnisse 63
3.4 MLP AG 63 3.4.1 Untemehmen 63 3.4.2 Ausgangssituation 65 3.4.3 Projektdurchfiihrung 66 3.4.4 Neue Losung 67
3.4.4.1 Strategie 67 3.4.4.2 Prozesse 68 3.4.4.3 Systeme 70 3.4.4.4 Herausforderungen 73
3.4.5 Erkenntnisse 74
3.5 FIDUCIA IT AG 75 3.5.1 Untemehmen 75 3.5.2 Ausgangssituation 77 3.5.3 Projektdurchfuhmng 79 3.5.4 Neue Losung 81
3.5.4.1 Strategie 81 3.5.4.2 Prozesse 82 3.5.4.3 Systeme 88 3.5.4.4 Wirtschaftlichkeit 97
3.5.5 Erkenntnisse 99
3.6 Erkenntnisse 100 3.6.1 Leidensdmck 100 3.6.2 Kooperation in CRM-Prozessen 101 3.6.3 Anfordemngen an CRM-Systeme 103
3.7 Zusammenfassung 104
Prozessarchitektur fur Unternehmensnetzwerke 106
4.1 Kundenprozess und Leistungen 106
4.2 CRM-Prozesslandkarte 107
4.3 Ausgewahlte kooperative Prozesse 109
4.3.1 Kampagnenmanagement 109 4.3.2 Vertriebsmanagement 112 4.3.3 Servicemanagement 115 4.3.4 Kundenscoring 117
4.4 Zusammenfassung 120
Inhaltsverzeichnis
5 IS-Architektur fiir Unternehmensnetzwerke 122
5.1 Anforderungen 122
5.2 Kundenbezogene Daten und Funktionen 123 5.2.1 Kundenbezogene Daten 123 5.2.2 CRM-Funktionen und Applikationstypen 126
5.3 Applikationsarchitektur 129 5.3.1 Transaktionssysteme 129 5.3.2 Analytische CRM-Systeme 133 5.3.3 Operative CRM-Systeme 141 5.3.4 Kommunikative CRM-Systeme 145 5.3.5 Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen 146
5.4 Integrationsarchitektur 149 5.4.1 Datenintegration 149 5.4.2 Funktionsintegration 152 5.4.3 Prasentationsintegration 157 5.4.4 Benutzerverwaltung 158 5.4.5 Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen 160
5.5 Analyse ausgewahlter Standardsoftwarelosungen 162 5.5.1 Anforderungen des kooperativen CRM 162 5.5.2 Der Markt fur CRM-Standardsoftware 163 5.5.3 SiebelCRM 168 5.5.4 mySAPCRM 171 5.5.5 Oracle CRM 174 5.5.6 UNiQUAREUBM 178 5.5.7 Eignung der Losungen fur das kooperative CRM 181 5.5.8 Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen 183
5.6 Zusammenfassung 184
6 Zusammenfassung und Ausblick 186
6.1 Ergebnisse der Arbeit 186
6.2 Kritische Wiirdigung und weiterer Forschungsbedarf 187
6.3 Technologische Trends 189
6.3.1 Mobiles CRM 190 6.3.2 Kundendatenintegration 191 6.3.3 Serviceorientierte Architekturen 193 6.3.4 Process Performance Management 195 6.3.5 Auswirkungen 196
Anhang A Erganzungen zu den Fallstudien 199
A.l Interviews 199
xvi Inhaltsverzeichnis
A.2 Analysierte Dokumente 200
Anhang B Modellierungstechniken des Business Engineering 201
B.l Metamodell 201
B.2 Prozesslandkarte 201
B.3 Aufgabenkettendiagramm 201
B.4 Entity-Relationship-Diagramm 202
Anhang C Elemente der CRM-Prozesslandkarte 203
C.l Prozesse 203
C.2 Leistungen 204
Literaturverzeichnis 205
Abkurzungsverzeichnis
Abkiirzungsverzeichnis aCRM Analytisches (analytical) Customer Relationship Management
AGB Allgemeine Geschaftsbedingungen
AGR Arbeitsgemeinschaft der genossenschaftlichen Rechenzentralen
AIDA Attention, Interest, Desire, Action
AktD Aktionsdaten
ALS Asset and Liability Study
AM Account Management
ASP Application Service Provider
BAP Bankarbeitsplatz
BB Business Banking
BCA Banking Customer Accounts
BCI Business Collaboration Infrastructure
BDSG Bundesdatenschutzgesetz
BE Business Engineering
BMIA Business Model of the Information Age
BN2 Business Networking 2
BSH Bausparkasse Schwabisch-Hall
BVR Bundesverband der Volksbanken und Raiffeisenbanken
CC Competence Center
cCRM Kommunikatives (collaborative) Customer Relationship Management
CDI Customer Data Integration
CKM Customer Knowledge Management
CKP Customer Knowledge Performance
CLTV Customer Lifetime Value
CML Consumer Mortgage Loans
CMS Collateral Management System
CORBA Common Object Request Broker Architecture
CRM Customer Relationship Management
CS Credit Suisse
CTI Computer Telephony Integration
CWM Common Warehouse Metamodel
DB Datenbank
DG HYP Deutsche Genossenschafts-Hypothekenbank
Abkiirzungsverzeichnis
DIFA
DWH
EAI
EBIT
EDIFACT
EII
ERD
ERM
ERP
ETL
EU
FAQ
FS-BP
FTC
FTP
GAM
GC
GLB
GrD
GUI
HSG
HTML
HTTP
IMG
IntD
IS
ISO
IT
IVR
IWI
IWI-HSG
KB
KIS
KM
Deutsche Immobilienfonds AG
Data Warehouse
Enterprise Application Integration
Earning Before Interest and Taxes
Electronic Data Interchange for Administration, Commerce and Transport
Enterprise Information Integration
Entity-Relationship-Diagramm
Employee Relationship Management
Enterprise Resource Planning
Extrahieren, Transformieren, Laden (Extract, Transform, Load)
Europaische Union
Frequently Asked Questions
Financial Services Business Partner
Federal Trade Commission
File Transfer Protocol
Global Asset Management
Global Custody
Gramm-Leach-Bliley Act
Grunddaten (Stammdaten)
Graphical User Interface
Hochschule (Universitat) St. Gallen
Hypertext Markup Language
Hypertext Transfer Protocol
The Information Management Group
Interaktionsdaten
Informationssystem
International Standards Organization
Informationstechnologie
Interactive Voice Response
Institut fur Wirtschaftsinformatik
Institut fur Wirtschaftsinformatik, Universitat St. Gallen (HSG)
Kantonalbank
Kundeninformationssystem
Knowledge Management
Abkiirzungsverzeichnis
KMS Knowledge Management System
KMU Kleine und mittelgrosse Untemehmen
LAN Local Area Network
LDAP Lightweight Directory Access Protocol
LUKB Luzemer Kantonalbank
MCS Markt-ControUing-System
MIS Management Information System
MPA Marktpotenzialanalyse
oCRM Operatives (operational) Customer Relationship Management
ODB Operative Datenbank(en)
ODBC Open Database Connectivity
OLAP Online Analytical Processing
OLTP Online Transaction Processing
PDA Personal Digital Assistant
PE Payment Engine
PUD Process Instance Identifier
PK Pensionskasse
PLM Product Lifecycle Management
PotD Potenzialdaten
PRM Partner Relationship Management
PROMET Projektmethode
PT Personentage
Q&R Query & Reporting
RACF Resource Access Control Facility
ReaktD Reaktionsdaten
RFID Radio Frequency Identification
ROI Retum-On-Investment
RPC Remote Procedure Call
SFr. Schweizer Franken
SG ISM St. Galler Informationssystem-Management
SLA Service Level Agreement
SMTP Simple Mail Transfer Protocol
SOA Serviceorientierte Architektur
SOAP Simple Object Access Protocol
SRM Supplier Relationship Management
Abkurzungsverzeichnis
SSL Secure Socket Layer
SSO Single-Sign-On
SSW Standardsoftware (PROMET Methode)
TCP/IP Transmission Control Protocol / Internet Protocol
UAN Universal Application Network
UCM Universal Customer Master
UDDI Universal Description, Discovery, and Integration
UMTS Universal Mobile Telecommunications System
USA Vereinigte Staaten von Amerika
VertD Vertragsdaten
VKNA Vertriebskanalnutzungsanalyse
VR Verbund der Volks- und Raiffeisenbanken
VRS VR-Service
VSKB Verband Schweizerischer Kantonalbanken
W3C World Wide Web Consortium
WfMS Workflow Management System
WGZ Westdeutsche Genossenschafts-Zentralbank
WLAN Wireless Local Area Network
WM Wealth Management
WSDL Web Service Description Language
XMI XML Metadata Interchange
XML Extensible Markup Language
ZKB Zurcher Kantonalbank
ZSA Zahlungsstromanalyse
1.1 Ausgangslage
1 Einleitung
1.1 Ausgangslage
"Many CRM systems used by financial conglomerates cannot even tell whether a banking customer also has, say, a mortgage or a stock broking account with its various subsidiaries. " (The Economist, 4. September 2003)
Die Finanzdienstleistungsbranche befmdet sich mitten in einem tief greifenden Struk-turwandel. Globalisierung, Deregulierung der Finanzmarkte, Disintermediation, technologischer Fortschritt und neue Wettbewerbsstrukturen flihren zu einem wach-senden Wettbewerbsdruck [s. Moormann 2001, 4ff; Schierenbeck 2003, 3]. Gleichzeitig ist fiir viele Finanzprodukte eine weitgehende Vereinheitlichung^ zu be-obachten. Klassische Bankprodukte wie Konten oder Konsumentenkredite unterschei-den sich von Bank zu Bank nur noch marginal. Insgesamt konnen sich Finanzdienst-leistungsuntemehmen immer schwieriger von ihrer Konkurrenz differenzieren. Aus dieser Situation resultieren zwei Entwicklungen, die die Evolution der Finanzdienstleistungsbranche bestimmen: Die steigende Bedeutung der Kundenorientierung und die Entstehung von Untemehmensnetzwerken [s. Moormann 2001, 6ff\.
Durch den steigenden Wettbewerb und den Mangel an Differenzierungspotenzial sinkt einerseits die Loyalitat der Kunden. Fiir Finanzdienstleistungsuntemehmen wird es deswegen immer wichtiger - aber auch schwieriger - ihre Kunden durch eine konse-quente Kundenorientierung an sich zu binden. Dafur konnen sie Konzepte des Customer Relationship Management (CRM) einsetzen [s. Peppard 2000, 312; Ryals/Payne 2001, 3]. CRM ist ein kundenorientierter Managementansatz, der die Kundenge-winnung und Kundenbindung verbessem soil und damit zur Erhohung der Wirtschaft-lichkeit sowie zur Verbesserung der Interaktionsmoglichkeiten mit den Kunden bei-tragen soil. Dies geschieht auf der Grundlage einer Unterstiitzung durch kundenorien-tierte Informationssysteme (CRM-Systeme) [s. Link 2001b, 3].
Andererseits miissen die Finanzdienstleistungsuntemehmen dem steigenden Wettbewerbsdruck mit der konsequenten Implementierung eines zukunftsfahigen Ge-schaftsmodells begegnen. Dafur gibt es zwei Ansatzpunkte, die Einfluss auf die Kosten- und Ertragsstruktur haben [s. Schierenbeck 2003, 3ffl, die vollstandige Ab-deckung der fmanziellen Kundenbediirfnisse und die Fokussierung auf Kemkompe-tenzen. Einzelne Anbieter konnen aus Kundensicht einen klaren komparativen Vorteil bieten, wenn sie die fmanziellen Kundenbediirfnisse vollstandig adressieren („one-stop finance"). Dies fuhrte in der Vergangenheit zu Untemehmenszusammenschliissen von grossen Universalbanken und Versicherungsuntemehmen, beispielsweise Dresdner Bank und Allianz Versicherung oder Credit Suisse und Winterthur Versicherung. Nur
Diese Vereinheitlichung der Produkte wird haufig auch als „Kommoditisierung" bezeichnet (von engl. „Com-modity" = Massenware).
2 1 Einleitung
wirklich grosse Banken konnen sich allerdings iiber die gesamte WertschopfUngskette und iiber alle Kundensegmente aufstellen. Kleine Anbieter mtissen sich durch eine Fokussierung auf Vertriebsweg, Produkte oder Zielkunden klar auf ihre Kemkompe-tenzen fokussieren. Auch in grossen Finanzdienstleistungsuntemehmen findet durch eine Aufspaltung des Geschaftes auf einzelne, stark autonom agierende Geschafts-bereiche eine Fokussierung auf Kemkompetenzen und eine interne Implementierung von Marktstrukturen statt.
Als Konsequenz bilden sich Netzwerke aus Finanzdienstleistungsuntemehmen [s. Hagel/Singer 1999, 135; Lehmann 2000, 26; Heinrich/Leist 2003, 336ff|. Jedes Einzeluntemehmen eines solchen Netzwerkes fokussiert auf seine spezifischen Kemkompetenzen, wahrend das gesamte Netzwerk die fmanziellen Kundenbediirfnisse vollstandig abdeckt. Dabei bilden sich drei unterschiedliche RoUen fur Untemehmen innerhalb eines Netzwerkes aus [vgl. Lehmann 2000, 27; Winter 2002, 36fl:
• Produktlieferanten sind fur die Entwicklung und Bereitstellung von spezifischen Finanzprodukten zustandig. Bin Beispiel ist die Bausparkasse Schwabisch-Hall, die Bausparkredite anbietet, oder die Union Investment, die Investmentfonds anbietet.
• Beziehungsmanager haben als Absatzmittler der Produktlieferanten direkten Kun-denkontakt und sind fiir Kundenberatung, Produktverkauf und Service zustandig. Beispiele fur Beziehungsmanager sind die Volks- und Raiffeisenbanken sowie Fi-nanzberatungen wie MLP oder A WD.
• Transaktionsverarbetter sind auf die Abwicklung von Finanztransaktionen unter Nutzung effizienter Infrastrukturen der Informationstechnologie (IT) spezialisiert [s. Martinez/Sorrentino 2003, 261; Rikli 2003, 327]. Dazu gehoren Rechenzentren wie die FIDUCIA IT AG der Volks- und Raiffeisenbanken sowie IT-Dienstleister wie T-Systems, IBM oder die VR Kreditwerk Hamburg Schwabisch-Hall AG (kreditwerk) der Bausparkasse Schwabisch-Hall. Da das Outsourcing von IT an Transaktionsverarbeiter einen geringen Einfluss auf die fachliche Gestaltung des CRM gegentiber Endkunden hat, werden Transaktionsarbeiter in dieser Arbeit nur am Rande berucksichtigt.
Diese Desintegration der Wertschopfungskette erschwert jedoch das CRM, da sie zu einer Aufteilung von Kundendaten iiber Produktlieferanten und Beziehungsmanager und einem hoheren Koordinationsaufwand fuhrt [s. Heinrich/Leist 2003, 332; Geib et al. 2005a, 250ffl. Beispielsweise miissen dem Kundenberater einer Bank Kundendaten der Produktlieferanten zur Verfligung gestellt werden, damit dieser das fmanzielle Gesamtengagement eines Kunden uberblicken kann. Dafur ist die Integration von Kundendaten und kundenorientierten Prozessen iiber die kooperierenden Finanzdienst-leistungsuntemehmen eines Netzwerkes notwendig.
1.2 Zielsetzung, Abgrenzung und Adressaten
Eine wesentliche Herausforderung dabei ist die Planung und Implementierung der kundenorientierten Informationssysteme (IS). Diese sind in vielen Untemehmen un-geniigend integriert und teilweise redundant [s. Geib et al. 2005a, 255]. Vielfach werden Eigenentwicklungen eingesetzt, da die verfugbare Standardsoftware die An-forderungen nicht voUstandig abdeckt. Ftir Finanzdienstleistungsnetzwerke stellt sich die Frage, wie die CRM-Systeme von Produktlieferanten und Beziehungsmanagem sowie der Informationsaustausch zwischen ihnen gestaltet sein sollten, um die kundenorientierten Prozesse (in Marketing, Vertrieb und Service) moglichst effizient und effektiv zu unterstiitzen. Die Frage der Planung und Implementierung von Informationssystemen fiir das CRM ist in der Literatur dabei bisher nur innerbetrieb-lich Oder an der Schnittstelle zu den Kunden betrachtet worden [vgl. z.B. Link 2001a; Amberg/Schumacher 2002; Gronover et al. 2003; Hippner/Wilde 2004], nicht jedoch fiir Untemehmensnetzwerke.
1.2 Zielsetzung, Abgrenzung und Adressaten
Die grundlegende Forschungsfrage dieser Arbeit leitet sich aus den beschriebenen Herausforderungen ab:
Wie sollen Finanzdienstleistungsnetzwerke ihre kundenorientierten Informationssysteme gestalten?
Ausgehend von einer Analyse erfolgreicher Finanzdienstleistungsnetzwerke verfolgt diese Arbeit die folgenden Ziele:
• Analyse des Leidensdrucks, der zum Aufbau einer kooperativen CRM-Losung fuhrt,
• Analyse der kooperativen Prozesse in Marketing, Vertrieb und Service und der Aufgabenteilung zwischen Beziehungsmanagem und Produktlieferanten,
• Entwicklung einer Referenz-Informationssystemarchitektur fiir die kundenorientierten IS zur Unterstiitzung der kooperativen Prozesse und
• Analyse ausgewahlter Standardsoftware im Hinblick auf die Anforderungen der Referenz-Informationssystemarchitektur.
Die Arbeit hat ihren Schwerpunkt damit auf der IS-Ebene. Zur Ableitung von Anforderungen an die IS-Architektur fmden jedoch eine Analyse der Prozessebene sowie ein Uberblick tiber die strategischen Rahmenbedingungen des CRM in der Finanz-dienstleistungsbranche statt.
Schwerpunkt der Arbeit auf der IS-Ebene ist die Architektur von analytischen und operativen CRM-Systemen und deren Schnittstellen zu kommunikativen CRM-Systemen und anderen operativen Systemen der beteiligten Untemehmen. Deswegen
_4 1 Einleitung
betrachtet die Arbeit Enterprise Ressource Planning (ERP)-Systeme und operative Systeme (z.B. Transaktionssysteme) nur dort, wo sie eine Rolle fur die Architektur der CRM-Systeme spielen. Auf der Prozessebene werden operative CRM-Prozesse aus den Bereichen Marketing, Vertrieb und Service sowie analytische CRM-Prozesse zu deren Unterstutzung betrachtet, beispielsweise Lead Management und Kundenscoring. Produktentwicklung und Auftragsabwicklung sind nur Gegenstand dieser Arbeit, soweit Schnittstellen zu den genannten Prozessen bestehen.
Damit richtet sich die Arbeit an alle Personen, die sich mit dem Management von Kundenbeziehungen in Untemehmensnetzwerken auseinander setzen. Die Arbeit schafft Nutzen fur:
• Praktiker in Anwenderunternehmen aus IT-, Vertriebs-, Marketing- und Service-abteilungen, die sich mit der Planung und Umsetzung einer kooperativen CRM-Losung in einem Finanzdienstleistungsnetzwerk beschaftigen. Sie erhalten durch die Fallstudien und die Referenzarchitektur Ansatzpunkte fur die Ableitung eigener Handlungsoptionen. AppHkationsarchitekten erhalten durch die Referenzarchitektur einen konkreten Vorschlag fiir die Gestaltung kundenorientierter Systeme. Die Marktiibersicht und Bewertung verschiedener Standardsoftwaresysteme dient als Entscheidungsunterstutzung fur die Systemauswahl.
• Wissenschaftler, die sich mit der Gestaltung von untemehmensiibergreifenden Sys-temen im CRM auseinander setzen. Sie erhalten, abgeleitet aus den Fallstudien und der Prozessanalyse, eine genaue Evaluation der Anforderungen an untemehmens-iibergreifende IS-Architekturen. Die Referenzarchitektur dient als Vorschlag fur die Adressierung dieser Anforderungen.
• Lehrende und Studierende. Ihnen zeigen die dargestellten Fallstudien den Leidens-druck, die Realisierung und den Nutzen von kooperativen CRM-Losungen in Fi-nanzdienstleistungsnetzwerkenauf.
• Anbieter von CRM-Standardsoftware. Sie erhalten durch die Fallstudien und die Analyse der kooperativen Prozesse einen Uberblick iiber die Anforderungen, die CRM-Standardsoftware fiir die Finanzdienstleistungsbranche in Zukunft erfullen muss.
1.3 Entstehung und Einordnung
Diese Arbeit entstand im Rahmen der Kompetenzzentren Customer Knowledge Management (CC CKM) und Customer > Knowledge > Performance (CC CKP) am Institut fur Wirtschaftsinformatik der Universitat St. Gallen (IWI-HSG). In Kompetenzzentren forschen Untemehmen aus dem Europaischen Wirtschaftsraum in lang-jahriger Zusammenarbeit mit dem IWI-HSG an Themen des Informationsmanage-ments und verwandter Gebiete. Die Grundlage der gemeinsamen Arbeit bilden Kon-
1.4 Forschungsmethodik
zepte des Business Engineering [vgl. Brenner 1995; Osterle 1995] und des Informa-tionsmanagements [vgl. Brenner 1994].
Das CC CKM und das CC CKP erarbeiteten iiber einen vierjahrigen Zeitraum (2001-2004) in Zusammenarbeit mit renommierten Forschungspartnem - vomehmlich aus der Finanzdienstleistungsbranche - Konzepte, Methoden und Losungen im Bereich des CRM mit Schwerpunkt auf kundenorientiertem Wissensmanagement und Leis-tungssteigerung in kundenorientierten Prozessen. In Workshops und Praxisprojekten wurden Grundlagen, Fallstudien, methodische Vorgehensweisen, Best-Practice-Studien und praktische Losungen erarbeitet [s. Kolbe et al. 2003, 9-12].
Der Kompetenzzentrumsansatz des Business Engineering verbindet konzeptionelle Forschung mit praktischer Beobachtung, die in Fallstudien beschrieben werden [vgl. Lee 1989], und Implementierungsbegleitung in Form von partizipativer Aktionsfor-schung bei den Partneruntemehmen [vgl. Whyte 1991]. Der Forschungsansatz ist ko-operativ. Es arbeiten immer mehrere Personen an spezifischen Themenstellungen. Folgende wissenschaftliche Arbeiten am IWI-HSG liefem Grundlagen und Ansatz-punkte fur die vorliegende Arbeit:
• Die im Kompetenzzentrum Banken im Informationszeitalter (CC BAI) entstan-denen Arbeiten zur Entwicklung von Finanzdienstleistungsnetzwerken [s. Heinrich 2002b; Leist/Winter 2002] liefem einen Ausgangspunkt fiir die Analyse der strate-gischen Rahmenbedingungen.
• Die im CC CKM und Vorgangerkompetenzzentren entstandenen Arbeiten zu Ein-fiihrung von CRM [s. Schulze 2000], Architektur von CRM bei Banken [s. Schmid 2001] und Multi-Kanal-Management [s. Gronover 2003] liefem Gmndlagen fiir die Analyse der Rahmenbedingungen auf der Strategie- und Prozessebene.
• Die im CC CKM und den Kompetenzzentren Business Networking (CC BN) und Business Networking 2 (CC BN2) entstandenen Arbeiten zu Portalen [s. Pusch-mann 2003; Kremer 2004] und iiberbetrieblichem Prozessmanagement [s. Alt 2004] liefem Ansatzpunkte fiir die Entwicklung der Referenz-IS-Architektur.
• Die Dissertation von [Senger 2004] zu elektronischen Kooperationen liefert mit der daraus entstandenen Methode fiir die Erhebung von Business Engineering Fallstudien (PROMET BECS) [s. Senger/Osterle 2002] die Gmndlage fiir die Erhebung und Analyse der Fallstudien.
1.4 Forschungsmethodik
1.4.1 Angewandte Forschung in der Wirtschaftsinformatik
Die vorliegende Arbeit stammt aus dem Gebiet der Wirtschaftsinformatik (WI), einem selbststandigen betriebswirtschaftlichen Vertiefungsfach [s. Wohe 1996, 89]. Ziel der
6 1 Einleitung
Wirtschaftsinformatik ist die Erklarung von Informationssystemen und -infrastrukturen von Organisationen in Wirtschafl und Verwaltung, die Prognose deren Verhaltens und die Gestaltung dieser Systeme mit Hilfe von Methoden [s. Hein-rich/Sinz 1999, 1017]. Als Teilgebiet der Betriebswirtschaftslehre hat sie ihre Wurzeln in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.
Die WI ist wie die Betriebswirtschaftslehre eine anwendungsorientierte Wissenschaft im Sinne einer „Tatigkeit, die darauf ausgerichtet ist, [...] mit Hilfe von Erkenntnissen der theoretischen oder Grundlagenwissenschaften Regeln, Modelle und Verfahren far praktisches Handeln zu entwickeln" [Ulrich 1984, 200]. Anwendungsorientierte Wissenschaften beziehen ihre Probleme aus der Praxis und gestalten interdisziplinar die (betriebliche) Realitat. Dabei treffen die Forscher wertende und normative Aus-sagen und priifen entwickelte Gestaltungsmodelle auf ihre Anwendbarkeit in der Praxis [s. Ulrich 1984, 178-191]. Hevner bezeichnet die Entwicklung von Gestal-tungsmodellen als „Design Science". Design Science „erstellt und evaluiert [...] Arte-fakte, um identifizierte organisational Probleme zu losen" [Hevner et al. 2004, 77].
In der Wirtschaftsinformatik haben sich verschiedene Forschungsmethoden mit unter-schiedlichen Vor- und Nachteilen entwickelt [s. Galliers 1991, 327]. Reine Literatur-analyse und quantitativ-empirische Forschung eigen sich wenig dazu, Gestaltungsvor-schlage fiir die betriebliche Realitat zu entwickeln [s. Brenner 1993, 8; Benbasat/Zmud 1999, 5f]. Viele Ergebnisse der Wirtschaftsinformatik basieren deswegen auf quali-tativ-empirischer Forschung. Die Methoden der qualitativ-empirischen Forschung werden bei sachgemasser Anwendung mittlerweile als gleichwertig zu denen der quantitativ-empirischen Forschung angesehen [s. Avison et al. 1999, 94; Hevner et al. 2004, 86ffl. Zu diesen Methoden gehoren Grounded Theory^, ethnographische Forschung^, Aktionsforschung"^ und Fallstudienforschung [s. Myers 2002]. Grundlage dieser Arbeit ist die Fallstudienforschung.
Die Fallstudienforschung konzentriert sich auf die Untersuchung sozialwissenschaft-licher Phanomene, bei denen die Zusammenhange zwischen dem Beobachtungsgegen-stand und der Umweh nicht voUstandig voneinander getrennt werden konnen [s. Yin 2002, 13]. Damit eignet sich die Fallstudienforschung gut fiir die Untersuchung von Informationssystemen [s. Benbasat et al. 1987, 378], weil der Untersuchungsgegen-stand eine Vielzahl von Einflussgrossen besitzt und eine klare Differenzierung zwischen der Losung und ihrem Kontext nicht moglich ist. Die Referenzmodellierung von Informationssystemen fmdet in der Wirtschaftsinformatik haufig induktiv auf der Grundlage von Fallstudienforschung statt [s. Schutte 1998, 182].
Vgl. hierzu [Martin/Turner 1986; Glaser 1992]. Vgl. hierzu [Harvey/Myers 1995]. Vgl. hierzu [Rapoport 1970; Avison et al. 1999].