makroskopische und mikromechanische finite-elemente-analysen
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Makroskopische und mikromechanische Finite-Elemente- Analysen an martensitischen und austenitischen
Nickel-Titan Formgedächtnislegierungen
Dissertation zur
Erlangung des Grades Doktor-Ingenieur
der Fakultät für Maschinenbau der Ruhr-Universität Bochum
von
Christian Großmann
aus Mülheim an der Ruhr
Bochum, 2011
Dissertation eingereicht am: 21.11.2011 Tag der mündlichen Prüfung: 12.01.2012 Erster Referent: Prof. Dr.-Ing. Gunther Eggeler Zweiter Referent: Prof. Dr.-Ing. Martin Franz-Xaver Wagner
Vorwort
Die vorliegende Dissertationsschrift entstand zwischen Mai 2007 und Juni 2011 während
meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Ruhr-Universität Bochum und der
TU Chemnitz. Als Mitglied der Emmy Noether Forschungsgruppe Zwillingsbildung
beschäftigte ich mich in dieser Zeit mit der Forschung an Formgedächtnislegierungen. Die
erfolgreiche Zusammenarbeit und stete Diskussionsbereitschaft meiner Kollegen hat
wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. Dafür möchte ich mich bei allen
beteiligten Personen außerordentlich bedanken.
Ich möchte mich ausdrücklich bei Prof. Dr.-Ing. Gunther Eggeler für die Übernahme des
Referats bedanken. Er hat maßgeblichen Anteil daran, dass ich mich bereits in den ersten
Semestern meines Maschinenbaustudiums für das spannende Forschungsgebiet der
Materialwissenschaft begeisterte. Prof. Dr.-Ing. Martin F.-X. Wagner, Leiter der Forschungs-
gruppe Zwillingsbildung, gebührt ein besonderer Dank für die Übernahme des Koreferats und
die interessanten Aufgabenstellungen im Laufe meiner Promotion. Er stand mir in meiner Zeit
als wissenschaftlicher Mitarbeiter stets und äußerst kompetent mit Rat und Tat zur Seite.
Herrn Prof. Dr.-Ing. Roland Span danke ich für die Übernahme des Vorsitzes der
Promotionskommission.
Ich bedanke mich überdies bei meinen (ehemaligen) Bürokollegen Frau Dr.-Ing. Janine
Pfetzing-Micklich, Herrn Dipl.-Ing. Andreas Schäfer und Frau Dipl.-Ing. Stefanie Jaeger für
die vielen interessanten und amüsanten Gespräche, ihre stete Hilfsbereitschaft und für die
Tatsache, dass es im Büroalltag niemals wirklich langweilig wurde. Auch die studentischen
Hilfskräfte Safa Mogharebi, Lars Lückemeyer, Alexander Monas und André Wieczorek
haben mich aktiv und mit großem Einsatz in meinen Forschungsvorhaben unterstützt. Dafür
möchte ich mich ebenfalls recht herzlich bedanken.
Abschließend danke ich meinen Freunden und meiner Familie für die Unterstützung in den
letzten 10 Jahren, die ich heute bereits an der Ruhr-Universität verbracht habe. Sie alle haben
dazu beigetragen, dass ich trotz einiger schwieriger Phasen niemals den Glauben und Mut
verloren habe, die gesteckten Ziele zu erreichen. Meiner Freundin Sabrina danke ich für Ihr
großartiges Verständnis und den unglaublichen Rückhalt, der Sie mir gewesen ist.
„Die Hoffnung ist der Regenbogen über den herabstürzenden Bach des Lebens.“
Friedrich Nietzsche
Inhaltsverzeichnis I
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ...................................................................................................................... I
Abkürzungen, Symbole und Formelzeichen ........................................................................ III
1. Einleitung und Grundlagen ................................................................................................. 1
1.1 Die martensitische Phasenumwandlung in NiTi ......................................................... 2
1.2 Die Formgedächtniseffekte ............................................................................................ 7
1.3 Martensitzwillinge in NiTi .......................................................................................... 11
1.4 Experimentelle Beobachtungen bei pseudoelastischer Verformung ...................... 16
1.5 Funktionelle Ermüdung von NiTi unter zyklischer Beanspruchung ...................... 18
1.6 Die Finite-Elemente-Methode ..................................................................................... 19
2. Aufgabenstellung ................................................................................................................ 24
3. Finite-Elemente-Simulationen ........................................................................................... 26
3.1 Elastisch anisotrope Untersuchungen von martensitischen Zwillings-
grenzflächen .................................................................................................................. 26
3.2 Einachsige Zugversuche an pseudoelastischen Draht- und Bandproben ............... 34
3.3 Zugversuche an gekerbten und gelochten Blechproben .......................................... 40
3.4 Untersuchungen zum Stoffgesetz und zur Netzabhängigkeit .................................. 45
3.5 Zyklische Versuche an ausgewählten Probengeometrien ......................................... 46
4. Ergebnisse ........................................................................................................................... 50
4.1 Kompatibilitätsspannungen an Zwillingsgrenzflächen ............................................ 50
4.2 Lokalisierung der martensitischen Phasenumwandlung ......................................... 63
II Inhaltsverzeichnis
4.3 Einfluss der Probengeometrie auf das Umwandlungsverhalten ............................. 69
4.4 Zyklische Versuche ...................................................................................................... 81
4.5 Einfluss der Umwandlungsdehnung und der Netzdichte auf die Austenit-
Martensit-Phasengrenze ............................................................................................... 88
5. Diskussion ........................................................................................................................... 92
5.1 Herleitung eines analytischen Modells zur Berechnung von Kompatibilitäts-
spannungen an martensitischen Zwillingsgrenzflächen ............................................ 92
5.2 Experimentelle Einflüsse zur Stabilisierung der lokalisierten Umwandlung ...... 101
5.3 Ausbreitungsverhalten und Eigenschaften von Phasengrenzen in NiTi .............. 104
5.4 Spannungs- und Verformungszustände an Meso-Phasengrenzen in
Drahtproben ................................................................................................................ 108
5.5 Degradation der funktionellen Eigenschaften unter zyklischer Beanspruchung 111
6. Zusammenfassung und Ausblick .................................................................................... 114
7. Literatur ............................................................................................................................ 119
8. Anhänge .............................................................................................................................. A1
Anhang A: Das Transformations-Dehnungs-Modell nach Azadi ................................ A1
Anhang B: Erweiterung des Modells auf funktionelle Ermüdung ............................. A12
Anhang C: Ermittlung der Materialparameter aus experimentellen Datensätzen ... A14
Anhang D: Implementierung des Quellcodes als VUMAT-Subroutine ..................... A17
Bisherige Veröffentlichungen ......................................................................................... A49
Lebenslauf ........................................................................................................................ A51
Abkürzungsverzeichnis III
Abkürzungen, Symbole und Formelzeichen
Lateinische Symbole und Abkürzungen
A Querschnittsfläche in mm2 / Geometriefaktor / Konstante
A Austenit / Konstante
a Gitterkonstante in 10-10m
A0 Ausgangsquerschnittsfläche in mm2
a0 Gitterkonstante einer kubischen Einheitszelle in 10-10m
A0,A Querschnittsfläche in mm2 an der Stelle A
A0,B Querschnittsfläche in mm2 an der Stelle B
AF austenite finish-Temperatur in °C
Ag Silber
aij Koeffizienten der Matrix A
A ij Matrix
Al Aluminium
AS austenite start-Temperatur in °C
at.-% Atom-Prozent
Au Gold
B Bor / Probenbreite / Konstante
b Breite in mm / Gitterkonstante in 10-10m
B19’ Kristallstruktur des Martensits
B2 Kristallstruktur des Austenits
Ba Barium
IV Abkürzungsverzeichnis
C Kohlenstoff / Steifigkeitsmatrix
C, Cijkl Steifigkeitsmatrix
c Gitterkonstante in 10-10m
c1 Sättigungsspannung Belastungsplateau in MPa
c2 Exponentialkoeffizient Belastungsplateau
c3 Sättigungsspannung Entlastungsplateau in MPa
c4 Exponentialkoeffizient Entlastungsplateau
c5 Maximale bleibende Dehnung in % der Transformationsdehnung
c6 Exponentialkoeffizient bleibende Dehnung
Cd Cadmium
Co Kobalt
CT Kompakt-Zugversuch (engl.: compact tension)
Cu Kupfer
D Durchmesser in mm
DIC Digitale Bildkorrelation (engl.: digital image correlation)
DSC Differenzkalorimeter (engl.: differential scanning calorimeter)
E effektiver Elastizitätsmodul
EA Elastizitätsmodul des Austenits in GPa
EM Elastizitätsmodul des Martensits in GPa
EWE Einwegeffekt
F Kraft in N
Fe Eisen
FE Funktionelle Ermüdung
Abkürzungsverzeichnis V
FEM Finite-Elemente-Methode
FG Formgedächtnis
FGE Formgedächtniseffekt(e)
FGL Formgedächtnislegierung(en)
FGP Formgedächtnispolymer(e)
G Freie Gibbssche Enthalpie in J
∆G Differenz der freien Gibbsschen Enthalpie in J
Ga Gallium
Gew.-% Gewichts-Prozent
H Enthalpie in J
IPi Nummer eines Integrationspunktes
Ji Invariante des Spannungstensors
k Fließkonstante
K Steifigkeitsmatrix
K1 Normalenvektor einer Ebene
K2 Normalenvektor einer Ebene
K2‘ Normalenvektor einer Ebene
KOS Koordinatensystem
L Länge in mm
L0 freie Messlänge in mm
M Martensit
m Masse in kg
M Massenmatrix
VI Abkürzungsverzeichnis
MF martensite finish-Temperatur in °C
Mn Mangan
MS martensite start-Temperatur in °C
N Zyklen bei funktioneller Ermüdung
Ni Nummer eines Knoten im FEM-Netz
Ni Nickel
NiTi Nickel-Titan
O Sauerstoff
Pb Blei
Pd Palladium
PE Pseudoelastizität, pseudoelastisch
Pt Platin
PUT Phasenumwandlungs-Temperatur(en)
q& massenspezifischer Wärmefluss in W/g
R Kristallstruktur der R-Phase
r Radius in mm
s Scherbetrag
S Entropie in J/K
S Deviatorischer Anteil des Spannungstensors
S, Sijkl Nachgiebigkeitsmatrix
Si Silizium
t Zeit in s / Probendicke in mm
T (Umgebungs)-Temperatur in °C / Probendicke in mm
Abkürzungsverzeichnis VII
T0 Gleichgewichts-Temperatur in °C
Ti Titan
U innere Energie in J
u Verschiebung in x-Richtung in mm
u� Geschwindigkeit in m/s
u� Beschleunigung in m/s2
v Verschiebung in y-Richtung in mm
V Volumen in m3
VUMAT Explizite benutzerdefinierte Materialroutine
w Verschiebung in z-Richtung in mm
Y Yttrium
Zi Zyklusnummer
Zn Zink
Zr Zirkon
ZWE Zweiwegeeffekt
VIII Abkürzungsverzeichnis
Griechische Symbole
α Winkel im Kristallgitter in °
β Winkel im Kristallgitter in °
γ Winkel im Kristallgitter in °, Volumenanteil des Martensits
δ Querhauptverschiebung in mm
δ•
Querhauptgeschwindigkeit in mm/min
εεεε, εij Dehnungstensor
ε, ε� wahre Dehnung in %
ε0 technische Dehnung in %
εel elastische Dehnung in %
εirr bleibende Dehnung in %
εpl plastische Dehnung in %
ε��, Δε�� Transformationsdehnung in %
∆ε Transformationsdehnung in % / Differenzdehnung in %
ε , ε� Kompatibilitätsdehnung in %
Δε, Δε� Differenz der Kompatibilitätsdehnung in %
ε� , ε�� Aufgebrachte Dehnung in %
Δε�,Δε�� Differenz der aufgebrachten Dehnung in %
Ι Kristall / Variante
ΙΙ Kristall / Variante
η� Scherrichtung
η� Scherrichtung
Abkürzungsverzeichnis IX
� Scherrichtung
ν effektive Querkontraktionszahl
νA Querkontraktionszahl für den Austenit
νM Querkontraktionszahl für den Martensit
ρ Dichte in kg/m3
σσσσ, σij Spannungstensor
σ, σi wahre Spannung in MPa
σ0 technische Spannung in MPa
σ1 obere Spannung im Belastungsplateau in MPa
σ2 untere Spannung im Belastungsplateau in MPa
σ3 untere Spannung im Entlastungsplateau in MPa
σ4 obere Spannung im Entlastungsplateau in MPa
σAM Spannung des Belastungsplateaus im Zugversuch in MPa
σMA Spannung des Entlastungsplateaus im Zugversuch in MPa
σ�� Spannung bei Beginn der Umwandlung in den Martensit in MPa
(engl.: martensite nucleation)
σ� Spannung bei Ende der Umwandlung in den Martensit in MPa
(engl.: martensite completion)
σ�� Spannung bei Beginn der Umwandlung in den Austenit in MPa
(engl.: austenite nucleation)
σ� Spannung bei Ende der Umwandlung in den Austenit in MPa
(engl.: austenite completion)
X Abkürzungsverzeichnis
��,��� Plateauspannung bei der Hinumwandlung in MPa
σ����,�ü�� Plateauspannung bei der Rückumwandlung in MPa
σY Fließspannung in MPa
σ Von-Mises-Vergleichsspannung in MPa
σ, σ� Kompatibilitätsspannung in MPa
Δσ, Δσ� Differenzkompatibilitätsspannung in MPa
σ�,σ�� Aufgebrachte Spannungen in MPa
Δσ�,Δσ�� Differenz der aufgebrachten Spannung in MPa
θ Winkel in Zylinderkoordinaten in °
Einleitung und Grundlagen 1
1. Einleitung und Grundlagen
Das Formgedächtnis (FG) beschreibt im Allgemeinen die Fähigkeit eines Werkstoffs, sich
nach einer Gestaltänderung an seine ursprüngliche Form zu erinnern und diese entweder
thermisch oder mechanisch induziert wieder einzunehmen [1]. Diese außergewöhnliche
Materialeigenschaft wird als Formgedächtniseffekt (FGE) bezeichnet und kann sowohl in
Polymeren und Keramiken als auch in Legierungen beobachtet werden.
Polyurethane, Polyetherester und Polynorbornen als Formgedächtnispolymere (FGP) sind,
speziell im Hinblick auf biomedizinische Anwendungen, Gegenstand der aktuellen Forschung
[2-4]. Auch keramische Materialen wie YBaCuO oder PbTiO3 weisen ein Formgedächtnis auf
[5, 6]. Die technologisch größte Relevanz erzielen jedoch die Formgedächtnislegierungen
(FGL). Der FGE konnte unter anderem in folgenden Legierungssystemen nachgewiesen
werden: AuCd, CuAlNi, FePd, FeMnSi, CoNiGa, NiFeGa, TiPd, NiMnGa, und NiTi [7-14].
Im Vergleich zu anderen FGL zeigen die NiTi-FGL eine besonders günstige Kombination
von guten mechanischen Eigenschaften und funktioneller Stabilität [1, 15]. Darüber hinaus ist
ihre Korrosionsbeständigkeit und Biokompatibilität ein wesentlicher Grund dafür, weshalb
sich unter der Vielzahl von FGL die NiTi-basierten FGL in der praktischen Anwendung
durchgesetzt haben [16, 17].
Abb. 1-1: Einige Anwendungsbeispiele hochflexibler NiTi-Komponenten aus der Medizintechnik: a) Wurzel-kanalbohrer aus der Dentaltechnik von der Firma Eway Dental Inc. Ltd. [18] b) Verschiedene Stentstrukturen der Firma SAES Getters [19], die zur Stabilisierung von Blutgefäßen eingesetzt werden.
Ca. 80-90 % aller Anwendungen von NiTi finden sich im Markt der Medizintechnik [20]. Sie
verteilen sich in dieser Branche überwiegend auf medizinische Geräte und Werkzeuge
(Gewebespreizer, Führungsdrähte in Kathetern oder Endoskopen) oder Implantate (Stents,
Okkluder, Knochenklammern, Kieferhalteelemente oder Zahnspangendrähte) [21]. In der
Luft- und Raumfahrt, dem Automobilbau, der Ventiltechnik, der Mikrosystemtechnik und
2 Einleitung und Grundlagen
vielen anderen Industriebereichen werden FGL ebenfalls bereits angewendet [22-27]. Dort
kommen NiTi-Komponenten u.a. in Entriegelungsmechanismen oder anderen Aktorik-
anwendungen zum Einsatz. Vor dem Hintergrund der aktuellen Themen Energieeffizienz und
CO2-Reduktion können die besonderen funktionellen Eigenschaften des Materials einen
wichtigen Beitrag zur Entwicklung zukünftiger Technologien leisten. Standardbauteile, wie
servoelektrische Stellantriebe, die heute millionenfach eingesetzt werden, könnten durch
einfache NiTi-Draht-Aktoren substituiert werden. Das damit verbundene Gewichts-
einsparungspotential kann unter günstigen Umständen zu einem deutlichen Anstieg der
industriellen Nachfrage nach diesen Werkstoffen führen und sie damit auch für weitere
Anwendungsfelder wirtschaftlich attraktiv machen.
1.1 Die martensitische Phasenumwandlung in NiTi
Der Formgedächtniseffekt in metallischen Formgedächtnismaterialien beruht auf einer
reversiblen martensitischen Phasenumwandlung [1]. Hierbei handelt es sich um eine
Umwandlung erster Ordnung im festen Zustand. Eine diffusionslose Scherung des
Kristallgitters ermöglicht bereits bei relativ niedrigen Temperaturen die Umwandlung
zwischen verschiedenen Kristallstrukturen. Auf der atomaren Längenskala vollzieht sich
dabei eine kooperative Bewegung von Atomen, die makroskopisch reversible Dehnungen in
einer Größenordnung von ca. 10 % zur Folge hat.
Abb. 1-2 zeigt schematisch die Umwandlung beim Abkühlen aus der Hochtemperaturphase
Austenit in die bei niedrigeren Temperaturen stabile Phase Martensit. Die austenitische
Phase besitzt eine geordnete kubisch-raumzentrierte B2-Struktur mit einer Gitterkonstanten
von a0 = 3.015 Å [28]. Betrachtet man eine solche B2-Elementarzelle, so befinden sich auf
den Eckpunkten der Elementarzelle Ti-Atome, während sich ein Ni-Atom im Zentrum
aufhält. Die martensitische Umwandlung in NiTi kann durch eine Scherung sowie Änderung
der Gitterkonstanten beschrieben werden. Abb. 1-2b zeigt, dass innerhalb einer austenitischen
Elementarzelle eine tetragonale Struktur identifiziert werden kann (fett gezeichnete schwarze
Linien). Wird diese tetragonale Zelle geschert und ist gleichzeitig die Relaxation der
Gittervarianten zugelassen, so ergibt sich die in Abb. 1-2d dargestellte monokline
B19’-Struktur, die als Martensit bezeichnet wird. Ihre Gitterkonstanten sind a = 4.108 Å,
b = 2.898 Å und c = 4.646 Å [29]. Mit dem monoklinen Winkel � = 97.78° ist die Struktur
vollständig definiert. Bei der Nukleation eines Martensitkeims in einer Austenit-Matrix führt
Einleitung und Grundlagen 3
der beschriebene Scherprozess zu einer Verzerrung des umliegenden Kristallgitters. Die
daraus resultierende und energetisch ungünstige Erhöhung der Verzerrungsenergie kann durch
verschiedene Akkommodationsprozesse reduziert und ggf. minimiert werden. Plastisches
Gleiten oder mechanische Zwillingsbildung sind Vorgänge, welche mit der Entstehung von
Versetzungen verbunden sind und daher irreversibel sind. Im Gegensatz dazu kann sich durch
die Bildung unterschiedlicher Martensitvarianten eine sogenannte Selbstakkommodation
einstellen. Die einzelnen martensitischen Varianten liefern dabei Verformungsanteile in
unterschiedliche Richtungen und ordnen sich so an, dass die ursprüngliche
Abb. 1-2: Schematische Darstellung der Phasenumwandlung von Austenit (B2) zu Martensit (B19’) in NiTi. a) Hochtemperaturphase Austenit, b) tetragonale Kristallstruktur (mit dicken Linien gekennzeichnet) innerhalb einer Anordnung von vier kubischen Elementarzellen des Austenits, c) die Scherung (angedeutet durch zwei Pfeile) der tetragonalen Struktur bei gleichzeitiger Relaxation der Gitterkonstanten resultiert in der monoklinen Elementarzelle des B19’-Martensits, d).
makroskopische Form in guter Näherung erhalten bleibt. Dieser Prozess kommt idealerweise
ohne die Entstehung von Versetzungen aus, weswegen er unter idealisierten Bedingungen
einen vollständig reversiblen Charakter aufweist. Die einzelnen Martensitvarianten besitzen
spezielle Orientierungsbeziehungen zueinander und ordnen sich als sogenannte Zwillinge an.
Im dreidimensionalen Kristall können aufgrund der Symmetrie der monoklinen B19’-Struktur
in NiTi 12 einkristalline Martensitvarianten gebildet werden [30], aus denen sich wiederum
verschiedene Zwillingstypen zusammensetzen können.
4 Einleitung und Grundlagen
Die temperaturinduzierte Phasenumwandlung ist durch charakteristische Temperaturen
gekennzeichnet, die jeweils den Beginn und das Ende der Umwandlung zwischen den
unterschiedlichen Kristallstrukturen definieren. Wird aus der Hochtemperaturphase abgekühlt,
so setzt die Umwandlung in den Martensit bei der Martensit-Start-Temperatur MS ein und ist
mit dem Erreichen der Martensit-Finish-Temperatur MF vollständig abgeschlossen. Bei der
Umwandlung des Martensits in den Austenit werden die Temperaturen analog mit Austenit-
Start-Temperatur AS und Austenit-Finish-Temperatur AF bezeichnet. Die Phasenum-
wandlungstemperaturen (PUT) können durch verschiedene physikalische Methoden ermittelt
werden. Neben der Bestimmung der PUT über den spezifischen elektrischen Widerstand
haben sich differenzkalorimetrische Untersuchungen, welche Umwandlungswärmen bei einer
Phasenumwandlung detektieren, etabliert. Abb. 1-3 zeigt anhand einer für NiTi-FGL
typischen DSC-Kurve (engl.: Differential Scanning Calorimetry) die Messung der PUT über
eine Tangentenschnittmethode. Hierbei wird an die Flanken der exothermen (Abkühlen) und
endothermen (Aufheizen) Peaks eine Tangente angelegt und mit der jeweiligen Grundlinie
(engl.: Baseline) der Umwandlung zum Schnitt gebracht. Die auf diese Weise konstruktiv
ermittelten Schnittpunkte werden bei diesem Auswertungsverfahren als Umwandlungstem-
peraturen definiert.
Abb. 1-3: Die charakteristischen Umwandlungstemperaturen der martensitischen Phasenumwandlung können u.a. durch kalorimetrische Untersuchungen bestimmt werden. Beim Abkühlen aus dem Austenit beginnt die Umwandlung mit der Martensit-Start-Temperatur MS und ist mit dem Erreichen der Martensit-Finish-Temperatur MF abgeschlossen.
Einleitung und Grundlagen 5
NiTi ist eine intermetallische Phase, die im binären System Nickel und Titan auftritt. Abb. 1-4
zeigt einen Ausschnitt aus dem Zustandsdiagramm in einem Bereich von 600 – 1800 °C. Die
Phase tritt nur in einem sehr schmalen Konzentrationsbereich auf, der sich von ca. 49 –
55 at.-% Ni erstreckt. Thermomechanische Behandlungen von NiTi können unter gewissen
Umständen zu Ausscheidungsreaktion führen [31]. Je nach Legierungszusammensetzung und
lokaler Matrixkonzentration kann es dabei zur Ausscheidung von entweder Ni-reichen
Phasen, wie der metastabilen Phase Ni4Ti3 [32], oder aber Ti-reicher Phasen, wie NiTi2,
kommen [33]. Aus technologischer Sicht müssen derartige Ausscheidungsreaktionen
kontrolliert werden, da sie die chemische Zusammensetzung in der umgebenden Matrix
verändern und damit die Umwandlungstemperaturen verschieben. Abb. 1-5 zeigt, dass eine
Veränderung des Ni-Gehalts in der Matrix um 0.1 at.-% die Umwandlungstemperaturen um
etwa 8 K verschiebt. Dies hat wiederum einen signifikanten Einfluss auf die makroskopischen
Eigenschaften des Materials und kann ggf. zu Schwierigkeiten bei der thermomechanischen
Verarbeitung führen.
Abb. 1-4: Ausschnitt aus dem binären Zustandsdiagramm des System Nickel-Titan, modifiziert nach [34]. Die intermetallische Phase NiTi (durch den schraffierten Bereich gekennzeichnet) kann in einem eingeschränkten Ni-Konzentrationsbereich zwischen 49 – 55 at.-% beobachtet werden.
Thermodynamisch kann die Phasenumwandlung auch über die Betrachtung der freien
Gibbsschen Enthalpie beschrieben werden. Sie stellt die thermodynamische Triebkraft der
6 Einleitung und Grundlagen
Umwandlung dar und ist unter der Voraussetzung eines konstanten Drucks definiert als
G � H ! TS (1-1)
Hierbei entspricht H der Enthalpie, T der Temperatur und S der Entropie. Gl. (1-1) zeigt, dass
bei niedrigen Temperaturen das Umwandlungsverhalten durch den energetischen Term
(Enthalpie) dominiert wird. Bei steigenden Temperaturen gewinnt der entropische Term
Abb. 1-5: Die Martensit-Start-Temperatur weist eine starke Abhängigkeit von der Ni-Konzentration auf [35].
zunehmend an Bedeutung. Abb. 1-6 zeigt schematisch, dass ein thermodynamisches
Gleichgewicht zwischen zwei Phasen (jeweils charakterisiert über eine G(T)-Kurve) vorliegt,
wenn die Bedingung
∆G � 0 (1-2)
erfüllt ist. Die Temperatur im Phasengleichgewicht wird auch als Gleichgewichtstemperatur
T0 bezeichnet. Ein System ist bestrebt, die freie Energie zu minimieren und verändert daher
Einleitung und Grundlagen 7
seinen Zustand, um diesem Prinzip zu folgen. Es kann dies entweder erreichen, indem es
seine Enthalpie verringert, oder indem es die Entropie vergrößert. Die Phasenumwandlung
Abb. 1-6: Schematische Darstellung der G(T)-Verläufe für Austenit (GA) und Martensit (GM). Bei der Abkühlung erfolgt die Phasenumwandlung in den Martensit bei der Martensit-Start-Temperatur Ms, die niedriger als die Gleichgewichtstemperatur T0 ist. Der Beginn der Phasenumwandlung erfordert eine Unterkühlung, um die notwendige Triebkraft für Keimbildungsprozesse bereitzustellen.
findet in der Realität nicht exakt bei T0 statt, sondern erfordert eine gewisse Unterkühlung,
um Keimbildungsprozesses zu ermöglichen. Dies steht in direktem Zusammenhang mit den
Phasenumwandlungstemperaturen und der thermischen Hysterese (vgl. Abb. 1-3).
1.2 Die Formgedächtniseffekte
Obwohl alle Formgedächtniseffekte mit der martensitischen Phasenumwandlung dem
gleichen Grundmechanismus unterliegen, können diese dennoch in drei Ausprägungen
auftreten. Die verschiedenen Effekte unterscheiden sich dabei makroskopisch in ihrem
thermomechanischen Verhalten. Mikrostrukturelle Ursachen, wie die Zwillingsbildung, aber
auch das Vorliegen von Gitterdefekten, spielen eine ebenfalls eine entscheidende Rolle für
das Materialverhalten. Die jeweiligen Zusammenhänge werden im Folgenden für die drei
Effekte – Einwegeffekt (EWE), Zweiwegeffekt (ZWE) und Pseudoelastizität (PE)
beschrieben.
8 Einleitung und Grundlagen
Der EWE (thermisches Formgedächtnis) zeigt einen sogenannten pseudoplastischen
Charakter: Eine scheinbar plastische Verformung kann durch eine Erwärmung wieder
kompensiert werden. Abb. 1-7 beschreibt schematisch das Materialverhalten im
dreidimensionalen Spannungs-Dehnungs-Temperatur-Raum. Im Ausgangszustand liegt im
Gefüge des Werkstoffs ein regellos verzwillingter Martensit vor. Wird dieser belastet, so
verformt er sich auf dem Weg von (0) zu (1) zunächst linear elastisch. Mit dem Überschreiten
einer kritischen Spannung an Punkt (1) beginnt der Martensit zu entzwillingen. Dabei
wachsen zur Spannungsrichtung günstig orientierte Varianten auf Kosten anderer. Diese
Reorientierung des Martensits läuft bei annähernd konstanter Spannung bis Punkt (2) ab.
Abb. 1-7: Schematische Darstellung des Einwegeffektes im Spannungs-Dehnungs-Temperaturdiagramm. Nach einer pseudoplastischen Verformung kann die Ausgangsgestalt durch eine Erwärmung über die Austenit-Finish-Temperatur wieder vollständig herstellt werden.
Makroskopisch erzielt dieser Verformungsmechanismus Dehnungen in einer Größenordnung
von bis zu 10 % [1]. Wird der Martensit von Punkt (2) zu (2’) weiter belastet, so verformt er
sich zunächst linear elastisch und im Anschluss daran durch das Entstehen von irreversiblen
Gitterdefekten (Versetzungen) plastisch. Wird das Material jedoch ab Punkt (2) bis Punkt (3)
elastisch entlastet, so kann eine bleibende Verformung beobachtet werden. Eine
anschließende Erwärmung setzt bei dem Überschreiten der Austenit-Start-Temperatur ab
Punkt (4) die Rückumwandlung vom Martensit in den Austenit und damit in eine exakt
festgelegte Gitterkonfiguration in Gang. Die pseudoplastische Verformung wird durch diese
Phasenumwandlung nahezu vollständig (Punkt(5)) aufgehoben, so dass bei diesem Prozess
die ursprüngliche makroskopische Gestalt des Materials wiederhergestellt wird. Nach einer
Abkühlung und dem Durchschreiten der Martensit-Start- und anschließend Martensit-Finish-
Einleitung und Grundlagen 9
Temperatur, stellt sich die ursprüngliche Mikrostruktur (verzwillingter Martensit) ein, ohne
die makroskopische Form zu verändern.
Beim ZWE erfolgt die Formänderung des Materials unter (geringer) konstanter Spannung
ausschließlich über die Änderung der Temperatur. Der Werkstoff wandelt dabei zwischen der
Hochtemperaturgestalt (Austenit) und der Tieftemperaturgestalt (Martensit) um. Anders als
beim EWE liegt nach einer Abkühlung kein regellos verzwillingter Martensit vor. Innere
Spannungen sorgen für eine Ausrichtung des Martensits. Diese Spannungen werden durch
Ausscheidungen oder Versetzungen in das Material eingebracht, welche durch vorgeschaltete
thermomechanische Behandlungen im Vorfeld entstanden sind. Das gezielte Einstellen dieses
Verhaltens wird auch als „Trainieren“ bezeichnet [36-38]. Der ZWE ist schematisch in
Abb. 1-8 dargestellt. Ausgehend von erhöhten Temperaturen im Punkt (0) wird durch
Abkühlen beim Unterschreiten der Martensit-Start-Temperatur die Phasenumwandlung
eingeleitet. Dabei klappt das Gitter von der kubisch raumzentrierten Kristallstruktur des
Austenits in einen ausgerichteten Martensit in Punkt (2). Dabei wird eine
Umwandlungsdehnung ∆+ erzielt, die für die makroskopische Formänderung verantwortlich
ist. Eine anschließende Erwärmung startet bei Überschreiten der Austenit-Start-Temperatur in
Punkt (3) die Rückumwandlung in den Austenit. Mit dem erneuten Erreichen des Punkts (0)
befindet sich das Material wieder im Ausgangszustand. Die beim ZWE erzielten
Deformationen sind betragsmäßig etwas geringer als es beim EWE.
Abb. 1-8: Schematische Darstellung des Zweiwegeffekts im Dehnungs-Temperatur-Diagramm. Ein thermo-mechanisch „trainiertes“ Material kann unter konstanter Last durch alternierendes Heizen und Kühlen zwischen zwei definierten Gestalten umwandeln.
10 Einleitung und Grundlagen
Die Pseudoelastizität (PE) beschreibt ein mechanisches Formgedächtnis. Sie tritt im Vergleich
zum EWE bei höheren Temperaturen (oberhalb von AF) auf, wenn also der Austenit
thermodynamisch stabil vorliegt. Die Phasenumwandlung in den Martensit erfolgt dann
spannungsinduziert und bedarf keiner Änderung der Temperatur. Die Rückumwandlung in
den Austenit geschieht durch eine rein mechanische Entlastung. Abb. 1-9 stellt das
Materialverhalten schematisch bei pseudoelastischer Verformung dar. Die Probe befindet sich
im Ausgangszustand zunächst in der austenitischen Kristallstruktur, Punkt (0). Durch eine
Verformung wird der Austenit elastisch verzerrt, bis eine kritische Spannung erreicht wird,
welche die spannungsinduzierte Phasenumwandlung in den Martensit bei Punkt (1) markiert.
Diese Umwandlung von Punkt (1) nach (2) vollzieht sich bei einer nahezu konstanten
Spannung, so dass ein Belastungsplateau beobachtet werden kann. Aufgrund der
mechanischen Belastung entstehen vornehmlich zur wirkenden Spannung günstig orientierte
Varianten des Martensits. Makroskopische Dehnungen in einer Größenordnung von 8 – 10 %
können durch die pseudoelastische Verformung erreicht werden [1]. Nachdem der
Abb. 1-9: Schematische Darstellung des pseudoelastischen Materialverhaltens im Spannungs-Dehnungs-Diagramm.
Austenit vollständig umgewandelt ist, würde eine weitere Verformung der Probe den
Martensit elastisch und anschließend plastisch verformen. Eine Rückverformung der Probe,
beginnend kurz hinter dem Belastungsplateau, entlastet den Martensit elastisch, bis ab einer
kritischen Spannung (Punkt (3)) die Rückumwandlung in den Austenit einsetzt. Analog zur
Umwandlung während der Belastung vollzieht sich die Umwandlung des Martensits in den
Austenit auf einem niedrigeren Spannungsplateau, welches nun als Entlastungsplateau
Einleitung und Grundlagen 11
bezeichnet wird. Wenn das Material wieder vollständig austenitisch ist (Punkt (4)), verhält
sich dieses wieder rein elastisch, bis der Ausgangszustand bei Punkt (0) erneut erreicht ist.
1.3 Martensitzwillinge in NiTi
Zwillinge im materialwissenschaftlichen Sinne sind Kristalle, die aus zwei Teilen bestehen
und dabei besondere Orientierungsbeziehungen zueinander aufweisen. Zwillingsstrukturen
können auf verschiedenen Längenskalen in Mikrostrukturen diverser Werkstoffe beobachtet
werden. Oft werden sie in Verformungs-, Glüh- und Umwandlungs-Zwillinge unterteilt.
Verformungs- oder Deformations-Zwillinge werden durch eine mechanische Verformung
erzeugt. Glüh-Zwillinge entstehen bei der Rekristallisation stark verformter Kristalle.
Umwandlungs-Zwillinge werden bei der martensitischen Phasenumwandlung gebildet.
Abb. 1-10 zeigt exemplarisch Martensitzwillinge in nanokristallinem NiTi gezeigt [39] und
Glüh-Zwillinge in Reinkupfer [40] In der transmissionselektronenmikroskopischen Hellfeld-
Abb. 1-10: Zwillingsstrukturen auf verschiedenen Längenskalen und in unterschiedlichen Werkstoffen. a) Martensitische Zwillinge in nanokristallinem NiTi aus einer Arbeit von T. Waitz et al. [39], b) Zwillinge in rekristalliertem OFHC (engl.: Oxygen-Free High Conductivity) Kupfer, mit freundlicher Genehmigung von F. Otto [40].
aufnahme in Abb. 1-10a sind feine lamellare Zwillinge zu erkennen. Die einzelnen Lamellen
weisen eine Breite von nur wenigen nm auf. Abb. 1-10b zeigt im Gegensatz dazu
Rekristallisations-Zwillinge in einer OHFC (engl.: Oxygen-Free High Conductivity) Kupfer-
Legierung [40]. In diesem Beispiel sind die Zwillingsstrukturen um mehrere
Größenordnungen größer. Die Bildung martensitischer Zwillinge beeinflusst das
makroskopische Verhalten von NiTi-FGL und spielt daher eine wichtige Rolle für das
Verständnis der Formgedächtniseigenschaften (vgl. Kap. 1.2). Im Folgenden sollen die
12 Einleitung und Grundlagen
wesentlichen Bestimmungselemente für die kristallographische Beschreibung von Zwillingen
aufgezeigt werden. Das hierfür verwendete Koordinatensystem wird in dieser Arbeit für alle
zwillingsrelevanten Darstellungen und Ergebnisse konsistent eingehalten; sämtliche
kristallographischen Bezeichnungen (Ebenen und Richtungen) sind an dieses System
angepasst. Abb. 1-11 beschreibt in Anlehnung an [41] die Bestimmungselemente schematisch
an einer Einheitskugel (Radius 1) und ihrem gescherten Zwilling. Die zweite Variante des
Zwillings (gescherte Einheitskugel) entsteht hierbei durch eine Scherung der ersten Variante
(ungescherte Einheitskugel) parallel zur Zwillingsebene (oder Zwillingsgrenzfläche) K1. Der
Normalenvektor von K1 zeigt in 2-Richtung im globalen kartesischen Koordinatensystem. η1
liegt parallel zur 1-Richtung und kennzeichnet die Scherrichtung, s den Betrag der Scherung.
K1 und K2 kennzeichnen relativ zur Scherung invariante Ebenen, die auch als Habitusebenen
bezeichnet werden. Die Ebene K2 wird durch die Scherung lediglich rotiert, woraus aus ihr
die K2’-Ebene wird. η2 ergibt sich aus dem Schnitt der Scherebene (Normalenvektor in
3-Richtung) mit K2. Analog gilt dies für η2’. An dieser Stelle sei hervorgehoben, dass die hier
beschriebene Scherung der Einheitskugel zwar zur Veranschaulichung der geometrischen
Beziehungen in beliebigen Zwillingen dient, aber nur im Fall von mechanischen
(Verformungs-)Zwillingen tatsächlich so auftritt. Je nach Symmetrie und Orientierungs-
beziehung werden Zwillinge in drei verschiedene Arten eingeteilt. In sogenannten
Typ I-Zwillingen weisen die beiden Zwillingsvarianten eine Spiegelsymmetrie bezüglich der
K1-Ebene zueinander auf. Zwillinge dieser Ausprägungen sind für K1 und η2 rational und für
K2 und η1 irrational indiziert. Typ II-Zwillinge weisen geometrisch eine Rotationssymmetrie
um die Scherrichtung η1 auf. Durch eine Rotation um 180° entsteht aus Variante I die
Variante II. Im Gegensatz zu den Typ I-Zwillingen sind hier K2 und η1 rational und K1 und η2
irrational indiziert. In dem besonderen Fall, dass sowohl K1 und η1, als auch K2 und η2
rational sind, weist der Zwilling eine Spiegelsymmetrie zur K1-Ebene sowie eine
Rotationssymmetrie bezüglich η1 auf. Zwillinge dieses Typs werden daher auch als
Verbindungs-Zwillinge (engl.: compound twins) bezeichnet [42]. In Tab. 1-1 sind, in
Anlehnung an die Übersicht von Otsuka und Ren in [41], die wichtigsten in NiTi auftretenden
Zwillingstypen mit ihren jeweiligen Bezeichnungs-Elementen zusammengefasst. Dabei ist zu
beachten, dass sich die Notation bzgl. Einzelner kristallographischer Richtungen von [41]
unterscheidet und sich konsequent an der Zuordnung von Gitterkonstanten bzw. Richtungen
aus [43] orientiert, um eine fehlerfreie Berücksichtigung der dort angegebenen elastischen
Konstanten zu ermöglichen. Abb. 1-12 zeigt schematisch die in NiTi am häufigsten
auftretenden Zwillingssysteme. Der (100)-Verbindungs-Zwilling kann in ultrafeinkörnigem
Einleitung und Grundlagen 13
NiTi beobachtet werden. In grobkörnigem Material hingegen tritt der <110>-Typ II-Zwilling
primär auf. Eher seltener werden Zwillinge vom Typ I beobachtet. Drei verschiedene
Typ I-Zwillinge sind in Abb. 1-13 (vgl. Tab 1-1) dargestellt. Die zweite Variante entsteht
jeweils durch eine Spiegelung an der η1 enthaltenden, senkrecht auf der Zeichnungsebene
stehenden, Ebene.
Abb. 1-11: Modifizierte Darstellung der wesentlichen Bestimmungselemente von Zwillingen nach Otsuka und Ren [41]. Die Scherung der oberen Hälfte einer Einheitskugel kann zur Beschreibung der mechanischen Zwillingsbildung herangezogen werden.
Tab. 1-1: Wichtige Zwillingssysteme in NiTi nach Otsuka und Ren [41]. Im Vergleich zu [41] sind die ersten und dritten Indizes vertauscht, um der Notation von [43] zu folgen.
Zwillingsmodus K1 ηηηη1 K 2 ηηηη2 s
(100*-Verb.-Zwilling &110* ,001- &001* ,100- 0.23848 <110> Typ II (12 1 0.72053) ,110- (110* ,12 1 1.57271- 0.2804 {110} Typ I (110* ,12 1 1.57271- ( 12 1.57271* ,110- 0.2804 {111} Typ I (111* ,1 0.51172 1.5117222222222222- (1 0.3375 0.6687522222222222) ,112- 0.14222 612117 Typ I &1211* ,1 0.45957 0.54043- (1 0.50611 0.24695) ,1122222- 0.30961
Verschiedene theoretische Arbeiten haben unabhängig voneinander gezeigt, dass
martensitische Kristallstrukturen in NiTi elastisch anisotrope Eigenschaften aufweisen
[43, 44].Von wissenschaftlich besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang das
mechanische Verhalten der Zwillingsgrenzfläche, die unterschiedlich zueinander orientierte
(und in sich jeweils elastisch anisotrope) Varianten miteinander verbindet. Da die
14 Einleitung und Grundlagen
Abb. 1-12: Experimentell häufig beobachtete Zwillingssysteme in NiTi nach [45]. a) Der (100)-Verbindungs-Zwilling. Die Variante II des Verbindungs-Zwillings entsteht durch die homogene Scherung s in Richtung von η1. b) zeigt einen <110>-Typ II-Zwilling. Variante II entsteht hier durch eine Rotation von Variante I um η1. Die Orientierung der Varianten ist jeweils über die Achsen a und c rein geometrisch angedeutet.
geometrische Kompatibilität an der Grenzfläche gewährleistet bleiben muss, können sich die
Zwillingsvarianten nicht unabhängig voneinander verformen. Als Konsequenz der elastischen
Anisotropie entstehen daher unter äußerer Last sogenannte Kompatibilitätsspannungen.
Abb. 1-13: Zwillinge vom Typ I werden in NiTi seltener beobachtet. Die Variante II entsteht jeweils durch eine Spiegelung von Variante I an der K1-Ebene (die Richtung η1 liegt in der K1-Ebene). Die Orientierung der Varianten ist über die Achsen a und c gekennzeichnet. Die schematische Darstellung orientiert sich an einer Abbildung aus [45].
Gemperlova et al. stellten in [46] ein Modell für die Kompatibilitätsspannungen an der
Grenzfläche in unendlich ausgedehnten Bikristallen mit beliebiger Orientierung vor. Die
Berechnung der Kompatibilitätsspannungen erfordert eine Beschreibung der elastischen
Eigenschaften beider Kristall-Hälften in einem gemeinsamen Koordinatensystem. Im Rahmen
dieser Arbeit soll das Konzept durch die Berücksichtigung der elastischen Konstanten der
B19‘-Phase auf Zwillingsgrenzflächen in NiTi übertragen werden. Die konkreten
Einleitung und Grundlagen 15
Unterschiede im elastischen Verhalten zwischen den jeweiligen zusammengehörigen
Varianten I und II eines Zwillingssystems lassen sich aufgrund der besonderen
Orientierungsbeziehungen von Zwillingen in einfacher Form anhand der Änderungen in der
elastischen Nachgiebigkeitsmatrix zusammenfassen [45].
Für die Verbindungs-Zwillinge und die Zwillinge des Typs II gilt folgendes Schema:
•••
••••••••••
.symm
oo
oo
oo
oo
Für die Typ I-Zwillinge gilt:
••
•••••••••••
o
o
oo
oo
oo
.symm
Volle Punkte kennzeichnen dabei Komponenten, die unverändert bleiben. Kreise markieren
einen Vorzeichenwechsel. Diese hier vorgestellten Zusammenhänge ermöglichen eine starke
Vereinfachung des Gemperlova-Modells für Zwillingsgrenzflächen, vgl. Kap.5.1.
16 Einleitung und Grundlagen
1.4 Experimentelle Beobachtungen bei pseudoelastischer Verformung
Eine Vielzahl experimenteller Arbeiten an makroskopischen Proben zeigt, dass die
spannungsinduzierte Phasenumwandlung in pseudoelastischem NiTi zu einer inhomogenen
Verformung des Materials führt [47-53]. Dieses Phänomen, welches auch als Lokalisierung
bezeichnet wird, konnte dabei für unterschiedliche Probengeometrien wie Drähte, Bänder,
Bleche oder auch Rohre sowohl unter einachsiger als auch unter mehrachsigen
Beanspruchungen beobachtet werden. Eine Ausnahme in diesem Verformungsverhalten stellt
die reine Torsionsbelastung von dünnwandigen Rohren dar [54], bei der sich die Verformung
der Probe homogen vollzieht. In [54] konnte ebenfalls gezeigt werden, dass sich ein nahezu
fließender Übergang zwischen homogener und lokalisierter Verformung über einen
Belastungswechsel von reiner Torsion zu einer Zugbelastung gezielt einstellen lässt.
Bei der spannungsinduzierten Phasenumwandlung bildet sich in einer austenitischen
NiTi-FGL unter äußerer Last Martensit (vgl. Kap. 1.2). Lokale Spannungserhöhungen führen
häufig dazu, dass die Keimbildung der martensitischen Phase ebenfalls lokal erfolgt. Meist
wird dies durch experimentelle Einspannbedingungen, oder aber geometrische Unstetigkeiten
wie Kerben oder Löcher begünstigt. So nukleiert bei einachsigen Zugversuchen oft Martensit
zunächst an den Einspannungen. Abb. 1-14a zeigt diese Umwandlungscharakteristik an einem
vollständigen Be- und Entlastungszyklus einer Flachzugprobe [55]. Zu Beginn des Versuchs
ist die Probe vollständig austenitisch. Ab einer kritischen, makroskopischen Verformung
entstehen im Einspannbereich martensitische Zonen, welche sich bei weiterer
dehnungskontrollierten Verlängerung der Probe Richtung Probenmitte ausbreiten. Die
Entlastung der vollständig in Martensit umgewandelten Probe führt zur Rückumwandlung in
den Austenit, wobei sich ein vergleichbares Ausbreitungsverhalten, nun aber für die
austenitischen Probenbereiche, darstellt. Die lokalisierte Phasenumwandlung kann durch
verschiedene experimentelle Methoden wie digitale Bildkorrelation (engl.: Digital Image
Correlation, kurz DIC), Thermographie, oder lokale Widerstandsmessungen untersucht
werden. Wie in Abb. 1-14 gezeigt reichen häufig bereits optische Methoden aus, um erste
qualitative Aussagen zum Verformungsverhalten pseudoelastischer NiTi-FGL zu gewinnen.
Von wissenschaftlich besonderem Interesse ist der Übergangsbereich zwischen dem noch
nicht umgewandelten Austenit und dem bereits umgewandelten Martensit während der
lokalisierten Umwandlung. Die gesamte Verformung konzentriert sich hierbei auf diesen
Bereich der Probe, während sich die äußeren Regionen in einem mechanisch quasistationären
Einleitung und Grundlagen 17
Abb. 1-14: Lokalisierung der martensitischen Phasenumwandlung im einachsigen Zugversuch und Ausbreitungsverhalten von Austenit-Martensit-Grenzflächen an einer NiTi-Bandprobe während der Be- und Entlastung, [55].
Zustand befinden und lediglich eine Translationsbewegung vollziehen. Für ein vertieftes
Verständnis der lokalisierten Umwandlung wäre es daher attraktiv, Spannungs- und
Verformungszustände an diesem Übergangsbereich zu charakterisieren und zu verstehen, um
diese in einem weiteren Schritt mit den makroskopischen Eigenschaften des Materials
sinnvoll verknüpfen zu können. Das Entstehungs- und Ausbreitungsverhalten sowie die
Anzahl dieser Bereiche, die aus makroskopischer Sicht als „Meso-Phasengrenzen“ bezeichnet
werden können [45], sind im Experiment sind von vielen unterschiedlichen Faktoren
abhängig. Die Temperatur, Mikrostruktur, Querhauptverschiebungsgeschwindigkeit oder die
Probengeometrie spielen in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle. Die kombinierte
Untersuchung dieses Phänomens durch aufeinander abgestimmte Experimente und
Simulationen bietet die Möglichkeit, werkstoffwissenschaftliche Fragestellungen zur
Lokalisierung isoliert und aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.
Finite-Elemente-Simulationen, welche das makroskopische Verhalten von pseudoelastischen
NiTi-FGL gut reproduzieren, können einen Einblick in (Proben)bereiche gewähren, die im
Experiment nur schwierig oder teilweise gar nicht zugänglich sind, und machen daher einen
wesentlichen Teil der vorliegenden Arbeit aus.
18 Einleitung und Grundlagen
1.5 Funktionelle Ermüdung von NiTi unter zyklischer Beanspruchung
Unter der Ermüdung von FGL wird die Veränderung von Materialeigenschaften unter
zyklischen (thermo-)mechanischen Beanspruchungen verstanden. Unterschieden werden muss
dabei zwischen der strukturellen und der funktionellen Ermüdung. Bei der strukturellen
Ermüdung führen zyklische Belastungen zur Bildung von Defekten in der Mikrostruktur, die
sich mit steigender Zyklenzahl akkumulieren. Bei kommt es nach dem lokalen Überschreiten
der Fließgrenze in einem ersten Stadium zur Entstehung von Rissen im Werkstoff. Noch
höhere Lastspielzahlen gehen mit dem Wachstum dieser Risse einher, bis letztendlich
vollständiges Versagen des Probenkörpers erfolgt. Auch Funktionswerkstoffe zeigen unter
zyklischen Belastungen einen Ermüdungseffekt. Hier tritt aus praktischer Sicht jedoch oft die
strukturelle Integrität in den Hintergrund: Die funktionelle Ermüdung beschreibt den
Umstand, dass sich die funktionellen Eigenschaften in Abhängigkeit der Lastspielzahl
verändern. So kann z.B. die Größe der reversiblen Dehnungen abnehmen. Für die Anwendung
ist es wichtig, abschätzen zu können, wie oft im Falle der FGL beispielweise der FGE
wiederholt werden kann, oder wie sich die Umwandlungstemperaturen verändern, wenn ein
FG-Aktor mehrfach thermisch oder mechanisch aktiviert wird.
Funktionelle Ermüdung wurde in einer Vielzahl verschiedener experimenteller und
theoretischer Arbeiten untersucht, z.B. [48, 56-59]. Es konnte gezeigt werden, dass der Effekt
unabhängig davon auftritt, ob die Phasenumwandlung thermisch oder mechanisch eingeleitet
wird. Thermische (lastfreie) Zyklen verursachen eine deutliche Verschiebung der
charakteristischen Umwandlungstemperaturen, die z.B. über kalorimetrische Untersuchungen
nachgewiesen werden können [60]. Die wiederholte spannungsinduzierte Umwandlung
hingegen verschiebt die Spannungsplateaus bei der Be- und Entlastung zu niedrigeren
Spannungen und hinterlässt selbst nach vollständiger Entlastung des Materials eine bleibende
Verformung (siehe Abb. 1-15). Akkommodationsversetzungen, die bei der Phasenum-
wandlung an der Austenit-Martensit-Grenzfläche entstehen, stellen eine mögliche Erklärung
für dieses Verhalten dar [61, 62].
Auch für das Verständnis von funktioneller Ermüdung in NiTi-FGL spielt das lokalisierte
Umwandlungsverhalten eine wichtige Rolle. Die mikrostrukturellen Veränderungen im
Werkstoff sind auf diejenigen Bereiche im Bauteil konzentriert, die eine Phasenumwandlung
durchlaufen. Dies ist die Ursache dafür, dass sich die funktionellen und mikrostrukturellen
Eigenschaften während der zyklischen Betätigung des FGE inhomogen und nur in den
Einleitung und Grundlagen 19
Abb. 1-15: Zyklische Versuche an pseudoelastischen NiTi-FGL, [48]. Das wiederholte Betätigen der martensitischen Phasenumwandlung führt zu irreversiblen mikrostrukturellen Veränderungen, die sich in den makroskopischen Eigenschaften des Werkstoffs widerspiegeln. Neben dem Absinken der Plateauspannungen ist dieses Verhalten durch eine Zunahme der bleibenden Dehnungen gekennzeichnet.
zyklisch beanspruchten Bereichen des Materials verändern. In experimentellen
Untersuchungen wird z.B. von multiplen Plateaus berichtet, wenn die Dehnungsamplitude
nach einer gewissen Anzahl an (thermo)-mechanischen Zyklen schrittweise erhöht wird [63].
Es ist aus diesem Grund wichtig, den Aspekt der funktionellen Ermüdung unter
Berücksichtigung der Lokalisierung zu untersuchen. Detaillierte Analysen der Spannungs-
und Verformungszustände speziell am Übergang vom ermüdeten Material zum noch nicht
umgewandelten Material sind bis heute in der Literatur noch nicht dokumentiert worden. Die
Prozesse speziell an Meso-Phasengrenzen sind daher noch nicht ausreichend verstanden und
geklärt.
1.6 Die Finite-Elemente-Methode
Die Finite-Elemente-Methode (FEM) ist ein numerisches Verfahren zur näherungsweisen
Lösung von (gekoppelten) Differentialgleichungen. Entwickelt wurde die Methode
ursprünglich für Probleme aus dem Bereich der Festkörpermechanik. Mitte der 50er Jahre des
20. Jahrhunderts wurde die FEM erstmalig in der Praxis eingesetzt, um strukturmechanische
Untersuchungen an Flugzeugflügeln durchzuführen [64]. Später fand die Methode Einzug in
20 Einleitung und Grundlagen
andere Disziplinen und Industriezweige. Der universelle Charakter dieses Lösungsverfahrens
führte im Laufe der Zeit dazu, dass es heute eingesetzt wird, um thermische, mechanische,
elektrische, magnetische oder auch gekoppelte Probleme zu berechnen [65-71]. Abb. 1-16
zeigt als aktuelles Beispiel für eine konkrete Bauteilsimulation eine Finite-Elemente-Analyse
einer Felge für den Einsatz im Automobil.
Ein wohl definiertes Problem, welches über die FEM gelöst werden kann, setzt sich
zusammen aus der Geometrie des betrachteten Körpers, einer geeigneten räumlichen
Diskretisierung dieser Struktur (vgl. das sogenannte „Netz“ in Abb. 1-16), den
Materialeigenschaften sowie den relevanten Anfangs- und Randbedingungen. Letztere
müssen dabei so gewählt sein, dass sie keinen Widerspruch zueinander darstellen und
konsistent sind. Die Diskretisierung der Problemumgebung erfolgt, indem der betrachtete
Körper in eine endliche Anzahl von Teilgebieten, den sogenannten finiten Elementen, zerlegt
wird. Abb. 1-17 zeigt dies schematisch an einem beliebig geformten zweidimensionalen
Körper auf. Die Form der Elemente kann dabei durchaus unterschiedlich sein. Sie richtet sich
nach der Art und Dimension des Problems sowie nach der Geometrie der zu diskretisierenden
Struktur. Die räumlichen Stützstellen der Integration (Integrationspunkte) zur Lösung der
Gleichungssysteme werden aus historischen Gründen, in Anlehnung an die Gauß-Integration,
auch als Gaußpunkte bezeichnet. Auf den Gebieten zwischen den einzelnen
Integrationspunkten erfolgt eine Interpolation der betrachteten Größe (Spannung, Dehnung,
Kraft, etc.), die je nach Elementtyp entweder linear oder auch durch Polynome höheren
Grades erfolgen kann.
Abb. 1-18 zeigt exemplarisch ein zwei-dimensionales Element. Elemente sind definiert durch
die Positionen ihrer Knoten, die entgegengesetzt zum Uhrzeigersinn durchnummeriert
werden. An festgelegten Koordinaten innerhalb eines Elementes befinden sich die
Integrationspunkte (IP, in Abb. 1-18). Die Größe der Elemente charakterisiert die Netzdichte
der betrachteten Struktur. Der Fehler, der durch die Näherungslösung erfolgt, ist umso größer,
je gröber das Netz ist (siehe auch Abb. 1-17). Im Umkehrschluss wird der Fehler kleiner,
wenn das Netz verfeinert wird. Eine Netzverfeinerung erhöht jedoch den Rechenaufwand, so
dass für die Auswahl der Diskretisierung ein sinnvoller Kompromiss zwischen Rechenzeit
und Genauigkeit der zu berechnenden Ergebnisse getroffen werden muss. Die zu
definierenden Materialkennwerte hängen davon ab, welcher Werkstoff und welches
Verformungsverhalten betrachtet werden soll. Werden z.B. nur elastische Verformungen
Abb. 1-16: Anwendung der FEM auf ingenieurwissenschaftliche Problemstellungen. Beispiel einer FiniteElemente-Analyse für einer Felge [72]Bauteil.
Abb. 1-17: Schematische Darstellung der wird in viele kleine Elemente zerlegt, die über Knotenpunkte miteinander verbunden sind. Die Lösung des betrachteten physikalischen Problems wird nur an Integrationspunkten innerhalb der einzelnen Elemente exakt berechnet und auf die dazwischen liegenden Bereiche interpoliert. Der Fehler dieser Näherungslösung ist dabei umso kleiner, je feiner das Netz gewählt wird.
und die Poissonzahl des Materials festzulegen.
richtungsabhängige Größen (
werden. Um plastische Verformungen über die Fließgrenze hinaus durch die Simulationen
abbilden zu können, ist die Angabe von weiteren Informationen
Verfestigungsverhalten) notwendig.
Einleitung und Grundlagen
Anwendung der FEM auf ingenieurwissenschaftliche Problemstellungen. Beispiel einer Finite[72]. Die Farben kennzeichnen in diesem Bild die mechanische Spann
Schematische Darstellung der räumlichen Diskretisierung eines beliebigen Körpers. Die Struktur wird in viele kleine Elemente zerlegt, die über Knotenpunkte miteinander verbunden sind. Die Lösung des
Problems wird nur an Integrationspunkten innerhalb der einzelnen Elemente exakt berechnet und auf die dazwischen liegenden Bereiche interpoliert. Der Fehler dieser Näherungslösung ist dabei umso kleiner, je feiner das Netz gewählt wird.
l des Materials festzulegen. Bei anisotropen Materialeigenschaften müsse
richtungsabhängige Größen (z.B. die Komponenten der Steifigkeitsmatrix) angegeben
Verformungen über die Fließgrenze hinaus durch die Simulationen
nnen, ist die Angabe von weiteren Informationen
notwendig.
21
Anwendung der FEM auf ingenieurwissenschaftliche Problemstellungen. Beispiel einer Finite-Die Farben kennzeichnen in diesem Bild die mechanische Spannung im
beliebigen Körpers. Die Struktur wird in viele kleine Elemente zerlegt, die über Knotenpunkte miteinander verbunden sind. Die Lösung des
Problems wird nur an Integrationspunkten innerhalb der einzelnen Elemente exakt berechnet und auf die dazwischen liegenden Bereiche interpoliert. Der Fehler dieser Näherungslösung ist dabei
Bei anisotropen Materialeigenschaften müssen
die Komponenten der Steifigkeitsmatrix) angegeben
Verformungen über die Fließgrenze hinaus durch die Simulationen
nnen, ist die Angabe von weiteren Informationen (Fließkurven,
22 Einleitung und Grundlagen
Abb. 1-18: Schematische Darstellung eines 2-dimensionalen Elements. Die lokale Knotennummerierung (Ni) erfolgt oft im entgegengesetzten Uhrzeigersinn. Innerhalb eines jeweiligen Elements befinden sich an element-spezifischen Koordinaten die sogenannten Integrationspunkte (IP).
Die Anfangsbedingungen und Randbedingungen eines Problems beschreiben den Zustand des
Körpers zu Beginn und die Restriktionen während der Simulation. Darunter fallen in erster
Linie aufgeprägte Verschiebungen und Kräfte, aber auch weitere Größen wie Druck,
Spannungen, Temperatur oder auch elektrische und magnetische Felder. Durch die richtige
Auswahl von Randbedingungen ist es möglich, Symmetrien bezüglich Geometrie oder
Belastungen auszunutzen, um nur einen Teil des betrachteten Körpers berechnen zu müssen
und auf diese Weise den erforderlichen Rechenaufwand zu reduzieren.
Mechanische Probleme (auf die sich die vorliegende Arbeit beschränkt) können entweder
statisch („implizit“) oder dynamisch („explizit“) untersucht werden. Die statische
Formulierung in ihrer einfachsten Ausprägung beschreibt Gl. (1-3):
Ku � F (1-3)
K entspricht der Steifigkeitsmatrix, u dem Verschiebungsvektor und F dem Kraftvektor, die
aus den jeweiligen Größen aller Elemente des Systems konstruiert werden. Der FEM-
Gleichungslöser (auch Solver genannt) versucht dabei, dieses Gleichungssystem durch
Invertierung der Steifigkeitsmatrix nach den Verschiebungen hin aufzulösen. Die
Steifigkeitsmatrix wird häufig auch als Jacobi-Matrix bezeichnet. Für einfache Probleme ist
diese eine schwach besetzte und positiv-definite Band-Matrix und kann relativ einfach
invertiert werden. Für komplizierte Stoffgesetze, wie z.B. für die in dieser Arbeit verwendete
Beschreibung pseudoelastischer NiTi-FGL, kann die Bestimmung der Jacobi-Matrix häufig
nur näherungsweise erfolgen und führt nicht selten zu Konvergenzproblemen. In solchen
Einleitung und Grundlagen 23
Fällen kann auf die dynamische Formulierung eines FEM-Problems ausgewichen werden, die
Gl. (1-4) beschreibt. Hierbei ist M die Massenmatrix, ;� der Beschleunigungsvektor und F der
Kraftvektor.
Mu� � F (1-4)
Durch ein- und zweifache Zeitintegration können daraus die Geschwindigkeiten ;� und die
Verschiebungen u bestimmt werden. Diese explizite Lösungsmethode läuft unter Beachtung
einiger numerischer Aspekte in vielen Fällen, in denen die implizite Methode versagt, stabil.
Die dynamische Formulierung kann auch dann angewendet werden, wenn quasistatische
Experimente simuliert werden sollen. Diese Vorgehensweise ist zulässig, wenn sichergestellt
ist, dass der Anteil der kinetischen Energie des gerechneten Systems weniger als 10 % der
Gesamtenergie ausmacht [73].
24 Aufgabenstellung
2. Aufgabenstellung
Die komplexen Eigenschaften von NiTi-FGL sind Ursache dafür, dass die zur
Charakterisierung des Werkstoffs erforderlichen experimentellen Untersuchungen nur mit
großem Aufwand betrieben werden können. Vor diesem Hintergrund besteht seitens der
Forschung und Industrie sowohl aus Kosten- als auch aus Zeitgründen ein großes Interesse
daran, das Materialverhalten in Simulationen erfolgreich beschreiben zu können. Eine
zentrale Fragestellung, die sich in diesem Zusammenhang ergibt, ist die Definition und
Auswahl geeigneter Stoffgesetze, welche die relevanten experimentellen Beobachtungen, wie
die lokalisierte Umwandlung, sinnvoll abbilden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollen
zudem theoretische Untersuchungen zu werkstoffwissenschaftlichen Fragestellungen im
Bereich der NiTi-FGL durch die gezielte Anwendung der Finite-Elemente-Methode
durchgeführt werden. Es ist heute nicht bekannt, wie sich die elastisch anisotropen
Eigenschaften verzwillingter, martensitischer Mikrostrukturen auf die Spannungszustände an
Grenzflächen auswirken, wenn sie einer äußeren Belastung ausgesetzt sind. Zur quantitativen
Abschätzung der sich einstellenden Spannungen sollen in dieser Arbeit elastisch anisotrope
Finite-Elemente-Simulationen einfacher verzwillingter Strukturen durchgeführt werden. Als
Grundlage für diese numerischen Untersuchungen dienen elastische Konstanten, die in einer
früheren Arbeit von Wagner und Windl [43] durch Ab-initio-Simulationen ermittelt wurden.
Unter Berücksichtigung der jeweiligen kristallographischen Orientierungsbeziehungen sollen
auf diese Weise die wichtigsten Zwillingssysteme in martensitischen NiTi-FGL systematisch
untersucht werden. Den Ergebnissen dieser numerischen Simulationen sollen im Anschluss
daran analytische Betrachtungen gegenübergestellt werden. Ein allgemeines analytisches
Modell für Spannungen an Grenzflächen von Bikristallen nach Gemperlova et al. [46] soll
herangezogen und auf Zwillingsgrenzflächen in NiTi übertragen werden.
Im zweiten Teil der Arbeit sollen makroskopische Finite-Elemente-Simulationen zur
spannungsinduzierten Phasenumwandlung von pseudoelastischen NiTi-FGL durchgeführt
werden. Die numerische Simulation dieses Materialverhaltens hat sich in der Vergangenheit
als Herausforderung dargestellt. Es existieren nur wenige Stoffgesetze, die in Lage sind, die
wesentlichen Merkmale experimenteller Ergebnisse sowohl qualitativ als auch quantitativ
abzubilden. Neben dem allgemein nicht-linearen Materialverhalten zählen zu diesen
Merkmalen im Wesentlichen die Lokalisierung der Phasenumwandlung sowie die
funktionelle Ermüdung nach zyklischer Betätigung der Umwandlung. In der Literatur konnte
ein Stoffgesetz nach Azadi [74] identifiziert werden, welches zur Untersuchung von
Aufgabenstellung 25
pseudoelastischen FGL herangezogen werden kann. In der vorliegenden Arbeit soll dieses
Modell als VUMAT-Subroutine in der Finite-Elemente-Software Abaqus [75] implementiert
werden. Das Stoffgesetz, dass in seiner ursprünglichen Form [74] nicht für die Simulation der
funktionellen Ermüdung entwickelt wurde, soll anschließend erweitert werden, um auch
Untersuchungen zum zyklische Materialverhalten durchführen zu können. Im Vordergrund
der Simulationen stehen zunächst der Einfluss der Einspannungsbedingungen und
Probengeometrien auf die Lokalisierung der Phasenumwandlung sowie das generelle
Ausbreitungsverhalten von Austenit-Martensit-Grenzflächen in makroskopischen Bauteilen
und Halbzeugen wie Drähten, Bändern oder Blechen. Detaillierte Analysen zum Spannungs-
und Verformungszustand an den makroskopischen Übergangsbereichen sollen durchgeführt
werden, um ein besseres Verständnis des lokalen Materialverhaltens zu erlangen. Im letzten
Abschnitt sollen für ausgewählte Proben Versuche mit variierenden Dehnungsamplituden und
unter Berücksichtigung der funktionalen Ermüdung simuliert werden, die für die Entstehung
multipler Plateaus im Spannungs-Dehnungs-Verhalten verantwortlich sind. Der Einfluss der
funktionellen Ermüdung auf das Lokalisierungsverhalten soll schließlich in gelochten
Scheiben analysiert werden. Durch Variation der Lochgeometrien (elliptische Löcher mit
verschiedenen Achsenverhältnissen) kann so eine interessante Kombination von lokalisierter
Umwandlung, funktioneller Ermüdung und mehrachsigen Spannungszuständen, die
experimentell kaum zugänglich aber durchaus praxisnah sind, detailliert untersucht werden.
26 Finite-Elemente-Simulationen
3. Finite-Elemente-Simulationen
Die Finite-Elemente-Simulationen wurden mit dem kommerziell erhältlichen Softwarepaket
Abaqus 6.8-1 der Firma Dassault Systems durchgeführt [75]. Für sämtliche Berechnungen
wurde ein konventioneller PC verwendet (Intel Core 2 CPU 3600, 1.86 GHz, 3 GB RAM). Im
ersten Teil der vorliegenden Arbeit werden Spannungszustände an martensitischen
Zwillingsgrenzflächen analysiert, die entstehen, wenn Zwillingsstapel durch äußere Normal-
oder Schubspannungen belastet werden. Diese Simulationen wurden durch Softwaremodule
realisiert, die standardmäßig bereits in Abaqus integriert sind (anisotrope Elastizität). Im
zweiten Teil wird das mechanische Verhalten von pseudoelastischen NiTi-FGL aus
makroskopischer Sicht betrachtet. Für dieses Materialverhalten existiert in Abaqus bislang
kein geeignetes Materialmodell, welches das lokalisierte Phasenumwandlungsverhalten sowie
die funktionelle Ermüdung berücksichtigt. Abaqus verfügt jedoch über eine integrierte
Schnittstelle, um Subroutinen, u.a. für die Definition des Materialverhaltens, in die
übergeordnete Simulation einzubinden. Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein Materialmodell
nach Azadi et al. [74] als explizite Fortran-Routine (VUMAT) implementiert und
anschließend um eine Routine zur Berücksichtigung der funktionellen Ermüdung erweitert.
Nähere Informationen zum Stoffgesetz und zur Implementierung (Quellcode) sind dem
Anhang B zu entnehmen. Im Folgenden werden die Modelle und Materialeigenschaften der
einzelnen FE-Simulationen detailliert beschrieben.
3.1 Elastisch anisotrope Untersuchungen von martensitischen Zwillingsgrenzflächen
Geometrie
Die Probengeometrien für die vorliegenden Simulationen orientieren sich an experimentellen
Aufnahmen. In TEM-Hellfeldbildern zeigen sich martensitische Zwillinge häufig als feine
lamellare Strukturen. Davon ausgehend wurden die Zwillinge als Stapel alternierender
Varianten mit gleichbleibenden Schichtdicken angenommen. Abb. 3-1 beschreibt den
Übergang von der realen Mikrostruktur zur Geometrie im Modell. Ein Gefügebereich,
welcher martensitische Zwillinge aufweist (Abb. 3-1a), wird herausgegriffen und
entsprechend des Bildkontrasts neu gezeichnet (Abb. 3-2b). Zur einfacheren Aufprägung von
Belastungen und Randbedingungen wird der Zwillingsstapel als Würfel mit Außenseiten
parallel bzw. senkrecht zu den Zwillingsgrenzen konzipiert. In NiTi-FGL weisen
Finite-Elemente-Simulationen 27
martensitische Zwillinge häufig Schichtdicken von nur wenigen nm auf [76]. Es ist jedoch
nicht notwendig, diese exakten Abmessungen abzubilden, da die zugrunde liegende
Kontinuumsmechanik der FEM eine skaleninvariant ist. Daher wurden für alle
Zwillingsberechnungen arbiträre Längen für sämtliche Geometrien (30x30x30 Längen-
einheiten) verwendet.
Abb. 3-1: Modellbildung: a) TEM-Hellfeldaufnahme von martensitischen Zwillingsstrukturen in NiTi, [76]. b) Schematische Darstellung eines Zwillingsstapels in einem vergleichbaren Korn. Aus dem betrachteten Bereich wird gedanklich ein kubischer Körper (gekennzeichnet durch einen schwarzen Rahmen) herausgetrennt, der sich aus alternierenden Zwillingsvarianten (graue und weiße Bereiche) zusammensetzt.
Vernetzung
Die Zwillingsstapel wurden durch 3-dimensionale Kontinuumselemente mit reduzierter
Integration (C3D8R) diskretisiert. Um aussagekräftige Informationen über Spannungen oder
Verformungen in einzelnen Varianten ablesen zu können, wurden die einzelnen
Zwillingsvarianten senkrecht zur Normalen der Grenzflächen mit jeweils acht Elementen
aufgebaut. Es wurden zwei verschiedene Orientierungen für die Würfel gewählt, um einzelne
Spannungskomponenten gezielt aufzuprägen. Beide Probengeometrien haben gemeinsam,
dass die Zwillingsvarianten senkrecht zur 2-Richtung orientiert sind. Abb. 3-2a zeigt den
Würfel, wie er verwendet wurde, um den Einfluss von reinen Normalspannungen zu
studieren. Die verschiedenen Farben kennzeichnen Materialbereiche, die den jeweiligen
Zwillingsvarianten zuzuordnen sind. In dem Fall ist das Netz aus etwas mehr als 100.000
Elementen aufgebaut. Abb. 3-2b zeigt den Würfel um 45° relativ zur 3-Achse gedreht, wobei
die Ausrichtung der Zwillingsvarianten unverändert bleibt. Diese Geometrie wurde mit etwas
mehr als 56.000 Elementen diskretisiert und erlaubt eine einfache Aufprägung von
Schubspannungen (vgl. Abb. 3-3). Im Vorfeld durchgeführte Studien zeigten, dass die
Ergebnisse für beide Vernetzungen konvergieren und sich durch noch höhere Netzdichten nur
unwesentlich verändern.
28 Finite-Elemente-Simulationen
Abb. 3-2: Diskretisierung der Zwillingsstapel. a) Für den Fall einer Normalbelastung auf die Zwillings-grenzfläche, b) Zur Aufprägung einer Schubbelastung.
Materialeigenschaften
Das Material wurde elastisch anisotrop definiert. Für derartige Formulierungen werden
ausschließlich die elastischen Konstanten der Steifigkeitsmatrix benötigt. Die
Steifigkeitsmatrix weist im Allgemeinen 36 Komponenten auf. Aufgrund der Symmetrien von
Spannungs- bzw. Dehnungstensor verringert sich die Anzahl jedoch auf 21 unabhängige
Komponenten. Gl. 3-1 beschreibt die Relation zwischen Spannungen und Dehnungen durch
die Steifigkeitsmatrix C (verallgemeinertes Hookesches Gesetz in sogenannter Voigt-
Notation). In dieser Arbeit sollen Zwillingsstrukturen der martensitischen B19‘-Phase
untersucht werden. Die dafür benötigten elastischen Konstanten wurden einer theoretischen
Arbeit von Wagner und Windl [43] entnommen. Die cij aus [43] stellen Näherungswerte für
die elastischen Konstanten dar. Eine aktuelle Arbeit [77] wies eine hervorragende
Übereinstimmung zwischen den theoretischen Werten [43] und experimentellen Werten aus
Beugungs-Experimenten nach.
=>?>@
σ��σ��σAAσ��σ�Aσ�AB>C>D �
EFFFFGHc�� H c�� c�A c�J c�K c�Lc�� c�A c�J c�K c�LcAA cAJ cAK cALcJJ cJK cJLSymm. cKK cKLcLLOP
PPPQ
=>?>@
ε��ε��εAA2ε��2ε�A2ε�AB>C>D (3-1)
Gl. 3-2 zeigt die Steifigkeitsmatrix mit den entsprechenden Zahlenwerten (alle Angaben in
dieser Arbeit in GPa). Für die B19‘-Phase existieren lediglich 13 unabhängige Konstanten Es
ist zu beachten, dass diese auf das Koordinatensystem (kurz: KOS) bezogen sind, wie es in
Finite-Elemente-Simulationen 29
der Arbeit von Wagner und Windl [43] festgelegt wurde. Dabei sind die [100]- und
[010]-Richtungen der B19‘-Elementarzelle parallel zur 1- bzw. 2-Richtung des kartesischem
KOS. Aus diesem Grund wurde in der vorliegenden Dissertation das gleiche KOS konsistent
angewendet. Die in dieser Arbeit verwendeten elastischen Konstanten der
B19‘-Elementarzelle lassen sich für diese Orientierungen wie folgt zusammenfassen:
C � EFFFFG223 129 99 0 27 0241 125 0 !9 0200 0 4 076 0 !4Symm. 21 077OP
PPPQ (3-2)
Gemäß Abschnitt 1.3 (vgl. Abb. 1-11 sowie Abb. 3-2) werden die verzwillingten Strukturen
in einem globalen KOS beschrieben. Das für die jeweiligen Varianten gültige, lokale KOS
nach [43] muss daher in die Orientierungen des globalen KOS gedreht werden. Dabei ändern
sich die in Gl. 3-2 angegebenen Zahlenwerte. Um die exakten Werte für die zu berechnenden
Zwillingssysteme zu ermitteln, wurde mit der Software Mathematica 6.0 [78] eine Routine
programmiert, welche die Steifigkeitsmatrix entsprechend der Orientierungen der Zwillinge
rotiert und dadurch die gesuchten Zahlenwerte der elastischen Konstanten bestimmt. Die
Gl. 3-3 bis 3-12 stellen die elastischen Steifigkeitsmatrizen für die verschiedenen
Zwillingssysteme für jeweils beide Varianten dar. Man erkennt, dass die Matrizen jeweils die
in Abschnitt 1.3 zusammengefassten Bezeichnungen (gleiche Zahlenwerte für Variante I und
II mit systematischen Vorzeichenwechseln) erfüllen.
30 Finite-Elemente-Simulationen
(100*-Verbindungs-Zwilling:
Variante I C � EFFFFG195.5 95.6 127.5 0 0 12.7234.3 126.5 0 0 14.1241 0 0 !9.275.9 !4 0Symm. 77.1 017.6OP
PPPQ (3-3)
Variante II C � EFFFFG195.5 95.6 127.5 0 0 !12.7234.3 126.5 0 0 !14.1241 0 0 9.275.9 4 0Symm. 77.1 017.6 OP
PPPQ (3-4)
[ 110 \-Typ II-Zwilling:
Variante I C � EFFFFG255.6 96.1 118 !1.3 0.7 10.3233.1 117.7 !16.5 17.7 29.6217.6 !11.9 !16.6 !12.556.3 1.5 12.9Symm. 59.6 !8.936.9 OP
PPPQ (3-5)
Variante II C � EFFFFG255.6 96.1 118 !1.3 !0.7 !10.3233.1 117.7 !16.5 !17.7 !29.6217.7 !11.9 16.6 12.556.3 !1.5 !12.9Symm. 59.6 !8.936.9 OP
PPPQ (3-6)
Finite-Elemente-Simulationen 31
61107-Typ I-Zwilling:
Variante I C � EFFFFG195.5 113.8 109.3 15.8 !9.5 8.3258.1 106.6 !1.1 !3.2 !2.4257.1 4.5 !0.5 5.756 9.1 !7.2Symm. 43.2 29.551.5OP
PPPQ (3-7)
Variante II C � EFFFFG195.5 113.8 109.3 !15.8 !9.5 !8.3258.1 106.6 1.1 !3.2 2.4257.1 !4.5 !0.5 !5.756 !9.1 !7.2Symm. 43.2 !29.551.5 OP
PPPQ (3-8)
61117-Typ I-Zwilling:
Variante I C � EFFFFG168.6 130.4 125.6 7.3 !29.9 22.4224.3 106.3 !18.2 12.2 7.1252.5 !1.1 8.3 !4.458.2 !0.2 4.3Symm. 64.4 !1.560.6OP
PPPQ (3-9)
Variante II C � EFFFFG168.6 130.4 125.6 !7.3 !29.9 !22.4224.3 106.3 18.2 12.2 !7.1252.5 1.1 8.3 4.458.2 0.2 4.3Symm. 64.4 1.560.6 OP
PPPQ (3-10)
32 Finite-Elemente-Simulationen
612117-Typ I-Zwilling:
Variante I C � EFFFFG245.3 109.1 111.8 !4.8 11.2 0.5221.6 106.1 !29.2 !15.8 !25.2249 !1.8 9 11.550.2 2.8 !11.4Symm. 56 !16.641.8 OP
PPPQ (3-11)
Variante II C � EFFFFG245.3 109.1 111.8 4.8 11.2 !0.5221.6 106.1 29.2 !15.8 25.2249 1.8 9 !11.550.2 !2.8 !11.4Symm. 56 16.641.8 OP
PPPQ (3-12)
Randbedingungen und Lastfälle
Der Einfluss unterschiedlicher Spannungszustände wurde systematisch für die betrachteten
Zwillingssysteme untersucht. Gl. 3-13 fasst die Belastungszustände, wie sie von außen auf die
Zwillingsstapel aufgeprägt wurden, zusammen. Die Beanspruchung wurde derart aufgebracht,
dass immer nur exakt eine Spannungskomponente auf die Zwillingsgrenzfläche wirkt. Auf
zusätzliche Randbedingungen (RB), wie z.B. die Vorgabe oder Einschränkung von
Verschiebungen, wurde verzichtet, um das Auftreten von weiteren Spannungen zu
unterbinden.
σ � =>?>@100000B>
C>D, σ �
=>?>@010000B>
C>D, σ �
=>?>@001000B>
C>D, σ �
=>?>@000100B>
C>D , σ �
=>?>@000010B>
C>D , σ �
=>?>@000001B>
C>D (3-13)
Das Ziel der anschließenden Auswertungen ist es, an den Zwillingsgrenzflächen das
Verhältnis der entstehenden Spannung zu der von außen aufgebrachten Spannung zu
ermitteln. Aus diesem Grund wurde als äußere Referenzbelastung für alle Lastfälle einheitlich
Finite-Elemente-Simulationen 33
eine Spannung von 1 MPa gewählt. Abb. 3-3 zeigt schematisch die Probengeometrien mit den
eingezeichneten Beanspruchungen exemplarisch für jeweils einen ausgewählten
Belastungsfall. Um den Einfluss von Normalspannungen zu analysieren, wurde die Geometrie
aus Abb. 3-3a verwendet. Für die Erzeugung von reinen Schubspannungen in der Grenzfläche
wurde die Würfelstruktur in Abb. 3-3b benutzt. Um das Kräftegleichgewicht einzuhalten, war
es in diesen Fällen notwendig, jeweils vier Seiten des Körpers zu belasten. Der Einfluss der
verschiedenen Schubspannungskomponenten ]J , ]K und ]L wurde untersucht, indem die
Geometrie (bei unveränderter Vernetzung) nochmals rotiert wurde (90° um die 2-Achse / 90°
um die 3-Achse). Dabei bleibt die Orientierung der Zwillingsgrenzflächen relativ zur 2-Achse
unverändert.
Abb. 3-3: Die Zwillingsgrenzflächen trennen die verschiedenen Varianten (in grün und beige unterlegt) voneinander. Ihr Normalenvektor zeigt stets in Richtung der 2-Achse. a) Orientierung der Geometrie zur Aufprägung von Normalspannungen. b) Zur Aufbringung von reinen Schubspannungen wird die Struktur unter 45° mit Zug- und Druckspannungen belastet.
34 Finite-Elemente-Simulationen
3.2 Einachsige Zugversuche an pseudoelastischen Draht- und Bandproben
Drahtproben
Zur Untersuchung der spannungsinduzierten Phasenumwandlung von pseudoelastischen NiTi-
FGL-Proben wurden quasistatische, einachsige Zugversuche an unterschiedlichen Proben-
geometrien simuliert. Dabei wurden Halbzeuggeometrien wie Drähte, Bänder oder Bleche
betrachtet. Es wurden dynamisch explizite Berechnungen unter Verwendung einer VUMAT
(siehe Anhang B) durchgeführt. Durch die geeignete Wahl der zeitlichen Inkrementierung
bieten auch dynamische Simulationen die Möglichkeit quasistatischer Analysen. Zur
Beurteilung, ob eine Berechnung die notwendigen Bedingungen erfüllt, können
Energiegrößen herangezogen werden, die Abaqus für die Auswertung zur Verfügung stellt:
Eine dynamische Rechnung kann dann als quasistatisch angenommen werden, wenn der
Anteil der kinetischen Energie des Systems kleiner als 10 % der Gesamtenergie ist. Für die in
dieser Arbeit präsentierten Berechnungen, wurde die Rechenzeit iterativ angepasst, so dass
diese Bedingung jeweils erfüllt wurde. Eingabeparameter, die nicht materialspezifisch sind,
aber dennoch einen Einfluss auf die Versuchsergebnisse haben, wurden im Vorfeld der
Simulationen systematisch studiert und zum Teil auf experimentelle Ergebnisse angepasst.
Diese Parameter sind in Tab. 3-1 aufgeführt. Ausgehend vom Aufbau experimenteller
Untersuchungen wurden die Versuchsbedingungen in entsprechende Finite-Elemente-Modelle
umgesetzt. Abb. 3-4a zeigt eine Aufnahme der Einspannbedingungen eines Drahtes im
Experiment. Üblicherweise wird der Draht an seinen äußeren Enden in Spannelementen
geklemmt. Clip-on-Extensometer werden benutzt, um die Längenänderung der Probe im
Zugversuch zu detektieren und im weiteren Verlauf die Dehnung zu bestimmen. Im
Gegensatz zur Einspannung ist der mechanische Einfluss dieser Elemente vernachlässigbar
und muss daher in der Simulation nicht weiter berücksichtigt werden. Die freie Messlänge der
Probe definiert sich über den Bereich zwischen den Klemmschneiden des Extensometers.
Abb. 3-4b stellt die Drahtprobe schematisch dar. Der Durchmesser des Drahtes lag in
Tab. 3-1: Allgemeine Parameter, die für alle FEM-Simulationen gelten
Art der Simulation Dynamisch explizit mit VUMAT
Dichte des Materials 6.5 g / cm³
Lineare Massenviskosität 1.2
Quadratische Massenviskosität 2
Massenskalierung 1*106
Finite-Elemente-Simulationen 35
Abb. 3-4: a) Experimenteller Aufbau für einachsige Zugversuche an Drahtproben, [79] und b) schematische Darstellung der Probengeometrie. Symmetrien bezüglich Geometrie und Belastung ermöglichen es, für die Simulation lediglich ein Achtel des Drahtes zu betrachten (durch eine Strichlinie markierter Bereich).
Anlehnung an Messungen z.B. aus [79] bei D = 1.2 mm, die Länge bei L = 20 mm und die
freie Messlänge bei L0 = 10 mm. Der grau eingefärbte Bereich an den Probenenden markiert
den Einspannbereich. Aufgrund der Symmetrie hinsichtlich Geometrie und Belastungen ist es
für die theoretischen Untersuchungen sinnvoll, lediglich ein Achtel der Probe zu betrachten.
Der letztlich simulierte Bereich ist in Abb. 3-4b durch die gestrichelten Linien eingegrenzt.
Abb. 3-5a zeigt schematisch die Achtelprobe mit der Länge L/2. Die freie Messlänge
reduziert sich für die Simulation auf L0/2. Die Verschiebungen werden im weiteren Verlauf in
x-Richtung mit u, in y-Richtung mit v und in z-Richtung mit w bezeichnet. Die
Randbedingungen (RB) sind derart gewählt, dass an allen inneren Oberflächen die
geometrische Kompatibilität während des Zugversuchs gewährleistet bleibt:
(1) u(0, y, z) = 0,
(2) v(x, 0, z) = 0,
(3) w(x, y, 0) = 0.
Die Auslenkung δ der Probe wird über die Verschiebung der oberen Stirnfläche bestimmt. Für
die durchgeführten Versuche am Draht gilt daher die zusätzliche RB:
(1) v(x, L/2, z) = δ = 1.0 mm.
36 Finite-Elemente-Simulationen
Abb. 3-5: a) Geometrie und Randbedingungen der simulierten Drahtprobe und b) Darstellung des FEM-Netzes.
Um die Einspannbedingungen des Experiments abzubilden, wurde im oberen Bereich der
Probe über eine Länge von 2.5 mm eine Druckspannung von P = 10 MPa aufgebracht.
Abb. 3-5b zeigt die Geometrie, welche durch 1072 C3D8R-Elemente diskretisiert wurde. In
einem ersten Schritt (t = 100 s) wurde die Druckspannung linear zunehmend aufgebracht und
anschließend über die restliche Versuchsdauer konstant gehalten. Im zweiten Schritt wurde
die Probe zunächst verformt (t = 20.000 s) und anschließend wieder in den Ausgangszustand
überführt (t = 40.000 s). Die Verformung erfolgte dabei jeweils linear über die
Simulationszeit. Hier sei angemerkt, dass die Simulationszeiten nicht realistischen
experimentellen Zeiten entsprechen, sondern vielmehr im Wechselspiel mit numerischen
Dämpfungs- und Trägheits-Parametern für eine stabile Rechnung skaliert wurden. Um die
Ergebnisse der FEM-Simulationen mit denjenigen aus dem Experiment sauber vergleichen zu
können, wurden technische Spannungs-Dehnungs-Kurven ermittelt. Dazu wurde ein virtuelles
Extensometer definiert: Die Verschiebung eines ausgewählten Punktes auf der
Probenoberfläche relativ zur Messlänge L0/2 wurde herangezogen, um ganz analog zur
Funktionsweise eines Extensometers die technische Dehnung zu bestimmen. Die
Kraftmessung im Experiment erfolgt in der Regel über Kraftmessdosen oder ähnliche
Kraftaufnehmer. In der Simulation wurden zu diesem Zweck die Kräfte an den Knoten der
oberen (y = L/2) bzw. unteren (y = 0) Probenstirnseite ausgewertet. Aufgrund des
Kräftegleichwichtes sind diese Werte betragsmäßig gleich. Für die Spannungs-Dehnungs-
Finite-Elemente-Simulationen 37
Kurve muss lediglich das Vorzeichen entsprechend berücksichtigt werden. Die Summe der
Reaktionskräfte in Zugrichtung wurde anschließend zum Ausgangsquerschnitt der Probe in
Relation gesetzt, um die technische Spannung zu bestimmen. Durch diese Vorgehensweise
konnten die gesuchten Spannungs-Dehnungs-Kurven ermittelt werden. Die
Materialeigenschaften wurden für jeden Materialpunkt in einem lokalen Spannungs-
Dehnungs-Verhalten vorgegeben. Abb. 3-6 zeigt das verwendete Stoffgesetz schematisch auf.
Abb. 3-6: Schematische Darstellung des lokalen Stoffgesetzes im Spannungs-Dehnungs-Raum. Das grundlegende Materialverhalten ist definiert durch neun Parameter. Nicht gekennzeichnet sind die Querkontraktionszahlen für den Austenit und Martensit.
Die elastischen Eigenschaften des Werkstoffs werden über den Elastizitätsmodul und die
Querkontraktionszahl jeweils für Austenit und Martensit festgelegt. Neben der
Umwandlungs- oder Transformationsdehnung Δε werden diejenigen Spannungen
vorgegeben, die den Beginn (σ�� – MN engl.: für martensite nucleation) und das Ende (σ�
– MC engl.: für martensite completion) der spannungsinduzierten Phasenumwandlung, sowie
den Beginn (σ��) und das Ende (σ�) der Rückumwandlung vom Martensit in den Austenit,
kennzeichnen. Als Besonderheit weisen die inelastischen Kurvenäste negative Steigungen auf,
wodurch der lokalisierte Umwandlungscharakter begünstigt wird. Das Stoffgesetz nach Azadi
[74] ist ausführlich in Anhang A dieser Arbeit beschrieben. Dabei werden auch die
besonderen Aspekte der „Dehnungs-Entfestigung“ diskutiert. Tab. 3-2 fasst die
Materialparameter zusammen, wie sie für eine gute Abbildung experimenteller Datensätze
ermittelt worden sind.
38 Finite-Elemente-Simulationen
Tab. 3-2: Verwendete Materialkennwerte für die Simulation der Drahtproben.
Materialkennwerte für Drahtproben E� 41.9 GPa
ν� 0.35
E� 22.1 GPa
ν� 0.35
σ�� 518 MPa
σ� 488 MPa
σ�� 76 MPa
σ� 106 MPa
Δε 0.04021
Bandproben
Abb. 3-7a zeigt eine Fotografie der Einspannbedingungen einer flachen NiTi-Bandprobe. An
den Probenenden sind die Einspannelemente und im mittleren Bereich wieder ein
Clip-on-Extensometer zu erkennen. Abb. 3-7b stellt die Flachzugprobe schematisch dar. Die
Einspannbereiche sind grau unterlegt. Für diese Geometrie können wieder Symmetrien
ausgenutzt werden. In dem vorliegenden Fall wird die (obere) Hälfte der Probe simuliert. Eine
gestrichelte Linie kennzeichnet die Symmetrieachse. Der Ursprung des Koordinatensystems
befindet sich im Zentrum der Probe. Die Probe weist eine Länge von L = 55 mm, eine Breite
B = 3.3 mm und eine Dicke T = 0.7 mm auf. Die freie Messlänge beträgt L0 = 25 mm.
Abb. 3-8a beschreibt den oberen Teil der Probe mit den Randbedingungen, Kräften,
Verformungen und Druckbelastungen. Die untere Seite der Probe darf sich nicht in
y-Richtung verschieben (Symmetrie). Die Auslenkung δ ist über die Verschiebung der oberen
Stirnfläche definiert. Für die durchgeführten Versuche am Band gilt:
(1) v(x, 0, z) = 0,
(2) v(x, L/2, z) = δ = 2.2 mm.
Finite-Elemente-Simulationen 39
Abb. 3-7: a) Experimenteller Aufbau für einachsige Zugversuche an Flachzugproben, [79] und b) schematische Darstellung der Probengeometrie in b). Symmetrie wird ausgenutzt, um die Hälfte der Probe zu betrachten (Bereich oberhalb der gestrichelten Linie).
Der Einspannbereich erstreckt sich über eine Länge von 5 mm. Sowohl auf der Vorderseite
als auch auf der Rückseite der Probe wurde eine Druckspannung in Höhe von P = 10 MPa
aufgebracht. Die Rechenzeit für einen vollständigen Zyklus (Be- und Entlastung) betrug
30.000 s. In einem vorgeschobenen Zeitschritt wurde die Druckbelastung innerhalb von 100 s
aufgeprägt. Tab. 3-3 fasst die Werkstoffkennwerte für die Berechnungen der Flachzugproben
in einer Übersicht zusammen. Die Kennwerte unterscheiden sich von den in Tab. 3-2
dargestellten Werten, da die tatsächlichen experimentellen Daten aufgrund von unter-
schiedlichen Texturen in Draht- und Bandmaterial ebenfalls deutliche Unterschiede
aufweisen.
40 Finite-Elemente-Simulationen
Tab. 3-3: Materialkennwerte für die Simulation der Flachzugproben.
Materialkennwerte für Flachzugproben E� 38.0 GPa
ν� 0.35
E� 22.9 GPa
ν� 0.35
σ�� 465 MPa
σ� 435 MPa
σ�� 130 MPa
σ� 160 MPa
Δε 0.03589
3.3 Zugversuche an gekerbten und gelochten Blechproben
Der Einfluss geometrischer Fehlstellen, wie Kerben oder Löchern, auf die spannungs-
induzierte Phasenumwandlung wurde an pseudoelastischen NiTi-Blechen systematisch
analysiert. Die Abmaße der betrachteten Proben richten sich nach dem Material, welches
parallel zu den Simulationen in Experimenten untersucht wurde. Alle Bleche hatten dieselbe
Breite B = 25 mm und Dicke T = 1.1 mm. Im Vorfeld wurden Löcher und Kerben in einige
Proben eingebracht, um deren Einfluss auf die spannungsinduzierte Phasenumwandlung im
Zugversuch zu untersuchen. Abb. 3-8 zeigt vier verschiedene Proben. Die gestrichelten Linien
kennzeichnen jeweils den simulierten Bereich des Materials. Der Einspannbereich ist grau
unterlegt und hatte eine Länge von 14 mm. Abb. 3-8a zeigt eine homogene Probe ohne Loch
oder Kerbe, Abb. 3-8b eine Probe mit einer zentrischen Durchgangsbohrung. Beide Proben
wiesen eine Länge von L = 72 mm auf. Die freie Messlänge betrug in ersten Auswertungen
L0 = 40 mm, wurde aber für weiterführende Auswertungen auf L0 = 32.5 mm und L0 = 25 mm
erweitert. Der Durchmesser der Bohrung in Abb. 3-8b lag bei D = 2.5 mm. Für Vergleiche
mit anderen Proben wurde zusätzlich ein dimensionsloser Geometriefaktor A definiert, der
sich aus dem Verhältnis der horizontalen zur lateralen Ausdehnung der im Allgemeinen
elliptischen Aussparung berechnet. Er ist im Falle des Kreislochs in Abb. 3-8b gleich 1. Etwas
kürzere Proben wurden verwendet, die entweder beidseitig oder nur einseitig auf Höhe der
horizontalen Symmetrieachse gekerbt waren. Der Radius der Kerben entsprach dem halben
Finite-Elemente-Simulationen 41
Abb. 3-8: Geometrie der Blechzugproben. Der Einspannbereich ist grau unterlegt. Der Ursprung des KOS befindet sich jeweils im Zentrum der Probe. a) Blechprobe ohne geometrische Fehlstellen, b) gelochte Probe, c) beidseitig gekerbte Probe, d) einseitig gekerbte Probe. Die Strichlinie markiert den berechneten Probenbereich. Für a) und b) wird ein Viertel der Probe berechnet, in c) und d) jeweils die Hälfte.
Durchmesser der Durchgangsbohrung aus Abb. 3-8b und war R = 1.25 mm. Abb. 3-8c und d
zeigen diese Proben. Ihre Länge war L = 66 mm. Die freie Messlänge wurde auf L0 = 20 mm
reduziert. Die Randbedingungen richten sich danach, ob ein Viertel oder die Hälfte der Probe
simuliert wird. Für die längeren Proben gilt:
(1) u(0, y, z) = 0,
(2) v(x, 0, z) = 0,
(3) v(x, L/2, z) = δ = 2.4 mm.
Für die kürzeren Proben wurden folgende Randbedingungen verwendet:
(1) v(x, 0, z) = 0,
(2) v(x, L/2, z) = δ = 2.4 mm.
Abb. 3-9 und Abb. 3-10 zeigen die FEM-Netze der in Abb. 3-8 dargestellten Geometrien. Die
skalierte Rechenzeit für einen vollständigen Zyklus (Be- und Entlastung) betrug 30.000 s. Als
Elementtyp wurden, wie bei allen anderen Simulationen C3D8R-Elemente ausgewählt. In der
Breite wurden für die Viertelproben 20 und für die Halbproben 40 Elemente, in der Tiefe
jeweils zwei Elemente verwendet. Die Netzdichte der betrachteten Bereiche ist miteinander
vergleichbar, wenngleich aufgrund der Probensymmetrien entweder ein Viertel (Abb. 3-8a
und b) oder die Hälfte (Abb. 3-8c und d) der ursprünglichen Probe betrachtet wurde. Die
42
Elementanzahl variierte entsprechend der ve
Viertelproben jeweils bei ca. 2.000, bzw. bei ca. 4.00
Abb. 3-11 zeigt weitere Blechproben, diesmal mit unterschiedlich
sparungen in der Blechmitte. Diese Proben haben d
und Tiefe wie diejenigen aus Abb.
diesmal von A = 5 in Abb. 3-11
simuliert und es gelten die glei
Abb. 3-8:
Abb. 3-9: FEM-Netze für die simulierten Teilbereiche
Finite-Elemente-Simulationen
Elementanzahl variierte entsprechend der verschiedenen Geometrien leicht, lag für die
ca. 2.000, bzw. bei ca. 4.000 für die halben Proben.
zeigt weitere Blechproben, diesmal mit unterschiedlichen
sparungen in der Blechmitte. Diese Proben haben dieselben Maße in Bezug auf Länge, Breite
wie diejenigen aus Abb. 3-8a und b. Der Geometriefaktor der Aussparungen rei
11a bis zu A = 0.2 in Abb. 3-11d. Es wird ein Viertel der Bleche
simuliert und es gelten die gleichen Randbedingungen, wie für die entsprechenden Proben aus
(1) u(0, y, z) = 0,
(2) v(x, 0, z) = 0,
(3) v(x, L/2, z) = δ = 2.4 mm.
für die simulierten Teilbereiche der in Abb. 3-8a und b dargestellten NiTi
rschiedenen Geometrien leicht, lag für die
0 für die halben Proben.
elliptischen Aus-
ieselben Maße in Bezug auf Länge, Breite
a und b. Der Geometriefaktor der Aussparungen reicht
d. Es wird ein Viertel der Bleche
ntsprechenden Proben aus
ellten NiTi-Bleche.
Abb. 3-10: FEM-Netze für die simulierten Teilbereiche der Bleche.
Abb. 3-11: Geometrien von verschieden elliptisch gelochten erneut den Einspannbereich. Der GeomAusdehnung der jeweiligen Ellipse. Im Falle eines idealen KreisSymmetriegründen wird wieder nur ein Viertel der
Abb. 3-12 zeigt die Diskretisierungen der in Abb.
Elemente in der Breite und zwei
Finite-Elemente-Simulationen
simulierten Teilbereiche der in Abb. 3-8c und d dargestellten
von verschieden elliptisch gelochten Blechzugproben. Der graue Bereich kennzeichnet Der Geometriefaktor A beschreibt das Verhältnis von horizontaler zu waagerechter
Ausdehnung der jeweiligen Ellipse. Im Falle eines idealen Kreises ist A gleich 1 (siehe Abb.Symmetriegründen wird wieder nur ein Viertel der jeweiligen Probe simuliert.
Diskretisierungen der in Abb. 3-11 dargestellten Bleche. Es wurden
Elemente in der Breite und zwei Elemente in der Tiefe festgelegt. Die Gesamtzahl der
43
dargestellten gekerbten NiTi-
Blechzugproben. Der graue Bereich kennzeichnet etriefaktor A beschreibt das Verhältnis von horizontaler zu waagerechter
1 (siehe Abb. 3-8b). Aus
dargestellten Bleche. Es wurden 20
Die Gesamtzahl der
44
Abb. 3-12: Diskretisierungen der in Abb. 3
Elemente liegt wieder für alle simulierten Blechbereiche bei ca. 2.000.
einen vollständigen Zyklus (Be
Materialparameter zusammen, welche für die
Tab. 3-4: Verwendete Materialkennwerte für die Simulation der Blechproben.
Finite-Elemente-Simulationen
n der in Abb. 3-12 dargestellten elliptisch gelochten Blechproben.
Elemente liegt wieder für alle simulierten Blechbereiche bei ca. 2.000. Die Rechenzeit für
einen vollständigen Zyklus (Be- und Entlastung) betrug auch hier 30.000 s.
Materialparameter zusammen, welche für die Rechnungen der Blechproben
4: Verwendete Materialkennwerte für die Simulation der Blechproben.
Materialkennwerte für Blechproben
EA 55.3 GPa
νA 0.35
EM 24.3 GPa
νM 0.35
σMN 440 MPa
σMC 410 MPa
σAN 111 MPa
σAC 141 MPa
∆ε 0.04550
n Blechproben.
Die Rechenzeit für
s. Tab. 3-4 fasst die
r Blechproben benutzt wurden.
4: Verwendete Materialkennwerte für die Simulation der Blechproben.
Finite-Elemente-Simulationen 45
3.4 Untersuchungen zum Stoffgesetz und zur Netzabhängigkeit
Systematische Analysen wurden durchgeführt, um den Einfluss der Umwandlungsdehnung im
Stoffgesetz auf die Versuchsergebnisse zu ermitteln und eine mögliche Netzabhängigkeit der
Lösungen auszuschließen. Zu diesem Zweck wurden am Beispiel der in Abb. 3-5 gezeigten
Drahtprobe neun verschiedene Simulationen durchgeführt. Für drei Netzdichten wurde das
Stoffgesetz aus Abb. 3-6 verwendet und mit jeweils drei Umwandlungsdehnungen ∆+
gerechnet. Als Umwandlungsdehnungen wurden zusätzlich zum bisherigen Wert aus den
Simulationen der Drahtprobe von ca. 4 % die beiden Extremwerte von 1 % und 10 %
angenommen. Alle anderen Parameter, wie die elastischen Eigenschaften oder die
Plateauspannungen, blieben unverändert. Abb. 3-13 stellt die Stoffgesetze schematisch dar.
Die Anzahl der Elemente variierte in dieser Netzstudie für die Achtel-Drahtprobe zwischen
936 (grob), 1920 (mittel) und 16320 (fein).
Abb. 3-13: Schematische Darstellung des lokalen Stoffgesetztes für drei verschiedene Umwandlungsdehnungen.
46 Finite-Elemente-Simulationen
3.5 Zyklische Versuche an ausgewählten Probengeometrien
Es wurden zyklische Zugversuche an Draht- und Blechproben simuliert. Zu diesem Zweck ist
es erforderlich, das lokale Materialverhalten in Abhängigkeit des jeweiligen Zyklus zu
variieren, um dem Effekt der funktionellen Ermüdung Rechnung zu tragen. Die
Kurvenabschnitte, auf welchen sich die Phasenumwandlung vollziehen, wurden parallel zu
niedrigeren Spannungsniveaus verschoben. Dies wird erreicht, indem σ�� und σ� um
denselben Betrag verringert werden. Gleiches gilt für σ�� und σ�, wobei die Verschiebung
dieser Größen, experimentellen Beobachtungen entsprechend, weniger stark ausgeprägt ist als
für das obere Spannungsplateau. Um eine irreversible Dehnung zu erhalten, wird der erste
Abb. 3-14: In Anlehnung an Abb. 3-4 verändern sich die Materialparameter des lokalen Stoffgesetzes in Abhängigkeit der Zyklenzahl. Während die Plateauspannungen kontinuierlich absinken (parallele Verschiebung der inelastischen Kurvenäste zu niedrigeren Spannungen), erhöht sich die bleibende Dehnung (parallele Verschiebung des ersten Kurvenastes zu höheren Dehnungen).
Kurvenabschnitt (elastische Deformation des Austenits) bei steigender Zyklenzahl und
unverändertem Elastizitätsmodul zu größeren Dehnungen verschoben. Realisiert wird dies,
indem die Bedingung für das Ende der Phasentransformation in Abhängigkeit der Zyklenzahl
angepasst wird. Der Kurvenast der spannungsinduzierten Rückumwandlung wird
entsprechend verkürzt. Die elastische Entlastung setzt dadurch bereits bei größeren
Dehnungen ein als im vorangegangenen Zyklus. Abb. 3-14 beschreibt die genannten Aspekte
schematisch in einem lokalen Spannungs-Dehnungs-Diagramm. Es ist anzumerken, dass das
Materialverhalten von Materialpunkt zu Materialpunkt verschieden sein kann, je nachdem,
wie viele (partielle) Phasenumwandlungen dieser Punkt im bisherigen Versuchsablauf
erfahren hat. Gemäß Gl. 3-14 berechnen sich die Verschiebungen der Spannungsplateaus
Finite-Elemente-Simulationen 47
sowie der bleibenden Dehnung. Jeweils zwei Konstanten, A und B (für das Be- und
Entlastungsplateau sowie die irreversible Dehnung) müssen dazu durch einen exponentiellen
Fit der Gl. 3-14 an einen geeigneten experimentellen Datensatz bestimmt werden. Daraus
ergeben sich sechs Ermüdungsparameter, die zusätzlich im Stoffgesetz berücksichtigt werden
müssen. Nähere Informationen zum Stoffgesetz und zur Bestimmung der Materialparameter
sind Anhang C zu entnehmen.
f(N* � A(1 ! ed&e�** &3-14*
Tab. 3-5: Verwendete Materialparameter für zyklische Versuche der Drahtproben.
Materialkennwerte
E� 41.9 GPa
ν� 0.35
E� 22.1 GPa
ν� 0.35
σ�� 518 MPa
σ� 488 MPa
σ�� 226 MPa
σ� 256 MPa
Δε
c�
c�
cA
cJ
cK
cL
0.04021
100 MPa
0.25
50 MPa
0.25
0.0008
0.25
Für die Simulation der zyklischen Versuche am Drahtmaterial wurde die Geometrie aus
Abb. 3-5 verwendet. Die Probe wurde dreimal hintereinander mit jeweils ansteigender
Amplitude ausgelenkt und nach den ersten beiden Zyklen um jeweils 0.2 mm wieder
zurückgefahren. Die Auslenkung δ stieg von 0.4 mm im ersten Zyklus über 0.6 mm im
zweiten auf 0.8 mm im dritten Zyklus. Anschließend wurde die Probe vollständig entlastet.
48
Tab. 3-5 fasst die Materialparameter für diese Simulation zusammen.
betrug insgesamt 37.000 s. In einer weiteren Simulation wurde eine gelochte Blechprobe
untersucht, die an der Ober-
wurde. Zur Reduktion der Rechenzeit wurde die Symmetrie der Belastung und Geometrie
ausgenutzt und in entsprechenden Randbedingungen berücksichtigt. Die Randbedingungen
ergaben sich wie folgt:
Abb. 3-15: Schematische Darstellung gelochte Blechprobe, die zyklische beansprucht
Die Probe wurde insgesamt fünfmal be
Spannungsamplitude betrug dabei 350
Entlastungszyklus auf 87.5 (25
die Geometrie, die Lastaufbringung und die Randbedingungen (durch Loslager angedeutet)
schematisch. Alle wichtigen Abmaße sind durch Variable A festgelegt, die in dieser
Rechnung 12.5 mm betrug. Das verwendete FEM
zentralen Probenbereich ist das Netz feiner, während es sich mit steigender Entfernung vom
Finite-Elemente-Simulationen
5 fasst die Materialparameter für diese Simulation zusammen. Die skalierte Rechenzeit
In einer weiteren Simulation wurde eine gelochte Blechprobe
und Unterseite mit einer Normalspannung
wurde. Zur Reduktion der Rechenzeit wurde die Symmetrie der Belastung und Geometrie
entsprechenden Randbedingungen berücksichtigt. Die Randbedingungen
(1) u(0, y, z) = 0,
(2) v(x, 0, z) = 0.
Schematische Darstellung der Geometrie, der Randbedingungen und der Belastungen für eine beansprucht wurde in a) und das entsprechende FEM-Netz in b).
Die Probe wurde insgesamt fünfmal be- und anschließend wieder entlastet. Die maximale
Spannungsamplitude betrug dabei 350 MPa und wurde nach Erreichen im jeweils folgenden
tungszyklus auf 87.5 (25 % der Maximalbelastung) wieder abgesenkt. Abb.
Lastaufbringung und die Randbedingungen (durch Loslager angedeutet)
schematisch. Alle wichtigen Abmaße sind durch Variable A festgelegt, die in dieser
mm betrug. Das verwendete FEM-Netz ist in Abb. 3-15
zentralen Probenbereich ist das Netz feiner, während es sich mit steigender Entfernung vom
Die skalierte Rechenzeit
In einer weiteren Simulation wurde eine gelochte Blechprobe
und Unterseite mit einer Normalspannung σ zyklisch belastet
wurde. Zur Reduktion der Rechenzeit wurde die Symmetrie der Belastung und Geometrie
entsprechenden Randbedingungen berücksichtigt. Die Randbedingungen
der Geometrie, der Randbedingungen und der Belastungen für eine Netz in b).
und anschließend wieder entlastet. Die maximale
MPa und wurde nach Erreichen im jeweils folgenden
ung) wieder abgesenkt. Abb. 3-15a zeigt
Lastaufbringung und die Randbedingungen (durch Loslager angedeutet)
schematisch. Alle wichtigen Abmaße sind durch Variable A festgelegt, die in dieser
15b abgebildet. Im
zentralen Probenbereich ist das Netz feiner, während es sich mit steigender Entfernung vom
Finite-Elemente-Simulationen 49
Lochrand aufweitet. Die Materialparameter, wie sie für diese Rechnung verwendet wurden,
sind in Tab. 3-6 zusammengefasst. Die skalierte Rechenzeit betrug 4.000 s.
Tab. 3-6: Verwendete Materialparameter für zyklische Versuche der Blechproben.
Materialkennwerte E� 55.3 GPa
ν� 0.35
E� 24.3 GPa
ν� 0.35
σ�� 435 MPa
σ� 405 MPa
σ�� 111 MPa
σ� 141 MPa
Δε
c�
c�
cA
cJ
cK
cL
0.044
100 MPa
0.25
50 MPa
0.25
0.0005
0.25
50 Ergebnisse
4. Ergebnisse
In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der durchgeführten Finite-Elemente-Simulationen
dargestellt. Zunächst wird auf Kompatibilitätsspannungen in martensitischen Zwillings-
strukturen eingegangen. Im Anschluss daran folgen die Simulationen, welche sich mit dem
pseudoelastischen Materialverhalten von NiTi-FGL befassen und insbesondere die
Lokalisierung und funktionelle Ermüdung in den Vordergrund stellen. Einzelne Aspekte
dieser Ergebnisse werden im nachfolgenden Kapitel erneut aufgegriffen und vor dem
Hintergrund der Aufgabenstellungen dieser Arbeit näher diskutiert.
4.1 Kompatibilitätsspannungen an Zwillingsgrenzflächen
In den Simulationen zeigte sich, dass zusätzliche Spannungen überwiegend in den inneren
Probenbereichen der Zwillingsstapel beobachtet werden konnten. Aus diesem Grund werden
die räumlichen Verteilungen der Spannungsverläufe im Schnittbild als dreidimensionale
Kontur-Plots dargestellt. Detaillierte Auswertungen der Spannungen wurden für die Knoten
der mittleren Probenachse durchgeführt. Diese verlaufen jeweils senkrecht zu den Normalen
der Zwillingsgrenzflächen. Zur quantitativen Beurteilung dieser Spannungsverteilungen
wurden jeweils einzelne Spannungskomponenten herausgegriffen. Um die Ergebnisse
verschiedener Zwillingstypen und Beanspruchungsfälle untereinander vergleichen zu können,
wurden dimensionslose Verhältnisse von Kompatibilitätsspannungen (σC) zur externen
Beanspruchung (σA) gebildet und über die vertikale Koordinate der mittleren Probenachse
aufgetragen.
(100)-Verbindungs-Zwilling
Die durchgeführten Simulationen zeigten, dass nur bestimmte externe Belastungen zu
weiteren Spannungen in den Zwillingsstapeln führten. Im Vordergrund des Interesses stehen
daher diejenigen Belastungszustände, die Kompatibilitätsspannungen verursachen. Dennoch
soll exemplarisch anhand eines Beispiels dargestellt werden, wie sich ein Zwillingsstapel in
einem Fall verhält, wenn keine zusätzlichen Spannungen entstehen.
Abb. 4-1: (100)-Verbindungs-Zwilling im FENormalspannung von 1 MPa in 1-Richtung aufgebracht wurde.
In Abb. 4-1 ist die verformte Struktur
vorliegenden Fall wurde der Zwillingsstapel mit einer äußeren Belastung von
1-Richtung beaufschlagt. Diese Spannung verteilt sich homogen in der Probe, weshalb auf
eine Kontur-Darstellung an diese
jeweils benachbarten Varianten
Als Konsequenz daraus resultiert eine leicht wellige Außenkontur. Die weiß eingezeichnete
vordere Würfelkante verdeutlicht diesen Effekt.
Zwillingstyps sind die Varianten ansonsten spannungsfrei.
bestimmte Schubbeanspruchungen
Kompatibilitätsspannungen, die sich mit den von außen aufgebrachten Beanspruchungen
überlagern. Eine Beanspruchung in der Komponente
der Komponente σ5 nach sich. Abb.
Zwillingsgrenzfläche des Stapels ist hierbei mit einem schwarzen Pfeil markiert, während der
weiße Pfeil die zentrale Probenachse kennzeichnet. Diese wird für eine detailierte
Auswertung der Spannungen herangezogen
Kompatibilitätsspannungen bei jedem Übergang einer
Mittelachse des Stapels einen Vorzeichenwechsel vollziehen. In den beiden zentralen
Zwillingsvarianten bilden sich relativ homogen Spannungen aus, die zum lateralen
Probenrand hin deutlich abfallen. Je
Grenzfläche ist, desto ungleichmäßiger verteilen sich die Spannungen in den einzelnen
Varianten. In den äußersten Varianten sind
Ergebnisse
Zwilling im FE-Modell. Der verformte Zustand ist gezeigt, Richtung aufgebracht wurde.
ist die verformte Struktur eines (100)-Verbindungs-Zwillings
vorliegenden Fall wurde der Zwillingsstapel mit einer äußeren Belastung von
Richtung beaufschlagt. Diese Spannung verteilt sich homogen in der Probe, weshalb auf
Darstellung an dieser Stelle verzichtet werden kann. Es zeigt sich, dass sich die
jeweils benachbarten Varianten der Zwillingsstruktur auf unterschiedliche Weise verformen.
Als Konsequenz daraus resultiert eine leicht wellige Außenkontur. Die weiß eingezeichnete
lkante verdeutlicht diesen Effekt. Aufgrund der Symmetrie dieses
Zwillingstyps sind die Varianten ansonsten spannungsfrei. Im Gegensatz dazu führen
bestimmte Schubbeanspruchungen bei (100)-Verbindungs-Zwillingen zum Entstehen von
die sich mit den von außen aufgebrachten Beanspruchungen
. Eine Beanspruchung in der Komponente σ4 zieht beispielsweise eine Reaktion in
nach sich. Abb. 4-2a zeigt den entsprechenden Kontur
he des Stapels ist hierbei mit einem schwarzen Pfeil markiert, während der
weiße Pfeil die zentrale Probenachse kennzeichnet. Diese wird für eine detailierte
Auswertung der Spannungen herangezogen (Abb. 4-26). Allgemein ist auffällig, dass die
ätsspannungen bei jedem Übergang einer Zwillingsvariante entlang der
Mittelachse des Stapels einen Vorzeichenwechsel vollziehen. In den beiden zentralen
Zwillingsvarianten bilden sich relativ homogen Spannungen aus, die zum lateralen
h abfallen. Je größer der vertikale Abstand von
, desto ungleichmäßiger verteilen sich die Spannungen in den einzelnen
In den äußersten Varianten sind nahezu keine Spannungen mehr zu beobachten.
51
ist gezeigt, nachdem eine
Zwillings dargestellt. Im
vorliegenden Fall wurde der Zwillingsstapel mit einer äußeren Belastung von σ1 = 1 MPa in
Richtung beaufschlagt. Diese Spannung verteilt sich homogen in der Probe, weshalb auf
r Stelle verzichtet werden kann. Es zeigt sich, dass sich die
auf unterschiedliche Weise verformen.
Als Konsequenz daraus resultiert eine leicht wellige Außenkontur. Die weiß eingezeichnete
Aufgrund der Symmetrie dieses
Gegensatz dazu führen
Zwillingen zum Entstehen von
die sich mit den von außen aufgebrachten Beanspruchungen
zieht beispielsweise eine Reaktion in
2a zeigt den entsprechenden Kontur-Plot. Die mittlere
he des Stapels ist hierbei mit einem schwarzen Pfeil markiert, während der
weiße Pfeil die zentrale Probenachse kennzeichnet. Diese wird für eine detailierte
. Allgemein ist auffällig, dass die
Zwillingsvariante entlang der
Mittelachse des Stapels einen Vorzeichenwechsel vollziehen. In den beiden zentralen
Zwillingsvarianten bilden sich relativ homogen Spannungen aus, die zum lateralen
größer der vertikale Abstand von der mittleren
, desto ungleichmäßiger verteilen sich die Spannungen in den einzelnen
keine Spannungen mehr zu beobachten.
52 Ergebnisse
Abb. 4-2: Schnittansichten des (100)-Verbindungs-Zwilling in der FEM-Simulation (linke Spalte) und normierte Spannungsverläufe entlang der mittleren Probenachse (rechte Spalte). Eine Schubbelastung der Komponente σ4 in a) verursacht eine zusätzliche Kompatibilitätsspannung σ5C in der Zwillingsstruktur. Eine Belastung in der Komponente σ6 führt zu den Kompatibilitätsspannungen σ1C und σ3C in c) und e).
Abb. 4-2b zeigt den Verlauf der Kompatibilitätsspannung σ5C, normiert auf die von außen
aufgebrachte Spannung σ4A. Die Spannungen sind entlang der mittleren Probenachse
aufgetragen. Die Position der mittleren Grenzfläche ist rot umrandet. Die Spannungswerte
dieser beiden benachbarten Varianten sind zusätzlich mittels durchgezogener schwarzer
Ergebnisse 53
Linien gekennzeichnet, um einen sichtbaren Vergleich zu den äußeren Varianten zu
ermöglichen. Dies gilt im Folgenden für alle weiteren Abbildungen. Es wird beobachtet, dass
die mittleren vier Varianten des Zwillingsstapels jeweils ähnliche Spannungswerte aufweisen,
wie sie an der mittleren Zwillingsgrenzfläche auftreten. Wie bereits im Kontur-Plot zu sehen
war, fallen die Spannungen nach außen hin stark ab und verschwinden letztlich komplett. Die
beschriebenen Sachverhalte gelten qualitativ für alle untersuchten Beanspruchungsszenarien.
Ein zahlenmäßiger Vergleich belegt, dass für die Komponente σ4 lediglich Kompatibilitäts-
spannungen auftreten, die ca. 5 % (σ5C in Abb. 4-2b) der aufgebrachten Spannung
entsprechen. Anders verhält es sich bei einer Beanspruchung in der Komponente σ6. Hier
werden zusätzliche Spannungen in einer Größenordnung zwischen ca. 40 % (σ1C in
Abb. 4-2d) und 100 % der externen Beanspruchung (σ3C in Abb. 4-2f) hervorrufen. Die
Ergebnisse lassen sich in einfacher Form übersichtlich in Matrixschreibweise
zusammenfassen. Dazu werden die numerisch ermittelten Kompatibilitätsspannungen in
Vektorform geschrieben und mit den aufgebrachten externen Spannungen über eine Matrix
verknüpft:
fσ�σAσKg � ha�� a�� a�A a�J a�K a�La�� a�� a�A a�J a�K a�LaA� aA� aAA aAJ aAK aALi EFFFFGσ��σ��σA�σJ�σK�σL�OP
PPPQ (4-1)
Für die (100)-Verbindungs-Zwillinge ergibt sich in Anlehnung an Abb. 4-2 für die
Spannungen an der mittleren Grenzfläche des Zwillingsstapels folgende Matrix jkl :
A�m � h0 0 0 0 0 0.41160 0 0 0 0 !1.005510 0 0 !0.052304 0 0 i (4-2)
54 Ergebnisse
<110>-Typ II-Zwilling
Die Simulationen für den <110>-Typ II-Zwilling ergaben qualitativ sehr ähnliche Ergebnisse,
wie sie sich zuvor für den (100)-Verbindungs-Zwilling darstellten. Je weiter man sich von der
zentralen Grenzfläche in vertikaler Richtung entfernt, desto schwächer ausgeprägt sind die
Kompatibilitätsspannungen. An den Übergängen einzelner Varianten vollzieht sich wieder ein
Vorzeichenwechsel in Bezug auf die jeweiligen Kompatibilitätsspannungen. Anders als
zuvor, können für dieses Zwillingssystem jedoch immer Kompatibilitätsspannungen
beobachtet werden, egal in welcher Komponente eine externe Belastung aufgeprägt wird. So
führen Normalbelastungen (Abb. 4-3) zu einer Kompatibilitätsspannung σ5C. Diese liegen
relativ zur aufbrachten Beanspruchung entweder bei ca. 5 % (für σ1A in Abb. 4-3b), oder bei
knapp 30 % (Abb. 4-3d und f, respektive σ2A und σ3A). Auch die aufgeprägte Schubspannung
σ4A bewirkt ebenfalls eine Spannung in der Komponente σ5C, dargestellt in Abb. 4-4b. Die
Kompatibilitätsspannungen erreichen für diesen Beanspruchungsfall einen Wert von knapp
20 % der externen Beanspruchung. Die Schubspannungen σ5A und σ6A verursachen jeweils
die Kompatibilitätsspannungen σ1C und σ3C (Abb. 4-4d und f). Im Fall der Komponenten σ5A
liegen diese relativ dazu bei knapp 15 % für σ1C und 70 % für σ3C. Abb. 4-5 zeigt die
Ergebnisse für σ6A. Gegenüber σ5A liegen die Kompatibilitätsspannungen nochmals ein wenig
höher bei etwas über 20 % für die Komponente σ1C (Abb. 4-5b) und sogar bis zu 120 % für
σ3C (Abb. 4-5d).
Ergebnisse 55
Abb. 4-3: Schnittansichten des <110>-Typ II-Zwillings in der FEM-Simulation (linke Spalte) und normierte Spannungsverläufe entlang der mittleren Probenachse (rechte Spalte). Von außen auf den Zwillingsstapel aufgebrachte Normalspannungen ziehen in jedem Belastungsfall Kompatibilitätsspannungen des Typs σ5C nach sich.
56 Ergebnisse
Abb. 4-4: Schnittansichten des <110>-Typ II-Zwillings in der FEM-Simulation (linke Spalte) und normierte Spannungsverläufe entlang der mittleren Probenachse (rechte Spalte). Eine Schubbelastung der Komponente σ4 verursacht eine zusätzliche Schubspannungen σ5C im Inneren der Zwillingsstruktur. Eine Belastung durch σ5 führt hingegen zu den zusätzlichen Spannungen σ1C und σ3C.
Ergebnisse 57
Abb. 4-5: Schnittansichten des <110>-Typ II-Zwillings in der FEM-Simulation (linke Spalte) und normierte Spannungsverläufe entlang der mittleren Probenachse (rechte Spalte). Eine Schubbelastung in der Komponente σ6 erzeugen zusätzliche Schubspannungen σ1C und σ3C.
Für den <110>-Typ II-Zwilling lassen sich die dargestellten Ergebnisse quantitativ wie folgt
in der Matrix Aij zusammenfassen:
A�m � h 0 0 0 0 !0.155979 !0.1804290 0 0 0 !0.679039 !1.187220.0534808 0.303728 !0.296677 0.208947 0 0 i (4-3)
58 Ergebnisse
{nno7-Typ I-Zwilling
An dieser Stelle wird auf eine detaillierte Darstellung (Kontur-Plots und Spannungsverläufe)
der Ergebnisse zum Zwillingstyp I verzichtet, da sich qualitativ sehr ähnliche Ergebnisse, wie
bei den zuvor beschriebenen Systemen, einstellten. Der Vollständigkeit halber werden die
Ergebnisse kurz beschrieben und in komprimierter Form zusammengefasst.
Die Simulationen für die verschiedenen Typ I-Zwillingssysteme hatten allesamt gemein, dass
die Kompatibilitätsspannungen nur auftraten, wenn die Zwillingsstapel durch
Schubspannungen in den Komponenten σ4A und σ6A belastet wurden. Es konnten für alle
Typ I-Zwillingssysteme jeweils die Kompatibilitätsspannungen σ1C, σ3C und σ5C beobachtet
werden. Tendenziell traten die höchsten zusätzlichen Spannungen auf, wenn eine Belastung in
der Komponente σ6A vorlag. Dennoch konnten für die einzelnen Typen quantitative
Unterschiede identifiziert werden. Die {110}-Typ I-Zwillinge erreichen zusätzliche
Spannungen in einer Größenordnung von knapp 1 % bis maximal 83 % der aufgebrachten
Beanspruchung:
A�m � h0 0 0 !0.308778 0 0.8346200 0 0 0.304219 0 !0.2689010 0 0 0.009602 0 !0.195976i (4-4) 6npnn7-Typ I-Zwilling
Ein qualitativ ähnliches Bild wie für den {110}-Typ I-Zwilling zeigt sich für den
612117-Typ I-Zwilling. Für diesen Zwilling dominiert die Kompatibilitätsspannung σ3C. Die
Kompatibilitätsspannungen erreichen Werte zwischen 15 % und maximal 79 % relativ zur
äußeren Beanspruchung:
A�m � h0 0 0 0.354624 0 0.4644220 0 0 0.515387 0 0.7991650 0 0 !0.153144 0 !0.529974i (4-5)
Ergebnisse 59
6nnn7-Typ I-Zwilling
Für den {111}-Typ I-Zwilling resultieren Kompatibilitätsspannungen zwischen 2 % und
maximal 30 % relativ zur jeweiligen äußeren Beanspruchung:
A�m � h0 0 0 0.290611 0 0.2788690 0 0 0.144149 0 !0.1399580 0 0 0.0176248 0 !0.0329526i (4-6)
Ausbildung von Kompatibilitätsspannungen in Abhängigkeit der Variantenanzahl
Abb. 4-6: Schnittansicht der Typ II-Zwillingsstruktur aus Abb. 4-3c (sechs Varianten) sowie weitere Kontur-Plots für verschiedene Stapelgrößen. Mit steigender Variantenzahl erhöht sich die Anzahl der Varianten im Zentrum des Zwillingsstapels, die eine nahezu homogene Verteilung der Kompatibilitätsspannungen aufweisen. Für die Rechnung mit 12 Varianten, zeigen bereits die Hälfte aller Varianten (schwarz umrandeter Bereich) eine gleichmäßige Spannungsverteilung.
Für einen ausgewählten Belastungsfall des <110>-Typ II-Zwillings (Beanspruchung durch
σ2A) wurde die FEM-Simulation für verschiedene Strukturen mit steigender Variantenanzahl
wiederholt. Abb. 4-6 zeigt vier Kontur-Plots und beschreibt von links nach rechts, den
Einfluss, den eine ansteigende Anzahl an Zwillingsvarianten auf die Verteilung der
Kompatibilitätsspannungen in Inneren des Stapels hat. Eine steigende Anzahl an Varianten
vergrößert denjenigen Bereich im Zentrum des Stapels, in dem sich die
Kompatibilitätsspannungen nahezu homogen ausbilden. Während für einen Stapel mit sechs
Varianten die beiden mittleren Zwillingsvarianten noch keine homogene Spannungsverteilung
aufweisen, können bei 12 Varianten bereits sechs Varianten identifiziert werden (schwarzes
60 Ergebnisse
Rechteck in Abb. 4-6 rechts), für die dies gilt. Unabhängig von der Anzahl der
berücksichtigten Varianten bleibt der Abfall der Spannungen zu den lateralen Bereichen des
Stapels. Die Ergebnisse zeigen sich ebenfalls, wenn die Spannungen entlang der Mittelachsen
für die unterschiedlich großen Zwillingsstapel ausgewertet werden. Aus Abb. 4-7a ist zu
entnehmen, dass für den Stapel mit 12 Varianten (offene Kreise) die Kompa-
tibilitätsspannungen der inneren sechs Varianten nahezu die gleichen Werte aufweisen, wie
sie an der mittleren Zwillingsgrenzfläche (schwarze durchgezogene Linien) vorliegen. Je
weniger Varianten der Stapel umfasst, desto eher zeigen sich Abweichungen von den Werten
der mittleren Grenzfläche. Der in Abb. 4-7a rot eingerahmte Bereich ist in Abb. 4-7b noch
einmal hervorgehoben und durch den roten Pfeil markiert.
Abb. 4-7: Quantitative Auswertungen der Kompatibilitätsspannungen entlang der mittleren Probenachse eines Typ II-Zwillingsstapels für unterschiedliche Stapelgrößen. In a) wird ersichtlich, dass die Spannungen für die Probe mit 12 Varianten bereits über einen großen Probenbereich (rot umrandetes Rechteck) nahezu exakt den Spannungen der mittleren Grenzfläche entsprechen. Dieser Bereich ist detailliert in b) dargestellt. Je mehr Varianten der Zwillingsstapel umfasst, desto geringer ausgeprägt sind die Abweichungen.
Einen Einblick in die Spannungsverteilung senkrecht zur Zwillingsgrenzfläche gibt Abb. 4-8,
in der das Ergebnis einer Simulation aus Abb. 4-3c in modifizierter Form dargestellt wird.
Knapp unterhalb (Abb. 4-8a) und oberhalb (Abb. 4-8b) der Grenzfläche (zu beachten ist der
Vorzeichenwechsels in der Spannung an der Grenzfläche) wird eine nahezu homogene
Spannungsverteilung beobachtet. Obwohl die Kompatibilitätsspannungen zum Rand hin
wieder deutlich abfallen, sind diese Probenbereiche von untergeordneter Bedeutung.
Ergebnisse 61
Spannungsverteilung in der näheren Umgebung der Grenzfläche
Abb. 4-8: Blick senkrecht auf benachbarte Probenbereiche der Grenzfläche des Zwillingsstapels aus Abb. 4-3c. Unmittelbar unterhalb der Grenzfläche in a) sowie oberhalb der Grenzfläche in b) zeigt sich eine überwiegend homogene Verteilung der Kompatibilitätsspannung. Die betrachteten Querschnitte sind schematisch in c) angedeutet.
62 Ergebnisse
Die Ergebnisse des vorangegangenen Unterkapitels mit dem Fokus auf
Kompatibilitätsspannungen an Zwillingsgrenzflächen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1) Werden stapelförmige Strukturen mit einzelnen Varianten, die sich zueinander elastisch
anisotrop verhalten, einer äußeren Beanspruchung unterzogen, so entstehen an den
Grenzflächen und in den endlich ausgedehnten Volumina der einzelnen Varianten
zusätzliche Spannungen.
2) Elastisch anisotrope Finite-Elemente-Simulationen können grundsätzlich dazu verwendet
werden, um Kompatibilitätsspannungen für Zwillingsstrukturen numerisch zu bestimmen.
Durch Berücksichtigung der jeweiligen kristallographischen Orientierungen und
Symmetrien wurden die wichtigsten Zwillingssysteme in martensitischen NiTi-FGL
untersucht.
3) Es wurden drei Kompatibilitätsspannungen σ1C, σ3C und σ5C beobachtet, die sich mit den
externen Beanspruchungen überlagern und so zu einer deutlichen Spannungserhöhung in
der Struktur beitragen. Über die Zwillingsgrenzflächen hinweg vollziehen die
Spannungen einen Vorzeichenwechsel. Relativ zur aufgebrachten äußeren
Beanspruchung konnten zusätzliche Spannungsbeiträge zwischen wenigen Prozent bis zu
über 120 %, relativ zur jeweils aufgeprägten externen Spannung, beobachtet werden.
4) Randeffekte zeigten sich in den Probenbereichen, die sich frei verformen können. Sie
konzentrieren sich auf die äußeren Varianten des Stapels sowie die lateralen Ränder jeder
einzelnen Zwillingsvariante. Aus diesen Gründen erfolgten detaillierte Auswertungen in,
von solchen Randeffekten weniger betroffenen, zentralen Probenbereichen. Es konnte
gezeigt werden, dass die Spannungen sich räumlich homogener verteilen und sich umso
stärker der Lösung an der mittelersten Grenzfläche annähern, je mehr Varianten im
Zwillingsstapel berücksichtigt wurden.
Ergebnisse 63
4.2 Lokalisierung der martensitischen Phasenumwandlung
Drahtprobe
Abb. 4-9 beschreibt in einer Sequenz von 12 Einzelaufnahmen das Phasen-
umwandlungsverhalten einer Drahtprobe im einachsigen Zugversuch. Die ersten sieben
Aufnahmen zeigen Zeitpunkte zu unterschiedlichen (makroskopischen) technischen
Dehnungen (jeweils unterhalb einer Aufnahme angegeben) der Probe während der Belastung.
Die übrigen fünf Bilder zeigen das Verhalten der Probe, während sie wieder entlastet wird.
Die Kontur-Plots beschreiben in einem Farbschema von blau (Dehnungen < 1.2 %) nach rot
(Dehnungen > 6.0 %) die Entwicklung der wahren Dehnung (ε2) in Zugrichtung auf der
Oberfläche des rotationssymmetrischen Drahtes. Die leicht transparenten Probenköpfe (oben
und unten) markieren die Einspannbereiche, in denen ein homogener Druck von 10 MPa
während des gesamten Be- und Entlastungszyklus auf den Draht aufgebracht wurde. Zu
Beginn des Versuches (1) ist der Draht im unbelasteten Zustand vollständig austenitisch, was
durch ein weißes A auf der Probe gekennzeichnet ist. Bei einer makroskopischen Dehnung
von 1.2 % (2) hat in den Einspannbereichen des Drahtes lokalisiert eine spannungsinduzierte
Phasenumwandlung stattgefunden. Die rot dargestellten Bereiche sind zu diesem Zeitpunkt
bereits vollständig in Martensit umgewandelt. Zwischen den beiden deutlich voneinander
trennbaren Phasen Austenit (blau) und Martensit (rot) befindet sich ein Übergangsbereich
endlicher Breite, der auch als makroskopische Phasengrenze betrachtet werden kann. Dieser
Bereich ist senkrecht zur Zugrichtung ausgerichtet. Im weiteren Verlauf der Belastung (3-5)
bewegen sich die Phasengrenzen gleichförmig Richtung Probenmitte (weiße Pfeile in 2). Die
Materialbereiche, die von den Phasengrenzen überschritten wurden, sind danach vollständig
in Martensit umgewandelt. Bei einer makroskopischen Dehnung von 6.0 % (6) erfolgt in der
Drahtmitte eine Verschmelzung der beiden einzelnen Phasengrenzen und die Probe ist
anschließend vollständig (7) in Martensit umgewandelt. Nach einer weiteren geringfügen
Auslenkung der Probe wird diese wieder entlastet. Die lokale Dehnung nimmt über die
gesamte Probenoberfläche zunächst gleichmäßig ab. Der Martensit wird elastisch entlastet,
bis bei einer Dehnung von 5.0 % (8) am Übergang der Einspannungen zum freien
Probenbereich die Rückumwandlung in den Austenit einsetzt. Weiße Pfeile in (8) markieren
die Ausbreitungsrichtung der Phasengrenzen, die sich im weiteren Verlauf wieder auf die
Probenmitte zubewegen (9-10) und hinter sich umgewandelten Austenit zurücklassen.
64 Ergebnisse
Abb. 4-9: Kontur-Plots des lokalen Dehnungsfeldes (wahre Dehnung) in Hauptzugrichtung für den einachsigen Zugversuch einer Drahtprobe.
Bei einer makroskopischen Dehnung von ca. 0.9 % verschmelzen die Phasengrenzen erneut in
der Probenmitte, so dass der freie Probenbereich vollständig in Austenit umgewandelt ist.
Abschließend wandeln in (11) auch die letzten martensitischen Bereiche zurück in den
Ergebnisse 65
Austenit um. Nach der Entlastung in (12) befindet sich die Probe wieder vollständig in der
austenitischen Phase. Die technische Spannungs-Dehnungs-Kurve für die in Abb. 4-9
dargestellte Simulation ist in Abb. 4-10 gezeigt. In dem Diagramm sind zusätzlich diejenigen
Datenpunkte eingetragen und entsprechend beschriftet, die in Abb. 4-9 zuvor als Kontur-Plots
Abb. 4-10: Technische Spannungs-Dehnungs-Kurve der Drahtprobe, wie aus der FEM-Simulation ermittelt. Die gekennzeichneten Datenpunkte markieren die entsprechenden Kontur-Plots aus Abb. 4-9.
dargestellt wurden. Während der Belastung (Auslenkung) der Probe verformt sich der
Austenit (Ausgangskonfiguration des Materials) zunächst linear-elastisch. Am Ende des
ersten Kurvenabschnittes erfolgt ab Punkt (2) bei einer Spannung von knapp 500 MPa, nach
einem leichten Abfall um 14 MPa, der Übergang in ein Spannungsplateau (σPlat,Hin = 486
MPa). Im Kontur-Plot aus Abb. 4-9 wird zu diesem Zeitpunkt die Nukleation des Martensits
in den Einspannungen beobachtet. Über dieses Belastungsplateau hinweg vollzieht sich
zwischen einer Dehnung von 0.9 % und 5.7 % die spannungsinduzierte Phasenumwandlung
des Austenits in den Martensit. Dies geschieht bei konstanter technischer Spannung während
einer gleichförmigen Ausbreitung der Phasengrenzen durch das Probenvolumen (3-6). Bei
einer technischen Dehnung von ca. 6.3 % wird ein Spannungsabfall um 24 MPa auf 462 MPa
beobachtet, ehe die Spannung erneut ansteigt und das Material vollständig in Martensit
umgewandelt ist (7). Bei der anschließenden Entlastung des jetzt vollständig martensitischen
Drahtes folgt die Kurve zunächst wieder einer linear-elastischen Geraden (8). Dieser
Kurvenast weist im Gegensatz zu der elastischen Verformung des Austenits (erster
66 Ergebnisse
Kurvenabschnitt) eine deutlich geringere Steigung auf. Bei einer Dehnung von 4.5 % steigt
die Spannung nach einem monotonen Abfall bis auf 75 MPa wieder leicht an und mündet in
ein Entlastungsplateau (σPlat,Rück = 89 MPa). Austenit nukleiert lokalisiert in der Nähe der
Einspannungen (9) und breitet sich gleichförmig in Richtung Probenmitte aus, während die
Spannung bei der spannungsinduzierten Rückumwandlung (9-11) unverändert bleibt. Zum
Ende des Entlastungsplateaus steigt die Spannung nochmal leicht um 10 MPa an, bevor die
Kurve wieder in den anfangs beobachteten linear-elastischen Bereich übergeht. An dieser
Stelle ist der Draht bereits vollständig in den Austenit zurück umgewandelt. Bis zum Ende der
Simulation wird der Austenit elastisch entlastet.
Bandprobe
Abb. 4-11 beschreibt in einer Sequenz von 12 Einzelaufnahmen das Phasenumwandlungs-
verhalten einer Bandprobe im einachsigen Zugversuch. Die Aufnahmen zeigen wieder das
lokale Dehnungsfeld auf der Oberfläche der Probe zu unterschiedlichen (makroskopischen)
technischen Dehnungen (jeweils unterhalb einer Aufnahme angegeben). Die ersten sieben
Kontur-Plots beschreiben das Verhalten der Probe während der Belastung. Die übrigen fünf
Bilder zeigen die Probe bei der Entlastung. Wie für die Ergebnisse der Drahtprobe zuvor
beschreiben die Kontur-Plots in einem Farbschema von blau (Dehnungen < 1.2 %) nach rot
(Dehnungen > 6.0 %) die lokale Entwicklung der wahren Dehnung (ε2) auf der Oberfläche der
quaderförmigen Bandprobe. Die transparenten Bereiche (oben und unten) kennzeichnen die
Einspannungen, in denen ein homogener Druck von 10 MPa während des gesamten Be- und
Entlastungszyklus aufgebracht wurde. In Bezug auf das Phasenumwandlungsverhalten sowie
das Ausbreitungsverhalten der Austenit-Martensit-Phasengrenzen sind grundsätzlich zur
zuvor beschriebenen Drahtprobe keine wesentlichen Unterschiede festzustellen. Die
martensitische Umwandlung beginnt zunächst wieder in den Einspannungen (2). Die
Phasengrenzen weisen jetzt jedoch eine andere Gestalt auf, als es zuvor bei der Drahtprobe
der Fall war. Auf der Probenoberfläche des Drahtes waren die Phasengrenzen senkrecht zur
Zugrichtung ausgerichtet und wiesen über den Umfang eine konstante Breite auf. In der nicht
mehr rotationssymmetrischen Bandprobe hingegen bilden sich die Übergangsbereiche
zwischen Austenit und Martensit anders aus. Im Zentrum der Probe ist die Phasengrenze
relativ schmal ausgeprägt und weitet sich zu den Probenrändern hin deutlich auf. Bis auf diese
Besonderheit verhält sich die Probe im Zugversuch ähnlich wie die Drahtprobe. Der
Ergebnisse 67
Abb. 4-11: Kontur-Plots des lokalen Dehnungsfeldes (wahre Dehnung) in Hauptzugrichtung für den einachsigen Zugversuch einer Bandprobe.
Ausbreitung der Phasengrenzen in Richtung der Probenmitte (3-5) folgt die Verschmelzung
(6), bis die Probe vollständig in Martensit umgewandelt ist (7). Bei der Entlastung beginnt die
68 Ergebnisse
Rückumwandlung ebenfalls wieder in der Nähe der Einspannungen (8). Von dort aus
bewegen sich die Phasengrenzen zunächst zur Probenmitte (9-10). Wenn das Material des
mittleren Probenbereiches in den Austenit zurück umgewandelt ist, wandeln anschließend die
Bereiche in den Einspannungen um (11), bis die Probe komplett in der austenitischen Phase
vorliegt (12).
Abb. 4-12: Technische Spannungs-Dehnungs-Kurve der Bandprobe. Die gekennzeichneten Datenpunkte markieren die entsprechenden Kontur-Plots aus Abb. 4-11.
Auch das Spannungs-Dehnungs-Verhalten der Bandprobe zeigt grundsätzlich keine
Unterschiede zur Drahtprobe auf. Während das Flachband ausgelenkt wird verformt sich der
Austenit bis zu Punkt (2) zunächst linear-elastisch. Bei einer Spannung von knapp 450 MPa
fällt diese bei einer weiteren Auslenkung um 12 MPa ab. Danach läuft die Kurve in ein
Spannungsplateau (σPlat,Hin = 438 MPa). Über dieses Belastungsplateau hinweg vollzieht sich
zwischen einer Dehnung von 1.2 % und 5.6 % die spannungsinduzierte Phasenumwandlung
vom Austenit in den Martensit (2-6). Bei einer technischen Dehnung von ca. 5.7 % wird ein
Spannungsabfall um 8 MPa auf 430 MPa beobachtet. Danach ist die Probe vollständig in den
Martensit umgewandelt (7). Anschließend steigt die Spannung erneut an, bis die Belastung
der Probe gestoppt wird und die Entlastung beginnt. Der Martensit verformt sich zunächst
wieder linear-elastisch. Bei einer Dehnung von 4.2 % und einer Spannung von 128 MPa steigt
die Spannung wieder leicht um 13 MPa an und geht in ein Entlastungsplateau
Ergebnisse 69
(σPlat,Rück = 141 MPa) über (8). Der Austenit nukleiert lokalisiert in der Nähe der
Einspannungen und breitet sich gleichförmig Richtung Probenmitte aus, während die
Spannung bei der Rückumwandlung (9-11) konstant bleibt. Zum Ende des
Entlastungsplateaus steigt die Spannung um 4 MPa an. Die Kurve verläuft danach wieder im
linear-elastischen Bereich des Austenits, bis das Flachband vollständig entlastet ist.
4.3 Einfluss der Probengeometrie auf das Umwandlungsverhalten
In dem folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse von FEM-Simulationen an NiTi-
Blechproben dargestellt. Im Fokus des Interesses liegt hierbei der Einfluss, den geometrische
Fehlstellen wie Löcher, Ellipsen oder Kerben auf das Lokalisierungsverhalten und die
spannungsinduzierte Phasenumwandlung haben.
Homogene Blechprobe und Blechprobe mit zentrischem Kreisloch
Abb. 4-13 beschreibt in einer Sequenz von 12 einzelnen Bildern das Verhalten einer
homogenen Blechprobe im Zugversuch. Die Belastung wird in den ersten sechs Aufnahmen
gezeigt, während die restlichen Bilder die Entlastung beschreiben. Die lokale Dehnung wird
wie bisher (bei unveränderter Skala) als Kennzeichnung der jeweiligen Phase herangezogen.
Die Einspannungen am oberen und unteren Probenende sind durch transparente Bereiche
hervorgehoben. In (2) können bei einer makroskopischen Dehnung der Probe von 0.8 % erste
Materialbereiche in den Einspannungen beobachtet werden, die spannungsinduziert in den
Martensit umzuwandeln. In den Einspannungen ist die Umwandlung bei (3) vollständig
abgeschlossen. Die Spannung ist im Vergleich zu Bild (2) bei nahezu gleicher Dehnung um
etwa 21 MPa angestiegen. Die Phasengrenzen bewegen sich mit ansteigender Dehnung in
einer fingerförmigen Weise Richtung Probenmitte (4-5). Bei einer Dehnung von 6.7 % ist die
Phasenumwandlung abgeschlossen und das Blech vollständig martensitisch. Wenn die Probe
entlastet wird, wandelt die Probe zunächst wieder in der Nähe der Einspannungen zurück in
den Austenit (7). Vereinzelte Probenbereiche im zentralen Bereich des Bleches verbleiben
partiell noch in der martensitischen Konfiguration (8) und wandeln erst zu einem späteren
Zeitpunkt in den Austenit zurück (9). Nachdem die mittleren Bereiche des Bleches wieder
austenitisch (10) sind, beginnen auch die Einspannungen mit der Phasenumwandlung (11), die
70 Ergebnisse
Abb. 4-13: Kontur-Plots des lokalen Dehnungsfeldes (wahre Dehnung) in Hauptzugrichtung für den einachsigen Zugversuch einer Blechprobe.
in (12) vollständig abgeschlossen ist. Die technische Spannungs-Dehnungs-Kurve dieser
Simulation ist in Abb. 4-14 gezeigt. Prinzipiell wird das pseudoelastische Verhalten sehr gut
abgebildet. Ausgeprägte elastische Bereiche für den Austenit und zu Beginn der Entlastung
für den Martensit sind genauso zu erkennen, wie die für die spannungsinduzierte
Phasenumwandlung typischen Spannungsplateaus. Einige Nukleationseffekte, die mit der in
Abb. 4-13 dargestellten Umwandlungscharakteristik korrelieren, spiegeln sich bei genauerer
Betrachtung im mechanischen Verhalten durch Knicke und Sprünge im Kurvenverlauf
wieder. Ab einer makroskopischen Dehnung von ca. 4.5 % fällt die Spannung des
Ergebnisse 71
Belastungsplateaus von ursprünglich 413 MPa sukzessive ab, bis sie letztlich am Ende des
Plateaus einen Wert von nur noch 392 MPa aufweist. Die Kontur-Plots aus Abb. 4-13 zeigen,
dass genau zu diesem Zeitpunkt die letzten noch verbleibenden Probenbereiche mit der
Umwandlung beginnen. Es kommt dabei zu einer überdurchschnittlich großen Anzahl an
Phasengrenzen, wie sie in den bisherigen Simulationen nicht beobachtet werden konnte. In
dieser Simulation ist auffällig, dass die Spannungsplateaus deutliche Schwankungen
aufweisen, was mit der fingerförmigen Art des Umwandlungsverhaltens einhergeht.
Abb. 4-14: Technische Spannungs-Dehnungs-Kurve der Blechprobe. Die gekennzeichneten Datenpunkte markieren die entsprechenden Kontur-Plots aus Abb. 4-13.
Im Gegensatz zur homogenen Blechprobe beginnt die spannungsinduzierte Umwandlung bei
der zentrisch gelochten Probe nicht in den Einspannbereichen, wie Abb. 4-15 zeigt.
Stattdessen beginnt sie an den lateralen Rändern des Lochs. Von dort aus wandeln unter
einem Winkel von ca. 56° (gekennzeichnet durch weiße Pfeile in 2), relativ zur Zugrichtung,
Materialbereiche in Martensit um und wachsen zunächst Richtung Probenrand (2).
Anschließend bewegen sich die Austenit-Martensit-Phasengrenzen gleichförmig auf die
Einspannungen zu (3-6). Ober- und unterhalb des Lochs verbleiben partiell umgewandelte
Materialbereiche (weißer Pfeil in (6)), die bei der Entlastung als Ausgangspunkte für die
Rückumwandlung dienen (7-10). Bei den letzten verbleibenden martensitischen Bereichen,
72 Ergebnisse
Abb. 4-15: Kontur-Plots des lokalen Dehnungsfeldes (wahre Dehnung) in Hauptzugrichtung für den Zugversuch einer zentrisch gelochte Blechprobe (1).
handelt es sich um dieselben Regionen, die zuvor bei der Hinumwandlung als erstes in den
Martensit umgewandelt waren (11).
Abb. 4-16 beschreibt das Spannungs-Dehnungs-Verhalten der Blechprobe mit einem Loch in
der Probenmitte (Reduktion des effektiven Probenquerschnitts). Die Nukleation des
Martensits erfolgt bei einer deutlich niedrigeren Spannung von etwa 400 MPa. Mit
fortschreitender Umwandlung steigt die Spannung zunächst bis zu einem maximalen Wert
von 427 MPa an, um bei einer Dehnung von ca. 4 % bis zum Ende der Phasenumwandlung in
ein Plateau zu münden (412 MPa). Gegen Ende des Belastungsplateaus sinkt die Spannung
nochmals minimal um 3 MPa auf 409 MPa. Nach der Entlastung wird beim Beginn der
Ergebnisse 73
Rückumwandlung diesmal kein Absinken der Spannung beobachtet. Die Rückumwandlung
vollzieht sich über ein nahezu homogenes Entlastungsplateau (120 MPa). Zum Ende des
Plateaus erfolgt ein leichter Spannungsanstieg um 8 MPa, gefolgt von einem stärker
ausgeprägten Spannungsabfall, bevor sich die elastische Entlastung des Austenits wieder
anschließt.
Abb. 4-16: Technische Spannungs-Dehnungs-Kurve der gelochten Blechprobe.
74 Ergebnisse
Bleche mit elliptischen Aussparungen
Abb. 4-17: Vergleichende Kontur-Plots des lokalen Dehnungsfeldes (wahre Dehnung) in Hauptzugrichtung für unterschiedlich zentrisch gelochte und elliptisch gelochte Probengeometrien (A=1, 0.5, 0.2). Dargestellt ist ein vergrößerter Ausschnitt in der direkten Umgebung der Probenmitte.
Die obere Reihe in Abb. 4-17 zeigt ausgewählte Aufnahmen (gleiche Spalte bedeutet dabei
eine gleiche makroskopische Verschiebung der Proben) für die bereits dargestellte Probe mit
einem zentrischen Loch aus Abb. 4-15. In der mittleren und unteren Reihe sind dem Proben
gegenübergestellt, die im Zentrum elliptische Aussparungen mit verschiedenen Halbachsen-
Verhältnissen A (vertikal zu horizontal) für die Ellipsen aufweisen. Die Phasenum-
wandlungen beginnen bei allen Proben jeweils an den lateralen Rändern der Aussparungen
(1). Das Ausbreitungsverhalten ist für alle Proben sehr ähnlich (2-3). Am Ende der
Umwandlung zeigen sich jedoch erkennbare Unterschiede im Bereich der Aussparungen
(weiße Pfeile in 4). Je mehr die Ellipse in vertikaler Richtung gestaucht ist (A<<1), desto
größer sind die Materialbereiche, die nicht in Martensit umwandeln. Bei der Entlastung
beginnt die Rückumwandlung jeweils in den Zonen, die zuvor nicht oder nur unvollständig
umgewandelt waren. Im weiteren Verlauf zeigt sich für die betrachteten Proben wieder eine
vergleichbare Umwandlungscharakteristik (5-6).
Ergebnisse 75
Abb. 4-18 vergleicht in einem Spannungs-Dehnungs-Diagramm das mechanische Verhalten
der in Abb. 4-17 dargestellten Proben. Lediglich zu Beginn der Hinumwandlung sowie zum
Ende der Rückumwandlung können leichte Unterschiede (wenige MPa) im mechanischen
Verhalten identifiziert werden. Ein kleineres Halbachsenverhältnis A der Aussparung führt zu
einer geringfügig höheren Spannung zu Beginn der spannungsinduzierten Umwandlung.
Qualitativ zeigen die elliptisch gelochten Proben anschließend nahezu den gleichen Verlauf.
Zum Ende der Rückumwandlung zeigen die elliptisch gelochten Proben (A = 0.5 und A = 0.2)
für das Entlastungsplateau einen weichen Übergang in den elastischen Bereich des Austenits,
ohne dass eine merkliche Spannungserhöhung oder ein Spannungsabfall beobachtet wird.
Abb. 4-18: Vergleich von technischen Spannungs-Dehnungs-Kurven für verschieden gelochte Blechproben.
76 Ergebnisse
Abb. 4-19 zeigt in einer Sequenz von jeweils sechs Bildern Kontur-Plots von unterschiedlich
gelochten Proben für jeweils gleiche makroskopische Auslenkungen. Die obere Reihe zeigt
ausgewählte Abbildungen für die bereits dargestellte Probe mit einem zentrischen Loch aus
Abb. 4-15. In der mittleren und unteren Reihe sind dem Proben gegenübergestellt, die im
Zentrum elliptische Aussparungen mit verschieden Verhältnissen (vertikal zu horizontal) für
die Halbachsen der Ellipsen aufweisen. Die Phasenumwandlung beginnt jeweils an den
lateralen Rändern der Aussparungen. In der unteren Reihe wird die Nukleation am Lochrand
(bei gleicher makroskopischer Auslenkung) zunächst unterdrückt. Sie beginnt im Vergleich
zu den beiden anderen Proben erst bei größeren Probenauslenkungen (1). Das
Ausbreitungsverhalten der Phasengrenzen ist für alle Proben wieder sehr ähnlich (2-3). Am
Ende der Umwandlung zeigen die beiden oberen Proben partiell umgewandelte Zonen ober-
und unterhalb des Lochs (weiße Pfeile in 4), die sich bei der unteren Probe nicht darstellen.
Bei der Rückumwandlung vom Martensit in den Austenit verhält es sich ähnlich. Während die
Umwandlungen bei den beiden oberen Proben von den partiell umgewandelten
Abb. 4-19: Vergleichende Kontur-Plots des lokalen Dehnungsfeldes (wahre Dehnung) in Hauptzugrichtung für unterschiedlich zentrisch gelochte Probengeometrien (A=1, 2 und 5). Dargestellt ist ein vergrößerter Ausschnitt in der direkten Umgebung der Probenmitte.
Ergebnisse 77
Materialbereichen ausgehen, beginnt sie bei der unteren Probe in deutlichem Abstand zur
Aussparung (5-6).
In Abb. 4-20 wird das mechanische Verhalten von den drei Blechproben, die zuvor in
Abb. 4-19 in gezeigt wurden, in einem Spannungs-Dehnungs-Diagramm gegenübergestellt.
Zu Beginn der spannungsinduzierten Phasenumwandlung vom Austenit in den Martensit
sowie zum Ende der Rückumwandlung können Unterschiede im mechanischen Verhalten der
verschiedenen Proben beobachtet werden. Besonders prägnant zeigt sich dieser Sachverhalt
bei der Nukleation des Martensits zu Beginn des Belastungsplateaus. Je schmaler (horizontale
Stauchung) die elliptische Aussparung ist (also je größer das Halbachsenverhältnis A ist),
desto größer waren diejenigen Spannungen, welche zu Anfang des Belastungsplateaus
beobachtet wurden. Zum Ende der Rückumwandlung zeigen die elliptisch gelochten Proben
(A = 2 und A = 5) für das Entlastungsplateau einen weichen Übergang in den elastischen
Bereich. In den wesentlichen charakteristischen Merkmalen weisen die elliptisch gelochten
Proben qualitativ erwartungsgemäß einen vergleichbaren Spannungs-Dehnungs-Verlauf auf.
Abb. 4-20: Vergleich von technischen Spannungs-Dehnungs-Kurven für verschieden gelochte Blechproben (A =1, 2, 5).
78 Ergebnisse
Bleche mit Kerben
Abb. 4-21: Vergleichende Kontur-Plots (lokales Dehnungsfeld in Hauptzugrichtung) für unterschiedlich seitlich gekerbte Blechproben. Die obere Reihe zeigt eine beidseitig gekerbte, die untere Reihe eine einseitig gekerbte Probe.
Abb. 4-21 vergleicht das Verhalten von zwei unterschiedlich gekerbten Blechproben in
jeweils sechs Kontur-Plots. Die spannungsinduzierten Phasenumwandlungen beginnen
jeweils an den Kerben. Während sie bei der oberen Probe gleichmäßig an beiden Kerben
einsetzt, erfolgt dies bei der unteren Probe ausschließlich an der einzelnen Kerbe (1). Dies hat
auch Konsequenzen für die Ausbreitung der Phasengrenzen. Während sie sich bei der
beidseitig gekerbten Probe V-förmig durch die Probe fortbewegen, erfolgt dies bei der
einseitig gekerbten Probe unter einem Winkel von +56° (nach oben) bzw. -56° (nach unten)
relativ zur Zugrichtung. Zum Ende der Phasenumwandlung zeigen sich an den Kerben
unvollständig und zum Teil überhaupt nicht umgewandelte Materialbereiche (3). Von diesen
Stellen ausgehend setzt bei der anschließenden Entlastung die Rückumwandlung des
Materials ein. Bei der einseitig gekerbten Probe nukleiert Austenit sowohl im zuvor nicht
umgewandelten Bereich als auch in der Probenmitte. Die Ausbreitungsrichtungen bestimmter
lokal vorliegender Phasengrenzen sind durch weiße Pfeile gekennzeichnet (4-5). Analog zur
Belastung wandeln bei der Entlastung diejenigen Bereiche als letztes in Austenit um, die sich
zuvor auch als erstes in den Martensit umgewandelt haben.
Ergebnisse 79
Abb. 4-22 beschreibt das mechanische Verhalten der beiden gekerbten Blechproben.
Qualitativ ist das Spannungs-Dehnungs-Verhalten der Proben untereinander gut vergleichbar.
Die einseitig gekerbte Probe zeigt zu Beginn der spannungsinduzierten Umwandlung leicht
höhere Spannungen. Im weiteren Verlauf der Hinumwandlung relativeren sich die
Unterschiede wieder. Auch bei der Rückumwandlung ist das Verhalten sehr ähnlich. Nach der
elastischen Entlastung des Martensits erfolgt ein sanfter Übergang in das Entlastungsplateau.
Zum Ende des Entlastungsplateaus können für die einseitig gekerbte Probe leicht höhere
Spannungen beobachtet werden.
Abb. 4-22: Vergleich zweier technischer Spannungs-Dehnungs-Kurven für verschieden gekerbte Blechproben.
80 Ergebnisse
Die Ergebnisse der vorangegangenen Abschnitte 4.2 und 4.3 lassen sich wie folgt
zusammenfassen:
1) Mit dem verwendeten Stoffgesetz ist es möglich, das Materialverhalten von
pseudoelastischen NiTi-FGL mittels Finite-Elemente-Simulationen erfolgreich
abzubilden. Alle wesentlichen in experimentellen Untersuchungen beobachtbaren
Phänomene, wie Spannungsplateaus, Nukleationsereignisse oder das
Ausbreitungsverhalten von Meso-Phasengrenzen, spiegeln sich in den Ergebnissen
detailliert wieder. Dies gilt sowohl für lokale Dehnungsverteilungen auf den
Probenoberflächen als auch für die berechneten technischen Spannungs-Dehnungs-
Kurven.
2) In allen Simulationen konnte ein stark ausgeprägt lokalisiertes Umwandlungsverhalten
beobachtet werden. Es wurde versucht, möglichst exakt experimentelle Einspann-
bedingungen zu realisieren, indem die Probenköpfe einer geringfügigen (zum
allgemeinen Spannungszustand während des Versuchs vernachlässigbaren) Druck-
spannung ausgesetzt werden. Es wurde beobachtet, dass für homogene Proben, die
keinerlei geometrische Schwächungen (Löcher, Kerben) aufwiesen, die Phasenum-
wandlung stets in den Einspannungen beginnt und sich danach in die mittleren
Probenbereich hin ausdehnt.
3) Löcher und Kerben in den Proben ziehen nach sich, dass die Nukleation des Martensits
nicht mehr in den Einspannungen beginnt. Sie setzt in diesen Fällen in den zur
Aussparung lateral benachbarten Materialbereichen ein. Von dort aus wurden
unterschiedliche Formen des Wachstums der martensitischen Bereiche beobachtet.
Während sie sich im Falle des Drahtes und Bandes sehr homogen und gleichmäßig
darstellt, zeigt sich bei den Blechproben teilweise eine finger- oder V-förmige
Ausbreitung des Martensits.
Ergebnisse 81
4.4 Zyklische Versuche
Abb. 4-23: Kontur-Plot des Martensitanteils für verschiedene Zeitpunkte des zyklischen Zugversuches am Draht. Die ersten fünf Zyklen sind jeweils zum Ende der Belastung abgebildet. Mit ansteigender Zyklenzahl verlagern sich die Austenit-Martensit-Phasengrenzen bei gleicher Auslenkung der Probe geringfügig weiter Richtung Probenmitte (durch die weißen Strichlinien angedeutet). Im sechsten Zyklus wird im Zentrum der Probe während der Belastung eine weitere Nukleation des Martensits beobachtet. Analog entsteht in unmittelbarer Umgebung der Probenmitte bei der Entlastung Austenit.
Die Ergebnisse der zyklischen Simulationen werden im Folgenden dargestellt. In der
Simulation wurde die Probe zunächst fünfmal jeweils bis zu einer Dehnung von etwas mehr
als. 2.5 % ausgelenkt und anschließend fast vollständig entlastet. Im Anschluss an den fünften
Zyklus wurde die Probe bis zu einer Dehnung von ca. 7 % ausgelenkt und wieder entlastet.
82 Ergebnisse
Abb. 4-23 beschreibt anhand eines Kontur-Plots die Martensitverteilung für ausgewählte
Zeitpunkte während der Simulation. Wie in den Simulationen zuvor beginnt die
spannungsinduzierte Phasenumwandlung in den Einspannungen. Von dort aus bewegen sich
die Austenit-Martensit-Phasengrenzen in Richtung Probenmitte. Durch die geringe
Dehnungsamplitude erfolgt jedoch nur eine partielle Phasenumwandlung des Drahtes und der
mittlere Bereich der Probe verbleibt zunächst in der austenitischen Phase. Es wird beobachtet,
dass sich die Phasengrenzen mit steigender Zyklenzahl geringfügig weiter in Richtung
Probenmitte verschieben. Dies ist durch die beiden gestrichelten Linien angedeutet. Im
sechsten Zyklus wird die Probe über die bisherige Dehnungsamplitude hinaus ausgelenkt, so
dass die Probe nicht mehr nur partiell sondern nun vollständig umwandelt. Nachdem die
Phasengrenzen die zuvor umgewandelten Bereiche des Drahtes überschritten haben, ist im
Zentrum der Probe eine weitere Nukleation von Martensit zu erkennen. Die neuen
Phasengrenzen wachsen auf die bereits im Draht vorhandenen zu, bis die Probe vollständig
umgewandelt ist. Bei der anschließenden Entlastung beginnt die Rückumwandlung in den
Austenit in unmittelbarer Umgebung der Probenmitte. Von dort aus bewegen sich die
Phasengrenzen zunächst in Richtung Probenmitte, bis dieser Bereich vollständig in Austenit
zurückumgewandelt ist. Danach bewegen sich die verbliebenen Phasengrenzen auf die
Einspannungen des Drahtes zu, bis die Probe vollständig in den Austenit umgewandelt ist.
Abb. 4-24 beschreibt das Spannungs-Dehnungs-Verhalten der zyklisch beanspruchten
Drahtprobe. In den ersten fünf Zyklen ist deutlich zu erkennen, dass mit steigender
Zyklenzahl die Plateauspannungen sukzessive abfallen. Dies gilt gleichermaßen für die Be-
(Punkt 1) als auch in etwas weniger stark ausgeprägt für die Entlastungsplateaus (Punkt 2). Je
mehr Zyklen das Material erfahren hat, desto geringer ist die Änderung der
Plateauspannungen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Zyklen. Wenn die anvisierte
Dehnungsamplitude in einem Zyklus erreicht wurde, ist das jeweilige Belastungsplateau auf
das Spannungsniveau zurückgekehrt, welches beim ersten Zyklus vorgelegen hat. In ähnlicher
Weise kann dies bei näherer Analyse auch für die Entlastungsplateaus beobachtet werden.
Des Weiteren ist festzustellen, dass sich eine geringfüge irreversible Dehnung einstellt
(Punkt 3). Nachdem im sechsten Zyklus die Dehnungsamplitude der vorangegangenen Zyklen
überschritten wurde, kann ein Spannungsabfall um ca. 30 MPa beobachtet werden, der im
Kontur-Plot (siehe Abb. 4-23) mit einer weiteren Nukleation von Martensit im mittleren
Probenbereich korreliert (Punkt 4). Bei der abschließenden Entlastung kann im
Entlastungsplateau ein ebenso starker Spannungsanstieg registriert werden. Dieser zeigt sich,
wenn im Zentrum der Probe bereits Martensit in Austenit umwandelt (siehe Abb. 4-23),
Ergebnisse 83
während im restlichen Bereich der Probe die Umwandlung noch nicht vollständig
abgeschlossen ist (Punkt 5).
Abb. 4-24: Spannungs-Dehnungs-Verhalten einer Drahtprobe in einer zyklischen Simulation. Nach fünf Zyklen mit einer Dehnungsamplitude von ca. 2.5 % wurde die Probe anschließend bis fast 7 % ausgelenkt und anschließend wieder entlastet. Wichtige Merkmale im mechanischen Verhalten sind mit Pfeilen gekennzeichnet.
Abb. 4-25 zeigt eine zyklisch beanspruchte und gelochte Blechprobe im spannungs-
kontrollierten Zugversuch. Die Belastung wurde auf der oberen Probenkante aufgebracht. Der
Martensitanteil γ ist im belasteten Zustand des fünften Zyklus als Kontur-Plot dargestellt. Die
weiße Strichlinie in der Umgebung des zentrischen Lochs markiert einen Bereich der Probe,
der im Folgenden detailiert betrachtet wird. Der rote Pfeil an der unteren Probenkante
kennzeichnet einen Pfad, über den verschiedene Größen ausgewertet werden. Die Abbildung
zeigt, dass die spannungsinduzierte Phasenumwandlung auch im spannungskontrollierten
Zugversuch, wie in dehnungskontrollierten Simulationen zuvor, wieder am Lochrand beginnt.
Von dort aus breitet sich Martensit in Richtung des rechten Probenrandes aus. Während in
unmittelbarer Entfernung zum Loch der Austenit vollständig umgewandelt ist, zeigen sich in
zunehmender Entfernung nur noch Bereiche, die partiell oder gar nicht umwandeln.
Abb. 4-26 zeigt die lokale Martensitverteilung für fünf Zyklen in direkter Umgebung
(gestrichelter Bereich in Abb. 4-25) des Lochs. Im ersten Zyklus (Abb. 4-26a) ist der Austenit
selbst direkt am Lochrand noch nicht vollständig in Martensit umgewandelt. Der weiße Pfeil
zeigt auf einen partiell umgewandelten Bereich. Nach der Entlastung und erneuten Belastung
84 Ergebnisse
Abb. 4-25: Kontur-Plot des Martensitanteils γ für eine Viertel-Blechprobe nach fünf Zyklen einer spannungsinduzierten Phasenumwandlung. Die weiße gestrichelte Umrandung in der näheren Umgebung des Lochrands markiert einen Detailausschnitt. Der rote Pfeil kennzeichnet einen Pfad, über den verschiedene Größen ausgewertet werden.
wandelt das Material bereits im zweiten Zyklus am Lochrand (Abb. 4-26b) vollständig in den
Martensit um. Es ist zu beobachten, dass sich die partiell umgewandelten Bereiche nun auch
auf Gebiete erstrecken, die weiter vom Lochrand entfernt sind als im Zyklus zuvor. Dieses
Verhalten setzt sich mit steigender Zyklenzahl kontinuierlich fort. Im vierten Zyklus
(Abb. 4-26d) zeigt sich, dass der vollständig umgewandelte Bereich anders orientiert ist und
nun beinahe in die gleiche Richtung gewachsen ist, wie die partiellen Bereiche in den Zyklen
davor. Der partiell umgewandelte Materialbereich (durch den weißen Pfeil gekennzeichnet)
verläuft unter einem Winkel von ca. 58° zur vertikalen Probenachse. Im fünften Zyklus setzen
sich die beschrieben Umwandlungscharakteristika fort und die räumliche Ausbreitung der
spannungsinduzierten Umwandlung schreitet weiter voran. Ausgehend vom Lochrand wurden
in lateraler Richtung die Entwicklung des Martensitanteils und der Von-Mises-
Vergleichsspannung ausgewertet. Abb. 4-27a zeigt den Verlauf des Martensitanteils für die
fünf Zyklen jeweils zum Ende des Belastungszyklus. Es ist zu erkennen, dass im ersten
Zyklus (N = 1) der Austenit am Lochrand noch nicht vollständig umgewandelt ist. Mit
steigender Entfernung vom Loch fällt der Martensitanteil monoton ab, bis vollständig
austenitische Materialbereiche (γ = 0) erreicht werden. Ein qualitativ ähnliches Bild zeigt sich
auch für die nachfolgenden Zyklen. Im zweiten Zyklus (N = 2) beträgt γ am Loch fast 1. In
den nachfolgenden Zyklen fällt der maximale Wert für den Martensitanteil direkt am
Ergebnisse 85
Abb. 4-26: Lokale Verteilung des Martensitanteils γ für fünf Zyklen in der Detailansicht. Mit steigender Zyklenzahl bildet sich ausgehend vom Lochrand der Probe spannungsinduzierter Martensit, der sich auf zunehmend größere Probenbereiche ausdehnt.
Lochrand kontinuierlich weiter ab. Der Verlauf der Vergleichsspannung ist in Abb. 4-27b
gezeigt. Vom Lochrand ausgehend steigt die Spannung von ca. 410 MPa im ersten Zyklus
zunächst auf 430 MPa an und fällt danach mit steigender Entfernung wieder ab. In einer
Entfernung von ca. 2.5 mm erfolgt erneut ein leichter Anstieg der Spannung um etwa 10 MPa,
gefolgt von einem monotonen Absinken. In den weiteren Zyklen erreicht die Spannung direkt
am Loch immer niedrigere Werte. Vom Loch ausgehend steigt sie zunächst an, um in einem
Abstand von 1 mm zum Loch erst stark abzufallen und danach wieder auf ein Niveau von ca.
430 MPa anzusteigen. Wie zuvor erreicht die Spannung in jedem Zyklus ihr Maximum von
ca. 430 MPa in einer Distanz von 1.5 mm zum Loch. Danach fällt sie zum rechten Probenrand
hin wieder kontinuierlich ab.
86 Ergebnisse
Abb. 4-27: Verlauf des Martensitanteils in a) und der Von-Mises-Vergleichsspannung in b) in Abhängigkeit von der Entfernung zum Lochrand.
Ergebnisse 87
Die Ergebnisse der zyklischen Simulationen können wie folgt zusammengefasst werden:
1) Die Simulation des dehnungskontrollierten Zugversuchs an der Drahtprobe zeigt, dass
eine zyklische Betätigung der spannungsinduzierten Phasenumwandlung zu einem Abfall
der Plateauspannungen sowie einem Anstieg der bleibenden Dehnung führt. Wird die
Dehnungsamplitude in aufeinander folgenden Zyklen erhöht, so erreichen die
Phasengrenzen in dem jeweils nachfolgenden Zyklus Probenbereiche, die zuvor nicht
umgewandelt waren. Wenn die Austenit-Martensit-Phasengrenzen einen solchen
Materialbereich passieren, kann im Spannungs-Dehnungs-Diagramm ein Anstieg der
Spannung auf das Niveau des ursprünglichen Spannungsplateaus beobachtet werden.
Dieses Verhalten kann im Entlastungsplateau auch, jedoch nur schwach ausgeprägt,
beobachtet werden. Diese Ergebnisse spiegeln sehr gut das experimentell beobachtete
Verhalten wider.
2) Die Simulation des spannungskontrollierten Zugversuchs an einer gelochten Blechprobe
zeigt, dass die funktionelle Ermüdung das Nukleations- und Wachstumsverhalten von
Martensit in einer Austenit-Matrix maßgeblich beeinflusst. Martensit entsteht am
seitlichen Lochrand und wächst danach in Richtung des Probenrands. Mit steigender
Zyklenzahl kann eine allmähliche Veränderung der Orientierung des Martensits
beobachtet werden. Nachdem der Martensit in den ersten Zyklen zunächst senkrecht zum
Lochrand wächst, stellt sich in späteren Zyklen eine Vorzugswachstumsrichtung unter
einem Winkel von ca. 58° zur Zugrichtung ein. Von Zyklus zu Zyklus wandelt mehr
Austenit in den Martensit um und die martensitischen Bereiche bewegen sich (bei jeweils
gleicher Last) allmählich weiter auf den Probenrand zu.
88 Ergebnisse
4.5 Einfluss der Umwandlungsdehnung und der Netzdichte auf die Austenit-Martensit-
Phasengrenze
Eine systematische Studie wurde durchgeführt, um den Einfluss der Umwandlungsdehnung
und der Netzdichte auf die Austenit-Martensit-Phasengrenzen zu untersuchen. Im
Vordergrund des Interesses standen dabei die geometrischen Abmessungen der Phasengrenze,
sowie die Dehnungsverteilung über die Phasengrenze. Abb. 4-28 zeigt die Phasengrenze und
den umgebenden Bereich für neun verschiedene Simulationen in der Mittelebene einer
Drahtprobe. Die Martensitverteilungen sind über die Phasengrenzen hinweg als Kontur-Plots
dargestellt. Von links nach rechts steigt in den Abbildungen die Umwandlungsdehnung,
während sich die Netzdichte von oben nach unten erhöht. Die Umwandlungsdehnung wurde
zwischen 1 %, 4 % und 10 % variiert, während zusätzlich drei verschiedene Netzdichten
eingestellt wurden. Im Allgemeinen sind die Ergebnisse für alle Simulationen sehr ähnlich.
Auf die Abmessungen der Phasengrenzen kann lediglich ein sehr geringer Einfluss durch die
Umwandlungsdehnung und die Netzdichte beobachtet werden. Alle Simulationen haben
gemeinsam, dass die Phasengrenze in der vertikalen Mittelachse der Probe die geringste
Ausdehnung aufweist und sich nach außen hin aufweitet. Dieser Effekt ist bei den groben
Netzen (Abb. 4-28 a-c) ebenfalls zu erkennen. Dort ist er jedoch weniger stark ausgeprägt als
bei den feineren Netzen. Die Unterschiede in der lokalen Dehnung der beiden Phasen (γ = 1
für Martensit und γ = 0 für Austenit), verursacht durch die unterschiedlichen Umwandlungs-
dehnungen, ziehen nur geringfügige Veränderungen in der Geometrie der Phasengrenzen nach
sich. Für eine präzisere Auswertung wurden für die Probenmitte und die Randfaser des
Drahtes die lokalen wahren Dehnungen über die Phasengrenze ausgewertet. Abb. 4-29 zeigt
sechs Diagramme, in denen die lokalen wahren Dehnungen für verschiedene Simulationen
miteinander verglichen werden. Die Abb. 4-29a, c und e (linke Spalte) beschreiben für die
einzelnen Umwandlungsdehnungen den Einfluss, den die Netzdichte auf die
Dehnungsverteilung hat. Die Abb. 4-29b, d und f (rechte Spalte) zeigen, welchen Einfluss die
Änderung der Umwandlungsdehnung auf die Ergebnisse für verschiedene Netzdichten haben.
Die linke Spalte belegt, dass eine Variation der Netzdichten im betrachteten Rahmen keine
nennenswerten Auswirkungen auf die lokalen Dehnungsverteilungen haben. Die Unterschiede
der einzelnen Dehnungsverläufe sind vernachlässigbar. In der rechten Spalte wird deutlich,
dass eine Erhöhung der Umwandlungsdehnung lediglich den Dehnungsgradienten über die
Austenit-Martensit-Phasengrenze verändert. Der Gradient wird umso größer, je größer die
Ergebnisse 89
Abb. 4-28: Querschnittansicht einer Drahtprobe. Für jeweils drei verschiedene Netzdichten und Umwandlungsdehnungen wurden Simulationen durchgeführt, um deren Einfluss auf die Ausbildung der Austenit-Martensit-Phasengrenze zu untersuchen.
Umwandlungsdehnung ist. Die Breite der Phasengrenzen bleibt dabei nahezu konstant. Dieses
Verhalten konnte für sämtliche Netzdichten beobachtet werden. Qualitativ ähnliche
Ergebnisse ergaben sich für die Dehnungsverteilung in der Randfaser des Drahtes. Abb. 4-30
beschreibt die Dehnungsverteilung auf der Drahtoberfläche. Im Gegensatz zu den inneren
Probenbereichen weist die Phasengrenze in allen Simulationen außen eine größere
Ausdehnung auf. Der Übergang vom Austenit zum Martensit vollzieht sich hier weniger
scharf über einen größeres Probenvolumen. Nennenswerte Unterschiede in den Ergebnissen
für die verschiedenen Netzdichten und Umwandlungsdehnungen konnten auch auf den
Drahtoberflächen nicht festgestellt werden.
90 Ergebnisse
Abb. 4-29: Verteilung der wahren Dehnung über die Austenit-Martensit-Phasengrenze für die Mittelachse der Drahtprobe.
Ergebnisse 91
Abb. 4-30: Verteilung der wahren Dehnung über die Austenit-Martensit-Phasengrenze für die Randfaser der Drahtprobe.
92 Diskussion
5. Diskussion
5.1 Herleitung eines analytischen Modells zur Berechnung von Kompatibilitäts-
spannungen an martensitischen Zwillingsgrenzflächen
In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der elastisch anisotropen
Finite-Elemente-Simulationen von Zwillingsstrukturen in martensitischem NiTi diskutiert. Es
wird ein analytisches Modell zur Berechnung von Kompatibilitätsspannungen an
Zwillingsgrenzflächen hergeleitet. Die Ergebnisse, die dieses analytische Modell liefert,
sollen im Anschluss mit den numerischen Ergebnissen aus dieser Arbeit verglichen werden.
Abb. 5-1: Schematische Darstellung zur Entstehung von Kompatibilitätsspannungen an Grenzflächen zweier elastisch anisotroper Kristalle nach Sutton und Ballufi [80].
Abb. 5-1 beschreibt schematisch am Beispiel von zwei zueinander elastisch anisotropen
Kristallen I und II die Ursachen für das Entstehen von zusätzlichen Spannungen an
Grenzflächen. Im unbelasteten Zustand (Abb. 5-1a) sind die beiden Kristalle durch eine
Grenzfläche (grau schattiert) miteinander verbunden. Wenn auf diesen Verbund eine externe
Beanspruchung in Form einer mechanischen Spannung (σ2A in Abb. 5-1) aufgebracht wird, so
versuchen die beiden einzelnen Kristalle, sich entsprechend ihrer unterschiedlichen
elastischen Eigenschaften zu verformen. Würden sich die Kristalle frei verformen können, so
würden sich verschiedene Verformungszustände (schematisch in Abb. 5-1b durch die
Differenzdehnung ∆ε1C angedeutet) einstellen. Jedoch sind die beiden Kristalle an der
Grenzfläche miteinander verbunden. Als Reaktion auf diese unterbundene Verformung,
entstehen zur Erhaltung der geometrischen Kompatibilität an der Grenzfläche zusätzliche
Spannungen (in Abb. 5-1c z.B. σ1C). Diese Spannungen werden auch als Kompatibilitäts-
spannungen bezeichnet. In dieser Arbeit wurden martensitische Zwillingsstrukturen in NiTi
Diskussion 93
auf ähnliche Weise betrachtet und untersucht. Zwillinge bestehen aus einer Vielzahl
alternierender Varianten, die jeweils elastisch anisotrop sind. Vor diesem Hintergrund wurden
die in Kap. 4.1 dargestellten Ergebnisse herausgearbeitet. Es zeigte sich, dass nur drei
verschiedene Kompatibilitätsspannungen an der Grenzfläche und innerhalb der einzelnen
Varianten entstehen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass an einer Grenzfläche nur zwei
Normalspannungen senkrecht zur Normalen sowie eine Schubspannung innerhalb der
Grenzfläche auftreten können. Die in dieser Arbeit gewählte Orientierung (Normalen der
Zwillingsgrenzflächen zeigen stets in 2-Richtung) führte dazu, dass nur die
Kompatibilitätsspannungen σ1C, σ3C und σ5C beobachtet werden konnten. An den
Grenzflächen konnte zudem ein Vorzeichenwechsel in den Spannungen beobachtet werden,
der auf die kristallographische Symmetrie der einzelnen Zwillingsstrukturen zurückzuführen
ist. An den Zwillingsgrenzflächen entstehen die Kompatibilitätsspannungen. Sie pflanzen sich
in die Volumina der einzelnen Varianten fort, wobei sie sich mit zunehmendem Abstand von
der Grenzfläche kontinuierlich abschwächen. An der nächsten Grenzfläche beginnt dieses
Verhalten erneut. Es zeigte sich, dass sich die Spannungen in den Zwillingsstapeln in der
Regel an dem Wert der mittleren Grenzfläche des Zwillingsstapels orientieren. Nur in den
Randbereichen der betrachten Zwillingsstapel änderte sich dies deutlich. Die Ursache hierfür
liegt in der Möglichkeit dieser Bereiche (laterale Ränder und Oberflächen), sich frei zu
verformen. Anstelle von Kompatibilitätsspannungen entstehen an diesen Stellen
Differenzdehnungen. In realistischen Mikrostrukturen sind, mit Ausnahme von freien
Oberflächen, solche Zustände nicht gegeben. Martensitische Zwillinge sind in der Regel
umgeben von Korngrenzen, Defekten oder anderen mikrostrukturellen Hindernissen, die eine
freie Verformung nicht zulassen. Vergleichbare Zustände konnten in den mittleren
Probenbereichen der untersuchten Zwillingsstapel realisiert werden. Obwohl die
kontinuumsbezogenen Finite-Elemente-Simulationen in dieser Arbeit mikrostrukturelle
Aspekte im Allgemeinen nicht berücksichtigen, kann davon ausgegangen werden, dass die
erzielten Ergebnisse für Kompatibilitätsspannungen eine gute Näherung für Spannungen an
Zwillingsgrenzflächen in realen Mikrostrukturen liefern.
94 Diskussion
Analytisches Modell für Kompatibilitätsspannungen an Grenzflächen
Ein theoretisches Modell zur Berechnung von Kompatibilitätsspannungen an Grenzflächen
nach Gemperlova et al. [46] wurde aufgegriffen, um die Spannungen an Zwillings-
grenzflächen auf analytische Weise zu berechnen und mit den numerischen Ergebnissen
dieser Arbeit zu vergleichen. Als Eingangsgrößen für dieses Modell werden lediglich die
elastischen Nachgiebigkeiten der einzelnen Zwillingsvarianten herangezogen. Diese wurden
durch Invertierung der Steifigkeitsmatrizen aus Kap. 3.1 bestimmt. Ebenfalls Berück-
sichtigung fanden die besonderen Symmetrien der einzelnen Varianten eines Zwillings-
systems zueinander. Teilweise führt dies zu wesentlichen Vereinfachungen in den
nachfolgend beschriebenen Gleichungssystemen. Relativ überschaubare Terme ergeben sich
für die Berechnung der Kompatibilitätsspannungen der (100)-Verbindungs-Zwillinge und
<110> Typ II-Zwillinge. Komplizierte, aber dennoch handhabbare, Terme können für die
verschiedenen Typ I-Zwillingen hergeleitet werden. Die jeweilige Herleitung wird für die
einzelnen Zwillingssysteme im Folgenden dargestellt:
Als allgemeiner Zusammenhang zwischen Dehnung und Spannung gilt das Hookesche
Gesetz. Die Dehnungen sind über elastischen Nachgiebigkeiten mit den Spannungen
verknüpft:
ε� � s�m σm (5-1)
Wenn auf eine Struktur eine äußere mechanische Spannung σA aufgebracht wird, so würden
sich bei freier Verformung, entsprechend der jeweiligen Nachgiebigkeiten, bestimmte
Dehnungen εA einstellen:
ε�� � s�mσm� (5-2)
Weisen zwei Körper, wie im vorliegenden Fall zwei Zwillingsvarianten I und II,
unterschiedliche (elastisch anisotrope) Eigenschaften auf, so verformen sie sich ebenfalls
Diskussion 95
unterschiedlich. Die Dehnung ∆εC ergibt sich aus der Differenz der unterschiedlichen
Verformungsreaktionen εAII und εA
I:
∆ε� � ε��rr ! ε��
r (5-3)
Das Kräftegleichgewicht an der Grenzfläche erfordert, dass die Spannungen in beiden
Kristallen, bei entgegengesetztem Vorzeichen, den gleichen Betrag haben. Wie bereits
erläutert können an der Grenzfläche nur drei Spannungen auftreten: Dies sind die zwei
Normalspannungen σ1C, σ3C und die Schubspannung σ5C. Dementsprechend ergeben sich drei
Kompatibilitätsdehnungen in allgemeiner Form analog zu Gl. (5-1):
∆ε� � (s��r s s��
rr )σ�r s (s�A
r s s�Arr )σA
r s ts�Kr s s�K
rr uσKr (5-4)
∆εA � (s�Ar s s�A
rr )σ�r s (sAA
r s sAArr )σA
r s tsAKr s sAK
rr uσKr (5-5)
∆εK � ts�Kr s s�K
rr uσ�r s tsAK
r s sAKrr uσA
r s tsKKr s sKK
rr uσKr (5-6)
In Anlehnung an Kap. 3-1 können jetzt für die betrachteten Zwillingssysteme Symmetrien
und Vorzeichenwechsel in den Nachgiebigkeitsmatrizen berücksichtigt werden.
Verbindungs- und Typ II-Zwillinge:
Während die Gl. (5-4) bis Gl. (5-6) für Typ I unverändert bleiben, ergeben sich durch
Vorzeichenwechsel in einzelnen Komponenten für Verbindungs-Zwillinge und Zwillinge des
Typ II folgende Vereinfachungen für Kristall I:
96 Diskussion
∆ε� � 2(s��σ� s s�AσA) (5-7)
∆εA � 2(s�Aσ� s sAAσA) (5-8)
∆εK � 2(sKKσK) (5-9)
Dieses Gleichungssystem lässt sich nach den Kompatibilitätsspannungen durch einfache
Umformungen auflösen:
]�v � ! wAA∆+�v ! w�A∆+Av2(w�A� ! w��w�A)
(5-10)
σA � s�A∆ε� ! s��∆εA2(s�A� ! s��s�A)
(5-11)
σK � ∆εK2sKK
(5-12)
Weiterhin gilt durch die Nachgiebigkeitsmatrix aus Kap. 3-1:
∆ε� � !2(s�KσK� s s�LσL�) (5-13)
∆εA � !2(sAKσK� s sALσL�) (5-14)
∆εK � !2(s�Kσ�� s s�Kσ�� s sAKσA� s sJKσJ� ) (5-15)
Diskussion 97
Die Gl. (5-13) bis Gl. (5-15) werden in die Gl. (5-10) bis Gl. (5-12) eingesetzt und liefern
damit die gesuchten Kompatibilitätsspannungen σiC in Abhängigkeit der aufgebrachten
äußeren Spannungen σjA:
]�v � (w�KwAA ! w�AwAK)]Kx s (w�LwAA ! w�AwAL)]Lx
w�A� ! w��w�A
(5-16)
]Av � (w��wAK ! w�Aw�K)]Kx s (w��wAL ! w�Aw�L)]Lx
w�A� ! w��w�A
(5-17)
]Kv � ! w�K]�x s w�K]�x s wAK]Ax s wJK]Jx
wKK (5-18)
Mit diesen Gleichungen können nun auf analytische Weise die Spannungen an den
Zwillingsgrenzflächen für (100)-Verbindungs-Zwillinge und <110>-Typ II-Zwillinge für
beliebige Spannungszustände σiA berechnet werden.
Typ I-Zwillinge:
Auf ähnliche Weise wie für die anderen Zwillingssysteme können die
Kompatibilitätsspannungen für Typ I-Zwillinge analytisch berechnet werden. Aus
Symmetriegründen fallen für die Kompatibilitätsdehnungen jedoch keine Terme weg und die
Kompatibilitätsdehnungen ergeben sich daher über zunächst nur wenig komplexere Terme
wie folgt:
∆+�v � 2(w��]�v s w�A]Av s w�K]Kv) (5-19)
∆+Av � 2(w�A]�v s wAA]Av s wAK]Kv) (5-20)
∆+Kv � 2(w�K]�v s wAK]Av s wKK]Kv ) (5-21)
98 Diskussion
Dieses Gleichungssystem lässt sich wieder nach den Kompatibilitätsspannungen auflösen und
ergibt dann:
]�v � (wAK
� ! wAAwKK)∆+�v s (w�AwKK ! w�KwAK)∆+Av s (w�KwAA ! w�AwAK)∆+Kv2(w�A� wKK s w�K� wAA ! 2w�Aw�KwAK s w��(wAK� ! wAAwKK)) (5-22)
]Av � (w�AwKK ! w�KwAK)∆+�v s (w�K� ! w��wKK)∆+Av s (w��wAK ! w�Aw�K)∆+Kv2(w�A� wKK s w�K� wAA ! 2w�Aw�KwAK s w��(wAK� ! wAAwKK)) (5-23)
]Kv � (w�KwAA ! w�AwAK)∆+�v s (w��wAK ! w�Aw�K)∆+Av s (w�A� ! w��wAA)∆+Kv2(w�A� wKK s w�K� wAA ! 2w�Aw�KwAK s w��(wAK� ! wAAwKK)) (5-24)
Für die Kompatibilitätsdehnungen gilt in diesem Fall:
∆+�v � !2(w�J]Jx s w�L]Lx) (5-25)
∆+Av � !2(wAJ]Jx s wAL]Lx) (5-26)
∆+Kv � !2(wJK]Jx s wKL]Lx) (5-27)
Abschließend ergeben sich für Zwillinge des Typs I folgende Kompatibilitätsspannungen σiC
in Abhängigkeit der aufgebrachten Spannung σjA:
]�v � ,w�A(wAKwJK ! wAJwKK) s w�J(wAK� ! wAAwKK) s w�K(wAJwAK ! wAAwJK)-]Jxw�A� wKK s w�K� wAA s wAK� w�� ! w��wAAwKK ! 2w�Aw�KwAK
s ,w�A(wAKwKL ! wALwKK) s w�K(wAKwAL ! wAAwKL) s w�L(wAAwKK ! wAK� )-]Lxw�A� wKK s w�K� wAA s wAK� w�� ! w��wAAwKK ! 2w�Aw�KwAK (5-28)
Diskussion 99
]Av � ,w�A(w�KwJK ! w�JwKK) s wAJ(w��wKK ! w�K
� ) s wAK(w�Jw�K ! wJK)-]Jx
w�A� wKK s w�K
� wAA s wAK� w�� ! w��wAAwKK ! 2w�Aw�KwAK
s ,w�A(w�KwKL ! w�LwKK) s wAK(w�Kw�L ! wKL) s wAL(w��wKK ! w�K� )-]Lxw�A� wKK s w�K� wAA s wAK� w�� ! w��wAAwKK ! 2w�Aw�KwAK (5-29)
]Kv � ,w�J(w�AwAK ! w�KwAA) s wAJ(w�Aw�K ! w��wAK) s wJK(w��wAA ! w�A
� )-]Jxw�A
� wKK s w�K� wAA s wAK
� w�� ! w��wAAwKK ! 2w�Aw�KwAK
s,w�L(w�AwAK ! w�KwAA) s wAL(w�Aw�K ! w��wAK) s wKL(w��wAA ! w�A
� )-]Lxw�A
� wKK s w�K� wAA s wAK
� w�� ! w��wAAwKK ! 2w�Aw�KwAK
(5-30)
Mit den Gl. (5-10) bis (5-12) sowie Gl. (5-28) bis (5-30) werden die Kompatibilitäts-
spannungen analytisch berechnet. Anschließend werden sie den numerischen
FEM-Ergebnissen an der mittleren Grenzfläche aus Kap. 4.1 grafisch gegenübergestellt. Die
Abb. 5-2 und 5-3 belegen exemplarisch für die Verbindungs- und Typ II-Zwillinge die
exzellente Übereinstimmung der numerischen und analytischen Ergebnisse. Gleiches gilt für
alle Typ I-Zwillinge, auf deren Darstellung an dieser Stelle verzichtet wird. In allen
betrachteten Fällen zeigen die numerischen Ergebnisse nur minimale Abweichungen von den
jetzt auch analytisch berechneten Kompatibilitätsspannungen. Diese Kongruenz belegt, dass
sich der theoretische Ansatz nach Gemperlova auf Zwillingsstapel übertragen lässt. Dies gilt
sogar unter der Rahmenbedingung, dass das Modell für unendlich ausgedehnte (und damit
nicht reale) Kristalle formuliert ist, während die Simulationen an (mehr der Realität
entsprechender) Zwillingsstapeln mit endlichen Dimensionen durchgeführt wurden. Beide
Ansätze können demnach herangezogen werden, um Abschätzungen für
Kompatibilitätsspannungen an Zwillingsgrenzflächen vorzunehmen.
Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass durch die elastisch anisotropen Eigenschaften von
Zwillingsvarianten zusätzliche Spannungen an deren Grenzflächen entstehen können. Den
Berechnungen nach (analytisch wie numerisch), liegen diese zum Teil in derselben
Größenordnung wie die von außen aufgebrachten Beanspruchungen. Dies hat weitreichende
Konsequenzen für die Beurteilung des sich einstellenden Spannungszustandes an
Zwillingsgrenzflächen in realen Materialien. Die Simulationen deuten darauf hin, dass durch
die Überlagerung von Kompatibilitätsspannungen mit externen Spannungen an den
Zwillingsgrenzflächen bereits dann Gitterdefekte entstehen können, wenn die kritischen
100 Diskussion
Abb. 5-2:Vergleich zwischen der theoretisch bestimmten und numerisch berechneten Kompatibilitätsspannungen an der mittleren Grenzfläche des Zwillingsstapels für den (noo)-Verbindungs-Zwilling.
Abb. 5-3: Vergleich zwischen der theoretisch bestimmten und numerisch berechneten Kompatibilitäts-spannungen an der mittleren Grenzfläche des Zwillingsstapels für den <nno>-Typ II-Zwilling.
Spannungen makroskopisch noch nicht erreicht sind. Die funktionelle Ermüdung von
Formgedächtnislegierungen wird in der Literatur auf die Defektakkumulation und die
Stabilisierung von Martensit durch Defekte zurückgeführt [48]. Diese Prozesse geschehen
während der Phasenumwandlung in der direkten Umgebung der Austenit-Martensit-
Phasengrenzen [62]. Die Akkommodationsversetzungen sind hierbei verantwortlich dafür, die
Kompatibilität der Mikrostruktur aufrecht zu erhalten, wenn das Kristallgitter eine
Phasenumwandlung vollzieht. Die Größenordnung der berechneten Kompatibilitäts-
spannungen sowie die vielfältigen (mehrachsigen) Spannungszustände, die solche
Spannungen an Grenzflächen hervorrufen können, legen nahe, dass
Kompatibilitätsspannungen im Zusammenhang mit funktioneller Ermüdung eine wesentliche
Rolle spielen. Die zusätzlichen Spannungen leisten einen Beitrag zur Verzerrungsenergie des
Systems. Neben der Grenzflächenenergie spielt diese eine zentrale Rolle, welche
Zwillingssysteme sich unter bestimmten mikrostrukturellen Gegebenheiten (nanokristallines
Gefüge, Ausscheidungsteilchen), bilden, um eine Minimierung der Energie in der
Diskussion 101
Mikrostruktur zu erzielen [39]. Auch ist bislang ungeklärt, in wieweit und unter welchen
Umständen Kompatibilitätsspannungen die Reorientierung von martensitischen Zwillingen
begünstigen oder entgegenwirken. Damit liefern die hier präsentierten Ergebnisse eine
interessante Grundlage für weiterführende Untersuchungen realer Mikrostrukturen und
werkstoffwissenschaftlich relevanter Fragestellungen.
5.2 Experimentelle Einflüsse zur Stabilisierung der lokalisierten Umwandlung
In dieser Arbeit wurde ein Transformationsdehnungs-Modell implementiert und verwendet
um pseudoelastische NiTi-FGL zu simulieren. Das Modell konzentriert sich dabei
ausschließlich auf die mechanischen Eigenschaften, weswegen ein Einfluss der funktionellen
Ermüdung auf die Phasenumwandlungstemperaturen in dieser Arbeit nicht berücksichtigt
wird. Aus diesem Grund können die Simulationsergebnisse streng genommen nur mit
experimentellen Daten verglichen werden, die bei einer isothermen Versuchsdurchführung
ermittelt werden. Solche Bedingungen können im Experiment in guter Näherung dann erzielt
werden, wenn bei gleichzeitig klimatisierten Versuchsbedingungen die Querhaupt-
geschwindigkeiten in der Zugprüfmaschine sehr gering sind (y� << 0.1 mm/min). Durch die
Phasenumwandlung wird Umwandlungswärme an die Umgebung abgegeben (Austenit zu
Martensit), bzw. von ihr absorbiert (Martensit zu Austenit). Bei zu hohen
Verformungsgeschwindigkeiten führt dies zu einer signifikanten Selbsterwärmung der Probe,
was wiederum einen Einfluss (Anstieg der Plateauspannung) auf die lokalen Eigenschaften
der Probe hat [58]. Unter Berücksichtigung dieser Randbedingungen sind die Ergebnisse
dieser Arbeit auf quasistatische experimentelle Untersuchungen übertragbar. In den meisten
Fällen ist die Übereinstimmung zwischen Experiment und Simulation selbst dann gegeben,
wenn die Zugversuche im jeweiligen Experiment mit etwas größeren Geschwindigkeiten
durchgeführt werden.
Die systematische FEM-Studie (siehe Kap. 4.5) hat ergeben, dass auch deutlich verschiedene
Netzdichten keinen nennenswerten Einfluss auf die Geometrie und mechanischen
Gegebenheiten an der Phasengrenze haben. Dies gilt ebenfalls für die Variation der
Umwandlungsdehnung im Stoffgesetz. Negative Steigungen im Stoffgesetz können unter
bestimmten Umständen Konvergenzprobleme zur Folge haben [81]. Dies konnte in dieser
Arbeit nicht beobachtet werden. Shaw et al. führen dies darauf zurück, dass der Anstieg der
Spannung im Anschluss an die negative Steigung des Belastungsplateaus (analog der Abfall
102 Diskussion
der Spannung nach dem Durchlaufen des Entlastungsplateaus) wieder zu einer Stabilisierung
des Systems führt [81].
Die Ergebnisse zeigen, dass eine lokalisierte Phasenumwandlung sowohl durch die
Einspannung einer Probe als auch durch bestimmte Probengeometrien begünstigt werden
kann. Die Simulationen am Draht und Band (Abb. 4-9 bis Abb. 4-12) sind dadurch
gekennzeichnet, dass die Bildung der martensitischen Phase, nach einer bestimmten
Auslenkung der Probe jeweils in den Einspannbereichen beginnt. Anschließend kann eine
relativ gleichmäßige Ausbreitung des Martensits in Richtung Probenmitte beobachtet werden.
Im Experiment werden zugbeanspruchte FG-Halbzeuge und -proben üblicher Weise durch
eine homogene Klemmung in den äußeren Bereichen der Probe in die Prüfapparatur montiert.
Auch in der praktischen Anwendung werden FG-Aktoren häufig durch ähnliche
Mechanismen in technischen Systemen integriert. Durch eine Klemmung gerät die Probe in
den Einspannbereichen unter eine Druckbeanspruchung. Diese überlagert sich mit dem
Spannungszustand, der sich durch die Auslenkung der Probe im Material einstellt. Abb. 5-4
zeigt am Beispiel einer Bandprobe, die Spannungsverteilung unmittelbar nach der
Einspannung, jedoch vor der Auslenkung der Probe. Im Probenkopf beträgt die
Vergleichsspannung 10 MPa, während der restliche Bereich noch vollständig unbelastet ist.
Diese relativ geringen Spannungsunterschiede zwischen den Einspannungen und der freien
Probenlänge bleiben bei einer Auslenkung der Probe im weiteren Versuchsablauf erhalten und
reichen aus, um eine lokalisierte Phasenumwandlung in den Probenköpfen zu erzeugen. Wenn
die Probe im dehnungskontrollierten Versuch ausgelenkt wird, addieren sich die
Druckspannungen im Einspannbereich zu den entstehenden Spannungen auf und führen zu
einem Anstieg der Von-Mises-Vergleichsspannung. Dadurch beginnt die Phasenumwandlung
in den Einspannbereichen. Auch in einer Vielzahl von experimentellen Untersuchungen
unterschiedlicher Forschungsgruppen [48, 55, 74, 82, 83], wurde bei ähnlichen Proben und
Belastungsfällen ein vergleichbares Nukleationsverhalten beobachtet, wie es in den
Simulationen erfolgreich abgebildet werden konnte. Neben dem Einfluss durch
Einspannungen zeigt diese Arbeit auch, dass Löcher oder Kerben ebenfalls eine lokalisierte
Phasenumwandlung einleiten können. Die Ergebnisse zum Verhalten der gelochten und
gekerbten Blechproben (Abb. 4-15 bis Abb. 4-22) belegen, dass trotz einer durchgehenden
Einspannung (10 MPa Druckbelastung) der Einfluss von geometrischen Unstetigkeiten in den
hier betrachteten Dimensionen überwiegt. In allen Fällen wird beobachtet, dass die
Nukleation des Martensits bei einer Auslenkung der Probe stets in den Randbereichen eines
Diskussion 103
Abb. 5-4:Einfluss der Einspannung auf die Nukleation der martensitischen Phase. Der Spannungszustand ist nach der Einspannung als Kontur-Plot dargestellt.
Lochs oder einer Kerbe stattfindet. Anschließend breitet sich der Martensit, teilweise unter
bestimmten Winkeln zur Zugrichtung, weiter aus. Auch dieses Phänomen der Lokalisierung
von pseudoelastischen NiTi-FGL konnte in den bereits genannten experimentellen Arbeiten
[74, 81, 84] in ähnlicher Form beobachtet werden.
Die lokale Spannungserhöhung, die letztlich zur lokalisierten Phasenumwandlung führt, ist
auf die Reduzierung des tragenden Querschnitts sowie den bereits im elastischen Bereich
mehrachsigen Spannungszustand im Kerbgrund zurückzuführen. Abb. 5-5 beschreibt, das
Lokalisierungsverhalten an einer zentrisch gelochten Probe. Bei der homogenen Auslenkung
der Probe entsteht Martensit an den seitlichen Rändern des Lochs, Abb. 5-5a. Der tragende
Querschnitt B (siehe Abb. 5-5b) ist kleiner als alle anderen Querschnitte der Probe. Aus
diesem Grund führt die gleiche Belastung in diesem Querschnitt zu einer höheren Spannung.
Als Konsequenz wird daher in diesem Querschnitt die kritische Spannung zur
spannungsinduzierten Phasenumwandlung zuerst überschritten. Im Allgemeinen ist es dabei
gleichgültig, ob es sich um eine Kerbe, ein Loch oder eine andere Form der Aussparung
handelt. Alleine die Tatsache, dass der Querschnitt an einer ausgewählten Stelle der Probe
geschwächt ist, reicht aus, um die Lokalisierung einzuleiten. Für die praktische Anwendung
ist wichtig zu verstehen, wie Proben geometrisch gestaltet sein müssen, um entweder gezielt
eine lokalisierte Umwandlung einzustellen oder diese an anderer Stelle vielleicht zu
unterdrücken. Für die Simulation von pseudoelastischen FGL ist der Einsatz von
Stoffgesetzen erforderlich, welche die im Experiment beobachteten Phänomene erfolgreich
abbilden können. Auf diese Aspekte wird zu einem späteren Zeitpunkt (Kap. 5.5) noch einmal
im Detail eingegangen. Vor dem Hintergrund der in dieser Arbeit erzielten Ergebnisse ist es
daher zulässig, dass Transformationsdehnungs-Modell einzusetzen, um die
104 Diskussion
spannungsinduzierte Phasenumwandlungen in pseudoelastischen NiTi-Komponenten zu
untersuchen, solange diese im Einsatz annähernd isothermen Bedingungen ausgesetzt sind.
Abb. 5-5: Einfluss von Querschnittreduzierungen auf das Nukleationsverhalten während der spannungs-induzierten Phasenumwandlung. Eine gelochte Blechprobe zeigt trotz Einspannung eine lokalisierte Umwandlung an den lateralen Randbereichen des Lochs in a). Die lokale Querschnittreduzierung der Probe (schematisch in b) dargestellt) führt zu einer Spannungserhöhung, welche die Entstehung von Martensit am Lochrand begünstigt.
5.3 Ausbreitungsverhalten und Eigenschaften von Phasengrenzen in NiTi
Das Ausbreitungsverhalten der Austenit-Martensit-Phasengrenzen ist u.a. davon abhängig, wo
in einer Probe die lokalisierte Umwandlung startet. Im Falle der Draht- und Flachbandproben
wird beobachtet, dass der Martensit sich zunächst in den Einspannungen bildet. Im Speziellen
erfolgt dies am direkten Übergang von der Einspannung zum nicht eingespannten Bereich.
Anschließend bewegen sich die Phasengrenzen zunächst auf die Probenränder zu. Erst
nachdem die Einspannbereiche vollständig umgewandelt sind, bewegten sich die
Phasengrenzen in Richtung Probenmitte. Bei den Drahtproben werden auf der
Probenoberfläche Phasengrenzen beobachtet, die eine konstante Breite über den Umfang
aufweisen und stets senkrecht zur Zugrichtung orientiert sind. Abb. 5-6 vergleicht die lokale
Dehnungsverteilung auf der Oberfläche eines pseudoelastischen Drahtes für ein Experiment
aus [79] und eine entsprechende Simulation aus dieser Arbeit (siehe Abb. 4-9). Sowohl die
Beträge als auch die Verteilungen der Dehnungen (Geometrie der Phasengrenze) stimmen
sehr gut überein.
Diskussion 105
Abb. 5-6: Gegenüberstellung der lokalen Dehnungsverteilung einer Drahtprobe für Experiment in a) und Simulation in b). Bei einem rotationssymmetrischen Draht zeigt sich auf der Oberfläche eine Phasengrenze, die über den Umfang eine konstante vertikale Ausdehnung aufweist.
Im Fall der Bandproben kann eine andere Geometrie für den Übergangsbereich von Austenit
zu Martensit beobachtet werden. Im mittleren Bereich der Proben weisen die Phasengrenzen
in der Simulation eine geringere Ausdehnung auf und weiten sich nach außen hin auf. Dies
kann auf diese Weise in Experimenten nicht beobachtet werden. In verschiedenen
experimentellen Arbeiten werden geneigte Übergangsbereiche unter Winkeln zwischen 51°
und 67° relativ zur Zugrichtung beobachtet [84]. Es wird auch davon berichtet, dass sich die
Ausrichtung der Phasengrenze symmetrisch zur Zugachse umkehrt [79], also beispielsweise
von einem Winkel von +55° in -55° umklappt. Abb. 5-7 zeigt ein Beispiel für die Neigung der
Phasengrenze aus [81] Eine eindeutige Erklärung konnte für dieses Verhalten auch in dieser
Arbeit nicht ermittelt werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit deuten jedoch darauf hin, dass die
aufgeweitete Morphologie der Phasengrenze durchaus als eine Kombination von zwei
möglichen energetisch gleichwertigen Vorzugsneigungen interpretiert werden kann. Die
106 Diskussion
Aufweitungswinkel der Übergangszonen in den Simulationen von Bandproben entsprechen in
sehr guter Näherung den Werten, wie sie für eindeutige Neigungen der Phasengrenzen in
Experimenten beobachtet werden. Die Simulationen sind im Allgemeinen dadurch
gekennzeichnet, dass sämtliche Randbedingungen, Verformungen oder andere
Einflussfaktoren vollständig symmetrisch vorliegen. Daher ist der Schluss nahe liegend, dass
auch die Ergebnisse (Morphologie der Phasengrenzen) einen symmetrischen Charakter
ausweisen müssen. Wichtige Einflussfaktoren, wie Biegemomente, die im realen Experiment
durchaus auftreten können, tragen ebenfalls dazu bei, dass sich unter den vorherrschenden
Versuchsbedingungen eine von mehreren möglichen metastabilen Neigungen stabilisiert.
Abb. 5-7: Neigungswinkel des Austenit-Martensit-Übergangsbereich nach [81].
Diskussion 107
Abb. 5-8: Vergleich zwischen früheren Arbeiten anderer Forschungsgruppen [74, 81, 84] in a) – c) mit den Simulationsergebnissen aus dieser Arbeit in d) - f).
Zu den Einflussgrößen auf das Resultat zählen neben der in dieser Arbeit nicht
berücksichtigten realen Mikrostruktur des Materials damit auch die Einspannbedingung und
Lasteinleitung. Bereits geringste Abweichungen vom symmetrischen Idealfall (Simulation),
wie Biegemomente, Oberflächendefekte oder ungleichmäßige Einspannbedingungen können
verantwortlich dafür sein, dass sich eine Vorzugsneigung ausbildet. Diese Faktoren könnten
auch dafür verantwortlich sein, dass sich die Neigung der Phasengrenze unter bestimmten
Umständen in Bandproben ändern kann. Eine Kerbe könnte beispielsweise an einer
bestimmten Stelle in der Probe den Spannungszustand lokal derart beeinflussen, so dass es
energetisch günstiger ist, den Winkel anzupassen. Im Allgemeinen spiegeln die Ergebnisse
dieser Arbeit in Bezug auf die Phasengrenzen sowie auf ihr Ausbreitungsverhalten alle
wesentlichen Merkmale wieder, die auch andere Forschergruppen in der Vergangenheit
erzielen konnten [74, 81, 84]. Dies gilt gleichermaßen für experimentelle, als auch
theoretische Arbeiten, vgl. Abb. 5-8.
108 Diskussion
Abb. 5-9: Detaillierte Betrachtung der Austenit-Martensit-Phasengrenze für eine Drahtprobe. Eine experimentelle DIC-Aufnahme [79] für die lokale Dehnung auf der Oberfläche zeigt a). In b) ist ebenfalls nun für die Simulation die Oberfläche abgebildet. Ein anderes Bild offenbaren die Ergebnisse der Simulation beim Blick auf den Längsschnitt in der Drahtmitte in c).
5.4 Spannungs- und Verformungszustände an Meso-Phasengrenzen in Drahtproben
Detaillierte Analysen zum Spannungs- und Verformungszustand der Phasengrenzen in
Drahtproben wurden in verschiedenen Probenbereichen durchgeführt. Wie bereits Abb. 5-6
aufzeigt, sind die Ergebnisse für den Zugversuch am Draht sowohl im Experiment wie in der
Simulation gut miteinander vergleichbar. Eine Neigung der Phasengrenze ist bei dieser
rotationssymmetrischen Probenform unwahrscheinlich und wird auch experimentell nicht
beobachtet. Die Austenit-Martensit-Phasengrenze weist im Draht, entgegen der ersten
Vermutung, über die Probenbreite keineswegs dieselben Ausdehnungen auf, wie Abb. 5-9c
zeigt. Auf den ersten Blick scheinen sich die Geometrien der Phasengrenzen für das Band und
den Draht deutlich zu unterscheiden. Auf der Probenoberfläche ist dies auch der Fall. Im
Innern des Drahtes hingegen wird ebenfalls beobachtet, dass sich die Phasengrenze schmal
darstellt und sich mit zunehmendem Abstand von der Mittelachse aufweitet. Bei der
Diskussion 109
Bandprobe ist die Übergangszone in der Mittelachse ebenfalls relativ schmal, während sie
sich zum Rand hin vergrößert. Abb. 5-10 zeigt schematisch die Phasengrenze eines Bandes,
die auf gleiche Weise im Längsschnitt eines Drahtes beobachtet wird. Durch einfache
geometrische Betrachtungen können diese Ergebnisse miteinander verknüpft werden. Wird
die Phasengrenze des Bandes um die Längsachse rotiert, so ergibt sich die Geometrie der
Übergangszone, wie sie für den Draht in der Simulation beobachtet wird. An den
oberflächennahen Bereichen des Drahtes kann sich das Material frei verformen. Dadurch ist
es möglich, den Übergang von Austenit zu Martensit mit einem wesentlich geringeren
Dehnungsgradienten zu realisieren. Die Phasengrenze weitet sich daher am Probenrand auf.
Dieser „weiche“ Übergang ist im Probeninnern hingegen nicht möglich, da sich das Material
in diesen Bereichen nicht frei verformen kann. Diese unterdrückte Verformung führt speziell
Abb. 5-10: Die Übergangszone zwischen Austenit und Martensit, wie sie im Draht vorliegt, ergibt sich durch die Rotation der aufgeweiteten Phasengrenze, die im Band beobachtet werden kann.
im mittleren Bereich der Probe in direkter Umgebung zur Phasengrenze zu Spannungen. Dies
belegt Abb. 5-11a, welche die Spannungsverteilung in Zugrichtung sowie den Verlauf des
Martensitanteils über die Phasengrenze darstellt. Die räumliche Ausdehnung der Austenit-
Martensit-Phasengrenze ist durch einen eingefärbten Bereich im Diagramm gekennzeichnet.
Es ist zu erkennen, dass hinter der Phasengrenze (im Martensit) eine Spannungserhöhung zu
verzeichnen ist. Direkt vor der Phasengrenze (im Austenit) ist die Spannung deutlich
niedriger. Die Differenz von ca. 150 MPa lässt sich nicht alleine durch die Wahl der
Materialparameter im Stoffgesetz (30 MPa Differenz durch negative Steigung in den
Spannungsplateaus) erklären. Eine mögliche Ursache dafür ist, dass sich zusätzliche
Spannungen aus der unterdrückten Verformung im mittleren Bereich der Probe ergeben. Dies
wird gestützt durch die Tatsache, dass die Spannungen in der Umgebung zur Phasengrenze
110 Diskussion
sich überwiegend auf den zentralen Bereich der Probe konzentrieren, wie es Abb. 5-11b zeigt.
Der Spannungsgradient könnte verantwortlich dafür sein, dass sich die Phasengrenze durch
das Material bewegt.
Abb. 5-11: Die Spannungsverteilung und der Martensitanteil über die Phasengrenze ist in a) gezeigt. Kontur-Plots für Dehnung und Spannung sind in b) dargestellt.
Weitere wichtige Informationen können gewonnen werden, wenn die lokale Dehnung und der
Martensitanteil über die Phasengrenze ausgewertet werden. Abb. 5-12a zeigt, dass dies
sowohl für die Probenmitte (Pfad A), als auch am Probenrand (Pfad B) durchgeführt wurde.
Die Dehnungsverteilung wird über Pfad A aus der Simulation ausgewertet und den Daten aus
einem Experiment gegenübergestellt. Dabei handelt es sich um das Experiment, aus welchem
im Vorfeld der Simulation die Eingangsparameter für die FEM-Rechnungen abgeleitet
worden sind. In Abb. 5-12b ist zu erkennen, dass die Daten in guter Näherung
übereinstimmen. Die typische Streuung der experimentellen Daten ist für die durchgezogene
Linie zu erkennen, während dies bei der Simulation (gestrichelte Linie) erwartungsgemäß
nicht zu beobachten ist. Die räumliche Ausdehnung der Phasengrenze stimmt ebenfalls gut
überein. Für den einfachen Fall eines einachsigen Zugversuchs besteht damit eine gute
Korrelation zwischen der Dehnung in Zugrichtung sowie des Martensitanteils γ, wie die
Abb. 5-12c und d zeigen. In einachsigen Versuchen, wo die größten Verformungen
überwiegend in eine bestimmte Richtung orientiert sind, ist es daher zulässig, die
Phasenverteilung im Material anhand der lokalen Dehnungsverteilung abzuschätzen.
Diskussion 111
Abb. 5-12: Verlauf der Dehnung und des Martensitanteils über die Phasengrenze des in Abb. 5-8c markierten Bereiches. Über die mittlere Probenachse A und die Oberfläche B zeigt die Phasengrenze in a) eine unterschiedliche Ausdehnung. Ein Vergleich der lokalen Dehnung zwischen Experiment und Simulation zeigt b). In c) wird die lokale Dehnung für die beiden Pfade A und B gegenübergestellt. Die Korrelation zwischen Dehnung und Martensitanteil ist in d) dargestellt.
5.5 Degradation der funktionellen Eigenschaften unter zyklischer Beanspruchung
Es ist aus der Literatur bekannt, dass die zyklische Betätigung des Formgedächtniseffektes zur
funktionellen Ermüdung in NiTi-FGL führt. In der vorliegenden Arbeit wurde pseudo-
elastisches NiTi-Material mittels FEM-Simulation auch im Hinblick auf dieses Phänomen
untersucht. Die wesentlichen Merkmale der Ermüdung können sowohl im dehnungs-
112 Diskussion
kontrollierten Zugversuch am Draht, als auch in einem spannungskontrollierten Versuch an
einer gelochten Scheibe abgebildet werden. Bei dem Draht wurde in Abb. 4-23 gezeigt, dass
sich die Umwandlungsfronten bei gleichbleibender Probenauslenkung zum Ende des jeweils
nachfolgenden Belastungszyklus geringfügig weiter in das Probeninnere vorgeschoben haben.
Die Ursache dafür liegt in der ermüdungsbedingten Verringerung der kritischen
Umwandlungsspannung. Wenn die Nukleation von Martensit bereits bei niedrigeren
Spannungen erfolgen kann, ist es den Phasengrenzen möglich, sich bei gleicher Auslenkung
der Probe weiter in die mittleren Bereiche fortzubewegen. Mit jedem weiteren (partiellen oder
vollständigen) Umwandlungszyklus schreitet die funktionelle Ermüdung in den betroffenen
Materialbereichen voran. Da die Probe in den ersten fünf Zyklen nicht vollständig, sondern
lediglich partiell umwandelt wird, bleiben die mittleren Probenbereiche von der Ermüdung bis
zu diesem Zeitpunkt vollkommen unbeeinflusst. Ihre mechanischen Eigenschaften
entsprechen daher weiterhin denjenigen, wie sie zu Beginn des Versuches in der gesamten
Probe vorlagen. Mit steigender Zyklenzahl stellen sich auf diese Weise zunehmend
heterogenere mechanische Eigenschaften über die Probenlänge ein. Wenn die
Dehnungsamplitude im Anschluss in einem weiteren Zyklus erhöht wird, bewegen sich die
Umwandlungsfronten in Bereiche der Probe, die bislang nicht ermüdet waren. Im Spannungs-
Dehnungs-Diagramm (Abb. 4-24) spiegelt sich dies in einem Anstieg des Belastungsplateaus
auf das Niveau des ersten Zyklus wieder. Dieses Phänomen wird als multiples Plateau
bezeichnet und ist auf die lokalisierte funktionelle Ermüdung zurückzuführen, wie sie erfolgt,
wenn Versuche mit variierenden Dehnungsamplituden durchgeführt werden. Qualitativ
ähnliche Ergebnisse, wie für die partiellen Umwandlungszyklen in der FEM-Simulation,
konnte auch Gugel et al. [57] in zyklischen Experimenten an pseudoelastischem NiTi-
Material aufzeigen. In Abb. 5-13 ist im Spannungs-Dehnungs-Diagramm das mechanische
Verhalten für 10 Zyklen dargestellt. Wie in Abb. 4-24 gezeigt, sind die wichtigsten Merkmale
der funktionellen Ermüdung zu erkennen. Zwar verläuft der elastische Bereich für den
Austenit im Experiment nicht exakt linear. Aber sowohl die Spannungserhöhung zu Beginn
der Umwandlung als auch der Abfall der Plateauspannungen und der Anstieg in der
irreversiblen Dehnung spiegeln sich in Experiment und Simulation gleichermaßen wider.
Diskussion 113
Abb. 5-13: Spannungs-Dehnungs-Diagramm aus zyklischen Versuchen an pseudoelastischem NiTi, [57].
Die Ergebnisse für die zyklische und spannungskontrollierte Finite-Elemente-Simulation an
der gelochten Scheibe lassen sich auf ähnliche Weise erklären, da sie auf die gleichen
Ermüdungserscheinungen im Material zurückzuführen sind. In den Abb. 4-25 und 4-26 ist
dargestellt, dass die Nukleation am Lochrand einsetzt. Von dort aus breitet sich der Martensit
unter einem bestimmten Winkel in Richtung Probenrand aus. Die Spannung wurde dabei im
Versuch so gewählt, dass nur lochnahe Bereiche umwandeln und eine detailierte
Fortschrittsentwicklung im Ausbreitungsverhalten studiert werden konnte. Es zeigte sich, dass
die Ränder der umgewandelten Zonen mit jedem Zyklus näher an den Probenrand
heranreichen. Wie bei den zyklischen Versuchen am Draht ist dies darauf zurückzuführen,
dass die Ermüdung lokal zu einem Absinken der Plateauspannungen führt. Dadurch ist es dem
Martensit möglich, bei gleicher Spannung weiter in das Material hineinzuwachsen.
Für die praktische Anwendung ist dieses Materialverhalten dann von besonderer Bedeutung,
wenn pseudoelastische Bauteile über ihre Betriebsdauer veränderlichen Belastungs- und damit
Verformungszuständen ausgesetzt sind. Für die Auslegung von zyklisch beanspruchten FGL-
Komponenten ist das Verständnis der lokalen Änderung der mechanischen Eigenschaften von
entscheidender Bedeutung. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen daher auch mit Praxisrelevanz
auf, dass lokalisierte Umwandlung und funktionelle Ermüdung auch jenseits des einachsigen
Zugversuches auftreten und ein Bauteilverhalten beeinflussen können.
114 Zusammenfassung und Ausblick
6. Zusammenfassung und Ausblick
Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Finite-Elemente-Methode eingesetzt, um
werkstoffwissenschaftliche Fragestellungen im Bereich der NiTi-FGL zu untersuchen. Der
erste Teil dieser Arbeit beschäftigte sich mit elastisch anisotropen Simulationen von
vereinfachten martensitisch verzwillingten Mikrostrukturen. Im zweiten Teil wurde das
Verhalten makroskopischer Halbzeuge vor dem Hintergrund der spannungsinduzierten
Phasenumwandlung in pseudoelastischen FGL detailliert analysiert.
Es wurden Finite-Elemente-Simulationen an den in NiTi wichtigen Zwillingssystemen
(100)-Verbindungs-Zwilling, <110>-Typ II, {111}-Typ I, 612117 -Typ I und {110}-Typ I
durchgeführt. Zu diesem Zweck wurde, in Anlehnung an experimentelle Beobachtungen, eine
Modellstruktur mit alternierenden Zwillingsvarianten abgeleitet und systematisch mit
unterschiedlichen Spannungszuständen beaufschlagt. Dabei entstehen an den
Zwillingsgrenzflächen zusätzlich zu den äußeren Spannungen weitere Spannungsbeiträge, die
auf den Erhalt der geometrischen Kompatibilität zurückzuführen sind. Diese
Kompatibilitätsspannungen reichen ausgehend von den Grenzflächen in die endlich
ausgedehnten Volumina der einzelnen Varianten hinein und liegen betragsmäßig zum Teil in
derselben Größenordnung wie die aufgebrachten externen Spannungen. Im Allgemeinen
werden an den Grenzflächen die drei Kompatibilitätsspannungen σ1C, σ3C
(Normalspannungen) und σ5C (Schubspannung) beobachtet, die sich mit der externen
Beanspruchung überlagern und so zu einer deutlichen Spannungserhöhung und zu einem
Anstieg der Verzerrungsenergie in der Struktur beitragen. Über die einzelnen
Zwillingsgrenzflächen hinweg vollziehen die Kompatibilitätsspannungen einen
Vorzeichenwechsel. Relativ zur aufgebrachten äußeren Beanspruchung konnten zusätzliche
Spannungsbeiträge von wenigen Prozent bis zu über 120 % beobachtet werden. Randeffekte
(starker Abfall der Spannungen) wurden in denjenigen Probenbereichen ausgemacht, die sich
frei verformen können. Sie konzentrieren sich daher auf die äußeren Varianten der
Zwillingsstapel sowie die lateralen Ränder jeder einzelnen Zwillingsvariante. Sinnvolle
Ergebnisse ergaben sich in den zentralen Probenbereichen. Es konnte gezeigt werden, dass
sich die Ergebnisse in den randfernen Bereichen des Volumens umso stärker der Lösung an
der zentralen Grenzfläche annähern, je mehr Varianten im Modell berücksichtigt wurden. Zur
Validierung der numerischen Ergebnisse wurde ein analytisches Modell nach Gemperlova
[46] herangezogen, das ursprünglich für die Berechnung von Kompatibilitätsspannungen an
Zusammenfassung und Ausblick 115
Grenzflächen von unendlich ausgedehnten Bikristallen hergeleitet wurde. Unter
Berücksichtigung der entsprechenden kristallographischen Beziehungen wurde dieses Modell
in dieser Arbeit auf martensitische Zwillingsgrenzflächen übertragen. Die analytischen
Ergebnisse dieses Modells zeigen eine exzellente Übereinstimmung mit denjenigen
Ergebnissen der numerischen FEM-Simulationen, die sich in den zentralen Probenbereichen
der Zwillingsstrukturen einstellten. Dies belegt die grundsätzliche Anwendbarkeit der in
dieser Arbeit vorgeschlagenen Vorgehensweise zur Berechnung von Kompatibilitäts-
spannungen an martensitischen Zwillingsgrenzflächen. In der Literatur wurden die nicht zu
vernachlässigenden Beiträge von Kompatibilitätsspannungen zur Verzerrungsenergie bislang
vollkommen außer acht gelassenen. In Bezug auf die wichtigen Aspekte der plastischen
Verformung und funktionellen Ermüdung sowie die Frage, wann sich welche
Zwillingssysteme bilden bzw. reorientieren, sollten Kompatibilitätsspannungen an
Zwillingsgrenzflächen in Zukunft Berücksichtigung finden, um ein genauere Beschreibung
der Zwillingsbildung im Werkstoff NiTi zu erreichen.
Berücksichtigt man die Kompatibilitätsspannungen, so ergeben sich im Vergleich zu
bisherigen Betrachtungen höhere Werte für die elastische Verzerrungsenergie. Weitere
Arbeiten werden zeigen müssen, ob die Beiträge der Kompatibilitätsspannungen einen
derartigen Einfluss haben, dass erklärt werden kann, warum sich unter bestimmten
mikrostrukturellen Gegebenheiten (z.B. ultrafeinkörniges Gefüge) oder unter komplexen
mehrachsigen Spannungszuständen ausgewählte Zwillingssysteme bevorzugt ausbilden.
Experimentelle Untersuchungen sind notwendig, um nachzuweisen, dass externe Belastungen
durch die elastische Anisotropie martensitischer Zwillinge zu Kompatibilitätsspannungen in
derselben Größenordnung führen. So müssten äußere Spannungen unterhalb der Fließgrenze
durch zusätzliche Beiträge von Kompatibilitätsspannungen bereits zur Versetzungsbildung in
unmittelbarer Umgebung der Zwillingsgrenzflächen führen.
116 Zusammenfassung und Ausblick
Abb. 6-1: Schematische Darstellung einer CT (engl.: Compact Tension) Probe in a). Eine Detailaufnahme des Probenbereiches vor der Rissspitze in b) zeigt die Spannungsverteilung, wie sie im Allgemeinen vor einer Rissspitze zu erwarten ist.
Für die Simulation des makroskopischen Materialverhaltens von pseudoelastischen FGL
wurde in dieser Arbeit ein Stoffgesetz nach Azadi [74] in einer VUMAT-Subroutine
implementiert und auf funktionelle Ermüdung erweitert. Mit diesem Modell wurden
numerische Untersuchungen an verschiedenen Halbzeugen wie Drähten, Bändern und
Blechen durchgeführt. Alle wesentlichen mechanischen Phänomene, die in Experimenten
beobachtet werden, konnten in den FEM-Simulationen erfolgreich abgebildet werden. Dazu
zählen neben dem lokalisierten Charakter der spannungsinduzierten Phasenumwandlung
(Nukleationsverhalten) auch das Ausbreitungsverhalten der Austenit-Martensit-
Phasengrenzen, die funktionelle Ermüdung sowie das resultierende Spannungs-Dehnungs-
Verhalten. Durch die geeignete Wahl der Materialparameter ist es gelungen eine sehr gute
Übereinstimmung zwischen Simulation und Experiment herzustellen. Experimentelle
Einspannbedingungen wurden nachgeahmt, indem die Probenköpfe einer geringfügigen
Druckspannung ausgesetzt wurden. In den so simulierten Zugversuchen wurde beobachtet,
dass für homogene Proben, die keinerlei geometrische Unstetigkeiten (Löcher, Kerben)
aufweisen, die Phasenumwandlung stets in den Einspannungen beginnt und sich danach in
Richtung der mittleren Probenbereiche ausbreitet. Löcher und Kerben in den Proben
bewirken, dass die Nukleation des Martensits nicht mehr in den Einspannungen beginnt. Sie
setzt in diesen Fällen in den zur Aussparung lateral benachbarten Materialbereichen ein. Nach
der Nukleation wurden verschiedene Typen der Phasenausbreitung beobachtet. Während sie
sich im Falle des Drahtes und Bandes sehr homogen darstellte, zeigte sich bei den
Blechproben teilweise eine finger- oder V-förmige Ausbreitung der Phasengrenzen. Die
detaillierten Analysen zum Spannungs- und Verformungsverhalten innerhalb und in
Zusammenfassung und Ausblick 117
unmittelbarer Umgebung der Austenit-Martensit-Phasengrenzen haben wichtige Erkenntnisse
bereitgestellt, die dem Experiment heute nicht oder nur mit erheblichem Aufwand zu
entnehmen sind. Die allgemein gute Übereinstimmung von Simulation und Experiment (in
Bezug auf Dehnungsfelder) lässt den Schluss zu, dass die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit
eine gute Beschreibung der spannungsinduzierten Phasenumwandlung in pseudoelastischen
FGL liefern.
Abb. 6-2: Schematische Darstellung der Spannungsverteilung einer Simulation eines Nanoindentations-experimentes mit einem kugelförmigen Indentationskörper.
Das in dieser Arbeit implementierte Modell zur Simulation des pseudoelastischen
Materialverhaltens kann auch ohne weitere Anpassungen dazu genutzt werden, um weitere
interessante Fragestellungen, wie die spannungsinduzierte Umwandlung vor der Rissspitze in
einer CT-Probe (engl.: compact tension) (Abb. 6-1), oder bei der Nanoindentation (Abb. 6-2)
zu analysieren. Die Simulation von konkreten Bauteilen, wie z.B. eines Stents (Abb. 6-3), ist
möglich und kann wesentliche Informationen über das mechanische Verhalten dieser
Komponenten im Einsatz liefern.
Von theoretischer Seite ist es möglich, das bislang rein mechanische Modell in eine
thermomechanisch gekoppelte Variante zu überführen, die eine Temperaturabhängigkeit der
mechanischen Eigenschaften (Höhe oder Steigung der Spannungsplateaus), sowie die Berück-
sichtigung der Umwandlungswärmen (exo- und endotherme Reaktion bei Hin- und
Rückumwandlung) gewährleistet. Die Erweiterung des Modells um die Plastizität würde des
Weiteren die Begrenzung des Modells auf Dehnungen bis max. 10 % (Bereich nach der
elastischen Verformung des Martensits) aufheben.
118 Zusammenfassung und Ausblick
Abb. 6-3: a) Schematische Darstellung einer Stentkomponente und b) rautenförmiges Basiselement, aus welchem sich der Stent durch Aneinanderreihung aufbaut.
In diesem Zusammenhang könnte ebenfalls ein richtungsabhängiges Fließverhalten
(Textureinfluss) durch geeignete Anpassungen des Quellcodes implementiert werden.
Theoretische Überlegungen nach Hill [85] könnten herangezogen werden, um eine gezielte
Anisotropie der Fließkurve einzustellen. Damit könnte die Simulation von oft ausgeprägt
texturiertem NiTi-FGL ermöglicht werden.
Literatur 119
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Anhänge A1
8. Anhänge
Anhang A: Das Transformations-Dehnungs-Modell nach Azadi Stoffgesetze für strukturmechanische Berechnungen erfüllen in erster Linie die Aufgabe, für
einen gegebenen Verformungszustand den entsprechenden Spannungszustand zu berechnen.
Im Allgemeinen ist dieser Spannungstensor von der Dimension 3x3 und symmetrisch. Für
symmetrische Tensoren gilt, dass sie nur sechs anstelle von neun unabhängigen Komponenten
aufweisen. Ein solcher Tensor kann durch eine geeignete Koordinatentransformation in ein
Hauptachsensystem überführt werden. In diesem Fall verschwinden bis auf die Diagonal-
elemente alle anderen Komponenten. Die Diagonalelemente des Tensors entsprechen nach der
Koordinatentransformation den Hauptspannungen ]�, ]� und ]A des Spannungstensors. Mit
diesen Hauptspannungen können durch festgelegte Rechenvorschriften [86] die folgenden
drei Invarianten des Tensors abgeleitet werden:
z� � ]� s ]� s ]A (A-1)
z� � ]�]� s ]�]A s ]A]� (A-2)
zA � ]�]�]A (A-3)
Die Invariante J2 wird dabei in vielen Fällen herangezogen, um ein Fließkriterium zu
definieren, welches für duktile Metalle häufig Anwendung findet. Es gilt, dass Fließen
einsetzt, wenn J2 einen kritischen Wert k erreicht. Diese Kenngröße hat dabei die Eigenschaft,
dass sie für zwei unterschiedliche Spannungszustände mit gleicher Verzerrungsenergie
betragsmäßig identisch ist. Darüber hinaus ist die Verzerrungsenergie unabhängig vom
hydrostatischen Anteil des Spannungstensors. Aus diesem Grund wird in Stoffgesetzen, die
auf der J2-Plastizität basieren, häufig mit dem deviatorischen Anteil des Spannungstensors
gearbeitet. Nach Abb. A-1 beschreibt das Fließkriterium einen Zylinder im dreidimensionalen
Hauptspannungsraum. In einer beliebigen deviatorischen Ebene kennzeichnet der Rand des
Zylinders die entsprechende Fließortkurve.
A2 Anhänge
Abb. A-1: Darstellung der Von-Mises-Fließkurve im dreidimensionalen Hauptspannungsraum.
Mit Bezug auf die zweite Invariante des Spannungstensors ist die Vergleichsspannung nach
von Mises definiert als:
]2 � 3z� (A-4)
Fließen tritt genau dann auf, wenn
z� ! { � 0 (A-5)
Dabei ist k mit der Fließspannung ]| in einem einachsigen Versuch gemäß Gl. A-6 verknüpft:
{ � ]|/ 3 (A-6)
Die bisherigen Ausführungen gelten für den elasto-plastischen Fall. Das Modell nach Azadi
[74] trifft in Analogie zum plastischen Fließen die Annahme, dass für pseudoelastische NiTi-
Anhänge A3
FGL die spannungsinduzierte Phasenumwandlung einsetzt, wenn die Von-Mises-
Vergleichsspannung (bzw. J2) einen kritischen Wert überschreitet. Motiviert durch
experimentelle Arbeiten und theoretische Untersuchungen [50, 51, 54, 63, 81, 87, 88] wurde
der Ansatz gewählt, die Lokalisierung durch eine Entfestigung (engl.: softening) im
Stoffgesetz zu verankern. Im Gegensatz zur Verfestigung (engl.: hardening) führt dabei eine
ansteigende Verformung der Probe nicht zu einem Anstieg sondern zu einer (geringen)
Verringerung der wirkenden Spannung. Während ein Werkstoffverhalten mit Verfestigung
die Ausbildung einer Lokalisierung unterdrückt und durch lokale Verfestigung zu einer
homogenen Verformung der Probe führt, lässt ein Stoffgesetz mit Entfestigung die Bildung
einer mechanischen Instabilität ausdrücklich zu. Shaw & Kyriakides konnten bereits mit
einfachen elasto-plastischen Ansätzen Lokalisierungseffekte erfolgreich simulieren [81]. Sie
waren dabei jedoch auf die Belastung beschränkt, weil konventionelle plastische Stoffgesetze
einzig eine rein elastische Entlastung erlauben. Ein wichtiger Beitrag von Shaw & Kyriakides
Abb. A-2: Das lokale Stoffgesetz beschreibt im wahren Spannungs-Dehnungs-Raum durch neun Parameter das Materialverhalten für pseudoelastische FGL. Nicht gekennzeichnet sind die beiden Querkontraktionszahlen für den Austenit und den Martensit.
besteht darin, dass sie systematisch nachwiesen, dass die Beschränkung der Entfestigung mit
anschließend wieder (elastisch) zunehmender Spannung zu einem numerisch relativ stabilen
Problem führt [81] Die bei einfachen Entfestigungsmodellen bekannten Probleme (z.B. eine
Abhängigkeit der Lösung von der Netzdichte) werden so minimiert. Azadi et al. definieren in
ihrem Stoffgesetz, dass auch die Rückumwandlung bei Entlastung abbildet, für die lokalen
Materialeigenschaften neun Parameter, die im Vorfeld der Simulation aus experimentellen
A4 Anhänge
Messungen bekannt sein müssen. Es handelt sich dabei um die Elastizitätsmoduli des
Austenits und des Martensits, der Poissonzahlen beider Phasen, die umwandlungsbedingte
Dehnung (Transformationsdehnung) sowie vier charakteristische Spannungen. Abb. A-2 zeigt
schematisch eine entsprechende einachsige σ-ε-Kurve mit den charakteristischen Parametern.
Eine plastische Verformung führt in der Regel durch die Entstehung von Versetzungen zu
einer Verfestigung des Werkstoffs. Für die J2-Plastizität wird im Allgemeinen zwischen
isotroper und kinematischer Verfestigung unterschieden. Laut Definition sind alle
Spannungszustände innerhalb der Fließkurve rein elastisch. Auf der Fließkurve selbst findet
plastische Verformung statt. Per Definition sind Materialzustände außerhalb der Fließkurve
nicht zulässig. Sobald die Fließkurve erreicht wird, vergrößert sich diese isotrop in alle
Richtungen oder verschiebt sich im Fall der kinematischen Verfestigung in die entsprechende
Richtung. Abb. A-3 stellt exemplarisch das Verhalten verschiedener Verformungs-
mechanismen im Spannungs-Dehnungs-Diagramm und im Hauptspannungsraum gegenüber.
Abb. A-3a zeigt das Verhalten bei elastischer Verformung. Die Fließkurve wird nicht erreicht
und bleibt daher unverändert. In Abb. A-3b vergrößert sich die Fließkurve durch die
Verformung von Punkt A zu Punkt B bei isotroper Verfestigung gleichmäßig. Eine Entlastung
führt ohne weitere Veränderung der Fließkurve zum Ursprung in Punkt O zurück. Würde das
Material erneut belastet werden, setzt Fließen erst dann wieder ein, wenn die gestrichelte
Kurve erreicht ist. Die Beschreibung ist deutlich komplizierter, wenn pseudoelastisches
Materialverhalten mit Entfestigung in Abb. A-3c betrachtet wird. Mit dem Erreichen des
zweiten Kurvenabschnitts in Punkt A beginnt die Phasenumwandlung des Materials vom
Austenit in den Martensit. Im Gegensatz zum plastischen Fließen zieht die Entfestigung eine
gleichmäßige Verkleinerung der Fließkurve bis zu Punkt B nach sich.
Anhänge A5
Abb. A-3: Vergleich verschiedener Verformungsmechanismen im Spannungs-Dehnungs-Diagramm (links) und im Hauptspannungsraum (rechts). a) Rein elastische Verformung, b) Isotrope Verfestigung bei plastischer Verformung und c) Entfestigung bei pseudoelastischer Verformung.
Eine anschließende Entlastung führt ab Punkt C auf den unteren Kurvenast und startet dort die
Rückumwandlung des Materials. Mit dem Voranschreiten der Phasenumwandlung vergrößert
sich die Fließkurve wieder, bis bei Punkt D das Ende der Umwandlung erreicht ist. Die
weitere Entlastung erfolgt erneut elastisch. Bei erneuter Belastung gilt nun wieder die
ursprüngliche Fließkurve.
A6 Anhänge
Im Folgenden soll das Stoffgesetz von Azadi kurz hergeleitet werden. Die folgende
Darstellung orientiert sich an [74] Wird von der Komponentenschreibweise abgewichen, so
gilt die Konvention, dass Vektoren in geschweiften und Tensoren in eckigen Klammern
geschrieben werden. Nicht gekennzeichnete Größen sind Skalare. Für das Modell nach Azadi
wird eine additive Zerlegung der Dehnung verwendet. Plastische Verformungen, die sich bei
weiterer Belastung an die Transformation anschließen würden, werden nicht berücksichtigt.
Die Dehnung setzt sich daher nach Gl. (A-7) aus den Anteilen für die elastische
Verformung +~� und für die Phasenumwandlung (Transformation) +�� zusammen. An dieser
Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Transformationsdehnung in dieser Arbeit alternativ zur
Notation in [74] mit ∆+ bezeichnet wird.
+kl � +kl~� s +kl
�� (A-7)
In diesem isotropen Stoffgesetz enthält �kl�� die makroskopischen elastischen Parameter E
und ν. Für den elastischen Anteil gilt mit der Nachgiebigkeitsmatrix �kl�� zwischen
Spannung und Dehnung der lineare Zusammenhang:
+kl~� � �kl��]�� (A-8)
Der Volumenanteil des Materials, welcher aus dem Austenit in Martensit umgewandelt ist,
wird über die dimensionslose Variable � erfasst. Er kann dafür herangezogen werden, um die
effektive Nachgiebigkeit des Werkstoffs an einem Materialpunkt zu berechnen. Die lokale
Nachgiebigkeit ergibt sich aus der elastischen Nachgiebigkeit des Martensits �kl��� und des
Austenits �kl��x gewichtet durch den Martensitanteil � nach Gl. (A-9) zu:
�kl�� � ��kl��� s (1 ! �*�kl��x (A-9)
Anhänge A7
Auf ähnliche Weise können die makroskopischen elastischen Eigenschaften Elastizitätsmodul
und Poissonzahl über � nach Gl. (A-10) und Gl. (A-11) bestimmt werden:
� � �x����x�(�d�)��
(A-10)
� � ����x s (1 ! �*�x����x s &1 ! �*�� (A-11)
Die Vektoren und Tensoren werden im weiteren Verlauf in Voigt-Notation dargestellt.
Dadurch vereinfacht sich die Implementierung des Stoffgesetzes auf Quellcodeebene
erheblich und spart zudem durch den Wegfall dreier Komponenten Rechenzeit ein. Die
Anordnung der einzelnen Komponenten orientiert sich an der Konvention für explizite
Subroutinen der Finite-Elemente-Software Abaqus [75]. Gl. (A-12) zeigt die Vektoren für die
Dehnung 6+7, Spannung 6]7, und den deviatorischen Anteil 6�7 des Spannungstensors in
Voigt-Notation.
6+7 � =>?>@
+��+��+AA+��+�A+�AB>C>D
, 6]7 � =>?>@
]��]��]AA]��]�A]�AB>C>D, 6�7 �
=>?>@
�������AA�����A��AB>C>D
(A-12)
Es kann gezeigt werden, dass für die Transformationsdehnung +�� folgender Zusammenhang
gilt, [74] :
+�� � 32 Δ+��� 1]2 6�7 (A-13)
Dabei ist ]2 die Von-Mises-Vergleichsspannung.
A8 Anhänge
Für die Gesamtdehnung ergibt sich damit folgender Ausdruck:
6+7 � ,�(�)-6]7 s A� Δ+��� �
�p 6�7 (A-14)
Die lokale Nachgiebigkeit ,�(�)- berechnet sich analog zu Gl. (A-9) in neuer Notation zu:
,�(�)- � �,��- s (1 ! �*,�x- (A-15)
Der Beginn der Phasenumwandlung setzt ein, wenn die Von-Mises-Vergleichsspannung ]2 die
Fließbedingung �&�* nach Gl. (A-16) erfüllt. Es gilt dann:
]2 � �&�* (A-16)
Für die Hinumwandlung folgt die Fließbedingung �&�* dem oberen Kurvenast aus Abb. A-2
und ist definiert als:
�&�*�k� � &1 ! �*]�� s �]�v (A-17)
Analog gilt für die Rückumwandlung der Verlauf des unteren Kurvenastes aus Abb. A-2:
�&�*�ü�� � �]x� s &1 ! �*]xv (A-18)
Anhänge A9
Gl. (A-14) kann allgemein wie folgt zusammengefasst werden:
6+7 � ,��(�)-6]7 (A-19)
���(�)� ergibt sich dabei zu:
���(�)� � ,�(�)- s ∆+���/(�(�))
EFFFFFFFFG 1 ! �
� ! �� 0 0 0
1 ! �� 0 0 0
1 0 0 0A� 0 0
����. A� 0
A�OPPPPPPPPQ (A-20)
∆+�� repräsentiert die im einachsigen Zugversuch ermittelte makroskopische Trans-
formationsdehnung. Gl. (A-19) kann durch Invertierung der Nachgiebigkeitsmatrix nach den
Spannungen aufgelöst werden. Die Lösung dieses Gleichungssystems erfolgt durch einen
modifizierten Newton-Raphson-Algorithmus [89]. Die somit berechneten Spannungen
werden anschließend an den Abaqus-Solver übergeben, damit dieser die nächste Iteration
durchführen kann. Aus Gl. (A-19) ergibt sich durch Invertierung der Nachgiebigkeitsmatrix
Gl. (A-21), mit der die neuen Spannungen berechnet werden können:
6σ7 � ,C�(γ)-d�6ε7 (A-21)
Bevor Gl. (A-21) jedoch gelöst werden kann, muss überprüft werden, ob die
Transformationsbedingung in der vorherigen Iteration erfüllt war und sich der Martensitanteil
geändert hat. Ist dies der Fall, so muss zunächst der neue Martensitanteil bestimmt werden.
Die Fließbedingung aus Gl. (A-16) kann umgestellt werden, so dass gilt:
A10 Anhänge
�(�) � ]2(�) ! �(�) � 0 (A-22)
Bei Gl. (A-22) handelt es sich rein formal um eine Nullstellensuche und sie kann daher
wiederum über einen Newton-Raphson-Algorithmus auf konventionelle Weise gelöst werden.
Der neue Wert des Martensitanteils ergibt sich durch Addition seiner Änderung zum
ursprünglichen Wert nach Gl. (A-23):
�k�� � �k s y�k�� (A-23)
Die Änderung des Martensitanteils kann iterativ nach Gl. (A-24) berechnet werden:
y�k�� � ! �k(����)k
(A-24)
Es kann gezeigt werden, dass sich der Nenner der rechten Seite aus Gl. (A-24) über
Gl. (A-25) berechnen lässt:
���� � ! 32 1]2 6�7�,��(�)-d� � ��� ��(�)� 6]7 ! ��� �(�)
(A-25)
Zur Implementierung des Stoffgesetzes (ohne Berücksichtigung der funktionellen Ermüdung)
in einem Quellcode werden die neun unabhängigen Variablen, die benötigt werden, noch
einmal kurz zusammengefasst. Tab. A-1 zeigt in einer Übersicht diese Größen sowie ihre
Bezeichnung im Quellcode.
Anhänge A11
Tab. A-1: Materialkennwerte des Stoffgesetzes.
Bezeichnung Variable im Quellcode Größe Einheit
Elastizitätsmodul für den Austenit emoda �x GPa
Poissonzahl für den Austenit enuea �x -
Elastizitätsmodul für den Martensit emodm �� GPa
Poissonzahl für den Martensit enuem �� -
Obere Spannung Belastungsplateau sigmn ]�� MPa
Untere Spannung Belastungsplateau sigmc ]�v MPa
Untere Spannung Entlastungsplateau sigan ]x� MPa
Obere Spannung Entlastungsplateau sigac ]xv MPa
Transformationsdehnung detrans + -
A12 Anhänge
Anhang B: Erweiterung des Modells auf funktionelle Ermüdung
Das Transformationsdehnungs-Modell nach Azadi beschreibt über ein lokales Stoffgesetz das
Materialverhalten von pseudoelastischen Formgedächtnislegierungen. Wie bereits in
Kap. 1-5 beschrieben, führt die zyklische Deformation von pseudoelastischen NiTi-FGL
abhängig von der Zyklenzahl zu einer Veränderung der funktionellen Eigenschaften. Dieser
Umstand findet bislang keine Berücksichtigung im ursprünglichen Stoffgesetz. Zur
Durchführung von zyklischen Versuchen wird das Modell in dieser Arbeit modifiziert, dass
den wesentlichen Merkmalen der funktionellen Ermüdung Rechnung getragen wird. Das
Absinken der Spannungen der Be- und Entlastungsplateaus sowie das Auftreten einer
kontinuierlich ansteigenden irreversiblen Verformung, jeweils als Funktion der Zyklen,
wurden durch zusätzliche Gleichungen im Quellcode implementiert. Diese Weiterentwicklung
des Azadi-Modells wird hier kurz erläutert. Aus experimentellen Arbeiten ist bekannt, dass
die Veränderungen der funktionellen Eigenschaften in den ersten Zyklen besonders stark
ausgeprägt sind und für hohe Zyklenzahlen in erster Näherung in einen Sättigungszustand
übergehen [48]. Die Annahme, dass alle Veränderungen im lokalen Materialverhalten über
eine Gleichung des selben Typs beschrieben werden können, lässt sich physikalisch dadurch
motivieren, dass die einzelnen Ausprägungen der funktionellen Ermüdung auf die gleichen
Veränderungen in der Mikrostruktur des realen Materials zurückgeführt werden können. In
Anlehnung an [90] wird in dieser Arbeit Gl. (A-26) wie folgt definiert:
�(¡) � j(1 ! ¢d&£�** (A-26)
Abb. A-4 zeigt den charakteristischen Kurvenverlauf von Gl. (A-26), welche in Abhängigkeit
der Zyklenzahl die Änderung einer Größe zu ihrem Funktionswert im ersten Zyklus darstellt.
Dieses Verhalten zeigt sich sowohl für die Änderungen der jeweiligen Spannungsplateaus
(allerdings mit abfallendem Kurvenverlauf) als auch für die Entwicklung der irreversiblen
Dehnung. Die Konstante A stellt den oberen Schwellwert für die betrachtete Größe dar. Sie ist
betragsmäßig die maximale Differenz zwischen �&¡ � ∞* und �&¡ � 1*.
Anhänge A13
Abb. A-4: Charakteristischer Verlauf des Spannungsplateauabfalls oder des Anstiegs der irreversiblen Verformung in Abhängigkeit der Zyklenzahl. Die Bestimmung aller ermüdungsrelevanten Parameter wird auf nur eine phänomenologische Gleichung zurückgeführt.
�(¡) entspricht entweder einer Spannungsdifferenz ∆]¥�¦�(¡) in MPa oder der
dimensionslosen irreversiblen Dehnung +k��(¡). Die Auswertung zahlreicher experimenteller
Datensätze zeigte, dass die Konstante B nur geringfügig variiert und üblicher Weise in einem
Bereich zwischen 0.24 und 0.26 liegt. Aus diesem Grund wurde sie in dieser Arbeit auf einen
Wert von 0.25 festgelegt. Für die Erweiterung des ursprünglichen Stoffgesetzes müssen drei
Konstantenpaare angegeben werden, die die Anzahl der Eingangsparameter damit auf
abschließend auf 15 erhöhen. Tab. A-2 gibt eine Übersicht der Variablen, die im Quellcode
zusätzlich notwendig sind, um funktionelle Ermüdung zu berücksichtigen. Abb. A-5 zeigt
schematisch das lokale Stoffgesetz, wenn funktionelle Ermüdung berücksichtigt wird. Mit
steigender Zyklenzahl fallen die Spannungsniveaus der oberen und unteren Kurvenäste.
Gleichzeitig nimmt die bleibende Dehnung inkrementell zu.
Tab. A-2: Weitere Materialkennwerte zur Berücksichtigung der funktionellen Ermüdung.
Bezeichnung Variable im Quellcode Größe Einheit
Sättigungsspannung Belastungsplateau cona1 c1 MPa
Exponentialkoeffizient Belastungsplateau conb1 c2 MPa
Sättigungsspannung Entlastungsplateau cona2 c3 MPa
Exponentialkoeffizient Entlastungsplateau conb2 c4 MPa
Maximale bleibende Dehnung (rel. zu ∆ε) cona3 c5 -
Exponentialkoeffizient bleibende Dehnung conb3 c6 -
A14 Anhänge
Abb. A-5: Das lokale Stoffgesetz unter Berücksichtigung funktioneller Ermüdung. Die Plateauspannungen sinken, während die bleibende Dehnung zunimmt. Die Änderung ist in den ersten Zyklen besonders stark ausgeprägt und wird mit steigender Zyklenzahl zunehmend schwächer.
Anhang C: Ermittlung der Materialparameter aus experimentellen Datensätzen
Die Parameter des Stoffgesetzes müssen in die FEM-Software Abaqus als wahre Größen
eingegeben werden. Experimentelle Datensätze enthalten in der Regel jedoch die technischen
Zusammenhänge der mechanischen Eigenschaften. Aus diesem Grund müssen zur
Bestimmung der Materialkennwerte für das verwendete Stoffgesetz Spannungen und
Dehnungen zunächst in wahre Größen umgerechnet werden. Dies erfolgt durch zwei einfache
Gleichungen:
+ � ln (1 s +¨* (A-27)
σ � σ¨&1 s ε¨* &A-28*
Abb. A-6 zeigt, wie anhand der wahren Spannungs-Dehnungs-Kurve der erste Variablensatz
bestimmt wird. Vom ersten Messpunkt bis zum Beginn des Belastungsplateaus wird eine
Tangente definiert. Ihre Steigung kennzeichnet den Elastizitätsmodul des Austenits. Nicht
berücksichtigt wird dabei eine mögliche R-Phasenumwandlung. Sie ist verantwortlich für eine
geringfügige Abweichung des linearen Verhaltens im ersten Kurvenabschnitt. Für die
Anhänge A15
Abbildung des grundlegenden Materialverhaltens kann auf eine Berücksichtigung verzichtet
werden. Auf ähnliche Weise erfolgt die Bestimmung des Elastizitätsmoduls für den Martensit.
Abb. A-6: Die Bestimmung der Materialkennwerte für die Simulation erfolgt an der wahren Spannungs-Dehnungs-Kurve eines experimentellen Datensatzes.
Nachdem das Belastungsplateau durchschritten ist, treten in der realen Mikrostruktur im
Allgemeinen eine Vielzahl sich überlagernder Verformungsprozesse in Erscheinung. Als
Konsequenz kann im Experiment kein linearer Zusammenhang für diesen Bereich beobachtet
werden. Auch unterscheiden sich die Kurvenäste nach vollständiger Umwandlung für die
Belastung und die Entlastung deutlich. Als zweckmäßig hat sich daher erwiesen, eine
Ausgleichsgerade zu konstruieren, die näherungsweise durch das Ende des Belastungs-
plateaus und den Anfang des Entlastungsplateaus definiert ist. Die Spannungsplateaus werden
gleichermaßen durch Graden approximiert. Für die erfolgreiche Abbildung des lokalisierten
Umwandlungsverhaltens ist es erforderlich, dass diese negative Steigungen aufweisen.
Vorangegangene Studien haben gezeigt, dass eine Spannungsdifferenz von 30 MPa gute
Ergebnisse für die Simulation liefert. Zur Festlegung der entsprechenden Spannungswerte
wird eine Mittelspannung der Be- und Entlastungsplateaus berechnet. Die beiden gesuchten
Spannungen ergeben sich jeweils durch die Addition und Subtraktion der halben
Spannungsdifferenz (15 MPa) zur bzw. von der Mittelspannung. Die Transformations-
Dehnung ist durch den gedachten Schnittpunkt der Dehnungsachse mit dem Kurvenast der
elastischen Entlastung des Martensits gegeben. Die Anpassung an die bleibende Dehnung
erfolgt analog zur die Bestimmung des Elastizitätsmoduls des Austenits. Zur Bestimmung der
A16 Anhänge
Ermüdungskonstanten ist ein experimenteller Datensatz notwendig, der ausreichende
Informationen über das funktionelle Ermüdungsverhalten liefert. Je mehr
Umwandlungszyklen das Material erfahren hat, desto präziser erfolgt die Bestimmung der
Ermüdungskonstanten. Abb. A-7a zeigt einen experimentellen Datensatz mit 30
mechanischen Zyklen einer pseudoelastischen FGL aus einer experimentellen Arbeit [48]. Die
Abweichungen der beiden Plateauspannungen vom ersten Zyklus werden über die Zyklenzahl
aufgetragen. Gleiches wird für die irreversible Dehnung durchgeführt. Anschließend können
die Ermüdungsparameter durch das Anfitten von Gl. (A-26) an die drei Diagramme ermittelt
werden, (siehe Abb. A-7b).
Abb. A-7: Am Beispiel eines experimentellen Datensatzes aus [48] wird aufgezeigt, wie die Materialparameter für FEM-Simulationen bestimmt werden. Die Änderungen der Plateauspannungen und bleibenden Dehnungen werden erfasst und in einem zweiten Schritt über die Zyklenzahl aufgetragen. Gl. (A-26) wird für die entsprechenden Größen an den Datensatz gefittet und liefert auf diese Weise jeweils zwei Ermüdungskonstanten für das lokale Stoffgesetz.
Anhänge A17
Anhang D: Implementierung des Quellcodes als VUMAT-Subroutine
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC C C Stoffgesetz zur Simulation von pseudoelastischen FGL C C C C unter Berücksichtigung von Lokalisierung und C C C C funktioneller Ermüdung C C C C C C Implementiert von C C C C Christian Großmann und Martin F.-X. Wagner C C C C Ruhr-Universität Bochum / TU Chemnitz C C C C März 2010 C C C CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
subroutine vumat(
C Eingangsvariablen nach Abaqus
1 nblock, ndir, nshr, nstatev, nfieldv, nprops, lanneal,
2 stepTime, totalTime, dt, cmname, coordMp, charLength,
3 props, density, strainInc, relSpinInc,
4 tempOld, stretchOld, defgradOld, fieldOld,
5 stressOld, stateOld, enerInternOld, enerInelasOld,
6 tempNew, stretchNew, defgradNew, fieldNew,
C Ausgangsvariablen nach Abaqus
1 stressNew, stateNew, enerInternNew, enerInelasNew )
A18 Anhänge
include 'vaba_param.inc'
C Dimensionen der Variablen nach Abaqus
dimension props(nprops), density(nblock),
1 coordMp(nblock,*),
2 charLength(*), strainInc(nblock,ndir+nshr),
3 relSpinInc(*), tempOld(*),
4 stretchOld(*), defgradOld(*),
5 fieldOld(*), stressOld(nblock,ndir+nshr),
6 stateOld(nblock,nstatev), enerInternOld(nblock),
7 enerInelasOld(nblock), tempNew(*),
8 stretchNew(*), defgradNew(*), fieldNew(*),
9 stressNew(nblock,ndir+nshr), stateNew(nblock,nstatev),
1 enerInternNew(nblock), enerInelasNew(nblock)
character*80 cmname
C Benutzerdefinierte Variablen und Dimensionen
real*8 gamma,celas(6,6),c2(6,6),cdach(6,6)
real*8 totstrain(6),eelas(6),etrans(6)
real*8 f1,f2,f3,smises,x(6)
real*8 sigmn,sigmc,sigan,sigac,gammamin,gammamax
Anhänge A19
real*8 gamalt,dga(nblock),dgb(nblock),dgc
real*8 n1(nblock),n2(nblock),gammin(nblock),gammax(nblock)
real*8 dsigl,dsigu
real*8 cona1,conb1,cona2,conb2,cona3,conb3
real*8 emoda, emodm, e, enum, enua, xnu, detrans
integer nblock, z
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
C Lokale Materialparameter
emoda = props(1)
enua = props(2)
emodm = props(3)
enum = props(4)
sigmn = props(5)
sigmc = props(6)
sigan = props(7)
sigac = props(8)
detrans = props(9)
cona1 = props(10)
conb1 = props(11)
cona2 = props(12)
A20 Anhänge
conb2 = props(13)
cona3 = props(14)
conb3 = props(15)
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
C Startwerte für min. und max. Martensitvolumenanteil
gammamin = 0.0
gammamax = 1.0
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
C Beginn der Schleife über alle Materialpunkte
do z = 1,nblock
gamma = stateOld(z,7)
gamalt = gamma
n1(z) = stateOld(z,8)
n2(z) = stateOld(z,9)
dga(z) = stateOld(z,10)
dgb(z) = stateOld(z,11)
Anhänge A21
dgc = stateOld(z,12)
gammin(z) = stateOld(z,13)
gammax(z) = stateOld(z,14)
gammamin = cona3*(1.-exp(-conb3*n1(z)))
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
C Berechnung der neuen Plataeuspannungen
dsigl=cona1*(1.-exp(-conb1*n1(z)))
sigmn=sigmn-dsigl
sigmc=sigmc-dsigl
dsigu=cona2*(1.-exp(-conb2*n1(z)))
sigac=sigac-dsigu
sigan=sigan-dsigu
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
C Reinitialisierung der Ausgangsspannungen
do i=1,6
A22 Anhänge
stressNew(z,i)=0.0
enddo
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
C Update der totalen Dehnungen
do j=1,6
totstrain(j)=stateOld(z,j)+strainInc(z,j)
stateNew(z,j)=totstrain(j)
enddo
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
C Update der Spannungen
do i=1,6
x(i)=stressOld(z,i)
enddo
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
2000 continue
Anhänge A23
C Elastisch Verformung: gamma = const.
call elastic(x,celas,c2,cdach,smises,e,xnu,emoda,
& emodm,enua,enum,totstrain,gamma,detrans)
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
C Kontrolle, ob Transformationsbedingung erfüllt ist
if ((smises.GT.(1.0-gamma)*sigmn+gamma*sigmc).AND.
& (gamma.LT.gammamax)) then
call trans(sigmn,sigmc,x,smises,e,xnu,emoda,
& emodm,enua,enum,totstrain,gamma,detrans)
elseif ((smises.LT.(1.0-gamma)*sigac+gamma*sigan).AND.
& (gamma.GT.gammamin)) then
call trans(sigac,sigan,x,smises,e,xnu,emoda,
& emodm,enua,enum,totstrain,gamma,detrans)
else
goto 2001
endif
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
A24 Anhänge
C Kontrolle, ob gammamin < gamma < gammamax ist
if (gamma.LT.gammamin) then
gamma = gammamin
goto 2000
endif
if (gamma.GT.gammamax) then
gamma = gammamax
goto 2000
endif
2001 continue
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
C Änderung von gamma – Verformungshistorie
if ((gamma-gamalt).lt.0.) then
dgc=-1.
elseif ((gamma-gamalt).gt.0.) then
dgc=1.
else
dgc=0.
Anhänge A25
endif
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
C Zyklenzähler
C dgc =dgb --> Zweimal hintereinander elastisch, keine Änderung
C dgc<0, dgb=0, dga>0 --> Nach Belastung jetzt Entlastung, Update gammax
C dgc>0, dgb=0, dga<0 --> Nach Entlastung jetzt Belastung, Update gammin
if (dgc.eq.dgb(z)) then
goto 99
endif
if ((dgc.lt.0.0).AND.(dgb(z).eq.0.0).AND.(dga(z).gt.0.0))then
gammax(z)=gamalt
n1(z)=stateOld(z,8)+(gammax(z)-gammin(z))/(gammamax-gammamin)
gammin(z)=0.
gammax(z)=0.
elseif ((dgc.gt.0.0).AND.(dgb(z).eq.0.0).AND.(dga(z).lt.0.0))then
gammin(z)=gamalt
n2(z)=n1(z)
elseif ((dgc.gt.0.0).AND.(dgb(z).eq.0.0).AND.(dga(z).eq.0.0))then
gammin(z)=0.
endif
A26 Anhänge
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
C Weiterschieben: dgc --> dgb --> dga
dga(z)=dgb(z)
dgb(z)=dgc
99 continue
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
C Aufspaltung der Dehnungen
do i=1,6
eelas(i) =0.0
etrans(i)=0.0
enddo
do i=1,6
do j=1,6
eelas(i)=eelas(i)+celas(i,j)*x(j)
enddo
enddo
do i=1,6
etrans(i)=totstrain(i)-eelas(i)
enddo
Anhänge A27
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
C Update aller StateNew-Variablen
C 27 StateNew - 1 bis 6 bereits mit "totstrain(i)" belegt
stateNew(z,7)=gamma
stateNew(z,8)=n1(z)
stateNew(z,9)=n2(z)
stateNew(z,10)=dga(z)
stateNew(z,11)=dgb(z)
stateNew(z,12)=dgc
stateNew(z,13)=gammin(z)
stateNew(z,14)=gammax(z)
stateNew(z,15)=gammamin
do i=1,6
stateNew(z,15+i)=eelas(i)
stateNew(z,21+i)=etrans(i)
enddo
do i=1,6
stressNew(z,i)=x(i)
enddo
A28 Anhänge
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
C Ende der z-Schleife über Materialpunkte
enddo
return
end
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
C Subroutinen
subroutine trans(siga,sigb,x,smises,e,xnu,emoda,
& emodm,enua,enum,totstrain,gamma,detrans)
real*8 siga, sigb
real*8 x(6)
real*8 totstrain(6)
real*8 smises, e, xnu, emoda, emodm, enua, enum
real*8 tolgamma,errf,errx,gamma,detrans
integer ntrial, k1
real*8 dfdg, dgamma, f
Anhänge A29
real*8 cdachinv(6,6),cdachdg(6,6),veca(6),vecb(6)
real*8 svec(6), A1, A2, A3, A4, B1
real*8 trace, YY
tolgamma=0.0001
ntrial = 100
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
C Beginn Newton-Raphson-Iterationen
do k1=1,ntrial
C Hauptaufgabe: dfdg ausrechnen
do i=1,6
do k=1,6
cdachinv(i,k)=0.
cdachdg(i,k)=0.
enddo
veca(i)=0.
vecb(i)=0.
enddo
A30 Anhänge
C 1a. cdachinv belegen
A1 = 2.0*(siga-gamma*siga+gamma*sigb)
A2 = 2.0*((gamma-1.0)*siga-gamma*sigb)
A3 = detrans*e*gamma
A4 = (2.0*xnu-1.0)*(3.0*A3-(xnu+1.0)*A2)
cdachinv(4,4)=1.0/((1.0+xnu)/e+3.0*detrans*gamma/A1)
cdachinv(5,5)=cdachinv(4,4)
cdachinv(6,6)=cdachinv(4,4)
cdachinv(1,1)=-e*(A3+(xnu-1.0)*A2)/A4
cdachinv(2,2)=cdachinv(1,1)
cdachinv(3,3)=cdachinv(1,1)
cdachinv(1,2)=-e*(A3-xnu*A2)/A4
cdachinv(1,3)=cdachinv(1,2)
cdachinv(2,1)=cdachinv(1,2)
cdachinv(2,3)=cdachinv(1,2)
cdachinv(3,1)=cdachinv(1,2)
cdachinv(3,2)=cdachinv(1,2)
C 1b. Spannungen berechnen
do i=1,6
x(i)=0.0
Anhänge A31
do k=1,6
x(i) = x(i)+cdachinv(i,k)*totstrain(k)
enddo
enddo
C 1c. smises bestimmen
smises = x(1)**2+x(2)**2+x(3)**2
smises = smises-x(1)*x(2)-x(1)*x(3)-x(2)*x(3)
smises = sqrt(abs(smises+3.*(x(4)**2+x(5)**2+x(6)**2)))
C 1d. f belegen
f=smises-((1.-gamma)*siga+gamma*sigb)
C 1e. Kontrolle, ob schon konvergiert
if (abs(f).LE.tolgamma)then
goto 3000
endif
C 2. cdachdg belegen
B1=detrans*siga/((siga-gamma*siga+gamma*sigb)**2)
A32 Anhänge
cdachdg(1,1)=-1.0/emoda+1.0/emodm+B1
cdachdg(2,2)=cdachdg(1,1)
cdachdg(3,3)=cdachdg(1,1)
cdachdg(1,2)=enua/emoda-enum/emodm-B1/2.0
cdachdg(1,3)=cdachdg(1,2)
cdachdg(2,1)=cdachdg(1,2)
cdachdg(2,3)=cdachdg(1,2)
cdachdg(3,1)=cdachdg(1,2)
cdachdg(3,2)=cdachdg(1,2)
cdachdg(4,4)=-(1.0+enua)/emoda+(1.0+enum)/emodm+B1*3.0/2.0
cdachdg(5,5)=cdachdg(4,4)
cdachdg(6,6)=cdachdg(4,4)
C 3. veca belegen
trace=x(1)+x(2)+x(3)
svec(1)=x(1)-(1.0/3.0)*trace
svec(2)=x(2)-(1.0/3.0)*trace
svec(3)=x(3)-(1.0/3.0)*trace
svec(4)=2.*x(4)
svec(5)=2.*x(5)
svec(6)=2.*x(6)
Anhänge A33
do i=1,6
do k=1,6
veca(i)=veca(i)+svec(k)*cdachinv(k,i)
enddo
veca(i)=-3.0/2.0*1.0/smises*veca(i)
enddo
C 4. vecb belegen
do i=1,6
do k=1,6
vecb(i) = vecb(i)+cdachdg(i,k)*x(k)
enddo
enddo
C 5. dfdg belegen
dfdg=0.
do i=1,6
dfdg=dfdg+veca(i)*vecb(i)
enddo
dfdg=dfdg-(sigb-siga)
A34 Anhänge
C 6. gamma neu berechnen
dgamma=-f/dfdg
gamma=gamma+dgamma
C Nach Iteration: E-Modul und nue neu berechnen
e=emoda*emodm
e=e/(gamma*emoda+(1.-gamma)*emodm)
xnu=gamma*enum*emoda+(1.-gamma)*enua*emodm
xnu=xnu/(gamma*emoda+(1.-gamma)*emodm)
C Ende der k1-Schleife
enddo
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
3000 continue
return
end
Anhänge A35
C Ende des Hauptprogramms
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
C Beginn der Subroutinen
subroutine usrfun(smises,x,emod,nu,gamma,detrans,fjac)
real*8 smises, fjac(6,6), x(6), emod, nu, gamma, detrans
real*8 A1, A2, A3, B1, B2, B3
A1 = 3.*detrans*gamma
A2 = x(4)**2+x(5)**2+x(6)**2
A3 = 2.*(smises**3)
B1 = 2.*x(1)-x(2)-x(3)
B2 = -x(1)+2*x(2)-x(3)
B3 = -x(1)-x(2)+2*x(3)
fjac(1,1) = -1/emod-A1/(2.*A3)*(4.*A2+(x(2)-x(3))**2)
fjac(2,2) = -1/emod-A1/(2.*A3)*(4.*A2+(x(1)-x(3))**2)
fjac(3,3) = -1/emod-A1/(2.*A3)*(4.*A2+(x(1)-x(2))**2)
fjac(4,4) = (-nu-1.)/emod-A1/A3*(smises**2-3.*x(4)**2)
fjac(5,5) = (-nu-1.)/emod-A1/A3*(smises**2-3.*x(5)**2)
fjac(6,6) = (-nu-1.)/emod-A1/A3*(smises**2-3.*x(6)**2)
fjac(1,2) = nu/emod+A1/(2.*A3)*((x(1)-x(3))*(x(2)-x(3))+2.*A2)
fjac(1,3) = nu/emod+A1/(2.*A3)*((x(2)-x(1))*(x(2)-x(3))+2.*A2)
A36 Anhänge
fjac(2,1) = nu/emod+A1/(2.*A3)*((x(1)-x(3))*(x(2)-x(3))+2.*A2)
fjac(2,3) = nu/emod+A1/(2.*A3)*((x(2)-x(1))*(x(3)-x(1))+2.*A2)
fjac(3,1) = nu/emod+A1/(2.*A3)*((x(2)-x(1))*(x(2)-x(3))+2.*A2)
fjac(3,2) = nu/emod+A1/(2.*A3)*((x(1)-x(3))*(x(1)-x(2))+2.*A2)
fjac(4,5) = A1/A3*3*x(4)*x(5)
fjac(4,6) = A1/A3*3*x(4)*x(6)
fjac(5,4) = A1/A3*3*x(4)*x(5)
fjac(5,6) = A1/A3*3*x(5)*x(6)
fjac(6,4) = A1/A3*3*x(4)*x(6)
fjac(6,5) = A1/A3*3*x(5)*x(6)
fjac(1,4) = A1/A3*B1*x(4)
fjac(1,5) = A1/A3*B1*x(5)
fjac(1,6) = A1/A3*B1*x(6)
fjac(2,4) = A1/A3*B2*x(4)
fjac(2,5) = A1/A3*B2*x(5)
fjac(2,6) = A1/A3*B2*x(6)
fjac(3,4) = A1/A3*B3*x(4)
fjac(3,5) = A1/A3*B3*x(5)
fjac(3,6) = A1/A3*B3*x(6)
fjac(4,1) = A1/(2.*A3)*B1*x(4)
fjac(4,2) = A1/(2.*A3)*B2*x(4)
fjac(4,3) = A1/(2.*A3)*B3*x(4)
fjac(5,1) = A1/(2.*A3)*B1*x(5)
Anhänge A37
fjac(5,2) = A1/(2.*A3)*B2*x(5)
fjac(5,3) = A1/(2.*A3)*B3*x(5)
fjac(6,1) = A1/(2.*A3)*B1*x(6)
fjac(6,2) = A1/(2.*A3)*B2*x(6)
fjac(6,3) = A1/(2.*A3)*B3*x(6)
return
end
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
subroutine ludcmp(a,n,np,indx,d)
integer n,np,indx(n),nmax
real*8 d,a(np,np),tiny
parameter (nmax=500,tiny=1.0e-20)
integer i,imax,j,k
real*8 aamax,dum,sum,vv(nmax)
d=1.
do i=1,n
aamax=0.
do j=1,n
A38 Anhänge
if (abs(a(i,j)).gt.aamax) aamax=abs(a(i,j))
enddo
if (aamax.eq.0.) pause 'Singularity in ludcmp'
vv(i)=1./aamax
enddo
do j=1,n
do i=1,j-1
sum=a(i,j)
do k=1,i-1
sum=sum-a(i,k)*a(k,j)
enddo
a(i,j)=sum
enddo
aamax=0.
do i=j,n
sum=a(i,j)
do k=1,j-1
sum=sum-a(i,k)*a(k,j)
enddo
a(i,j)=sum
dum=vv(i)*abs(sum)
if (dum.ge.aamax) then
imax=i
Anhänge A39
aamax=dum
endif
enddo
if (j.ne.imax)then
do k=1,n
dum=a(imax,k)
a(imax,k)=a(j,k)
a(j,k)=dum
enddo
d=-d
vv(imax)=vv(j)
endif
indx(j)=imax
if(a(j,j).eq.0.)a(j,j)=tiny
if(j.ne.n)then
dum=1./a(j,j)
do i=j+1,n
a(i,j)=a(i,j)*dum
enddo
endif
enddo
return
A40 Anhänge
end
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
subroutine lubksb(a,n,np,indx,b)
integer n,np,indx(n)
integer i,ii,j,ll
real*8 a(np,np),b(n)
real*8 sum
ii=0
do i=1,n
ll=indx(i)
sum=b(ll)
b(ll)=b(i)
if (ii.ne.0)then
do j=ii,i-1
sum=sum-a(i,j)*b(j)
enddo
else if (sum.ne.0.) then
ii=i
endif
Anhänge A41
b(i)=sum
enddo
do i=n,1,-1
sum=b(i)
do j=i+1,n
sum=sum-a(i,j)*b(j)
enddo
b(i)=sum/a(i,i)
enddo
return
end
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
subroutine matinv(a,n,np,y)
integer np,indx(np)
real*8 a(np,np),y(np,np)
do i=1,n
do j=1,n
y(i,j)=0.
A42 Anhänge
enddo
y(i,i)=1.
enddo
call ludcmp(a,n,np,indx,d)
do j=1,n
call lubksb(a,n,np,indx,y(1,j))
enddo
return
end
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
subroutine cmat(smises,xnu,e,detrans,gamma,celas,c2,cdach)
real*8 celas(6,6),c2(6,6),cdach(6,6),gamma,smises,xnu,e,detrans
C celas-matrix belegen
do i=1,3
do k=1,3
if (i.ne.k) then
celas(i,k)=-xnu/e
else
Anhänge A43
celas(i,k)=1.0/e
endif
enddo
enddo
do i=4,6
do k=4,6
if (i.eq.k) then
celas(i,k)=(1.0+xnu)/e
endif
enddo
enddo
C c2-matrix belegen
do i=1,3
do k=1,3
if (i.ne.k) then
c2(i,k)=-0.5*detrans*gamma/smises
else
c2(i,k)=1.0*detrans*gamma/smises
endif
enddo
enddo
A44 Anhänge
do i=4,6
do k=4,6
if (i.eq.k) then
c2(i,k)=1.5*detrans*gamma/smises
endif
enddo
enddo
C cdach-matrix belegen
do i=1,6
do k=1,6
cdach(i,k)=celas(i,k)+c2(i,k)
enddo
enddo
return
end
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
subroutine elastic(x,celas,c2,cdach,smises,e,xnu,emoda,
& emodm,enua,enum,totstrain,gamma,detrans)
Anhänge A45
real*8 x(6), celas(6,6), c2(6,6), cdach(6,6), p(6)
real*8 totstrain(6),fvec(6),fjac(6,6),celasinv(6,6)
real*8 smises, e, xnu, emoda, emodm, enua, enum
real*8 tolf,tolx,errf,errx,d, gamma, detrans
integer ntrial, k1, indx(6)
tolf=0.000000001
tolx=0.000000001
ntrial = 50
do k1=1,ntrial
C Beginn der k1-Schleife
do i=1,6
do k=1,6
celas(i,k)=0.0
c2(i,k)=0.0
cdach(i,k)=0.0
fjac(i,k)=0.0
enddo
enddo
smises = x(1)**2+x(2)**2+x(3)**2
A46 Anhänge
smises = smises-x(1)*x(2)-x(1)*x(3)-x(2)*x(3)
smises = sqrt(abs(smises+3.*(x(4)**2+x(5)**2+x(6)**2)))
if (smises.LT.1.0) then
smises = 1.0
endif
e=emoda*emodm
e=e/(gamma*emoda+(1.-gamma)*emodm)
xnu=gamma*enum*emoda+(1.-gamma)*enua*emodm
xnu=xnu/(gamma*emoda+(1.-gamma)*emodm)
C c-Matrizen belegen
call cmat(smises,xnu,e,detrans,gamma,celas,c2,cdach)
C fvec belegen
do i=1,6
fvec(i)=0.0
do k=1,6
fvec(i)=fvec(i)+cdach(i,k)*x(k)
enddo
fvec(i)=totstrain(i)-fvec(i)
enddo
Anhänge A47
errf=0.0
do i=1,6
errf=errf+abs(fvec(i))
enddo
if (errf.LT.tolf) then
goto 77
endif
C fjac belegen
call usrfun(smises,x,e,xnu,gamma,detrans,fjac)
do i=1,6
p(i)=-fvec(i)
enddo
call ludcmp(fjac,6,6,indx,d)
call lubksb(fjac,6,6,indx,p)
errx=0.0
do i=1,6
errx=errx+abs(p(i))
x(i)=x(i)+p(i)
enddo
if (errx.LT.tolx) goto 77
A48 Anhänge
C Ende der k1-Schleife
enddo
77 continue
smises = x(1)**2+x(2)**2+x(3)**2
smises = smises-x(1)*x(2)-x(1)*x(3)-x(2)*x(3)
smises = sqrt(abs(smises+3.*(x(4)**2+x(5)**2+x(6)**2)))
if (smises.LT.1.0) then
smises = 1.0
endif
return
end
C Ende der Subroutinen
CCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCCC
Bisherige Veröffentlichungen A49
Bisherige Veröffentlichungen
Die hier aufgelisteten Arbeiten wurden überwiegend bereits veröffentlicht und werden zum
Teil in dieser Arbeit zitiert. Einige Veröffentlichungen sind von der vorliegenden Arbeit
losgelöst.
{1} C. Grossmann, A. Schaefer, M. F.-X. Wagner: A finite element study on localized
deformations and functional fatigue in pseudoelastic NiTi strips, Materials Science and
Engineering: A 527 (2009), 1172-1178
{2} C. Grossmann, J. Frenzel, V. Sampath, T. Depka, G. Eggeler: Elementary Transformation
and Deformation Processes and the Cyclic Stability of NiTi and NiTiCu Shape Memory
Spring Actuators, Metallurgical and Materials Transactions A 40A (2009), 2530-2544
{3} C. Grossmann, A. Schaefer, M. F.-X. Wagner: Finite element simulations of localized
phase transformations in pseudoelastic NiTi shape memory alloys subjected to multi-axial
stress states, Proceedings of the ICOMAT 2008, 525-530
{4} C. Grossmann, J. Frenzel, V. Sampath, T. Depka, A. Oppenkowski, Ch. Somsen,
K. Neuking, W. Theisen, G. Eggeler: Processing and property assessment of NiTi an NiTiCu
shape memory actuator springs, Materialwissenschaft und Werkstofftechnik 39 (2008),
499-510
{5} J. Olbricht, M. F.-X. Wagner, A. Condo, A. Dlouhy, C. Grossmann, A. Kroeger,
Ch. Somsen, G. Eggeler: A Transmission Electron Microscopy Procedure for in-situ Straining
of Miniature Pseudoelastic NiTi Specimens, International Journal of Materials Research 99
(2008), 1150-1156
Weitere Veröffentlichungen, die im Zeitraum meiner Tätigkeit am Institut für Werkstoffe
entstanden sind:
{6} C. Großmann: Hart wie Stahl, doch leichter und intelligenter, Industrieanzeiger Ausgabe
19, KW33 vom 16.08.2010
{7} Übungsbegleitendes Skriptum zur Vorlesung Werkstoffinformatik, zusammen mit André
Wieczorek und Dipl.-Ing. Stefanie Jaeger , 2010
A50 Bisherige Veröffentlichungen
{8} C. Großmann: In-situ-Untersuchungen zur spannungsinduzierten Martensitbildung an
einer einkristallinen Ni-reichen NiTi-Legierung, Studienarbeit 2007
{9} T. Depka, C. Großmann, A. Oppenkowski: Processing von NiTi-FGL-Federn und
Untersuchung des Ermüdungsverhaltens, Projektarbeit 2007
Lebenslauf A51
Curriculum Vitae
Christian Helmut Großmann Eltern Staatsangehörigkeit Familienstand
Persönliche Daten Geboren am 06.05.1982 in Mülheim a.d. Ruhr Gartenstr. 69, 44869 Bochum Petra H. Großmann, Lageristin Rassim Dogan, Diplom-Ingenieur deutsch ledig
05/2007 – heute 05/2010 – heute 07/2009 – heute 05/2007 – 05/2010 Forschung: Lehre:
Berufstätigkeit Mitglied der Emmy Noether Forschungsgruppe „Zwillingsbildung“ wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Werkstofftechnik, TU Chemnitz Geschäftsführender Gesellschafter der Ingpuls GmbH wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Werkstoffwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum Finite-Elemente-Simulationen von verzwillingten Martensitstrukuturen und pseudoelastischen NiTi-Formgedächtnislegierungen Betreuung der Vorlesung Werkstoffinformatik, des Werkstoffpraktikums – Versuch Schweißen, des Fachlabors Werkstoffe – NiTi-Formgedächtnislegierungen sowie Verwaltung der studentischen Hilfskräfte, Betreuung von Studien-, Projekt, und Bachelorarbeiten
10/2002 – 04/2007 04/2007 01 – 04/2007
Hochschulstudium Maschinenbau, Ruhr-Universität Bochum Abschluss: Diplom-Ingenieur (Gesamtnote Sehr Gut) Diplomarbeit: “Werkstoffwissenschaftliche Untersuchungen zum Akti-vierungsverhalten unterschiedlich thermomechanisch be-handelter NiTiCu-Federaktoren mit Hilfe eines optimierten Prüfstandes“ (Note 1,0)
06/2001 08/1992 – 06/2001 08/1990 – 06/1992 08/1988 – 06/1990
Schulbildung Abschluss Abitur (Note 2,1) Karl-Ziegler Gymnasium, Mülheim a.d. Ruhr Klostermarkt Grundschule, Mülheim a.d. Ruhr Pestalozzi Grundschule, Mülheim a.d. Ruhr
A52 Lebenslauf
09/2009 08/2009 09/2008 07/2008 06/2008 09/2007 07/2007
Auslandsaufenthalte und Konferenzbeiträge European Symposium on Martensitic Transformations, Prag, Tschechien – Vortrag International Conference on the Strength of Materials, Dresden – Posterbeitrag Shape Memory and Superelastic Technologies, Stresa, Italien – Vortrag Junior European Congress and Exhibition on Advanced Materials and Processes, Lausanne, Schweiz – Vortrag International Conference on Martensitic Transformations, Santa Fe, New Mexico, USA – Posterbeitrag European Materials Research Society, Warschau, Polen – Vortrag IDEA League Summer School – Multiscale Modelling in Materials Science and Engineering, Simonskall
10/2005 – 04/2007 07/2004 – 04/2005
Studienbegleitende Tätigkeiten studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Werkstoff-wissenschaft, Ruhr-Universität Bochum studentische Hilfskraft in der Arbeitsgruppe für numerische Methoden in der Mechanik und Simulationstechnik, Ruhr-Universität Bochum
04/2005 – 10/2005 05/2002 – 08/2002
Praktika Porsche AG – Entwicklungszentrum Weissach, Fachgebiet Werkstoffe, Abteilung Fahrwerk Vallourec & Mannesmann Röhrenwerke, Mülheim a.d. Ruhr,
07/2001 – 05/2002
Wehrersatzdienst Theodor-Fliedner Stiftung, Werkstätten für behinderte Menschen, Abteilung Schwerstpflege, Mülheim a.d. Ruhr
Englisch Spanisch Lateinisch
Fremdsprachen
Verhandlungssicher Grundkenntnisse Großes Latinum