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Jusos in München AusgAbe 1 / 2012 +++ AcTA Proteste +++ Finanzkrise +++ basiskongress +++ Roter Faden‘14 +++

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Mitgliederzeitschrift der Jusos München. Schwerpunkt im Heft: ACTA

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Jusos in München AusgAbe 1 / 2012 +++ AcTA Proteste +++ Finanzkrise +++ basiskongress +++ Roter Faden‘14 +++

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München

+++ Start-Ticker +++

+++ Stop-Ticker +++

+++ Auf der letzten außerordentlichen bezirkskonferenz am 10.06.12 wurden Anno Dietz und Jule Rothmayer (Altötting) als Doppelspitze für den Vorsitz der Jusos oberbayern gewählt. ebenfalls wurde Dorothea Töller (Rosenheim - Land) als weitere stellvertretende Vorsitzende nachgewählt. +++

+++ Philip Fickel ist seit dem 01.06.2012 neuer geschäftsführer der Jusos München. Wir danken unserem langjährigen geschäftsführer, Jürgen glatz, für seine engagierte Arbeit für die Jusos München. +++

+++ Die Juso schülerinnen München haben sich neu konstituiert. Wir freuen uns darüber, dass es nun wieder eine aktive schülerinnengruppe in München gibt. +++

+++ Die Jusos München waren aktiv bei den Acta-Demos vetreten und landeten mit ihrem banner „bekAcTA scheiß“ in der Presse. Mehr dazu im heft. +++

Links im Druck - Mitgliederzeitschrift der Jusos MünchenDruck: Druckerei Meyer GmbH, Rudolf-Diesel-Straße 10, 91413 Neustadt a. d. AischV.i.S.d.P.: Daniela Beck, Jusos München. Oberanger 38 / 4.Stock, 80331 MünchenRedaktion: Daniela Beck, Anno DietzLayout: Alessandro Fuschi, Anno DietzArt Direction: Mike RaabAuflage: 1250Erscheinungsweise 4 Ausgaben pro Jahr

Wir freuen uns über Mitarbeit, Kritik, Artikel und andere RückmeldungenKontakt über [email protected] oder über Daniela Beck ([email protected])Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht inbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.Die Redaktion behält sich vor, Artikel abzulehnen oder zu kürzen.Wenn sie spenden wollen: Jusos München Konto-Nr.111 500, Stadtsparkasse München BLZ 701 500 00 / Wir stellen Ihnen unaufgefordert eine steuerabzugsfähige Spendenquittung aus.

Impressum

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Editorial

Liebe Genossinnen und Genossen,wir sind die Generation, die mit dem Internet erwachsen geworden ist, und wir sind diejenigen, die zuerst auf die Straße gehen, wenn es darum geht unsere Freiheit im Netz zu verteidigen.

Erst vor kurzem fand in München wieder eine Demonstration gegen das sogenannte ACTA-Abkom-men statt. Zwar will Deutschland ACTA momentan nicht durchsetzen, doch die Forderung der FDP eine überarbeitete ACTA-Regelung einzuführen und die anhaltenden Diskussionen zeigen, dass die Frage nach einem Gesetz zum Schutz geistigen Eigentums im Internet noch lange nicht geklärt ist.

Eine Frage, die bei genauerem Hinsehen viel komplexere Antworten verlangt als ein intuitives „ja“ oder „nein“ zu kostenlosen Downloads und Fileshareing. Und wer weiß schon wirklich ganz genau, was sich alles hinter dem Begriff „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“ verbirgt und welche Alter-nativen zum aktuellen Urheberrecht es sonst noch geben könnte? Unsere Autoren haben versucht, etwas Licht ins Datendunkel zu bringen und zeigen die Gründe, warum wir als Jusos den Protest gegen ACTA unterstützen. Freundschaft!Daniela Beck

04 Schwerpunkt Zehntausende gegen bekACTA Scheiß / Andre Candidus

05 Schwerpunkt ACTA, oder was ist ein Hype? / Thomas Honesz

07 Verband Basiskongress der Jusos Bayern / Isa Fiorentino

09 Verband Energiepolitischer Parteitag der Münchner SPD / Lena Sterzer

09 Verband Kommunalwahlprogramm Roter Faden '14 / Lena Sterzer

10 Verband Gute Arbeit! / Cornelius Müller

12 Finanzkrise Von wegen Alternativlos / Sascha Vogt

13 International Der Fall Thomas Lubanga / Anika Lange

17 Verband Die EU und ihre Balkanpolitik / Simon Kahn-Ackermann & Milos Vujovic

17 Interview Bildung wieder erleben! / Interview mit Franziska Traube

22 Letztes Wort Immer wieder die Extremismustheorie / Tim Hall

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Schwerpunkt

Zentausende gegen beACTA scheißvon Andre Candidus

Zehntausende gegen „beACTA scheiß“, das war die Überschrift in einer der größten deutschen IT Zeitun-gen am Tag nach den großen Demonstrationen gegen ACTA in ganz Europa. Aber auch in anderen Medi-en, wie der Tageschau oder Spiegel Online, tauch-te der Spruch der Jusos München auf, was darauf schließen lässt, dass die eingelegte Nachtschicht der Jusos deutliche wahrgenommen wurde. Von den eu-ropaweiten Demonstrationen gegen ACTA kam ein deutliche Zeichen. In München sind am 11.2.2012 über 16.000 Bürgerinnen und Bürger bei -8 Grad ° auf die Straße gegangen, was zeigt, wie wichtig die-ses Thema den Menschen in Deutschland und Euro-pa ist. Deswegen lehnen wir ACTA entschieden ab, und werden in Zukunft an dem Thema weiterarbeiten.

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pt? Es kursiert, dass da irgendwas läuft. Nach SOPA und

PIPA jetzt ACTA gefolgt von IPRED. Irgendwas mit „diesem Internet“. Große Aufregung, fleißiges Link-Verschicken auf Facebook, massenhafte Diskussionen in den diversen Foren. Die NetzpolitikerInnen reden sich die Köpfe heiß. Europaweit gibt es Demonstratio-nen und auch in Deutschland sind weitere Demos ge-plant.

Aber was ist ACTA überhaupt? ACTA ist das „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“, ein „Handelsabkom-men zur Bekämpfung von Produkt und Markenpiraterie“. Es geht um Urheberrecht und Urheberrechtsverletzun-gen, auch im Internet. Das Abkommen wurde Ende Januar von Staaten und Staatengemeinschaften unter-zeichnet (für uns durch die Europäische Kommission). Inzwischen hat die EU-Kommission diesen Gesetzent-wurf dem Europäischen Gerichtshof zur Überprüfung vorgelegt. Gleichzeitig aber prüft die EU-Kommission derzeit IPRED, alles was in den internationalen Ver-handlungen bei ACTA,, herausgenommen wurde, wie z.B. das 3-Strikes Modell, taucht in IPRED wieder auf.

Es ist ja bekannt, dass es eine ständige Auseinanderset-zung um Urheberrechtsverletzungen im Internet gibt. Ein Beispiel sind die bei Youtube gesperrten Videos: „Dieses Video ist in Ihrem Land nicht verfügbar!“ Zu-sätzlich klingen jedem die Beschwerden der Software-, Video- und Musikindustrie in den Ohren, ihnen wür-den enorme Gewinne durch die Raubkopierer durch die Lappen gehen. Entgegen gesetzt sind die Forderun-gen der Netzgemeinde auf ein Recht auf Privatkopie und ein freies Internet. Es steht von beiden Seiten fest: Wir müssen uns endlich mit dem Urheberrecht (wie zeitgemäß ist es noch?) und seiner Durchsetzung neu und tiefgehend auseinandersetzen.

Bei dem Abkommen geht es aber in keinem Fall um die Interessen der Netzgemeinde, sondern um die der großen Verwertungsgesellschaften. Die Staaten werden aufgerufen, sich besser um die Durchsetzung des „geistigen Eigentums“ zu kümmern. Explizit steht nichts zu den Methoden dieser Durchsetzung im Text von ACTA. Im Zusammenhang mit den US-amerikanischen Gesetzesentwürfen SOPA und PIPA

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und nun auch IPRED wird aber vor allem das soge-nannte 3-Strikes Modell gefürchtet. Hierbei würden die Zugangsprovider (Internetanbieter wie z.B. AOL o.ä.) verpflichtet werden den gesamten Datenverkehr ihrer Kunden zu überwachen, Verstöße zu melden und zu ahnden („Internet abklemmen“). Das würde aus unserer Sicht die bürgerlichen Grundrechte verletzen und ein Ende des Internets, wie wir es heute kennen, bedeuten. Mit ACTA besteht die Gefahr, dass der Zu-gang zum Wissen wesentlich erschwert wird, Wikipe-dia gäbe es nicht mehr, denn die Autoren für Wikipedia könnten ihre Artikel nicht mehr belegen und ein verlin-ken zu weiteren Artikeln wäre wegen der lizenzrechtli-chen Probleme nicht mehr möglich.

Ein weiteres wichtiges Problem ist die fehlende Trans-parenz von ACTA, für welches seit fünf Jahren Ver-handlungen laufen. Trotz mehrmaliger Forderungen wurden nicht mal den den Mitgliedern der EU-Par-lamente, die ja darüber entscheiden sollen, bis heute sämtliche Unterlagen zur Verfügung gestellt. Die ak-tuelle juristische Einschätzung ist zwar (auf Basis der dürftigen Informationslage), dass das deutsche Urhe-berrecht, welches bereits eines der restriktivsten in Europa ist, nicht nennenswert ausgeweitet wird, aber es ist nicht hinzunehmen, dass die EU-Kommission in dieser Art ihre Transparenzpolitik verrät. Es kann nicht sein, dass über ein derart weit tragendes Feld ohne das Wissen der Politiker und der Öffentlichkeit in ein festes Abkommen gegossen wird. Wir Jusos stellen uns allein aus diesem Grund bereits entschieden gegen ACTA.

Wir Jusos München sehen ACTA sehr kritisch und ar-beiten gemeinsam an alternativen Lösungen für das Urheberrecht.

Schwerpunkt

I Am 11. Februar fanden in München und auch in anderen Städten in Deutschland mit insgesamt 25000 Teilnehmern und Teilnehmerinnen recht

große Proteste gegen das „Anti-Counterfeiting Trade Agreement“, kurz ACTA, statt. Es waren in Deutsch-land seit den „Freiheit statt Angst“-Demonstrationen in den Jahren 2008 und 2009 wieder die ersten Proteste die „aus dem Netz“ kamen und zehntausende Men-schen auf die Straßen mobilisierten. Wieder einmal war es ein Protest, der in seiner Größe und und damit einhergehenden emotionalen Aufgeladenheit sowohl die meisten europäischen Politiker als auch die meis-ten etablierten Medien überraschte. Sehr schnell gab es von der Bundesregierung eine Reaktion: Die zustän-dige Bundesjustizministerin erklärt, dass man durch ACTA keinen Handlungsbedarf sieht, da die deutsche Gesetzgebung ausreicht. Es wurde von mehreren Me-dien berichtet, dass ACTA von Deutschland nicht rati-fiziert wird. Das klang nach einem durchschlagenden Erfolg und obwohl die Debatte um ACTA damit nicht ganz erledigt war, ließ die Berichterstattung und das öffentliche Interesse darüber spürbar nach. Der Hype um ACTA war nach etwa vier Wochen vorbei.

ACTA, oder was ist ein Hype?

II Warum also gehen zehntausende Menschen, auch wir als Jusos, trotz Kälte auf die Straße? Und vor allem: Warum gerade zu diesem

Zeitpunkt? ACTA ist eigentlich nichts neues. Die Ver-handlungen wurden 2006 angeregt und im Jahr 2008 zum Ersten mal bekannt. Die Vereinbarungen, die ACTA betreffen,sind vielfältig, teilweise vom Ansatz her sinnvoll: Der Schutz von geistigem Eigentum ist grundsätzlich Begrüßenswert. Teilweise sind die Ver-einbarungen aber auch weniger sinnvoll: Eine Krimi-nalisierung von nicht-kommerziellem Austausch von geistigem Eigentum sollte man als SozialdemokratIn ablehnen, denn nur so lässt sich ein sozial breiter Zu-gang zu Kultur ermöglichen. Doch was man auf jeden Fall kritisieren kann, ist der Vorgang, mit dem ACTA zur Unterzeichnung gebracht werden sollte.

Christian Solmecke, ein Rechtsanwalt der seit Jahren Fälle im Bereich von vermeintlichen Urheberrechts-verletzungen verteidigt, weist in seinem Videoblog darauf hin, dass der Vorgang des Ratifizierens früher bedeutete, dass Fürsten Vereinbarungen trafen. Das ist eigentlich das Kernproblem bei ACTA.

Von Thomas Honesz

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Schwerpunkt

Es wurden Vereinbarungen getroffen, die alle Bürger angehen, aber dies wurde an den Parlamenten vorbei, alleine von Regierungsvertretern gemacht. Die Bevöl-kerung wurde vor vollendete Tatsachen gestellt, auch wenn nach den Protesten viele Regierungen auf den Standpunkt stellten, dass ja noch nichts entschieden sei.

Insofern sind dies gute Gründe um auf die Straße zu ge-hen. Doch es ist kurios, dass es fast 4 Jahre brauchte, bis dies zu Protesten führte. Es bleibt also die Frage: War-um gingen gerade jetzt Zehntausende auf die Straßen?

III Ein Hype wird definiert als eine „aus Gründen der Publicity inszenierte Täu-schung“. Der Auslöser für das große In-

teresse an ACTA war ein Youtube-Video mit dem Titel „Was ist ACTA?“. Das Video wurde am 27. Januar 2012 hochgeladen und danach mehrfach noch unter ähnlichen Titeln verbreitet. Es basiert auf einem englischsprachi-gem Video und wurde neu vertont. Das Video an sich enthält viele Behauptungen, die man nur schwer mit dem in Einklang bringen kann, was ACTA wirklich ist. Trotzdem wurde es mehre Millionen mal angeschaut.

Doch war es wirklich das Video, dass diesen Trend auslöste? Das Tool „Google Trends“ zeigt die relative Häufigkeit von Suchabfragen für bestimmte Zeiträume auf und stellt dem die Häufigkeit der Erwähnung in den Medien gegenüber. Und wenn man sich diesen Verlauf anschaut, stellt man fest, dass die Medienberichterstat-tung zu ACTA zwar schon vor dem 27. Januar los ging, und Anfang Februar, als die Proteste stattfanden, noch einmal anstieg, aber die Suchabfragen zum Thema ACTA verfünffachten sich nach dem 27. Januar inner-halb kürzester Zeit bis Anfang Februar. Richtig ersicht-lich wird das Ganze, wenn man es zum Beispiel mit

SOPA in Relation setzt. SOPA war ein Gesetzesvor-schlag in den USA mit ähnlichen Zielen wie ACTA, es wurde Mitte Januar durch Proteste gestoppt. Obwohl es ein Gesetzesvorschlag in den Vereinigten Staaten war, wurde in den Medien etwa doppelt so intensiv da-rüber Berichtet wie über ACTA. Die Suchanfragen in Deutschland aber zu SOPA erreichten nur ein Fünftel derer von ACTA.

IV Ist also der Proteststurm zu ACTA völ-lig überzogen? Kritische Kommenta-toren und Kommentatorinnen merkten

an, dass die meisten Protestierenden gar nicht wussten worum es ging. Man kann nicht von der Hand weisen, dass wohl viele auf die Straße gingen, weil sie den Vi-deoclip gesehen hatten und wie bereits erwähnt, ent-spricht das Video nicht unbedingt den Tatsachen.

Bei vielen Bloggern und Bloggerinnen schwang die Frage mit: Ist ein Protest aus falschen Motiven, für eine richtige Sache ein falscher Protest? Darauf gibt es sicherlich keine pauschale Antwort.

Aber man kann, wieder „Google Trends“ befragen. Und wenn man sich anschaut wann und mit welcher In-tensität nach „Wikipedia ACTA“ gesucht wurde, stellt man fest, dass sich Anfang Februar auch diese Anfrage verfünffachte. Somit kann man davon ausgehen, dass die meisten, die das Video gesehen hatten, sich noch zumindest bei Wikipedia darüber informierten, was es mit ACTA auf sich hat.

V Was können wir also als Jusos daraus ler-nen? Wohl sicherlich, dass heute ein gut gemachtes oder zumindest aufrüttelndes

Video immer mehr zur Grundvoraussetzung für erfolgreiche Kampagnen im und aus dem Internet wird. Aber auch, dass die Teilnehmer und Teilneh-merinnen bei scheinbar aus dem Nichts kommenden Demonstrationen alles andere als uniformiert sind.

Die Zentrale Frage ist aber: War der Protest erfolg-reich? Gegen ACTA: Ja, denn das EU Parlament wird ACTA wohl ablehnen. Ob es der letzte Versuch in die-se Richtung war, ist zu bezweifeln. Insofern ist unsere langfristige politische Arbeit als Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen gefragt.

flickr/jakedobkin

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a.i.d.a Archiv MünchenAntifaschistische Informations-,Dokumentations- und Archivstelle München e. V. (a.i.d.a.)www.aida-archiv.de

Verband

Vom 24. Bis zum 26. Februar fand dieses Jahr der erste Basiskongress der Jusos Bayern im Gemeinschaftshaus in Nürnberg statt. Angelehnt an die Linkskongresse des Juso-Bundesverbandes sollte der Basiskongress als (für Bayern) neues Veranstaltungskonzept dazu dienen, neuere und (noch) nicht aktive Mitglieder an die Arbeit des Juso-Landesverbandes heranzuführen und aktiveren Mitgliedern die Chance geben, an der Gestaltung von Workshops mitzuarbeiten und so – neben den Kommis-sionen – ihre persönlichen Themenschwerpunkte vorzu-stellen und einzubringen.

Den Freitagabend dominierte neben der Anmeldung (die sich wegen der Zimmervergabe nicht ganz einfach ge-staltete) das Referat mit anschließender Diskussion zur Frage „Was ist eigentlich soziale Spaltung?“ von Phil-ipp Dees. Wie es auf Juso-Veranstaltungen so üblich ist, verzögerte sich der Beginn der Veranstaltung erheblich. Dass dies am eigentlich wirklich schönen, aber doch et-was abseits gelegenen Veranstaltungsort lag halten nur Ortskundige für ein Gerücht (oder wer von euch war VOR diesem Kongress schon einmal in Nürnberg-Lang-wasser?). Zum Glück lag aber das Hostel sehr zentral, so dass die Abendgestaltung in verschiedenen Kneipen Nürnbergs nicht leiden musste.

Der Einstieg in den Samstag, den Tag der Workshops fiel wohl vor allem deswegen nicht allen der insgesamt 140 TeilnehmerInnen sonderlich leicht. Insgesamt wurden über den Tag verteilt an die 20 verschiedene Workshops aus den verschiedensten Politikfeldern angeboten, viele davon übrigens unter maßgeblicher Beteiligung von MünchnerInnen. Besonders voll war am Samstagnachmittag der Workshop „Rechte Szene in Bayern“ gemeinsam mit A.i.d.A., was sicher nicht nur an der zutiefst bitteren Aktualität des Themas an sich liegt, sondern auch daran, dass wir Jusos immer und immer wieder unsere Solidarität mit dem völlig zu Unrecht vom Innenministerium verfolgten und diffa-mierten Archiv bekunden müssen.

basiskongress 2012 der Jusos bayern

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urs Das a.i.d.a - Archiv München

Die Antifaschistische Informations-, Do-kumentations- und Archivstelle München e. V. (a.i.d.a.) sammelt seit 1990 Material zu Themenbereichen wie Nationalismus und Rassismus, Informationen von und über neokonservative, extrem rechte und faschistische Gruppierungen sowie Publi-kationen zum Thema Antifaschismus und vieles mehr. a.i.d.a. ist ein eingetragener Verein beim Amtsgericht München.

a.i.d.a. archiviert Bücher, Zeitungen, Zeit-schriften, Broschüren, Flugblätter, Aufkle-ber, Spuckis und anderes von rechten Be-wegungen und aus der antifaschistischen Arbeit.

Seit der Gründung des a.i.d.a.-Vereins im Jahr 1990 stellt es für antifaschistische Aktivitäten dringend notwendige Hinter-grundmaterial zur Verfügung. Über a.i.d.a. sollen diese Informationen möglichst vie-len Leuten zugänglich gemacht werden.

Obwohl das a.i.d.a - Archiv in den vergan-gen Jahren immer wieder für seine Arbeit ausgezeichnet wurde, führt der bayeri-sche Verfassungschutz das Archiv in sei-nen Berichten immer wieder als linksext-remistische Organisation.

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Workshop „Die extreme Rechte in Bayern“ mit a.i.d.a

Oberbayern in der Mittagspause

2013Basiskongress in München?

Verband

Einige Workshops beschäftigten sich mit im Verband etwas kontroverseren Fragen, wie zum Beispiel „Die Nachhaltgkeitslüge – Risiken und Nebenwirkungen des grünen Lifestyles“ oder auch „Bedingungsloses Grundeinkommen“, während andere sich mit eher „klassischen“ Jusothemen wie Altersarmut oder Ge-schlechtergerechtigkeit auseinandersetzten.

Zumindest mir kam es so vor, als wären viele Teilneh-merInnen von der Vielfalt der angebotenen Workshops angetan gewesen, zumindest habe ich nicht mitbekom-men, dass einer davon sehr leer gewesen wäre. Am Samstagabend dann das eigentlich wichtigste Ele-ment einer Juso-Wochenend-Veranstaltung: die Kon-gressparty. Organisiert von den Jusos Nürnberg, fand diese in einer gemütlichen, wenn auch leicht sexis-musverdächtigen Kneipe in der Nürnberger Innenstadt statt. Ob die Tanzfläche wegen oder eher trotz des DJs schnell sehr voll war, lasse ich an dieser Stelle offen, jedenfalls hält sich hartnäckig ein unbestätigtes Ge-rücht, die letzten Anwesenden seien MünchnerInnen gewesen, darunter der amtierende Vorsitzende. Natür-lich völlig unmöglich. Wir waren ja schließlich zum Arbeiten da.

Der Sonntag war als „Open Space“ zu den vier The-men Netzpolitik, Arabischer Frühling, Umweltpolitik, und Rechtsextremismus gedacht. Allerdings hatte ich persönlich den Eindruck, dass einige Kongress-Teil-nehmerInnen dieses Angebot eher als Einladung zum Ausschlafen begriffen hatten – zumindest hatten sich die Reihen deutlich gelichtet und die Anwesenden wirkten zum großen Teil ein wenig angeschlagen.

Wenn man der Evaluation der Teil-nehmerInnen Glauben schenken darf, stehe ich mit der Meinung, dass der Kongress ein voller Er-folg war, nicht alleine da, auch wenn, wie so üblich, am Sonntag die allermeisten am Ende ihrer Kräfte angekommen schienen.

Besonders schön fand ich per-sönlich, dass viele Genossinnen und Genossen da waren, die ich entweder vorher noch nie oder schon lange nicht mehr gesehen hatte. Genau aus diesem Grund soll auch – so haben es die Jusos Bayern beschlossen – im nächsten Jahr wieder ein solcher Kongress stattfinden (diesmal wahrschein-lich in München). Ich freue mich schon darauf, möglichst viele von euch dort zu treffen.

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Verband

Sozial, Nachhaltig, Sicherbericht vom energiepolitischen Parteitag

von Lena Sterzer

Am 28. April fand der Parteitag der Münchner SPD zum Thema „Energiepolitik in München, Bayern und Europa – Sozial, Nachhaltig, Sicher“ statt. Hier holte die Münchner SPD nach, was lange fällig war: eine umfangreiche und grundlegende Beschlussfassung zum Thema Energiepolitik.

Zugegebenermaßen glänzt das Pa-pier nicht gerade mit konkreten Vor-schlägen oder innovativen Ideen, aber es bildet einen Grundstock, auf dem auf-gebaut werden kann. Wir Jusos haben uns aktiv in die Debatte eingebracht. Sowohl im Vorfeld im SPD-Arbeitskreis Umwelt und Energie, wie auch in Form von zahlreichen inhaltlichen Änderungs- und Ergänzungs-anträgen auf dem Parteitag. Von unseren 20 gestellten Anträgen wurden alle beschlossen.

Roter Faden '14Auftakt Programmpozess Kommunalwahl 14

Unser fast schon traditionell eigenes Kommunalwahl-kampfprogramm, der Rote Faden, wird auch zur kom-menden Kommunalwahl neu aufgelegt. Er soll in den kommenden Monaten erarbeitet werden und möglichst breit im Verband diskutiert werden. Hierzu bauchen wir die Hilfe von allen Mitgliedern, den Regionalver-bänden und Arbeitskreisen. Die wichtigsten Eckpunkte dazu haben wir auf dem Seminar Roter Faden Mitte Juni in Bernried abgesteckt. Hier wurde der Rote Fa-den 2008 gemeinsam mit unseren Juso-StadträtInnen Verena Dietl, Nik Gradl und Andreas Lotte evaluiert und die Struktur für den neuen Roten Faden 2014 fest-gelegt. Weiterhin wurde ein Fahrplan für die Bearbeitung der vielen Themenfelder in den kommenden Monaten erarbeitet.

Wir Jusos haben unter anderem eine Stärkung des Bauzentrum Münchens, eine Vorreiterrolle der Stadt bei der energetischen Sanierung von öf-fentlichen Gebäuden, Anwendung von intel-

ligenter Gebäudetechnik und Nutzung von Photovoltaik und verstärktes Engagement der Stadtwerke München im Bereich der Speichertechnologien und Lastmanage-ment gefordert.

Wir forderten eine Weiterentwicklung der städtischen Ge-bäudedatenbank, um vorhandene energetische Sanie-

rungspotentiale bewerten zu können und die Prüfung von Fernkältemaßnahmen in der Innenstadt. Weiterhin

forderten wir ein deutliches Bekenntnis gegen die Mehrbelastung von MieterInnen durch energeti-sche Gebäudesanierung durch Reduzierung der Umlagemöglichkeiten der Sanierungskosten auf die Miete und Verpflichtung der VermieterInnen zur Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel.

beschlüsse des energiepolitischen Parteitagswww.spd-muenchen.de/partei/beschluesse

Roter Faden '14Leitfaden für den Programmprozess www.dein-muenchen.de

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Verband

Bei der Frage, ob Flächentarifverträge noch zeitgemäß und an die heutige Arbeitswelt angepasst sind, kam die Diskussion überein, dass diese sehr wohl auch weiter-hin nötig sein werden. Denn Gesellschaftsveränderun-gen können nur in der Fläche gelöst werden und nicht in örtlichen oder gar privaten Absprachen. Allerdings bedingt dies neben starken Gewerkschaften auch wie-der große Arbeitgeberverbände. Ein starkes politisches Eingreifen ist bei den Problemen, die durch eine weit-reichende Zulassung von Leih- und Zeitarbeit (neu-erdings auch durch Werksvertragsarbeit umgangen) geschaffen wurden, nötig, um deren negative Auswir-kungen auf das Gefüge der Arbeitswelt und damit un-sere Gesellschaft zu nehmen.

Auch der positive Effekt der Tarifverträge auf die Gleichstellung kam zur Sprache. So wird mit den Entgelttabellen beispielsweise eine transparentere Gehaltsstruktur geschaffen - eine Transparenz die bei Individualverträgen fehlt und in denen meist sogar ver-traglich ein „weitersagen“ unterbunden werden soll. (Dies ist jedoch bereits vor Gericht für unwirksam erklärt worden, da sonst die Möglichkeiten des AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) sowie der Koalitionsfreiheit behindert werden.) Nicht aufgelöst haben Tarifverträge bisher die gesellschaftlichen Rol-lenbilder, die Berufswahl, die Arbeitsverhältnisse, usw. – was alles viel Auswirkung auf den Lebensstandard hat und Frauen klar benachteiligt.

Dass viele Beschäftigte lieber außertariflich bezahlt werden, ist eine Feststellung auf die eine Antwort ge-funden werden sollte. Denn gerade Heute wissen wir, das geregelte Arbeitszeiten Voraussetzung sind für ein gesundes Leben und die Möglichkeit auf einen Ein-klang von Arbeit und Leben. In außertariflichen Be-schäftigungsverhältnissen ist dies jedoch meist nicht der Fall und oft auch nicht gewollt. Eine Kontrolle, durch z.B. Betriebsräte, ist oft praktisch nicht möglich.

Für uns Münchner Jungsozialistinnen und Jungsozialis-ten in der Sozialdemokratischen Partei ist und bleibt der Themenkomplex „Gute Arbeit“ ein zentraler Arbeits-schwerpunkt. Da insbesondere die Gesetzgebung der letzten Jahre gezielt dazu beigetragen hat, die Sozial-partnerschaften in den Betrieben zu schwächen, muss es politische Aufgabe der Sozialdemokratie sein, sich mit den aktuellen Arbeitsbedingungen umfangreich ausei-nander zu setzten. Daher möchte ich Euch hier einen kurzen Rückblick zu einigen Veranstaltungen und Akti-vitäten der vergangenen Monate zum Thema geben.

Zukunft der Tarifverträge - vor dem hintergrund atypischer und außertariflicher beschäftigung

Unsere Projektgruppe Gute Arbeit veranstaltete eine Diskussionsveranstaltung mit den Gästen Simone Bur-ger, inzwischen DGB Regionsgeschäftsführerin, sowie Reinhard Büttner, Geschäftsführer Personal und Sozia-les der Stadtwerke München GmbH. Die von uns mode-riert gestellten Fragen drehten sich um viele Aspekte der heutigen Tarifvertragslandschaft – die Situation in den Betrieben, die Rahmenbedingungen durch Politik und Gesellschaft, der Beitrag zur Gleichstellung und auch Herausforderungen an Tarifverträge in der Zukunft.

So konnten wir aus erster Hand erfahren, dass unter der Zunahme der atypischen Beschäftigungsverhältnisse (also keine unbefristeten, sozialversicherungspflichti-gen Normalarbeitsverhältnisse) nicht nur die Solidari-tät zwischen den Beschäftigten leidet sondern auch Ar-beitgeberverbände unter Druck geraten sind. Denn die zunehmende Individualisierung von Arbeitsbedingun-gen bringt die, in der Vergangenheit erfolgreicheren, Sozialpartnerschaften ins wanken. Hier gilt es wieder politische Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine geordnete Sozialpartnerschaft und Organisation von ArbeitskraftgeberInnen und ArbeitskraftnehmerInnen (Warum eigentlich immer ArbeitnehmerInnen/Arbeit-geberInnen sagen?) ermöglichen.

Gute Arbeit!Zentrales Thema für die Münchner Jusos

von Cornelius Müller

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Verband

1. Mai – Tag der Arbeit

Der 1. Mai: Feiertag der Arbeiterinnen- und Arbeiterbe-wegung, also auch einer der wichtigsten Tage für uns Ju-sos München und die Münchner SPD.

Es geht aber nicht nur ums feiern und „frei haben“, son-dern vor allem darum, für unsere Rechte als Arbeitneh-merinnen und Arbeitnehmer oder zukünftig abhängig Beschäftigte für unsere Grundrechte und Grundwerte auf die Straße zu gehen. Daher haben wir mit vielen anderen Organisationen an dem Demonstrationszug vom Münch-ner Gewerkschaftshaus zum Marienplatz, der traditionell vom Deutschen Gewerkschaftsbund München ausgerich-tet wird, sowie den abschließenden Kundgebungen unter dem Motto „Gute Arbeit für Europa, gerechte Löhne und soziale Sicherheit!“ teilgenommen.

Dass dieses Jahr über 40 Jusos mit dabei waren, lag sicher nicht nur am guten Wetter, sondern auch an unserer Vor-bereitung und den vorangegangenen Diskussionen.

Viele Jusos haben auch als Ordnerinnen und Ordner beim abendlichen und kostenlosen Konzert, das von der DGB Jugend organisiert wird, ausgeholfen und konnten noch bis spät in die Nacht am Marienplatz zu guter Musik mit-feiern. Danke für das große Engagement!

Natürlich war die letzten Monate auch noch mehr los und es werden uns weiterhin die Diskussionen zur Arbeitswelt und unseren Vorstellungen von „Guter Arbeit“ innerhalb und außerhalb der Partei begleiten.

98 Jahre Jusos München:Demokratie und Mitbestimmung

Neben Simone hatten wir diesmal auch unseren Juso-Bundesvorsitzenden Sascha Vogt mit zur Diskussion und unserer Geburtstagsfeier nach München eingeladen.

Die Münchner JungsozialistInnen hatten Geburtstag und wurden am 3. Februar 2012 bereits 98 Jahre alt! Daher hatten wir alle Mitglieder sowie befreundete Organisati-onen in das, auch während der Veranstaltung öffentlich zugängliche, Café GAP eingeladen.

Nachdem es seit 98 Jahren bei den Jusos München um Demokratie und Mitbestimmung für alle Menschen geht, haben wir dieses Thema als Anlass für eine Dis-kussion genommen. Die Beteiligung und Mitsprache Aller ist einer der wichtigen Bausteine des demokrati-schen Sozialismus. Doch wie soll-te man heute politisch agieren, in Zeiten, in denen einige mehr direkte Mitsprache wünschen, während an-dere keine Mitbestimmung in ihrem täglichen Umfeld ausüben können? Dazu und zu weiteren Fragen, ins-besondere auch aus dem täglichen Arbeitsleben, haben uns Simone und Sascha eine Stunde lang Rede und Antwort gestanden

Anschließend konnten wir den Ge-burtstag unseres Verbandes noch im Café GAP weiter feiern. Ich freue mich, dass wir noch viele weitere po-litische Aktivitäten in unserem Ver-band angehen werden – und natürlich auf unsere nächste Geburtstagsfeier.

Lohntütenaktion zum Tag der Arbeit

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Kommentar

Wenn man nun all dieses sagt, bekommt man von Kon-servativen und Neoliberalen für gewöhnlich erwidert, dass das ja alles sein könne, ein Sparkurs aber angesichts der enormen öffentlichen Verschuldung alternativlos sei. Mal ganz abgesehen davon, dass es in der Politik im-mer Alternativen gibt und das Wort Alternativlosigkeit im politischen Kontext verboten gehört, kommen wir hier aber zur tatsächlichen politischen Auseinanderset-zung. Denn was etwa Union und FDP als „alternativ-los“ bezeichnen, ist nichts anderes als ein gnadenloser (Um)Verteilungskampf. Es ist ja nicht so, dass unsere Gesellschaften in den vergangenen Jahren ärmer gewor-den sind, nein die Einkommen und vor allen Dingen die Vermögen haben sich prächtig nach oben entwickelt. Und es ist auch keineswegs so, dass der Staat immer „fetter“ geworden ist, wie gerne behauptet wird. Son-dern er wurde mit Steuersenkungen zunächst systema-tisch geschwächt, wodurch die Verschuldung stieg, dann musste er in der Krise noch die Privatvermögen in den Banken absichern und nun sind etliche Staaten in der Tat in finanziellen Schwierigkeiten. Die Alternative ist da-her klar: Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, die Besteuerung von hohen Vermögen, eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, oder auch eine einmalige hohe Vermögensabgabe könnten das Geld in die öffentlichen Kassen bringen, das benötigt wird, um öffentliche Leis-tungen und einen funktionierenden Sozialstaat, die vie-len Menschen zugute kommen, finanzieren zu können. Und im Kern geht es damit dann eben nicht um die Fra-ge, wer das schönste Sparkonzept hat, sondern um eine gesellschaftliche Auseinandersetzung, in der es um die Frage geht, wie wir in Zukunft leben wollen und wie wir die Finanzierung solidarisch gestalten wollen. Klar ist: Konservative und Liberale werden weiterhin alles dafür tun, um von solchen Verteilungsfragen abzulenken. Wir haben aber die Möglichkeit, in den kommenden Mona-ten genau diese Debatte zu führen. In Deutschland und in Europa. Die Wahl von Francois Hollande ist dafür ein Signal des Aufbruchs.

Wenngleich die Dramatik der Lage kaum unterschied-licher sein dürfte, verbindet die Wahlkämpfe der letzten Wochen in Paris, Athen, Kiel und Düsseldorf doch im-merhin eines: Überall dominiert der Rotstift als zentrales Thema die Auseinandersetzung. Sparen, so versuchen es zumindest die Konservativen und Neoliberalen den Wählerinnen und Wählern einzureden, sei das Gebot der Stunde. Ja, wer dem nicht beipflichte spiele gleich mit der Zukunft unserer Gesellschaft. Ärgerlich für sie ist nur, dass die Wählerinnen und Wähler nicht dumm sind und deswegen dieser Strategie mit ziemlicher Sicherheit auch am Sonntag in Düsseldorf die Quittung ausstellen werden. Dennoch wird mit dem Wahltag in NRW die tatsächliche Auseinandersetzung erst beginnen.

Eigentlich ist für jede und jeden mit ein wenig ökono-mischem Sachverstand klar, dass eine rigide Sparpolitik wie sie etwa Merkel und Co. propagieren zu kurz greift. Denn mit Sparen – soviel zur Begrifflichkeit – meint sie ja nichts anderes als eine reine Ausgabenkürzung. Ein solcher Ansatz hat aber erstens nichts mit der angebli-chen Generationengerechtigkeit zu tun. Jede Unterneh-merin und jeder Unternehmer weiß, dass Schulden dann ein Problem sind, wenn sie laufende Ausgaben decken, nicht aber, wenn mit ihnen Investitionen getätigt wer-den. Und das gilt für den Staat eben auch. Was bringt es, wenn die Pro Kopf Verschuldung in 30 Jahren ge-sunken ist, wir dafür aber eine Gesellschaft mit maroder Infrastruktur und zu wenigen Fachkräften haben, weil wir heute diese gesellschaftlichen Zukunftsinvestitionen nicht getätigt haben? Und zweitens kann auch eine euro-paweite Spar-Strategie gar nicht aufgehen. Denn wenn überall gleichzeitig die Ausgaben drastisch gesenkt wer-den (wie mit dem Fiskalpakt geplant), sinkt damit auch die Nachfrage. Das könnte zwar der private Sektor durch eigene Ausgabensteigerungen auffangen, doch dummer-weise ist auch der in den Krisenländern hoch verschul-det. Es entsteht also ein Teufelskreis aus Nachfrageein-bruch, einem Rückgang der Wirtschaftsleistung, weiter sinkenden Steuereinnahmen, einer weiter steigenden Verschuldung und damit noch größerem Einsparbedarf.

Von wegen Alternativlos es geht um knallharte Verteilungsfragen

Kommentar von Sascha VogtJuso Bundesvorsitzender

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International

Mit der Verurteilung von Thomas Lubanga, einem kongolesischen Milizenchef und Kriegsverbrecher am 14. März 2012 durch den Internationalen Straf-gerichtshof in Den Haag wird ein neues Kapitel des Völkerrechts und dessen Durchsetzung aufgeschla-gen. Es ist die erste Schuldbrechung eines Kriegsver-brechers auf internationaler Ebene, wobei das Aus-maß der Strafe noch verhandelt wird.

Thomas Lubanga, dessen Verfahren 2009 eröffnet wurde, gilt als einer der führenden Kräfte und Grün-der der bewaffneten Miliz UPC („Union der patrioti-schen Befreiungsarmee Kongos“) aus der rohstoff-reichen Ituri Region im Nordosten des Landes. Ihm werden u.a. Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Massenerschießungen, Massenmord, Massenverge-waltigungen und Plünderungen) vorgeworfen. Seine Opfer gehen nach Schätzungen von Menschenrechts-organisationen in die Zehntausende. Allerdings wur-de er nur wegen der Rekrutierung von Kindern für militärische Zwecke vor dem IStGH angeklagt, die ihm v.a. als menschliche Schutzschilde, Bodyguards und für die Plünderung und Ermordung von Zivilis-ten dienten, was von Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert wird.

Lubanga bestreitet dies bis heute vehement, indem er behauptet er sei nur ein Sündenbock für eine Politik bzw. einer Bewegung, die für die Befreiung und für die Unabhängigkeit des Kongos kämpft. Er sieht sich als kleinen Fisch im Haifischbecken eines korrupten und militanten Systems. Viele Experten sehen das an-ders. Der ehemalige Psychologiestudent gilt als einer der berühmtesten Kriegsverbrecher Afrikas und terro-risierte jahrelang die nordöstliche Region des Landes. Internationale Aufmerksamkeit erreichte er durch die Tötung von neun UN-Soldaten durch seine Miliz. Lubanga wurde 2006 in Kinshasa festgenommen und dem Internationalen Strafgerichtshof übergeben.

Was ist der internationale strafgerichtshof?

Der IStGH ist ein ständiges und noch junges internatio-nales Strafgericht mit Sitz in Den Haag. Er ist ein zen-trales Vollstreckungsorgan, das schwerste Verbrechen gegen das Völkerrecht ahndet, welche die internatio-nale Gemeinschaft als Ganzes berühren; nicht zu ver-wechseln mit dem IGH der UN, oder den ad-hoc Tri-bunalen ICTY und ICTR, in denen erstmals Verstöße gegen das Völkerrecht in Ruanda und dem ehemaligen Jugoslawien verfolgt wurden. Krisensituationen wie in Ruanda oder Jugoslawien bewogen den Sicherheitsrat der UN Strafgerichtshöfe für Kriegsverbrecher einzu-richten. Besonders die Jahre nach 1990 haben gezeigt, dass internationales Verbrechen und Gerichtsbarkeit re-alisierbar und verfolgbar sind. Der IStGH wurde durch einen internationalen Vertrag, im Gegensatz zu den bestehenden Tribunalen durch die UN-Bevollmäch-tigungskonferenz auf der Grundlage des Rom-Statuts ins Leben gerufen und nicht durch einen Beschluss des Sicherheitsrats der UN, welches dem Gerichtshof eine hohe Legitimität zuspricht, und er somit eine gewisse Objektivität und Neutralität erfährt.

Der Vertrag trat 2002 in Kraft. Seine Beziehungen zur UN sind durch Kooperationsabkommen geregelt. Im Gegensatz zum IGH müssen sich nicht Staaten ver-antworten, sondern einzelne natürliche und juristische Personen; unabhängig von Amt, werden zur Rechen-schaft gezogen, wenn sie gegen Internationales Recht bzw. Völker- bzw. Gewohnheitsrecht verstoßen, wobei der Täter nur belangt werden kann, wenn er einem Staat angehört, der das Statut ratifiziert hat bzw. wenn die Verbrechen auf dem Gebiet eines solchen Vertragsstaa-tes begangen wurden und die nationale Gerichtsbarkeit versagt hat und nicht fähig oder willens ist, Recht zu sprechen oder nicht Rechtsprechen kann. Die Straf-verfolgung des IStGH erfolgt komplementär und soll nationale Gerichte nicht ersetzen, sondern ergänzen (Subsidiaritätsprinzip). Auch der Sicherheitsrat der UN kann das Gericht bitten tätig zu werden, wenn er nach

Der Fall Thomas Lubangaund der internationale strafgerichtshof in Den haag

von Anika Lange

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Kapitel VII einen „Bruch oder die Bedrohung des in-ternationalen Friedens“ feststellt. Die Strafverfolgung geschieht nicht rückwirkend („nullum crimen sine“), d.h. Taten, die vor der Unterzeichnung des Rom-Sta-tuts stattgefunden haben bzw. vor dem Inkrafttreten des Vertrages am 4.10. 2002, können nicht verfolgt werden. Auch ist eine Doppelbestrafung („ne bis in idem“) nicht möglich. Seine Zuständigkeit umfasst Delikte, die gegen das Völkerrecht gerichtet sind, dazu zählen: Völkermord (die gezielte Tötung von Mitglie-dern einer Gruppe aus religiösen, rassischen, ethischen Gründen, hin zu schweren seelischen und körperlichen Schäden), Kriegsverbrechen (schwere Verletzungen des Kriegsrechts, z.b. Misshandlungen der Zivilbe-völkerung und von Kriegsgefangenen, Deportationen, Mord, Plünderungen), Verbrechen gegen die Mensch-lichkeit (ethnische Säuberungen und Entrechtung von Minderheiten, Verletzungen, die mit der Zugehörigkeit des Opfers zu einem bestimmten Staat einhergehen). In Planung als Verstoß sind „Verbrechen der Aggression“, die 2010 vertraglich festgelegt wurden, aber noch nicht in Kraft getreten sind. Zur Zeit haben 121 Staaten das Statut unterzeichnet. Der Ankläger arbeitet unabhän-gig, wird vom Sicherheitsrat ernannt und durch die Er-mittlungskammer kontrolliert. Die Höchststrafe, die es verhängen kann, beträgt 30 Jahre, in besonders schwe-ren Fällen lebenslänglich. Der erste Haftbefehl erfolg-te 2008 für ein amtierendes Staatsoberhaupt durch den

Chefankläger Luis Moreno-Ocampo (ab 2011 Fatou Bensouda) gegen den sudanesischen Staatschef Ach-mad al-Baschir. Erste Ermittlungen in einem Nichtun-terzeichnerstaat (nur Anerkennung der Zuständigkeit) fanden in der Elfenbeinküste gegen Präsident Laurent Gbagbos wegen Vergewaltigung, Folter und Hinrich-tungen, nach einer umstrittenen Präsidentschaftswahl, statt. Der Prozess gegen Gbagbo soll im Juni diesen Jahres beginnen.

Positives und Kritisches zur strafverfolgung des istghs

Die Vorteile bzw. die positiven Neuerungen, die durch den Strafgerichtshof hervorzuheben sind, liegen ein-deutig darin, dass er ein Instrument darstellt, welches zu mehr Eigenverantwortung führen soll in Bezug auf dem Grundsatz der individuellen strafrechtlichen Ver-antwortlichkeit. Auch Staatsbedienstete bzw. Amtsträ-ger besitzen somit keine Immunität und stehen nicht über dem Gesetz, so dass mit dem Gericht in der Überzeugung der internationalen Gemeinschaft, die Auffassung verankert ist, dass Titel und Ämter nicht vor Strafe schützen. Es ein Versuch, die Souveränitäts-vorstellung von der Unantastbarkeit des Staates und seiner Vertreter zu überwinden, so dass sich der Täter nicht mehr unter dem Schutz bzw. Mauer des Staates verstecken kann. Individuelle Schuld wird in den Vor-

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dergrund gestellt, mit Verweis auf Napoleon II. im 19. Jahrhundert oder Wilhelm II. während des Ersten Welt-krieges. Zudem wurde hier zum ersten Mal versucht ein Weltrechtsprinzip/Weltstrafrecht zu verwirklichen, welches gewohnheitsrechtlich und vertragsrechtlich legitimiert ist und unmittelbar aus Völkerrechtsnor-men hervorgeht, welches für mehr Sicherheit und Ord-nung im internationalen System sorgen soll. Auch ist die Unabhängigkeit des Gerichts, v.a. gegenüber dem Einfluss der UN, von besonderer Bedeutung. Auch auf die enge Zusammenarbeit mit der EU, u.a. in Bezug auf den CICC (Coalition for the International Criminal Court, ein Zusammenschluss von weltweit mehr als 1500 nichtstaatlichen Organisationen) für mehr Trans-parenz, Überwachung und Durchsetzung von Völker-rechtsnormen, hin zu einem Mindeststandard eines Verhaltenskodexes, von besonderer Bedeutung.

Die Frage, die ich mir im Folgenden stelle: Hatte der Angeklagte eine echte Chance? Lubanga beruft sich, wie oben bereits erwähnt, bis heute auf seine Unschuld in Bezug auf die Rekrutierung von Kindersoldaten im Nordosten des Landes bzw. auf seine geringe Entschei-dungskompetenz innerhalb der kongolesischen Befrei-ungsarmee. Wie verhält es sich mit der Anerkennung bzw. der Wirksamkeit von Urteilen, v.a. durch das Fernbleiben wichtiger Staaten?

Härtester Gegner sind die USA, die den Vertrag 2000 ratifizierten. Diese Ratifizierung aber von George W. Bush 2002 zurückgenommen wurde. Schon vor Ableh-nung des Vertrags machte der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten Bill Clinton die Unterzeichnung davon abhängig die Kontrolle des Gerichtshofes durch die USA zu verstärken. Die USA versuchen seitdem durch den Abschluss bilateraler Verträge mit anderen Staaten, die den Gerichtshof anerkannt haben, eine Überstellung von US-Staatsangehörigen an den IStGH von vornherein zu verhindern und sich abzusichern. Das Ziel des „American Service Members‘ Act“, der 2002 rechtskräftig wurde, ist der Schutz von Mitglie-dern der US-Regierung, des US-Militärs bzw. anderen Vertretern vor einer Strafverfolgung durch den Ge-richtshof. Zudem wird eine militärische Befreiung von US-Staatsbürgern vollzogen, die sich in Den Haag vor dem IStGH verantworten müssten. Der Präsident ist laut US-Gesetz sogar ermächtigt, Häftlinge militärisch aus den Händen des Strafgerichtshofs zu befreien, u.a durch militärische Invasionen. Das Gesetz dient der Schwächung der Position des Internationalen Strafge-richtshofes, indem es US-Bürger vor der Auslieferung an den IStGH schützt. Dieser wird nicht umsonst als „The Hague Invasion Act“ bezeichnet. Zudem wird

darin eine Z u s a m m e n -arbeit mit dem Gericht US-Behörden ver-boten. Auch kann allen Staaten, die nicht Mitglied der Nato sind und das Statut ratifizierten, die US-Militärhilfe verweigert werden, wobei die USA dadurch erheblichen Druck auf andere Staaten aus-üben kann. Auch schränkt dieses Gesetz den Einsatz von US-Militär für UN-Friedensmissionen ein, wenn keine Immunität vor Strafverfolgung garantiert wird. Auch versuchen die USA den neugeschaffenen Grund-satz des „Verbrechen der Aggression“ zu verhindern. Als Beispiel für die Behinderung des Gerichts dient die Überprüfungskonferenz in Kampala, wo man durch eine Delegation verhindern wollte, dass die Anklage-behörde auf eigene Faust ermitteln kann, wenn sie ein Aggressionsverbrechen zu erkennen meint. Man woll-te damit verhindern, selbst auf der Anklagebank wegen des Strafbestands eines Angriffskrieges zu sitzen. Ein weiterer wichtiger Punkt, der hier heraussticht, ist erstens die Frage nach der Gleichheit der Staaten vor dem Gesetz, welches die Basis des Völkerrechts darstellt. Zweitens ist von Bedeutung, ob politisch ein-flussreiche Nationen sich dem Gerichtshof auf Dauer entziehen können, wie zum Beispiel der Fall des Völ-kermords in Dafur beweist, wo US-Blauhelmsoldaten im Sudan nicht dem Gericht überstellt werden durften, da er im diesem Fall nur auf Geheiß des Sicherheitsrats tätig werden konnte. Zudem muss der Strafgerichtshof, wenn er effektiv zu sein, frei und unabhängig arbeiten können, was in Dafur nicht der Fall war.

Folglich sollte Völkerrecht für jede Nation gleich gelten und nicht von Interessen und Doppelmoral unterlaufen werden bzw. als Möglichkeit der Einflussnahme des Westens auf kleinere Staaten. Deswegen ist es nicht ver-wunderlich, dass nur Entwicklungsländer vor den Ge-richtshof gezerrt werden, kein Bush oder Blair, da sie durch das Vetorecht im Sicherheitsrat unantastbar sind. Auch stellt sich die Frage, warum man über Jahrzehn-te hinweg Gaddafi geduldet hat und heute Assad. Alles scheint reine politische und taktische Verfahrensweise zu sein, bedingt durch wirtschaftliche und strategische Interessen. Lieber akzeptiert man einen Diktator, der sein Volk abschlachtet als ein Unruheherd zu schüren und Unsicherheit in eine strategisch und wirtschaftlich wichtige Region zu bringen? Im Kongo jedenfalls nennt man dies die „Gerechtigkeit nach Art des Westens“. Die Ankläger sind weiß, die Angeklagten schwarz.

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Zudem wird ein faires Verfahren durch den Gerichtshof in Frage gestellt. In dem Punkt steht der IStGH noch am Anfang. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang die mangelnde Transparenz des Verfahrens, in dem alle Unterlagen offengelegt werden, kritisiert. Noch nicht einmal die Verteidigung bekommt volle Einsicht in die Beweise, wie der Fall Lubangas zeigt. Ein weite-rer bedenklicher Punkt ist der Schutz der Zeugen vor Rache anderer Parteien, da es v.a. in afrikanischen Ländern kaum Zeugenschutzprogramme gibt. Drohun-gen gegen belastende Zeugen und nicht selten auch Mordanschläge sind in allen laufenden ICC-Verfahren der Regelfall. Die Folge sind weitere Konflikte in der Gesellschaft und die Anfachung neuer Gewalt. Dies al-les verhindert einen fairen Prozess und darunter leidet die Glaubwürdigkeit des Verfahrens, die Effektivität und die Wirksamkeit des Urteils. Auch die einseitige Untersuchung von Kriegsverbrechen, in der eine Art Siegerjustiz entsteht, wie beim Beispiel Lubangas und der Anklage von Laurent Gbagdo, schürt mehr Gewalt als sie verhindert. Zudem wird die lange Dauer des Verfahrens bemängelt und diese wirkt sich negativ auf die Akzeptanz und Nachhaltigkeit der Verfahren aus, deren Ausgang nicht nur symbolischen Charakter ha-ben soll. Andererseits muss hier angemerkt werden, dass Rechtsstaatlichkeit seine Zeit braucht. Auch ist immer wieder der Vorwurf zu lesen, dass derartige Gerichtsverfahren ein probates Mittel sind, um politi-sche Gegner auszuschalten. Zudem leidet der IStGH v.a. daran, wie damals der Völkerbund, dass wichtige Staaten diesem fernbleiben. Zu den Nationen, die das Statut noch nicht ratifiziert haben, zählen, neben den bereits oben erwähnten USA, China, Russland, Israel, Iran, Pakistan, Irak, Kuba, Nordkorea, Syrien, Saudi-Arabien, Sudan, Türkei, usw. Tschechien hat als letzter europäischer Staat diesen Vertrag 2009 ratifiziert.

Verhinderung von Konflikten durch Präventivmaßnahmen

Allgemein kann gesagt werden, dass Strafverfolgung auf internationaler Ebene eine gutes Mittel darstellt, für mehr Ordnung und Gerechtigkeit im internationa-len System zu sorgen. Um eine langfristige Wirkung zu erzielen, muss neben der Existenz eines ständigen Gerichtshofs, auch der Gerechtigkeit der Opfer von Kriegsverbrechen Rechnung getragen werden. Eine friedliche Transformation nach Konflikten zur Ver-hinderung neuer Brandherde sollte im Vordergrund stehen, um zur Versöhnung von Bevölkerungsgruppen und zu Verhinderung sozialer Spaltung beizutragen, um Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen. Auch eine tiefgreifende Vergangenheitsbewältigung hilft,

weitere Konflikte zu verhindern. Meist fühlt sich eine Seite als Opfer der Siegerjustiz einer anderen. So müs-sen Präventivmaßnahmen (Bau von Schulen, Ausbau der Infrastruktur, Verbesserung der Landwirtschaft, Postkonfliktprogramme, Ausbau einer zentralen und funktionierenden Staatsgewalt) entgegen neuer Völ-kerrechtsverbrechen getroffen werden, denn ein rein symbolischer Akt einer Verurteilung durch den Ge-richtshof greift zu kurz.

Die Frage ist, was bleibt nach dem Urteil übrig? Die wirklichen Ursachen wie Armut, Korruption, Un-gleichheit, Gewalt, Unfreiheit, Chancenungleichheit, schwache staatliche Institutionen, soziale Spaltung, usw. werden nicht bekämpft. Thomas Lubanga ist da nur ein kleiner Fisch.Vielmehr scheint es, dass durch den Prozess bzw. durch die Verurteilung eines Einzel-nen versucht wird, die einfachste Variante zu wählen. Tieferliegende Gründe/Grundprobleme werden ausge-spart bzw. nicht angepackt. Konflikte können nur dann gelöst werden, wenn ein Grundsteine zur besseren Le-bensbedingen geschaffen werden, also soziale, wirt-schaftliche und politische Menschenrechte umgesetzt werden. Es bedarf einer Veränderung des weltweiten kapitalistischen Systems, weg von einer kalten und unsolidarischen Gesellschaft. Die Verurteilung eines Mannes ohne Systemänderung ändert wenig, denn im Hintergrund stehen noch hunderte von Lubangas be-reit, um dessen Platz einzunehmen. Hunger ist eben stärker als Moral, wobei die einen morden und plün-dern, um zu überleben, die anderen tun es, versteckt im Hintergrund, um sich noch mehr zu bereichern. Men-schenrechte kommen folglich nicht von außen, sondern dazu bedarf es innerstaatlicher Solidarität und da kann der IStGH nur eine Hilfestellung geben. Verbrechen re-sultieren aus einem Geflecht von korrupten Politikern, Warlords, Drogenbaronen und militanten Fundamen-talisten. Man kann nicht die Meere leer fischen, wie zum Beispiel an der Küste Somalias und im Golf von Aden, und sich später wundern, warum es auf einmal so viele Piraten gibt, die das bestimmt nicht aus Spaß an der Arbeit machen, sondern weil sie in einem Teu-felskreis gefangen sind, den die westlichen und asiati-schen Industrienationen und Konzerne mit verursacht haben und weiter aufrechterhalten, indem sie gezielt wirtschaftlichen Verbesserungen entgegentreten. Wer den Regen verursacht, sollte sich nicht nachher wun-dern und beschweren, dass es regnet. Das menschliche Wesen ist schließlich ein Abbild und Produkt gesell-schaftlicher Verhältnisse und seiner Umwelt, die das bestehende System selbst erschaffen hat.

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Verband

Die EU und ihre Balkanpolitik„Das größte Problem der eu ist, den balkan in gut und böse zu unterteilen.“

von Simon Kahn-Ackermann & Milos Vujovic

Selbst in Rumänien, das bereits Teil der EU ist, herrscht Unmut über die Verweigerung der Aufnahme in den Schengen-Raum.

Besonders belastend für die Beziehungen ist die Haltung insbesondere konservativer Europapolitiker wie Bernd Posselt, die versuchen den Balkan in ein pro-westliches (katholisches) und pro-russisches (orthodoxes) Lager aufzuteilen, und diese gegeneinander auszuspielen. Dr. Stegherr machte deutlich:„Das größte Problem der EU ist, den Balkan in Gut und Böse zu unterteilen.“

Im zweiten Teil der Veranstaltung entwickelte sich eine rege Diskussion zwischen dem Referenten und den rund 15 TeilnehmerInnen, in der die unterschiedlichen Seiten der Problematiken noch tiefgehender beleuchtet wur-den.

Zuletzt forderte Dr. Stegherr ein Gesamtkonzept für die Weiterentwicklung des Balkans, ohne das die Probleme wie organisierte Kriminalität, überbordende Bürokratie und Korruption, die Folgen der globalen Wirtschafts-krise und die ethnischen Konflikte letztlich nicht gelöst werden könnten.

Doch er warnte auch davor, die Lage zu pessimistisch zu sehen, so habe es in letzter Zeit mehr positive als negati-ve Entwicklungen gegeben. Als Beispiel dafür nannte er die serbische Zusammenarbeit mit dem internationalen Strafgerichtshof, in dem vor kurzem der Prozess gegen den Kriegsverbrecher Ratko Mladic begann.

„Die Europäische Union ist nicht komplett ohne die Staa-ten des westlichen Balkan.“ - Ein Satz, den EU-Vertreter oft bemühen, wenn sie zu Gast in Belgrad, Sarajevo, Ti-rana und anderen Hauptstädten der Region sind. Mit Kro-atien tritt 2013 nach Slowenien der zweite ex-jugoslawi-sche Staat der EU bei. Serbien und das Kosovo befinden sich noch immer im Disput um den endgültigen Status des Landes. Bosnien und Herzegowina befindet sich in einer Dauerkrise. Viele weitere Fragen sind noch immer ungeklärt. Grund genug für den Arbeitskreis Internatio-nales die Region wieder etwas in den Fokus zu rücken.

In seinem Eingangstatement referierte Dr. Marc Stegherr über die aktuelle Lage auf dem Balkan und seine europä-ische Perspektive und ging dabei dezidiert auf die Proble-me ein, die die Beziehung zwischen den Ländern Südost-europas und der EU belasten.

Der größte Risikofaktor ist sicherlich Serbien. So ist Kor-ruption in nahezu allen gesellschaftlichen Ebenen vorhan-den. Durch die andauernde Unterstützung der serbischen Minderheit im Norden des Kosovo, ist der Status des Kosovo bis heute ungeklärt. Hinzu kommt, dass einige Staaten in der EU den Kosovo aus Angst vor den eigenen Unabhängigkeitsbewegungen (z.B. Basken in Spanien) nicht anerkennen wollen. Die EU fürchtet bei zu großem Druck auf die serbische Regierung, diese zu verprellen und in das „russische Lager“ zu drängen.

In Kroatien, trotz Freude über den Beitrittskandidatensta-tus, ist man vewundert darüber, dass die EU Rumänien den Vorzug beim EU-Beitritt gegeben hat. Rumänien, welches, aus kroatischer Sicht, mit viel schwereren Pro-blemen zu kämpfen hat. Aber auch in Kroatien lähmt ein bürokratischer Wasserkopf (28 Anläufe für eine Bauge-nehmigung) die weitere Entwicklung.

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Interview

Franziska Traube, 22 Jahre alt, Studentin der Biochemie

Franziska ist Mitglied der Juso-Hochschulgruppe Mün-chen, hochschulpolitische Referentin des AstA der TU-München und vor allem Vertreterin aller bayerischen Studierenden als Sprecherin der Landes-Asten-Konferenz (LAK). Vor ihrem Studium war sie bei den Jusos Ulm und auf Landesebene in Baden-Württemberg aktiv.

Mal ehrlich: hast du eigentlich noch Zeit für studium und ein bisschen Freizeit?

Naja, man muss relativ gut organisiert sein, wenn man Studium und Hochschulpolitik zufriedenstellend ne-beneinander auf die Reihe bekommen will. Das klappt meistens auch ganz gut. Es gibt halt immer mal wieder Abschnitte, in denen es fast zu viel wird. Aber weil man beides gerne macht, geht es am Ende doch wieder. Die Freizeit ist allerdings wirklich ziemlich knapp bemessen.

Wie kam es dazu, dass du hier in München in die hochschulpolitik eingestiegen bist und auch so schnell viel Verantwortung übernommen hast?

Bevor ich nach München zum Studieren kam, war ich bei den Jusos Baden-Württemberg ziemlich aktiv. Für mich war klar, dass ich mich auch im Studium engagie-ren möchte. Ich hab mir erst einmal verschiedene Sa-chen angeschaut und es hat dann auch fast drei Semes-ter gedauert, bis für mich klar war, dass ich in nächster Zeit vor allem Hochschulpolitik machen möchte. Dass ich mich nicht für ein Engagement zum Beispiel bei den Jusos München entschieden habe, hat wohl auch da-mit zu tun, dass man in den Studierendenvertretungen durch die hohe Fluktuation schnell viel Verantwortung übernehmen kann, wenn man möchte. Der chronische Personalmangel war auch sicher ein Grund, warum ich nach einem Jahr Engagement LAK-Sprecherin wer-den konnte. Der wichtigere Grund ist aber, dass ich sehr viele Personen um mich hatte, aus dem AStA der TUM, der LMU-StuVe und nicht zuletzt aus der Juso-Hochschulgruppe München, die mich gefördert und un-terstützt haben und das natürlich auch noch heute tun.

Was sind aktuell die hauptthemen und Aktionen an denen du und die studierendenvertretungen gerade arbeiten?

Interview Stefan Liebl

Bildung wieder erleben!interview mit LAK sprecherin Franziska Traube

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Interview

Studiengebühren sind nach wie vor ein wichtiges The-ma. Sie werden ja schließlich nicht sozial verträglicher je länger es sie gibt, ganz im Gegenteil. Wir werden also weiterhin gegen die Gebühren angehen. Schwie-rig dabei ist, dass zwar immer noch eine große Mehr-heit der Studierenden gegen die Gebühren ist, aber die lässt sich immer schwerer mobilisieren. Wir müssen also neue Mittel finden, um unseren Studierenden klar zu machen, dass jetzt ein schlechter Zeitpunkt ist, um aufzugeben. Schließlich gibt es auch innerhalb der CSU und FDP Strömungen, die für eine Abschaffung sind, und 2013 sind ja bekanntlich Landtagswahlen. Ich sehe uns als Studierendenvertretungen hier klar in der Verantwortung ganz deutlich zu machen, was wir wollen und welche Partei im Bereich Hochschulpolitik für was steht. Dabei wird dann ziemlich schnell klar, wo große Überschneidungen liegen und wo nicht. Ein Thema, das uns im Moment außerdem beschäftigt, ist die Verfasste Studierendenschaft. Alle Bundesländer haben sie, in Baden-Württemberg wird sie aktuell wie-der eingeführt, nur in Bayern traut man den Studieren-den nicht zu, sich selbst demokratisch zu organisieren, mit Rechtsfähigkeit und Finanzen verantwortungsvoll umzugehen und sich hochschulpolitisch zu äußern. Mit der Staatsregierung ist in diesem Punkt überhaupt nicht zu reden. Frühere Gespräche sind jedes Mal ge-scheitert, weil das Ergebnis solcher Gespräche immer das war, was über die Experimentierklausel im Baye-rischen Hochschulgesetz heute schon möglich ist. Das reicht uns aber nicht, weil das für eine ordentliche Ver-tretung nicht genügt. Wir sind davon überzeugt, dass eine Studierendenvertretung mit mehr Gewicht nicht nur den Studierenden, sondern auch den Hochschu-len zu Gute käme. Deshalb sind wir gerade dabei eine Kampagne für die Wiedereinführung der Verfassten Studierendenschaft zu planen.

Wie siehst du die chancen auf die Durchsetzung der wichtigsten Forderungen der studierenden unter der aktuellen bayerischen Regierung? Was könnte sich unter eine sPD-Regierung ändern?

Unter der aktuellen Regierung ist es fast unmöglich, dass sich etwas bewegt. Aktuell ist ja von der CSU ein Gesetzesentwurf im Parlament, nach dem es zukünftig zwei stimmberechtigte studentische Vertreter/innen in Senat und Hochschulrat geben soll. Das ist ein sehr, sehr kleiner Schritt hin zu mehr studentischer Mitbestim-mung, da es heute über die Experimentierklausel auch schon möglich ist. Von Seiten der CSU wurde uns aber bereits signalisiert, dass es das jetzt erst einmal wieder war. Man hat das Gefühl, sie hören uns überhaupt nicht

mehr zu. Erst loben sie uns für unsere Konstruktivität, aber wenn es dann darum geht, uns mehr Mitsprache zu geben, sind wir wieder ein Haufen, der am liebsten die Hochschulen auseinander nehmen würde.

Mit der SPD haben wir inhaltlich sehr große Über-schneidungen. Ich gehe davon aus, dass unter einer SPD-Regierung sich deshalb sehr Vieles zum besseren wenden würde. Und man würde uns wirklich zuhören und ernsthaft und ergebnisoffen mit uns diskutieren. Das passiert ja auch schon jetzt.

Welchen einfluss hat deine Juso/sPD Mitgliedschaft auf dein engagement, deine Werte und Ziele?

Man sollte Engagement in der Studierendenvertretung meiner Meinung nach nicht mit Parteiengagement ver-wechseln. Aber natürlich ist es so, dass man versucht, auch die anderen von den eigenen Werten und Zielen, die man als Juso hat, zu überzeugen.

Wie können wir Jusos am besten für eine soziale und demokratische hochschule eintreten?

Am besten ist es natürlich, sich aktiv als Jusos in den Studierendenvertretungen zu engagieren. Es bringt re-lativ wenig, nur „unter sich“ zu debattieren, wie eine soziale und demokratische Hochschule auszusehen hat. Man muss andere davon überzeugen und man kann sei-ne Ideen, zumindest solange die SPD nicht in der Re-gierung ist, nun mal am besten einbringen, indem man sich selbst aktiv in den Vertretungen engagiert. Dort hat man es unter Umständen nicht immer leicht, weil man auch einmal alleine mit seiner Meinung dasteht, aber es lohnt sich in jedem Fall.

es leben ca. 100.000 studierende in München. Wo ist auch die sPD-geführte stadtregierung und der stadtrat gefragt sich für ihre belange einzusetzen?

München ist eine sehr teure Stadt. Man muss hier schauen, welche Maßnahmen die Stadt, unabhängig vom Land, ergreifen kann, um es trotzdem allen zu ermöglichen hier zu studieren, auch wenn das Budget knapp ist. Ein Punkt ist hier natürlich der extrem teure ÖPNV. In den letzten Jahren wurde in den Studieren-denvertretungen abgesehen vom Semesterticket relativ wenig auf kommunaler Ebene gemacht, aktuell kommt wieder mehr Dynamik in die Sache.

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Interview

Die Jusos München setzen sich für eine bildungsti-cket für studierende, schülerinnen und Auszubil-dende ein, die Münchner studierendenvertretun-gen für ein bezahlbares semesterticket. Wie siehst du jeweils die chancen und wo sind bisher die größ-ten hemmnisse? Wie kann man am besten zusam-men arbeiten?

Nun ja, ein Bildungsticket wäre natürlich optimal. Der Ausbildungstarif ist ja auch für Schüler/innen und Aus-zubildende eine enorme finanzielle Belastung. Größere Chancen sehe ich aber erst einmal für die Einführung eines Semestertickets in München, auch wenn es da ge-rade nur sehr langsam vorangeht. Bei der Zusammen-arbeit sehe ich keine unüberwindbaren Hindernisse. Alle Gruppen haben schließlich dasselbe Ziel, nämlich einen für Menschen in Ausbildung bezahlbaren ÖPNV für München.

Was sind deine Pläne nach dem studium politisch, privat und beruflich?

Ich würde gerne später in der Forschung arbeiten. Das heißt aber natürlich nicht, dass ich keine Politik mehr machen möchte. Nach dem Studium wird das wahr-scheinlich hauptsächlich in der SPD sein.

Was begeistert dich an der hochschulpolitik? Wo liegt dein Antrieb?

Als Studierende bin ich zunächst einmal unmittelbar betroffen von politischen Entscheidungen im hoch-schulpolitischen Bereich. Das hat zur Folge, dass man sich selbst über viele Sachen schnell eine fundierte Meinung bilden kann und auch darauf hoffen kann, dass die eigene Arbeit nicht einfach als Positionspa-pier in einer Schublade verschwindet. Das Schöne ist auch, dass man sich nicht jahrelang „hocharbeiten“ muss, sondern gleich voll einsteigen kann. Ich bin der Überzeugung, dass eine gerechte Bildungspolitik der Grundstein ist für eine gerechte Gesellschaft. Gute Hochschulpolitik trägt dazu nicht unerheblich bei. Aber meiner Meinung nach sind wir noch lange nicht dort angekommen, wo wir hin wollen. Das dürfte mein größter Antrieb sein.

Du sitzt ja, im Rahmen deiner Tätigkeit als spre-cherin der bayerischen studierenden, auch oft mit Politikerinnen der Regierungsparteien csu/RcDs und FDP/Liberaler campus zusammen. Jetzt mal Klartext: Wie sind die denn so? Warum machen die so eine (hochschul)Politik?

Gerade in der CSU und auch beim RCDS hat man von den Studierendenvertretungen das Bild, dass wir uns mit Bombenbau oder so beschäftigen. Dort wird einem oft nicht einmal ein Mindestmaß an Vertrauen entge-gengebracht. Für mich ist das unverständlich. Schließ-lich wollen wir seit Jahrzehnten konstruktiv mitarbei-ten und tun dies auch. Dazu gehört für mich eben auch, dass man auf die Straße geht, wenn die Missstände zu groß sind und einem sonst niemand zuhört. Meine Er-fahrung ist, dass da Leute den Takt vorgeben, die ge-danklich in den 70ern stecken geblieben sind. Das ist sehr schade, weil so keine sachliche Debatte zu Stande kommen kann. Viele Sachen werden wider besseren Willens gemacht oder auch nicht gemacht, weil sie nicht dem konservativen Bild entsprechen. Warum sich das nicht ändert, kann ich leider auch nicht sagen.Von der FDP bekommt man hingegen außer von Seiten des Ministeriums nicht viel mit. Für mich ist nicht klar, was genau ihre Vorstellung von Hochschulpolitik ist. Auch beim Gesetzesentwurf der CSU waren sie mit dabei, obwohl sie bis vor kurzem noch der Meinung waren, dass die Experimentierklausel in der Richtung genügt.

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Interview

Was wäre deine Vision einer hochschule?

Für eine ideale Hochschule müssten natürlich schon die Voraussetzungen dafür stimmen. Das heißt eine gute Bildungspolitik von der KiTa bis zur Hoch-schule. Alle sollen die Möglichkeit haben, sich opti-mal entwickeln zu können.

Die Hochschulen müssen wieder wegkommen von diesem Bild der schnellen Ausbildungsstätte. Bildung kann man nicht konsumieren, man muss sie erleben. Das heißt nicht, dass man grundsätzlich vom Bache-lor/Mastersystem abrücken muss. Aber es kann nicht das Ziel sein, dass Studierende sich wie das jetzt oft der Fall ist, möglichst viel Wissen in kurzer Zeit an-eignen, nichts mehr hinterfragen, bei der Prüfung gut abschneiden und dann wieder das Meiste vergessen. Kreativität und selbstständiges Denken kommen in den meisten Studiengängen viel zu kurz. Das muss sich ändern, auch wenn viele Studierende heute ein verschultes System wollen, weil es es sehr bequem ist. Das ist aber für mich kein Argument zu sagen, dass man deshalb dabei bleiben sollte.

Wie überall läuft ja sicher auch in den studieren-denvertretungen einiges sehr gut, anderes oK und manches auch schlecht. Was würdest du gerne ver-ändern, wie kann man da ansetzen?

Ich fände es schön, wenn der Großteil der Aktiven in-nerhalb der Studierendenvertretungen sich eingestehen könnte, dass sie eine politische Verantwortung haben. Politik ist schon für manche oder machen innerhalb der Vertretung etwas, mit dem man selbst möglichst wenig zu tun haben will. Wie sollen wir dann „normalen“ Stu-dierenden vermitteln, dass es wichtig ist, (hochschul)politisch zumindest interessiert zu sein?

Und es gibt teilweise eine große Parteienfeindlichkeit in den Studierendenvertretungen. Das ist einerseits verständlich - man will nicht zum Spielball der Par-teien werden. Andererseits gibt die Landespolitik den Rahmen vor und die machen nun einmal Parteien und nicht Studierendenvertretungen. Als parteinahe Hoch-schulgruppe muss man da schauen, dass man nicht nur darauf schimpfst, sondern konsequent mitarbeitet. Und als Studierendenvertretung muss man sich öffnen und klar überlegen, nicht nur was man fordert, sondern auch, wie die Forderung Realität wird.

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Letztes Wort

Niederschwellig wirbt die CSU mit Bierzelten und Partys um junge Mitglieder, sie spielt mit der Nostalgie um ver-meintlich bessere Zeiten, hofiert Adelige und provoziert mit martialischen Thesen. (Zitat Seehofer: „Wir werden uns gegen Zuwanderung in deutsche Sozialsysteme weh-ren - bis zur letzten Patrone“ Aschermittwoch 2011)

Das Konzept ist erfolgreich und ermöglicht ihnen immer stärker, auch auf der Bundesebene Einfluss zu üben. So konnte es der CSU zum Beispiel gelingen der Bundespo-litik ein pseudo-soziales „Betreuungsgeld“ auf zu zwin-gen das letztlich nur dazu dient veraltete Familienbilder wiederzubeleben. Auf allen Ebenen bläst die CSU zum Generalangriff auf die pluralistische Gesellschaft.

Wie sehr die CSU selbst in die rechtsradikale Szene ver-strickt ist, ist schwer zu sagen, klar ist aber, dass nur oberflächlich Berührungsängste herrschen. Am Volks-trauertag 2011 erschien zum Beispiel der bayerische Innenminister, zu einer Kranzniederlegung, die von der „Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger“ und der ultrarechten Burschenschaft „Danubia“ besucht wurde.

Wir beobachten diese Entwicklung mit äußerster Sorge. Doch leider versagt auch hier der Verfassungsschutz.

Und immer wieder die Extremismustheorie

Wir, als Jusos in der SPD, beobachten mit großer Sorge den wachsenden Einfluss von radikalen Orga-nisationen wie der CSU. Die sogenannte „Christlich-Soziale“ Union ist ein gefährliches Sammelbecken für Kräfte des rechten Spektrums. Nicht umsonst erinnert ihr Name an die Partei, die 1933 in Österreich einen faschistischen Ständestaat eingeführt hatte.

Dass antidemokratisches Gedankengut auch heute in der CSU weitverbreitet ist, zeigt sich unter anderem in den Worten des deutschlandweit berüchtigten CSU Mitglieds Hans-Peter Friedrich, der im Januar die NPD mit einer demokratischen Partei (die Linke) gleichgesetzt hat.

An Fakten und Argumenten scheinen sich die „Christlich-Sozialen“ dabei kaum zu stören, sondern verkünden stur weiter ihre sogenannte Extremismustheorie. Das macht rechte Ideologien öffentlichkeitstauglich. Es gilt das Mot-to: „Für jeden Linken soll es auch einen Rechten geben!“

Die Propaganda sickert langsam in die Köpfe und findet besonders in den ländlichen Regionen Bayerns Rückhalt. Dort sind die anderen Parteien oft abgezo-gen oder gar nicht vorhanden. Ein idealer Nährboden also für rückwärtsgewandte konservative Ideologien.

von Tim Hall

flickr/nolifebeforecoffee☆

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