letale spätfolgen nach einbau von 32p in amoeba proteus und ihre

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This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution 4.0 International License. Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht: Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz. Letale Spätfolgen nach Einbau von 32 P in Amoeba proteus und ihre Deutung durch genetische Untereinheiten Von H. FRIEDRICH-FREKSA und F. KAUDEWITZ Aus dem Max-Planck-Institut für Biochemie, Tübingen (Z. Naturforsdig. 8 b, 343—355 [1953]; eingegangen am 15. Mai 1953) Herrn Professor A. B ut e n an dt zum 50. Geburtstag gewidmet An einem unter konstanten Bedingungen gezüchteten Klon von Amoeba proteus wurden die letalen Folgen nach Einbau von 32 P im Laufe der Zellgenerationen untersucht. Es war möglich, die Einzelzelle mit 0,01 p C 32 P zu markieren, ohne dadurch ihre Beweglichkeit, Nah- rungsaufnahme und Teilungsfähigkeit zunächst zu beeinträchtigen. Durch anfängliche Haltung der markierten Zellen bei niedriger Temperatur konnte die Zellteilung so lange verzögert werden, bis der größte Teil des 32 P zerfallen war. 29 362 unter Normalbedingungen weiter gezüchtete Nachkommen dieser Zellen wurden während 100 aufeinanderfolgender Zell- generationen beobachtet. Dabei traten Letale auf, deren Prozentsatz in Abhängigkeit von der Generationenzahl eine zweigipfelige Kurve ergab. Das erste Maximum mit 2,7% (o Spanne: 1,7—4,1%) liegt in der 5. Zellgeneration, das zweite mit 4,6% (o Spanne: 3,3—6,3%) in der 31. Zellgeneration. Beide sind durch ein in der 10. Generation befindliches Minimum von 0,7% ö Spanne: 0,4—1,2%) getrennt. Ebenfalls der anfänglichen Kältebehandlung ausgesetzte Kon- trollkulturen wiesen eine Letalität unter 0,1% auf (3 a Spanne: 0,005—0,6%). In einer weiteren Kontrollkultur wurde die Strahlenwirkung des 32 P untersucht, ohne daß dieser von der Zelle aufgenommen werden konnte. Dabei trat ein Letalitätsverlauf auf, der dem ersten Gipfel und dem nachfolgenden Minimum nach Aufnahme radioaktiven Phosphors durch die Zelle ent- spricht. Der zweite Anstieg der Letalität mit dem Maximum in der 31. Zellgeneration wird somit durch den Einbau und Zerfall des radioaktiven Phosphors verursacht. Der Verlauf dieses Astes der Letalitätskurve konnte unter der Annahme gedeutet werden, daß ein Chromosom aus 16 Elementarfibrillen als den Trägern der kleinsten noch mutationsfähigen genetischen Einheiten besteht, von denen höchstens eine durch den 32 P-Zerfall gesdiädigt wird. Für die Häufung der geschädigten Elementarfibrillen in einzelnen Zellen läßt sidi unter der Annahme statistischer Verteilung ein Maximum der Letalität in der 35. Zellgeneration errechnen. I n den letzten Jahren mehren sich Anhaltspunkte dafür, daß Chromosomen aus gleichartigen Unter- einheiten zusammengesetzt sind. Nach der cytologi- schen Untersuchung bestehen Metaphasechromoso- men verschiedener höherer Pflanzen aus mindestens 4, wahrscheinlich aus mindestens 8 Längselementen 1 . Danach sollte man erwarten, daß ein Gen ebenso in gleichartige Untereinheiten unterteilt sein kann, und unter bestimmten Umständen müßte sich dieses Bau- prinzip auch im genetischen Verhalten äußern. Ein Hinweis in dieser Richtung sind die Versuchsergeb- nisse von A u e r b a c h und V o g t 2 über das ge- steigerte Auftreten von Mosaikmutanten nach Ein- wirkung von mutagenen Stoffen im Vergleich zu 1 H. M a r q u a r d t , Naturwiss. 37, 416 [1950]. 2 Ch. A u e r b a c h , Publ. Staz. Zool. Napoli 22 (Suppl.), 1 [1950]; Cold Spring Harbor Sympos quantitat. Biol. 16, 191 [1951]; M. V o g t, Publ. Staz. Zool. Napoli 22 (Suppl.), 114 [1950]; Z. indukt. Abstammungs - Ver- erbungslehre 83, 341 [1950], Röntgenstrahlen bei Drosophila. A u e r b a c h hatte vermutet, daß die Mosaikmutanten durch Erzeugung eines labilen Zustands des betreffenden Gens hervor- gebracht werden, der erst einige Zeit nach der Ein- wirkung des mutagenen Stoffes zu einer bestimmten Mutation umschlägt. Demgegenüber deutete Vogt diese Befunde so, daß mutagene Stoffe im Vergleich zu Röntgenstrahlen häufiger an Untereinheiten des Chromosoms angreifen können. Die Folgen dieser Wirkung treten dann erst im Laufe einiger Zell- teilungen zutage, wenn durch Segregation die mutier- ten und die nicht mutierten Untereinheiten sich ungleichartig auf die Folgezellen verteilen. In diesem Zusammenhang müssen die Versuche von Henke und P o h 1 e y 3 ' 4 erwähnt werden, welche die Folgen der Einwirkung von Röntgenstrahlen auf somatische 3 K. H e n k e u. H. J. P o h 1 e y , Z. Naturforsdig. 7 b, 65 [1952], 4 H. J. P o h l e y , Naturwiss. 40, 146 [1953],

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Page 1: Letale Spätfolgen nach Einbau von 32P in Amoeba proteus und ihre

This work has been digitalized and published in 2013 by Verlag Zeitschrift für Naturforschung in cooperation with the Max Planck Society for the Advancement of Science under a Creative Commons Attribution4.0 International License.

Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschungin Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung derWissenschaften e.V. digitalisiert und unter folgender Lizenz veröffentlicht:Creative Commons Namensnennung 4.0 Lizenz.

Letale Spätfolgen nach Einbau von 32P in Amoeba proteus und ihre Deutung durch genetische Untereinheiten

V o n H . F R I E D R I C H - F R E K S A u n d F . KAUDEWITZ

Aus dem Max-Planck-Institut für Biochemie, Tübingen (Z. Naturforsdig. 8 b, 343—355 [1953]; eingegangen am 15. Mai 1953)

Herrn Professor A. B ut e n an dt zum 50. Geburtstag gewidmet

An einem unter konstanten Bedingungen gezüchteten Klon von Amoeba proteus wurden die letalen Folgen nach Einbau von 32P im Laufe der Zellgenerationen untersucht. Es war möglich, die Einzelzelle mit 0,01 p C 32P zu markieren, ohne dadurch ihre Beweglichkeit, Nah-rungsaufnahme und Teilungsfähigkeit zunächst zu beeinträchtigen. Durch anfängliche Haltung der markierten Zellen bei niedriger Temperatur konnte die Zellteilung so lange verzögert werden, bis der größte Teil des 32P zerfallen war. 29 362 unter Normalbedingungen weiter gezüchtete Nachkommen dieser Zellen wurden während 100 aufeinanderfolgender Zell-generationen beobachtet. Dabei traten Letale auf, deren Prozentsatz in Abhängigkeit von der Generationenzahl eine zweigipfelige Kurve ergab. Das erste Maximum mit 2,7% (o Spanne: 1,7—4,1%) liegt in der 5. Zellgeneration, das zweite mit 4,6% (o Spanne: 3,3—6,3%) in der 31. Zellgeneration. Beide sind durch ein in der 10. Generation befindliches Minimum von 0,7% ö Spanne: 0,4—1,2%) getrennt. Ebenfalls der anfänglichen Kältebehandlung ausgesetzte Kon-trollkulturen wiesen eine Letalität unter 0,1% auf (3 a Spanne: 0,005—0,6%). In einer weiteren Kontrollkultur wurde die Strahlenwirkung des 32P untersucht, ohne daß dieser von der Zelle aufgenommen werden konnte. Dabei trat ein Letalitätsverlauf auf, der dem ersten Gipfel und dem nachfolgenden Minimum nach Aufnahme radioaktiven Phosphors durch die Zelle ent-spricht. Der zweite Anstieg der Letalität mit dem Maximum in der 31. Zellgeneration wird somit durch den Einbau und Zerfall des radioaktiven Phosphors verursacht. Der Verlauf dieses Astes der Letalitätskurve konnte unter der Annahme gedeutet werden, daß ein Chromosom aus 16 Elementarfibrillen als den Trägern der kleinsten noch mutationsfähigen genetischen Einheiten besteht, von denen höchstens eine durch den 32P-Zerfall gesdiädigt wird. Für die Häufung der geschädigten Elementarfibrillen in einzelnen Zellen läßt sidi unter der Annahme statistischer Verteilung ein Maximum der Letalität in der 35. Zellgeneration errechnen.

In den letzten Jahren mehren sich Anhaltspunkte dafür, daß Chromosomen aus gleichartigen Unter-

einheiten zusammengesetzt sind. Nach der cytologi-schen Untersuchung bestehen Metaphasechromoso-men verschiedener höherer Pflanzen aus mindestens 4, wahrscheinlich aus mindestens 8 Längselementen1. Danach sollte man erwarten, daß ein Gen ebenso in gleichartige Untereinheiten unterteilt sein kann, und unter bestimmten Umständen müßte sich dieses Bau-prinzip auch im genetischen Verhalten äußern. Ein Hinweis in dieser Richtung sind die Versuchsergeb-nisse von A u e r b a c h und V o g t 2 über das ge-steigerte Auftreten von Mosaikmutanten nach Ein-wirkung von mutagenen Stoffen im Vergleich zu

1 H. M a r q u a r d t , Naturwiss. 37, 416 [1950]. 2 Ch. A u e r b a c h , Publ. Staz. Zool. Napoli 22

(Suppl.), 1 [1950]; Cold Spring Harbor Sympos quantitat. Biol. 16, 191 [1951]; M. V o g t , Publ. Staz. Zool. Napoli 22 (Suppl.), 114 [1950]; Z. indukt. Abstammungs - Ver-erbungslehre 83, 341 [1950],

Röntgenstrahlen bei Drosophila. A u e r b a c h hatte vermutet, daß die Mosaikmutanten durch Erzeugung eines labilen Zustands des betreffenden Gens hervor-gebracht werden, der erst einige Zeit nach der Ein-wirkung des mutagenen Stoffes zu einer bestimmten Mutation umschlägt. Demgegenüber deutete V o g t diese Befunde so, daß mutagene Stoffe im Vergleich zu Röntgenstrahlen häufiger an Untereinheiten des Chromosoms angreifen können. Die Folgen dieser Wirkung treten dann erst im Laufe einiger Zell-teilungen zutage, wenn durch Segregation die mutier-ten und die nicht mutierten Untereinheiten sich ungleichartig auf die Folgezellen verteilen. In diesem Zusammenhang müssen die Versuche von H e n k e und P o h 1 e y 3 ' 4 erwähnt werden, welche die Folgen der Einwirkung von Röntgenstrahlen auf somatische

3 K. H e n k e u. H. J. P o h 1 e y , Z. Naturforsdig. 7 b, 65 [1952],

4 H. J. P o h l e y , Naturwiss. 40, 146 [1953],

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Zellen bei Ephestia durch unabhängig voneinander mutierende Untereinheiten deuten. Frühere Betrach-tungen über subgenes, etwa bei den scute-Allelen, gehören nicht in diesen Zusammenhang, weil es sich hier nicht um nebeneinander liegende, sondern in der Längsrichtung des Chromosoms angeordnete Untereinheiten handelt.

Bei den mutagenen Stoffen ist die verzögerte Wir-kung nur als Nebeneffekt der unverzögerten Muta-tionswirkung zu beobachten. Wenn eine Einwir-kungsart gefunden werden könnte, die vorzugsweise eine verzögerte Auswirkung hervorruft, so sollte es leichter möglich sein, die Ursache dieser Erscheinung zu untersuchen. Es schien denkbar, daß durch den Einbau von radioaktivem 32P in die Chromosomen eine solche Wirkung erzielt werden könnte, denn eine Reihe von Gründen spricht dafür, daß die Desoxy-ribosenucleinsäure (DNS) Genbestandteil ist5. Wenn ein normales P-Atom an einer Stelle der DNS, die für die Genwirksamkeit erforderlich ist, durch radio-aktiven P ersetzt wird, so entsteht durch den Zerfall des 32P-Atoms an diesem Ort ein S-Atom und die Nucleinsäurekette wird vermutlich durch die Energie des Zerfalls an der Stelle des Einbaues unterbrochen. Da nach der Markierung unter Tausenden von nor-malen P-Atomen höchstens ein radioaktives vor-kommt, so ist es praktisch unmöglich, daß bei be-nachbarten Untereinheiten des Chromosoms der Einbau eines P-Atoms gerade an der gleichen Stelle des DNS-Moleküls erfolgen kann. Demnach sollte hier eine Einwirkungsart vorhanden sein, die sich nur in einzelnen Untereinheiten, aber nicht gleich-mäßig im ganzen Querschnitt des Chromosoms aus-wirken kann. Zwar ist beim radioaktiven P neben der Zerfallswirkung noch die Strahlenwirkung vorhan-den, durch geeignete Kontrollen läßt sich diese jedoch von der Wirkung des Zerfalls trennen, wie das bei Bacteriophagen bereits durchgeführt wurde6.

Zur experimentellen Prüfung dieses Gedankens müssen Zellen3 gewählt werden, die sich möglichst hoch mit radioaktivem Phosphor markieren lassen, und bei denen sich die Nachkommen der einzelnen Zellen verfolgen lassen. Diese Gesichtspunkte führten zur Wahl großer Einzeller als Versuchsobjekte. Wir wählten Amoeba proteus, weil wir bereits durch Ver-suche mit anderer Fragestellung gefunden hatten7 ,

5 Vgl. A. B u t e n a n d t , Naturwiss. 40, 91 [1953]. e A. D. H e r s h e y , M. D. K a m e n , J. W. K e n -

n e d y u. H. G e s t , J. gen. Physiol. 34. 305 [1951], 7 H. F r i e d r i c h - F r e k s a u. F. K a u d e w i t z ,

Z. Elektrochem. 55, 575 [1951].

daß einzelne Zellen sich bis zu einer Aktivität von mehreren tausend Impulsen/Minute markieren las-sen, ohne zunächst Schädigungen aufzuweisen. Außer-dem hatte sich ergeben, daß in etwa 4 Zellgeneratio-nen nicht mehr als 10% des aufgenommenen P wieder abgegeben wird. An Amoeba proteus lassen sich freilich nicht bestimmte Mutationen untersuchen. Es schien aber denkbar, die Möglichkeit des Auftretens von Letalmutationen dadurch nachzuweisen, daß man die Nachkommen markierter Zellen in Einzelkultur fortlaufend beobachtet. Zur Untersuchung der Folgen des 32P-Zerfalls in der einzelnen Zelle war es nötig, die Teilung der markierten Zelle durch niedrige Tem-peratur zunächst zu verzögern, bis der Phosphor zum größten Teil zerfallen war. Unter den gleichen Be-dingungen mußten natürlich Kontrollen gehalten werden, welche die Gewähr dafür boten, daß die zu erwartenden letalen Folgen nicht schon durch die Kulturbedingungen verursacht werden. Über spon-tane Letalität bei Einzellern ist unseres Wissens nichts bekannt. Wir fanden unter 2000 beobachteten Tieren nur eine Letale, und da in einer anderen Kontrolle ohne Kälteeinwirkung ebenfalls eine Letale unter 1000 Tieren gefunden wurde, so halten wir es für möglich, daß es sich hier um die spontane Letali-tätsrate handelt. Die genannte Größenordnung der Letalität entspricht derjenigen, welche man nach dem genetischen Verhalten mehrzelliger Organismen er-warten könnte.

M a t e r i a l u n d M e t h o d e

Z u c h t t e c h n i k : Aus einer am Zoologischen Insti-tut der Universität Tübingen gehaltenen Massenzucht von Amoeba proteus wurden einzelne Individuen isoliert*, um als Muttertiere von Klonen zu dienen. Mit einem auf diese Weise gewonnenen Klon N wurden alle Versuche durchgeführt. Die Züchtung der einzelnen Individuen er-folgte bei 20° C (± 0,05°) in 5 ccm Chalkley-Lösung (NaCl 0,19; KCl 0,0049; CaCl2 0,0069; H.O 1000) in Boveri-Schälchen aus Neutralglas. Als Futter wurde Paramaecium bursaria des Klones B t aus dem Max-Planck-Institut für Biologie, Abt. K ü h n , verwendet**. Die Paramaecien-Konzentration wurde auf 200—300 je Amöbe gehalten. Unter diesen Bedingungen betrug die durchschnittliche Generationsdauer der Amoeben 45 Stdn. 10 Minuten. Die Größe der Schwankung um den Mittel-wert wird durch folgende Zahlen beschrieben: 80% von 216 Amöben teilten sich nach einer Generationsdauer zwi-schen 44 Stdn. 10 Min. und 46 Stdn. 10 Minuten. Der

* Wir danken Frl. H u n g e r für die freundliche Über-lassung der Stammkultur.

** W7ir danken Herrn Dr. S c h w a r z für die freund-liche Überlassung der Stammkultur.

Page 3: Letale Spätfolgen nach Einbau von 32P in Amoeba proteus und ihre

Generation gesund letal letal °!o gleitendes Mittel über 5 Generationen

1 o

4 o

— —

A 3

o 16 2,9

4 31 1 2,5 5 45 1 3,0 6 59 1 2,6 7 49 2 1,9 8 46 — 1,5 9 67 — 1,4

10 44 1 0,8 11 71 1 0,8 12 126 1 1,2 13 88 — 1,2 14 72 2 1,5 15 63 1 1,7 16 60 2 2,1 17 70 1 1,6 18 68 1 1,9 19 56 — 1,3 20 61 2 1,3 21 57 — 2,0 22 59 1 2,3 23 115 4 2,5 24 62 1 3,2 25 106 4 3,3 26 64 3 3,7 27 48 1 —

30 43 1 31 79 2 4,6 * 32 73 6 —

44 61 1 45 84 1 —

43 143 3 1,7 46 71 1 2,0 47 62 1 2,1 48 85 3 2,0 49 71 1 2,1 50 61 1 2,4 51 95 2 1,9 52 69 2 2,1 53 77 1 —

90 504 1 91 1006 4 —

92 2004 4 0,32 93 504 2 0,32 94 1004 5 0,30 95 1998 6 0,32 96 504 1 0,31 97 1006 2 0,28 98 2008 6 0,26 99 594 2

0,26

100 1004 2 —

* Mittel aus 3 Generationen

Tab. 1 a (Legende siehe unter Tab. 1 b)

Gen

erat

ion

gesu

nd

leta

l

leta

l °/o

M

1 Ö

utungsgren

2 o

zen

3 a

12— 20 23— 27 30— 32 43— 53 90—100

664 395 195 879

12000

10 13 9

17 35

1,505 3,29 4,62 1,94 0,292

1,1 —2,1 2,5 —4,3 3.4 —6,3 1.5 —2,5 0,25—0,35

0,8 —2,8 1,95—5,6 2,4 —8,6 1,2 —3,1 0,21—0,41

0,6 — 3,8 1,5 — 7,1 1,8 —11,35 0,95— 3,95 0,18— 0,48

Tab. 1 b

97%-Wert lag zwischen 43 Stdn. 30 Min. und 47 Stdn. 29 Min. Die gesamte Variationskurve ist in Abb. 3 dar-gestellt. In künstlich hervorgerufenem abgekugeltem Zu-stande betrug der Radius der Amöbenzelle 90—125 /u,

Tab. 1. Beobachtete Anzahl von Letalen unter den Nach-kommen 32p_haltiger Mutterzellen während der 12. bis 100. Generation und ihr prozentualer Anteil als gleitendes

Mittel pro Generation.

einem Volumen von 3000000 bis 8000000 ^ entspre-chend. Bei der normalerweise in kriechender Bewegung eingenommenen Gestalt bedeckte das Einzeltier eine Fläche von 40000 bis 100000 ^ .

K o n t r o l l k u l t u r : Eine Amöbe des Klons N wurde 28 Tage lang bei 11° C gezüchtet, wobei jeweils nadi 7 Tagen die Kulturflüssigkeit erneuert und der ganze Ver-suchsansatz 6—8 Stdn. auf 20° C erwärmt wurde. Nach 20 Tagen fand eine Teilung statt. Etwa 1800 Nadikom-men dieser Amöbe wurden in 21 aufeinanderfolgenden Generationen beobachtet und der regelmäßige Ablauf der Teilungen festgestellt. Nur einmal, in der 14. Generation, starb eines der Tiere. Während die Schwesterzelle sich bereits geteilt hatte, nahm die später sterbende Amöbe weiterhin Nahrung auf und vergrößerte sich dabei bis auf etwa das 5-fache ihres Ausgangsvolumens. Die Lebens-dauer betrug bis dahin 6 Tage. Dann wurde die Nah-rungsaufnahme eingestellt, während die Amöbe weiterhin lebhaft umherkroch. Nach etwa einem Tag verschwanden die zahlreichen Pseudopodien und die Amöbe nahm Band-form an, um sich schließlich wenige Stunden danach ab-zukugeln. In diesem Zustand verharrte sie bis zum 10. Tag, an dem ihre Auflösung begann. 2 Tage danach war sie in einzelne Flocken zerfallen. Die Kulturflüssigkeit war während dieser Zeit zweimal erneuert worden, wobei auch das Kulturschäldien gewechselt wurde. Die im Kon-trollversuch beobachtete Letalität betrug somit 0,05% (Mutungsgrenzen 3 a: 0,0056% bis 0,606%)«. Der niedrige Prozentsatz der beobachteten Letalität erlaubt die Ver-mutung, daß die zum Absterben führende Schädigung endogenen Ursprungs ist. Dafür spricht auch der Ver-gleich mit Paramaecium aurelia. Dort liegt (nach eigenen unveröffentlichten Beobachtungen) die Spontanletalität in der gleichen Größenordnung. Die im Kontrollversuch an-gewendete Kältebehandlung bedingt offenbar in der be-schriebenen Form weder sofort noch als Spätwirkung er-kennbar werdende Schädigungen.

8 H. v. S c h e l l i n g , Arbeiten staatl. Inst. exp. The-rap. Frankfurt a. M. 37, 28 [1939].

Page 4: Letale Spätfolgen nach Einbau von 32P in Amoeba proteus und ihre

M a r k i e r u n g m i t r a d i o a k t i v e m P h o s p h a t

V e r s u c h s a n o r d n u n g : Zu Chalkley-Lösung wurde so viel radioaktiver Phosphor als anorganisdies Phosphat-Ion zugefügt, daß die Radioaktivität im ccm 1,9 pC betrug. Bei der Geometrie des verwen-deten Geiger - Müller - Zählrohres bedeutete das 89 000 Impulse/ccm/sec. In diese Lösung wurde eine Amöbe des Klones N mit etwa 300 Einzeltieren des Paramaecium bursaria Klones B t gegeben. Die Amöben teilten sich regelmäßig weiter, so daß nach 7 Tagen 8 Individuen als Geschwistertiere der 4. Gene-

tet. Bis zur 4. Generation kamen alle Nachkommen von A, B, C und D zur Beobaditung. In der 5. Gene-ration wurden nur noch die Nachkommen von A, B und C, in der 6. Generation diejenigen von A und B und von der 7. Generation ab nur noch die von A, ebenfalls stets in Einzelzucht, protokolliert. Die Radioaktivität der einzelnen Amöbe der 7. Genera-tion betrug noch etwa 5 Impulse/min (Tab. 1). Die Beobachtung von Nachkommen der Amöbe A erfolgte schließlich bis zur 100. Generation. Zur Vereinfachung der experimentellen Durchführung wurde der Stamm nur in einzelnen Perioden in einer größeren Anzahl

ration vorlagen. Die mit dem Geiger-Müller-Zähler an der einzelnen lebenden Zelle gemessene Radio-aktivität betrug 4500 bis 5000 Impulse/min oder 0.0096 bis 0,0103 Mikrocurie. Zwei dieser Amöben wurden einzeln in je ein Boveri-Schälchen mit 5 ccm (nicht radioaktiver) Chalkley-Lösung überführt, das jeweils Paramaecium bursaria in ausreichender Menge enthielt, und bei 11° C weitergezüchtet. Wie im Vor-versuch wurde dabei ebenfalls die Kulturflüssigkeit stets nach 7 Tagen gewechselt und 6—8 Stdn. auf 20° C erwärmt. Die eine Amöbe teilte sich nach 19, die andere nach 22 Tagen. Die so entstandenen zwei Tochtertierpaare sind das Ausgangsmaterial für die folgenden Beobachtungen. Sie werden daher als 1. Generation bezeichnet und mit A, B, C und D be-nannt. Ihre Radioaktivität schwankte zwischen 920 und 650 Impulsen/min als Wert für die einzelne Zelle. Nach 28-tägigem Aufenthalt bei 11 C wurde die Temperatur auf 20° C erhöht und bei reichlicher Fütterung mit Paramaecium bursaria weitergezüch -

von Individuen, in den dazwischen liegenden Zeit-räumen dagegen nur aus wenigen Einzeltieren be-stehend, weitergezüchtet. Die Protokollierung einer großen Individuenzahl erfolgte zwischen der 1.—27., 30.—32., 4 3 . - 5 3 . und 90.—100. Generation. Im letzten Falle wurde in Massenkulturen von 500 bis 2000 Individuen gezüchtet, um bei der geringen Höhe der Letalität der Generationen eine für die statistische Sicherung des Ergebnisses ausreichende Anzahl von Tieren beobachten zu können. Die Zucht-bedingungen waren die gleichen wie im Kontroll-versuch. Alle zwischen der 1. und 53. Generation be-obachteten Amöben wurden schließlich an Hand der Beobachtungsprotokolle in einem Stammbaum dar-gestellt, aus dem Abb. 1 einen kleinen Ausschnitt gibt.

B e o b a c h t u n g e n u n d E r g e b n i s s e

Die Beobachtungen sollten in den einzelnen Gene-rationen den Prozentsatz der Letalen ermitteln. Dazu

Page 5: Letale Spätfolgen nach Einbau von 32P in Amoeba proteus und ihre

mußte neben der Zahl der Letalen auch die Anzahl der zugehörigen gesunden Tiere einer jeden Gene-ration festgestellt werden. Als „gesund" wurden Amöben nur dann protokolliert, wenn sie teilungs-fähig waren. Der Protokollvermerk bezog sich also stets auf das Muttertier zweier Tochtertiere. Um die Letalwirkung sicherzustellen, wurde eine Amöbe nur dann als „letal" bezeichnet, wenn ihr Absterben und völliger Zerfall beobachtet werden konnten. Hatte eine Amöbe die durchschnittliche Generationsdauer be-trächtlich überschritten, so durfte darin ein Anzeichen der Letalität vermutet werden. Eine solche Amöben-

10 20 30 W 50 60 70 80 90 100 Generation »•

Abb. 2. Prozentuale Verteilung der Letalen in Abhängig-keit von der Generationszahl nadi Beendigung der Auf-nahme von radioaktivem Phosphat. Die eingezeichneten

Mutungsgrenzen betragen ± 1 o.

zelle wurde stets in Einzelkultur weitergezüchtet. Die Art des Absterbens war in den meisten Fällen sehr charakteristisch. Es ließen sich dabei zwei Typen unterscheiden, welche in annähernd gleicher Zahl auf-traten. Entweder nahm die Amöbe nach der Teilung noch 1—2 Tage Futter auf, ohne jedoch die Teilungs-größe zu überschreiten. Danach wurde die Nahrungs-aufnahme eingestellt, die Zelle kugelte sich ab und verharrte so mehrere Tage, bis sie schließlich 6 bis 8 Tage nach der Teilung zerfiel. Der zweite Typ ähnelte sehr der Art, in welcher die Spontanletale des Kontrollversuchs abgestorben war. Hier wurde die Nahrungsaufnahme auch nach Erreichen des Tei-lungsalters und der Teilungsgröße fortgeführt. Die daraus sich ergebende Volumenvergrößerung er-reichte im Maximum nahezu das 20-fache des Nor-malen. Erst nach 5—6 Tagen kam es zur Einstellung der Nahrungsaufnahme, wobei jedoch die Beweglich-keit der Zelle noch mehrere Tage unter Ubergang zur Bandform erhalten blieb. Nach 8—10 Tagen er-

folgten Abkugelung und bald darauf Zerfall des Zell-leibes.

Der Prozentsatz der Letalen in den einzelnen Generationen wurde zur Feststellung des gleitenden Mittels9 von 5 aufeinanderfolgenden Generationen benutzt und der so erhaltene Wert in ein Koordi-natensystem eingetragen, auf dessen Abszisse die Zahl der Generationen und auf dessen Ordinate der

-

-

-

J» /' / /

- / 1 1 1

k \ \ \ \

1 1 - /

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^ 1

\ \ \ A V ^

k i U LA I 21 % 72 96 120 m 168

Stunden —

Abb. 3. Ausgezeichnete Kurve: Generationsdauer der Indi-viduen einer Normalkultur von Amoeba proteus, Stamm N. Unterbrodien gezeichnete Kurve: Generationsdauer inner-halb des Verwandtschaftskreises von 3 Generationen vor und nadi Auftreten einzelner Letaler. Die Letalen waren

als Spätfolgen der Aufnahme von 32P aufgetreten.

prozentuale Anteil der Letalen abgetragen war. Wer-den die Punkte miteinander verbunden, so entsteht eine Kurve, welche zwei Maxima zeigt (Abb. 2). Das erste liegt mit 2 ,8% in der 5. Generation, das zweite mit 4 ,7% in der 31. Generation. Beide sind durch eine tiefe und breite Einsattelung voneinander ge-trennt, deren Minimum mit 0 ,8% in der 10. und 11. Generation liegt. Der Vergleiclj mit der unter Nor-malbedingungen erhaltenen Kontrolle ergibt somit eine significante Erhöhung der Anzahl der Letalen als Spätivirkung viele Generationen nach der Auf-nahme von 32P.

9 H. H o s e m a n n , Die Grundlagen der statistischen Methoden für Mediziner u. Biologen, Stuttgart 1939.

90

$ 80

70

60

50

HO

30

Page 6: Letale Spätfolgen nach Einbau von 32P in Amoeba proteus und ihre

Letalität ist der Extremfall der Wirkung einer Schädigung. Die ihr vorausgehenden weniger star-ken Schäden können an der Veränderung eines an-deren Merkmals der Amöbenzelle erkannt werden. Unter Normalbedingungen ist ihre Generationsdauer sehr konstant. Anders verhält sich dies innerhalb eines Stammbaums, dessen Ausgangszelle 32P auf-genommen hat. In der näheren Verwandtschaft der dabei auftretenden Letalen weicht die Generations-dauer beträchtlich von der Norm ab (Abb. 3). Die Abweichung tritt jedoch nur wenige Generationen vor einer Letalen und ebenfalls nur wenige Genera-tionen unter den Nachkommen der Schwesterzelle der Letalen auf. Danach findet eine Rückkehr zur Norm statt.

K o n t r o l l e n

B e s t r a h l u n g m i t 3äP: Um die significante Erhöhung der Letalität als Folge der Aufnahme des 32P auf den Einbau und Zerfall radioaktiver Phos-phor-Atome zurückführen zu können, mußten Begleit-faktoren der 32P-Aufnahme auf ihre Bedeutung für die mögliche Erzeugung von verzögert auftretenden Letalen untersucht werden. Beim radioaktiven Zer-fall des 32P entsteht eine ^-Strahlung. Ihre Wirkung wurde zunächst geprüft.

M e t h o d e d e r B e s t r a h l u n g : Eine Lösung, weldie 0,63 mC 32P als Phosphat enthielt, wurde auf einer Metallplatte eingedampft, so daß sie eine kreisförmige Fläche von 12 mm im Durehmesser gleichmäßig bedeckte. Auf eine wenige u dicke, sorgfältig gereinigte Glimmer-platte wurde ein Glasstutzen von 20 mm Höhe und 12 mm Außendurchmesser mit Paraffin befestigt und die Glim-merplatte so auf das Strahlungspräparat gelegt, daß der Stutzenboden sich über der mit 32P beschickten Zone be-fand. Messungen hatten ergeben, daß die Absorption der vom 32P ausgehenden Strahlung durch die Glimmerplatte unterhalb 1% lag. Der Stutzen wurde mit Chalkley-Lösung gefüllt und mit 5 Amöben des Klones N be-schickt, die sofort zu Boden sanken und auf der Glimmer-fläche umherkrochen. In dieser Anordnung (Abb. 4) war den Amöben somit die Aufnahme des 32P unmöglich, während trotzdem die /^-Strahlung auf sie einwirkte.

Die Bestrahlungsdosis betrug für jede der Amöben ungefähr den zehnfachen Wert derjenigen, die im vor-hergehenden Versuch während der gesamten Versuchs-dauer auf die einzelne Amöbe eingewirkt hatte. Deren Berechnung wurde in folgender Weise durchgeführt: Während der Kältebehandlung sank innerhalb von 22 Ta-gen die Aktivität der einzelnen Amöbenzelle von un-gefähr 5000 auf 1600 Impulse/min. Der Durchschnittswert unter Berücksichtigung des exponentiellen Abfalls ist so-mit 3000 Impulse/min. Nach erfolgter Teilung veränderte sich die Aktivität während der folgenden 8 Tage von 750 auf 550 Impulse/min (Durdischnittswert 645 Im-

pulse/mirt). Wird die wirksame Aktivität auf einen Tag umgeredinet, dadurch, daß die durchschnittliche Impuls-zahl mit der Zahl der Tage multipliziert wird, so ergibt sich 22 X 3000 + 8 X 645 ungefähr gleich 70 000. Bei die-ser Überschlagsredmung kann die Strahlungswirkung während der 32P-Aufnahme sowie diejenige nach Beendi-gung der Kältebehandlung wegen ihrer verhältnismäßig geringen Größe unberücksichtigt bleiben. Die Wirksam-keit des Strahlungspräparats ergibt sich aus folgenden Zahlen: Auf seine Oberfläche von 1,14 • 108 fi- waren 0,63 mC 32P aufgedampft, welche als 2.65-108 Impulse/min im Geiger-Müller-Zähler meßbar sind. Ein p- des Präpa-rats erzeugt somit rund 2,3 Impulse/min. Die durchschnitt-liche von einer kriechenden Amöbe bedeckte Fläche soll 85 000 u- betragen. Dann wirken 85 000 X 2,3 also un-gefähr 196 000 Impulse/min. Die Bestrahlungsdauer be-trug 4 Tage; die Umrechnung auf einen Tag ergibt somit 196 000 X 4 oder 784 000 Impulse/min; also ungefähr das 10-fache des Wertes bei 32P-Aufnahme.

-Gl

\ \ —

32 p \ ot \ , \ 1 ST

Pa

^ , Abb. 4. Anordnung zur Bestrahlung von Amoeba proteus mit 32P durch eine dünne Glimmerfolie. Ap Amoeba pro-teus, D Deckglas, G Glimmer 5 u dick, Gl Glasstutzen, K Knopsche Lösung 0,01%, Ot Objektträger, Pa Paraffin-

ring, 32P radioaktives Phosphat.

Nach 98 Stdn. wurden die 10 Tochtertiere dieser Amöben aus dem Stutzen entfernt und 28 Tage lang bei 11° C weitergezüditet, wobei sie sidi einmal teilten. Ihre Nach-kommen wurden bis zur 20. Generation beobaditet. Dabei befanden sich nie mehr als 4 Amöben, die durch zwei Teilungen aus einem Muttertier hervorgegangen waren, in einem Boveri-Schälchen. Das Schicksal jeder einzelnen Amöbe wurde protokolliert und die Protokolle zur Auf-stellung eines Stammbaums benutzt. Nicht alle Tochter-tiere wurden weitergezüchtet, sondern durch Entfernung einzelner Linien des Stammbaums von der 8. Generation ab die Zahl der beobachteten Tiere annähernd gleich ge-halten (Tab. 2).

E r g e b n i s : Von der 3. Generation nach Beendi-gung der Bestrahlung ab traten Letale auf, deren prozentualer Anteil in der 5. Generation mit 41,7% das Maximum erreicht und bis zur 11. Generation auf Null sinkt. In der 12. und 14. Generation trat noch einmal je eine Letale auf. Die Beobachtungen wurden bis zur 20. Generation weitergeführt, ohne daß Letale festgestellt werden konnten. Der Ver-gleich der Verteilung des Prozentsatzes an Letalen in Abhängigkeit zur Generationszahl nach Aufnahme (Abb. 1) und nach Bestrahlung (Abb. 5) mit 32P zeigt,

Page 7: Letale Spätfolgen nach Einbau von 32P in Amoeba proteus und ihre

daß das Maximum der Verteilungskurve nach Be-strahlung sich mit dem ersten Maximum der Vertei-lungskurve nach 32P-Aufnahme deckt. Seine beiden Flanken zwischen der 2. und der 10. Generation lie-gen in den für 2 o sich ergebenden Mutungsgrenzen der Verteilungskurve nach 32P-Bestrahlung. Das da-von zu trennende zweite Maximum nach 32P-Auf-nahme dagegen kann kein Bestrahlungseffekt sein, denn die letzten letalen Nachwirkungen der Bestrah-lung sind spätestens in der 14. Generation abge-klungen.

Generation

Abb. 5. Vergleich der Letalitätsverteilung nadi 32P-Auf-nahme (unterbrochen gezeichnete Kurve) und nach reiner Bestrahlung ohne 32P-Aufnahme (ausgezeichnete Kurve) in Abhängigkeit von der Generationszahl dargestellt als gleitendes Mittel über 5 Generationen. Die eingezeich-neten Mutungsgrenzen betragen ± 2 o der Prozente an

Letalen nadi Bestrahlung.

E i n f l u ß v o n B e g l e i t s t o f f e n d e s 32P

Der zu den Versuchen verwendete 32P wurde in Form von H>P04 in wäßriger Lösung mit einer Akti-vität von ungefähr 10 mC/ccm aus Harwell bezogen. Die spektrographische Analyse der Lösung wies Cd, As, Be, Te, B, Fe, Mn, Mg, Pb, Cr, Ni, AI und Cu in Mengen von maximal 1 y/ccm nach. Die Erzeugung der verzögert auftretenden Letalität konnte durch diese Ionen hervorgerufen worden sein. Die Möglich-keit wurde experimentell geprüft.

Die gleiche 32P-haltige Ausgangslösung, welche im 32P-Aufnahme-Versuch zur Verfütterung verwandt worden war, wurde 230 Tage aufbewahrt und dann erneut mit gleicher Technik an einige Amöben des Stammes N verfüttert. Die Halbwertszeit des 32P be-

Gen

erat

ion

gesu

nd

leta

l

leta

l %

Mutungs-grenzen

letal % 2 0

letal °/o gleitendes Mittel üb. 5 Generat.

Mutungs-grenzen

für gleitendes Mittel 2 0

1 10 0,0—28,6 2 8 — — 0,0—33,3 — —

3 14 2 14,3 3,4—36,6 24,7 16,5 —36,1 4 21 7 33,3 12,5—43,7 26,7 18,6 —36,8 5 24 10 41,7 16,6—46,5 23,3 16,5 —31,2 6 23 5 21,7 7,8—36,0 20,0 14,6 —26,7 7 38 4 10,5 3,7—22,4 14,4 10,3 —20,2 8 64 8 12,5 6,7—22,5 7,9 5,1 —12,0 9 59 3 5,1 1,7—13,9 5,1 3,0 — 8,2

10 83 1 1,2 0,2— 6,8 3,8 2,2 — 6,4 11 69 — — 0,0— 5,4 1,5 0,6 — 3,5 12 71 1 1,4 0,1— 7,2 0,9 0,3 — 2,6 13 56 — — 0,0— 6,7 0,5 0,2 — 1,9 14 62 1 1,6 0,1— 7,9 0,4 0,1 — 1,4 15 120 — — 0,0— 3,3 0,2 0,03— 1,1 16 240 — — 0,0— 1,6 0,2 0,03— 1,0 17 60 — — 0,0— 6,2 0,0 0,0 — 0,7 18 120 — — 0,0— 3,3 0,0 0,0 — 0,7 19 64 — — 0,0— 6,0 — —

20 64 — — 0,0— 6,0 — —

Tab. 2. Beobachtete Anzahl Letaler unter den Nachkom-men von Mutterzellen, welche mit 32P bestrahlt worden

waren.

trägt 14,3 Tage. Während der Aufbewahrungszeit war somit die 32P-Konzentration auf rund V216 oder rund den 66000 . Teil gesunken, während der Ge-halt an nicht radioaktiven Metallionen unverändert geblieben sein mußte. In der 25.—35. Generation der Nachkommen der zum Versuch dienenden Amöbe wurden 986 unmittelbar voneinander abstammende Amöben als „gesund" protokolliert. Dabei trat nur eine Letale in der 29. Generation auf. Ihr Absterben ging in der gleichen Weise wie das der einzigen Letalen in der Kontrollkultur, nämlich unter starker Volumenzunahme und Verlängerung der Genera-tionsdauer, vor sich. Die Letalität betrug somit 0 ,1% (Schwankung 3 o: 0 ,01—1,15%). Gegenüber der durchschnittlichen Letalität von 3 ,5% nach 32P-Auf-nahme während der gleichen Generationen ist eine verspätet auftretende Letalwirkung durch Beimen-gungen des verfütterten radioaktiven Präparats daher ausgeschlossen.

Als Folge der bei dem radioaktiven Zerfall des 32P auftretenden /^-Strahlung entsteht in wäßriger Lösung H 2 0 2 , dessen mutagene Wirkung bekannt ist. Die zur Erzeugung physiologischer Wirkungen notwendige Konzentration setzt eine Strahlungs-stärke voraus, wie sie nur in dem unverdünnten Präparat vorhanden sein kann. Der negative Ausgang

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des Bestrahlungsversuchs zeigt, daß die H2Oo-Kon-zentration, welche durch stark verdünnte H 3 3 2 P0 4 -Lösung des Versuchsansatzes entstehen könnte, auch in der zehnfachen Konzentration ohne Wirkung ist. Sowohl beim Hauptversuch wie bei den Kontrollen wurden daher zur Vernichtung etwa vorhandenen Wasserstoffperoxyds der Phosphatlösung geringe Mengen eines aus Pferdeblut gewonnenen Katalase-Präparats zugesetzt. Nach 2-stdg. Einwirkungsdauer erfolgte die Verdünnung mit Chalkley-Lösung und 2-stdg. Behandlung im Autoklaven zur Inaktivierung des Enzyms.

D e u t u n g d e r E r g e b n i s s e

Der Vergleich von Versuchen und Kontrollen unter Berücksichtigung der statistischen Sicherung ergab, daß die Aufnahme von radioaktivem Phosphor durch die Amöbenzelle in den nachfolgenden Generationen einen Anstieg der Letalität zur Folge hat. Der Leta-litätsverlauf in Abhängigkeit von der Generationen-zahl folgt einer deutlich zweigipfeligen Kurve. Der erste Teil der Kurve entspricht der Strahlungswirkung des Phosphors, der zweite muß als Folge des Einbaus und Zerfalls des P-Atoms aufgefaßt werden. Nur die-ser nach Abzug der Strahlenwirkung beobachtete Letalitätsverlauf soll weiterhin diskutiert werden.

Die Deutung der Befunde verlangt zunächst eine Erörterung der Frage, ob die letalen Spätfolgen auf plasmatische Schädigung oder auf Veränderung des Kerns zurückgehen. Wenn auch ein direkter experi-menteller Beweis noch aussteht, so läßt sich doch ein Argument für die Lokalisation der letalen Schädi-gung im Zellkern anführen. Für eine inäquale Tei-lung des Zellplasmas besteht nämlich bei Amoeba proteus kein Anhaltspunkt; vielmehr haben unsere früheren Versuche7 gezeigt, daß der nach Markie-rung im Zellplasma enthaltene 32P sich völlig gleich-mäßig auf die Tochterzellen verteilt. Eine plasma-tische Schädigung, die in einer Reaktionskette nach einigen Zellgenerationen den Zelltod herbeiführt, sollte daher bei Geschwistertieren meistens gleichzei-tig auftreten. Das ist jedoch nicht der Fall. Unter 53 Letalen waren nur 4 Geschwisterpaare und auch bei den näheren Verwandten fanden sich nur selten zwei Letale. Es muß also nach Möglichkeiten gesucht werden, bei denen sich die Schädigung nicht gleich-zeitig in beiden Tochtertieren auswirkt. Ein Defekt, welcher, wie bei einer durch Strahlung induzierten Mutation den gesamten Querschnitt eines Chromo-soms erfaßt, vermag diese Wirkung nicht auszuüben,

denn beide Tochterchromosomen des geschädigten Chromosoms würden sich auf die Tochterzellen verteilen, auch dann, wenn Amoeba proteus poly-ploid wäre. Eine ungleichmäßige Verteilung der Schädigung ist daher nur möglich, wenn bei der Tei-lung des geschädigten Chromosoms eine Aufteilung in einen geschädigten und einen ungeschädigten. An-teil erfolgen kann. Diese Möglichkeit besteht, wenn ein Chromosom aus einer Anzahl gleichartiger Längs-elemente aufgebaut ist, von denen nur eines geschä-digt wurde.

Eine ganz andere Erklärung erörterte A u e r b a c h 2

im Falle der Mosaikmutanten von Drosophila. Danach

j j f nifl« | T | i

IUI IIIIIIIIIIII IUI iiii Uli liii Normal Letal Semilet.

Abb. 6. Schema der statistischen Verteilung der Abkömm-linge eines beschädigten Chromosoms bei Vorhandensein von 4 homologen Längsstrukturen (Elementarfibrillen) je Chromosom im Laufe von 4 aufeinanderfolgenden Gene-

rationen.

führt die Schädigung zunächst zu einem labilen Gen-zustand, der, einem Wahrscheinlichkeitsgesetz f olgend, in einen stabilen Zustand umschlägt. Da der Über-gang in den stabilen Zustand nicht nach einer be-stimmten Zeit, sondern nach statistisch verteilten Zeiträumen erfolgt, braucht er bei Schwesterzellen nicht gleichzeitig einzutreten. Für einen solchen Vor-gang wäre jedoch ein allmähliches Abklingen zu er-warten, bei dem das Maximum am Anfang liegt und dessen Abfall nach einem Exponentialgesetz erfolgt. In gleicher Weise müßte die Letalität in der Gene-rationenfolge der Amöben absinken, falls der Zerfall des radioaktiven Phosphors labile letale Mutationen hervorbringt. Es zeigt sich aber, daß die Letalitäts-rate nach Abzug des Strahlenanteils bis zu einem Maximum ansteigt, um erst dann abzufallen.

Dieser Verlauf läßt sich dagegen qualitativ durch einen Segregationsmechanismus deuten, wie ihn Abb. 6 wiedergibt. Das Schema setzt voraus, daß ein

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Chromosom aus vier gleichartigen Untereinheiten besteht. Diese Längselemente des Chromosoms, welche die kleinsten mutationsfähigen Untereinhei-ten tragen, sollen als Elementarfibrillen bezeichnet werden. In einer dieser Elementarfibrillen ist ein ein-zelnes 32P-Atom zerfallen und hat eine Schädigung erzeugt, die auch bei der weiteren Teilung in allen Nachkommen dieser Untereinheit auftritt. Bei der Teilung des Chromosoms verteilen sich die normalen und die geschädigten Elementarfibrillen statistisch auf beide Tochterchromosomen. Es können daher im Laufe der Zellteilung sowohl Zellen entstehen, in denen alle Elementarfibrillen des betreffenden Chro-mosoms normal sind, wie auch solche, in denen alle geschädigt sind. Unter der Annahme, daß ein Chro-mosom, welches nur aus geschädigten Elementar-fibrillen besteht, letal wirkt, ist verständlich, daß die Letalen erst allmählich auftreten können, dann näm-lich, wenn Zellen entstanden sind, welche Chromoso-men mit vielen geschädigten Elementarfibrillen ent-halten. Nach Erreichen des Maximums sinkt der An-teil der Zellen ab, in denen mindestens ein Chromo-som nur geschädigte Elementarfibrillen aufweist, denn durch den ständigen Entmischungsvorgang der Ent-stehung normaler und letaler Zellen wird der Anteil der Zellen mit homologen normalen und geschädigten Elementarfibrillen, aus denen allein letale Zellen her-vorgehen können, immer geringer.

Gegen diese Deutung ist zunächst einzuwenden, daß die Amöben vermutlich diploid oder sogar poly-ploid sind und daher nicht einzusehen ist, warum die totale Schädigung einer Stelle des Chromosoms domi-nant letal wirken soll, die Schädigung von Elemen-tarfibrillen aber nicht. Diese Schwierigkeit wird durch folgende Überlegung behoben. Die Energie des Zer-falls des in der Nucleinsäure eingebauten 32P be-wirkt möglicherweise die Unterbrediung einer Ele-mentarfibrille. Sind auch die neu reproduzierten Elementarfibrillen an der gleichen Stelle unterbro-chen, so könnte ein Stückverlust des Chromosoms ein-treten. Stückverluste aber pflegen dominant letal zu sein.

Weitere Bedenken kann die Annahme erregen, daß die Verteilung der Elementarfibrillen auf die Tochter-chromosomen zufallsmäßig erfolgt. Wenn Tochter-Elementarfibrillen nach entgegengesetzten Polen wanderten wie die Chromosomen bei der Mitose, so würde sich kein Unterschied zwischen Geschwister-zellen ergeben. Innerhalb des Chromosoms kann aber kein Teilungsmechanismus vorausgesetzt wer-

den, der ähnlich dem der Zelle für eine solche Verteilung sorgt. Wahrscheinlicher ist der entgegen-gesetzte Fall, daß nämlich die aus einer gemein-samen Eltern - Elementarfibrille hervorgegangenen Tochterfibrillen näher zusammenliegen und daher leichter in dieselbe Zelle gelangen, als daß sie auseinander weichen. Wenn entsprechend in der nächsten Zellgeneration die vier von den beiden Geschwister-Elementarfibrillen abstammenden Längs-elemente wieder in die gleiche Zelle gelangten, so würden schließlich alle Nachkommen einer geschä-digten Elementarfibrille in eine einzige Zelle geraten. Dann müßten aber nach einer Latenzzeit, die von der Zahl der Elementarfibrillen abhängig wäre, alle Letalen auf einmal auftreten. Mit dieser Annahme lassen sich die Beobachtungen also ebensowenig deu-ten, wie mit der Verteilung auf verschiedene Zellen, bei der eine Anhäufung der geschädigten Elementar-fibrillen nicht vorkäme. Demnach bleibt die Annahme der vorwiegend statistischen Verteilung allein zur Deutung übrig.

Nach Klärung dieser Voraussetzungen soll unter-sucht werden, ob der beobachtete Verlauf der Letali-tät in Abhängigkeit von der Zahl der Zellgeneratio-nen sich auch quantitativ aus dieser Hypothese der statistischen Entmischung ableiten läßt. Offenbar muß das Maximum der Letalität um so später lie-gen, je größer die Zahl der Elementarfibrillen des einzelnen Chromosoms ist. Danach kann diese Zahl abgeschätzt werden. Die Entwicklung der hier an-gewendeten Berechnungsart nimmt zunächst 4 Ele-mentarfibrillen an, von denen eine geschädigt sein möge. Nach der Teilung sind 6 normale und 2 ge-schädigte Längsstrukturen vorhanden, die sich zu-fallsmäßig auf 2 Zellen verteilen. Unter der Voraus-setzung völliger Unabhängigkeit würden ebenso wie bei der Mendel-Spaltung V4 der Nachkommen keine, V2 eine und iU zwei geschädigte Elementarfibrillen enthalten. In ähnlicher Weise würde die weitere Spaltung nach Binomial-Faktoren vor sich gehen. Unter dieser Voraussetzung wurden Letalitätsver-läufe für 4 und 8 Elementarfibrillen numerisch be-rechnet und für 16 und 32 abgeschätzt, wie sie in der Abb. 5 der Verhandlungen der Deutschen Zoolo-gischen Gesellschaft in Wilhelmshaven 1951 wieder-gegeben sind10. Die Berechnung ist deswegen an-fechtbar, weil die völlig unabhängige Verteilung der Elementarfibrillen auch zur Folge haben muß, daß

10 H. F r i e d r i c h - F r e k s a u. F. K a u d e w i t z , Verhandl. d. dtsdi. Zool. Ges. Wilhelmshaven 1951, S. 81.

Page 10: Letale Spätfolgen nach Einbau von 32P in Amoeba proteus und ihre

deren Zahl nicht konstant bleibt, sondern mit der statistischen Streuung um den Mittelwert von 0 bis beliebig viele schwankt. So müßte es auch möglich sein, daß ein Chromosom einmal ganz verloren gehen kann. Die Wahrscheinlichkeit dafür beträgt bei einer Zelle von n Elementarfibrillen e~n. Bei 8 oder mehr Fibrillen ist der Erwartungswert klein genug, daß er mit keiner Erfahrung unmittelbar in Widerspruch steht. Es schien aber doch angebracht, die Rechnung auch unter der Annahme durchzuführen, daß die Ge-

Geschädigte Elementarfibrillen

2 1 6 8 10 12 W 16 Elementarfibrillen —

Abb. 7. Extrapolation der Lage des Maximums der Letali-tät von den berechneten Werten für 2, 4 und 8 Elemen-

tarfibrillen auf 16 Elementarfibrillen.

samtzahl der Elementarfibrillen konstant bleibt. (Das dafür angewandte Rechenschema verdanken wir einer Diskussion mit Herrn F u r c h in Mainz.) Das neue Ergebnis weicht für eine Fibrillenzahl > 4 im Kur-venverlauf nur unerheblich von der früheren Berech-nung ab. Die vorhandenen Unterschiede in der ab-soluten Höhe spielen keine Rolle, da die Berechnung lediglich Relativwerte liefern soll. Im Falle von 4 Elementarfibrillen, von denen eine geschädigt ist, entstehen durch Teilung 6 normale und 2 geschädigte. Sie verteilen sich in der gleichen Weise wie schwarze und weiße Kugeln in zwei Kästen, die nur eine ganz bestimmte Anzahl fassen. Die Mengenverhältnisse der Nachkommen mit normalen, mit einem geschä-digten und mit zwei geschädigten Elementarfibrillen sind dann:

^n - ( J M S 6!

4! 2!

6!

3! 3!

6! 2! 4!

2J_ 2^3 - 4 - 5 2! 0! "

• 2

2! 1! 1!

2! 2!

2 • 3 • 4 • 2 • 2

2 • 3 • 4 • 5 • 6 • 2 2 • 3 • 2 • 3

2 • 3 • 4 • 5 • 6 • 2 ~ 2 • 2 • 3 • 4 • 2

= 40

15

Entsprechend erfolgt die Verteilung bei einem Ausgangschromosom mit zwei geschädigten Längs-strukturen in Nachkommen mit keinem, einem, zwei, drei und vier geschädigten Elementarfibrillen nach dem Zahlenverhältnis 1 : 16 : 36 : 16 : 1. Wenn drei Fibril-len geschädigt sind, ist die Aufspaltung wieder 15 : 4 0 : 15. Die Summe beträgt immer 70. Bei der numerischen Auswertung wird für jede Generation berechnet, wieviele Individuen auf die einzelnen Kategorien entfallen. Nach Abzug der Letalen muß dieselbe Rechnung für die nächste Generation aus-geführt werden. Das Verfahren ist sehr mühevoll und führt schon bei der Annahme von 8 Elementarfibril-len zu einer sehr langwierigen Rechnung*. Die Werte für eine Elementarfibrillenzahl n = 16 mußten daher auch hier aus den Werten für n — 4 und n = 8 extra-poliert werden.

Bei der auf graphischem Wege durchgeführten Extrapolation auf 16 Untereinheiten wurden für die Lage des Maximums in Abhängigkeit von der Zahl der Elementarfibrillen die berechneten Werte für 2, 4 und 8 Fibrillen eingetragen. Sie liegen annähernd auf einer Geraden (Abb. 7), die bis zum Werte für 16 Längsstrukturen verlängert wurde. Demnach be-findet sich das Maximum für 16 Elementarfibrillen in der 34. bis 35. Generation, und diese Lage stimmt un-gefähr mit der Beobachtung überein. Mit erheblich größerer Willkür läßt sich auch der gesamte Kurven-verlauf von der strengen Rechnung mit 2, 4 und 8 Untereinheiten auf die Annahme von 16 Elemen-tarfibrillen extrapolieren (Abb. 8). Unter Berücksichti-gung des mangelhaften Extrapolationsverfahrens ist die Übereinstimmung mit der Beobachtung ausrei-chend. Experimentelle Werte und berechneter Kur-venverlauf decken sich noch besser in unserer früheren Mitteilung, die unter der Voraussetzung der völlig unabhängigen Verteilung der Elementarfibrillen durch-geführt wurde. Durch die Annahme von 16 Elemen-tarfibrillen kann demnach der beobachtete Verlauf gedeutet werden.

* Für ihre Durchführung sind wir Frl. Dr. M. W i e d e -m a n n zu ganz besonderem Dank verpflichtet.

Page 11: Letale Spätfolgen nach Einbau von 32P in Amoeba proteus und ihre

Vom mathematischen Standpunkt aus ist diese Behand-lung insofern unbefriedigend, als sie keinen Aufsdiluß über das mathematische Gesetz gibt, dem die Kurven fol-gen. Die allgemeine Lösung des Problems verdanken wir Herrn H. W i e l a n d t , Tübingen. Sie beruht darauf, daß immer dasselbe Rechenschema angewendet wird, um von der Verteilung in der n- zu der Verteilung in der (n + 1)-ten Generation zu gelangen.

Unter der Annahme von 4 Elementarfibrillen sind z. B. 5 Kategorien von Zellen möglich, nämlich solche mit 0, mit 1, mit 2, mit 3 und mit 4 geschädigten Untereinheiten. Jede dieser Kategorien spaltet in einer bestimmten Weise auf. Aus normalen (I) entstehen immer nur normale, die Kategorie II spaltet im Verhältnis 15 : 40 : 15 : 0 : 0, die Kategorie III 1 : 16 : 36 : 16 : 1, die Kategorie IV 0 : 0 : 15 : 40 : 15, die Kategorie V schließlich enthält die Letalen. Da weiterhin nur die neu hinzukommenden Letalen be-tradrtet werden, so lassen sich die bereits vorhandenen symmetrisch zu den normalen 0 : 0 : 0 : 0 : 70 schreiben, obgleich sie sich nicht vermehren. Durch Anordnung in 5 aufeinander folgende Spalten erhält man das neben-stehende Schema einer quadratischen Matrix:

H. K n e s e r und H. W i e 1 a n d t fanden, daß die Eigen-werte der hier vorliegenden Matrizen ganzzahlig sind und der allgemeinen Formel für eine (e+ l)-reihige Matrix

70 0 0 0 15 40 15 0

1 16 36 16 1 0 0 15 40 15 0 0 0 0 70

1 70

Nach Beifügung des Faktors 1/70 wird die Summe der einzelnen Kategorien = 1. Jede Verteilung läßt sich nun durch 5 Zahlen charakterisieren, welche die Anteile der einzelnen Kategorien angeben. Da es nur auf die relativen Werte ankommt, können sie so normiert werden, daß die Summe 1 ergibt. Die Ausgangsverteilung ist gegeben durch den fünfdimensionalen Vektor 0 0 0 1 0. Wird dieser Vektor t> skalar nach den Regeln der Matrizen-multiplikation mit der Matrix M multipliziert, so erhält man die Verteilung der ersten Filialgeneration, erneute Multiplikation mit der Matrix führt zum Verteilungszu-stand der zweiten Generation. Allgemein ergibt sich die n-te Generation aus der Multiplikation der Ausgangsver-teilung mit der n-ten Potenz der Matrix. Die Zunahme der Letalen läßt sidr aus der Differenz ÜM"+1—ti Mn

errechnen. Die Gesetze der Matrizenrechnung führen nun zu der allgemeinen Formel der hier vorliegenden Funk-tion als Summe von drei Exponentialfunktionen bei 4 Elementarfibrillen, allgemein von n—1 Exponential-funktionen bei n Elementarfibrillen. Die Exponenten der Exponentialfunktionen ergeben sich aus den Eigenwerten der Matrix, wobei jeweils die beiden äußeren Spalten wegen der 0-Glieder in Wegfall kommen.

Für die Matrix, die dem Fall von 4 Elementarfibrillen entspricht, wurden die Eigenwerte bestimmt und die Rechnung mit der numerischen verglidien. Es ergibt sich fast völlige Übereinstimmung mit der früheren Rech-nung. Eine geringfügige Abweichung ist darauf zurück-zuführen, daß bei der Matrizenrechnung die Summe aller Kategorien, einschließlich der Letalen, gleich 1 gesetzt wird, während bei der numerischen Rechnung der Pro-zentsatz der Verbliebenen durch Wegfall der Letalen sich um wenige Prozente erhöht.

e + v\ oe-i V v von 0 -*• e

folgen. Damit wird das Problem sehr vereinfacht. Es be-darf aber noch einiger Rechenarbeit um die Koeffizienten der 15 Exponentialglieder zu bestimmen.

Nachdem gezeigt wurde, daß durch die Annahme von 16 Elementarfibrillen die Abhängigkeit des Pro-zentsatzes der Letalen von der Generationszahl ge-

-SJ 8 -55

20 30 10 50 60 70 80 90 100 Generation —

Abb. 8. Relative Häufigkeitsverteilung der Letalen in Ab-hängigkeit von der Generationszahl, berechnet für 4 und 8 Elementarfibrillen, extrapoliert auf 16 Elementarfibril-len. Beobachtete Werte, eingetragen mit ± 2 o Schwankung.

deutet werden kann, muß geprüft werden, ob auch weitere Konsequenzen dieser Annahme mit der Er-fahrung übereinstimmen. Falls nur in einer einzigen Elementarfibrille der Ausgangsamöbe ein P-Zerfall mit letaler Folge stattgefunden hat, müßte der Wert für das Maximum der Letalen bei der Extrapolation auf 16 Fibrillen bei 0 ,1% liegen (Abb. 9). Das be-obachtete Maximum beträgt rund 4 % . Daraus ergibt sich, daß in 40 Chromosomen ein P-Zerfall mit letaler Folge eingetreten ist. Die Chromosomenzahl bei Amoeba proteus wird mit mehreren 100 angegeben11, so daß hier kein Widerspruch vorliegt. Auch die Vor-aussetzung der Rechnung stimmt, daß im allgemeinen in einem Chromosom nicht mehr als eine Elementar-fibrille betroffen ist. Die Einzelzelle wurde mit

11 W. L i e s c h e , Arch. Protistenkunde 91, 136 [1938].

Page 12: Letale Spätfolgen nach Einbau von 32P in Amoeba proteus und ihre

0,01 juC 32P markiert. Das entspricht einer Zahl von 7-10s 32P-Atomen. Von diesen sind nach vorläufigen Bestimmungen etwa 5 % im Zellkern und nur 40 von ihnen kommen zu einer letalen Auswirkung.

Die Vorstellung, daß das Auftreten der Letalen durch Segregation hervorgerufen wird, läßt eine Fol-gerung zu, die durch Beobachtung an den markierten Amöben gestützt wird. Tritt nämlich bei der Teilung einer Amöbe eine Letale auf, so muß das Geschwister-tier weniger geschädigte Elementarfibrillen besitzen

25,0

10,0 5 7,5 I

5,0

I £2,5

1,0 0,75

0,5

025

0,10

\ \ \ \ \

\ \ \ \

1 1

\ \ \ \

\ 12 V 8

Elementarfibrillen -16

Deutungsmöglichkeit für den einzigen Befund, der mit der statistischen Erwartung nicht in Einklang steht, nämlich der Tatsache, daß die Letalität bei Geschwistertieren mit dem Prozentsatz von 15% (3o Schwankung: 5 ,4—35,3%) deutlich höher ist, als sie bei rein statistischer Verteilung mit 0,16% sein müßte (3o Schwankung 0 ,01—1%). Man darf wohl anneh-men, daß eine genetisch bereits als letal determinierte Zelle sich mitunter noch teilen kann und in diesem Falle beide Nachkommen sterben.

Die Annahmen von 16 Elementarfibrillen und der Schädigung einzelner dieser Untereinheiten eines Chromosoms durch Zerfall von eingebautem 32P

11. Generation i 2% i3A

£ 2%

+ Letal

1%

n m m Abb. 9. Extrapolation der Höhe des Maximums der Leta-lität von den berechneten Werten für 2, 4 und 8 Elemen-

tarfibrillen auf 16 Elementarfibrillen.

Abb. 10. Ausschnitt aus dem Stammbaum einer Amoeba proteus, beginnend mit der 14. Generation nach Beendi-

gung der 32P-Aufnahme.

als die Mutterzellen (vgl. Abb. 6). Wenn aber schon die Anhäufung geschädigter Elementarfibrillen irgend-welche beobachtbare subletale Folgen hat, dann muß man erwarten, daß diese in den Nachkommen des Geschwistertieres der letalen Amöbe sich im allgemei-nen verringern. Es wurde beobachtet, daß vor der Abspaltung der Letalen die Generationsdauer stark schwankt und daß zwei Generationen nach der Ab-spaltung eine deutlich erkennbare Normalisierung der Generationsdauer eintritt (Abb. 3). Die Statistik soll noch durch ein Einzelbeispiel veranschaulicht werden (Abb. 10). Mit 2,5 Tagen ist die Zellteilungs-dauer zunächst deutlich verändert. Noch zwei Gene-rationen nach der Abspaltung der Letalen besteht eine Schwankung der Zellteilungsdauer zwischen 1,5 und 2,5 Tagen, welche sich dann auf 2,0 ± 0,25 Tage normalisiert. Es zeigt sich also, daß der subletale genetische Zustand phänotypisch noch zwei Genera-tionen nachwirken kann. Damit ergibt sich auch eine

stimmt also mit den bisher vorliegenden Beobachtun-gen überein. Sie darf aber nur als Arbeitshypothese betrachtet werden, solange nicht durch weitere Ver-suche der Beweis erbracht wird, daß die letale Schä-digung im Kern lokalisiert ist und als Mutation auf-gefaßt werden kann. Wesentlich erscheint uns jedoch, daß die Methode einen Weg darstellt, um die Mög-lichkeit der Zusammensetzung eines Gens aus Unter-einheiten experimentell zu prüfen.

F o l g e r u n g e n

W7enn ein Gen aus einer Anzahl gleichartiger Untereinheiten besteht, die unabhängig voneinan-der mutieren können, so führt diese Annahme zu einigen für die Genetik wichtigen Folgerungen. Spontanmutationen könnten möglicherweise dadurch entstehen, daß zunächst nur einzelne Elementar-fibrillen verändert werden und die Mutation erst später durch Segregation in Erscheinung tritt. Bei

Page 13: Letale Spätfolgen nach Einbau von 32P in Amoeba proteus und ihre

einem vielzelligen Organismus wird diese Segregation in der Keimbahn stattfinden. Nach 30—40 Zellteilun-gen ist die Zahl der Zellen, die sowohl mutierte als auch nicht-mutierte Elementarfibrillen enthalten, be-reits gering geworden gegenüber der Zahl derjenigen, welche nur mutierte oder nidit-mutierte aufweisen, da aus den gemischten sich ständig die reinen abspalten und dadurch der Anteil der aus mutierten und nicht-mutierten Elementarfibrillen bestehenden Chromoso-men verringert wird. Auf diese Weise ist vielleicht zu verstehen, daß die Zahl der Mosaiks gegenüber nor-malen Mutationen zurückritt.

v. W e t t s t e i n 1 2 hat als einen Grund für die höhere Organisation diploider Organismen im Ver-gleich zu haploiden angeführt, daß im Schutze domi-

F. v. W e t t s t e i n , Naturwiss. 31, 574 [1943],

3 5 5

nanterGene die rezessiven so lange mutieren könnten, bis sich eine geeignete Kombination von zueinander passenden Mutationen ausgebildet hätte. Auf eine aus dieser Vorstellung abgeleitete wichtige Folgerung für die vorliegenden Untersuchungen wies B u t e -n a n d t in einer Diskussionsbemerkung hin: Mutatio-nen an Elementarfibrillen, die für den Stoffwechsel schädigende Folgen haben, könnten durch Mutationen an solchen Untereinheiten des Chromosoms in der Art einer Supressor-Wirkung kompensiert und auf diese Weise im Laufe der Zellteilungen geeignete Mutations-Kombinationen selektioniert werden. Viel-leicht bietet diese Betrachtung einen Ansatz für eines der schwierigsten Probleme der Phylogenie, nämlich die Frage, in welcher Weise eine Reihe von aufein-ander abgestimmten Mutationsschritten zustande kommt.

Weitere Untersuchungen über den strukturellen Aufbau des Radnetzes der Spinnen

V o n H. M.PETERS Aus dem Instituto Tropical de Investigaciones Cientificas, San Salvador,

und dem Zoologischen Institut der Universität Tübingen (Z. Naturforschg. S b . 355—370 [19531; eingegangen am 15. Juni 1953)

1. Die radiären Speichenfäden des Radnetzes ergeben zusammen mit den Umgängen der Hilfsspirale eine für jede Art charakteristisdie Maschen weite. Die Körpergröße der Spinne im Verhältnis zu dieser Maschung ist von Art zu Art sehr verschieden. Das Verfahren der An-heftung der Klebfäden ist in hohem Grade von der relativen Weite der Masdien abhängig.

2. Es werden neue Beispiele für die Gültigkeit der Speichenregel beschrieben, nach der die Winkelabstände der Radialfäden in den Netzen einer Art der Netzgröße umgekehrt pro-portional sind.

3. Eine Gruppe von Spinnen-Arten ordnet die Radialfäden in der Weise an, daß die auf dem Rahmen abgetragenen Abstände in einem angenähert konstanten Verhältnis zu der Länge der Radialfäden stehen. In diesem Falle streuen die Winkelabstände der Speichen um einen bestimmten Wert. Eine andere Gruppe aber folgt einem abweichenden Prinzip: diese Spinnen befestigen die Radialfäden so, daß deren Befestigungspunkte am Rahmen gleiche Abstände einhalten. In diesem Falle streuen die auf dem Rahmen abgetragenen Abstände um einen bestimmten Wert.

4. Es werden neue Beispiele für die Gültigkeit der Regel der konstanten Segmentquotienten besdirieben: bei allen bisher darauf untersuchten Arten steht der Abstand zwischen dem äußersten und dem nach innen folgenden Klebfaden eines Sektors in linearer Abhängigkeit von der Länge des äußersten Klebfadenstückes.

5. Es wird ein neues Beispiel dafür beschrieben, daß diese Proportion in einer einfachen Beziehung zur Winkelgröße steht.

6. Die neuen Messungen belegen die weite Verbreitung gewisser Grundregeln des Ver-haltens der Spinnen und stellen insofern einen Beitrag zu unserem Vorhaben dar, die Mannig-faltigkeit der Netzstrukturen auf allgemeine Prinzipien zurückzuführen.

Aus unseren Arbeiten am Radnetz der Spinnen .heben sich immer greifbarer zwei Problemkreise

heraus. 1. Indem wir das Netz als Niederschlag von Bewe-

gungsabläufen auffassen, versuchen wir Rückschlüsse von der meßbaren Struktur auf die zugrunde liegen-den zentralnervösen Steuerungen1. Dieses Problem läßt sich in physiologischer Sicht allein nicht lösen.