krisen. rüstung. kriege - zeitung gegen den krieg · warennachfragen (…) eine zur großen,...

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D er Milliardär Warren Buffet bezeichnete die neuen spe- kulativen Wertpapiere als „Massenvernichtungswaffen“. Buf- fet hat recht. Und Buffet unter- treibt. Die Börsenturbulenzen in jüngerer Zeit unterstreichen: Es ist die Börse selbst, es ist der freie Fi- nanzmarkt, die die Potenz zur mas- senhaften Vernichtung von Millio- nen Existenzen haben. Es gibt auch einen engen Zu- sammenhang zwischen den Mas- senvernichtungswaffen der Finanz- märkte und den massenhaften Ver- nichtungswaffen der Rüstungsin- dustrie. Oder: einen Zusammen- hang zwischen Krise, Rüstung und Krieg. Dieser lässt sich auf drei Ebenen konkretisieren: Erstens erweisen sich gerade in Krisenzeiten Investitionen in Rü- stung als weit sicherer als zivile In- vestment. Zweitens haben Krisen immer neue Kriege zur Folge, was Nachfrage nach Waffen schafft. Drittens verschärfen schwere welt- weite Krisen – wie die gegenwärti- ge – die Konkurrenz um den Welt- markt, was wiederum militärisch abgesichert wird. Zur ersten Ebene. 2009 erlebte die Weltwirtschaft einen regelrechten Absturz. Bei den 500 größten Kon- zernen der Welt – den „Global 500“ – brach der addierte Umsatz um acht Prozent ein. Die Profite kolla- bierten um 50 Prozent. Doch im gleichen Jahr konnten die 100 größten Rüstungskonzerne der Welt ihren Umsatz um acht Prozent stei- gern. Der Grund: Die Krise mit dem Rückgang der privaten Nachfrage trifft die „zivilen“ Unternehmen voll. Die Rüstungsindustrie jedoch lebt vor allem von öffentlichen Aufträgen, welche die kapitalisti- schen Staaten auch in konjunktu- rellen Rückgängen nicht wesentlich reduzieren (siehe die „Argumente“ Seite 2). Die zweite Ebene verdeutlicht, dass auf Krisen Krieg folgt. Im Ge- folge der Krise 2008/2009 ver- schärfte sich die Konfrontation mit dem Iran. Anfang 2011 begann die arabische Rebellion. Sie ließ die Flüchtlingsbewegung von Nordafri- ka in die EU anschwellen – und führte zu deutlich erhöhten Aufträ- gen für die Rüstungskonzerne zur „Grenzssicherung“. Zwischen März und August 2011 gab es den Nato- Krieg gegen Libyen. Dieser war vor allem auch ein Praxistest für die neuen Waffen der großen Rü- stungskonzerne (siehe S. 8). Gleich- zeitig erleben wir seit 2009 eine gi- gantische Aufrüstung der Region des Nahen und Mittleren Ostens, allen voran von Saudi-Arabien. „Nach Rüstung kommt Krieg“ – das war eine Losung der westdeutschen Friedensbewegung der 1980er Jah- re. Sie richtete sich gegen die so- genannte atomare „Nachrüstung“ der Nato. Fast alles spricht dafür, dass diese Losung gerade für den Nahen Osten heute zutrifft: Die all- gemeine Hochrüstung in dieser Re- gion droht in einen neuen und großen Krieg umzuschlagen. Ange- sichts von „peak oil“ wird es ein neuer Krieg um Öl sein. Und dann gibt es da noch die dritte Ebene: die verschärfte Kon- kurrenz um den Weltmarkt. In ei- ner Weltwirtschaftskrise, wie wir sie seit Herbst 2008 erleben, geht es auch um die Frage, wer zukünftig die Weltmacht Nr. 1 sein wird. Bleiben die USA auf Platz 1? Oder werden sie durch die EU oder gar durch China abgelöst? Es gibt heu- te bereits deutliche Anzeichen für einen Hegemoniewechsel. Die USA verloren ihr Rating „AAA“. Dieses Land, das seit rund einem Dreivier- teljahrhundert unter anderem mit dem US-Dollar Hegemonialmacht in der Welt ist, ist dabei, nach der Niederlage im Vietnam-Krieg im Irak und in Afghanistan zwei wei- tere große Kriege zu verlieren. In einer Zeit, in der der Dollar als Weltleitwährung angezählt ist, for- derte der EU-Konzern EADS im August 2011, dass seine zivile und seine militärische Ware nicht mehr in US-Dollar, sondern in Euro ab- zurechnen sei. Zum gleichen Zeit- punkt erklärte die EU, einen neuen Anlauf unternehmen zu wollen, um ein „eigenes militärisches Haupt- quartier einzurichten“, von dem aus „alle militärischen Einsätze mit EU-Truppen“ geleitet werden. Die EU will die USA nicht nur als Wirtschaftsmacht Nr. 1 beerben (was längst erfolgte). Sie will per- spektivisch auch militärisch zu den USA aufschließen. Der deutsche Kriegsminister de Maizière nimmt derzeit die deutschen Weltmarkt- ziele ganz offen auch militärisch ins Visier (siehe Arno Neubers Kommentar auf Seite 3). Derzeit wird der Lebensstandard von Hunderten Millionen Men- schen gefährdet und gesenkt, weil die völlig deregulierten Finanz- märkte mit ihren finanzpolitischen Massenvernichtungswaffen ein Sparprogramm nach dem anderen diktieren. Damit werden die Profite weniger Konzerne und die Vermö- gen einiger Hunderttausend Men- schen weiter drastisch erhöht. Da- mit werden Armut und Elend für einige Milliarden Menschen gestei- gert. Bei den Summen, die dabei den armen und auch den normal- verdienenden Menschen abgepresst werden, geht es um Hunderte Milli- arden Dollar pro Jahr. Argumen- tiert wird: Diese Gelder sind erfor- derlich, um einen Kollaps des Fi- nanzsystems zu verhindern. Tatsächlich liegen derzeit allein die Rüstungsausgaben in dieser Welt pro Jahr bei 1200 Milliarden US-Dollar oder 1,2 Billionen Dollar. Das aber heißt: Allein die Ausga- ben für diese realen Massenver- nichtungswaffen sind höher als alle aufgezwungenen Sparprogramme. „Entrüstet Euch!“ Das muss heute heißen: Runter mit den Rü- stungsausgaben! „In der Rüstung sind sie fix, für die Bildung tun sie nix!“ Das muss heute heißen: Runter mit der Bundeswehr vom Balkan! Raus mit allen deutschen Truppen aus Afghanistan! Stopp von jedem Rüstungsexport als erste Voraussetzung für eine Gesellschaft des Friedens! Einsatz dieser gewal- tigen Summen für unsere Kinder, für Bildung, für die Verkehrswende, für eine Energiewende! Frau Merkel! Wirklich originell, dass seit 2009 einige Ihrer Bundesbeamten ihre Auslandszulagen vom König- und Folter- Reich Saudi-Arabien erstattet bekommen! Das geht so: Auf Grundlage eines Abkom- mens, das die schwarz-rote Bundesregie- rung unter Ihrer Führung 2008 mit Saudi- Arabien schloss, liefert der deutsch-fran- zösische Konzern EADS/Cassidian an Sau- di-Arabien umfangreiche Technologie zur „Grenzsicherung“. Dabei bilden Beamte der deutschen Bundespolizei saudische Grenzschützer zur Bedienung der Geräte aus. Deutschland sammelt ja an den EU- Grenzen reichlich Erfahrung darin, wie man Flüchtlinge abfängt, abschiebt oder absaufen lässt. Beim genannten Abkom- men trägt Saudi-Arabien alle Kosten des Polizeieinsatzes bis auf die Grundgehälter und wickelt diese Zahlungen über EADS ab. Von dort werden die saudischen Öl- Dollars dann an eine dem Entwicklungsmi- nisterium unterstehende Gesellschaft wei- tergeleitet. Deutsche Polizisten müssen dort ihre Ansprüche auf Auslagenersatz geltend machen. EADS bestimmt auch we- sentliche Inhalte der „Ausbildung“. Es gibt also eine sehr spezielle Zusammenarbeit zwischen Deutschland, das der Demokra- tie verpflichtet ist, und einem Regime, in dem die Menschenrechte flächendeckend missachtet werden. Wobei Sie, Frau Kanz- lerin, ja auch zugesagt haben, diesem Re- gime Leo-Panzer zu liefern, die speziell für Einsätze gegen friedlich Demonstrierende ausgerüstet sind (siehe S.4)! Herr de Mazière! Die Ihnen unterstehen- de Bundeswehr veranstaltete in Bad Rei- chenhall im Juni einen „Tag der offenen Tür“. Dort durften Kinder beim Kasernen- besuch mit Panzerfäusten auf ein Dorf mit der Bezeichnung „Klein-Mitrovica“ zielen. Natürlich war den Offizieren vor Ort und ist Ihnen im Ministerium bekannt, dass die Stadt Mitrovica im Kosovo serbisch besie- delt und immer wieder den Provokationen der kosovo-albanischen Administration ausgesetzt ist. Nun ließen Sie nach dem Tag der offenen Tür erklären, es sei „ein Fehler“ gewesen, diese Zielübungen zuzu- lassen. Mal ehrlich, Herr de Maizière! Das war aus Ihrer Sicht doch kein Fehler! Das war doch eine gezielte Provokation! Und es war die deutsche Abdeckung für die Provokation, die die kosovarische Admini- stration nur wenige Wochen später gegen die Bevölkerung im „echten“ Mitrovica durchführte! (Siehe Kommentar S.3). Herr Richard von Weizsäcker! Sicher nahmen Sie zur Kenntnis, dass US-Solda- ten damit begonnen haben, in Vietnam Dioxin aus dem Boden zu entfernen, das die US-Militärs im Vietnam-Krieg vor 40 Jahren als „Agent Orange“ versprühten. Das Gift hinterließ bei Hunderttausenden Menschen schwere Schäden. Es ist bis heu- te dafür verantwortlich, dass in Vietnam Jahr für Jahr viele schwer behinderte Ba- bys geboren werden. Frau Ferdos Foruda- stan erinnerte in der Frankfurter Rund- schau (17.8.) daran, woran Sie sich eigent- lich erinnern müssten – und wozu hierzu- lande fast alle schweigen: Sie, der spätere deutsche Bundespräsident mit dem weißem Haar und den weisen Worten, waren damals Mitglied der Geschäfts- führung des Chemie-Unternehmens Boeh- ringer. Der US-Konzern Dow Chemical, der Agent Orange produzierte, arbeitete da- mals bei der Herstellung und Lieferung des krebserzeugenden Giftes eng mit Boehringer – also mit Ihnen – zusammen. nr.32 Soldaten sind Mörder Kurt Tucholsky, 1931 Nr. 32 Herbst 2011 Sevim Dagdelen Balkan: Deutsche Hegemonie Seite 3 Jürgen Grässlin Stoppt den Waffenhandel! Seite 4 Joachim Guilliard Krieg um libysche Reichtümer Seite 6 Arno Neuber Libyen: Gut für EADS-Rüstungsgeschäfte Seite 8 Dietrich Schulze Zweifel am Atomausstieg Seite 10 Reiner Braun Afghanistan: Den Krieg beenden! Seite 12 Krisen. Rüstung. Kriege

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  • Der Milliardär Warren Buffetbezeichnete die neuen spe-kulativen Wertpapiere als„Massenvernichtungswaffen“. Buf-fet hat recht. Und Buffet unter-treibt. Die Börsenturbulenzen injüngerer Zeit unterstreichen: Es istdie Börse selbst, es ist der freie Fi-nanzmarkt, die die Potenz zur mas-senhaften Vernichtung von Millio-nen Existenzen haben.

    Es gibt auch einen engen Zu-sammenhang zwischen den Mas-senvernichtungswaffen der Finanz-märkte und den massenhaften Ver-nichtungswaffen der Rüstungsin-dustrie. Oder: einen Zusammen-hang zwischen Krise, Rüstung undKrieg. Dieser lässt sich auf dreiEbenen konkretisieren:

    Erstens erweisen sich gerade inKrisenzeiten Investitionen in Rü-stung als weit sicherer als zivile In-vestment.

    Zweitens haben Krisen immer neueKriege zur Folge, was Nachfragenach Waffen schafft.

    Drittens verschärfen schwere welt-weite Krisen – wie die gegenwärti-ge – die Konkurrenz um den Welt-markt, was wiederum militärischabgesichert wird.

    Zur ersten Ebene. 2009 erlebte dieWeltwirtschaft einen regelrechtenAbsturz. Bei den 500 größten Kon-zernen der Welt – den „Global 500“– brach der addierte Umsatz umacht Prozent ein. Die Profite kolla-bierten um 50 Prozent. Doch imgleichen Jahr konnten die 100

    größten Rüstungskonzerne der Weltihren Umsatz um acht Prozent stei-gern. Der Grund: Die Krise mit demRückgang der privaten Nachfragetrifft die „zivilen“ Unternehmenvoll. Die Rüstungsindustrie jedochlebt vor allem von öffentlichenAufträgen, welche die kapitalisti-schen Staaten auch in konjunktu-rellen Rückgängen nicht wesentlichreduzieren (siehe die „Argumente“Seite 2).

    Die zweite Ebene verdeutlicht,dass auf Krisen Krieg folgt. Im Ge-folge der Krise 2008/2009 ver-schärfte sich die Konfrontation mitdem Iran. Anfang 2011 begann diearabische Rebellion. Sie ließ dieFlüchtlingsbewegung von Nordafri-ka in die EU anschwellen – undführte zu deutlich erhöhten Aufträ-gen für die Rüstungskonzerne zur„Grenzssicherung“. Zwischen Märzund August 2011 gab es den Nato-Krieg gegen Libyen. Dieser war vorallem auch ein Praxistest für dieneuen Waffen der großen Rü-stungskonzerne (siehe S. 8). Gleich-zeitig erleben wir seit 2009 eine gi-gantische Aufrüstung der Regiondes Nahen und Mittleren Ostens,allen voran von Saudi-Arabien.„Nach Rüstung kommt Krieg“ – daswar eine Losung der westdeutschenFriedensbewegung der 1980er Jah-re. Sie richtete sich gegen die so-genannte atomare „Nachrüstung“der Nato. Fast alles spricht dafür,dass diese Losung gerade für denNahen Osten heute zutrifft: Die all-gemeine Hochrüstung in dieser Re-gion droht in einen neuen undgroßen Krieg umzuschlagen. Ange-sichts von „peak oil“ wird es ein

    neuer Krieg um Öl sein. Und dann gibt es da noch die

    dritte Ebene: die verschärfte Kon-kurrenz um den Weltmarkt. In ei-ner Weltwirtschaftskrise, wie wirsie seit Herbst 2008 erleben, geht esauch um die Frage, wer zukünftigdie Weltmacht Nr. 1 sein wird.Bleiben die USA auf Platz 1? Oderwerden sie durch die EU oder gardurch China abgelöst? Es gibt heu-te bereits deutliche Anzeichen füreinen Hegemoniewechsel. Die USAverloren ihr Rating „AAA“. DiesesLand, das seit rund einem Dreivier-teljahrhundert unter anderem mitdem US-Dollar Hegemonialmachtin der Welt ist, ist dabei, nach derNiederlage im Vietnam-Krieg imIrak und in Afghanistan zwei wei-tere große Kriege zu verlieren. Ineiner Zeit, in der der Dollar alsWeltleitwährung angezählt ist, for-derte der EU-Konzern EADS imAugust 2011, dass seine zivile undseine militärische Ware nicht mehrin US-Dollar, sondern in Euro ab-zurechnen sei. Zum gleichen Zeit-punkt erklärte die EU, einen neuenAnlauf unternehmen zu wollen, umein „eigenes militärisches Haupt-quartier einzurichten“, von demaus „alle militärischen Einsätzemit EU-Truppen“ geleitet werden.Die EU will die USA nicht nur alsWirtschaftsmacht Nr. 1 beerben(was längst erfolgte). Sie will per-spektivisch auch militärisch zu denUSA aufschließen. Der deutscheKriegsminister de Maizière nimmtderzeit die deutschen Weltmarkt-ziele ganz offen auch militärischins Visier (siehe Arno NeubersKommentar auf Seite 3).

    Derzeit wird der Lebensstandardvon Hunderten Millionen Men-schen gefährdet und gesenkt, weildie völlig deregulierten Finanz-märkte mit ihren finanzpolitischenMassenvernichtungswaffen einSparprogramm nach dem anderendiktieren. Damit werden die Profiteweniger Konzerne und die Vermö-gen einiger Hunderttausend Men-schen weiter drastisch erhöht. Da-mit werden Armut und Elend füreinige Milliarden Menschen gestei-gert. Bei den Summen, die dabeiden armen und auch den normal-verdienenden Menschen abgepresstwerden, geht es um Hunderte Milli-arden Dollar pro Jahr. Argumen-tiert wird: Diese Gelder sind erfor-derlich, um einen Kollaps des Fi-nanzsystems zu verhindern.

    Tatsächlich liegen derzeit alleindie Rüstungsausgaben in dieserWelt pro Jahr bei 1200 MilliardenUS-Dollar oder 1,2 Billionen Dollar.Das aber heißt: Allein die Ausga-ben für diese realen Massenver-nichtungswaffen sind höher als alleaufgezwungenen Sparprogramme.

    „Entrüstet Euch!“ Das mussheute heißen: Runter mit den Rü-stungsausgaben! „In der Rüstungsind sie fix, für die Bildung tunsie nix!“ Das muss heute heißen:Runter mit der Bundeswehr vomBalkan! Raus mit allen deutschenTruppen aus Afghanistan! Stoppvon jedem Rüstungsexport als ersteVoraussetzung für eine Gesellschaftdes Friedens! Einsatz dieser gewal-tigen Summen für unsere Kinder,für Bildung, für die Verkehrswende,für eine Energiewende!

    Frau Merkel! Wirklich originell, dass seit2009 einige Ihrer Bundesbeamten ihreAuslandszulagen vom König- und Folter-Reich Saudi-Arabien erstattet bekommen!Das geht so: Auf Grundlage eines Abkom-mens, das die schwarz-rote Bundesregie-rung unter Ihrer Führung 2008 mit Saudi-Arabien schloss, liefert der deutsch-fran-zösische Konzern EADS/Cassidian an Sau-di-Arabien umfangreiche Technologie zur„Grenzsicherung“. Dabei bilden Beamteder deutschen Bundespolizei saudischeGrenzschützer zur Bedienung der Geräteaus. Deutschland sammelt ja an den EU-Grenzen reichlich Erfahrung darin, wieman Flüchtlinge abfängt, abschiebt oderabsaufen lässt. Beim genannten Abkom-men trägt Saudi-Arabien alle Kosten desPolizeieinsatzes bis auf die Grundgehälterund wickelt diese Zahlungen über EADSab. Von dort werden die saudischen Öl-Dollars dann an eine dem Entwicklungsmi-nisterium unterstehende Gesellschaft wei-tergeleitet. Deutsche Polizisten müssendort ihre Ansprüche auf Auslagenersatzgeltend machen. EADS bestimmt auch we-sentliche Inhalte der „Ausbildung“. Es gibtalso eine sehr spezielle Zusammenarbeitzwischen Deutschland, das der Demokra-tie verpflichtet ist, und einem Regime, indem die Menschenrechte flächendeckendmissachtet werden. Wobei Sie, Frau Kanz-lerin, ja auch zugesagt haben, diesem Re-gime Leo-Panzer zu liefern, die speziell fürEinsätze gegen friedlich Demonstrierendeausgerüstet sind (siehe S.4)!Herr de Mazière! Die Ihnen unterstehen-de Bundeswehr veranstaltete in Bad Rei-chenhall im Juni einen „Tag der offenenTür“. Dort durften Kinder beim Kasernen-besuch mit Panzerfäusten auf ein Dorf mitder Bezeichnung „Klein-Mitrovica“ zielen.Natürlich war den Offizieren vor Ort undist Ihnen im Ministerium bekannt, dass dieStadt Mitrovica im Kosovo serbisch besie-delt und immer wieder den Provokationender kosovo-albanischen Administrationausgesetzt ist. Nun ließen Sie nach demTag der offenen Tür erklären, es sei „einFehler“ gewesen, diese Zielübungen zuzu-lassen. Mal ehrlich, Herr de Maizière! Daswar aus Ihrer Sicht doch kein Fehler! Daswar doch eine gezielte Provokation! Undes war die deutsche Abdeckung für dieProvokation, die die kosovarische Admini-stration nur wenige Wochen später gegendie Bevölkerung im „echten“ Mitrovicadurchführte! (Siehe Kommentar S.3).Herr Richard von Weizsäcker! Sichernahmen Sie zur Kenntnis, dass US-Solda-ten damit begonnen haben, in VietnamDioxin aus dem Boden zu entfernen, dasdie US-Militärs im Vietnam-Krieg vor 40Jahren als „Agent Orange“ versprühten.Das Gift hinterließ bei HunderttausendenMenschen schwere Schäden. Es ist bis heu-te dafür verantwortlich, dass in VietnamJahr für Jahr viele schwer behinderte Ba-bys geboren werden. Frau Ferdos Foruda-stan erinnerte in der Frankfurter Rund-schau (17.8.) daran, woran Sie sich eigent-lich erinnern müssten – und wozu hierzu-lande fast alle schweigen: Sie, der späteredeutsche Bundespräsident mit demweißem Haar und den weisen Worten,waren damals Mitglied der Geschäfts-führung des Chemie-Unternehmens Boeh-ringer. Der US-Konzern Dow Chemical, derAgent Orange produzierte, arbeitete da-mals bei der Herstellung und Lieferungdes krebserzeugenden Giftes eng mitBoehringer – also mit Ihnen – zusammen.

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    Nr. 32 Herbst 2011

    Sevim Dagdelen Balkan: Deutsche Hegemonie Seite 3

    Jürgen Grässlin Stoppt den Waffenhandel! Seite 4

    Joachim Guilliard Krieg um libysche Reichtümer Seite 6

    Arno Neuber Libyen: Gut für EADS-Rüstungsgeschäfte Seite 8

    Dietrich Schulze Zweifel am Atomausstieg Seite 10

    Reiner Braun Afghanistan: Den Krieg beenden! Seite 12

    Krisen. Rüstung. Kriege

  • Rosa Luxemburg, die jüdisch-pol-nisch-deutsche Kämpferin für denFrieden, wurde von deutschen Militärsam Endes des ersten großen kapitali-stischen Völkermordens ermordet. Sieschrieb im Vorfeld des Ersten Welt-kriegs zur Erklärung von Krisen, Rü-stung und Kriegen im Kapitalismusdie folgenden Sätze (die man und fraugegebenenfalls zwei Mal lesen muss;es lohnt sich):

    Mit der Rüstung tritt „an Stelle ei-ner großen Anzahl kleiner zersplitte-ter und zeitlich auseinanderfallenderWarennachfragen (…) eine zur großen,einheitlichen kompakten Potenz zu-sammengefasste Nachfrage des Staa-tes. Diese setzt (…) von vornherein dieGroßindustrie auf höchster Stufenlei-ter, also für die Mehrwertproduktion(…) günstige Bedingungen voraus. InGestalt der militaristischen Aufträgedes Staates wird die zu einer gewalti-gen Größe konzentrierte Kaufkraft derKonsumentenmasse außerdem derWillkür, den subjektiven Schwankun-gen der persönlichen Konsumtion ent-rückt und mit einer fast automati-schen Regelmäßigkeit, mit einem rhy-thmischen Wachstum begabt. Endlichbefindet sich der Hebel dieser auto-matischen und rhythmischen Bewe-gung der militaristischen Kapitalakku-mulation in der Hand des Kapitalsselbst – durch den Apparat der parla-mentarischen Gesetzgebung und deszur Herstellung der sogenannten öf-fentlichen Meinung bestimmten Zei-tungswesens.“*

    Rüstung ist normale kapitalistischeGroßproduktionDer Gebrauchswert der Rüstung istdas Töten und Zerstören. Die Nachfra-ge kommt überwiegend durch Staa-ten, die Zusammenfassung der natio-nalen Kapitale, zustande. Das wird inWirtschaftsblättern gerade heute ganzoffen beschrieben. Beispiel MarkusFasse im Handelsblatt vom 11. Juli2011: „Er ist beeindruckend stark.Mühelos zerquetscht der Leopard 2 ei-nen VW Käfer. … Es gibt nichts Besse-res auf dem Weltmarkt. Es sind vorallem die Verkäufe des Paradestücksdeutscher Wehrtechnik, die Deutsch-land zum drittgrößten Waffenexpor-teur der Welt machen. (…) Wer jetzt(in der Rüstungsindustrie; d. Rd.) Zu-kunft haben will, braucht (…) neueMärkte wie Saudi-Arabien, Indienoder Brasilien. (…) Und: Wer liefernwill, der muss dem Kunden eine eige-ne (Rüstungs-) Industrie aufbauen.“

    Die übliche Ideologie, Kapitalismussei vor allem kleines Unternehmertumund „Mittelstand“, spielt in diesemSektor keine Rolle mehr. „DeutscheWehrtechnik“ vom Feinsten meint:Diese Mordwaffen werden ausschließ-lich von Großkonzernen hergestellt.

    Da muss man sich nicht mit kleinenKrautern und kaum mit Konkurrenzherumschlagen.

    Rüstung heißt, der Staat garantiertNachfrage und ProfiteDie „Nachfrage“ nach Rüstung wirdzu 95 Prozent von den Staaten garan-tiert. Diese wiederum sammeln dieSteuern bei der Normalbevölkerungein oder Verschulden sich bei Banken(was dort das Geschäft erblühen läs-st), um die so gewonnenen fremdenGelder an die private Rüstungsindu-strie durchzureichen – als „einheitli-che, kompakte Potenz“. Die Rüstungs-industrie muss sich so kaum um daskleinteilige Geschäft der Kundenge-winnung kümmern. Wobei die Rü-stungsbosse natürlich des öfterendurch die Welt reisen, um Großaufträ-ge an Land zu ziehen – und dabeivorzugsweise eine Kanzlerin oder ei-nen Präsidenten im Gepäck und alsTüröffner mitnehmen.

    Die Rüstung ist von der Konjunkturweitgehend unabhängig und „kri-senfest“„Rheinmetall verdoppelt den Gewinn“,

    so schlagzeilte die Frankfurter Allge-meine Zeitung am 7. Mai 2011. Gene-rell steigerten die Rüstungskonzerneihre Gewinne in den letzten Jahrenmassiv . Dies war sogar in der welt-weiten Krise 2008/2009 der Fall, alsüberall die Konzerne rote Zahlenschrieben, die Rüstungsindustrie je-doch weiter Gewinne verbuchte. DieGründe, warum die Rüstungsprodukti-on so ideal „der Willkür, den subjekti-ven Schwankungen der persönlichenKonsumtion entrückt und mit einerfast automatischen Regelmäßigkeit,mit einem rhythmischen Wachstumbegabt“ ist, sind: Erstens die neuenKriege, die die Krise meist hervor-bringt (siehe Seite 1). Und zweitensdie Art der staatlichen Aufträge, beidenen es sich meist um Großprojektehandelt, die sich über Jahre hinwegziehen und die dann Jahr für Jahr festkalkulierbare Milliarden-Einnahmenund Millionen Profite garantieren. DerEurofighter ist beispielsweise ein Pro-jekt, bei dem rund 40 Milliarden Eurovon in Europa eingesammelten Steu-ergeldern – davon 12 Milliarden Euroaus Deutschland – in die Kassen desHerstellers (der RüstungskonzerneEADS und BAe bzw. deren gemeinsa-mer Tochter, der Eurofighter Jagdflug-zeug GmbH) fließen. Grob gerechnetwaren und sind das seit mehr als ei-

    nem Jahrzehnt gut drei Milliarden Eu-ro pro Jahr. Absolut risikofrei. Auchhier ist interessant, wie sich die Ideo-logie des Kapitalismus von „Konkur-renz belebt das Geschäft“ und „dasfreie Spiel von Angebot und Nachfra-ge ist wesentlich in der Marktwirt-schaft“ als Geschwätz erweist.

    Die öffentliche Meinung wird zu-gunsten von Rüstung und Krieg her-gestelltErinnern wir uns an den jüngstenSkandal in Großbritannien um denKonzern des vielfachen MilliardärsRupert Murdoch. Da gab es vieläußerst Unappetitliches. Telefone wur-den abgehört, die Bettgeschichten vonPolitikern ausspioniert; Politikerinnen,die Murdoch-kritisch waren, wurdensexistisch niedergemacht. Das ist allesschlimm. Doch niemand schrieb, dassMurdoch vor allem einen Medien-Konzern kontrolliert, der weltweit dieweit rechts stehenden Parteien undPolitiker unterstützt, der für Rüstungund Kriege offensiv wirbt und dergleichzeitig – irgendwie müssen jaKriege bezahlt werden – für einenumfassenden Sozialabbau trommelt.In Großbritannien ist Murdoch auchnach der Einstellung von News oftThe World Medienmacht Nr. 1 – mitSun, Times, Sunday Times und 37Prozent Anteilen an dem TV-SenderBSkyB. In den USA kontrolliert Mur-doch die führende WirtschaftszeitungWall Street Journal und die BlätterNew York Post, Boston Herald undChicago Sun Times, die Filmstudiosvon Fox Filmed Entertainment – 20thCentury Fox und vor allem die TV-Stationen Fox (News, Sport Business).Murdoch unterstützte den langjähri-gen britischen Premierminister TonyBlair massiv, als dieser als Kriegstrei-ber auftrat – u.a. als „Bushs Pudel“ imIrak-Krieg 2003. Murdoch bekämpftmit all seiner medialen Macht US-Präsident Barack Obama und hier vorallem dessen Projekt einer Gesund-heitsreform, er trommelt für die erz-konservative Tea-Party-Bewegung, dieAmerikas Weltmacht gegebenenfallsmit atomaren Mitteln verteidigen will.

    Die Meinung der Bevölkerung wirdin der bürgerlichen Demokratie fastüberall missachtet. Sie wird aller-dings fast nirgendwo so massiv mis-sachtet wie im Fall von Krieg undFrieden. Die überwältigende Mehrheitin Westdeutschland wollte in den1950er Jahren keine neue Bundes-wehr. Sie wurde aufgebaut – u.a. auf-grund eines medialen Trommelfeuers.Die große Mehrheit war 1998/99 ge-gen eine deutsche Beteiligung am Ko-sovo-Krieg. Schröder-Fischer und rot-grün ließen durchmarschieren – un-terstützt von Medien, die die Lügenüber den „Hufeisenplan“ und „Milose-vic – ein neuer Hitler“ wiedergaben.80 Prozent der deutschen Bevölke-rung fordern einen Abzug der deut-schen Soldaten aus Afghanistan.Doch 80 Prozent im Bundestag und90 Prozent der Beiträge in den Print-und den elektronischen Medien ver-teidigen hartnäckig diese militärischeAggression. Klar doch – die „Hebeldieser automatischen und rhythmi-schen Bewegung der militaristischenKapitalakkumulation (befinden sich)in der Hand des Kapitals“: Zeitungs-wesen, Rundfunk, TV, Verlage…

    Wobei es auch noch andere, mo-derne Mittel zur „Herstellung der so-genannten öffentlichen Meinung“gibt. Die Financial Times Deutsch-land (7.7.2011) berichtet, dass inFrankreich „bereits 600000 Franzosenmindestens eine Aktie der GesellschaftEADS“ haben. In Deutschland seien es„erst etwa 120000“. Dazu wiederummuss man wissen, dass in Frankreichzwei Drittel der nationalen Auflagealler Tageszeitungen von Rüstungs-konzernen kontrolliert werden.

    * Rosa Luxemburg, Die Akkumulation desKapitals, Berlin 1913, Reprint 1969, S. 442.

    2 zeitung

    ImpressumDie Zeitung GEGEN DEN KRIEG (ZgK) wird her-ausgegeben von Heike Hänsel (Tübingen), UlrichSander (Dortmund), Monty Schädel (Waren/Müritz), Bärbel Schindler-Saefkow (Berlin), Lau-ra von Wimmersperg (Berlin) und Winfried Wolf(Michendorf). Die ZgK erscheint im Büro für Frieden und So-ziales – BFS e.V., Wilhelmshorst.Verantwortlicher Redakteur (V.i.S.d.P.) undISSN: Winfried Wolf;ISSN 1611-2881Unterstützende Personen, Parteien, Initiativenund Organisationen:Die Anstifter (Stuttgart) // Antikriegsforum Lud-wigshafen // bundesweite attac-AG Globalisie-rung und Krieg // Friedensbündnis Karlsruhe //Galerie Olga Benario, Berlin // Willi Hoffmeisterals Sprecher des Ostermarsches Ruhr // DeutscheFriedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienst-gegnerInnen (DFG-VK) // Friedensbündnis Kar-lsruhe // Jochen Traut für den Geraer Dialog/So-zialistischer Dialog (in der Partei Die Linke) //Sozialistische Linke, Karlsruhe // Peter Strutyns-ki als Sprecher des Bundesausschusses Friedens-ratschlag // Initiative Vereinigte Linke // Nord-bremer Bürger gegen den Krieg // Vereinigungder Verfolgten des Naziregimes – Bund der Anti-faschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) //PapyRossa Verlag Köln // Rüstungs-Informati-onsbüro (RIB e.V.), Freiburg // Sozialistische Zei-tung, Köln // DIE LINKE (Parteivorstand).Gestaltung: Joachim RömerAdressen: Postanschrift: BFS e.V. · An den Ber-gen 112 · 14552 Michendorf E-mail: [email protected] Telefon: 030 – 27 731 83 // Fax: 030 –22776179 (MdB-Büro Heike Hänsel)Preise und Konto: Der Versand erfolgt auf Be-stellung zu den folgenden Preisen (Unkosten):> von 1 bis 50 Ex. zu 30 Cent je Ex. > von 51 bis 499 Ex. zu 25 Cent je Ex.> ab 500 Ex. zu 18 Cent je Ex.Jeweils zuzüglich Porto und Verpackung.Abos: Die ZgK wird in der Regel in größerenKontingenten bestellt, teilweise auch in Formfester Bestellungen. Preise siehe oben. Die ZgKkann auch wie folgt in Einzelexemplaren abon-niert werten. Als Abo gelten hier jeweils vierAusgaben der ZgK in Folge:> bei Bezug von je 1 Ex. = Abopreis 8 Euro> bei Bezug von je 3 Ex. = Abopreis 9 Euro> bei Bezug von je 5 Ex. = Abopreis 10 Euro.Spenden & Konto: Die Zeitung GEGEN DENKRIEG finanziert sich vor allem über Spendenund Unkostenbeiträge durch Friedensinitiativenund Einzelpersonen und durch die ehrenamtli-che Arbeit von Autorinnen und Autoren. Der BFS e.V. ist anerkannt als gemeinnützigerVerein; Spenden sind steuerlich abzugsfähig.BFS e.V. · MBS (Mittelbrandenburgische Spar-kasse) · BLZ 16050000 · Kto.Nr.: 3527001866.

    EditorialLiebe Leserin, lieber Leser,es gab bereits eine Titelseite mit derÜberschrift „Krise und Kriege“. Daswar die Ausgabe 28 zum Ostermarsch2009. Die Überschneidungen mit demArtikel auf der Titelseite dieser ZgKhalten sich allerdings in Grenzen. Da-mals standen wir am Beginn derschweren Wirtschaftskrise. Heute erle-ben wir eine drohende neue Krisenach kurzer Belebung im Jahr 2010.Die gewaltigen staatlichen Programmezur Rettung der Banken und der Kon-junktur vor dem kompletten Absturzhaben bereits stattgefunden. Es stelltsich die Frage, was die nunmehr hochverschuldeten Staaten als geballte Ver-anstaltung der Konzerne und Bankentun werden, wenn ein neuer Absturzdroht. In der erwähnten ZgK aus demJahr 2009 gab es dazu die folgendeerhellende Passage:

    „Paul Krugman, der diesjährigeÖkonomie-Nobelpreisträger, kritisierteam 16. Februar 2009 in der New YorkTimes die Wirtschaftsprogramme derAdministration unter US-PräsidentBarack Obama als völlig unzurei-chend. Dann kam er zur Sache – unddamit zum Krieg als großem Konjunk-turprogramm. Krugman schrieb: ´Wereinmal sehen will, welche Anstren-gungen erforderlich sind, um die Wirt-schaft aus der Schuldenfalle zu lösen,der sollte das massive öffentliche Be-schäftigungsprogramm betrachten, dasdie Große Depression (der 1930er Jah-re; d. Red.) beendete, besser bekanntunter dem Begriff Zweiter Weltkrieg.Dieser Krieg brachte nicht nur Vollbe-schäftigung, er führte auch zu schnellansteigenden Einkommen (...) Bis 1945stiegen zwar die öffentlichen Schuldender USA, doch die Relation der priva-ten Schulden zum Bruttoinlandspro-dukt lag nur bei der Hälfte des 1940erNiveaus. Dieses niedrige Schuldenni-veau bildete die Grundlage für dengroßen Nachkriegsboom.´“

    Krugman behielt erschreckendrecht. Die zivilen Konjunkturprogram-me fruchteten wenig – auch weil sienur alte Strukturen (Auto, Flugzeug-bau) förderten. Die Friedensbewegungmuss alles tun, damit es nicht zu ei-nem Konjunkturprogramm in Formneuer Kriege oder eines neuen großenKriegs kommt. Winfried Wolf

    Argument Nr. 4:

    Argument Nr. 3:

    Argument Nr. 2:

    Argument Nr. 1:

    -Anzeige-

    zur ERKLÄRUNG des Zu-sammenhangs von Kon-

    junktur & Krisen und Rüstung & Krieg

    Argumente

  • 3

    De Maizière - der GeopolitikerArno Neuber

    Während Politsternchen KT zu Guttenberg keine Gelegenheit zum Gla-mour-Auftritt ungenutzt ließ, wird Nachfolger Thomas de Maizière alseher zurückhaltender Büroarbeiter gepriesen. Was den Militärminister keines-falls davon abhält, die Ausrichtung der Bundeswehr auf die geopolitischenAmbitionen der Berliner Republik mit Macht voranzutreiben.

    In den Verteidigungspolitischen Richtlinien, die de Maizière im Mai erlassenhat, sieht er die Aufgabe der Bundeswehr darin, „einen freien und ungehinder-ten Welthandel sowie den freien Zugang zur Hohen See und zu natürlichenRessourcen zu ermöglichen“. Da „die Erschließung, Sicherung von und Zugangzu Bodenschätzen, Vertriebswegen und Märkten (...) weltweit neu geordnet“werden, wird die „Transport- und Energiesicherheit und damit verbundeneFragen“ für die Bundeswehr eine zunehmend wichtigere Aufgabe werden.

    Vor aller Augen breitet der Minister die Weltkarte deutscher Militäreinsätzeaus. In Afghanistan werde die Bundeswehr auch nach 2014 weiter präsent undaktiv sein. Militäraktionen in Sudan, Jemen, Somalia und sogar Pakistan hälter für durchaus möglich. „Berlin sagt Verantwortung übernehmen, meint aberMacht ausüben“, schreibt die außenpolitische Zeitschrift Internationale Politik.

    Beim geplanten Panzerdeal mit Saudi-Arabien gibt Merkels Militär-Mini-ster die Prioritäten vor: „Menschenrechtsinteressen müssen eine Rolle spielen,doch überwiegen die internationalen Sicherheitsinteressen“ (Financial TimesDeutschland 9.7.2011).

    Wie diese Interessen aussehen, erläutert das Handelsblatt (14.7.2011) an-schaulich. So sind die deutschen Leo-Panzer nicht nur „200 mal 67 TonnenAbschreckung“, sondern auch „Petrodollar-Recycling im Wert von bis zu 2,5Milliarden Euro. Oder Offenhaltung der Produktionslinien, nachdem die Bun-deswehr 1700 Leos ausgemustert hat“.

    Die Bundeswehr ist laut de Maizière „Instrument der Außenpolitik“ undwird künftig bis zu 10000 Soldaten für internationale Interventionen einsetzenkönnen. Zum Alltagsgeschäft soll auch die Unterstützung von NATO-Kriegenwerden. „Andernfalls müssten wir aus der NATO austreten“, sagt der Ministerund rechtfertigt so die Beteiligung deutscher Soldaten an der Zielauswahl fürNATO-Bomber in Libyen – was im übrigen laut de Maizière kein Bundestags-mandat erfordert. Der Mann redet, wie sein Vorgänger Klartext: „Sterben undTöten gehören dazu, das müssen wir akzeptieren und bejahen“, fordert de Mai-zière (Spiegel 25/2011).

    Schließlich geht es ja um Größeres als das Leben: um Deutschland, umMacht. Um Profit.

    Deutsche Hegemonialmacht auf dem Balkan

    Sevim Dagdelen

    Oft wird behauptet, Außenminister Westerwelle wären die Schuhe seines li-beralen Vorgängers Genscher zu groß. Angesichts der Balkanreise des Li-beralen kann man aber jetzt schon sagen: Westerwelle schaut zumindest schonmal, ob sie nicht doch passen. Hatte Genscher Anfang der 90er Jahre mit sei-ner Anerkennungspolitik gegenüber Slowenien und Kroatien, gegen alle inter-nationale Kritik, die Kriege auf dem Balkan regelrecht mit heraufbeschworen,hört man jetzt von Westerwelle, nachdem mit deutscher Hilfe so viele Grenzenneu gezogen wurden, die territoriale Integrität der Staaten in der Region seifür Deutschland „unverhandelbar“. Ein Zynismus ohnegleichen.

    Wieder einmal ist es die deutsche Außenpolitik, die auf dem Balkan vor-prescht. Als erster Außenminister nach den schweren Unruhen im Norden desKosovos mit der erneuten Provokation der kosovo-albanischen Administrationmit Hilfe des deutschen NATO-Generals Bühler besucht Westerwelle die Regi-on. Er trifft sich mit dem „Regierungschef“ Hashim Thaci. In einem Bericht desEuroparates werden dem früheren UCK-Kommandeur zahlreiche Verbrechengegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Westerwelles politische Gespräche sindein offener Affront gegen diejenigen EU-Mitgliedsstaaten, die die völkerrechts-widrige einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovos nicht anerkannt ha-ben, wie Zypern, Spanien, Griechenland, Rumänien und die Slowakei. Als Gip-fel der Provokationen besucht Westerwelle auch noch einen der umstrittenenPosten im Nordkosovo – an jener „Grenze“, die seine Soldaten schützen, nach-dem er an deren Ziehung beteiligt war.

    Offensichtlich will Westerwelle damit auch die Politik der Einschüchterungder serbischen Bevölkerung zelebrieren. Sie soll ihren Widerstand gegen NATOund UCK-Administration endlich aufgeben und sich in ihr Schicksal fügen. DieBotschaft ist unmissverständlich: Deutschland ist auf dem Balkan wieder diehegemoniale Macht. Die Serben werden ins Gebet genommen: Entweder ihrverzichtet auf das Kosovo oder ihr kommt nicht in die EU, so das Berliner Dik-tat. Es bleibt abzuwarten, welche Antwort die serbische Regierung dem deut-schen Ultimatum geben wird. Eine Zustimmung zu einer derartigen völker-rechts- und europarechtswidrigen Erpressung würde bedeuten, dass Serbienseiner demokratischen Verpflichtung, seine Bürger und sein Territorium imverfassungs- und völkerrechtlichen Sinne zu schützen, nicht nachkommt. Undschlimmer: Es würde den Schlussstein setzen für die deutsche Hegemonie aufdem Balkan. Deutschland hätte erfolgreich eine Politik von Drohungen undGewalt an die Stelle des Völkerrechts gesetzt.

    Arno Neuber ist aktiv in der Friedensbewegung und Mitglied im Beirat der Informations-stelle Militarisierung (IMI) e. V. Tübingen · Sevim Dagdelen ist Bundestagsabgeordnete derPartei DIE LINKE; ihr hier wiedergegebener Beitrag erschien zuerst in der Tageszeitung jun-ge Welt vom 12. August 2011.

    gegen den krieg

    Ulla Jelpke

    Als Verdächtige für das Massaker, das Anders Brei-vik am 22. Juli angerichtet hatte, wurden in denersten Stunden „islamistische Terroristen“ vermu-tet. Norwegen unterstützt die ISAF-Truppe in Afghani-stan – wer anders als islamische Wirrköpfe könnte alsoein Interesse daran haben, einen solch fürchterlichen An-schlag durchzuführen? Dieser Gedankengang ist ein Re-flex, der „im Westen“ mittlerweile üblich ist: Wenn esknallt, dann sind „wieder“ Islamisten am Werk. Es ist einfürchterlicher Reflex, der aber nicht vom Himmel gefal-len ist, sondern den Menschen systematisch antrainiertwurde.

    Die Saat des sogenannten „Krieges gegen den Terror“,der nur schlecht verhohlen als „Krieg der Zivilisationen“geführt wird, geht auf. Hier die aufgeklärten Demokraten,dort die wirren Gotteskrieger, denen ständig die Bombeunterm Turban brennt, will man uns weismachen.

    Die Unterschiede in der Reaktion der Regierungen wa-ren gleichwohl augenfällig: Der norwegische Minister-präsident versicherte umgehend, die Antwort Norwegensbestehe in „mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Hu-manität.“ Es bleibt offen, ob er das auch gesagt hätte,wenn der Attentäter tatsächlich ein Muslim gewesenwäre.

    Eindeutig ist aber: Wenn ein Muslim ein solches At-tentat im Berliner Regierungsviertel oder in einem Ju-gendcamp auf Rügen verübt hätte, wären die Reaktionenin Deutschland ganz anders ausgefallen.

    Aber auch so ließen die deutschen Sicherheitspolitikerihre ewig gleiche Schallplatte laufen: Mehr Überwa-chung, mehr Kontrolle, mehr Verbote. Der Innenministerrief erneut nach der Vorratsdatenspeicherung, in der SPDmachte man sich Gedanken, das Internet stärker zu kon-trollieren. Die Gewerkschaft der Polizei schlug vor, einespezielle Datei „Verdächtiger Personen“ einzuführen, de-ren Kriterien nicht ansatzweise erläutert wurden. Als obes nicht schon genügend Dateien zur Überwachung derBürger gebe. Politiker der CDU/CSU traten schließlicheine neue Runde im Karussell der NPD-Verbotsdebattelos. Tagelang wurde beschworen, die Nazipartei gehöreeinerseits verboten, andererseits seien aber die V-Leuteunverzichtbar. Ernsthaften Antifaschisten, die gute Argu-mente für ein Verbot anführen, wird durch diese verloge-ne Debatte regelmäßig ein Bärendienst erwiesen.

    Im konkreten Fall war die Debatte zudem ein klassi-sches Ablenkungsmanöver: Man wollte Anders Breivikals Nazi darstellen, um eine Auseinandersetzung mit sei-nen politischen Vorstellungen zu vermeiden. Dabei ver-deutlicht schon eine oberflächliche Durchsicht seines

    1500-Seiten-Kompendiums, dass Breivik den „National-sozialismus“ mit dem Islamismus und dem Kommunis-mus auf eine Stufe stellt und alle als „totalitär“ ablehnt.Die westlichen Gesellschaften seien aber einer Kolonisie-rung durch Kommunisten und vor allem Muslime unter-zogen, und sie hätten gewissermaßen schon kapituliert.Hitler habe zwar einige richtige Fragen gestellt (die „Ras-senfrage“ vor allem), aber falsche Antworten gegeben.

    Und da klingelt was! Genau solche Töne sind, nichtnur in Deutschland, schon lange Teil des Diskurses. Hier-zulande stellt ein Sarrazin auf seine Art die Rassenfrageund polemisiert mit gnadenloser Pauschalität gegen„Kopftuchmädchen“ und „unproduktive“ Einwanderer.Der Bundesinnenminister nutzte seine Antrittsrede imMinisteramt, um klarzustellen, dass der Islam aus seinerSicht nicht zu Deutschland gehöre.

    Union und SPD, deren Mitglied Sarrazin weiterhin seindarf, fordern vehement Sanktionen gegen sogenannte„Integrationsverweigerer“. Es gibt keinen Moscheebaumehr ohne Bürgerinitiative dagegen. Eine Studie derFriedrich-Ebert-Stiftung zeigt, dass über ein Drittel derDeutschen das Land für „in einem gefährlichen Maßüberfremdet“ hält.

    Das ist der Extremismus der Mitte, der im Windschat-ten von Krieg und Terrorhysterie gedeiht und Sünden-bocke für die kapitalistische Krise präsentiert. Währendder Verfassungsschutz seine V-Männer in der Naziszenehält und Linke sowie Antifaschisten zu Staatsumstürzlernstilisiert, wird dem rechtspopulistischen Spektrum keineBeachtung geschenkt.

    Dabei breitet sich dieser Sumpf immer weiter aus. WerMuslimen abspricht, gleichberechtigte Menschen zu seinund sie als tödliche Gefahr für die Existenz der deutschenNation dämonisiert, für den stellt sich ihre Bekämpfungals legitim dar. Das ist die Logik des Krieges, die inDeutschland schon viele teilen, wenn sie auch bislangnoch keiner in diesem Ausmaß praktiziert, und, wie Brei-vik, von der Hetze zur Tat schreitet. Aber das könnteauch hier eine Frage der Zeit sein.

    Die Lunte für solche Morde ist bereits gelegt. Es ist dasMindeste, den Rechtspopulisten jetzt wenigstens das Feu-er aus der Hand zu schlagen. Menschenverachtende undausgrenzende Hasspropaganda gegen religiöse oder eth-nische Gruppen ist kein lässliches Kavaliersdelikt, son-dern muss gesellschaftlich strikt geächtet werden! „MehrDemokratie“ eben. Das sollten sich vor allem die Regie-rungspolitiker dringend zu Herzen nehmen.

    Ulla Jelpke ist innenpolitische Sprecherin der BundestagsfraktionDIE LINKE

    Die Saat des „Krieges ge-gen den Terror“ geht auf

    Massaker in Norwegen

    Während der Trauerfeier für dieOpfer des Anschlags in Oslo

  • Bundessicherheitsrat: geheime Sitzungen – tödliche Folgen

    Jürgen Grässlin

    Die Bundeskanzlerin leitet quaAmtes ein Gremium höchsterEntscheidungskompetenz: denBundessicherheitsrat (BSR). Diesemgehören neben der Vorsitzenden An-gela Merkel weitere sieben stimmbe-rechtigte Mitglieder an: die Bundes-minister des Äußeren, der Verteidi-gung, des Inneren, der Justiz, der Fi-nanzen, der Wirtschaft, der wirt-schaftlichen Zusammenarbeit undEntwicklung sowie der Chef des Bun-deskanzleramts, letzterer ohneStimmrecht. Bei Bedarf nehmen wei-tere Minister und der Generalinspek-teur der Bundeswehr beratend teil.Der BSR tagt geheim, die Öffentlich-keit – ja selbst die Mitglieder desDeutschen Bundestags – bleibenaußen vor. Nach Entscheidungen desBundessicherheitsrats befragt, ver-schanzt sich Angela Merkel regel-mäßig hinter der selbst gesetzten Ge-heimhaltungspflicht. Diese Politik desSchweigens über den folgenschwer-sten Aspekt der deutschen Außen-,Sicherheits- und Wirtschaftspolitik istangesichts der Tragweite der Ent-scheidungen zutiefst undemokratisch.

    Schließlich befindet der Kabinetts-ausschuss über Fragen, die die Kom-petenzen der nachgeordneten Kon-

    trollbehörde Bundesamt für Wirt-schaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA)in Eschborn bei Weitem übersteigen:Dürfen zahlreiche deutsche Unterneh-men diktatorische Staaten wie Ägyp-ten, Tunesien oder Libyen – wohlge-merkt in den Jahren vor den Aufstän-den des Jahres 2011 – mit Waffenoder Rüstungsgütern, wie z.B. Merce-des-Militärfahrzeugen, beliefern? Darfdie European Aeronautic Defence andSpace Company (EADS) – größterStimmrechtseigner ist die Daimler AG– weiterhin Kampfflugzeuge des TypsEurofighter an Saudi-Arabien aus-führen, trotz des militärischen Ein-greifens in Bahrain? Darf desgleichendie EADS einen rund 8000 Kilometerlangen Grenzschutzzaun rum umSaudi-Arabien bauen? Darf das –zweifelsfrei in einem Krisengebiet ge-legene Könighaus 200 Leopard-2-Panzer von Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann erhalten? Oder gardie Lizenz zum Nachbau des Sturm-gewehrs G36 von Heckler & Koch?

    Die Antworten müssten unisono„Nein!“ lauten. Denn Staaten wie diese liegen in Krisengebieten, ihreMenschenrechtsituation ist „sehrschlecht“, wie die Gemeinsame Konfe-renz Kirche und Entwicklung (GKKE)in ihren Rüstungsexportberichten be-stätigt. Ganz anders die Entscheidun-

    gen des Bundessicherheitsrates: Diesefielen in den genannten (und in ande-ren vergleichbaren) Fällen pro Waf-fenhandel aus. Denn Rüstungsexportedienen in erster Linie deutschen Inter-essen. Zu ihnen zählen die – wie auchimmer definierte –„Sicherheit“ in ei-ner Region, die Sicherung der Roh-stoffzufuhr und die Flüchtlingsab-wehr. Die Folgen sind fatal. Ganz le-gal leistet die Bundesregierung unterder Ägide von Angela Merkel mittelsihrer RüstungsexportgenehmigungenBeihilfe zum Morden in zahlreichenLändern. Gerade die Opferzahlen inFolge des Einsatzes von Pistolen undMaschinenpistolen, Sturm- und Ma-schinengewehren waren und sindexorbitant hoch.

    Im Ergebnis ist Deutschland aufge-stiegen zur drittgrößten Rüstungsex-portnation der Welt. Angela Merkelist Bundeskanzlerin des Landes, dasals Europameister beim Waffenhandelschamlos menschenrechtsverletzendeRegime an der Macht hält und krieg-führende Staaten, wie die USA,Frankreich und Großbritannien, belie-fert.

    Angela Merkel – Handlungsreiseder deutschen RüstungsindustrieDass sich die deutsche Luftfahrtindu-strie – allen voran die EADS – der

    Dienste der Kanzlerin erfreut, hat un-gute Tradition. Im Mai 2010 bereisteAngela Merkel mehrere Golf-Staaten.Wenige Tage danach unterzeichneteScheich Ahmed Bin Saeed Al Mak-toum, Chef der Fluggesellschaft Emi-rates, vor ihren Augen bei einer inter-nationalen Luftfahrtmesse die Orderfür 32 A380-Großraumflugzeuge. DerWert dieser zivilen Flieger belief sichlaut Listenpreis auf rund 10 Milliar-den Euro.

    Ein Jahr danach, im Mai 2011, flogdie Kanzlerin nach Neu-Delhi zumTreffen mit Indiens Premier Manmo-han Singh. Diesmal war ein Waffen-geschäft der EADS eines der Topthe-men. Unumwunden vertrat Merkel dieInteressen des Rüstungsriesen. „Wirsind von unserem Angebot über-zeugt“, verkündete die Kanzlerin zurLieferung von 126 Kampfflugzeugendes Typs Eurofighter/Typhoon an dieindische Luftwaffe. Sie wisse, „dasswir ein gutes Produkt haben“, so diedeutsche Regierungschefin als EADS-Gehilfin. Der Gesamtpreis beläuft sichbis auf 10 Milliarden Euro.

    Keine zwei Monate später machtesich Merkel wieder auf die Reise.Diesmal galt es – so die Hoffnung –den Hungernden in Somalia und an-grenzenden Gebieten zu helfen. Dennam Horn von Afrika wütete im Juli2011 eine der schlimmsten Hungerka-tastrophen in der Geschichte des Kon-tinents. Die Kanzlerin führte Ge-spräche in Kenia – jedoch abseits allerFlüchtlingslager. Auf ihrer Afrika-Reise traf sie sich nicht mit dengroßen humanitären Hilfsorganisatio-nen, dafür mit Machthabern, Militärsund Wirtschaftsvertretern. In Angolaund Nigeria gab es Wichtigeres zu re-geln, als die Bekämpfung des Hungersam Horn von Afrika: Beide Staatenzählen zu den erdölreichsten des Kon-tinents.

    Als erste deutsche Kanzlerin be-suchte sie Angola, traf sich mitStaatsoberhaupt José Eduardo dosSantos. Angola ist ein äußerst armesLand mit hoher Staatsverschuldung,niedrigem allgemeinen Lebensstan-dard, hoher Kindersterblichkeit undvielfacher Verletzung der Bürger- undMenschenrechte. Aber Angola istreich an Erdöl und Diamanten. DosSantos regiert seit drei Jahrzehntenals autokratischer Herrscher. Seine Si-cherheitskräfte wüten mit martiali-schen Mitteln gegen Menschen im ei-genen Land: rechtswidrige Zwangs-räumungen, Haftstrafen ohne Ge-richtsverfahren, außergerichtlicheHinrichtungen, mordende Polizei zu-meist ohne Strafverfolgung, Massen-abschiebungen – die Liste staatlich zuverantwortender Menschenrechtsver-letzungen ist lang.

    Merkel kümmerte sich auf ihre Artum Hilfe für Angola. Bei ihrer Rede

    zur Eröffnung des Deutsch-Angolani-schen Wirtschaftstreffens in Luandakündigte sie an: „Wir würden Ihnenauch gerne bei Ihren Verteidigungs-anstrengungen helfen“, konkret „beider Ertüchtigung der Marine“. Kurzdarauf erklärte Dos Santos: „Wir ha-ben jetzt dieses deutsche Angebot fürdie Kriegsmarine erhalten“, erklärteAngolas Präsident. Laut Kanzlerin er-wägt Deutschland die Lieferung vonPatrouillenschiffen zur Grenzsiche-rung. Immerhin gehöre Angola zuden Ländern, die sich in der Afrikani-schen Union für Stabilität einsetzenwürden. „Unser Ziel ist ja, dass regio-nale Konflikte auch durch regionaleTruppen befriedet werden können.“

    Rüstungsexporte an Angola sindseit der Aufhebung des internationa-len Waffenembargos Ende 2002 wie-der gang und gäbe – Tendenz stei-gend. Im Jahr 2009 genehmigte dieBundesregierung Rüstungstransfers inHöhe von 11,51 Millionen Euro an dieMachthaber in Luanda. Die geplanteLieferung bewaffneter Küstenbootehat jedoch eine neue Qualität. Diegroßen Erdölvorkommen Angolas lie-gen im Atlantischen Ozean in tausen-den Metern Tiefe, dort haben US-Öl-konzerne die Offshore-Förderungübernommen. Täglich werden etwa1,6 Millionen Barrel gehoben. DieseErdöllagerstätten werden in Teilenauch von der Demokratischen Repu-blik Kongo beansprucht. Militärischausgetragene Grenzkonflikte scheinenmöglich, wenn nicht gar vorprogram-miert. Sollten diese zu einem Seekriegzwischen Angola und der DR Kongoführen, wären modernste Kriegsschif-fe mit Hightech-Bewaffnung äußersthilfreich.

    In Merkels Reisedelegation durfteauch Friedrich Lürßen nach Angolamitreisen. Lürßen ist Firmenchef dergleichnamigen Bremer Werft, dienicht nur Luxusyachten, sondernauch Kriegsschiffe fertigt und ver-kauft. Der Absatzmarkt Angola ver-spricht ein lukratives Waffengeschäft.Sechs bis acht Patrouillenboote zwi-schen 28 und 41 Meter lang hatte dieLürssen-Werft angeboten, je nachGröße zwischen zehn und 25 Millio-nen Euro teuer – pro Stück verstehtsich.

    Jürgen Grässlin ist einer der Kampagnen-sprecher von „Aktion Aufschrei: Stoppt denWaffenhandel!“ (2011 bis 2013), Bundes-sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft– Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Sprecher der Kritischen AktionärInnenDaimler (KAD) und Vorsitzender des Rü-stungsInformationsBüros (RIB e.V.). Er istAutor zahlreicher kritischer Sachbücherüber Rüstungsexporte sowie Militär- undWirtschaftspolitik, darunter mehrere Best-seller. Grässlin ist Träger des „AachenerFriedenspreises“ 2011.www.juergengraesslin.com

    4 zeitung

    Angela Merkel –Händlerin

    des Todes

  • Mitmachen bei der neuen Kampagne

    Kaum ein Tag vergeht, an demnicht neue Waffentransfers ausDeutschland bekannt werden.Dank einer äußerst exportorientiertenAußen- und Wirtschaftspolitik istDeutschland zum Europameister beimGeschäfte mit dem Tod avanciert.Maßgebliche Empfängerländer deut-scher Waffen sind Staaten, die Men-schenrechte verletzen oder Kriegführen. Ein bedeutender Anteil deut-scher Waffentransfers erfolgt ausge-rechnet in Länder, die Entwicklungs-hilfe beziehen. So streckt Deutschlanddie eine Hand helfend aus, währenddie andere Hand mit der Finanzierungder Waffenprojekte das Geld aus denKassen nimmt, das dringend für dieArmutsbekämpfung, Gesundheitspro-jekte und Bildung gebraucht wird.

    In beträchtlichem Umfang wurdendeutsche Waffen an Länder in Krisen-und Kriegsgebiete des Nahen Ostens,Asiens und Afrikas verkauft. Dabeiwurde und wird der Grundsatz, nichtin Spannungsgebiete und nicht anmenschenrechtsverletzende Staatenzu liefern, zunehmend missachtet. Mitgroßer Sorge verfolgen wir auch Li-zenzvergaben zum Nachbau deutscherWaffen.

    Wir schreien auf, weil die Folgenvon Rüstungsexporten für die Men-schen in den Empfängerländern nichtselten verheerend sind: BestehendeKonflikte werden verstärkt und eska-lieren häufig gewaltsam, unzähligeMenschen werden getötet, verwundet,vertrieben oder erleiden schwereTraumata. Gemäß unseren - wohlge-merkt niedrig gerechneten – Schät-zungen wurden bislang allein durchGewehre und Pistolen der Waffen-schmiede Heckler & Koch nach demZweiten Weltkrieg mehr als 1500000Menschen getötet. Noch mehr Men-schen wurden verstümmelt. Unge-zählte Kriegsopfer sind durch die vie-len anderen waffenexportierendendeutschen Unternehmen zu beklagen.

    Jetzt endlich ist höchste Zeit, ge-gen diese Politik lautstark aufzu-schreien. Aus diesem Grund habensich zahlreiche Organisationen ausder Friedens- und Menschenrechtsar-beit zusammengetan, um gemeinsammit entwicklungspolitischen Gruppie-rungen, Gewerkschaften und mög-lichst vielen weiteren zivilgesell-schaftlichen Akteuren – die bis zurBundestagswahl 2013 geplante –Kampagne „Aktion Aufschrei: Stopptden Waffenhandel!“ durchzuführen.

    Ziele der KampagneWir fühlen uns den Opfern der skan-dalösen Rüstungsexportpolitik derBundesregierung verpflichtet, deshalbwollen wir den Geschäften mit demTod ein Ende setzen. Unsere Ziele sindklar definiert. Wir wollen• aus der Zivilgesellschaft heraus

    massiv Druck gegen die Verantwort-lichen der deutschen Rüstungsex-portpraxis aufbauen und zugleichsinnvolle Alternativen zur Waffen-produktion aufzeigen.

    • edie Aufnahme eines grundsätzli-chen Exportverbots von Waffen undRüstungsgütern in Artikel 26 Absatz2 des Grundgesetzes. In einem Zwi-schenschritt streben wir die Aufnah-me dieser Forderung in die Wahl-programme der Parteien zur näch-sten Bundestagswahl an.

    Diese Ziele verstehen wir als Schritteauf Weg zu einem vollständigen Ver-bot Rüstungsexporten. Bis zum Errei-chen dieses Ziels ist es langer Weg,

    den wir in vielen weiteren Teilschrit-ten angehen werden.

    Klarstellung des GrundgesetzesVerantwortlich für die Genehmigun-gen von Rüstungsexporten sind dieBundesregierung und die nachgeord-neten Behörden, allen voran das Bun-desausfuhramt (BAFA). Weder derBundestag noch die Öffentlichkeitwerden beteiligt – Demokratie neindanke.

    Grundlage für die Kontrolle desRüstungshandels in der Bundesrepu-blik Deutschland ist Artikel 26 (2) desGrundgesetzes. Zurzeit heißt es dort:„Zur Kriegführung bestimmte Waffendürfen nur mit Genehmigung derBundesregierung hergestellt, befördertund in Verkehr gebracht werden. DasNähere regelt ein Bundesgesetz“. Ne-ben dem das Territorium der Bundes-republik Deutschland betreffendeKriegswaffenkontrollgesetz (KWKG)wird bei der Genehmigungsentschei-dungen vor allem auf das – auf dieExportförderung ausgerichtete! –Außenwirtschaftsgesetz (AWG) unddie zugehörige Außenwirtschaftsver-ordnung Bezug genommen.

    Machen Sie mit und fordern Siemit uns eine Klarstellung von Artikel26, Absatz 2, des Grundgesetzes. Dortsoll es zukünftig heißen:

    „Zur Kriegführung bestimmte Waf-fen dürfen nur mit Genehmigung derBundesregierung hergestellt, befördertund in Verkehr gebracht werden. DasNähere regelt das Kriegswaffenkon-trollgesetz. Kriegswaffen und sonstigeRüstungsgüter werden grundsätzlichnicht exportiert. Das Nähere regeltdas Rüstungsexportgesetz.“

    Wir wissen, dass auch diese Grund-gesetzergänzung aufgrund übergeord-neter rechtlicher Rahmenbedingungenauf EU-Ebene noch nicht das voll-ständige Ende aller Waffenexporteaus Deutschland bedeutet. Aber siewird ein bedeutender Schritt sein,bringt sie doch die Umkehrung derbisher freizügigen Rüstungsexportre-gelung hin zu einem Genehmigungs-vorbehalt. Mit der Ergänzung desGrundgesetzes im Sinne desgrundsätzlichen Verbots werden ersteinmal Exporte von Waffen und Rü-stungsgütern verboten sein. Es siedenn, sie werden ausnahmsweise aus-drücklich erlaubt, wie beispielsweiseder Export von Minenräumfahrzeu-gen. Ein neues Rüstungsexportgesetzmuss hierzu einen äußerst engen Rah-men setzen.

    Schritte zum vollständigen RüstungsexportstoppIn der Bevölkerung gibt es eine klareMehrheit gegen Waffenhandel. ImFalle des geplanten Exports von 200Leopard-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien sprachen sich aktuell 73 Pro-zent der Befragten gegen diesen Waf-fentransfer aus. Anhänger aller fünfim Bundestag vertretenen Parteienfanden die Panzerlieferung „nichtrichtig“ (siehe stern vom 14.07.2011):Doch noch sind die Mehrheitsverhält-nisse im Bundestag mehrheitlich ge-gen uns. Deshalb starten wir mit „Ak-tion Aufschrei – Stoppt den Waffen-handel!“ eine in ihrer gesellschaftli-chen Breite bislang nicht gekannteInformations- und Druckkampagne.

    Ein Schritt zum Ziel dieser Klar-stellung im Grundgesetz ist das Sam-

    meln von 262.000 Unterschriften biszur Bundestagswahl 2013. Wir wollenerreichen dass unsere Forderungen in

    die Bundestagswahlprogramme derParteien aufgenommen werden. In ei-nem weiteren Schritt sollen sie Inhaltdes Koalitionsvertrags kommenderBundesregierungen sein und letztlichzur Umsetzung gelangen. Unterstüt-zen Sie uns und bestellen Sie hierzuUnterschriftenlisten. Oder unterschrei-ben Sie online (Website siehe unten).

    Um den Opfern eine Stimme zu ge-ben, organisieren wir Zeugenreisenmit Betroffenen aus den Empfänger-ländern deutscher Waffenexporte.Und wir geben den Tätern in Politikund Rüstungsindustrie Name und Ge-sicht.

    Trägerkreis und Aktionsbündnisweiter verbreiternDie Kampagne wird getragen von ei-nem bislang einmalig breiten bundes-weiten Trägerkreis von Organisatio-nen der Friedensbewegung, der kirch-lichen Friedens- und Entwicklungszu-sammenarbeit, etc. – im Aktions-bündnis der Kampagne arbeiten be-reits heute mehr als 100 Mitgliedsor-ganisationen mit. Die erfreuliche Re-sonanz bei der Auftaktpressekonfe-renz im Mai 2011 macht Mut. Der 26.Februar wird – in Anlehnung an GGArtikel 26 (2) – in den nächsten Jah-ren unser bundesweiter Aktionstaggegen den Waffenhandel sein.

    Wir wollen unser Bündnis weiterverbreitern und viele neue Unterstüt-zerinnen und Unterstützer gewinnen.Die Unterstützung durch weitere bun-desweite, regionale und lokale Initia-tiven, Vereine und Organisationen istausdrücklich erwünscht. In diesemSinne wünschen wir uns: Macht mitbei „Aktion Aufschrei – Stoppt denWaffenhandel!“

    www.aufschrei-waffenhandel.de [email protected]

    Jürgen Grässlin, Christine Hoffmann undPaul Russmann, KampagnensprecherInnen

    5gegen den krieg

    Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!

    Panzer und Sturmgewehregegen friedliche DemosDeutschland rüstet die saudischen Herrscher gegen Volksaufstände auf

    Kaum ein Rüstungsexport ist symbolträchtiger und verwerflicher als dernach Saudi-Arabien. Die Entscheidung der deutschen Regierung, Leopard-2-Kampfpanzer nach Saudi-Arabien zu liefern, stellt einen Tabubruch oh-negleichen dar. An die breitere Öffentlichkeit drang das Projekt, als derBundestag im Juli 2011 darüber debattierte und die Opposition von Grünenund Linken eine Offenlegung der entsprechenden Entscheidung des Bun-dessicherheitsrats forderte. Doch Merkel und die CDU/CSU-FDP-Regierungmauern.Es geht um ein Rüstungsgeschäft im Gesamtwert von mindestens 1,7 Milli-arden Euro. Sobald der Vollzug dieses desaströsen Deals gemeldet seinwird, verfügt das saudi-arabische Königreich über die weltweit begehrte-sten Kampfpanzer, wohl in der Version „Leopard 2A7+“. Zu dessen „Lei-stungsmerkmalen“ gehören, so der Münchner Panzerhersteller Krauss-Maf-fei Wegmann (KMW), die Schnittstelle zum Anbringen eines Pfluges oderRäumschildes. Des Weiteren verfügt die Leopard-Version A7+ über eineVielzahl von Fähigkeiten, die die Panzercrew dazu befähigen, Demonstra-tionen einer Demokratiebewegung in Riad und Dammam, Jiddah und Mek-ka blutig niederzuschlagen. Massaker, wie dasjenige auf dem Pekinger Ti-an’anmen-Platz im Jahr 1989 werden sich wiederholen können - in Saudi-Arabien und mit dem Einsatz deutscher Waffen. Während saudische Si-cherheitskräfte dann mit deutschen Panzern gewaltfrei demonstrierendeRegierungskritiker niederwalzen, werden Polizei- oder Militärkräfte mitG36-Sturmgewehren – entwickelt in Oberndorf am Neckar, produziert inLizenz im saudi-arabischen Ort Al-Kharj – die Überlebenden nieder-schießen. All das kann geschehen dank der Waffenexportgenehmigungen der Mer-kel-geführten schwarz-roten bzw. schwarz-gelben Bundesregierungen.

  • Joachim Guilliard

    Am 9. August erschütterten diebis dahin schwersten Luftan-griffe Tripolis. Bombenein-schläge waren, wie die Korresponden-ten der chinesischen Nachrichtena-gentur Xinhua berichteten, aus fastallen Teilen der Hauptstadt zu hören,über einigen Stadtvierteln schossenFlammen in die Höhe. Gleichzeitigversuchten NATO-Kampfjets vor-rückenden Rebellen den Weg zurwestlibyschen Küstenstadt Sliten freizu bomben. Dabei wurden im Nach-bardorf Majer 85 Dorfbewohner getö-tet, darunter 33 Kinder und 32 Frau-en. Beides nur vorläufige Höhepunktedes fünfmonatigen Bombenkrieges, indem die Kriegsallianz bisher rund20000 Einsätze flog, über 120 proTag.

    In dem Maße, wie militärische Zieleausgingen, konzentrierten sich dieAngriffe auf zivile Einrichtungen. Inorwellscher Manier werden auch dieseBombardierungen, die täglich neueOpfer fordern, mit der Standardphrase„Schutz der Zivilbevölkerung“ ge-rechtfertigt – sogar die mehrfacheBombardierung von Fernsehstationen.Bereits Ende April hatte die NATO-Führung angekündigt, verstärkt auchRegierungsgebäude, „Kommunikati-onseinrichtungen und andere wichti-ge Institutionen, die der libyschen Re-gierung nützen“ zu bombardieren.Diese „Verlagerung der Ziele“ gesche-he in der „Absicht, die Macht vonOberst Muammar al-Gaddafi zuschwächen und seine Streitkräfte zufrustrieren“. Bombardiert wurden je-doch auch Nahrungsmitteldepots,Raffinerien, Kraftwerke, Trinkwasser-anlagen und andere Einrichtungen,die der Grundversorgung der Bevölke-rung dienen. Die Versorgung in denStädten brach zusammen. Wie beimelfwöchigen Bombenkrieg gegen Ju-goslawien, sollten die massiven Zer-störungen der Infrastruktur der ge-samten Bevölkerung im Westen dieAussichtslosigkeit des Widerstandsdemonstrieren und sie dadurch, wiedie NATO-Führer andeuteten, zumAufstand bewegen. Die Angriffe aufzivile Ziele sind eindeutige Kriegsver-brechen, ein klarer Akt von Staatster-ror gegen eine wehrlose Bevölkerung.

    Die internationale Kritik an derNATO wurde daraufhin schärfer. DieAfrikanische Union (AU) forderte die

    NATO eindringlich auf, Militäreinsät-ze gegen Mitglieder der libyschenFührung und die „sozio-ökonomischeInfrastruktur“ Libyens zu unterlassen.„Was ist das für eine Flugsperre,wenn jede Nacht Paläste bombardiertwerden“, so der russische Ministerprä-sident Wladimir Putin. Was bedeutedas, „wenn die sogenannte zivilisierteGemeinschaft mit ihrer gesamtenMacht über ein kleines Land herfälltund seine über Generationen aufge-baute Infrastruktur zerstört?“

    Zweifel an VerbündetenObwohl die Aufständischen militäri-sche, finanzielle und politische Unter-stützung in einem Ausmaß erhielten,wie kaum eine oppositionelle Bewe-gung zuvor, kamen sie bis Mitte Au-gust kaum voran. Auch in der NATOwuchsen Zweifel an den Verbündeten.Gebeutelt durch innere Kämpfe undunterminiert durch das rücksichtsloseund undisziplinierte Verhalten ihrerMilizen scheine der Aufstand gegenOberst Gaddafi in einen trüben Kon-kurrenzkampf zwischen verschiede-nen Fraktionen und Stämmen überzu-gehen, brachte es die New York Timesam 13.8. auf den Punkt.

    Berichte über das brutale Vorgehenvon Rebellenmilizen hatten zuneh-mend auch in westlichen MedienZweifel daran geweckt, dass die Auf-standsbewegung die demokratischeAlternative zum jetzigen Regime sei.Früh gab es schon Berichte über Mas-saker an Schwarzafrikanern. Nunhäuften sich Meldungen über Gewaltgegen Personen, die sich dem Auf-stand nicht anschließen wollen, überVertreibungen, Plünderungen undVerwüstungen in eroberten Dörfernund Städten. Die Ermordung des Mi-litärchefs der Rebellen, General AbdulFatah Yunis durch Kämpfer aus deneigenen Reihen, offenbarte schlagar-tig die innere Zerrissenheit der Anti-Gaddafi-Koalition. Es kam in der Fol-ge zu heftigen Kämpfen zwischenverschiedenen Rebellen- bzw. Stam-mesgruppen. Gleichzeitig demon-strierten auf Großkundgebungen inTripolis und anderen Städten im We-sten Hunderttausende gegen dieNATO und deren einheimischen Ver-bündeten.

    Ungeachtet dessen intensivierte dieNATO ab August ihre Bombenangrif-fe. Mit massiven Luftangriffen unddem Einsatz von Kampfhubschrau-

    bern gelang es Rebellenverbändennun wichtige Städte rund um dieHauptstadt einzunehmen und derenVersorgungslinien zu kappen.

    Drohender Staatszerfall oder neues ProtektoratFür die meisten Experten überra-schend schnell gelang es den Auf-ständischen am 21. August in Tripoliseinzudringen. Der texanische Infor-mationsdienst Stratfor vermutet, dassdie plötzlichen Fortschritte auf dieführenden Rolle von Spezialeinheitender NATO-Mächte zurückzuführen ist,die den Vormarsch eng mit den Luft-angriffen koordinierten.

    Zum Redaktionsschluss hielten dieKämpfe in Tripolis zwar noch an, al-les deutet aber auf die baldige Nieder-lage des Gaddafi-Regimes hin. DerKrieg wäre auch dann jedoch nicht zuEnde. Die Aufständischen verdankenihren Sieg allein der Intervention derNATO, sie verfügen im Westen überkeine Mehrheit, sondern werden viel-mehr für die NATO-Bomben und Zer-störungen verantwortlich gemacht.Die Gräben in dem zuvor schon ge-spaltenen, noch stark von Stämmendominierten Land wurden durch denKrieg weit aufgerissen und es ist we-nig wahrscheinlich, dass die Anti-Gaddafi-Koalition nach dem Sturz desgemeinsamen Feindes zusammenhält.Viele Experten sehen daher die Gefahrsomalischer Verhältnisse.

    Im Westen wird daher seit Wochenüber den Einsatz einer „UN-Truppe“nachgedacht. Als Vorbild soll dabeidie KFOR-Mission im Kosovo dienen,die 1999 nach dem Jugoslawienkriegdie Kontrolle über die abgespalteneProvinz Kosovo übernahm. Diese Mis-sion machte das Kosovo zum westli-chen Protektorat. Eine solche Missionwäre für die NATO das beste Mittel,angesichts der unklaren Machtver-hältnisse im Übergangsrat und denRebellenmilizen das Land unter Kon-trolle zu bringen und seine Wirtschaftendlich dem ausländischen Kapital zuöffnen.

    Joachim Guilliard lebt in Heidelberg, stu-dierte Physik, arbeitet als Softwareingenieurund ist seit langem in der Friedens- und So-lidaritätsbewegung aktiv. Er ist Verfasserzahlreicher Artikel zum Nahen und Mittle-ren Osten. Die US-Bomben auf Tripolis undBengasi 1986 stießen ihn auch auf Libyenund dessen widersprüchliche Entwicklung.Anmerkungen:

    http://www.rnw.nl/english/bulletin/libya-accuses-nato-massacre-85-villagers; Libyablasts NATO village 'massacre,' rebels incrisis, AFP, Radio Netherlands Worldwide,9.8.2011; Franklin Lamb, http://www.counterpunch.org/lamb08122011.html; NATO'SMassacre at Majer, Libya, Counterpunch,21.8.2011; http://www.nytimes.com/2011/04/27/world/middleeast/27strategy.html;NATO Says It Is Broadening Attacks on Li-bya Targets, New York Times, 26.4.2011;http://derstandard.at/1303291503898/Libyen-Afrikanische-Union-fordert-Keine-Bom

    ben-auf-Regierungsvertreter, AfrikanischeUnion fordert: Keine Bomben auf Regie-rungsvertreter, STANDARD 27.04.2011;http://www.reuters.com/article/2011/04/26/us-russia-putin-libya-idUSTRE73P4L920110426; Putin: Libya coalition has no right tokill Gaddafi, Reuters, Tue Apr 26, 2011,http://www.independent.co.uk/news/uk/politics/hague-refuses-to-put-timeline-on-operations-in-libya-2330267.html; Haguerefuses to put timeline on operations in Li-bya, Independent, 2.8.2011

    6 zeitung

    NATO-Krieg gegen Libyen

    Auf ihrem Treffen am 15. Juli be-schloss die „Libyen-Kontaktgrup-pe“ den sogenannten „NationalenÜbergangsrat“ in Bengasi als einzigelegitime Vertretung des gesamtenLandes anzuerkennen, da „das Gadda-fi-Regime jegliche Legitimation verlo-ren“ habe. Beiden Gremien ist einesgemeinsam, ihnen fehlt jegliche Legi-timation. Die aus den NATO-Ländernund ihren Verbündeten bestehendeKontaktgruppe wurde gebildet, umden UN-Sicherheitsrat aus der Debatteum Libyen heraus zu halten. WederRussland, noch China, noch anderegewichtige Staaten wie Brasilien, In-dien und Südafrika haben dieses Gre-mium anerkannt. Nicht Muammar al-Gaddafi habe ein Legitimitätsproblem,sondern die Kontaktgruppe, erklärteder russische Außenminister SergeyLavrov im Mai.

    Auch in Libyen gab es, wie in den

    Nachbarländern, eine Bewegung, diegewaltfrei für mehr Freiheit und De-mokratie auf die Straße ging. Mit demraschen Übergang in einen bewaffne-ten Aufstand und der folgendenNATO-Intervention waren sie bald ausdem Spiel. Die Führung übernahm derin Abstimmung mit den NATO-Mäch-ten geschaffene „Nationale Über-gangsrat“. Dieser repräsentiert nur ei-nen kleinen Teil der Opposition undbezieht seine Autorität allein aus derAnerkennung durch die Kriegsallianz.Sein Einfluss auf das Geschehen vorOrt geht jedoch kaum über Bengasihinaus. Die anderen aufständischenStädte haben ihre eigene Führungund an den verschiedenen Frontenkämpfen hunderte bewaffnete Grup-pierungen mehr oder weniger auf ei-gene Faust.

    Dafür ist der im Übergangsrat ver-einte Personenkreis im Westen be-

    stens bekannt. Es sind Exilpolitikerund ehemalige Regierungsmitglieder,die alle seit langem in engen Kontaktmit Washington, London und Parisstehen. An der Spitze steht, als Chefder „Exekutive“ des Übergangsrats,Mahmoud Dschibril, der sich bis da-hin in der libyschen Regierung alsLeiter des Ausschusses für wirtschaft-liche Entwicklung um einen radikalenPrivatisierungskurs bemüht hatte. Erwar erst 2005 aus den USA nach Li-byen zurückgekehrt. Seinen vertrau-ten Kontakt zur US-Regierung hatteer, wie die von WikiLeaks veröffent-lichten Botschaftsdepeschen enthüll-ten, nie aufgegeben. Darüber hinausgilt er auch als enger Freund desfranzösischen Präsidenten NicolasSarkozy, der den Rat als erstes aner-kannte.

    Neben Dschibril sorgt der früherelibysche Wirtschaftsminister Ali Al-

    Issawi für die enge Abstimmung derRebellenführung mit der Kriegsalli-anz. Al-Issawi verlor sein Ministeramtim Streit um den Umfang der wirt-schaftsliberalen Reformen, die er, wieDschibril, gerne radikaler gestaltethätte. Ebenso eng verbunden mitWashington und ausgewiesen neoli-beral ist der "Finanzminister" in derGegenregierung, Ali Tarhouni. Aucher ist ein langjähriger US-Bürger, dererst zum Beginn des Aufstands seinenJob an der University of Washingtonaufgab.

    Wichtige Rollen spielen auch derehemalige Justizminister MustafaDschalil als Vorsitzender des Über-gangsrats, sowie – bis zu seiner Er-mordung – der frühere Innenministerund Kommandeur der libyschen Son-dereinheiten, Abdulfattah Junis, alsMilitärchef und der Ex-Generalstaats-anwalt Abdul-Rahman al-Abbar. Mit

    diesen stehen die drei wichtigsten bis-herigen Verantwortlichen für diestaatliche Repression an der Spitzedessen, was im Westen als demokrati-sche Opposition angesehen wird. Alledrei, die schon beruflich eng verbun-den waren, standen vermutlich seitlangem mit den Kreisen in Verbin-dung, die einen Aufstand planten.

    http://www.jungewelt.de/2011/05-02/021.php; Übergangsrat ist ein obskures Gre-mium, Ein Gespräch mit Lucio Caracciolo,junge Welt, 2.5.2011; http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-14350915; Libyaconflict: Younes death betrays rebel divisi-ons, BBC, 30.7.2011; Tomas Avenarius,http://www.sueddeutsche.de/politik/krieg-in-libyen-rebellen-ohne-regierung-1.1078578; Rebellen ohne Regierung, SZ,28.03.2011; Andreas Buro und ClemensRonnefeldt a.a.O.

    Die Nato-Verbündeten in Bengasi

    Bombenterror

  • Joachim Guillard

    Viele halten ökonomische Moti-ve für die NATO-Interventionfür unplausibel, da Oberst Gad-dafi doch in den letzten Jahren einenger Partner der NATO-Staaten ge-worden sei, sich das Land westlichenKonzernen weit geöffnet und den Öl-Multis die Rückkehr auf die libyschenÖlfelder ermöglicht habe. Tatsächlichgewährt Libyen, das neben Öl undGas auch noch über wertvolle Was-serressourcen verfügt, ausländischenKonzernen nach wie vor nur eineneng begrenzten Zugang zu seinerWirtschaft. Es gehört zudem zu denwenigen afrikanischen Ländern undMittelmeeranrainern, die sich ihrerEinbindung in die NATO widersetzten.Sein Engagement für die afrikanischeEinheit und wirtschaftliche Unabhän-gigkeit steht den Bemühungen derUSA und der alten Kolonialmächte,ihren Einfluss auszuweiten, diametralentgegen.

    Mit 46,6 Milliarden Barrel (ein Bar-rel sind 159 Liter) verfügt Libyen überdie größten nachgewiesenen Ölreser-ven Afrikas und steht weltweit aufPlatz acht. Da bisher nur ein Vierteldes Landes genauer erforscht wurde,sind die Vorkommen noch wesentlichgrößer. Nur ein Fünftel der bekanntenVorkommen wurden bisher erschlos-sen. Um seine Reserven nicht zu ver-schleudern, fördert Libyen nur etwa1,7 Millionen Barrel Rohöl am Tag(bpd) und liegt damit hinter Angolaund Nigeria. Da das Land das Potenti-al hätte, die Ölproduktion rasch zuverdoppeln, liegt aus Sicht der Öl-Multis allein hier schon ein erhebli-ches, brach liegendes Potential.

    Nach dem Sturz des von den USAund den Briten eingesetzten KönigsIdris im Jahr 1969 waren nach undnach die meisten ausländischen Un-ternehmen verdrängt und die Ölpro-duktion in die Hände der staatlichenLibyschen Nationalen Ölgesellschaft(LNOC) überführt worden. Libyen ent-wickelte sich zum Vorreiter der OPEC-Staaten und setzte als erstes Landhöhere Preise für sein Öl durch, dieStaatseinnahmen verfünffachten sichin den folgenden Jahren. Mit den Öl-einnahmen konnte der Staat seinenBürgern einen relativen hohen Le-bensstandard verschaffen, den höch-sten Afrikas. Es gelang jedoch nicht,Libyens Abhängigkeit vom Erdölex-port zu verringern. Niedrige Rohöl-preise und die gegen das Land ver-hängten Sanktionen brachten dieWirtschaft in den 1990er Jahren anden Rand des Ruins. Das Bruttoin-landsprodukt hatte sich am Ende fasthalbiert, jegliche Modernisierung derInfrastruktur war blockiert. Die liby-sche Führung suchte daher nun einenAusgleich mit dem Westen und mach-te dabei erhebliche Konzessionen.

    Die UN-Sanktionen wurden dar-aufhin sukzessive aufgehoben. Im Ge-genzug machte Libyen seine Öl- undGasindustrie für ausländische Unter-nehmen weit auf. Mittlerweile sindwieder alle großen US-amerikani-schen und europäischen Ölkonzerneim Land aktiv. Die Bedingungen sindfür ausländische Firmen jedoch sehrrau. Nach Ansicht von westlichenManagern enthalten die Beteiligungs-abkommen die härtesten Konditionender Welt, westliche Medien sprechengar von Knebelverträgen. So sind Ge-schäfte grundsätzlich nur in Partner-

    schaft mit der LNOC möglich, die da-bei stets die Mehrheitsanteile und so-mit die Kontrolle behält. Schon fürden Abschluss eines Vertrages mus-sten die Interessenten dreistellige Mil-lionenbeträge hinblättern. Der Anteilder Ölproduktion, den die Firmen fürsich behalten können, ist dagegen mitdurchschnittlich 11 Prozent recht be-scheiden. Dafür ist das Öl allerdingsvon allerbester Qualität und liegt sehrnahe bei den europäischen Abneh-mern, an die rund 70 Prozent der li-byschen Öl- und Gasexporte gehen.Der Anteil libyschen Erdöls am Ver-brauch der EU-Staaten liegt mittler-weile bei 10 Prozent, in Deutschlandsind es 6 Prozent.

    Im November 2007 entschied dieLNOC, vorerst keine neuen Ausschrei-bungen durchzuführen, sondern statt-dessen die bestehenden Verträgenachzuverhandeln. Die ausländischenKonzerne mussten in der Folge Milli-arden-Beträge für Gebühren und dieExploration neuer Vorkommen nach-schießen, wollten sie im Geschäftbleiben. Die großen Ölkonzerne ver-suchten sich natürlich dagegen zuwehren. Die LNOC kündigte daraufhinjedoch an, die weitere Entwicklungder Ölförderung auch alleine durch-führen zu können. Als Staatsober-haupt Gaddafi 2008 auch noch ver-lauten ließ, er erwäge, angesichts sin-kender Mineralölpreise, Einrichtungeninternationaler Ölkonzerne wieder zuverstaatlichen, wuchs der Unmut inBranche verständlicherweise immens.

    Gleichzeitig kamen aus Tripolisaber auch andere Töne. Führende Ka-der aus dem „Ausschuss für Privati-sierung und Investitionen“ der Regie-rung kündigten zum Beispiel im Märzletzten Jahres an, dass sie bis 2020die Hälfte aller Staatsbetriebe in dieHände privater Investoren übergebenwollen. Schon mehrfach hatte die Re-gierung in den letzten 10 Jahren mit

    der Ankündigung umfangreicher Pri-vatisierungen hohe Erwartungen beiausländischen Investoren geweckt.Geschehen ist jedoch außerhalb desÖlsektors praktisch nichts.

    In der libyschen Führung konkur-rierten durchgehend zwei Tendenzen:Die eine setzte auf stärkere Privatisie-rung und wollte, um mehr ausländi-sches Kapital anzulocken, auch denwestlichen Konzernen bessere Kondi-tionen anbieten. Die andere hielt ander Politik der nationalen Kontrolleüber Wirtschaft und Ressourcen festund propagierte eine stärkere "Libya-nisierung" der Ölproduktion. Letztere

    behielt meist die Oberhand, nicht zu-letzt aufgrund des starken Rückhaltsin der Bevölkerung. Wie FAZ-Korre-spondent Christoph Ehrhardt im Fe-bruar 2009 aus Tripolis berichtete, er-hielten Pläne für eine stärkere Libera-lisierung der Wirtschaft und den Ab-bau von Subventionen auf denSitzungen der Basisvolkskongresseeine eindeutige Absage. Auch zuvorgab es gegen die Liberalisierungspoli-tik immer wieder Proteste. 2005 führ-ten sie sogar zur Absetzung des Mini-sterpräsidenten, Schukri Ghanem.

    Die Befürworter neoliberaler Refor-men waren zunehmend frustriert. Ihre

    entschiedensten Verfechter, wieMahmoud Dschibril und Ali Al-Issa-wi, sitzen nun in den führenden Posi-tionen der Gegenregierung. AuchGhanem wechselte ins Rebellenlager.Nach einem Machtwechsel könnensich westliche Konzerne begründeteHoffnungen machen, in Zukunft bes-ser zum Zuge zu kommen.

    Für eine ausführlichere Darstellung undQuellenhinweise siehe den Blog des Autors,http://jghd.twoday.net(Siehe Der Krieg gegen Libyen. Teil I und IIin junge Welt 27./28.7.2011 sowie NATO-Krieg gegen Libyen – Ende nicht in Sicht,Hintergrund.de, August 2011)

    7gegen den krieg

    Krieg um Öl?

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    Krieg um libysche Reichtümer unddie Vorherrschaft in Afrika

  • 8 zeitung

    Arno Neuber

    Man muss nicht unbedingtSympathien für das Regimevon Muammar al-Gaddafihegen, um zu erkennen, dass es denwestlichen Interventen bei der mi-litärischen Unterstützung der liby-schen Opposition nicht um Men-schenrechte oder Demokratie geht.Wurden in der Vergangenheit eifrigwestliche Waffen, wie die deutsch-französische Panzerabwehrrakete Mi-lan an das libysche Militär geliefert,so gehen sie jetzt, über den UmwegKatar, an die libysche Opposition. DieKassen klingeln dabei auf alle Fällebeim Raketenbauer MBDA, an demdie EADS und der britische Rüstungs-konzern BAE Systems führend betei-ligt sind.

    Traditionell bedient man sich beider EADS großzügig beim deutschenRüstungshaushalt. Rund zwei Dritteldes deutschen Beschaffungsetatsfließen in die Kassen des Konzerns.Im November 2007 ließ man es sichvon der Bundesregierung sogarschriftlich geben, dass im Rahmen desErhalts "unverzichtbarer nationalerwehrtechnischer Kernfähigkeiten" dieFörderung der RüstungskonzerneKraus-Maffei Wegmann, Thyssen-

    Krupp, Rheinmetall und EADS Regie-rungsziel ist.

    Einem Konzern, der Rüstungsgi-ganten wie Boeing oder Lockheed denKampf angesagt hat, ist das natürlichlange nicht genug. „Die Branche (...)flüchtet auf die Weltmärkte“, schreibtdie Financial Times Deutschland(27.07.11). Von Flucht kann allerdingsnicht die Rede sein. Eher von interna-tionalen Raubzügen. Und die führendie EADS-Rüstungssparte „Cassidian“laut Vorstandschef Zoller „dahin, wodie Militärausgaben zweistellig stei-gen“. Bis 2020 soll im EADS-Konzern,wo Airbus mit dem zivilen Flugzeug-bau noch dominiert, der Rüstungsum-satz verdoppelt werden. Geplant istdabei, dass 60 Prozent des Waffen-Geschäftes außerhalb der EADS-Län-der Deutschland, Frankreich, Großbri-tannien und Spanien gemacht wer-den. Als Schwerpunkte werden derMittlere Osten, Brasilien und Indiengenannt. Während man in Bayernmedienwirksam für 200 Konzernar-beiter Kurzarbeit androht, wenn dieBundeswehr nicht mit neuen Aufträ-gen kommt, wird der Aufbau vonBüros und Produktionsstätten in Sau-di-Arabien, den Vereinigten Arabi-schen Emiraten und in Brasilien vor-angetrieben.

    Richtig fette Beute winkt derzeit inIndien. Die dortige Regierung willsich die Aufrüstung ihrer Luftwaffemit 126 neuen Kampfjets rund zehnMilliarden Dollar kosten lassen. EADSmusste mit ihrem Eurofighter zu-nächst gegen fünf Konkurrenten an-treten (u.a. Boeing und Lockheed).Weil bei solchen Rüstungsgeschäften„die politische Komponente minde-stens so wichtig (ist), wie die techni-sche Leistung des Jets“ – so die Fi-nancial Times Deutschland am 28.April 2011 –, legten sich Bundesregie-rung und Bundeswehr voll ins Zeug.Zur Luftfahrtmesse in Bengaluru(Bangalore) wurde erstmalig in derGeschichte der Bundeswehr einKampfflugzeug „über eine strategi-sche Distanz von 9000 km mit eige-nen Luftbetankungskräften ohne alli-ierte Unterstützung verlegt“ (Europäi-sche Sicherheit 8/2011).

    Auf der Aero-India im Februar2011 warb neben allerlei EU-Promi-nenz auch der (damals noch amtie-rende) deutsche Verteidigungsministerzu Guttenberg für den EADS-Kampfjet. Schließlich ist die Förde-

    rung der Luftfahrtindustrie ausdrück-lich im Koalitionsvertrag dieser Re-gierung festgeschrieben – und ähnlichstand dies im Koalitionsvertrag der„rosa-olivgrünen“ Vorgänger-Regie-rung. Im Frühjahr wurde dann gemel-det, der Eurofighter stünde in Indienin der engeren Auswahl.

    Was den europäischen Rüstungs-bossen zu ihrem Glück noch fehlte,war der praktische Nachweis, dass der„Euro-Kämpfer“ nicht nur auf Messenund Flugshows glänzen kann, son-dern auch „kv“ (kriegsverwendungs-fähig) ist. Als im März das britischeKriegsministerium den Einsatz von 14Eurofightern in Libyen bekannt gab,war die Begeisterung groß. Und so-gleich lieferte EADS seine eigeneFrontberichterstattung. Eine „sehrgute Performance“ wurde dem Jet be-scheinigt, geringer Wartungsaufwandund die problemlose Technik hervor-gehoben. Enttäuscht war man beiEADS zunächst, dass die britischeLuftwaffe meldete, die „Typhoon“ sei-en ausschließlich zur Bekämpfungvon libyschen Flugzeugen ausgerüstet

    und eingesetzt. Dafür war der einstige„Jäger 90“ zu Zeiten den Kalten Krie-ges ursprünglich einmal konzipiertworden. Auf den Waffenmärkten die-ser Welt lassen sich aber nur noch„Multifunktions-Jets“ verkaufen, dieauch Ziele am Boden beschießen oderbombardieren können.

    Anfang April dürfte dann in derEADS-Konzernzentrale der Champa-gner nicht zu knapp geflossen sein,als die britische Luftwaffe die Zer-störung von zwei Panzern in Libyendurch Eurofighter meldete. „WestlicheRüstungsmanager sind Diktator Gad-dafi insgeheim dankbar dafür, dass ernicht von der Macht lässt“, schriebdie Financial Times Deutschland am18. April. „Denn der Krieg in Libyenist auch ein Werbefliegen für ihre

    Kampfjets - Milliardenaufträge win-ken.“

    Dass die NATO Mitte August er-klärt hat, ihr Kampfeinsatz in Libyenkönne auch über den September hin-aus verlängert werden, "wenn so eineNotwendigkeit entsteht", dürfte manin der Konzernzentrale mit Vorfreudeverfolgt haben. Und vielleicht wird jabald auch Syrien zur „Leistungs-schau“ für Kriegstechnik aus der EU.Der russische NATO-Botschafter Ro-gosin hat jedenfalls schon AnfangAugust in der Zeitung Iswestija er-klärt, die NATO plane dort den näch-sten Kriegseinsatz mit dem Ziel einesRegimewechsels. Arno Neuber ist aktiv in der Friedensbewe-gung und Mitglied im Beirat der Informati-onsstelle Militarisierung (IMI) e. V. Tübingen

    Libyen-Krieg:

    Leistungsschauder Rüstungsin-dustrie in LibyenUnter der Überschrift „Bomben-verkaufsargument“ heißt es in derFinancial Times Deutschland vom18. April 2011:

    „Es gehört zu den zynischenAspekten des Konfliks (gemeint:des Nato-Kriegs in Libyen; ZgK-Red.), dass der Wüstenstaat derzeitzum Testfeld für ungewöhnlich vie-le Kampfjets wird, deren Herstellerum Aufträge kämpfen. (…) Beson-ders genau verfolgen die Militärs inBrasilien, der Schweiz und Indien,wie sich die Modelle bewähren.Dort stehen die nächsten großenKampfjetkäufe an. (…) Im Rennensind sechs Modelle aus den USA,Russland und Europa. Die europäi-schen Konkurrenzmodelle Euro-fighter, Rafale und Gripen* bombennun zusammen mit den USA in Li-byen. (…) Präsident Sarkozy setztedie Rafale gleich in der ersten An-griffswelle ein. Die sonst in Mi-litärkonflikten zurückhaltendenSchweden, die nicht der Nato an-gehören, schickten ihre Gripen-Mo-delle (…) Für den Eurofighter ist es,im Unterschied zur Rafale, derweltweit erste Kampfeinsatz – unddas erste Mal, dass die für Luft-kämpfe entwickelte Maschine mitlasergesteuerten Bomben Bodenzie-le angreift.“

    Eurofighter (auch: Typhoon): Herstellerist die Eurofighter Jagdflugzeug GmbH,an der EADS 46%, der britische Rü-stungskonzern BAe 37,5% und der ita-lienische Rüstungsunternehmen AleniaAeronautica 19,5% der Anteile halten.Bisher wurden 250 Exemplare gebaut;es liegen Bestellungen für 559Kampfjets vor.Rafale: Französisches Mehrzweck-Kampfjet; gebaut von Daussault Aviati-on; bisher 100 Stück gebaut; geplant286 Exemplare.Gripen: Schwedisches Mehrzweck-Kampfflugzeug; gebaut vom Rüstungs-konzern Saab (der vom Autobauer ab-getrennter Rüstungszweig). Bisher 100Exemplare ausgeliefert.

    „Gut für EADS-Rüstungsgeschäft“

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    Wikipedia ver-halten kriegs-begeistertWie schnell ein Krieg zu einemWerbemittel wird, zeigt Wikipe-dia. Dort wurde sofort nach Be-ginn des Nato-Kriegs gegen Li-byen der Eintrag zum Thema„Eurofighter“ wie folgt ergänzt:„Am 21. März 2011 flogen Pilotender britischen Royal Air Force denweltweit ersten Kampfeinsatz mitEurofightern, als sie zur Überwa-chung der Flugverbotszone überLibyen gemäß UN-Resolution UN-SCR 1973 eingesetzt wurden. Ei-nige Wochen später, am 12. April2011, kamen Typhoons, ebenfallsder RAF, erstmalig zu einem Ein-satz gegen Bodenziele in Libyen.Durch diese ersten Kampfeinsätzeverbesserten sich die Exportchan-cen des Flugzeugs deutlich.“

  • Ulrich Sander

    Im März 1999 bombardierten deutsche Flug-zeuge Belgrad und andere jugoslawischeStädte. Damit endete die Allgemeingültigkeitdes Schwurs von 1945 „Nie wieder Krieg undnie wieder Faschismus“. Ein Argument voll Nie-dertracht machte dies möglich. Die Minister Fi-scher (Grüne) und Scharping (SPD) sagten in ih-rer „neuen Auschwitzlüge“: Um „Nie wiederAuschwitz“ zu verwirklichen, gelte es nun, alsDeutsche wieder Krieg zu führen. KanzlerSchröder (SPD) verlangte die Enttabuisierungdes Krieges. Politiker auf dem Balkan, in Nord-afrika, im Mittleren Osten wurden zu neuen Hit-lers erklärt, die mit Angriffskriegen ohne UN-Mandat zu bekämpfen wären.

    Solche Kriege wurden jedoch 1945 und alsLehre aus dem deutschen Faschismus und sei-nem Vernichtungskrieg völkerrechtlich verbind-lich verboten. Die UN-Charta verweigerte denFeindstaaten der Weltgemeinschaft, Deutschlandund Japan, jegliches Kriegführen.

    Vermächtnis von NürnbergAn das 1945 geschaffene Völkerrecht erinnerteBenjamin Ferencz, der letzte lebende Chefanklä-ger in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozes-sen, als er im November 2010 von den USAnach Nürnberg kam. Der 90-jährige Jude sagte(laut Süddeutsche Zeitung vom 25.11.10) bei ei-ner Erinnerungsveranstaltung: „Das Vermächt-nis von Nürnberg sei die Ächtung des Angriffs-krieges. Wir können nicht sagen, wir macheneinen Strafgerichtshof – für uns selbst aber istdieser nicht zuständig. … Nürnberg hat das Fun-dament für einen Tempel des internationalenRechts gelegt: Jetzt müssen wir diesen abernoch fertig bauen.“ Er wurde nicht fertig ge-baut, sondern mit deutscher Hilfe zerstört.

    Im Dezember 2008 erschien in Soldatenzei-tungen ein Artikel eines hohen Generals a.D.

    mit der Tendenz, es soll Schluss gemacht wer-den mit der Strafverfolgung von Wehrmachts-kriegsverbrechen, denn dies verunsichere nurdie kämpfende Truppe in Afghanistan ("Ge-birgstruppe" Nr. 6/08). Wenig später dann dasgrößte Kriegsverbrechen der Bundeswehr seit1945. In Afghanistan wurde ein Tanklastzug an-gegriffen. Es gab bis zu 140 Tote, zumeist Zivili-sten, unter ihnen viele Kinder. Der deutscheOberst, der den Befehl gab, blieb bis heute un-bestraft. Die Tatsache der Strafvereitelung stelltein weiteres Verbrechen dar, verschuldet vonJustiz, Politik und Generalität.

    Demagogie der NeonazisDeutschland hat im vorigen Jahrhundert An-

    griffs-und Ver-nichtungs-kriege geführt. 55Millionen Menschenleben waren zwischen 1939und 1945 zu beklagen, bis die alliierten Truppenden deutschen Faschismus schlagen konnten.Mit dieser antifaschistischen Antihitlerkoalitionstellt sich der heutige deutsche Militarismus aufeine Stufe, wenn es gilt, Städte zum bombardie-ren und Massaker anzurichten. Eine perfide Ver-drehung, zutiefst unmoralisch.

    Neonazis wollen in dieser Situation ihren„Nationalen Antikriegstag“ begehen. Sie lehnendie derzeitigen deutschen und NATO-Kriege ab,denn diese seien nur hilfreich für die USA unddie Juden. Daraus speist sich ihr Antikriegsgere-de, das reine Heuchelei und Demagogie ist. Sierufen: „Nie wieder Krieg – nach unserem Sieg.“Sie fordern die Grenzen von 1937 zurück – undsie jubeln über den Massenmörder Anders Brei-vik in Norwegen; sie malen in Dortmund undUmgebung Hakenkreuze und setzen dazu dasErgebnis: „77:0 für uns“. Der Krieg zur Vertrei-bung des Islams aus Europa und zur Vernich-tung des Marxismus, zu dem der Faschist Brei-vik aufrief und zu dem er den Auftakt machenwollte, versetzt die Nazis in Deutschland in Be-geisterung.

    Es gibt jeden Grund zu sagen: Antifaschis-mus muss auch Antimilitarismus sein. Die Lo-sung "Nie wieder Krieg – nie wieder Faschis-mus" gehört in beiden Teilen zur Auseinander-setzung auch mit Nazis. Leider gelingt das nichtimmer in den gegenwärtigen Aktionen gegendie Nazis, die von Mal zu Mal dreister auftreten.Als sich das Bündnis „Dortmund stellt sichquer“ mit seinen Aussagen gegen den Naziauf-marsch vom 3. September auch an die GrüneJugend wandte, unterschrieb diese nicht, weil esdarin heißt: „Gemeinsam stehen wir gegen Kriegund fordern seine sofortige Beendigung in Af-ghanistan – und überall.“

    Der Plan von Verteidigungsminister de Mai-ziére, Truppen für die gleichzeitige Führung vonzehn Kriegen bereit zu halten, stößt in Reservi-stenverbänden und Soldatenbünden auf viel Zu-stimmung, weil hier die Reservisten aufgewertetwerden und mehr zum Einsatz kommen sollen.Und in diesen Reservistenverbänden tummeltsich die äußerste Rechte. Es geht also um beides:Um das Ringen um Frieden und um den Kampfgegen die Nazis.

    Ulrich Sander ist Buchautor zum Thema Nazis und Mi-litarismus und einer der Bundessprecher der Vereini-gung der Verfolgten des Nazisregimes – VVN-BdA.

    9gegen den krieg

    „Das deutsche Volk hat ein Naturrecht auf Er-haltung seiner Identität und Eigenart“, wes-halb eine „ethnische Katastrophe“ durch„Überfremdung“ abzuwenden sei. Das steht im„Heidelberger Manifest“ deutscher Professorenvom Juni 1981, der Kampfschrift, mit der defacto der Krieg gegen den wachsenden „asiati-schen Anteil“ an der Bevölkerung erklärt wur-de. „Deutschland schafft sich ab“ von ThiloSarrazin ist dreißig Jahre später ein weitererHöhepunkt derartiger Publikationen. Stetswerden sie vom Beifall der äußersten Rechtenempfangen. „Schäuble: Europäer sollen Abwehr des Aus-

    länderzustroms gemeinsam regeln", titelte dieWestfälische Rundschau am 3. August 91. Das„Ausländerproblem“ wurde zum Kriegsgrund,zur Begründung militärischer Einsätze. Wo dieSPD und die Grünen Auschwitz bemühten,das künftig durch Kriege zu verhindern sei,haben sich CDU und CSU gern mehr an völki-sche Begründungen gehalten, irgendwie ehrli-cher. Da berichtete die Allgäuer Zeitung vom15. Mai 1998 über den Wahlkampfauftritt vonCDU-Minister Volker Rühe vor Bundeswehr-angehörigen in Marktoberdorf: „Wenn wir imKosovo nicht richtig reagieren, haben wirnoch mehr Flüchtlinge im Land.“ Das war dieAnkündigung eines Angriffskrieges zur Ab-wendung von „Flüchtlingsströmen“.Mit Bundeswehrpublikationen wurde dieTruppe auf den Krieg gegen den Zustrom vonAusländern eingestellt. Darin wurden in denneunziger Jahren die Ausländer als Bedro-hung und ihr „Zustrom“ als Anlass für „mi-litärische Einsätze“ zur „Daseinsvorsorge“ dar-gestellt. Mit einer multikulturellen Gesell-

    schaft drohe ein Anspruch der Ausländer aufgleiche soziale und politische Rechte und so-mit eine „politische und wirtschaftliche Desta-bilisierung der Bundesrepublik Deutschland“.(Information für die Truppe IfdT 9/92).„Schutz vor unkontrollierten Zuwanderungenund vor Überfremdung“ als einer „neuen Be-drohung“ wurde in IfdT 5/97 als militärischeAufgabe genannt. Schon in der Vorlage desBundesministers für Verteidigung vom 20. Ja-nuar 1992 zur „Neugestaltung der Bundes-wehr“ – erster Entwurf der Verteidigungspoli-tischen Richtlinien – wurden militärischeMaßnahmen gegen den „Zuwanderungsdruck“vorgesehen. Daraus wurde später die EU-Frontex zur Abweisung der Flüchtlinge.Der Blogger „Fjordmann“ wird vom norwegi-schen Massenmörder Anders Breivik immerwieder zustimmend zitiert: „Der Islam undalle, die ihn praktizieren, müssen total undphysisch aus der gesamten westlichen Weltentfernt werden.“ Für Breivik sind der Zu-strom von Muslimen und der Einfluss vonMarxisten und Islamisten die Hauptgefahrenfür Europa, und gegen sie sei der Krieg zuführen. 69 Tote waren in diesem Krieg am 22.Juli in Utöya und zuvor acht im Osloer Regie-rungsviertel zu beklagen, nahezu 150 Tote hatdieser Krieg der Neonazis in Deutschland bis-her gefordert. Ungezählt die Toten im Krieggegen den „islamistischen Terror“, darunterdie mindestens 140 Todesopfer des Oberst Ge-org Klein vom September 2009 am Kundus-fluss in Afghanistan. Es sollen islamistischeAnführer unter ihnen gewesen sein, weshalball die anwesenden Kinder, Frauen und Greisegleich mit ermordet wurden. U.S.

    Dreißig Jahre Krieg der Rechten gegen Ausländer

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    Ausländerzustrom als Begründung für den Krieg

    Kampf gegen Nazis muss auch „Nie wieder Krieg“ bedeuten

  • Dietrich Schulze

    Bis 2022 sollen in einem Stufenplan alleAtomkraftwerke abgeschaltet werden, daserste 2015. Die Atomreaktorforschung je-doch, vorwiegend in Karlsruhe, Jülich, Rossen-dorf, Garching und Greifswald betrieben, wird

    unter den Etiketten „Kompetenzerhalt“, „Sicher-heit der nuklearen Entsorgung“ und „Sicherheitder langfristigen Stromversorgung“ aus demBundeshaushalt massiv weiter gefördert. Dieleeren Zukunftsversprechen und Milliardengrä-ber, die die Energiewende behindern, heißenTransmutation, Generation IV und Kernfusion.

    Transmutation bedeutetUmwandlung. Das Verfah-ren soll in zwei Jahrzehn-ten einsatzreif sein undlanglebige radioaktive Iso-tope des Atommülls um-wandeln in solche mit dra-stisch verkürzter Halb-wertszeit und damit denMüll angeblich unschäd-lich machen. Die dafüreinzusetzenden schnellenReaktoren sollen wesent-lich sicherer sein, ebensowie die Generation-IV-Re-aktoren, an denen seitJahrzehnten getüftelt wird.Das Verfahren erfordertWiederaufbereitungsanla-gen wie in Wackersdorf. InBelgien soll ab 2014 ein inKarlsruhe konzipierter Ver-suchsreaktor in Betrieb ge-hen. Die Kernfusionsreak-toren nehmen ihren Roh-stoff aus Tritium, das fürAtombomben gebrauchtwird. Die Kernfusion sollin vier Jahrzehnten Stromproduzieren zu Kosten, dieweit jenseits der erneuer-baren Energiekosten liegenwerden, was bei korrekter

    Rechnung für die heutigen Atomkraftwerke Faktist. Kontraproduktive Technik allesamt, die ge-stoppt werden muss, wenn der Ausstieg unum-kehrbar sein soll.

    Zweifel am AtomausstiegSie werden derzeit in Karlsruhe kräftig genährt.Das Karlsruher Institut für Technologie KIT, imOktober 2010 aus der Fusion des Forschungs-zentrums Karlsruhe (früher Kernforschungszen-trum) und der UniversitätKarlsruhe entstanden,spielt hier eine Schlüssel-rolle und zwar aus drei ge-wichtigen Gründen:

    1. Das Kernforschungszen-trum hat die Basistechno-logien für die gescheitertenProjekte Kalkar undWackersdorf entwickeltund steht mitsamt der KIT-Führungsspitze für einevon Fukushima unberührte"Weiter so"-Atompolitik.Das 1956 mit Unterschriftvon Franz-Josef Strauß ge-gründete Zentrum wurdebis Mitte der 70er Jahrevon Nazi-Rüstungswissen-schaftlern und Nazi-Juri-sten geleitet, die von derAtombombe träumten.Ähnliches gilt für das For-schungszentrum Jülich(siehe Kasten Alt-Nazis).

    2. KIT ist die einzige öf-fentlich finanzierte deut-sche Forschungsinstitution,

    in der in großem Stil Atomforschung betriebenwird und gleichzeitig Militärforschung möglichist und betrieben wurde/wird. Ein eiskalter, vonder abgewählten baden-württembergischenCDU-Herrschaft organisierter Skandal und Ta-bubruch: Kern- und Waffenforschung unter ei-nem Dach!

    3. Das EURATOM-Institut für Transurane ITUauf dem Gelände des KIT (Campus Nord), das

    10 zeitung

    Beispiel KIT Karlsruhe

    Kern- und Waffen-forschung unter einem Dach beenden!Kein Atomausstieg ohne Stopp der Atomreaktorfor-schung! Keine Militärforschungan Hochschulen!

    Die Atomkraft ist ein stil