kontrolle beim mikroschweißen – automatisierte prozessüberwachung durch koaxiale...

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PROZESSKONTROLLE www.laser-journal.de LTJ 33 © 2006 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Kontrolle beim Mikroschweißen Automatisierte Prozessüberwachung durch koaxiale Prozesskontrolle mit Fremdbeleuchtung Als flexibles und leistungsfähiges Fü- gewerkzeug ist der Laser seit langem in der Produktionstechnik etabliert. Insbe- sondere das Schweißen mit Laserstrah- lung kann seit geraumer Zeit als Stand der Technik angesehen werden. Vor dem Hin- tergrund steigender Miniaturisie- rungstendenzen hat die Lasertechnik da- bei auch kontinuierlich Einzug in den Bereich der Mikrotechnik gehalten und ist heute aus der Fertigung mikrotechnischer Bauteile und Baugruppen nicht mehr wegzudenken. Neue Fügeverfahren und Strahlquellen, die den technischen und ökonomischen Anforderungen von Seri- enfertigungsprozessen gerecht werden, erlauben es heute, viele mikrotechnische Fügeaufgaben prozesssicher unter Pro- duktionsbedingungen umzusetzen. Steigende Qualitätsanforderungen stellen jedoch nicht nur immer höhere Anforde- rungen an die Prozesstechnik sondern er- fordern auch qualitätssichernde Maßnah- men, die die zuverlässige Erkennung von Prozessfehlern ermöglichen. Eine typische Kundenanforderung ist heute, im Serienpro- zess einen kritischen Prozessfähigkeitsindex (cpk-Wert) von über 1,5 mit Trend zu 2,0 zu erreichen. Dies entspricht zwei fehlerhaften Bauteilen pro einer Milliarde gefertigter Teile und bedeutet praktisch, dass der Einzelpro- zess bei beliebigen Stückzahlen fehlerfrei sein muss [1]. Um diesen Anforderungen gerecht zu wer- den, werden häufig dem eigentlichen Pro- zess nachgelagerte Prüfungen der Schweiß- qualität („Post-Process“) durchgeführt. Eine nachgelagerte 100-Prozent-Prüfung ist jedoch häufig mit erheblichem Aufwand verbunden und beschränkt sich i. d. R. auf Oberflächenfehler. Eine zerstörende Prüfung zur Analyse der Schweißnahtqualität kann nur ergänzend als Stichprobenkontrolle ein- gesetzt werden. Eine in der Makrotechnik seit einigen Jahren JENS GEDICKE Dipl.-Ing. Jens Ge- dicke entwickelt am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik Mikro-La- serschweißverfahren für metallische Werk- stoffe. Ein Schwerpunkt seiner Arbeiten ist die Entwicklung und Integration von Pro- zessüberwachungskonzepten für das Mik- roschweißen. ARNOLD GILLNER Dr.-Ing. Arnold Gillner leitet am Fraunhofer- Institut für Lasertechnik die Abteilung Mikro- technik, die sich mit Fra- gen der lasergestützten Mikrofügetechnik, dem Mikrostrukturieren mit UV- und Kurzpulsla- serstrahlung sowie Anwendungen des Lasers in Medizin und Biowissenschaften befasst. DIE AUTOREN ABBILDUNG 1: Der Detektor zur Prozessüberwachung besteht aus einer Fokussieroptik, zwei Einkoppeloptiken für Bearbeitungs- und Beleuchtungslaser sowie einer Kamera. BORIS REGAARD Dipl.-Ing. Boris Regaard ist am Fraunhofer-Ins- titut für Lasertechnik zuständig für die Soft- ware- und Optikentwicklung von High- speed-Bildverarbeitungssystemen. Er befasst sich vorwiegend mit der Entwicklung von koaxialen Prozessüberwachungs- und Naht- folgesystemen für unterschiedliche Bereiche der Laserstrahlmaterialbearbeitung. STEFAN KAIERLE Dr.-Ing. Stefan Kaierle leitet am Fraunhofer- Institut für Lasertechnik die Abteilung System- technik, die sich mit der Planung, Entwicklung und Installation kom- pletter Laseranlagen be- fasst. Ein weiterer Schwerpunkt sind Prozess- überwachungs- und -regelungssysteme. In diesem Bereich nutzt die Abteilung System- technik ihre langjährige Erfahrung in dem Einsatz online kontrollierter Laserverfahren. ●● Dipl.-Ing. Jens Gedicke, Dipl.-Ing. Boris Regaard, Dr.-Ing. Arnold Gillner, Dr.-Ing. Stefan Kaierle Fraunhofer ILT Steinbachstr. 15, D-52074 Aachen Tel.: 0241-8906-145 Fax: 0241-8906-121 E-Mail: [email protected] Web: www.ilt.fraunhofer.de

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PROZESSKONTROLLE

www.laser-journal.de LTJ 33 © 2006 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Kontrolle beim MikroschweißenAutomatisierte Prozessüberwachung durch koaxiale Prozesskontrolle mit Fremdbeleuchtung

Als flexibles und leistungsfähiges Fü-gewerkzeug ist der Laser seit langem in der Produktionstechnik etabliert. Insbe-sondere das Schweißen mit Laserstrah-lung kann seit geraumer Zeit als Stand der Technik angesehen werden. Vor dem Hin-tergrund steigender Miniaturisie-rungstendenzen hat die Lasertechnik da-bei auch kontinuierlich Einzug in den Bereich der Mikrotechnik gehalten und ist heute aus der Fertigung mikrotechnischer Bauteile und Baugruppen nicht mehr wegzudenken. Neue Fügeverfahren und Strahlquellen, die den technischen und ökonomischen Anforderungen von Seri-enfertigungsprozessen gerecht werden, erlauben es heute, viele mikrotechnische Fügeaufgaben prozesssicher unter Pro-duktionsbedingungen umzusetzen.

Steigende Qualitätsanforderungen stellen jedoch nicht nur immer höhere Anforde-rungen an die Prozesstechnik sondern er-fordern auch qualitätssichernde Maßnah-men, die die zuverlässige Erkennung von Prozessfehlern ermöglichen. Eine typische Kundenanforderung ist heute, im Serienpro-zess einen kritischen Prozessfähigkeitsindex (cpk-Wert) von über 1,5 mit Trend zu 2,0 zu erreichen. Dies entspricht zwei fehlerhaften Bauteilen pro einer Milliarde gefertigter Teile und bedeutet praktisch, dass der Einzelpro-zess bei beliebigen Stückzahlen fehlerfrei sein muss [1].Um diesen Anforderungen gerecht zu wer-den, werden häufig dem eigentlichen Pro-zess nachgelagerte Prüfungen der Schweiß-qualität („Post-Process“) durchgeführt. Eine nachgelagerte 100-Prozent-Prüfung ist jedoch häufig mit erheblichem Aufwand verbunden und beschränkt sich i. d. R. auf Oberflächenfehler. Eine zerstörende Prüfung zur Analyse der Schweißnahtqualität kann nur ergänzend als Stichprobenkontrolle ein-gesetzt werden.Eine in der Makrotechnik seit einigen Jahren

JENS GEDICKEDipl.-Ing. Jens Ge-dicke entwickelt am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik Mikro-La-serschweißverfahren für metallische Werk-stoffe. Ein Schwerpunkt seiner Arbeiten ist die Entwicklung und Integration von Pro-zessüberwachungskonzepten für das Mik-roschweißen.

ARNOLD GILLNERDr.-Ing. Arnold Gillner leitet am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik die Abteilung Mikro-technik, die sich mit Fra-gen der lasergestützten Mikrofügetechnik, dem Mikrostrukturieren mit UV- und Kurzpulsla-serstrahlung sowie Anwendungen des Lasers in Medizin und Biowissenschaften befasst.

DIE AUTOREN

ABBILDUNG 1: Der Detektor zur Prozessüberwachung besteht aus einer Fokussieroptik, zwei Einkoppeloptiken für Bearbeitungs- und Beleuchtungslaser sowie einer Kamera.

BORIS REGAARDDipl.-Ing. Boris Regaard ist am Fraunhofer-Ins-titut für Lasertechnik zuständig für die Soft-ware- und Optikentwicklung von High-speed-Bildverarbeitungssystemen. Er befasst sich vorwiegend mit der Entwicklung von koaxialen Prozessüberwachungs- und Naht-folgesystemen für unterschiedliche Bereiche der Laserstrahlmaterialbearbeitung.

STEFAN KAIERLEDr.-Ing. Stefan Kaierle leitet am Fraunhofer-Ins titut für Lasertechnik die Abteilung System-technik, die sich mit der Planung, Entwicklung und Installation kom-pletter Laseranlagen be-fasst. Ein weiterer Schwerpunkt sind Prozess-überwachungs- und -regelungssysteme. In diesem Bereich nutzt die Abteilung System-technik ihre langjährige Erfahrung in dem Einsatz online kontrollierter Laserverfahren.

●●

Dipl.-Ing. Jens Gedicke, Dipl.-Ing. Boris Regaard, Dr.-Ing. Arnold Gillner, Dr.-Ing. Stefan Kaierle

Fraunhofer ILTSteinbachstr. 15, D-52074 Aachen

Tel.: 0241-8906-145Fax: 0241-8906-121

E-Mail: [email protected]: www.ilt.fraunhofer.de

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34 LTJ September 2006 Nr. 4 © 2006 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

eingesetzte Alternative ist die kamera- oder photodiodenbasierte Online-Überwachung („In-Process“) von Schweißprozessen. Ein vom Fraunhofer ILT entwickeltes System be-obachtet den Prozess koaxial zum Laserstrahl durch die Bearbeitungsoptik. Dadurch wird zum einen eine minimale Verzerrung des Be-obachtungsfeldes erreicht und zum anderen eine Beobachtung der Bearbeitungsstelle ohne Störkontur ermöglicht. Des Weiteren müssen keine zusätzlichen Prozessschritte in die Fertigungskette integriert werden.

DAS INSTITUT

Fraunhofer Institut für Lasertechnik ILTAachen

Mit über 250 Mitarbeitern und 10.000 m2 Nutzfläche zählt das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT weltweit zu den be-deutendsten Auftragsforschungs- und Entwicklungsinstituten seines Fachge-bietes. Die Kernaktivitäten reichen von der Entwicklung neuer Laserstrahlquel-len und -komponenten über den Einsatz moderner Lasermess- und Prüftechnik bis hin zur Fertigungstechnik mit Lasern, wie z. B. Schneiden, Abtragen, Bohren, Schweißen und Löten, Oberflächenver-güten, Mikrofertigung und Rapid Prototy-ping. Mehr unter: www.ilt.fraunhofer.de

Insbesondere CMOS-Kameras sind auf-grund verschiedener Eigenschaften für die Überwachung von Schweißprozessen ge-eignet. Durch ihre hohe Dynamik können Prozessphänomene innerhalb eines breiten Intensitätsspektrums beobachten werden. Zudem ermöglicht die einzelne Adressier-barkeit der Pixel große Ausleseraten durch Einschränkung des Beobachtungsbereichs auf ein möglichst kleines Feld („Region of In-terest“, ROI) und damit eine hohe zeitliche Auflösung. Aktuelle Entwicklungen in die-sem Bereich eröffnen neue Möglichkeiten insbesondere zur Überwachung von Laser-strahl-Mikroschweißprozessen.

Stand der Technik

Für das Laserstrahl-Mikroschweißen hochre-flektierender Werkstoffe kommen häufig ge-pulste Nd:YAG-Laser zum Einsatz, da die se Geräte eine hohe Pulsspitzenleistung mit ei-ner guten Strahlqualität verbinden. Bei Mik-roschweißapplikationen liegen mit diesen Systemen erreichbare Fokusdurchmesser typischerweise zwischen 100 und 500 µm. Der Bereich des Laserstrahl-Mikroschwei-ßens wird in diesem Zusammenhang als das Schweißen von Bauteilen definiert, deren Ausdehnung in mindestens einer Dimension unter 1 mm liegt.Systeme zur Online-Prozessüberwachung sind beim Laserstrahlschweißen erheblich größerer Bauteile bereits im Einsatz. Dabei werden entweder ortsauflösende Sensoren wie Kameras mit unterschiedlicher spektraler Empfindlichkeit oder ortsintegrierende Sen-soren wie Photodioden bzw. Pyrometer ein-gesetzt. Zur Erkennung von Schweißfehlern werden die mit diesen Sensoren erfassten

Signale in der Regel mit Referenzaufnahmen verglichen. Weicht das erfasste Signal zu stark vom Referenzsignal eines Gutteils ab, so wird dies als Prozessfehler gewertet.

Verfahren und Ziele

Bei Mikroschweißprozessen haben Pro-zessüberwachungssysteme bisher nur in begrenztem Maße Einzug gehalten. Proble-matisch sind hier folgende Aspekte:• die Justage der Systeme aufgrund der ge-ringen Bauteil- und Fokusdimensionen,• die Zeitskala der Prozessphänomene, ins-besondere beim Schweißen hochreflektie-render Werkstoffe, sowie• die Erstellung von Referenzen für Gutteile und die Kalibrierung der Systeme.Besonders die kurzen Prozesszeiten von typi-scherweise 1 bis 10 ms stellen im Vergleich zur Makrobearbeitung, in der kontinuier-liche Prozesse die Regel sind, hohe Anfor-derungen an die Prozessüberwachung. Um Prozessphänomene auflösen zu können, ist zum einen eine hohe Aufnahmerate (über 5.000 Bilder pro Sekunde) und zum ande-ren eine genaue zeitliche Synchronisierung von Strahlquelle und Prozessüberwachungs-sys tem notwendig. Die Kalibrierung der Systeme zur Unter-scheidung von Gut- und Schlechtteilen stellt ebenfalls häufig ein Problem dar. Ein Nach-teil der referenzbasierten Fehlererkennung ist, dass sie für jeden neuen Anwendungsfall ‚angelernt’ werden muss, wobei i. O.- und n. i. O.-Proben erzeugt und die zugehörigen Signale analysiert werden. In der Praxis scheitert der Einsatz dieser Systeme häufig daran, dass bei den Endanwendern weder Expertenwissen noch Material und Zeit zur

ABBILDUNG 2: Punktschweißprozess in Falschfarbendarstellung, aufgenom-men mit einer CMOS-Kamera. Das Prozessleuchten ist als heller Bereich zu sehen (Bildmitte); das Schmelzbad kann als dunkler Bereich gegen die umgebende, nicht aufgeschmolzene Werkstückoberfläche abgegrenzt werden (Ausschnitt: 0,8 mm², Auflösung: 128 Pixel², Aufnahmerate: 5 kHz).

ABBILDUNG 3: Schmelzbadabgrenzung beim Punktschweißen von Kupfer. Anhand eines definierten Intensitätsschwellwertes wird die Grenze des Schmelzbades zum nicht aufgeschmolze-nen Material festgelegt (links: Originalbild, rechts: Schmelzbadabgrenzung).

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Verfügung stehen, um ein Überwachungs-system an neue Materialien anzupassen.Am Fraunhofer-Institut für Lasertechnik ILT wurde ein Verfahren zur Prozessbeobach-tung entwickelt, das es ermöglicht, die fest-flüssig-Phasengrenze zwischen Grundmate-rial und Schmelze während der Bearbeitung sichtbar zu machen. Das Verfahren nutzt aus, dass technische Oberflächen im erstarrten Zustand Oberflächenrauigkeiten aufweisen, die bei senkrechter Beleuchtung ein unregel-mäßiges Reflexionsmuster erzeugen, wäh-rend die schmelzflüssige Phase eine wesent-lich geringere Rauigkeit aufweist, sodass das beobachtete Reflexionsmuster homogen ist [2]. Mit erreichbaren Aufnahmeraten von bis zu 10.000 Bildern pro Sekunde lassen sich dabei Phänomene an der Bauteiloberfläche beobachten und analysieren.Ein Schwerpunkt aktueller Untersuchungen mit diesem System ist die Erkennung be-stimmter Prozesszustände anhand physi-kalischer Effekte, ohne einen Vergleich der Bilddaten mit Referenzdaten vornehmen zu müssen. Auf diese Weise sollen allgemein-gültige, robuste Prozessüberwachungsver-fahren entwickelt werden, die definierte Fehlerklassen detektieren und nicht ange-lernt werden müssen.

Koaxiale Prozessüberwachung mit Fremdbeleuchtung

In Abbildung 1 ist ein integriertes Bearbei-tungssystem mit koaxialer Prozessüber-wachung (CPC) dargestellt. Es besteht aus einer Fokussieroptik, Einkoppeloptiken für Bearbeitungs- und Beleuchtungslaser sowie einer Kamera.Die Bearbeitungslaserstrahlung wird über

einen dichroitischen Spiegel (der für die Wellenlänge des Bearbeitungslasers reflek-tierend und für die Wellenlänge des Beleuch-tungslasers transmittierend ist) reflektiert und durch die Bearbeitungsoptik auf dem Werkstück fokussiert. Die zur Beleuchtung verwendete Diodenlaserstrahlung wird über einen weiteren, teilreflektierenden Spiegel in den Strahlengang des Bearbeitungslasers eingekoppelt. Eine CMOS-Kamera beobach-tet die Werkstückoberfläche ebenfalls durch den dichroitischen Spiegel und die Bear-beitungsoptik hindurch. Abbildung 2 zeigt ein auf diese Weise aufgenommenes Bild aus einem Punktschweißprozess (Falschfar-bendarstellung). Die Größe des aufgenom-menen Ausschnitts beträgt etwa 0,8 mm². In der Mitte des Bildes ist das Prozessleuchten als heller Bereich zu sehen; das Schmelzbad kann als dunkler Bereich gegen die umge-bende, nicht aufgeschmolzene Werkstück-oberfläche abgegrenzt werden.

Prozesszustände

Um zielgerichtet Auswertealgorithmen für die aufgenommenen Prozesssignale ent-wickeln zu können, ist es unabdingbar, die Prozesszustände, die erkannt werden sollen, genau zu definieren. Folgende Themen wer-den dabei aktuell behandelt:• die Schmelzbadvermessung und • die Spritzererkennung.

Aktuelle Ergebnisse

Schmelzbadvermessung

Ein aktuelles Ziel ist es, die in Abbildung 2 zu erkennende Abgrenzung des Schmelz-bades gegen die Werkstückoberfläche zur Schmelzbadvermessung zu nutzen, um eine robuste Analyse der Schmelzbadent-wicklung während eines Schweißprozesses in Echtzeit zu realisieren. Dazu wurde in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Bildverarbeitung der RWTH Aachen ein Al-gorithmus entwickelt, der eine zweistufige Auswertung der mit der CPC gewonnenen Bilddaten leistet.Im ersten Schritt wird anhand eines defi-nierten Intensitätsschwellwertes die Grenze des Schmelzbades zum nicht aufgeschmol-zenen Material festgelegt. Das Ergebnis die-ser Abgrenzung ist exemplarisch in Abbil-dung 3 dargestellt.Nach dieser Abstraktion wird allerdings auch stellenweise über den Schmelzbad-rand austretende Schmelze („Swap-Over“) dem Schmelzbad zugeordnet, was die Schmelzbadoberfläche zu groß erscheinen lässt. Um die Auswertung robust gegenü-ber Swap-Over und anderen Störgrößen zu gestalten, ist daher ein weiterer Schritt not-wendig: Unter der Voraussetzung, dass sich das Schmelzbad annähernd kreisförmig aus-bilden sollte, wird jedes aufgenommene Bild

ABBILDUNG 4: Modellierung der Schmelzbadgeometrie. Unter der Voraussetzung, dass sich das Schmelzbad annähernd kreisförmig ausbilden sollte, wird jedes aufgenommene Bild mit einem Referenzdatensatz verglichen. (links: erkannte Schmelzbadgrenzen, rechts: idealisiertes Schmelzbad).

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ABBILDUNG 5: Spalterkennung beim Schweißen von Kupfer (links) und Stahl (rechts). Bei der Bearbeitung von Kupfer wird der Schmelzbaddurchmesser durch den Fügespalt gering-fügig verkleinert, bei der Bearbeitung von Stahl hingegen deutlich vergrößert.

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mit einem Referenzdatensatz verglichen, in welchem idealisierte, kreisförmige Schmelz-badmodelle in verschiedenen Größen und an verschiedenen Positionen innerhalb des aufgenommenen Bereichs hinterlegt sind. Die aktuelle Schmelzbadposition und -größe wird dann durch eine Korrelationsa-nalyse des Kamerabildes mit dem Referenz-datensatz ermittelt (Abb. 4).Zurzeit wird an der Implementierung des entwickelten Algorithmus in ein echtzeitfä-higes Prozessüberwachungssystem gearbei-tet. Die Auswertung der Aufnahmen kann dabei entweder im Hinblick auf die Schmelz-badgröße zu bestimmten Zeitpunkten oder im Hinblick auf Unstetigkeiten bei der Än-derung des Schmelzbaddurchmessers er-folgen. Damit lassen sich beispielsweise der Zeitpunkt des Prozessstarts als Beginn der Schmelzbadbildung und die Schweißpunkt-abmessungen über die Schmelzbadgröße am Prozessende bestimmen.Mit einem weiteren Ansatz wird das Ziel verfolgt, durch die Schmelzbadanalyse verdeckte Fügespalte beim Schweißen von

Werkstücken im Überlappstoß zu erkennen. Dieser Ansatz resultiert aus zwei Annahmen: Zum einen wird durch einen Spalt die Wär-meleitung zwischen dem oberen und dem unteren Fügepartner stark her abgesetzt, was einen Wärmestau im oberen Fügepart-ner verursacht. Zum anderen verändern sich die Druckverhältnisse in der während des Schweißprozesses ausgebildeten Dampfka-pillare, da der Fügespalt ein seitliches Auswei-chen von Metalldampf und Schmelze zwi-schen den Fügepartnern ermöglicht. Bedingt durch diese Effekte ist eine Veränderung der Schmelzbadausbildung an der Oberfläche zu erwarten, da bei vorhandenem Spalt ei-nerseits eine stärkere Aufheizung des oberen Fügepartners zu Prozessbeginn erfolgt (und damit eine stärkere Schmelzbadbildung) und andererseits die Schmelze in den Füge-spalt ausweicht. In Abbildung 5 sind erste Ergebnisse für Punktschweißungen in Kup-fer und Stahl dargestellt. Die Schweißungen wurden an Flachproben mit Dicken von 0,6 mm (Unterblech) und 0,2 mm (Oberblech) durchgeführt.In den Diagrammen ist erkennbar, dass bei beiden Werkstoffen Unterschiede zwischen der Schmelzbadentwicklung bei tech-nischem Nullspalt und einer Spaltgröße von 100 µm (50 % der Dicke des Oberblechs) bestehen. Allerdings dominieren offensicht-lich unterschiedliche Effekte: Bei der Bearbei-tung von Kupfer wird der Schmelzbaddurch-messer durch den Fügespalt geringfügig

verkleinert, bei der Bearbeitung von Stahl hingegen deutlich vergrößert.Die Spalterkennung durch Schmelzbad-analyse befindet sich noch in der Entwick-lungsphase. Zur Implementierung in ein Prozessüberwachungssystem werden die Zusammenhänge zwischen Spalten und Schmelzbadentwicklung gegenwärtig sys-tematisch untersucht. Insbesondere die Ein-flüsse von Laserleistung, Fokusdurchmesser und Werkstückdicke sind dabei Gegenstand aktueller Arbeiten.

Spritzererkennung

Spritzer, die während des Schweißprozesses aus dem Schmelzbad ausgeworfen werden, können geschweißte Werkstücke sowohl optisch als auch funktionell beeinträchtigen. Daher soll die Erkennung solcher Spritzer mit dem beschriebenen System ebenfalls reali-siert werden. Die Spritzer müssen dazu vor dem Hintergrund der nicht aufgeschmolze-nen Werkstückoberfläche identifiziert wer-den. Eine Bildersequenz, in der dies möglich ist, ist in Abbildung 6 dargestellt. Die Sequenz wurde während einer Blindschweißung in

ABBILDUNG 6: Punktschweißprozess mit Spritzerbildung. In der zeitlichen Sequenz ist unten rechts ein Spritzer als dunkler, kreisför-miger Bereich zu erkennen, der sich im Winkel von etwa 45° vom Schmelzbad entfernt. Ein weiterer solcher, allerdings unbewegter Bereich ist oben links vom Schmelzbad zu sehen.

ABBILDUNG 7: Spritzererkennung. Die Spritzererkennung kann wie die Schmelzbaderkennung anhand der Intensität der rückreflektierten Beleuchtungsstrahlung erfolgen (links: Originalbild, Mitte: Schmelzbaderkennung, rechts: Spritzererkennung).

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von der Werkstückoberfläche unterschieden werden kann, hängen die Grenzwerte von folgenden Einflussfaktoren ab:• bearbeiteter Werkstoff,• Oberflächenstruktur und Stoßgeometrie,• Brennweite bzw. Tiefenschärfe der Bearbei-tungsoptik,• optische Elemente im Strahlengang.Sind diese Einflussfaktoren bekannt, so kann unter den dann quantifizierbaren Restriktio-nen eine robuste Spritzererkennung reali-siert werden.

Ausblick

Die koaxiale Prozesskontrolle (CPC) un-ter Fremdbeleuchtung bietet viel verspre-chende Ansätze für die Überwachung von Mikroschweißprozessen. Ein Schwerpunkt derzeitiger Arbeiten liegt auf der Entwick-lung robuster Algorithmen, die die Erken-nung von Prozesszuständen unabhängig von Stör- und Einflussgrößen ermöglichen.Ein weiterer Arbeitspunkt ist die Steigerung der Aufnahmerate, um Effekte in noch kür-zeren Zeitskalen auflösen zu können. Ein Ansatz ist hier die Reduzierung der auszu-lesenden Pixel durch Verkleinerung oder Verlagerung der Beobachtungsregion. Ein Schwerpunkt aktueller Arbeiten liegt in der Adaption des Systems für die Verwendung mit Galvanometerscannern, die immer häu-figer in Mikroschweißapplikationen Anwen-dung finden.

Literatur[1] N. Tiesler, C. Pletzenauer, Anforderungen

der modernen Großserienfertigung an das Laserschweißen, Tagungsband Laser in der Elektronikproduktion und Fein-werktechnik LEF, Meisenbach Bamberg, S. 134–143 (2005).

[2] B. Regaard, S. Kaierle, W. Schulz, A. Mo-alem, Advantages of coaxial external illumination for monitoring and con-trol of laser materials processing, Proc. ICALEO’05, Paper# 2307 (2005).

Kupfer aufgenommen (Strahldurchmesser: 200 µm, Leistung: 1.100 W, Pulsdauer: 10 ms).In der Sequenz ist unten rechts ein Spritzer als dunkler, kreisförmiger Bereich zu erken-nen, der sich im Winkel von etwa 45° vom Schmelzbad entfernt. Ein weiterer solcher, allerdings unbewegter Bereich ist oben links vom Schmelzbad zu sehen. Dabei handelt es sich um einen weiteren Spritzer, der auf der Werkstückoberfläche erstarrt ist.Die Spritzererkennung kann wie die Schmelz-baderkennung anhand der Intensität der rückreflektierten Beleuchtungsstrahlung er-folgen. Wird außerhalb des Schmelzbades ein bestimmter, relativ zur Werkstückoberflä-che festgelegter Schwellwert unterschritten, wird Spritzerbildung erkannt. Das Verfahren ist in Abbildung 7 dargestellt.Die Spritzererkennung anhand des Intensi-tätsschwellwertes stößt jedoch an Grenzen, wenn der Intensitätsunterschied nur gering ist. In Abbildung 8 ist eine Sequenz darge-stellt, die unter identischen Bedingungen aufgenommen wurde wie die in Abbildung 6 dargestellte Sequenz.Auch in dieser Sequenz tritt Spritzerbildung auf. Der Spritzer ist jedoch in den ersten Bil-dern nur als unscharfer Bereich rechts vom Schmelzbad gegenüber der Werkstücko-berfläche zu erahnen. Erst im vierten Bild ist am rechten Bildrand wieder ein dunkler Bereich zu erkennen. Der Effekt ist dadurch zu erklären, dass sich der Spritzer weiter von der Werkstückoberfläche und damit von der Fokusebene der Kamera entfernt hat als in der vorherigen Sequenz. Dadurch erscheint er unscharf.Ein Ansatz, der auch in einem solchen Fall Spritzererkennung grundsätzlich ermög-licht, ist der ortsaufgelöste Kontrastver-

gleich. Da sowohl dunkle als auch unscharfe Bereiche einen geringeren Kontrast aufwei-sen als die Werkstückoberfläche, können mit diesem Ansatz Spritzer in beiden Fällen erkannt werden. Ein weiterer Ansatz unter-sucht die Korrelation eines Bildausschnitts der Schmelzbadumgebung mit einer Auf-nahme der Werkstückoberfläche vor Pro-zessbeginn. Ein Absinken des Korrelationsko-effizienten resultiert aus einer Veränderung der Prozessumgebung; Ursache hierfür sind i. d. R. Spritzer.Algorithmen, die eine automatisierte Sprit-zererkennung mit den beschriebenen Me-thoden ermöglichen, befinden sich mo-mentan in der Erprobungsphase. Unter Laborbedingungen kann die Spritzererken-nung bereits realisiert werden, wobei als ge-nerelle Restriktion die Geschwindigkeit der zu erkennenden Spritzer zu beachten ist. Überschreitet diese einen bestimmten Wert, so kann ein Spritzer zwischen zwei Aufnah-men das Beobachtungsfeld passieren, ohne von der Kamera erfasst zu werden. Die ma-ximale Geschwindigkeit, bis zu der Spritzer sicher erkannt werden können, ist abhängig von der Größe des Beobachtungsfeldes und der Aufnahmerate. In Bezug auf die Sprit-zergeschwindigkeit kann ein Bearbeitungs-system anhand folgender Ungleichung aus-gelegt werden:

V < F × R

Dabei ist V die Geschwindigkeit erkennbarer Spritzer in mm/sec, F die Aufnahmerate in sec–1 und R der Radius des Beobachtungs-feldes in mm.Weitere Restriktionen, die bei einer Imple-mentierung der automatisierten Spritzer-erkennung beachtet werden müssen, sind:• die Größe der Spritzer und• die Entfernung der Spritzer von der Fokus-ebene.Bis zu welchen Werten eine robuste Sprit-zererkennung möglich ist, kann nicht all-gemeingültig festgelegt werden; die Ein-flussgrößen sind jedoch klar definierbar. Da beide Restriktionen letztendlich dadurch bedingt sind, ob ein Spritzer noch sicher

ABBILDUNG 8: Punktschweißprozess mit Spritzerbildung außerhalb des Kamerafokus. Der Spritzer ist in den ersten Bildern nur als unscharfer Bereich rechts vom Schmelzbad gegenüber der Werkstückoberfläche zu erahnen. Erst im vierten Bild ist am rechten Bildrand wieder ein dunkler Bereich zu erkennen.