konstitutionelle fragen bei bösartigen gewächsen

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(Aus dem Universit~tsinstitut f. Krebsforschung in Berlin. Direktor: Geheimrat Prof. Dr. F. Blumenthal.) Konstitutionelle Fragen bei b~sartigen Gew~chsen. Yon Hans Auler. Mit 2 Textabbildungen. (Eingegangen am 18. Juni 1926.) In friiheren Arbeiten wurde wiederholt darauf hinge~esen, da6 der Entstehung der Gew~chse trotz der Vielheit der htiologischen und dispositionellen Reize ein einheitlicher, gcsetzm~l~ig ineinander greifender, in die gleiehe t~iehtung gehender, kurz gesag~, ein spezifischer Ursachen- k0mplex zugrunde liegen muir. Die Virchowsehe Irritationstheorie und die Ribbert-Cohnheimsche Lehre haben danach nur noeh besehrhnkten Wert; die erstere Lehre, weil zwar jeder Reiz eine bestimmte Zeitlang cinwirken mul3, bis sieh Gesch~ilste entwiekeln, er aber spezifiseh, d. h. in bcstimmter l~ichtung wirken mul~, denn im anderen Falle kommt es trotz noch so lange dauernder Reizwirkung nicht zur Geschwulst- bildung. Die Cohnheim-Ribbertsche Theorie hat insofern an Bedeutung verloren, als die in ihr geltend gemachten Beobaehtungen nur indirekt fiir die Gew~chsentstehung einen Wert haben kSnnen, da durch die in dieser Lehre sehr betonte Keimversprengung bzw. Zellisolation rein dispositionelle Fragen betroffen werden. Ich habe frfiher schon fiber die Bedeutung der Gewebsisolation berichtet und fiige hinzu, da[t nicht das isolier~e Gewebe an sieh, sondern die Einsehal~ung der iso- lierten Gewebe in den Gef~l~apparat fiir die maligne Entartung der dureh die Ent~dcklung, Trauma usw. isolierten Gewebeinseln wichtig ist. Unser Vorsehlag, an die Stelle dcr ,,Ka'ebsursache" den Begriff des genetischen Systems der Gew~chsentstehung zu setzen, ha~ dureh unsere ~tiologischen und dispositionellen Arbeiten eine weitere Sttitze erfahren. Die ~bertragungsversuche des wirksamen Agens von krebs- kranken Menschen anf die ]~atte waren in 3 F~llen erfolgreich. Im 1. Falle war der Spender eine an Brustkrebs erkrankte Frau, bcider infolge Achseldriisenmetastasen im linken Arm ein starkes Stauungs~dem auf- getreten war. Die durch Punktion gewonnene Stauungslymphe wurde auf 8 Tiere iibertragen und zwar 1 cem pro Ratte. Bei einem Tier zeigte sieh nach etwa 6 Wochen ein kleinerbsengroBer Tumor an der Injektionsstelle, der sieh bei der histologischen Untersuchung als einwandfreies Careinom erwies. Der t~efund bei den anderen ]~atten war negativ.

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Page 1: Konstitutionelle Fragen bei bösartigen Gewächsen

(Aus dem Universit~tsinstitut f. Krebsforschung in Berlin. Direktor: Geheimrat Prof. Dr. F. Blumenthal.)

Konstitutionelle Fragen bei b~sartigen Gew~chsen. Yon

Hans Auler.

Mit 2 Textabbildungen.

(Eingegangen am 18. Juni 1926.)

In friiheren Arbeiten wurde wiederholt darauf hinge~esen, da6 der Entstehung der Gew~chse trotz der Vielheit der htiologischen und dispositionellen Reize ein einheitlicher, gcsetzm~l~ig ineinander greifender, in die gleiehe t~iehtung gehender, kurz gesag~, ein spezifischer Ursachen- k0mplex zugrunde liegen muir. Die Virchowsehe Irritationstheorie und die Ribbert-Cohnheimsche Lehre haben danach nur noeh besehrhnkten Wert; die erstere Lehre, weil zwar jeder Reiz eine bestimmte Zeitlang cinwirken mul3, bis sieh Gesch~ilste entwiekeln, er aber spezifiseh, d. h. in bcstimmter l~ichtung wirken mul~, denn im anderen Falle kommt es trotz noch so lange dauernder Reizwirkung nicht zur Geschwulst- bildung. Die Cohnheim-Ribbertsche Theorie hat insofern an Bedeutung verloren, als die in ihr geltend gemachten Beobaehtungen nur indirekt fiir die Gew~chsentstehung einen Wert haben kSnnen, da durch die in dieser Lehre sehr betonte Keimversprengung bzw. Zellisolation rein dispositionelle Fragen betroffen werden. Ich habe frfiher schon fiber die Bedeutung der Gewebsisolation berichtet und fiige hinzu, da[t nicht das isolier~e Gewebe an sieh, sondern die Einsehal~ung der iso- lierten Gewebe in den Gef~l~apparat fiir die maligne Entartung der dureh die Ent~dcklung, Trauma usw. isolierten Gewebeinseln wichtig ist. Unser Vorsehlag, an die Stelle dcr ,,Ka'ebsursache" den Begriff des genetischen Systems der Gew~chsentstehung zu setzen, ha~ dureh unsere ~tiologischen und dispositionellen Arbeiten eine weitere Sttitze erfahren. Die ~bertragungsversuche des wirksamen Agens von krebs- kranken Menschen anf die ]~atte waren in 3 F~llen erfolgreich.

Im 1. Falle war der Spender eine an Brustkrebs erkrankte Frau, bcider infolge Achseldriisenmetastasen im linken Arm ein starkes Stauungs~dem auf- getreten war. Die durch Punktion gewonnene Stauungslymphe wurde auf 8 Tiere iibertragen und zwar 1 cem pro Ratte. Bei einem Tier zeigte sieh nach etwa 6 Wochen ein kleinerbsengroBer Tumor an der Injektionsstelle, der sieh bei der histologischen Untersuchung als einwandfreies Careinom erwies. Der t~efund bei den anderen ]~atten war negativ.

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474 H. Auler :

Bei d iesem Versuch sind als d isposi t ionel l wi rkende Eingriffe n ich t gemach t worden, und es dar f wohl auf Grund unserer E r f ah rung an- g e n o m m e n werdcn, dab es sich in dem einen pos i t iven Fa l le u m ein glfickliches Zusamment re f f en al ler Krebsmoment .e , d. h. ein d i sponie r tes T ie r gehande l t hat , der uns jedoch abermals d a v o n f iberzeugt ha t , dab m i t der L y m p h e eines k r e b s k r a n k e n Mensehen ein wirksames Agens auf speziesfremde Tiere erfolgreich i iber t ragen worden ist. Vielfaeh i s t m a n j e t z t bestreb~, die bisher als mi t dem Menschenkrebs n ich t ge- n i igend verg le ichbar h inges te l l ten H i ihne r sa rkome als Beweisob jek t ffir f undamen ta l e F r a g e n der Krebsp rob l eme zu benutzen. W i r lehnen es vorl~iufig ab, aus den Versuchen mi t dem Hf ihne r sa rkom b indeude Schliisse auf die Biologie mensehl icher Gewi~chse zu ziehen und k6nnen nur Befunde anerkennen , die auch bei Geschwii ls ten der S~uget iere e rhoben wurden . Diese exper imente l l en Ergebnisse berecht igen uns zu folgern, dab es m6glich ist, von einer Spezies auf die andere un te r be- s t i m m t e n Bed ingungen das k rebserzeugende Agens im 1)osi~iven Sinne zu i iber t ragen, wobei fiber die H e r k u n f t dieses Agens, ob exogen oder endogen - - ob m i t t e l b a r oder u n m i t t e l b a r - - an dieser Stelle n ich t s gesagt werden soll. Die verhgl tnismiiBig ger ingen pos i t iven l%esultate, die wir m i t unseren zahl re ichen Versuchen gezei t ig t haben, spreehen daffir, dab das Agens nur un te r bis j e t z t nur zu vermutenden Bedingungen in der L y m p h e wi rksam ist, dab wel te r nur diese ganz besondere Zu- s t ands fo rm des Agens seine T ransp l an t ab i l i tS t mSglieh macht . Es i s t wabrscheinl ieh , dab in der L y m p h e vorhandene Endo the l i en - - Makro- phagen - - der wi rksame ~ b e r t r ~ g e r des Virus sind. Diese Meinung f inder eine s t a rke St i i tze in den l e tz ten Arbe i t en yon l~hoda Erdmann, Carrel, _Fischer und in eigenen Versuehen.

Wir haben yon dieser Voraussetzung ausgehend in einem Falle folgende Ver- suchsanordnung getroffen: Lymphe aus dem geschwollenen Arm eincr an Brust- krebs erkrankten Frau (Ma.) wurde steril aufgefangen und mit krebszellenfreiem Lymphdrfisenextrakt einer carcinomatSsen Ratte vermischt. Als Reizfaktor wurdc dem Gemisch etwas Kieselgur zugesetzt. Bei einer von 8 mit diesem Gemisch geimpften Ratten war nach 5 Wochen eine kirschgroBe Geschwulst an der Injektionsstelle palpabel. Histologisch gleieht der Tumor einem Endothcliom. Der Tumor konnte bis jctzt in die 6. Generation erfolgreich iibertragen werden. Nach weiteren 3 Wochen entstand bei einer 2. Ratte ein erbsengroBer Tumor, der nach weitcren 3 Wochen bohnengroB war und cbcnfalls erfolgreich auf 5 Ratten weitergeimpft wurde. Der Versuch wurde in der geschilde.rten Zusammcnstcllung angesetzt, well wit aus andercn Untersuchungen die Uberzeugung gcwonncn hatten, dab die endothelialen Zellen der Lymphdriisen wesentlich an dem Wachs- turn der Geschw~'ilste beteiligt seien. Exstirpation der fiir den Tumor region/iren Lymphdriisen hat eine starke Wachstumshemmung bzw. Riickbildnng der Ge- wfichse zur Folge. Werden normalen Ratten die axill/~ren und inguinalen Lymph- driisen entfernt unter Vermeidung jeder entziindlichen Reaktion und die Tiere nach v611iger Verheilung der Opera t ionswunden- in unseren Versuchen nach etwa 12--15 Tagen mit Tumorbrei an der operierten Seite etwa in der Mitre

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zwischen Axilla und Leistenbeuge geimpft, so ergibt sich, daf~ ein groi~cr Prozent- satz der lmpfung negativ bleibt. Die positiveJ~ Tierc zcigcn folgende intcrcssantc Eigent/im]ichkeiten. Bei einem TeiI der Ticrc fristct der angegangene Tumor ein ktimmerlichcs Dasein und bildet sich oft vSllig zurfick, bei cinem andcrcn Tell der Tiere wachsen die Tumoren normal und bei einigen sehr rasch. Wir konnten in dem letzteren Falle fast ausnahmslos nachweisen, dal~ entwcdcr bcider Opcration Reste yon Dr/iscn zuriickgeblieben waren oder aber eine Kommunikation mit den Lymphdriisen der andercn Scite bestand. Wir fanden bci diesen Tieren Meta- stasen entweder in den operierten Gebicten und zwar friihcr als bci normalcn Ticrcn

Abb. 1.

oder aber auf der anderen Seite. Di~ Regelmhl~igkeit der Befundc war cine so groBe, dab wit aus der Entwickhmg des einzelncn Tumors erschen konnten, ob ~4r radikal operiert hatten bzw. eine Kommunikation mit der anderen K6rper- seite bestand oder nleht.

Geht~ schon aus den angef / ihr ten Versuchen hervor, dab b e s ~ i m m ~

Zel le lemente der Lymphdr i i sen und der anderen lympha t i sehen Organe f~r die Entwicklung, Ern~hrung, Stoffwechsel und das W a e h s t u m der

T u m o r e n wieht ig sind, so waren therapeut i sehe Versuehe, die wlr mi t

!VIilzpr~paraten anstel l ten, eine wei tere wertvol le St i i tze dieser Hypo-

~hese. Die Sel tenhei t eines Metastasenherdes in der Milz bei bSsart igen

Gew~ehsen ha t sohon immer zu Arbe i ten angeregt mi t P rSpara ten der

anseheinend gegen Tumoren i m m u n e n Milz den Krebs zu bek~mpfen,

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476 tI: Auler:

jedoch ohne rechten E~ffolg. Ffitterungsversuche mit frischer zerstampft, er Pferdemilz bei Tumorrat ten blieben ohne jeden Erfolg. Bei einem grol~en Tell der Tiere wurde .danaeh eine st~irkere Metastasenbildung in den lymphatisehen Organen beaehtet. Die gleichen Eindriicke hatter~ wir beim Menschen nach Ffitterung ,nit Milzextrakten. Die Prim~tr- tumoren warden gelegentlieh kleiner. Die Metastasenaussaat crsehien uns aber sts als in nieht mit diesen Pr~iparaten behandelten Fs Halberst~idter und ieh konnten nachweisen, dab dureh lokale Bestrahlung der axill~iren und inguinalen Lymphdrtisen - - das Rumpfzwischenfeld wurde sorgf~ltig abgedeekt - - bei der Rat te dieselben bzw. bessere Resuitate erzielt werden als dureh operative Entfernung der Lymph- driisen. Aus diesen Versuchen darf geschlossen werden, dab bestimmte Zellsysteme der lymphatischen Organe an der Entstehung und dem Wachstum der Gesehwiilste wichtigen Anteil haben. In weleher Weise, ist heute noch nicht entschieden. Aus noch zu schildernden Versuchen geht aber hervor, dab die Endothelzelle an sieh fiir die erfolgreiche ]~bertragung des wirksamen Agens von Spezies zu Spezies und erst reeht innerhalb derselben Spezies fiir das tVaehstum und die ErnEhrung des Tumors im Tier selbst ~dchtig ist. Die Berficksiehtigung dieser Erkenntnis hat unseren Etiologisehen Versuehen eine bessere Ausbeute gegeben. Die in der Literatur angegebenen gelungenen ~bertragungs- versuche bSsartiger Gewachse yon Menseh auf Tier, die gelegentliehe Entstehung von Sarkomen beim Meerschweinchen naeh Impfung mi t l~atteneareinom, sind dem Zusammentreffen gliieklicher Umst~inde zu verdanken, denn die Versuche lassen die notwendige beweiskr~iftige Regel- m~iltigkeit der Ergebnisse vermissen. Die Deutung der Ergebnisse war immer sehr schwer, und viele derartige Versuehe sind in diesem oder j enem Sinne als nicht einwandfrei abgetan worden. Heute diirfen wir anneh- men, dab in den meisten s Versuehen die ~bertragung des infektiSsen Agens allein nieht genfigt, sondern entweder eine disposi- tionelle Vorbereitung der Empfangstiete oder aber die spezies-spezifische gleichzeitige Ubertragung der die Disposition schaffenden Zelle bzw. ihrer Produkte not,~'endig ist, um eine bessere Ausbeute zu erzielen. Wit k6nnen welter yon dem Agens aussagen, dal~ es sehr labil ist, und kennen schon einige seiner Lebensbedingungen. Das Virus ist )inch seiner Trennung yon der Zelle ultrafiltrabel und empfindlich gegen Luftzutri t t . Die Explantat ion naeh dem Verfahren der Gewebezfichtung ist fiir das Krebsgewebe ein empfindlicher Eingriff, vielleicht der emp- findlichste unter optinlalen physiologischen Bedingungen gesetzte Ein- griff, den wir iiberhaupt kennen, denn das Geschwulstgewebe verliert schon nach wenigen Tagen, wie t~hoda Erdmann zuerst feststel]tc, seine Malignit~t. Das Agens geht dureh diese Mal~nahme dem Krebsgewebe bis jetzt unauffindbar verloren. Diese Eigenart des Krebsgewebes ist

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nur verst~ndlich, wenn wir annehmen, dab durch die Ausschaltung der Gewebe aus dem Gef~l~system des Organismus die Schaltzelle fiir die Tumorzellen nicht mehr tumorphysiologisetl arbeiten kann. Das Agens oder der X-Stoff, das Ens malignitatis scheint auf best immte Bestand- teile der K5rpersi~fte angewiesen zu sein und abzusterben, wenn diese Verbindung aufgehoben ist. Hierdurch wird verstSndlich, warum Arsen, Jod, Cerium, Kupfer, Blei, Thalliumsaponin~ u. a. bei der Bekhmpfung yon Tumoren wirksam sein kSnnen. Sie haben alle ihren Angriffspunkt Jn der Capillarendothelze!le. Durch die wertvollen Untersuchungen Gold.

manns wissen wir, dab das im wesentliehen peripher gelagcrte GefhBnetz der Gewi~chse fast ganz capill~irer Natur ist. Durch die Studien dcsselben Autors fiber die Funktion der einzelnen Ze]lgruppen in der Placenta der Maus ist dargctan, wie wichtig die Funktion der Endothelzelle ist bei der Vermitt lung des Stoffwechse]s zwisehen dem mfitterlichen und kindlichen ~Blut. Der capillare Charakter der TumorgefSl~e ist nicht ohne Bedeu- tung ffir das Gedeihen einer Geschwulst; die Durchflie2ungsgeschwindig- keit des Blutes ist hierdurch herabgesetzt und s taut sieh etwa so wie in der Placenta und in der Milz. Die Stauung, sei sie durch Trauma oder irgendeinen anderen Reiz hervorgerufen, ist ein wichtiger kon- ditioneller Faktor bei der Geschwulstentstehung, nicht minder wichtig ist die angioplastisehe Potenz der geschhdig~en Partie. Goldmann hat zuerst erkannt, da2 der Tumor eigene Gefafe bilden kann. Eine welter unten beigeffigte Abbildung 2 bestatigt diese Erkenntnis und zeigt Ge- fi~l~sprossungen in einem eben entstehenden hirsekorngrol]en Tumor. Die Stauung und die atypische erstere bedingende Gef~i]bildung spielen fibrigens auch bei Pflanzentumoren in ahnlicher Weise eine I~olle. Die fippigsten Wachstumszentren sind fast immer in der NiChe yon GefSBen und um Gcfa2e herum anzutreffen.

Die Lokalisation des atiologischen Faktors bei Tumefaciensgeschwtil- sten an der Pflanze ist ebenso unaufgeklhrt wie die bei tierisehen Tumoren. Wahrscheinlich ist es jedoch bei der Art der ,,Metastasierung" der Pflanzen- zellen, dal~ die Bakterien in unmit te lbarer N~he der Gefai~e zu suchen sind, d. h. im Stroma, wie dies Strauss auch fiir das iitiologisehe Agens der Gewachse der Tiere und des Menschcn annimmt. Innerhalb des Stroma ist es wiederum die GefhI]endothelzelle, die das eigentliche Agens naeh m .M. birgt.

]~ber die 1Natur dieses Agens wissen wir niehts, wit wissen aber, dab es auf verschiedene Weise im infcktiSsen Sinne iibertragbar ist, so dutch Zellen, dutch Parasiten usw. Die bis jetzt gemaehten Aus- fiihrungen werden durch fo]genden Versuch gerechtfertigt:

Zerriebene embryonaie Rattenmilz wurde mit etwas Embryonalextrakt und einigen Kubikzentimetern Stauungslymphe, die aus dem Arm einer carcinom- kranken Frau stammte, gemischt und 2 Stunden im Brutschrank bebriitet. Drei

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R a t t e n x~lrden mit je 1 ccm dieses Gemisches subeutan geimpft. Bei einem Tiere bildete sich nach 20 Tagen an der Injektionsstelle ein stecknadelkopfgrol~er Tumor, der langsam wuehs. Das Tier mul~te ]eider get6tet werden, da es an Broncho- pneumonie erkrankte. Histologisch handel te es sich a m eine Geschwulst, die an die bekann ten IKattentumoren erinnert . Auffis in dem Schni t t sind kleine Schl~uche, die zum Tell mi t Blur geftillt sind, zum Tell nicht. Die Zellen sind grof] und machen den Eindruek der Quellung. Es handel t sich um Endothel- zellen. I n der N/ihe der Capitlaren befinden sieh ~Tester yon jungen Zellen, auf deren Besetrreibung ich hier ~-erziehte. Diesen Versuch habe ich erfolgreich wieder- holt. Die Geschwulst ha t in etwa 22 Tagen die GrSBe eines Hirsekornes erreicht. Der /~tioiogisehe Fak tor wurde in diesen Versuchen dureh die yon krebskranken Mcnsehen s tammende Stauungslymphe geboten, der konditionelle Fak to r der

Abb. 2.

Disposition durch die embryonalcn }Iilzzellen und zwar wurde die Disposition als lebende Zellcn eingepflanzt, dcnn die embryonalen Ze]len sind wuhrschei~flieh maligne geworden, n icht Zellen des Wirtstieres. Die geschilderten systemat ischen Untersuchungen, die vor mehreren J~hren yon tier Lymphe krebskranker Men- schen ausgehend fiber Studien am lymphat ischen Appara t zu einem bes t immten Zellsystem innerh~lb dieses ffihrten, ergaben nunmeh r das i iberraschende Re- sul tat , dab Zellen desjenigen Organes, das anscheinend gegen Geschwulstinv~sion am meisten geschiitzt ist, krebsig en ta r ten k6nnen. Dieser scheinbare Widersprueh wird gelSst, wenn wir uns mi t den in der Milz vorkommenden Zellen etwas genauer beschiiftigen, soweit es ffir unsere Untersuchungen notwendig ist. Die Milz ist ein echtes mesoderm~les Organ, an dem wir ]ymph~tisehe Zellen und das Reti- kuloendothel unterscheidcn miissen. Innerha lb der letzteren Zellgruppe t rennen wlr die oxydasenhult igen Retikulumzellen yon den oxydasencgativen Endothel- zellen. Eine Abar t der letzteren sind die Pu]pazellen. Die ~3igcnart der Gefal~- aufteilung in der Milz ergibt mi t diesen Zellen ein eharakterist isehes Bild. Die Milz ist das physiologisehe Staubecken, die Blutkl/iranlage, dureh die ~us dem in diesem Organ langsamer fliel~enden ]~lut allc Gift- uDd Sehlackenstoffc ab-

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gefangen werden. Der Stoffwechsel der Mflz ist, aus der Atmung dieses Organs zu schlieBen, ein sehr intensiver, denn die Milz ist. dasjenige Organ, welches am st~rksten atmet. Die Atmungsintensit~t der einzelnen Zellgruppen scheint naeh den Untersuchungen, die Hans Laser und ich bis jetzt angestellt haben, ver- schieden stark zu sein. Die glykolytische Potenz der Zellen ist ebenfalls verschiedcn, und zwar kommen Laser und ich zu dem Resultat, dal3 die nichtoxydaschaltigcn Endothelzellen st~trker glykolysieren als die oxydasenhaltigen Retikulumzellen (nach dem Warburgschen Verfa~ren).

Es sei ausdrticklich hervorgehoben, dab der Schlul3 aus diesen Untersuchungen nicht zu ziehen ist, dab die Atmungsintensivit~t und Glykolyse einer Zelle im umgekehrten Verh~ltnis zueinander stehen. Beide Vorg~nge sind jeder Zelle eigen und lebenswichtige. Ein t?ber- wiegen der einen Funktion fiber die andere beweist keinesfalls einen Antagonismus zwischen beiden, h6chstens eine bis zur Substitution reichende Koordination. Die Klinik bietet allerdings Bilder genug, die die vorhin erSrter te Sehlul3folgerung wahrscheinlieh machen, die dahin zusammengefaBt werden kann, daft jeder Sauerstoffmangel im Organis- mus durch Zuckermobilisation beantwortet wird. Zuekerangebot ist jedoch noch nicht Zuckerverbrauch. Bei meinen Versuchen fiber den EinfluB des Sauerstoffmangels bei der Gallenbildung an Mohrriiben- scheiben konnte ich feststellen, da~ der Sauerstoffentzug in diesen zuckerreichen Riibenscheiben eine st~rkere G~rung bedingt, deren Pro- dukte, die G~rungss~uren, bei sorgf~ltiger Versuehsanordnung die Gallen- bildung auf den Rfibenseheiben veranlassen. Bei zu starker Giirung geht die ganze Mohrrfibenscheibe zugrunde. J~hnliche Beobachtungen habe ich bei therapeutiscben Versuchen beim Menschen gemaeht. In diesen Versuchen zeigte ieh, daft bei partieller L~hmung der Atmungs- katalysatoren, bei der Behandlung mit h~molytisch wirkenden KSrpern, die den Sauerst~ffgehalt des K~rpers herabsetzen, bei der Einschaltung yon CO in den Sauerstoffbindungsherden des H/~moglobins, bei starken Aderl/~ssen stets ein starker Zerfall in den Gesehwulstherden auftrat, der yon einer energisehen leukoeyt/~ren Lokalreaktion begleitet ist; jedoch treten auch an yore Tumor nieht befallenen KSrperstellen Zer- fallsprozesse mit AbsceBbildungen auf, die oft dureh den Gehalt an sehr gefi~hrliehen An~robiern ffir den Kranken gefiihrlicher werden als die Geschwulst selbst. Auch unter den Inkreten des Organismus finden wir einige, die in i~hnlieher Weise wirken, z. B. das Adrenalin wie das in unserem Insti tut (Fr. Helm) festgestellt ist. Meine Versuehe fiber die Wirkung der Sympathektomie und Nebennierenexstirpation sind in- zwischen yon Ft . Heim naehgepriift und best/~tigt worden. Desgleiehen sind die Wirkungen der Gef~13durehtrennung in der Umgebung des Tumors und der Exstirpation der regioni~ren Nerven weiter untersueht worden. Alle diese Eingriffe haben auf die Entstehung und das Wachs- rum der Geschwiilste einen hemmenden Einflu[3, der dutch Xnderungen

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in der Vascularisation der Geschwiilste und ihre Umgebung bedingt ist. Durch, Sympathektomie und Nebennierenexstirpation. sehen wir an den betreffenden Organen bzw. im ganzen Organismus Gef~f3ver- s die einen der entziindlichen Hyperi~mie sehr ithnlichen Be- fund zur Folge haben. Durch die Gef/tSdurchtrennung wird die Blut- zufuhr zum Tumor aufgehoben. Die vorhin geschilder~en therapeutischen Versuche am Menschen haben die gleiehe Wirkung. Der Untersehied zwischen diesen Versuchen insgesamt und der fiir die Geschwllstbildung notwendigen Stase besteht darin, da$ die ersteren Eingriffe ganze Organe bzw. Organsysteme betreffen und das zwischen Tumor und Organ bzw. Organismus bcstehcnde GefMle ausgleichen oder aufheben, wiihrend die bei der Tum0rentstehung wichtige Stase lokaler Natur ist. Dies ist wohl auch der Grund; warum es in dem Organ d e r physiologisehen Stase so selten zur G.eschwulstbildung und Metastasierung yon Gew/~chsen anderer Lokalisation kommt. Der Stoffwechsel der Milz vernichtet die Carcinomzelle. Anders jedoch, wenn wir Milzbrei an anderer Stelle injizieren. Wir setzen in diesem Falle einen Zellkomplex isoliert in den Organismus hinein, der vorerst aus dem Gef/il~verbande ausgeschalte~ ist und dadurch in der Ern~thrung und Atinung gest6rt ist. Ein Teil der Zellen geht zugrunde und iibrig bleiben die starker Phagocytose und der Glykolyse f/~higen endothelialen Zellen, die sehr bald Anschlul~ an die ihnen entgegengerichteten Capillarsprossungen des Granulations- gewebes des Wirtstieres gewinnen und nun ihrerseits Gef~Be bilden. Dutch die fast placentar eingeschalteben Endothelzellen wird zu ihnen gehSriges Gewebe wie embryonales versorgt und beginnt zu wuchern. Nunmehr sind auch die interessanten Trennungsversuche Rhoda Erd- manns verstandlich, die ergaben, da$ Parenchym und Stromazellen getrennt nicht mehr die Fiihigkeit batten, am Tier Geschwtilste zu er- zeugen. Welche Bedeutung hat nun der in groBer Vielf/~ltigkeit gegebene /~tiologische i~aktor? Es steht lest, dab durch Wiirmer, Bakterien, chemische Substanzen, thermische Schi~den, dutch R6ntgen- und l~a. diumstrahlen echte bSsartige Gew/ichse erzeugt werden k6nnen. Wir wissen, da$ aus Hfihnersarkomen, MiSuse- und Rattentumoren ein ,,Vi- rus", ,,Ens malignitatis", ,,Principle" isoliert worden ist, welches,wenn die vorhin geschilderten dispositionellen Forderunge n erfiillt sind, zur Gewi~chsbildung innerhalb derselben Spezies fiihren kann und unter be- stimmton Bedingungen au f eine andere Spezies iibertragbar ~st.. Diese ~ Ergebnisse geben den b6sartigen Gew~chsen den Charakter einer bedingt infekti5sen Erkrankung - - sei das Virus nun belebt ode r unbelebt -~.,: wie wir das ja auch fiir viele echte Infektionskrankheiten zugestehen miissen. Es ist wahrscheinlich, daf~ bei einem grof~en Tell der b6sartigen Gew/~chse dieses Virus endogener Herkunft ist, sicher jedoch ist, da$ ein noch grSl~erer Teil der experimentellen Geschwiilste durch ein exogenes

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Konstitutionelle Fragen bei biisartigen Gew~tchsen. 481

Agens erzeug~ worden ist. Mit E. Neumark habe ich in ciner Arbeit , ,~ber eine generalisierte Sarkomatose einer Zuchtrat te" auf den eigen- artigen, durch Weinland vor vielen gahren festgestellten Stoffwcchsel der Wurmlarven hingewiesen. Die aniirob lebenden Wurmlarven haben einen starken Zuckerverbrauch und verg~ren den' Zucker anders als wie gewShnlich. Weinland stellte damals Valerians/iure fest. 2~ndere Produkte Ianden Smith .und wit in den Tumefaciensbakterien, n~mlich die oberfl~ichenaktive Milchsgure, Spuren yon Essig und Ameisensgure. Die GaUenerreger an Pflanzen sondem ebenfalls verwandte Verbin: dungen ab, die alle, wie dies E. Bauer feststellen konnte, durch ihre Oberfl/~chenaktivitgt wachs~umsbeschleunigend wirken. Aus den Ver- suehen Carrels, in denen es ihm gelang, durch lndol und durch Teer beim Huhn Sarkome zu erzeugen, aus denen er wiederum das Principle isoliert und erfolgreich transplantiert hat, kSnnte man schlief3en, dal3 das Agens unbelebt ist. Aus diesen Und vielen ~hnliehen Versuehen kann man daran-denken , daB, wo Parasiten bei der Geschwulst- entstehung eine Rolle spielen, diese durch ihre Stoffwechselprodukte die Krebsbildung auslSsen. Fassen wir unsere Ergebnisse zusammen, so ergibt sieh folgendes: Bei der Entstehung bSsartiger Gewgchse ist die Disposition gegeben durch den Zustand der Endothelzelle einer durch irgendwelche Reize isolierten Gewebsgruppe.

Der /itiologische Faktor wird wahrscheinlich dargestelR durch yon Parasiten und Mikroorganismen gelieferte Produkte oder dureh unbelebte G/irungsprodukte, z. B. durch oberfl/iehenaktive S/~uren, die abet auch durch lokale Stase im K6rper selbst entstehen k6nnen. Der iitiologische Faktor ist bei Beriicksichtigung der fiir die Geschwulst erforderlichen spezies-spezifischen Disposition transplantabel.

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