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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017 Konferenz zur Qualität der Lehre 2017 FACHHOCHSCHULE KIEL Besonderheiten und Merkmale des Lehrens und Lernens in angewandten Wissenschaften 1

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Konferenz zur Qualität

der Lehre 2017

FACHHOCHSCHULE

KIEL

Besonderheiten und Merkmale

des Lehrens und Lernens in

angewandten Wissenschaften

1

Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Aufbau

1. Lehren und Lernen in HAW

Merkmale | Besonderheiten | Herausforderungen

2. Gemeinsame Aufgabe: Lehre und Lernen entwickeln

Bologna und Shift from Teaching to Learning | Lehrentwicklung im System

Hochschule | Querschnittsthemen und Herausforderungen

3. Kooperatives Lernen auf allen Ebenen: Ein „must have!“

Konzeptionelle Ansätze | Rolle und Selbstverständnis der Hochschuldidaktik

4. Praxisbeispiel THM

Entwicklung | AGQLS | Aktionsplan | Strukturen | Ergebnisse

5. Fazit und Ausblick

Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017 2

Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

1. Lehren und Lernen an HAW

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Was unterscheidet Unis und FHs?

Süddeutsche Zeitung, 14.3.2017:

„Im Zuge der Bologna-Reform bilden auch die Unis berufsbezogener aus. Und

einige Fachhochschulen machen sich mit anwendungsorientierter Forschung

einen Namen.“

Dennoch:

„Studiengänge an Fachhochschulen sind in der Regel immer noch

praxisorientierter“… „An den FHs findet ein stärker seminaristischer Unterricht

statt“ (H. Reuke, ZeVa)

Und:

„Grundlagenforschung können wir den Studenten nicht bieten, dafür kommen

sie bei uns so früh wie möglich mit der Praxis in Verbindung.“

(K. Jeorgakopulos, HAW Hamburg)

„Wer geistes- oder sprachwissenschaftliche Angebote sucht, wird immer noch

eher an den Universitäten fündig.“

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Merkmale: Perspektive des Wissenschaftsrats

„Die Kernaufgabe der Fachhochschulen liegt in der wissenschaftlichen und

praxisorientierten Fachkräfteausbildung.

Indem sie eine wachsende und zunehmend heterogene Gruppe von

Studierenden auf wissenschaftlicher Basis anwendungsorientiert aus- und

weiterbilden, übernehmen sie wesentliche Aufgaben im Bildungs-,

Wissenschafts- und Innovationssystem.“

Differenzierung unter den Hochschulen, zugleich

zunehmende Binnendifferenzierung der Institutionen

Primat der Lehre: Der Wissenschaft spricht vom „Hochschultyp mit dem

Schwerpunkt auf praxisorientierter, professoraler Lehre“ (WR 2016, 6f) und

dem Merkmal des Unterrichts in Kleingruppen.

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Merkmale der Ausdifferenzierung von Hochschulen

(Niederdrenk 2013)

Betriebsgröße (im Schnitt 5.000 an HAW, 15.500 an Unis)

Fächerspektrum (HAW: BWL, Ing.wiss., Sozialwesen in der Regel überall vertreten,

= ca. 4/5 aller Studierenden)

Lehr-/Lernkonzepte

Drittmittel (Ø 2007 HAW: 17.200 €/Jahr/Prof., Unis: 169.400 €/Jahr/Prof., WR 2010)

regionaler Kontext (z.B. TH Mittelhessen)

strategischer Ausrichtung (z.B. UAS7, HAWtech) und

Schwerpunktsetzung (z.B. Hochschule für Gesundheit, Bochum)

je nach Bundesland unterschiedliche Rahmenbedingungen und Ausstattung

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Grundsätzliche Unterschiede Uni-FH:

Lehrdeputat

Besoldung

Personalstruktur (v.a. Mittelbau)

Fächerspektrum

Promotionsrecht

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Unterschiede hinsichtlich der Studierenden an Unis und HAW:

Stärker gewachsene Anzahl der Studienanfängerinnen und –anfänger,

Steigender FH-Anteil an den Studierenden 30% (24% in 1999),

Steigender FH-Anteil an Absolventinnen und Absolventen 32% (27% in

1999)

Unterschiede u.a. bezogen auf soziale Herkunft, schulische oder berufliche

Vorbildung, regionale Mobilität

50% an HAW und 97% an Unis hatten 2007/08 allg. HS-Reife

45% an HAW und 11% hatten 2007/2008 Berufsausbildung (WR 2010)

Übergang in die Berufstätigkeit an FH deutlich schneller,

Verdienst nach 5 Jahren Ø 43.000 € an FH, 42.300 € an Unis

(WR 2010)

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Entwicklung des Studienangebots:

Gesamtangebot an Studiengängen im Sommersemester 2010 zu 76,6% Unis

Fachhochschulen: 2.335 Bachelor- und 1.374 Masterstudiengänge, darunter

251 weiterbildend

2009 waren 328 Studiengänge an Fachhochschulen duale Angebote.

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Ausstattungsmerkmale:

Personalstruktur:

2005: Professorinnen und Professoren 76% des hauptberufl. wiss. Personals

2014: 56% (15.987)

Wiss. und künstlerische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 2014: 10.542

Betreuungsrelation: 2005/06 1:39 an FH, 1:60 an Unis (WR 2008)

2014 1:45 (WR 2016)

Grundmittel: Steigerung um 7% von 2005-2013 (232 Tsd. €)

Drittmittel: mehr als verdoppelt seit 2005 auf 32 Tsd. €

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Neue Aufgaben der HAW (WR 2016):

Akademisierung neuer Berufsbilder

Entwicklung neuer, eng mit der beruflichen Praxis verbundener

Ausbildungsangebote (z.B. duales Studium)

Flexible Studienmodelle, Vereinbarkeit mit Familie und Beruf

Wissenschaftliche Weiterbildung

Service Learning

Forschung, Entwicklung

Wissenstransfer

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Besondere Herausforderungen an HAW (1)

Betreuungsrelation:

kleine Gruppen mit professoraler Lehre und

intensiver Betreuung sind kaum zu gewährleisten.

Lehraufträge nur begrenzt einsetzbar

Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbA, oft befristet und aus Drittmitteln)

Wiss. MA im Vergleich zu Unis: weniger eigenständige Lehraufgaben,

betreuen wiss. Labore und Infrastruktur, leiten Studierende an, vermitteln

Praktika, Einbindung in Koordination und Qualitätssicherung von

Studiengängen, Service Learning

Zunehmend hybride Stellenprofile,

veränderte Personalstruktur erfordert aktive

Personalentwicklung und zukunftsorientierte Konzepte

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Besondere Herausforderungen der HAW (2):

Gewachsenes Aufgabenspektrum

Besetzung der Professuren

Weiterentwicklung der aufgrund von Drittmitteln gewachsenen Gruppe des

wissenschaftlichen Personals ohne Professur

„Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur

Personalgewinnung und -entwicklung an

Fachhochschulen“, Herbst 2016

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Besonderheiten des Lehrens und Lernens an HAW:

Kooperative Lehrformate und –methoden mit hohem Berufs- und

Anwendungsbezug, Betonung des aktiven, selbstgesteuerten Lernens im

Vordergrund:

Projektlernen, Fallstudien, Simulationen, forschendes Lernen, PBL,

Laborarbeit und Praxisphasen im Studium

Mediengestütztes und selbstgesteuertes Lernen und LLL immer wichtiger

(und damit auch die entsprechende Infrastruktur an den HAW).

Lehrende benötigen hierfür individuelle Unterstützung.

Die Hochschuldidaktik hat dabei eine besondere Rolle und vielfältige Aufgaben

„zwischen Service, Entwicklung und eigener Forschung,

zwischen mikro-, meso- und makrodidaktischen Fragen und

auf unterschiedlichen Ebenen.“ (Cendon 2016)

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Chance: neue Impulse durch Weiterentwicklung der

Personalstruktur und aktive Personalentwicklung

Stellenwert der Hochschuldidaktik an HAW

Vorschläge des Wissenschaftsrats 2016: Kooperation, Flexibilisierung des

Deputats, Stärkung eines akademischen Mittelbaus

Unterstützung für die Professorinnen und Professoren durch Ausbau eines

„Mittelbaus Lehre“ an HAW:

professionalisiertes Personal in Daueraufgaben, etwa für Betreuung und

Beratung der Studierenden im Laborkontext als Beitrag zum nachhaltigen

Lernen der Studierenden

Beispiel: Masterstudiengang „Methoden und Didaktik in angewandten

Wissenschaften – Higher Education (MEDIAN_HE) an der THM

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Risiken bezogen auf die Lehre an HAW:

Zunehmende Forschungsorientierung, Drittmittelfinanzierung, immer neue

Aufgaben, hohe Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt für Fachkräfte

gefährden den Stellenwert von Lehre und Berufspraxis an HAW.

Hier ist u.a. das Berufungsmanagement gefordert.

Bei zu geringer Grundausstattung: Gefahr der Zusammenlegung von

Lehrveranstaltungen zu größeren Einheiten,

Verschiebung der Anteile von Vorlesungen und seminarist. Unterricht in den

Curricula, Reduktion der Lernzeit im Labor.

Der für die HAW typische Unterricht ist zu erhalten.

Aktivierende und kompetenzorientierte Lehrformate und Heterogenität der

Studierenden erfordern mehr und professionelles Lehrpersonal für eine

individuellere Betreuung der Studierenden.

Dies braucht Zeit und ist gemeinsame Verantwortung aller.

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

2. Gemeinsame Aufgabe: Lehre und Lernen entwickeln

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Bologna-Prozess:

Schaffung eines Europäischen Hochschulraums…

… unter anderem durch

• Beschäftigungsfähigkeit (Employability)

• gesellschaftliche Teilhabe, Citizenship und

Persönlichkeitsentwicklung

• Outputorientierung: Learning Outcomes als

„beabsichtigte Lernergebnisse“

• Studentische Mitwirkung auf allen Ebenen

• Lebenslanges Lernen

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

„Shift From Teaching to Learning”

Robert B. Barr and John Tagg:

Perspektivwechsel vom Lehren zum Lernen

• Lehrende als Verantwortliche für das Lernen der

Studierenden

• Studierende als „Co-producer“ verantworten ihr

eigenes Lernen

• Gestalten von Lernumgebungen in Teams

In: Change, Vol. 27, No. 6 (Nov.-Dec., 1995, pp. 12-25.

www.jstor.org/stable/40165284. Stand : 1.11.2015)

Illustration by Walter Stanford

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Lehrentwicklung im System Hochschule:

Charakteristika der Organisation, Pellert 1999

Spezialisierung und Fragmentierung

Ungeliebte Verwaltung

Dominanz der Disziplin

Hohe individuelle Autonomie

Selbstkontrolle

Hochschulen als Expertenorganisationen, als „lose gekoppelte Systeme:“

Kooperation und Kommunikation auf allen Ebenen als Grundvoraussetzung

für Entwicklung

„Top-Down“ und „Bottum-Up“-Prozesse führen zur Zielerreichung

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

http://blog.hochschulentwicklung.ch/wp-content/uploads/sites/2/Brahm_Jenert_Euler_1.jpg (25.10.2016)

Das Modell der Pädagogischen Hochschulentwicklung,

Brahm/Jenert/Euler 2016

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Handlungsebenen im Kontext der Lehrentwicklung (Wildt 2006):

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Vergleich der an der Hochschule erworbenen Kenntnisse mit den Anforderungen

der Berufspraxis (Becker 2016)

Querschnittsthemen und Herausforderungen:

Perspektive Berufspraxis (1)

|

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Perspektive Berufspraxis (2):

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„Die Betreuungsverhältnisse im Ingenieurstudium haben sich in

den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert.

Dabei wird die Lehre zunehmend auf wissenschaftliche

Mitarbeiter/-innen und externe Lehrbeauftragte übertragen.“

(Stiftung Mercator, VDMA, VDI 2016)

Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

„Lernen prägt das neue Arbeiten und Arbeiten prägt das neue Lernen“

„In der Arbeitswelt 4.0 trifft höhere Eigenverantwortung auf neue

Formen der Kollektivarbeit“

überfachliche Kompetenzen gewinnen an Bedeutung,

„berufsorientierte und persönlichkeitsbildende Kompetenzen sollten in

der Auseinandersetzung mit fachlichen Inhalten erworben werden“…

Hochschulbildungsreport 2020 (Stifterverband und McKinsey 2016):

Perspektive Berufspraxis (3)

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Querschnittsthemen und Herausforderungen:

Perspektive Politik

Globaler Wettbewerb

technologischer Wandel

alternde Gesellschaft

z.T. schrumpfende Regionen bei gleichzeitiger Flüchtlingsmigration

Gesellschaftliche Herausforderungen (Klimawandel, Energieversorgung etc.)

Politische Ziele: Deckung des Fachkräftebedarfs,

steigende Bildungsbeteiligung, höhere Durchlässigkeit

(damit Zunahme der Heterogenität).

Studienerfolg wird zunehmend zum Erfolgskriterium für die Lehrleistung

(dabei sind die Parameter dafür noch nicht geklärt).

(Gleichzeitig stagnieren die Grundmittel bzw. werden oft nur befristet gewährt.)

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

1. Verzahnung von beruflicher Bildung, Weiterbildung und Hochschulbildung

2. Vernetzung unterschiedlicher Wissensquellen (Akzent in der Lehre auf „Wie?,“

Technologisierung und Digitalisierung: neue Lehr-/Lern-Formate, neue bzw.

andere Rolle von Lehrenden

3. Lokal, global und profiliert

4. Individualisierung und Kompetenzorientierung: Studierende als Ko-

KreatorInnen von Wissen, Fokus auf üfK für sich ändernde Arbeitswelt

5. Moderne Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden: kollaborative

Arbeitsformen wie forschendes Lernen, PBL, kritisch-reflexives Lernen

6. Reputation durch Lehre: Lehrkompetenz, Unterstützungsstrukturen, WB, ZV

7. LLL als Steuerungsimpuls für die Hochschule: LLL als Kultur, Aktivitäten, Anreize

Veränderungen des Lehrens und Lernens: die „LLL-Hochschule“

(Eva Cendon, Tag der Hochschuldidaktik, Friedberg, 30.3. 2017)

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

3. Kooperatives Lernen auf allen Ebenen : „must have“!

|

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Kooperatives Lernen…

… „Interaktionsform, bei der die beteiligten Personen gemeinsam und im wechselseitigen

Austausch Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben.

Im Idealfall sind alle Gruppenmitglieder gleichberechtigt am Lerngeschehen beteiligt und

tragen gemeinsam Verantwortung“.

(Konrad/Traub 2012)

Till Schürmann

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Merkmale und Voraussetzungen

für erfolgreiches Lernen sind dabei:

• Gemeinsame Verantwortung und gemeinsame Ziele

• Individuelle Verantwortlichkeit

• Gegenseitiges Erklären und Interaktion

• Austausch und Feedback („metakognitives Wissen“:

überwachen, kontrollieren, regulieren)

• Entwicklung und Nutzung kooperativer Fertigkeiten

• Reflexion der Gruppenprozesse

Till Schürmann

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

… erfordert Qualifikationen wie Kooperationsfähigkeit, Flexibilität, eigenverantwortliches

Handeln. Wissenserwerb und Kompetenzentwicklung erfolgen am besten in

Zusammenarbeit.

(Konrad/Traub 2012)

neue Anforderungen an Lehrende und Lernende

Lernen als Konstruktion von Wissen ist aktiv, konstruktiv, kumulativ und zielgerichtet.

Fehler sind erwünscht!

Kooperatives Lernen …

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017 32

Wichtig: eine gute Balance zwischen

Instruktion und Konstruktion

• authentische Situationen aus der eigenen Erlebniswelt der Studierenden

• Vermeidung trägen Wissens

• Aktives, problemlösendes Lernen

• Kooperative Lernmethoden (z.B. Projekt, Fallstudie, PBL)

• Lernende, die ihren eigenen Lernprozess steuern und kontrollieren

• Lehrende als Begleiter, „Ermöglicher“

= Situiertes Lernen (Tippelt 2006)

Kooperatives Lernen durch… Silke

Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Kooperatives Lernen im Hochschulkontext:

Hochschule als „Lernende Organisation“

• Change Management und Diversity Management als neue

Herausforderungen

• Hochschulentwicklung als ganzheitliche Aufgabe

• Hochschuldidaktik ist insofern wichtig

„als die Veränderung der Organisationsstrukturen in Lehre und Studium mit

den Anforderungen an lernförderliches Lehren neu durchdacht und gestaltet“

werden können (Wildt 2007).

• Schnittstellen insbesondere zur Organisations- und Personalentwicklung,

zum Qualitätsmanagement und zur Programmentwicklung

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Rolle und Selbstverständnis der Hochschuldidaktik:

Hochschuldidaktische Institutionsentwicklung (Wildt 2006)

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Entwicklungsoption (1): „Versäulung“

(Philipp Pohlenz, zum Tag der Hochschuldidaktik, Friedberg, 30.3.2017)

Welche Rolle spielt der Wissenschaftsbetrieb…?

Aktive Teilnahme an der Entwicklung von Verfahren, an der Forschung,

etc. oder passives beschult und beforscht werden…?

Lehrende Hochschul-

didaktik

QM Kontrolle

„Zwangsbeschulung“

Konkurrenz

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Entwicklungsoption (2): Better together! (Jack Johnson),

(Philipp Pohlenz, zum Tag der Hochschuldidaktik, Friedberg, 30.3.2017)

Lehrende Hochschul-didaktik

QM

Ermöglichung

Ermöglichung

Kooperation

Fachbezug, konkrete Entwicklungsanliegen unterstützen

Die richtigen Fragen stellen: Analysen zu Bedingungen des Lehrerfolgs

Gemeinsame Lehr-/Lernforschung, Einbezug des Wissenschaftsbetriebs

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Perspektive Qualitätsentwicklung

Qualitätsentwicklung als Lernprozess

Transparenz zum Lehren und Lernen

Evaluation als Rückkopplung und Reflexionsinstrument

Gemeinsame Qualitätsverantwortung und -kultur,

Kooperation als Leitmotiv

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Perspektive Organisationsentwicklung

Ziele der Organisation

Profilbildung und Leitbilder

Strategien zur Zielerreichung:

Zielvereinbarungen, Hochschulentwicklungsplanung

Instrumente und Strukturen, die Qualitätsentwicklung als Lernprozess

unterstützen

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Perspektive Personalentwicklung…

… „gehört zu den genuinen Aufgaben jedes Arbeitgebers. Für Hochschulen ist die

systematische Befassung mit diesem Thema (…) allerdings vergleichsweise neu.“

(WR 2016)

… „umfasst alle Prozesse und Aktivitäten einer Organisation zur Förderung und

Entwicklung ihres Mitarbeiterpotentials.

Neben Personalplanung, -gewinnung und –verwaltung ist dies der Kernbereich

des Personalmanagements.“

(Pellert 2001)

Handlungsfelder akademischer PE: Berücksichtigung einzelner

Rollenbestandteile von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern:

Lehren und Lernen, Führung, Karriere- und Organisationsentwicklung

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Zusammenhang von PE und Hochschuldidaktik

„PE und Hochschuldidaktik unterstützen die Verwirklichung der Ziele der

jeweiligen Organisation durch ihre Mitglieder, im hiesigen Kontext der

Lehrenden.

Die PE erfüllt den Anspruch einer umfassenden und auf die Belange der

einzelnen Akteure zugeschnittenen Strategie, wenn sie gleichzeitig immer auch

die persönlichen Ziele und Vorstellungen der Lehrenden im Blick hat.

Wir verstehen PE als eine Strategie, um das Potenzial aller Lehrenden

bezogen auf die Förderung der fachlichen, sozialen, persönlichen und

methodischen Kompetenzen permanent und systematisch zu entwickeln.

Sie umfasst die gesamte Spanne der beruflichen Tätigkeit von Lehrenden an

einer Hochschule vom Eintritt in die Organisation bis zum Ausscheiden.“

(Charta guter Lehre, Stifterverband 2013)

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

4. Das Praxisbeispiel THM

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

THM „auf einen Blick“

17.052 Studierende im Wintersemester 2016/17

3 große Studienorte: Gießen, Friedberg, Wetzlar

75 Studiengänge (42Ba/33Ma)

12 Fachbereiche

Fächerspektrum: vorrangig Ingenieurdisziplinen, Informatik, Naturwissenschaften und

Wirtschaft, seit 2015: Gesundheit

Mitgliedshochschule in der Allianz für den Mittelstand

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Inhaltliche Bausteine und Strukturen zur HD an der THM

1982 1999 2008 2002 2005 2007 2012 2009

Kooperations-vertrag

Hess. FHn

wiss. WB im TT FH GF

Einführung Coaching für

Lehrende

AG QLS

1. Pilotvorhaben: LernTeamCoaching

HDM Zertifikat

Integration E-Learning IWW

„Grundsätze für gute Lehre“

ZQE

HD-Wochen für Neu- berufene

2010

Studiengang Methoden und Didaktik

in Angewandten Wissenschaften

Einführung Studienbeiträge Qualitätspakt Lehre

1996

AGWW HDM

2004

Intern: hd aktuell

Tutorenqualifizierung

2015

ZekoLL

KiM „Klasse in der Masse“

Mentoring

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2017

MEDIAN_HE

Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Die „Arbeitsgemeinschaft Qualität in Lehre und Studium“ (AG QLS)

offenes, hochschulweites Netzwerk seit 2005

• Hochschulweite Veranstaltungen

• Koordinationsgruppe, Arbeit in Themen- und Aktionsgruppen

• Moodle-Kurs als Informations- und Kommunikationsplattform

• Projekte (bisher mehr als 100 Vorhaben)

• „Grundsätze für gute Lehre,“ Verankerung in der Grundordnung (2008)

• Beschluss zur Umsetzung eines „Aktionsplans“ (2009)

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Aktionsplan gute Lehre (Auszug)

• Fokus auf exzellente Lehre, z.B. in den Zielvereinbarungen, bei Berufungen

• Optimierung der räumlichen Studienbedingungen

• Personalentwicklung für Lehrende

• Flächendeckende Evaluation

• Forschung im Bereich Didaktik, Lehre, Qualität; Einrichtung von HD-

Professuren

• Tutorenqualifizierung

• Deputatsentlastung und Forschungssemester für Entwicklung und

Erprobung neuer Lehr-/Lernmodelle

• Ausbau der HD-Beratung und Strukturentwicklung IWW

• Lehrqualität im Berufungsprozess

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

• Verantwortungsübernahme durch Mitwirkung von Studierenden in der

Lehre, etwa durch Tutoring oder Mentoring

• Gemeinsame Weiterentwicklung von Lehre und Forschung

mit entsprechenden

Strukturen (ZekoLL-Werkstatt),

Formaten (z.B. forschendes Lernen, Lernen in Projekten),

(Begleit-)Forschung (zB. zu KiM in StuFHe) und

Settings (Aktionsforschung, Dialogische Evaluationen, AG QLS)

Was können wir tun, damit Studierende möglichst früh die

Verantwortung für ihr eigene Lernen wahrnehmen?

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Veränderung durch den „institutionellen Shift:“

• Hochschule als lernende Organisation

• Reflexion auf allen Ebenen, z.B. durch kollegialen Austausch und Vernetzung,

Forschung

• Qualitätsentwicklung als Lernprozess

• Lehrende als Lernende

• Hochschuldidaktik und Personalentwicklung als Partner der Lehrenden

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

1) Beratung zur Bestandsaufnahme

2) Didaktische Beratung und Unterstützung bei

der Umsetzung

3) Passgenaue Tutorenschulung

4) Evaluation in Abstimmung mit dem ZQE

Begleitforschung und eigene

Untersuchungen

5) Reflexionsschleife mit Lehrenden und

Tutor/-innen

6) Erstellung eines Posters und Beitrag auf der

VDI Tagung in Berlin 2015

Beispiel für ein

Lehrentwicklungsprojekt

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Professorinnen und Professoren:

HD-Wochen (Deputatsentlastung)

WB und Vernetzung intern, AGWW, HDM, Coaching,

E-Learning-Beratung

Lehrentwicklung: Lehr-/Lernwerkstatt,

Aktionsforschung

aufgabenbezogenes individuelles Coaching,

(z.B. im Dekanat, Schulung für Mentorinnen und Mentoren)

LfbA, Lehrbeauftragte, Wiss. MA und Laborbeschäftigte:

WB wie oben, auch zielgruppenspezifisch,

HD-Zertifikat des HDM,

ab WS 2017/18: Studiengang MEDIAN_HE als konsekutiver Master

Studierende: Module für Tutorenqualifizierung, Mentoring, …

Beispiele für akad. PE an der THM:

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|

Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

30% unserer Professorinnen und Professoren haben 2016 an einer

Weiterbildung teilgenommen

Von den seit 2002 berufenen Professorinnen und Professoren haben

nur 12 Personen die HD-Woche nicht besucht…

24 Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben den

Studiengang MEDIAN erfolgreich absolviert und sind in den 5

hessischen HAW tätig

Pro Semester werden (gefördert im Qualitätspakt Lehre) ca. 110

Tutorinnen und Tutoren an der THM qualifiziert und in die Lehre

eingebunden.

Alle Angebote sind freiwillig und für die Teilnehmenden kostenfrei.

Stand der Dinge:

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

5. Fazit (Hochschulebene)

• Das Praxisbeispiel THM zeigt den Weg zu einer lernenden Organisation im

Sinne eines „institutionellen Shift from Teaching to Learning“

• Es gibt keine Rezepte „von der Stange“, wir müssen Neues erproben, Fehler

zulassen, gemeinsam reflektieren…

• Veränderungen in Hochschulen sind Daueraufgabe. Sie erfordern eine

konsistente Hochschulentwicklung bezogen auf Strategiebildung,

Organisations- und Personalentwicklung, Management.

• Kooperation und Lernen auf allen Ebenen und mit allen beteiligten Akteuren

ist Grundvoraussetzung für Entwicklung.

• Im System Hochschule braucht es mit Blick auf LLL vielfältige,

bedarfsorientierte Formate und Settings.

• Die Einbindung von Forschungsergebnissen, z.B. über prozessbegleitende

Aktionsforschung, gewinnt an Bedeutung, auch und gerade im FH-Kontext.

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

5. Fazit (Hochschuldidaktik)

• unterschiedliche Rollen als

Impulsgeberin bzw. „Motor“, Change Agent,

Moderatorin, Coach und Reflexionspartnerin, Forscherin

• Das Selbstverständnis ist entsprechend ein

ermöglichendes, systematisch kooperatives

Die Hochschuldidaktik trägt aktiv und nachhaltig zur Hochschulentwicklung bei.

Sie nimmt eine zentrale und integrierende Rolle zwischen den unterschiedlichen

Struktureinheiten und allen am Lehr-/Lerngeschehen beteiligten Akteuren im

Sinne eines systemischen Ansatzes ein.

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Ausblick: Perspektiven für die Lehre und das Lernen an HAW:

Lehrentwicklung braucht als hochschulweite Aufgabe neben einer

entsprechenden Grundfinanzierung auch weitere Professionalisierung und

Unterstützungsstrukturen (Daueraufgaben im Third Space) sowie politische

Signale (z.B. Zielvereinbarungen, Qualitätspakt Lehre, HRK Nexus:

Lehrverfassungen, PE-Papier WR, Positionspapier vom 2.5.2017),

Programme wie der Q-Pakt und Initiativen wie die von Stifterverband und

Bündnis Lehren bewegen viel und bleiben wichtig

Lehre hat in der Wissenschaft (noch) nicht den gleichen Stellenwert wie

Forschung, es braucht daher Anreize für die Lehrentwicklung auf allen

Ebenen:

Dank an den Wissenschaftsrat für das Positionspapier vom 2.5.2017!

Strategie + Struktur + Kultur des „Ermöglichens“ als zentrale

Anforderungen an die Hochschulentwicklung

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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Kontakt

Prof. Silke Bock Fachbereich Management und Kommunikation/

ZekoLL Technische Hochschule Mittelhessen (THM)

University of Applied Sciences

Wiesenstr. 14

35390 Gießen

Besucheradresse:

Campus Gießen | Eichgärtenallee 6 | Gebäude C50 | Raum 0.07

Tel +49 641 309-4070

[email protected]

Gemeinsames Bund-

Länder-Programm für

bessere Studien-

bedingungen und

mehr Qualität in der

Lehre,

Förderkennzeichen

01PL17034

55

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017

Quellen (1)

56

Barr, R. B. und Tagg, J.: „From Teaching to Learning: A New Paradigm for Undergraduate Education“. In: Change, Vol. 27, No.6 (1995),

S.12ff., Taylor Francis Ltd. URL: http.//www.jstor.org./stable/40165284. Stand 1.11.15

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