konferenz zur qualität der lehre 2017 fachhochschule kiel · projektlernen, fallstudien,...
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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017
Konferenz zur Qualität
der Lehre 2017
FACHHOCHSCHULE
KIEL
Besonderheiten und Merkmale
des Lehrens und Lernens in
angewandten Wissenschaften
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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017
Aufbau
1. Lehren und Lernen in HAW
Merkmale | Besonderheiten | Herausforderungen
2. Gemeinsame Aufgabe: Lehre und Lernen entwickeln
Bologna und Shift from Teaching to Learning | Lehrentwicklung im System
Hochschule | Querschnittsthemen und Herausforderungen
3. Kooperatives Lernen auf allen Ebenen: Ein „must have!“
Konzeptionelle Ansätze | Rolle und Selbstverständnis der Hochschuldidaktik
4. Praxisbeispiel THM
Entwicklung | AGQLS | Aktionsplan | Strukturen | Ergebnisse
5. Fazit und Ausblick
Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017 2
Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017
Was unterscheidet Unis und FHs?
Süddeutsche Zeitung, 14.3.2017:
„Im Zuge der Bologna-Reform bilden auch die Unis berufsbezogener aus. Und
einige Fachhochschulen machen sich mit anwendungsorientierter Forschung
einen Namen.“
Dennoch:
„Studiengänge an Fachhochschulen sind in der Regel immer noch
praxisorientierter“… „An den FHs findet ein stärker seminaristischer Unterricht
statt“ (H. Reuke, ZeVa)
Und:
„Grundlagenforschung können wir den Studenten nicht bieten, dafür kommen
sie bei uns so früh wie möglich mit der Praxis in Verbindung.“
(K. Jeorgakopulos, HAW Hamburg)
„Wer geistes- oder sprachwissenschaftliche Angebote sucht, wird immer noch
eher an den Universitäten fündig.“
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Merkmale: Perspektive des Wissenschaftsrats
„Die Kernaufgabe der Fachhochschulen liegt in der wissenschaftlichen und
praxisorientierten Fachkräfteausbildung.
Indem sie eine wachsende und zunehmend heterogene Gruppe von
Studierenden auf wissenschaftlicher Basis anwendungsorientiert aus- und
weiterbilden, übernehmen sie wesentliche Aufgaben im Bildungs-,
Wissenschafts- und Innovationssystem.“
Differenzierung unter den Hochschulen, zugleich
zunehmende Binnendifferenzierung der Institutionen
Primat der Lehre: Der Wissenschaft spricht vom „Hochschultyp mit dem
Schwerpunkt auf praxisorientierter, professoraler Lehre“ (WR 2016, 6f) und
dem Merkmal des Unterrichts in Kleingruppen.
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Merkmale der Ausdifferenzierung von Hochschulen
(Niederdrenk 2013)
Betriebsgröße (im Schnitt 5.000 an HAW, 15.500 an Unis)
Fächerspektrum (HAW: BWL, Ing.wiss., Sozialwesen in der Regel überall vertreten,
= ca. 4/5 aller Studierenden)
Lehr-/Lernkonzepte
Drittmittel (Ø 2007 HAW: 17.200 €/Jahr/Prof., Unis: 169.400 €/Jahr/Prof., WR 2010)
regionaler Kontext (z.B. TH Mittelhessen)
strategischer Ausrichtung (z.B. UAS7, HAWtech) und
Schwerpunktsetzung (z.B. Hochschule für Gesundheit, Bochum)
je nach Bundesland unterschiedliche Rahmenbedingungen und Ausstattung
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Grundsätzliche Unterschiede Uni-FH:
Lehrdeputat
Besoldung
Personalstruktur (v.a. Mittelbau)
Fächerspektrum
Promotionsrecht
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Unterschiede hinsichtlich der Studierenden an Unis und HAW:
Stärker gewachsene Anzahl der Studienanfängerinnen und –anfänger,
Steigender FH-Anteil an den Studierenden 30% (24% in 1999),
Steigender FH-Anteil an Absolventinnen und Absolventen 32% (27% in
1999)
Unterschiede u.a. bezogen auf soziale Herkunft, schulische oder berufliche
Vorbildung, regionale Mobilität
50% an HAW und 97% an Unis hatten 2007/08 allg. HS-Reife
45% an HAW und 11% hatten 2007/2008 Berufsausbildung (WR 2010)
Übergang in die Berufstätigkeit an FH deutlich schneller,
Verdienst nach 5 Jahren Ø 43.000 € an FH, 42.300 € an Unis
(WR 2010)
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Entwicklung des Studienangebots:
Gesamtangebot an Studiengängen im Sommersemester 2010 zu 76,6% Unis
Fachhochschulen: 2.335 Bachelor- und 1.374 Masterstudiengänge, darunter
251 weiterbildend
2009 waren 328 Studiengänge an Fachhochschulen duale Angebote.
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Ausstattungsmerkmale:
Personalstruktur:
2005: Professorinnen und Professoren 76% des hauptberufl. wiss. Personals
2014: 56% (15.987)
Wiss. und künstlerische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 2014: 10.542
Betreuungsrelation: 2005/06 1:39 an FH, 1:60 an Unis (WR 2008)
2014 1:45 (WR 2016)
Grundmittel: Steigerung um 7% von 2005-2013 (232 Tsd. €)
Drittmittel: mehr als verdoppelt seit 2005 auf 32 Tsd. €
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Neue Aufgaben der HAW (WR 2016):
Akademisierung neuer Berufsbilder
Entwicklung neuer, eng mit der beruflichen Praxis verbundener
Ausbildungsangebote (z.B. duales Studium)
Flexible Studienmodelle, Vereinbarkeit mit Familie und Beruf
Wissenschaftliche Weiterbildung
Service Learning
Forschung, Entwicklung
Wissenstransfer
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Besondere Herausforderungen an HAW (1)
Betreuungsrelation:
kleine Gruppen mit professoraler Lehre und
intensiver Betreuung sind kaum zu gewährleisten.
Lehraufträge nur begrenzt einsetzbar
Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbA, oft befristet und aus Drittmitteln)
Wiss. MA im Vergleich zu Unis: weniger eigenständige Lehraufgaben,
betreuen wiss. Labore und Infrastruktur, leiten Studierende an, vermitteln
Praktika, Einbindung in Koordination und Qualitätssicherung von
Studiengängen, Service Learning
Zunehmend hybride Stellenprofile,
veränderte Personalstruktur erfordert aktive
Personalentwicklung und zukunftsorientierte Konzepte
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Besondere Herausforderungen der HAW (2):
Gewachsenes Aufgabenspektrum
Besetzung der Professuren
Weiterentwicklung der aufgrund von Drittmitteln gewachsenen Gruppe des
wissenschaftlichen Personals ohne Professur
„Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur
Personalgewinnung und -entwicklung an
Fachhochschulen“, Herbst 2016
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Besonderheiten des Lehrens und Lernens an HAW:
Kooperative Lehrformate und –methoden mit hohem Berufs- und
Anwendungsbezug, Betonung des aktiven, selbstgesteuerten Lernens im
Vordergrund:
Projektlernen, Fallstudien, Simulationen, forschendes Lernen, PBL,
Laborarbeit und Praxisphasen im Studium
Mediengestütztes und selbstgesteuertes Lernen und LLL immer wichtiger
(und damit auch die entsprechende Infrastruktur an den HAW).
Lehrende benötigen hierfür individuelle Unterstützung.
Die Hochschuldidaktik hat dabei eine besondere Rolle und vielfältige Aufgaben
„zwischen Service, Entwicklung und eigener Forschung,
zwischen mikro-, meso- und makrodidaktischen Fragen und
auf unterschiedlichen Ebenen.“ (Cendon 2016)
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Chance: neue Impulse durch Weiterentwicklung der
Personalstruktur und aktive Personalentwicklung
Stellenwert der Hochschuldidaktik an HAW
Vorschläge des Wissenschaftsrats 2016: Kooperation, Flexibilisierung des
Deputats, Stärkung eines akademischen Mittelbaus
Unterstützung für die Professorinnen und Professoren durch Ausbau eines
„Mittelbaus Lehre“ an HAW:
professionalisiertes Personal in Daueraufgaben, etwa für Betreuung und
Beratung der Studierenden im Laborkontext als Beitrag zum nachhaltigen
Lernen der Studierenden
Beispiel: Masterstudiengang „Methoden und Didaktik in angewandten
Wissenschaften – Higher Education (MEDIAN_HE) an der THM
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Risiken bezogen auf die Lehre an HAW:
Zunehmende Forschungsorientierung, Drittmittelfinanzierung, immer neue
Aufgaben, hohe Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt für Fachkräfte
gefährden den Stellenwert von Lehre und Berufspraxis an HAW.
Hier ist u.a. das Berufungsmanagement gefordert.
Bei zu geringer Grundausstattung: Gefahr der Zusammenlegung von
Lehrveranstaltungen zu größeren Einheiten,
Verschiebung der Anteile von Vorlesungen und seminarist. Unterricht in den
Curricula, Reduktion der Lernzeit im Labor.
Der für die HAW typische Unterricht ist zu erhalten.
Aktivierende und kompetenzorientierte Lehrformate und Heterogenität der
Studierenden erfordern mehr und professionelles Lehrpersonal für eine
individuellere Betreuung der Studierenden.
Dies braucht Zeit und ist gemeinsame Verantwortung aller.
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Bologna-Prozess:
Schaffung eines Europäischen Hochschulraums…
… unter anderem durch
• Beschäftigungsfähigkeit (Employability)
• gesellschaftliche Teilhabe, Citizenship und
Persönlichkeitsentwicklung
• Outputorientierung: Learning Outcomes als
„beabsichtigte Lernergebnisse“
• Studentische Mitwirkung auf allen Ebenen
• Lebenslanges Lernen
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„Shift From Teaching to Learning”
Robert B. Barr and John Tagg:
Perspektivwechsel vom Lehren zum Lernen
• Lehrende als Verantwortliche für das Lernen der
Studierenden
• Studierende als „Co-producer“ verantworten ihr
eigenes Lernen
• Gestalten von Lernumgebungen in Teams
In: Change, Vol. 27, No. 6 (Nov.-Dec., 1995, pp. 12-25.
www.jstor.org/stable/40165284. Stand : 1.11.2015)
Illustration by Walter Stanford
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Lehrentwicklung im System Hochschule:
Charakteristika der Organisation, Pellert 1999
Spezialisierung und Fragmentierung
Ungeliebte Verwaltung
Dominanz der Disziplin
Hohe individuelle Autonomie
Selbstkontrolle
Hochschulen als Expertenorganisationen, als „lose gekoppelte Systeme:“
Kooperation und Kommunikation auf allen Ebenen als Grundvoraussetzung
für Entwicklung
„Top-Down“ und „Bottum-Up“-Prozesse führen zur Zielerreichung
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http://blog.hochschulentwicklung.ch/wp-content/uploads/sites/2/Brahm_Jenert_Euler_1.jpg (25.10.2016)
Das Modell der Pädagogischen Hochschulentwicklung,
Brahm/Jenert/Euler 2016
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Handlungsebenen im Kontext der Lehrentwicklung (Wildt 2006):
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Vergleich der an der Hochschule erworbenen Kenntnisse mit den Anforderungen
der Berufspraxis (Becker 2016)
Querschnittsthemen und Herausforderungen:
Perspektive Berufspraxis (1)
|
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Perspektive Berufspraxis (2):
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„Die Betreuungsverhältnisse im Ingenieurstudium haben sich in
den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert.
Dabei wird die Lehre zunehmend auf wissenschaftliche
Mitarbeiter/-innen und externe Lehrbeauftragte übertragen.“
(Stiftung Mercator, VDMA, VDI 2016)
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„Lernen prägt das neue Arbeiten und Arbeiten prägt das neue Lernen“
„In der Arbeitswelt 4.0 trifft höhere Eigenverantwortung auf neue
Formen der Kollektivarbeit“
überfachliche Kompetenzen gewinnen an Bedeutung,
„berufsorientierte und persönlichkeitsbildende Kompetenzen sollten in
der Auseinandersetzung mit fachlichen Inhalten erworben werden“…
Hochschulbildungsreport 2020 (Stifterverband und McKinsey 2016):
Perspektive Berufspraxis (3)
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Querschnittsthemen und Herausforderungen:
Perspektive Politik
Globaler Wettbewerb
technologischer Wandel
alternde Gesellschaft
z.T. schrumpfende Regionen bei gleichzeitiger Flüchtlingsmigration
Gesellschaftliche Herausforderungen (Klimawandel, Energieversorgung etc.)
Politische Ziele: Deckung des Fachkräftebedarfs,
steigende Bildungsbeteiligung, höhere Durchlässigkeit
(damit Zunahme der Heterogenität).
Studienerfolg wird zunehmend zum Erfolgskriterium für die Lehrleistung
(dabei sind die Parameter dafür noch nicht geklärt).
(Gleichzeitig stagnieren die Grundmittel bzw. werden oft nur befristet gewährt.)
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1. Verzahnung von beruflicher Bildung, Weiterbildung und Hochschulbildung
2. Vernetzung unterschiedlicher Wissensquellen (Akzent in der Lehre auf „Wie?,“
Technologisierung und Digitalisierung: neue Lehr-/Lern-Formate, neue bzw.
andere Rolle von Lehrenden
3. Lokal, global und profiliert
4. Individualisierung und Kompetenzorientierung: Studierende als Ko-
KreatorInnen von Wissen, Fokus auf üfK für sich ändernde Arbeitswelt
5. Moderne Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden: kollaborative
Arbeitsformen wie forschendes Lernen, PBL, kritisch-reflexives Lernen
6. Reputation durch Lehre: Lehrkompetenz, Unterstützungsstrukturen, WB, ZV
7. LLL als Steuerungsimpuls für die Hochschule: LLL als Kultur, Aktivitäten, Anreize
Veränderungen des Lehrens und Lernens: die „LLL-Hochschule“
(Eva Cendon, Tag der Hochschuldidaktik, Friedberg, 30.3. 2017)
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Kooperatives Lernen…
… „Interaktionsform, bei der die beteiligten Personen gemeinsam und im wechselseitigen
Austausch Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben.
Im Idealfall sind alle Gruppenmitglieder gleichberechtigt am Lerngeschehen beteiligt und
tragen gemeinsam Verantwortung“.
(Konrad/Traub 2012)
Till Schürmann
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Merkmale und Voraussetzungen
für erfolgreiches Lernen sind dabei:
• Gemeinsame Verantwortung und gemeinsame Ziele
• Individuelle Verantwortlichkeit
• Gegenseitiges Erklären und Interaktion
• Austausch und Feedback („metakognitives Wissen“:
überwachen, kontrollieren, regulieren)
• Entwicklung und Nutzung kooperativer Fertigkeiten
• Reflexion der Gruppenprozesse
Till Schürmann
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… erfordert Qualifikationen wie Kooperationsfähigkeit, Flexibilität, eigenverantwortliches
Handeln. Wissenserwerb und Kompetenzentwicklung erfolgen am besten in
Zusammenarbeit.
(Konrad/Traub 2012)
neue Anforderungen an Lehrende und Lernende
Lernen als Konstruktion von Wissen ist aktiv, konstruktiv, kumulativ und zielgerichtet.
Fehler sind erwünscht!
Kooperatives Lernen …
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Wichtig: eine gute Balance zwischen
Instruktion und Konstruktion
• authentische Situationen aus der eigenen Erlebniswelt der Studierenden
• Vermeidung trägen Wissens
• Aktives, problemlösendes Lernen
• Kooperative Lernmethoden (z.B. Projekt, Fallstudie, PBL)
• Lernende, die ihren eigenen Lernprozess steuern und kontrollieren
• Lehrende als Begleiter, „Ermöglicher“
= Situiertes Lernen (Tippelt 2006)
Kooperatives Lernen durch… Silke
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Kooperatives Lernen im Hochschulkontext:
Hochschule als „Lernende Organisation“
• Change Management und Diversity Management als neue
Herausforderungen
• Hochschulentwicklung als ganzheitliche Aufgabe
• Hochschuldidaktik ist insofern wichtig
„als die Veränderung der Organisationsstrukturen in Lehre und Studium mit
den Anforderungen an lernförderliches Lehren neu durchdacht und gestaltet“
werden können (Wildt 2007).
• Schnittstellen insbesondere zur Organisations- und Personalentwicklung,
zum Qualitätsmanagement und zur Programmentwicklung
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Rolle und Selbstverständnis der Hochschuldidaktik:
Hochschuldidaktische Institutionsentwicklung (Wildt 2006)
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Entwicklungsoption (1): „Versäulung“
(Philipp Pohlenz, zum Tag der Hochschuldidaktik, Friedberg, 30.3.2017)
Welche Rolle spielt der Wissenschaftsbetrieb…?
Aktive Teilnahme an der Entwicklung von Verfahren, an der Forschung,
etc. oder passives beschult und beforscht werden…?
Lehrende Hochschul-
didaktik
QM Kontrolle
„Zwangsbeschulung“
Konkurrenz
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Entwicklungsoption (2): Better together! (Jack Johnson),
(Philipp Pohlenz, zum Tag der Hochschuldidaktik, Friedberg, 30.3.2017)
Lehrende Hochschul-didaktik
QM
Ermöglichung
Ermöglichung
Kooperation
Fachbezug, konkrete Entwicklungsanliegen unterstützen
Die richtigen Fragen stellen: Analysen zu Bedingungen des Lehrerfolgs
Gemeinsame Lehr-/Lernforschung, Einbezug des Wissenschaftsbetriebs
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Perspektive Qualitätsentwicklung
Qualitätsentwicklung als Lernprozess
Transparenz zum Lehren und Lernen
Evaluation als Rückkopplung und Reflexionsinstrument
Gemeinsame Qualitätsverantwortung und -kultur,
Kooperation als Leitmotiv
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Perspektive Organisationsentwicklung
Ziele der Organisation
Profilbildung und Leitbilder
Strategien zur Zielerreichung:
Zielvereinbarungen, Hochschulentwicklungsplanung
Instrumente und Strukturen, die Qualitätsentwicklung als Lernprozess
unterstützen
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Perspektive Personalentwicklung…
… „gehört zu den genuinen Aufgaben jedes Arbeitgebers. Für Hochschulen ist die
systematische Befassung mit diesem Thema (…) allerdings vergleichsweise neu.“
(WR 2016)
… „umfasst alle Prozesse und Aktivitäten einer Organisation zur Förderung und
Entwicklung ihres Mitarbeiterpotentials.
Neben Personalplanung, -gewinnung und –verwaltung ist dies der Kernbereich
des Personalmanagements.“
(Pellert 2001)
Handlungsfelder akademischer PE: Berücksichtigung einzelner
Rollenbestandteile von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern:
Lehren und Lernen, Führung, Karriere- und Organisationsentwicklung
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Zusammenhang von PE und Hochschuldidaktik
„PE und Hochschuldidaktik unterstützen die Verwirklichung der Ziele der
jeweiligen Organisation durch ihre Mitglieder, im hiesigen Kontext der
Lehrenden.
Die PE erfüllt den Anspruch einer umfassenden und auf die Belange der
einzelnen Akteure zugeschnittenen Strategie, wenn sie gleichzeitig immer auch
die persönlichen Ziele und Vorstellungen der Lehrenden im Blick hat.
Wir verstehen PE als eine Strategie, um das Potenzial aller Lehrenden
bezogen auf die Förderung der fachlichen, sozialen, persönlichen und
methodischen Kompetenzen permanent und systematisch zu entwickeln.
Sie umfasst die gesamte Spanne der beruflichen Tätigkeit von Lehrenden an
einer Hochschule vom Eintritt in die Organisation bis zum Ausscheiden.“
(Charta guter Lehre, Stifterverband 2013)
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THM „auf einen Blick“
17.052 Studierende im Wintersemester 2016/17
3 große Studienorte: Gießen, Friedberg, Wetzlar
75 Studiengänge (42Ba/33Ma)
12 Fachbereiche
Fächerspektrum: vorrangig Ingenieurdisziplinen, Informatik, Naturwissenschaften und
Wirtschaft, seit 2015: Gesundheit
Mitgliedshochschule in der Allianz für den Mittelstand
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Inhaltliche Bausteine und Strukturen zur HD an der THM
1982 1999 2008 2002 2005 2007 2012 2009
Kooperations-vertrag
Hess. FHn
wiss. WB im TT FH GF
Einführung Coaching für
Lehrende
AG QLS
1. Pilotvorhaben: LernTeamCoaching
HDM Zertifikat
Integration E-Learning IWW
„Grundsätze für gute Lehre“
ZQE
HD-Wochen für Neu- berufene
2010
Studiengang Methoden und Didaktik
in Angewandten Wissenschaften
Einführung Studienbeiträge Qualitätspakt Lehre
1996
AGWW HDM
2004
Intern: hd aktuell
Tutorenqualifizierung
2015
ZekoLL
KiM „Klasse in der Masse“
Mentoring
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2017
MEDIAN_HE
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Die „Arbeitsgemeinschaft Qualität in Lehre und Studium“ (AG QLS)
offenes, hochschulweites Netzwerk seit 2005
• Hochschulweite Veranstaltungen
• Koordinationsgruppe, Arbeit in Themen- und Aktionsgruppen
• Moodle-Kurs als Informations- und Kommunikationsplattform
• Projekte (bisher mehr als 100 Vorhaben)
• „Grundsätze für gute Lehre,“ Verankerung in der Grundordnung (2008)
• Beschluss zur Umsetzung eines „Aktionsplans“ (2009)
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Aktionsplan gute Lehre (Auszug)
• Fokus auf exzellente Lehre, z.B. in den Zielvereinbarungen, bei Berufungen
• Optimierung der räumlichen Studienbedingungen
• Personalentwicklung für Lehrende
• Flächendeckende Evaluation
• Forschung im Bereich Didaktik, Lehre, Qualität; Einrichtung von HD-
Professuren
• Tutorenqualifizierung
• Deputatsentlastung und Forschungssemester für Entwicklung und
Erprobung neuer Lehr-/Lernmodelle
• Ausbau der HD-Beratung und Strukturentwicklung IWW
• Lehrqualität im Berufungsprozess
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• Verantwortungsübernahme durch Mitwirkung von Studierenden in der
Lehre, etwa durch Tutoring oder Mentoring
• Gemeinsame Weiterentwicklung von Lehre und Forschung
mit entsprechenden
Strukturen (ZekoLL-Werkstatt),
Formaten (z.B. forschendes Lernen, Lernen in Projekten),
(Begleit-)Forschung (zB. zu KiM in StuFHe) und
Settings (Aktionsforschung, Dialogische Evaluationen, AG QLS)
Was können wir tun, damit Studierende möglichst früh die
Verantwortung für ihr eigene Lernen wahrnehmen?
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Veränderung durch den „institutionellen Shift:“
• Hochschule als lernende Organisation
• Reflexion auf allen Ebenen, z.B. durch kollegialen Austausch und Vernetzung,
Forschung
• Qualitätsentwicklung als Lernprozess
• Lehrende als Lernende
• Hochschuldidaktik und Personalentwicklung als Partner der Lehrenden
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1) Beratung zur Bestandsaufnahme
2) Didaktische Beratung und Unterstützung bei
der Umsetzung
3) Passgenaue Tutorenschulung
4) Evaluation in Abstimmung mit dem ZQE
Begleitforschung und eigene
Untersuchungen
5) Reflexionsschleife mit Lehrenden und
Tutor/-innen
6) Erstellung eines Posters und Beitrag auf der
VDI Tagung in Berlin 2015
Beispiel für ein
Lehrentwicklungsprojekt
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Professorinnen und Professoren:
HD-Wochen (Deputatsentlastung)
WB und Vernetzung intern, AGWW, HDM, Coaching,
E-Learning-Beratung
Lehrentwicklung: Lehr-/Lernwerkstatt,
Aktionsforschung
aufgabenbezogenes individuelles Coaching,
(z.B. im Dekanat, Schulung für Mentorinnen und Mentoren)
LfbA, Lehrbeauftragte, Wiss. MA und Laborbeschäftigte:
WB wie oben, auch zielgruppenspezifisch,
HD-Zertifikat des HDM,
ab WS 2017/18: Studiengang MEDIAN_HE als konsekutiver Master
Studierende: Module für Tutorenqualifizierung, Mentoring, …
Beispiele für akad. PE an der THM:
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30% unserer Professorinnen und Professoren haben 2016 an einer
Weiterbildung teilgenommen
Von den seit 2002 berufenen Professorinnen und Professoren haben
nur 12 Personen die HD-Woche nicht besucht…
24 Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben den
Studiengang MEDIAN erfolgreich absolviert und sind in den 5
hessischen HAW tätig
Pro Semester werden (gefördert im Qualitätspakt Lehre) ca. 110
Tutorinnen und Tutoren an der THM qualifiziert und in die Lehre
eingebunden.
Alle Angebote sind freiwillig und für die Teilnehmenden kostenfrei.
Stand der Dinge:
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5. Fazit (Hochschulebene)
• Das Praxisbeispiel THM zeigt den Weg zu einer lernenden Organisation im
Sinne eines „institutionellen Shift from Teaching to Learning“
• Es gibt keine Rezepte „von der Stange“, wir müssen Neues erproben, Fehler
zulassen, gemeinsam reflektieren…
• Veränderungen in Hochschulen sind Daueraufgabe. Sie erfordern eine
konsistente Hochschulentwicklung bezogen auf Strategiebildung,
Organisations- und Personalentwicklung, Management.
• Kooperation und Lernen auf allen Ebenen und mit allen beteiligten Akteuren
ist Grundvoraussetzung für Entwicklung.
• Im System Hochschule braucht es mit Blick auf LLL vielfältige,
bedarfsorientierte Formate und Settings.
• Die Einbindung von Forschungsergebnissen, z.B. über prozessbegleitende
Aktionsforschung, gewinnt an Bedeutung, auch und gerade im FH-Kontext.
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5. Fazit (Hochschuldidaktik)
• unterschiedliche Rollen als
Impulsgeberin bzw. „Motor“, Change Agent,
Moderatorin, Coach und Reflexionspartnerin, Forscherin
• Das Selbstverständnis ist entsprechend ein
ermöglichendes, systematisch kooperatives
Die Hochschuldidaktik trägt aktiv und nachhaltig zur Hochschulentwicklung bei.
Sie nimmt eine zentrale und integrierende Rolle zwischen den unterschiedlichen
Struktureinheiten und allen am Lehr-/Lerngeschehen beteiligten Akteuren im
Sinne eines systemischen Ansatzes ein.
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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017
Ausblick: Perspektiven für die Lehre und das Lernen an HAW:
Lehrentwicklung braucht als hochschulweite Aufgabe neben einer
entsprechenden Grundfinanzierung auch weitere Professionalisierung und
Unterstützungsstrukturen (Daueraufgaben im Third Space) sowie politische
Signale (z.B. Zielvereinbarungen, Qualitätspakt Lehre, HRK Nexus:
Lehrverfassungen, PE-Papier WR, Positionspapier vom 2.5.2017),
Programme wie der Q-Pakt und Initiativen wie die von Stifterverband und
Bündnis Lehren bewegen viel und bleiben wichtig
Lehre hat in der Wissenschaft (noch) nicht den gleichen Stellenwert wie
Forschung, es braucht daher Anreize für die Lehrentwicklung auf allen
Ebenen:
Dank an den Wissenschaftsrat für das Positionspapier vom 2.5.2017!
Strategie + Struktur + Kultur des „Ermöglichens“ als zentrale
Anforderungen an die Hochschulentwicklung
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Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017
Kontakt
Prof. Silke Bock Fachbereich Management und Kommunikation/
ZekoLL Technische Hochschule Mittelhessen (THM)
University of Applied Sciences
Wiesenstr. 14
35390 Gießen
Besucheradresse:
Campus Gießen | Eichgärtenallee 6 | Gebäude C50 | Raum 0.07
Tel +49 641 309-4070
Gemeinsames Bund-
Länder-Programm für
bessere Studien-
bedingungen und
mehr Qualität in der
Lehre,
Förderkennzeichen
01PL17034
55
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Prof. Silke Bock | FH Kiel, 5.5.2017
Quellen (1)
56
Barr, R. B. und Tagg, J.: „From Teaching to Learning: A New Paradigm for Undergraduate Education“. In: Change, Vol. 27, No.6 (1995),
S.12ff., Taylor Francis Ltd. URL: http.//www.jstor.org./stable/40165284. Stand 1.11.15
Becker, F. S.: „Herausforderungen für Elektroingenieure/innen. ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (Hg.),
Frankfurt, September 2016 (3. Auflage)
Biggs J.: Constructive Alignment: http://www.johnbiggs.com.au/academic/constructive-alignment/. Stand 1.11.15
Brahm, T.; Jenert, T.; Euler, D. (Hrsg.): Pädagogische Hochschulentwicklung. Von der Programmatik zur Implementierung. Springer
Fachmedien Wiesbaden (2016) http://blog.hochschulentwicklung.ch/wp-content/uploads/sites/2/Brahm_Jenert_Euler_1.jpgg (25.10.2016)
Cendon, E.; Mörth, A.; Pellert, A. (Hrsg.): Theorie und Praxis verzahnen. Lebenslanges Lernen an Hochschulen. Ergebnisse der
wissenschaftlichen Begleitung des Bund-Länder-Wettbewerbs „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“, Bd. 3 Münster 2016
Jorzik, Bettina; Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. (Hg.): Charta guter Lehre. Grundsätze und Leitlinien für eine bessere
Lehrkultur. Essen 2013
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