klinische erfahrungen mit dem herzmittel folinerin aus folia nerii oleandri

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564 KLINISCHE WOCHENSCHRIFT. 14. JAHRGANG. Nr. 16 20. APRIL 1935 es bet der Kumulation des Digitoxiiis zu ether Addition funk- tioneller Schiidigungen des Herzens kommt. BOCHNER stellte test, dab diesen funktionellen Vergnderungen auch morpho- logische Sch~digungen des Herzmuskels entsprechen, wobei sogar Nekroseherde auftreten. Eineii gewissen Anhalt Ifir das Kumulationsverm6gen yon Digitalisstoffen liefert ihre Auswaschbarkeit am isolierten Herzen. Der durch Folinerin hervorgerufene • Stillstand des isolierteii Frosch- herzens ist nun durch Auswaschen zu beheben. Zwar gelingt dies niche sofort, abet doch wesentlich leichter, als bet einem dutch Digitoxin verursachten Stillstand. Bei Kumuladons- versuchen an Katzen erhielten die Tiere intraven6s eine Vordosis yon 36,5% der obengenannteii Katzeiieinheit. Die Tiere erholten sich sehon am folgenden Tage yon der zun~ichst eingetretenen Vergiftuflg. Eine daraufhin vor- genommene intraven6se Infusion yon Folinerin zeigte aber, dab noch eine starke Nachwirkung vorhaiiden war. Die dabei zum Tode fiihrenden Mengen wareii erheblieh ldeiiier als die Katzeneinheit. Vgfirde man in der frflher flblichen VCeise die I(umulation als AnhXufung wirksamer Substanz im Herzen auffassen, so wflrde sieh rechnerisch einen Tag nach der Vor- dosis ein Rest voi1 33,5 % der Katzeneinheit im Herzen er- geben, nach 3 Tagen yon 31% und nach 5 Tageii noch yon 19 %. Diese ZaMen sind der Ausdruck einer relativ starken Nachwirkung, die abet nicht so bedenMich ist, Me beim Digitoxin. BAUER und FROMHERZ fanden in Versuchen mit letzterem Glykosid nach ether Vordosis yon 35 % der Katzen- einheit, dab innerhalb yon 3 Tagen 2o% der Tiere infolge der Herzsch~idigung zugrunde gingen, his zum I2. Tage so- gar 8o %. Wir habeii dagegen beim Folinerin nach eiiier Vor- dosis yon 36,5% der Katzeneinheif keine Sp~ittodesfNle gesehen. HEUBNER und v. IN~YARY haben kfirzlich versucht, zu einem zahtenm~Bigen Ausdruck des Begriffs ,,Kumulafion" zu kommen. Sie bestimmten an Rat~en bei wechselnder Ge- schwindigkeit der intraven6sen Infusion die t6dlicheii Dosen verschiedener Digitalisstoffe. Dabei fanden sie, dab die t6dliche Dosis yon Digitoxin gleichm~13ig i2 mg/kg betrug, ganz gleich, ob diese Menge in lO--2o Minuten, in 3o--5 ~ Mi- nnten oder in lOO--2oo Minuten infundiert wurde. Dagegen stieg bet dem wemg kumulierendeii g-Stroptlanthin in den gleichen Zeitriinmen die t6dliche Dosis yon 17 mg/kg fiber 28 auf 43 mg/kg. Ffir das Folinerin bestimmten wir in ~ihn- licher Versuchsanordnung und fflr die gleichen Zeitr~iume als t6dliche Dosen an Ratten io,o bzw. 11,6 und 16,6 mg/kg. W'enn auch ein Vergleieh mit den Zahlen von HEUBNER und v. lgY~,Ru nnr mi% Vorbehalt gezogen werden dart, so deuten doch diese Werte in der gleichen Richtung, wie die oben er- wiihnten Versuche: Das Folinerin besitzt eine starke Nach- wirkung, die aber deutlich geringer ist, als die des Digitoxins. Die Haltbarkeit des Folinerins zeigten besondere Versuche, in denen auch bet 3j~ihriger Lagerung voii w~sserig-alko- holischen L6sungen keine Abnahme der W'irksamkeit fest- zustellen war. Eine konstante Wirksamkeit ist dureh die chemische Einheitlichkeit des Glykosids verbfirgt. In Erg~nzung der Tierversuche wurden zur Prfifung der Vertr~glichlceit bei Darreichung in den Magen einige Versuche (zum Tell Selbstversuche) am Menschen angestellt. Dabei konnten gesunde junge M~nner im Alter yon 25--35 Jahren Tagesmengen bis zu i mg des Glykosids, auf mehrere Dosen verteilt, einige Tage lang ohne irgendwelche Beschwerden nehmen. Diese Mengen fibersteigeii die fiir die Therapie n6figen Gaben. Z~ammen/assung: Ein aus Oleanderblf~ttern hergestelltes krystallisiertes, chemisch einheitliches Glykosid yon kleinem Molektil wurde untersueht. Dasselbe besitzt die voile Digitalis- wirkung. Es erwies sich als hochwirksam, gegen S~iure wenig empfindlich, jahrelang hattbar und 1icht resorbierbar. Auch yore Mageii-DarmkanaI aus is% voile \u zu erwarten. Die Wirkung ist nachhaltig, hinsichtlich der !4umulation gflnstiger als bet Digitoxin. Die chemische Einheitlichkeit verbfirgt die Konstanz der Wirkung. Nach den Untersuchungeii kann erwartet werden, dal3 das aus einer einzigen, chemiseh genau definierten Substanz bestehende Folinerin auch im ldinischen Versuch die voile therapeutische Digitaliswirkung zeigen wird. L i t e r a t u r : BAUER U. FROMHERZ, Klin. Wschr. I933, 973. -- BttCHNER, Arch. f. exper. Path. I76, 59 0934). -- FROMI-mRZu. WELSCH, Arch. f. exper. Path. z6I, 266 (1931). -- HEUBNt~R u. V. NYARY, Arch. f. exper. Path. I77, 6o (I934). -- KRAILSHBIMER, Arch. f. exper. Path. 62, 3Ol (I9to). -- OEFEL:~, Pharmaz. Zentrat- halle 34, 342 (1893). -- SCmVnEDEBERG, Arch. f. exper. Path. x6, I49 (1883). -- W. STRAUB,Arch. f. exper. Path. 82, 327 (I918) -- Dtsch. med. Wschr. I922, 792. -- TANREr, Bull. Soc. Chim. biol. Paris 14, 708 (I932). -- WINDAUS u. WESTPHAL, Nachr. Ges. Wiss. G6ttingen, Math. phys. Ktim x925 78. KLINISCHE ERFAHRUNGEN MIT DEM HERZ- MITTEL FOLINERIN AUS FOLIA NERII OLEANDRI. Von ROBERT SCHWAB. Aus der MedizinischenAbteilung des Juliusspitals in Wfirzburg (LeitenderArzt: Prof. Dr, ALPONSFOERSTER). Die Digitalisbl~i• enfhalten bekanntlich verschiedene herzwdrksame Glykoside, die nich% nur in chenfischer Be- ziehung, sondern auch in ihrer Wirksamkei% erhebliche Unterschiede aufweisen. Die dadurch verursachten mannig- fachen Unsicherheiten bet der therapeutischen Anwendung haben dazu geftihrt, sowohl fiir die Bl~tter als auch flit die daraus hergestellten Pr~parate dutch eine biologische Titrie- rung ein gewisses Nag an Wirksamkeit sicherzustellen. Es hat daneben nicht an Versuchen gefehlt, durch Herstellung eines chemisch einheiflichen, therapeufisch allgemein an- wendbaren Glykosids eine Konstanz der Wirksamkeit zu erreichen. Bisher ist abet diese Aufgabe bei den Fingerhut- bl~ittern nich• gel6st Das seit tangem bekannte Digitoxin hat wegen seines starken Kumulationsverm6gens keine ai1- gemeine Anwendung gefunden. Bei einigen neueren Pr~- paraten aus Digitalisbl~itterii handelt es sich um Gemische mehrerer Glykoside mit verschiedener Wirksamkeit Schon Untersuchungen von SCH_MIEDEBERG haben ge- zeigt, dab die wirksamen Stoffe des Rosenlorbeers denen des Fingerhuts ehemisch und pharmakologisch auBerordent- lich nahestehen. I3ber therapeutische Versuche mit Oleander- pr~paraten hat OEFELE berichtet Er faad, dab die Oleander- stoffe ,,mindestens ebenso wertvoll flit die Therapie wie die Digitalisstoffe" siiid. Es ist nun gelungen, aus einheimischen oder sfidl~ndischen Olea.nderbl~• ein krystallisiertes, chemisch einheitliches reines Glykosid herzustellen, das yon FLURY und NEUMANN n~her untersucht worden ist. Dieses Glykosid, das wegen seiner t{erkunft aus Folia Nerii Oleandri unter der Bezeichnung Folinerin in den Handel kommt, zeigte im pharmakologischen Versuch die typischen \u der Digi• Das Glykosid hat ein auffallend kleines Molekfll und weist auch sonst ehemisch-physikalische Be- sonderheiten gegentiber den Digitalisglykosiden auf. In seiner hohen Wirksamkeit fibertrifft es alle Digitalisglykoside. Es ist gut resorbierbar und yon naehhaltiger \~/irkung. Auf Grund der gfinstigen therapeufischen Erfahrungen von OEFELE entschIossen wir uns zu einer Minisehen Er- probung des Folinerins, um festzustellen, ob das Pfiiparat auch beim Menschen die volle und nachhaltige Digitaliswir- kuiig zeig% Es w~ire danii die M6glichkeit gegeben, ffir die Therapie der Herzinsuffizienz einen chemisch einheitlichen Stoff yon genau bekannter, konstanter Wirksamkeit zu ver- wenden an Stelle der bisherigen mehr oder weniger inkonstant zusammengesetzten Digitalispr~iparate. Die Vertri~glichkeit des Pr~parates haben schon FLURY und NEUMANN in Versuchen an gesunden Menschen fest- gestellt %u beiiutzten eine Tropfl6sung nnd kolmten ihre Angaben in weiteren Selbstversuchen und auch an kreislaui- gesunden Patienten bestatigen. Bet M~nnern wle bet Frauen %raten selbs% bet Darreichung yon insgesamt 5,6 mg des hochwirksamen Glykosids im Laufe yon 14 Tagen ldinisch weder S%6rungen yon .seiten des Magens und

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Page 1: Klinische Erfahrungen mit dem Herzmittel Folinerin aus Folia Nerii Oleandri

564 K L I N I S C H E W O C H E N S C H R I F T . 14 . J A H R G A N G . Nr. 16 20. APRIL 1935

es bet der Kumulation des Digitoxiiis zu ether Addition funk- tioneller Schiidigungen des Herzens kommt. BOCHNER stellte test, dab diesen funktionellen Vergnderungen auch morpho- logische Sch~digungen des Herzmuskels entsprechen, wobei sogar Nekroseherde auftreten. Eineii gewissen Anhalt Ifir das Kumulationsverm6gen yon Digitalisstoffen liefert ihre Auswaschbarkeit am isolierten Herzen. Der durch Folinerin hervorgerufene • Stillstand des isolierteii Frosch- herzens ist nun durch Auswaschen zu beheben. Zwar gelingt dies niche sofort, abet doch wesentlich leichter, als bet einem dutch Digitoxin verursachten Stillstand. Bei Kumuladons- versuchen an Katzen erhielten die Tiere intraven6s eine Vordosis yon 36,5% der obengenannteii Katzeiieinheit. Die Tiere erholten sich sehon am folgenden Tage yon der zun~ichst eingetretenen Vergiftuflg. Eine daraufhin vor- genommene intraven6se Infusion yon Folinerin zeigte aber, dab noch eine starke Nachwirkung vorhaiiden war. Die dabei zum Tode fiihrenden Mengen wareii erheblieh ldeiiier als die Katzeneinheit. Vgfirde man in der frflher flblichen VCeise die I(umulation als AnhXufung wirksamer Substanz im Herzen auffassen, so wflrde sieh rechnerisch einen Tag nach der Vor- dosis ein Rest voi1 33,5 % der Katzeneinheit im Herzen er- geben, nach 3 Tagen yon 31% und nach 5 Tageii noch yon 19 %. Diese ZaMen sind der Ausdruck einer relat iv starken Nachwirkung, die abet nicht so bedenMich ist, Me beim Digitoxin. BAUER und FROMHERZ fanden in Versuchen mit letzterem Glykosid nach ether Vordosis yon 35 % der Katzen- einheit, dab innerhalb yon 3 Tagen 2o% der Tiere infolge der Herzsch~idigung zugrunde gingen, his zum I2. Tage so- gar 8o %. Wir habeii dagegen beim Folinerin nach eiiier Vor- dosis yon 36,5% der Katzeneinheif keine Sp~ittodesfNle gesehen.

HEUBNER und v. IN~YARY haben kfirzlich versucht, zu einem zahtenm~Bigen Ausdruck des Begriffs , ,Kumulafion" zu kommen. Sie best immten an Rat~en bei wechselnder Ge- schwindigkeit der intraven6sen Infusion die t6dlicheii Dosen verschiedener Digitalisstoffe. Dabei fanden sie, dab die t6dliche Dosis yon Digitoxin gleichm~13ig i2 mg/kg betrug, ganz gleich, ob diese Menge in lO--2o Minuten, in 3o--5 ~ Mi- nnten oder in lOO--2oo Minuten infundiert wurde. Dagegen stieg bet dem wemg kumulierendeii g-Stroptlanthin in den gleichen Zeitriinmen die t6dliche Dosis yon 17 mg/kg fiber 28 auf 43 mg/kg. Ffir das Folinerin bestimmten wir in ~ihn- licher Versuchsanordnung und fflr die gleichen Zeitr~iume als t6dliche Dosen an Rat ten io,o bzw. 11,6 und 16,6 mg/kg. W'enn auch ein Vergleieh mi t den Zahlen von HEUBNER und v. lgY~,Ru nnr mi% Vorbehalt gezogen werden dart, so deuten doch diese Werte in der gleichen Richtung, wie die oben er- wiihnten Versuche: Das Folinerin besitzt eine starke Nach- wirkung, die aber deutlich geringer ist, als die des Digitoxins.

Die Haltbarkeit des Folinerins zeigten besondere Versuche, in denen auch bet 3j~ihriger Lagerung voii w~sserig-alko- holischen L6sungen keine Abnahme der W'irksamkeit fest- zustellen war. Eine konstante Wirksamkeit ist dureh die chemische Einheitlichkeit des Glykosids verbfirgt.

In Erg~nzung der Tierversuche wurden zur Prfifung der Vertr~glichlceit bei Darreichung in den Magen einige Versuche (zum Tell Selbstversuche) am Menschen angestellt. Dabei konnten gesunde junge M~nner im Alter yon 25--35 Jahren Tagesmengen bis zu i mg des Glykosids, auf mehrere Dosen verteilt, einige Tage lang ohne irgendwelche Beschwerden nehmen. Diese Mengen fibersteigeii die fiir die Therapie n6figen Gaben.

Z~ammen/assung: Ein aus Oleanderblf~ttern hergestelltes krystallisiertes, chemisch einheitliches Glykosid yon kleinem Molektil wurde untersueht. Dasselbe besitzt die voile Digitalis- wirkung. Es erwies sich als hochwirksam, gegen S~iure wenig empfindlich, jahrelang hattbar und 1 ich t resorbierbar. Auch yore Mageii-DarmkanaI aus is% voile \u zu erwarten. Die Wirkung ist nachhaltig, hinsichtlich der !4umulation gflnstiger als bet Digitoxin. Die chemische Einheitl ichkeit verbfirgt die Konstanz der Wirkung.

Nach den Untersuchungeii kann erwartet werden, dal3 das aus einer einzigen, chemiseh genau definierten Substanz

bestehende Folinerin auch im ldinischen Versuch die voile therapeutische Digitaliswirkung zeigen wird.

L i t e r a t u r : BAUER U. FROMHERZ, Klin. Wschr. I933, 973. -- BttCHNER, Arch. f. exper. Path. I76, 59 0934). -- FROMI-mRZ u. WELSCH, Arch. f. exper. Path. z6I, 266 (1931). -- HEUBNt~R u. V. NYARY, Arch. f. exper. Path. I77, 6o (I934). -- KRAILSHBIMER, Arch. f. exper. Path. 62, 3Ol (I9to). -- OEFEL:~, Pharmaz. Zentrat- halle 34, 342 (1893). -- SCmVnEDEBERG, Arch. f. exper. Path. x6, I49 (1883). -- W. STRAUB, Arch. f. exper. Path. 82, 327 (I918) -- Dtsch. med. Wschr. I922, 792. -- TANREr, Bull. Soc. Chim. biol. Paris 14, 708 (I932). -- WINDAUS u. WESTPHAL, Nachr. Ges. Wiss. G6ttingen, Math. phys. Ktim x925 78.

KLINISCHE ERFAHRUNGEN MIT DEM HERZ- MITTEL FOLINERIN AUS FOLIA

NERII OLEANDRI. Von

ROBERT SCHWAB. Aus der Medizinischen Abteilung des Juliusspitals in Wfirzburg

(Leitender Arzt: Prof. Dr, ALPONS FOERSTER).

Die Digitalisbl~i• enfhalten bekanntlich verschiedene herzwdrksame Glykoside, die nich% nur in chenfischer Be- ziehung, sondern auch in ihrer Wirksamkei% erhebliche Unterschiede aufweisen. Die dadurch verursachten mannig- fachen Unsicherheiten bet der therapeutischen Anwendung haben dazu geftihrt, sowohl fiir die Bl~tter als auch flit die daraus hergestellten Pr~parate dutch eine biologische Titrie- rung ein gewisses Nag an Wirksamkeit sicherzustellen. Es hat daneben nicht an Versuchen gefehlt, durch Herstellung eines chemisch einheiflichen, therapeufisch allgemein an- wendbaren Glykosids eine Konstanz der Wirksamkeit zu erreichen. Bisher ist abet diese Aufgabe bei den Fingerhut- bl~ittern nich• gel6st Das seit tangem bekannte Digitoxin hat wegen seines starken Kumulationsverm6gens keine ai1- gemeine Anwendung gefunden. Bei einigen neueren Pr~- paraten aus Digitalisbl~itterii handelt es sich um Gemische mehrerer Glykoside mit verschiedener Wirksamkei t

Schon Untersuchungen von SCH_MIEDEBERG haben ge- zeigt, dab die wirksamen Stoffe des Rosenlorbeers denen des Fingerhuts ehemisch und pharmakologisch auBerordent- lich nahestehen. I3ber therapeutische Versuche mit Oleander- pr~paraten ha t OEFELE ber ich te t Er faad, dab die Oleander- stoffe ,,mindestens ebenso wertvoll flit die Therapie wie die Digitalisstoffe" siiid. Es ist nun gelungen, aus einheimischen oder sfidl~ndischen Olea.nderbl~• ein krystallisiertes, chemisch einheitliches reines Glykosid herzustellen, das yon FLURY und NEUMANN n~her untersucht worden ist. Dieses Glykosid, das wegen seiner t{erkunft aus Folia Nerii Oleandri unter der Bezeichnung Folinerin in den Handel kommt, zeigte im pharmakologischen Versuch die typischen \u der Digi• Das Glykosid ha t ein auffallend kleines Molekfll und weist auch sonst ehemisch-physikalische Be- sonderheiten gegentiber den Digitalisglykosiden auf. In seiner hohen Wirksamkeit fibertrifft es alle Digitalisglykoside. Es ist gut resorbierbar und yon naehhaltiger \~/irkung.

Auf Grund der gfinstigen therapeufischen Erfahrungen von OEFELE entschIossen wir uns zu einer Minisehen Er- probung des Folinerins, um festzustellen, ob das Pfiiparat auch beim Menschen die volle und nachhaltige Digitaliswir- kuiig zeig% Es w~ire danii die M6glichkeit gegeben, ffir die Therapie der Herzinsuffizienz einen chemisch einheitlichen Stoff yon genau bekannter, konstanter Wirksamkeit zu ver- wenden an Stelle der bisherigen mehr oder weniger inkonstant zusammengesetzten Digitalispr~iparate.

Die Vertri~glichkeit des Pr~parates haben schon FLURY und NEUMANN in Versuchen an gesunden Menschen fest- gestel l t %u beiiutzten eine Tropfl6sung nnd kolmten ihre Angaben in weiteren Selbstversuchen und auch an kreislaui- gesunden Patienten bestatigen.

Bet M~nnern wle bet Frauen %raten selbs% bet Darreichung yon insgesamt 5,6 mg des hochwirksamen Glykosids im Laufe yon 14 Tagen ldinisch weder S%6rungen yon .seiten des Magens und

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wurde mit Ausliahme yon einigen wenigen F~llen bet der peroralen Darreichung yon den Patienten durchweg gut ver- tragen, irgendwelche subjektive Abneigung gegen dasselbe wurde IIicht beobachtet, t3ei der rectalen Applikation t raten nut in einem Falle, und zwar erst nach Ein t r i t t der Wirkung, St6rungen auf, die dutch Absetzen des Prgparates leicht zu beheben waren. Die Wirkulig der Ziipfchen entsprach v611ig der Dosierung yon je 15 Tropfen der Tropfl6sung. Die Wir- kulig zeigte sich zun~ichst stets am deutlichsten am S i n k e n des Pu lses bei gleichzeitigem Ans te igen der Diurese. In 7 F/glen t ra t eine starke Wirkung bereits innerhalb der ersten 24--36 Stunden, in den anderen F~illen in der Regel his zum 5- bis. 8. Tage auf, in einigen wenigen F~llen setzte die Maxi- malwirkung erst sparer ein. Aui Strophanthin konnten wir anch bet F~llen hochgradiger Dekompensation verzichteli. In 2 F~llen mit st~irksten Stauungserscheillungen gaben wir am 8. bzw. IO. Tage aul3er der zu t3eginn der t3ehandlnng durchgeffihrten Karellkur Salyrgan und erreichten damit eilie maximale Diurese. In allen iibrigen Fallen fiihrte schon Folinerin allein zu ether eindrucksvollen Harnflut.

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Die Wirkullg des Pr~parates zeigt sehr delltlich die Kurve einer 27j~hr. Pat., die seit etwa eillem Jahr fiber Atemllbt bei kSrperlicher Anstrengun.g klagte. Ill der gleichell Zeit traten lang- sam stlirker werdellde Odeme an den Ffil3en, sowie Bronchitis auf. 14 Tage vor Einweisung wurdell die /3eschwerdell plStzlich sehr viel st~irker, sehr starke 13deme all dell t~eillell ulld raseh zu- nehmellder Ascites.

Befulld: Puls 14o, Mitralstenose und -insuffizienz, Aorten- stellose und -illsuffiziellz. tterz llaeh allen Seitell verbreitert, schwere diffuse Bronchitis, Gastritis, Pleuratrallsslldat, Leber- stauung, hochgradiger Ascites, Cyallose, Odeme, llach dem Elek- trokardiogramm Flimmerarrhythmie (Abb. I).

Auf Foliillerill (I8 ZXpfchell ill 9 Tagell) rasch ansteigende Diurese, entsprechellde Abllahme des KSrpergewichts llm ills- gesamt 12 kg, Sinkell des Pulses bet fortbestehendem Vorhof- Ilimmerll llnd perpetueller Arrhythmie. Der Ascites geht vSllig

�9 zurfick, Herzmage werden kleiner, gleichzeitig die flbrigei1 Stau- llngserscheinullgen weitgehelldst zuriickgebildet; auch subjektiv autlerordelltliehe t3esserullg.

13ei IO Kranken konnte dutch eine von vornherein chro- nische Behandlung mit Folinerili (2real IO Tropfell, nach 2o Tagen 2real 5 Tropfen tgglich weitere 2o Tage lang ) die allf~llgliche Tachykardie mit Fl immerarrhythmie auf ether Pulsfreqnenz yon etwa 8o SchlXgen bet vSlliger Kompen- sa• gehalten werden. Auch hierbei wurde das Pr~iparat stets gu t vertragen, es bestand keine subjektive Ablleigung dagegen, ebensowenig zeigten sieh klinisch Anzeichen eilier Intoxikation.

Wenn im folgenden auf die einzelnen fiir die Digitalis- wirkung maBgebenden Beurteilungsfaktorell ll~her eili- gegangen wird, so ist vor allem IIachzuweisen, inwieweit Folinerin die klassische Wirkung der Digitalisdroge erreicht:

Darmes, noch allch Verlinderullgell des Kreislaufes auf. Auch im Elektrokardiogramm liel3en sich keine Ver~llderungen nachweisell, die als eine Digitalisilltoxikation hi~tten gedeutet werdell k6nllen, wie z. B. Rhythmus- und Frequenzst6rungeI1 oder ~nderungen ill der Nachsehwankullg. Ebellsowenig zeigte sich eine subjekfive Abneigung gegen das Pr~parat. Fiir letzteres dtirfte wohl eine wesentliche Rolle der Umstalld spielell, dab hier der bet den Digi- talispr~paraten im allgemeinen vorhandene bittere Geschmack nieht so stark hervortritt. Aueh zwei kreislaufgesullde Patienten, die wegen Gastritis hier behandelt wurdeI1, ~ufiertei1 keinerlei Klagell fiber Unvertr~glichkeit des Folinerins.

Bezfiglich der Dos@rung nahmell wir den pharmakologischen Befulld als Allhalt, wollach i mg des Glykosids 1200 Froschdosen entspricht. Eine mittlere Dosis roll 0,i g Folia Digitalis purp. entspricht bekalllltlich etwa 200 Froschdosell. Wi~ gaben zllll~chst pro dosi nur So Froschdosen roll eiller Folinerilllbsullg und steigertell diese Dosierung mit aller gebotenen Vorsicht. SchlieBlich arbeiteten wir mit einer L6sllllg, die in I ccm = 3 ~ Tropfen %4 mg des Glyko- sids enthielL Mit dieser Trop/ldsung erreichtell wit bei mittleren und schwerell F~llen yon Herzinsuffiziellz ausgesprochelle Digitalis- wirkung bei 3real 15 Trop]en t5glich, also bei 0,2 mg Folinerin

240 Froschdosen pro dosi. Nach 8--IO Tagen kollllten wir in den meisten F~llen das Prgparat absetzell oder in kleinerell Dosen weitergeben. ]Erw~ihnt set, dab wit zu Begilln llnserer Versuche mit dieser Dosierung zun~chst am i. Tage imal, am 2. nnd evtl. 3. Tage 2real i 5 Tropiell gaben. Nachdem wit uns iiberzeugt hat- tell, dab gegen eillell schllelleren lJbergallg zur vollen Dosierllllg keine Bedellken bestallden, gaben wir spiiter bereits yore 2. Tage ab 3mal 15 Tropfen. In F~illen mit ether yon vorllherein mehr chrollischen Darreichullg gabell wir 2real taglich Io Tropfen etwa 3 ~vVochen lallg, dalln 2real *gglich 5 Tropfen wghrelld weiterer 3 Wochen.

Um die Wirkung des Folinerills bet rectaler Darreichullg sicher- zustellen, behandelten wit 2 5 FMle grunds~tzlich nut mit Zgp]chen, die je 0,2 nag des Glykosids (entsprechelld 15 Tropfen der Folinerill- 16sung) enthielten. Dabei gaben wit im Laufe yon 8--14 Tagen etwa 20 Z~ipfchen.

Als MaBstab Iflr die W i r s des Folinerins wurde in allen Fgllen fortlaufend kolltrolliert: Pulsirequenz, -rhythmus und Atmung (in geeigneten Fgllen bet Ruhe nnd k6rperlicher Anstrengung), das KSrpergewicht, die Diurese, das Elektro- kardiogramm, die rSntgeliologischen Herzmage, der Blut- druck, die kliliischeli Stauungserscheinungen und das sub- j ektive Verhaltell der Patienten, ferner zlim Teil der Volhard- sche Wasserversuch und die Kontrolle des Bilirubingehaltes im Serum.

Verwendet wurde Folinerin bei insgesamt 8o Patienten, gr6Btenteils Frauen im Alter yon 15--74 Jahren, und zwar in 4 ~ Fgllen yon H e r z m u s k e l i n s u f f i z i e n z mit Rhythmus- st6rungen, 15 F~llen yon Insllffizienz ohne Rhythmusst6run- gen, 2 F~llen yon Insuffizienz mit besonderer t3eteiligung des rechten Herzens, 23 F~llen voli RhythmusstSrungen ohne Dekompensationserscheinungen.

Von vornherein ausscheiden muBten f~r die Behandlung alle Kreislaufst6rungen, bet deneli auch die Digitalisbehand- lung entweder kontrailldiziert oder doeh nur mit Vorsicht anzuwenden war, also FMle yon Myokardinfarkt, Angina pectoris, frischer infekti6ser Myokarditis (MoRAWlTZ, HOCH- R~IN, KDLBS). Ebenso wurde nicht eingegangen aui die pro- phylaktische Wirkung des Pr~iparates vor Operationen und bet Infektionskrankheiten, da die Frage der Digitajisilidikation bier noch sehr umstr i t ten ist. (Dieselben wie oben, ferner siehe Umfrage yon BI~ANDE~BURa.) Dagegen konnte in den er- wghllten 2 F~llen yon starker Belastung des kleinell I4reis~ lauies, in denen die Digitalis IIur mix Vorsicht verwendet werden darf (HocI~REI~), mit Folinerin ein guter Erfolg er- zielt werden.

Soweit nicht infolge-der Schwere des eilizelnen Falles ein sofortiges therapeutisches Eingreifen indiziert war, wurden die Patienten zungchst w~ihrend einiger Tage IIur mit Bett- ruhe und der erforderlichen Di~t behandelt, um einwand- freie Ausgangswerte fiir die Beurteilung der Digitaliswirkung des Folinerins zu gew~hrleisten. Aus dem gleichen Grund wurde bet sgmtliehen behandelten F/itlen yon jeder alideren medikamelltSsen Therapie abgesehen. Sta t t dessert kom- binierten wir die Folinerinbehandlung bet einer gr6Beren Anzahl yon F~illen mit ether 3--4t~igigeli Karellknr in den ersten Tagen der Folinerinverabreichung. Das Pr~parat

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Verlangsamung der Schlagfolge des Herzens mit gleichzeitiger Verst~rkung der Kontraktionen, also Steigerung der Wasser- ausscheidung bet gleichzeitiger Pulsverlangsamung, tells dutch Wirkung auf den Iterzmuskel selbst, tells auch dutch Beeinflussung des Vagustonus. Abb. I zeigte bereits, dab das Folinerin diese Wirkung der Digitalis einwandfrei besitzt. s giinstige Wirkungen sahen wir bet 3 ~ Ffialen mi t zum Teil stark erh6hter Pulsfrequenz bet gleiehzeitiger t terz- muskelinsuffizienz. Der Puts sank regelm~gig Ms zn 6o pro Minute und zum Teil noch wetter.

Bet 4 Patienten lieB sieh zwar der Puls nicht unter 9o herab- drflcken, die abrigen Digitaliswirkungen traten jedoch hier deut- lich hervor: Gewichtsabnahme, Schwinden der Stauungserschei- nungen, Steigerung der Diurese, Abnehmen der Dyspnoe. Bet 2 FXllen bestand neben der Herzinsuffizienz ein Basedow, bet dem yon vornherein eine Beeinflussung der Tachykardie und Arrhythmie durch ein Digitatispr~parat bzw. ebenso dutch Folinerin nicht zu erwarten war. Von einigen schwersten progredienten FXtlen, die auf Folinerin nicht dentlich reagierten, kamen zwei trotz reich- lichster Zufuhr yon Analepticis an dem fortschreitenden Herz- leiden, einer nach 2 Tagen an Lungenembolie ad exituln, ein an- derer an den Folgen eines gleichzeitig bestehenden Magencarcinoms.

Von den oben angefiihrten 3 ~ F~llen, bet denen dutch Folinerin die Pulsfrequenz stark verlangsamt wurde, blieben 27 ffir die Dauer der Beobachtung konstant bet einem Puls unter 90 pro Minute bei gleichzeitiger ~Wirkung auf die In- suffizienzerscheinungen, bet 3 F~tlen wurde aus ~uBeren Griinden mi t Scillaren nachbehaudeit, wobei der Puls eben- falls normal erhalten werden konnte.

Nicht so eindeutig war der Erfolg bet F~Lllen yon Tachy- kardie mit Arrhythmia perpetua, bet denen eine gleichzeitig vorhandene Herzhypertrophie mit Insuffizienz nicht nach- zuweisen war. Diese t3eobaehtung kontrastiert jedoch nicht mit den die Digitalis charakterisierenden Eigenschaften, denn bereits yon EDENS wurde betont, dab nut dana Digitalis eine Pulsverlangsamung macht, wenn neben der Herzhypertrophie gleichzeitig Insuffizienz vorliegt.

Die Frage, his zu welchem Grade das Folinerin die zweite Eigenschaft der Digitalis besitzt: die Wirkung au] Reizbildung und Reizleitung, wurde in jedem einzelnen Falle forflaufend elektrokardiographisch untersucht. Dabei wurde ein l)ber-

Abb. 2. Kurve x: vor, Kurve 2: am 7-Tage, Kurve 3: am 1o. Tage tier Follnerin- behandlung, Kurve 4 : 3 Tage naeh Absetzung des Pr~parates.

gang yon vormalem Rhythmus zu Arrhythmia perpetua in keinem der mit Folinerin behandelten F~lle beobachtet. Desgleichen sahen wit in keinem Falle das Auftreten yon ventrikul~ren Extrasystolen in Form einer festen, l~nger- dauernden i4s (Bigeminus oder 2 : I bzw. 3 : I -- Rhythmus). VereinzeIte nngekoppelte Extrasystolen in nn- regelmgBigen AbstSnden beobachteten ~dr in 5 FMIen. In 3 davon gingen die Extrasystolen nach Absetmmg des Mittels prompt zur~ck, in 2 anderen wnrde die Dosis yon taglich 3real I Z/~pfchen auf je eines reduziert, wodurch ebenfalls

die Neigung zu Extrasystolen beseitigt werden konnte. In einem der 3 genannten F~ille traten die Extrasystolen zu dem Zeitpunkt auf, in dem gleichzeitig Bradykardie und Umschlagen der T-Zacke als Zeichen yon l~berdigitalisierung auftraten, die gleichzeitig mit den Extrasystolen nach Absetzen des Mittels ebenfalls zu normalen VerhMtnissen zuriickkehrten.

In einem Falie beobachteten wir im Yerlaufe einer Folinerin- behandlung mit starken Dosen (3 maI t~glich 2o Tropfen) das Auf- treten eines kompletten atrioventrikul~icen Blocks und starke Ver- liefung des vorher nur gering vertieften ST-Stfickes bet gleichzeitiger Verst~ir- kung der negativen T-Zacke und damit einhergehend ausgesprochene Brady- kardie. 3 Tage nach Absetzung des Folinerin gingen diese I~rscheinungen einer iJberdosierung wieder zurfick (s. Abb. 2).

Yon den ~F~illen mit Arrhythmia perpetna und Tachykardie konnten zwei dutch Fotinerin zu normMem Rhythmus bet gleichzeitiger Rfickkehr zu normaler Frequenz gebracht wet- den, ohne Ordination eines anderen Medikamentes (Abb 3).

Bet 8 Kranken bestanden Extra- systolen vor dem Beginn der Behand- lung, die in der Mehrzahl der F~11e nach 6--iot~.giger Behandlung mit Folinerin sehwanden,w~.hrend sie 2 real weiterbestehen blieben und nut I real sich hXuften.

Abgesehen yon den I(ranken mit anf~nglichen schweren Dekom- pensationserscheinungen, wurde die Abb. 3. Kurve I: (2 : I-Block)

elektrokardiographische Registerie- vor, Kurve 2: am 7. 'rage der 13ehandlung, Kurve 3: ~ Tage

rung ausgedehnt auf die Unter- naehAbsetzendesFotine*in (ins- suchung der Frage des Verhaltens gesamt I8 Zfpfehen). in Ruhe und nach k6rperlicher An- strengung, insbesondere galt diese Untersuchung auch far die F~lle, in denen haupts~chlich St6rungen im Rhythmus bzw. in der Reizleitung vorhanden waren ohne wesentliche Dekompensation. Es zeigte sich abet deutlich, dab m~Bige k6rperliche Anstrengung die dutch Folinerin behobenen Rhythmusst6rungen nicht wieder zum Vorschein brachte, wahrend in den F~llen, bet denen em vertieftes ST-Sttiek mit negativer T-Zaeke ausgedehnte Myokardseh~digung an- zeigte, dieses nach k6rperlicher Belastung noch etwas tiefer blieb als bet der LTntersuchung in Ruhe.

Der Blutdruck zeigte in gleicher Weise, wie w i r e s bisher bet tBehandlung mit Digitalis beobachteten, auch bet der Folinerinbehandlung wechselndes Verhalten : Teils t ra t parallel mit der ]Besserung des klinischen Bildes eine Sen- kung ein, teils auch blieb er konstant und stieg in wenigen FMlen noch e t~as an. Die HerzmaBe gingen bet der r6ntgeno- Iogischen KontrolIe fast regelm~gig parallel m i t d e m Ein t r i t t der Wirkung zurfick, besonders deutlich war die Besserung gerade bet sehr stark dilatierten Herzen. H~ufig sahen wir auch ein Sinken des IBilirubinspiegels im Serum im Verlaufe der Folinerinbehandlung, das als Zeichen des Ri~el~gange8 einer Leberstauung anzusehen ist (WICttERT, BAUMANN, S C t t l F F , H E S S , S I v o ) .

Das sub]ektive Be]inden entsprach stets deln klinischen Bild -and besserte sich regelm~Big bereits bet Beginn der Folinerinwirkung auf Vv'asserausscheidung und Pals, hing also stets mit dem Zurfickgehen der Stauungserseheinungen zusammen, die fast immer ganz verschwanden, jedenfalls mit Ausnahme der oben aufgeifihrten F~lle, die ad exitum kamen, sich stets bessern lieBen.

Unter den 8o F~llen waren 2, wo die Patienten bet per- orater Darreichung Beschwerden yon seiten des Magens ~uBerten. Es konnte abet jedesmal die AppIikation recta/ weitergeffihrt werden bis zum Eint r i t t der ~Virkung. In einem FalIe wurde das Pr~parat yon vornherein rectal gegeben bet einer starken Stauungsgastritis. Nachdem am 5. Ms 6. Tag die ~u bereits eingesetzt hatte, t raten am 7. Tage starke DurchfXlle auf, die 2 Tage nach Absetzen des Mittels wieder

Page 4: Klinische Erfahrungen mit dem Herzmittel Folinerin aus Folia Nerii Oleandri

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zuriickgingen. Es waren t~glich zun~chst 2 Tage lang 2, dann 3 Z~pfchen ve rab re i ch t worden. I l l alien fibrigen FS]len wurden unangenehme Nebenwi rkungen oder Kumula t ions - e rscheinungen n ich t beobachte t , weder bei der gew6hnl ichen 8--2ot~Lgigen Behand lung noch such bei der yon Anfang an chronischen Dar re ichung des Fol iner in .

I n verschiedenen F~llen konnten wi t uns davon iiber- zeugen, dab das Fol iner in n ich t e twa nur eine schnell vor- f lbergehende ]3esserung bewirkt . Es h a t v ie lmehr eine naeh- haltige Wirkung, was insbesondere folgender Fal l zeigt :

74j~hr. Frau. ]~rstmals bestanden Beschwerden yon seiten des Herzens vor 3 Jahren: Atemnot, Anschwellen der Ffll3e, Unf~hig- keit zu k6rperlicher Arbeit. Wurde damals mit Digitalis behandelt wegen perpetueller Arrhythmie, Dekorapensation. Ein halbes Jahr gebessert, dann traten die gleichen Beschwerden wieder auf, seit 2 Jahren war sie v61Iig unf~hig zu k6rperlicher Anstrengung und muBte h~ufig das Bert hflten. Befund: Dekompensiertes Herz, Hypertension, Mitralinsuffizienz, Arrhythmia perpetua.

Nach IO Tagen hat auf Folinerin (insgesamt 420 Tropfen in 9 Tagen) unter Steigerung der Diurese das K6rpergewicht stark abgenommen, 0deme und Dyspnoe sind geschwunden, der Blut- druck ist yon 185 mm auf 135 mm gesunken. W~hrend abet friiher die Besserung nicht lange angehalten hatte, war jetzt bei der Nachuntersuchung nach 3/4 Jahren die Pat. noch kompensiert und konnte t~glich aufstehen.

5 unserer Kranken , bei denen sich die Insuff izienzerschei- nungen im Laufe der Behand lung m i t Fol iner in beheben lieBen, waren zu Hause m i t verschiedenen Digi ta l i spr~para ten vo rbehande l t worden und dagegen ref rakt~r geblieben, wes- halb sie unserer Kl in ik fiberwiesen worden waren.

Zusammen]assung: Auf Grund unserer Un te r suchungen m i t Fol iner in an 80 Kranken m i t zum Teil hoehgradigen Herz insuff iz ienzerseheinungen und S t6rungen in der Reiz- b i ldung bzw. Reiz le i tung k o m m e n wir zu folgenden Ergebnissen :

I. Fol iner in e r re icht in den F~llen yon t le rz insuff iz ienz m i t und ohne Rhy thmnss t6 rungen , in denen sonst die Be- hand lung m i t Digi ta l is indiz ier t ist, die volle Wirkung auf Puls, Diurese, KSrpergewieht, Stauungserscheinungen und auf das subjektive Befinden der Pa t i en t en ; die diuret ische Wir- kung ist of t besonders auff~llig.

2. Aueh hins icht l ich der Wi rkung auf S t6rungen in der Reizbildung und Reizleitung bes i tz t Fol iner in die volle Wir- kung der Digitalis .

3. Der sehnelle E i n t r i t t der Wi rkung und die gute Ver- t r~gl ichkei t bei Dar re ichung in Tropfen oder Z~pfchen ge- s t a t t e t die Vermeidung in t raven6ser In jek t ionen .

E in wesent l icher Fo r t s ch r i t t fiir die Herz the rap ie ist dar in zu sehen, dab das Fol iner in Minisch eine volle und nach- hal t ige Digi ta l i swirkung bes i tz t nnd dabei als chemisch ein- heitl iches, reines Glykosid nnabh'~tngig yon i rgendwelchen S tandard i s i e rungsmethoden yon stets kons tan te r Wi rksam- kei t ist. Auf Grund nnserer Er fah rungen k6nnen wi t das Fol iner in ffir die ~rztl iche Prax is empfehlen.

L i t e r a t u r : BAIJMA~, KongreBzbl. inn. Med. I6, 214 (1921). -- BRAXI)E~BIJRG, Med. Klin. I933, 284. -- EI)E~S, Ther. Mh. 1 9 1 1 , I . - - FLURY u . 1NT~EuMANN, in dieser Nummer. -- H~ss, Wien. klin. \u 192o. - - HOCERt~IN, Fortschr. Ther.~'I933.

- - K O L B S , Handb. inn. Med. v. Mohr-Staehelin t3d. 2. -- M O R A W l T Z , Dtsch. reed. Wschr. I935, I. -- OEFELE, Pharmaz. Zentralhalle 1893, 342. -- SeHIFF, Kongregzbl. inn. Med. 49, 427 (1928). -- Se~I~alEI)EnERG, Arch. f. exper. Path. 16, 149 (1883). -- SIv6, Kongrel3zbl. inn. Med. 48, 385 (1928) �9 - - W I C H E R T , Z. klin. Med. Ioi (1924).

U B E R DAS V E R H , ~ L T N I S D E R N A T R I U M - Z U R C H L O R A U S S C H E I D U N G IM HARN.

I. Mitteilung. DER NATRI UM-CHLOR-QUOTIENT.

Yon FRITZ ZUCKERKANDL.

Aus der I. Medizinischen Universiti i tsklinik Wien (Vorstand: Prof. Dr. E P P I N G E R ) .

Ncttrium und Chlor sind das einzige E lemen tepaa r , das in i iquivalentem, p rak t i sch g le ichble ibendem Verh/iltnis, ni imlich als Kochscdz, m i t der Nah rung e ingenommen wird.

R I F T . 14. J A H R G A N G . N r . 16 567

Dies k o m m t daher, dab in wei taus f iberwiegender Menge das Kochsalz den Speisen als Wfirze hinzugeffigt wird und in der Nahrung selbst N a t r i u m und Chlor nur in geringer Menge vo rhanden sind. Auch ist bei der gew6hnl ichen gemischten Kos t das Verh~tltnis des Na t r iums zu Chlor ann~hernd ~qui- valent . Nur bei ganz sa lzarmer Di~t und einsei t iger E r - n~hrung (reine Obst- oder Gemfisekost) verseh ieb t sich das Verh~ltnis zuguns ten des Natr iuln , es wird also mehr N a t r i u m e ingenommen, als seiner Nquiva lenz zum Chlor entspr icht .

Diese Verbundenhe i t der beiden Ionen in der menschl iehen Nahrung ffihrt auch dazu, das Schicksal des N a t r i u m und Chlor im Organismus gemeinsam zu verfolgen. Man sprictl t yon Koehsalzausscheidung und nur selten yon Natrium- oder Chlorausseheidung allein. Bei fast al ien diesbezfigliehen Unte r suchungen wurde bloB das Chlor b e s t i m m t nnd das Resu l t a t auf Koehsalz umgerechnet . D a m i t wurde implici te vorausgesetzt , dab der N a t r i u m g e h a l t m i t dem gefundenen Chlorwert paral le l geht.

N u n ist diese Annahme vie l fach berecht ig t . Beide Ele- men te haben ihre gemeinsamen Aufgaben im Organismus : sie stellen die beiden wicht igs ten Regelungsionen dar. Sie werden beide haupts~chl ich im H a m ausgeschieden und sind im normalen Stuhl nur in ganz geringer Menge vorhanden .

T ro t zdem gehen Chlor und N a t r i u m auch ihre gesonder ten Wege. Chlor ist im Magensaf t in groBem OberschuB vor- handen, anderersei ts t r i t t Natrium im Blu t se rum in h6herer Konzen t r a t ion auf, als der Nquiva lenz zum Chlor entspr icht . Die Stel lung des N a t r i u m in der Hofmeis te rschen Reihe un te r den am s t~rksten eiweiGquellenden Ionen l~Bt einen besonders engen Zusammenhang des N a t r i u m m i t dem Wasserstoffwechsel vermuten . So h a t BLUM 1 eine N a t r i u m - re ten t ion bei gewissen F o r m e n renaler Odeme nachgewiesen. Endl ich wissen wir seit Bv~Gn 2 v o m Ionenan tagon ismus des Kalium gegen Natrium; ve rmehr t e Ka l iumzuIuhr ve rd r~ng t das N a t r i u m aus den Geweben und br ing t es durch den H a r n zur Ausscheidung. Dies veranlaBte manehe Forscher , die Ursache bei Kochsalzf iberempfindl ichkei t eher im N a t r i u m als im Chlor zu suchen und die gfinstige Wi rkung der kali- reichen, kochsalzarmen, rein vegetabi l i schen Di~ten zum Tell durch die ve rmehr t e Na t r iumaussche idung zu erkl~ren (NOORDENa, GERSO~).

Wie m a n sieht, ist unser Wissen fiber das Schieksal des Nat r iumions allein im menschl ichen Organismus sehr gering. So tleiBt es bei KLINICES: , ,Sonstige Un te r suchungen fiber dell isolierten Nat r iumstof fwechse l l iegen k a u m vor. Bisher war die Methode der N a t r i u m b e s t i m m u n g e n recht schwierig, so dab die re la t iv sel tenen Ber ichte fiber den Na t r iums to f f - wechsel wohl dami t zu erklXren sind. Es ist zu erwar ten , dab sich gem~g den vielf~lt igen und m a n c h m a l dem Chlor gegenfiber gegens~tzlichen Wi rkungen des N a t r i u m manche Differenzen in dem Stoffwechsel der beiden aufweisen lassen werden ."

Eine relativ einfache Methodik der Natriumbestimmungen im Harn wurde y o n F O L L I N G s angegeben. Es wird zun~chst das Phosphat mit Uranylacetat ausgefitllt nnd im Filtrat das Natrium als Urangl-Natrium-Zinl~aeetae durch Titration mittels Io/n Kali- lauge bestimmt. Die Genauigkeit der Methodik ist v6Ilig hinrei- chend und ihre Einfachheit gestattet die Ifir die Klinik notwendigen Serienuntersuchungen. Zur Ermi%tlung des gleich zu erw~hnenden Natrium-Chlor-Quotienten wird die bei der Natriumbestimmung verbrauchte Kubikzentimeteranzahl der Io/n Kalilauge dureh den Faktor o,877 dividiert und der so erhaltene W'ert durch die bei der Chlorbestimmung ermittelte Menge yon Io/n Silbernitratl6sung geteilt.

Die wicht igste Frage war es zun~Lchst, e inmal endgti l t ig klarzustel len, inwiewei t die ~quivalenz yon Natrium und Chlor, die normalerweise in der menschl ichen N a h r u n g be- steht , bei der Ausscheidung durch den H a m erha l ten bleibt . Werden Natrium und Chlor im H a m immer ~quiva len t aus- geschieden, wie sie e ingenommen werden? Scheidet der menschl iche Organismus 2gatrium und Ghlor stets als Koeh- salz aus?

U m die diesbezfiglichen Verh~ltnisse anschaul icher und e infaeher zu gestal ten, sei der Begriff des Natrium-Chlor- Quotienten eingeffihrt . Es ist dies das Verh~l tnis der Ge-