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Klinik für Neurologie Fahreignung und Vigilanztests bei Schlafstörungen aus der Sicht des Neurologen Dr. Dominique Flügel Klinik für Neurologie Kantonsspital St. Gallen

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Page 1: Klinik für Neurologie Fahreignung und Vigilanztests bei Schlafstörungen aus der Sicht des Neurologen Dr. Dominique Flügel Klinik für Neurologie Kantonsspital

Klinik für Neurologie

Fahreignung und Vigilanztests bei Schlafstörungen

aus der Sicht des Neurologen

Dr. Dominique FlügelKlinik für Neurologie

Kantonsspital St. Gallen

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Klinik für Neurologie

Fahreignung oft erst sekundäres Problem Schlafstörungen primäres Problem

Beispiel: 28-Mann, der zum Arzt kommt, da er in den letzten 2 Jahren unter einer zunehmenden Schläfrigkeit leidet. Versuch, in Mittagspausen zu schlafen, erfolglos, wacht noch erschöpfter auf. Keine Unfälle bisher, aber v.a. am Wochenende lange Autofahrten. 25.02.2015 Dominique Flügel/Neurologie

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Klinik für Neurologie

Problemerkennung

Erkennen von Schläfrigkeit als Problem Nicht von Diagnose abhängig, häufig auch

multifaktoriell, v.a. bei älteren Menschen (Schlafstörungen bei körperlichen Erkrankungen und sedierende Medikamente)

Gezielte Anamnese auch bei Patienten ohne scheinbares Risiko (Schlaf-Wach-Rhythmus)

Berufliche Tätigkeit? (Berufsfahrer, Schichtarbeit..)

25.02.2015 Dominique Flügel/Neurologie

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Klinik für Neurologie

Differenzierung zwischen

SchläfrigkeitMüdigkeitFatigue

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Klinik für Neurologie

Schläfrigkeit („sleepiness“) physiologischer Zustand, unterliegt zirkadianen Schwankungen Monotonieintoleranz

Einschlafneigung Soziale Rückzugstendenzen bei erhöhter Schläfrigkeit durch Schlaf behoben

25.02.2015 Dominique Flügel/Neurologie

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Klinik für Neurologie

Müdigkeit („tiredness“), verminderte Leistungsfähigkeit, Verlust von Initiative nicht durch Schlaf behobenhäufig bei Depression

keine Monotonieintoleranz eher kein Problem des ungewollten Einschlafens

Fatigue Nachlassen der „Performance“ – psychisch oder physisch

25.02.2015 Dominique Flügel/Neurologie

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Klinik für Neurologie

Diagnostik

Tests zur Erfassung psychogener Merkmale der Müdigkeit: Beck Depressions Inventar (BDI), Befindlichkeitsskalen, State Trait Anxiety Inventar (STAI)

Test zur Erfassung der Fatigue: Fatigue Severity Scale (FSS)

25.02.2015 Dominique Flügel/Neurologie

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Klinik für Neurologie

Subjektive Tests zur Beurteilung der Schläfrigkeit:Epworth Sleepiness Scale (ESS)

25.02.2015 Dominique Flügel/Neurologie

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Pathologisch: >10/24Eindeutig pathologisch:>14/24

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Klinik für Neurologie

Subjektive Tests zur Beurteilung der Schläfrigkeit:Stanford Sleepiness Scale (SSS)

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Grad der Schläfrigkeit PunkteFühle mich aktiv, vital, voll da, hellwach 1Habe einen klaren Kopf, bin aber nicht in Top-Form; kann mich nicht konzentrieren

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Wach, aber entspannt; reagiere, bin aber nicht so ganz da

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Etwas benommen, schlaff 4Benommen, verliere das Interesse am Wachbleiben, tranig

5

Schläfrig, benommen, kämpfe mit dem Schlaf, würde mich gerne hinlegen

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Kämpfe nicht mehr mit dem Schlaf, schlafe gleich ein; traumartige Gedanken

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Schlafe x

Momentaufnahmen, geben zirkadiane Schwankungen der Wachheit gut wieder

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Klinik für Neurologie

25.02.2015 Dominique Flügel/Neurologie

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Selektive Aufmerksamkeit

Geteilte AufmerksamkeitVigilanz

Zentralnervöse Aktivierung (altertness) Tonisch Phasisch

Schlafqualität

Weess, nach Posner und Rafal 1987

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Klinik für Neurologie

25.02.2015 Dominique Flügel/Neurologie

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Selektive Aufmerksamkeit

Geteilte AufmerksamkeitVigilanz

Zentralnervöse Aktivierung (alterness) Tonisch MWT, MSLT, LZ-EEG, Osler, Pupillographie

Schlaf

Weess, nach Posner und Rafal 1987

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Klinik für Neurologie

25.02.2015 Dominique Flügel/Neurologie

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Selektive Aufmerksamkeit

Geteilte AufmerksamkeitVigilanz

Zentralnervöse Aktivierung (alterness) Phasisch: TAP, EVP, Reaktionszeitmessung mit Warnreiz

Schlaf

Weess, nach Posner und Rafal 1987

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Klinik für Neurologie

Tests messen unterschiedliche Teilaspekte, daher auch schlechte Korrelation untereinander

Keine validierten Tests zur Voraussage der Unfallgefahr

25.02.2015 Dominique Flügel/Neurologie

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Objektive Tests zur Beurteilung der Schläfrigkeit:Multipler Schlaf Latenz Test (MSLT)

25.02.2015 Dominique Flügel/Neurologie

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4-5 Durchgänge (8-16 Uhr), 2-stündiger Abstand zwischen den einzelnen DurchgängenEEG, EOG, mentales EMG und EKGAufforderung des Patienten, in einem abgedunkeltem Zimmer während des Tages einzuschlafen. Als Schlafbeginn: 1 Epoche Schlaf ( > 15 Sek einer 30 s-Epoche). Vorzugsweise vorausgehende Polysomnographie und Schlafprotokoll der vorangehenden Woche, oder Aktigraphie

Pathologisch: < 5 MinutenGrenzwertig: 5-10 Minutennormal: >10 Minuten

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Klinik für Neurologie

Multipler-Schlaf-Latenz-Test (MSLT): Beispiel mittlere Einschlaflatenz 1 Minute

  Einschlaflatenz/Stadium 1

Schlafstadium 2 Schlafstadium 3 REM-Latenz

Maximale Schlaftiefe

Nap 1 0 min 1.5 min - 9.5 min REM

Nap 2 0 min 1.5 min - - 2

Nap 3 1.0 min 2.0 min - - 2

Nap 4 2.0 min 4.5 min 15 min - 3

Nap 5 2.0 min 8.5 min - - 2

25.02.2015 Dominique Flügel/Neurologie

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2. Objektiver Test zur Abschätzung der Fähigkeit, wach zu bleiben: multipler Wachbleibetest (MWT)

25.02.2015 Dominique Flügel/Neurologie

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4 Durchgänge (a 40 Minuten), 2-stündiger Abstand zwischen den einzelnen DurchgängenEEG, EOG, mentales EMG und EKGAufforderung des Patienten, in einem Lärm isolierten, leicht abgedunkelten Zimmer wach zu bleiben. Schlafbeginn: 1 Epoche Schlaf (> 15 s einer 30 s Epoche).

MWT >20 Min genügend lange Wachbleibezeit für Führen von PKWMWT >40 Min Voraussetzung für berufliches Autofahren

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MWT

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Oxford Sleep Resistence Test (OSLER)

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Benützt ein Verhalten, das bei Schläfrigkeit auftritt:Lichtreiz muss rechtzeitig erkannt werden (alle 3 Sekunden für 1 Sekunde). Schlaf wird bei bei 7x Nicht Reagieren in Folge angenommen

Vorteil: nicht so aufwendig, in Vergleichsstudien mit MWT zuverlässig und gleichwertig, jedoch falsch positve Ergebnisse möglich, wenn Patient unaufmerksam, durch vermehrtes Augenzwinkern, motorische Antwort nicht registriert (Krieger et al, Sleep Res. 2004)

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Klinik für Neurologie

Andere Verfahren: Pupillographie

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Assoziation von Pupillenweite und Variabiltät mit Schläfrigkeit, 11 min Infrarot VideokameraMessparameter: Pupille-Unruhe-Index in mm/minund AmplitudenspektrumPUI normal < 6.6 mm/minGrenzwertig 6.6- 9.8, pathologisch >9.8

Vorteil: braucht wenig KooperationIntraindividuell zuverlässig, aber weniger interindividuell

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Klinik für Neurologie

Pupillographie

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Wilhelm et al. J.Sleep Res. 2001

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Klinik für Neurologie

TAP Testbatterie zur Aufmerksamkeitsprüfung Zimmermann und Fimm 3 Testbedingungen: Auditiv hohe und tiefe Töne, Reaktion bei

unterschiedlicher Abfolge 2-er hohen und tiefen Töne Visuell «springendes Quadrat» und «bewegter

Balken»

Beurteilung der phasischen Aktivierung, selektiven Aufmerksamkeit, geteilten Aufmerksamkeit und Vigilanz

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TAP Untertest Vigilanz: visuell „Balken“

30 min muss der Pat. auf und ab Bewegungen eines Balkens verfolgen und grössere Ausschläge nach oben durch Drücken einer Taste registrieren.

Vigilanzabfall – Messung von Reaktionszeit, Anzahl von korrekten Reaktionen, Auslassern und Fehlern in 1. und 2. Test-HälfteFür Vigilanzabfall zählen Anzahl der Auslassungen

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Steer clear

PC-Programm, bei dem am Bildschirm eine zweispurige Straße ohne Gegenverkehr dargestellt ist, auf der ein schematisch gezeichnetes Auto entlangfährt. Monotone Situation, entgegenkommenden Tieren muss ausgewichen werden.

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Steer clear

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Mathis and Hess Swiss Med Wkly 2009

A: gesund, wach

B: Patient mit Narkolepsie

Fehler-rate/min

Fehler-rate/min

Zeit (min)

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praktisches Vorgehen (Schweizerische Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin, Verkehrskommission)

Stufe 1: Beurteilung von Schläfrigkeit, subjektive Einschlafneigung ESS, Unfälle oder Beinahe-Unfälle, Schlafmenge/24, Medikamente, Alk. Schichtarbeit/Berufsfahrer, Zuverlässigkeit abschätzen Aufklärung über Zeichen der Schläfrigkeit und Eigenverantwortung und Kompensation Dokumentation der Aufklärung

Stufe 2: Weiterleitung an ein Schlafmedizinisches Zentrum: Diagnostik bei erhöhter Tagesschläfrigkeit (Narkolepsie, Restless legs, neurodegenerative Erkrankungen) Patient hat schon Unfall gehabt ist Berufsfahrer Zweitmeinung gewünscht

Stufe 3: rechtsmedizinisches Institut keine Einigung mit Patient nach Untersuchung im Schlafzentrum

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Klinik für Neurologie

Vorgehen im Schlaflabor des KSSG : Fahreignung

Anamnese und Erfassung der subjektiven Schläfrigkeit mit der ESS

MWT mit TAP Test

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Vielen Dank für die Aufmerksamkeit

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