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Kiel – Standort für Wissenschaft, Innovation und Kreativität
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Studie zur Untersuchung der regionalen Bedeutung der Kieler Hochschulen
Oktober 2013
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
2
Impressum
IW Consult GmbH Konrad-Adenauer-Ufer 21 50668 Köln
Kontakt
Tel: 0221 / 49 81 758 Fax: 0221 / 49 81 99 758 www.iwconsult.de www.iwkoeln.de
Ansprechpartner für den Inhalt
Dipl.-Ing. Michael Bahrke
RA Dr. Roman Bertenrath
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
3
Zusammenfassung
Der Untersuchungsgegenstand
Im Auftrag der Landeshauptstadt Kiel, der Industrie- und Handelskammer zu Kiel sowie der
Christian-Albrechts-Universität, der Muthesius Kunsthochschule und der Fachhochschule Kiel hat
die IW Consult GmbH die ökonomische Relevanz der Kieler Hochschulen für die
Untersuchungsregion ermittelt. Diese umfasst neben der Landeshauptstadt Kiel zudem die
kreisfreie Stadt Neumünster sowie die umliegenden Landkreise Rendsburg-Eckernförde, Plön,
Steinburg und Pinneberg. Die Untersuchung zielte darauf ab, Handlungsempfehlungen für eine
noch intensivere Zusammenarbeit von Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung in der
Untersuchungsregion zu geben.
Um die wirtschaftlichen Effekte, die von den Hochschulen ausgehen, zu untersuchen, erfolgte eine
umfangreiche Bestandsaufnahme der derzeitigen Situation, insbesondere bei Fragen zur
regionalwirtschaftlichen Bedeutung der Hochschulen.
Neben der Ermittlung der rein wirtschaftlichen Bedeutung der Hochschulen für die
Untersuchungsregion bildet der Wissenstransfer in die regionale Wirtschaft einen zweiten
Schwerpunkt der Untersuchung. Hierzu wurden Experteninterviews mit Vertretern aus
Hochschulen, Politik und Verwaltung geführt sowie Unternehmen aus der Region zur Zufriedenheit
mit der Zusammenarbeit und zum Potenzial einer Intensivierung befragt.
In einem dritten Schwerpunktbereich wurde die Kultur- und Kreativwirtschaft als ein bedeutender
Standortfaktor untersucht. Aufgrund der zunehmenden Wissensintensivierung der Wirtschaft gibt
dieser Bereich wichtige Impulsen für die Innovationsförderung und führt somit zu einer erhöhten
Produktivität. Hierfür wurden Interviews mit wichtigen Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft
geführt und Unternehmen zu der Marktposition der Designwirtschaft befragt.
Die Erkenntnisse der Datenanalysen, der Interviews und der Unternehmensbefragungen werden
herangezogen um Maßnahmen zu entwickeln, die die Zusammenarbeit effektiver gestalten und die
Wirkung auf die regionale Wirtschaft stärken können.
Drei Hochschulen = 8.300 Arbeitsplatze und 446 Mio. € Umsatz in der Region
Die wirtschaftliche Bestandsaufnahme der Untersuchungsregion zeigt, dass Kiel ein dynamischer
Wissenschaftsstandort ist. So sind knapp ein Drittel der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
des Dienstleistungssektors in Kiel im Bereich wissensintensive Dienstleistungen tätig.
Die Kieler Hochschulen leisten hierbei einen wesentlichen Beitrag und sind ein wichtiger
Arbeitgeber vor Ort. Die Personalausgaben machen mit einem Anteil von rund zwei Drittel den
größten Posten in der Ausgabenstruktur der Hochschulen aus. Insgesamt sind rund 8.300
Arbeitsplätze in der Region auf die Existenz der Hochschulen zurückzuführen. Dabei werden mehr
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
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als die Hälfte direkt von den Hochschulen beschäftigt, beispielsweise als Lehrpersonal. Die
restlichen Arbeitsplätze werden durch die Nachfrageeffekte der Hochschulen geschaffen.
Die Summe der direkten und indirekten monetären Nachfrageeffekte der Kieler Hochschulen
betrug im Untersuchungsjahr 2011 rund 446 Mio. €.
Abbildung 1: Schematische Darstellung indirekter und direkter Nachfrageeffekte
Quelle: IW Consult (2013).
Mit einem Anteil von knapp zwei Drittel tragen die Studierenden den größten Teil zu den
regionalen Nachfrageeffekten bei. Die Kieler Hochschulen sind darüber hinaus auch ein
wesentlicher Faktor bei der Zukunftssicherung des Wirtschaftsstandorts in Zeiten großer
demografischer Veränderungsprozesse, da durch sie Studierende aus anderen Teilen
Deutschlands oder dem Ausland angezogen werden. Dies wird durch den hohen Anteil zugereister
Studierender von etwa 50 % deutlich. Insbesondere für diese Studierenden sollten durch gezielte
Maßnahmen während des Studiums, wie beispielsweise dem Aufbau von Praxiskontakten zu
Unternehmen, Anreize für den Verbleib in der Region geschaffen werden um somit die regionale
Fachkräfteversorgung zu sichern.
Vergleicht man die Nachfrageeffekte mit den verfügbaren Haushaltsmitteln der Kieler Hochschulen
wird der wirtschaftliche Mehrwert, den die Hochschulen erbringen, deutlich. Für jeden
ausgegebenen Euro fließen durch die direkt und indirekt ausgelösten Effekte 1,60 € in die
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regionale Wirtschaft zurück. Setzt man die monetären Nachfrageeffekte ins Verhältnis zu den
eingesetzten Landesmitteln fließen je eingesetzten Euro sogar 2,40 € zurück in die regionale
Wirtschaft. Im Vergleich zu ähnlichen Studien anderer Untersuchungsregionen fällt dieser Wert
durchaus positiv aus. Insgesamt hat die Analyse ergeben, dass die Kieler Hochschulen ein
bedeutender Wirtschaftsfaktor in der Region sind.
Wissenstransfer mit guten Noten und deutlichem Ausbaupotenzial
Da die wirtschaftlichen Effekte nur einen Teilbereich der Wirkungen darstellen, wurde zudem der
Wissenstransfer in die Region untersucht. Die kooperierenden Unternehmen bewerten die
Zusammenarbeit mit den Kieler Hochschulen durchweg positiv. Die zu diesem Thema
durchgeführte Unternehmensbefragung hat auch ergeben, dass ein erhebliches Potenzial zur
Erweiterung der Zusammenarbeit mit den regionalen Unternehmen besteht. Hierbei stellt die
Praxisorientierung der Hochschulen das entscheidende Kriterium für das Zustandekommen von
Kooperationen dar.
Abbildung 2: Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Hochschulen in der Region
Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
In den Expertengesprächen zeigte sich, dass die Exzellenz in der Forschung eine klare Stärke der
Hochschulen am Standort ist, da sie die Region national sowie international repräsentieren und als
Leuchtturm wirken. Jedoch wurde die mangelnde Gründungskultur am Standort als Schwachpunkt
identifiziert. Außerdem haben die Expertengesprächen deutlich gemacht, dass die Administration
des Wissenstransfers optimiert werden muss. Insbesondere die Reaktionszeit und die unklare
Struktur der Ansprechpartner wurden hier bemängelt.
Risiken für die zukünftige Entwicklung des Hochschulstandorts ergeben sich aus der schwierigen
Gewinnung der notwendigen Finanzmittel, der eingeschränkten internationalen
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Wettbewerbsfähigkeit aufgrund von nationalen Restriktionen der Forschung sowie der
wachsenden Konkurrenz um die besten Köpfe und öffentliche und private Fördermittel.
Trotz der bekannten Risiken sind die Aussichten für den Hochschulstandort insgesamt positiv zu
bewerten, wenn die Chancen der Untersuchungsregion genutzt werden. Hier ist zunächst die
vorhandene Wissensinfrastruktur zu nennen, die aus einer Vielzahl von Instituten und
Fördergesellschaften besteht. Durch eine bessere Vernetzung untereinander können diese einen
wirtschaftlichen Mehrwert für die Region schaffen. Zudem bietet die ausgezeichnete Forschung ein
enormes Potenzial für Neugründungen. Hier bedarf es der Schaffung von Anreizen. Solche
Anreizstrukturen sind auch wichtig um den Wissenstransfer in der Region zu erweitern und um die
zugereisten Absolventen in der Region zu halten. Insbesondere im Zuge des ansteigenden
Fachkräftebedarfs ist die Einbindung von Absolventen ein wichtiges Handlungsfeld, zu dem die
Hochschulen einen großen Beitrag leisten können.
Um die identifizierten Schwächen zu beseitigen und die genannten Chancen des
Hochschulstandorts zu nutzen, wurde ein Strategiekonzept entwickelt, dass auf vier maßgeblichen
Säulen aufbaut.
Hierzu zählt zum einen die Erhöhung der Sichtbarkeit des Hochschulstandorts sowie der
Kooperation von Hochschulen, Stadt und Industrie- und Handelskammer. Die Sichtbarkeit
könnte beispielsweise durch den Einsatz eines zentralen Transferbeauftragten erhöht
werden. Dieser könnte einen Erstkontakt leisten, die Kooperationspartner entsprechend
ihren Anforderungen zusammenführen und die operative Abwicklung der Projekte
unterstützen.
Eine vergleichbare zentrale Koordinierungsstelle sollte es auch für die Gründungsförderung
am Standort geben. Diese sollte ebenfalls zentrale Dienstleistungen für die
Gründungsförderer an den einzelnen Hochschulen bereitstellen. Zudem kann
beispielsweise eine Gründerwerkstatt die Studierenden für das Thema Gründung
sensibilisieren. Um den Wissensaustausch auf studentischer Ebene anzuregen, kann die
Gründungswerkstatt z. B. auch im Rahmen einer Summer School von den drei beteiligten
Hochschulen zusammen angeboten werden.
Aufgrund der demografischen Entwicklung und des zu erwartenden Fachkräftemangels in
der Untersuchungsregion, stellt die Aus- und insbesondere Weiterbildung einen weiteren
Schwerpunkt des Strategiekonzepts dar.
Da die Unternehmensbefragungen gezeigt haben, dass der persönliche Kontakt
entscheidend für das Gelingen einer Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und
Wirtschaft ist, bildet sich die vierte Säule aus der aktiveren Nutzung bestehender
Netzwerke und der Einbindung von bisher unbeteiligten Akteuren. Für die Kieler
Hochschulen bietet es sich an neben den lokalen Netzwerken auch aktive Alumni-
Netzwerke zu entwickeln und zu fördern, da insbesondere über Alumni und studentische
Hilfskräfte häufig Kooperationen zustande kommen.
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Für die Umsetzung des Strategiekonzepts bedarf es einer engen Kooperation aus den Kieler
Hochschulen, der Stadt und der IHK zu Kiel. Die Hochschulen können hier den Rahmen für den
Wissenstransfer und die Gründungsförderung stellen. Für die Vergabe von Krediten bei
Neugründungen kann die IHK zu Kiel als Gatekeeper agieren. Zudem verfügt die IHK zu Kiel
zusammen mit der Stadt Kiel über die notwendigen Kompetenzen um Netzwerke aufzubauen und
zu organisieren. Die Lösungsansätze sind dabei nicht trennscharf auf ein bestimmtes
Handlungsfeld beschränkt, sondern wirken sich meist auf eine Kombination der drei
Handlungsfelder aus.
Die Kultur- und Kreativwirtschaft als Motor im Innovationsprozess
Da die Kultur- und Kreativwirtschaft Treiber von Innovationen und Produktivitätssteigerungen ist,
rückt sie in Zeiten der zunehmenden Wissensintensivierung der Wirtschaft immer weiter in den
Fokus der Politik. Neben ihrer regionalwirtschaftlichen Bedeutung für die Untersuchungsregion mit
2.800 Unternehmen und fast 900 Millionen Euro Umsatz, wirkt sich die Kultur- und
Kreativwirtschaft positiv auf das Innovationspotenzial und wissensbasierte Wachstum anderer
Wirtschaftszweige aus und hat somit die Funktion einer Querschnittsbranche.
Wegen der zunehmenden Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft als Standortfaktor und als
Motor für wirtschaftliches Wachstum, wurde dieser Wirtschaftszweig im Rahmen der vorliegenden
Analyse für die Region vertiefend untersucht. Dabei zeigte sich, dass vor allem die Software- und
Games- sowie die Designwirtschaft in Kiel überdurchschnittlich stark vertreten sind. Zudem ergab
die Unternehmensbefragung, dass es erhebliches Potenzial für Design-Dienstleister am Standort
gibt. Dies sind die Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft, die am stärksten den
Wissenstransfer mit Branchen außerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft anregen und die den
größten regionalen Nutzen haben, da sie sowohl stark gewinnorientiert als auch stark mit anderen
Branchen verflochten sind.
In der Kultur- und Kreativwirtschaft sind Clusterbildungen im klassischen Sinn, also die lokale
Ansiedlung von Firmen um eine Wertschöpfungskette oder einen Stoffkreislauf herum um
gegenseitige Synergien zu erwirtschaften, eher die Ausnahme. Sie lebt dagegen von Clustern im
Sinne von Quartieren und den Milieus, die sich daraus ergeben. Die Etablierung dieser kreativen
Milieus ist aufgrund der besonderen Arbeits- und Lebensweise der Akteure der Kultur-und
Kreativwirtschaft an bestimmte Standortanforderungen geknüpft:
Physisches Infrastruktur (günstige Mieten, spezielle technische Ausstattung)
Virtuelle Grundvoraussetzungen (beispielsweise der freie Zugang zu Datenbanken, eine
gut ausgebaute Breitbandversorgung)
Diese Rahmenbedingungen finden sich eher in urbanen Räumen. Aufgrund dessen ist die
Konzentration der Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft in Städten höher als in eher ländlich
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geprägten Regionen. Somit wird innerhalb der Untersuchungsregion überwiegend das Kieler
Stadtgebiet von Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft bei der Standortwahl bevorzugt.
Die Betrachtung der Kultur- und Kreativwirtschaft für die städtebaulichen Entwicklungsprozesse
macht deutlich, dass die Branche ein bedeutender Anstoß bei Stadtentwicklungsprozessen geben
kann. In Kiel konnten zwei Quartiere identifiziert werden, die aufgrund einer hohen Dichte an
Unternehmen und Netzwerken aus der Kultur- und Kreativwirtschaft auf das Vorhandensein
kreativer Milieus hindeuten. Hierbei handelt es sich um das „Muthesius-Quartier“ sowie das
„Ostufer-Quartier“. Neben diesen Kreativ-Quartieren gibt es in Kiel noch weitere Quartiere, wie das
„CAU-Quartier“ und das „Maritime Viertel/Anscharpark“, in denen sich die Kultur- und
Kreativwirtschaft zumindest ansatzweise etabliert hat.
Die Analyse der Netzwerke am Standort ergibt ein sehr breites Bild der Aktivitäten in der
Untersuchungsregion. Diese reichen von formellen Netzwerken, die auf Basis von
Förderprogrammen spezifische Angebote für die Unternehmen oder potenzielle Gründer
bereitstellt bis zu gewachsenen Netzwerken aus der Kultur- und Kreativwirtschaft selbst. Allerdings
ist der Großteil dieser Programme zeitlich befristet oder abhängig von dem Engagement einzelner
Personen. Bei der Analyse wurden Schwachstellen in den Beratungsangeboten identifiziert; dies
betrifft insbesondere Angeboten zum Thema Finanzierung. Außerdem sind die Angebote
hinsichtlich der Flächennutzung für die Kultur- und Kreativwirtschaft in Kiel nicht ausreichend.
Im Strategiekonzept und den Handlungsempfehlungen werden drei wesentliche Aufgaben
identifiziert, die für die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion
erfüllt werden müssen:
(1) Vernetzung und Sichtbarkeit der Akteure erhöhen
Dies kann durch einen zentralen Ansprechpartner gelingen, der als Interessenvertreter nach
außen wirken kann und gleichzeitig als zentraler Ansprechpartner nach innen wirkt. Darüber
hinaus sollte auch die Gründungsberatung zentrale Aufgabe dieser Stelle sein. Durch die
Beauftragung eines Ansprechpartners für die Kultur- und Kreativwirtschaft würden alle drei
Problemfelder abgedeckt: die Sichtbarkeit und Wahrnehmung der Branche wird gestärkt; fundierte
wirtschaftliche und unternehmensspezifische Kenntnisse helfen den Unternehmen der Kultur- und
Kreativwirtschaft bei strategischen, organisatorischen und finanziellen Aspekten; die Vernetzung
der Unternehmen mit anderen Branchen und potenziellen Kunden wird unterstützt.
Neben der Erhöhung der allgemeinen Sichtbarkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft sollten am
Standort Kiel insbesondere die Bereich Design und die Software- und Games-Branche in den
Vordergrund gerückt werden. Außerdem erscheint in diesen beiden Bereichen eine Profilschärfung
für den Standort sinnvoll.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
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(2) Qualifizierung der Akteure
Aufgrund der beschränkten Ressourcen bei den vorhandenen Beratung- und
Qualifizierungsangeboten, bieten sich neben einem zentralen Ansprechpartner Kooperationen mit
Unternehmen an, um die Strukturen innerhalb der Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft
zu professionalisieren. Auch durch den Aufbau von Plattformen zum Wissensaustausch können
wesentliche Defizite bezüglich der Qualifizierung beseitigt werden.
Weiterer Handlungsbedarf wurde auch bei Thema Ideen- bzw. Unternehmensfinanzierung
identifiziert. Die Wirtschaftsförderung kann hier Aufklärungsarbeit bei den Banken leisten, um die
Kreditaufnahme für die Unternehmen zu erleichtern. Eine Alternative zu einem Kredit stellt auch
Venture Capital dar. Die vorhandenen Angebote in der Untersuchungsregion könnten noch
spezifischer auf die Kultur- und Kreativwirtschaft ausgerichtet werden. Eine weitere Möglichkeit der
Mittelbeschaffung für die Kultur- und Kreativwirtschaft bieten Crowdfunding-Portale.
(3) Quartiersentwicklung
Hinsichtlich der Entwicklung von zusätzlichen kreativen Quartieren wird keine konkrete
Empfehlung für die Untersuchungsregion ausgesprochen, da eine gesteuerte Entwicklung für die
Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht Erfolg versprechend zu sein scheint. Es empfiehlt
sich eher, die bereits vorhandenen kreativen Quartiere zu stärken als neue Konkurrenz in diesem
Feld aufzubauen. Die Etablierung von kreativen Milieus entsteht durch die Aktionen und
Handlungen aus der Kultur-und Kreativwirtschaft und kann nicht durch öffentliche Projekte oder
Institutionen herbeigeführt werden. Jedoch können bestimmte Maßnahmen die Entwicklung von
kreativen Milieus oder Stätten unterstützen und fördern.
Wichtig ist dabei, dass der Antrieb immer noch aus der Szene kommen muss. Ein erzwungenes,
aufgesetztes Projekt erscheint wenig Erfolg versprechend. Das bedeutet für die Stadt und zum Teil
auch für die Muthesius Kunsthochschule: Unterstützung ja, Mitsprache nur bedingt und
keine/wenig Firmierung.
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Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung 3
Inhaltsverzeichnis 10
Tabellenverzeichnis 12
Abbildungsverzeichnis 13
1 Einleitung 14
2 Quantitativ-monetäre Basisanalyse 16
2.1 Einleitung 16
2.2 Darstellung der Untersuchungsregion 16
2.3 Ausgabenstruktur der Kieler Hochschulen 28
2.4 Methodische Grundlagen: Multiplikatoranalyse des Hochschulstandorts Kiel 29
2.5 Die Kieler Hochschulen als Arbeitgeber 34
2.6 Nachfrageeffekte und Drittmittel der Kieler Hochschulen 37
2.6.1 Nachfrageffekte der Hochschulangehörigen 37
2.6.2 Nachfrageeffekte der Sach-, Bau- und Investitionsausgaben 39
2.6.3 Nachfrageeffekte der Kieler Studierenden 41
2.6.4 Die Kieler Hochschulen und eingeworbene Drittmittel 44
2.7 Indirekte Beschäftigungseffekte der Kieler Hochschulen 45
2.8 Zusammenfassende Übersicht der Nachfrage- und Beschäftigungseffekte der Kieler
Hochschulen 47
3 Wissenstransfer in der Region 52
3.1 Einleitung 52
3.2 Die Kieler Hochschulen und die Region – Ein Überblick 53
3.3 Wissenstransfer durch Kooperation 55
3.3.1 Einleitung 55
3.3.2 Potenzial zur Zusammenarbeit in der Region 56
3.3.3 Projekte und Forschung 58
3.3.4 Bewertung der Zusammenarbeit in der Region 59
3.3.5 Die Außensicht auf Kooperationen mit den Kieler Hochschulen 64
3.4 Wissenstransfer durch Köpfe 68
3.5 Gründer und Gründungen 71
3.6 Fazit 77
3.7 Strategiekonzept 80
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
11
4 Kultur- und Kreativwirtschaft 91
4.1 Branchenabgrenzung 91
4.2 Die Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion 93
4.2.1 Quantitative Analyse: Die wirtschaftliche Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft in
der Untersuchungsregion 93
4.2.2 Strukturelle Analyse: Branchenübergreifende Effekte 101
4.3 Cluster und Quartiere der Kultur- und Kreativwirtschaft 114
4.3.1 Standortbedingungen für die Kultur- und Kreativwirtschaft 114
4.3.2 Ansätze für die Stadtentwicklung 117
4.3.3 Situation in Kiel 119
4.4 Kooperationen und Netzwerke der Kultur- und Kreativwirtschaft 122
4.4.1 Situation in der Untersuchungsregion 123
4.5 SWOT-Analyse der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion 128
4.6 Handlungsbedarf und Strategie 132
4.7 Handlungsempfehlungen für die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft 136
Literaturverzeichnis 143
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
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Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Bevölkerungsstand und -entwicklung in der Untersuchungsregion ............................... 18
Tabelle 2: Bruttoinlandsprodukt der Untersuchungsregion ............................................................ 21
Tabelle 3: Entwicklung der Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ........................ 22
Tabelle 4: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Bereichen............................................ 24
Tabelle 5: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Wirtschaftsabschnitten ........................ 25
Tabelle 6: Arbeitslosigkeit in der Untersuchungsregion ................................................................. 28
Tabelle 7: Ausgewählte Ausgabenpositionen der Kieler Hochschulen .......................................... 29
Tabelle 8: Verwendete Faktoren für das Multiplikatormodell ......................................................... 34
Tabelle 9: Beschäftigte der Kieler Hochschulen ............................................................................ 36
Tabelle 10: Direkte Nachfrageeffekte der Hochschulbediensteten ................................................ 38
Tabelle 11: Nachfrageeffekte der Sachausgaben der Kieler Hochschulen .................................... 40
Tabelle 12: Nachfrageeffekte der Bauausgaben der Kieler Hochschulen ...................................... 40
Tabelle 13: Nachfrageeffekte der Investitionsausgaben der Kieler Hochschulen .......................... 41
Tabelle 14: Wanderungssaldo in der Untersuchungsregion .......................................................... 42
Tabelle 15: Studierende der Kieler Hochschulen nach Typisierung ............................................... 43
Tabelle 16: Direkte und indirekte Ausgaben der Kieler Studierenden ............................................ 44
Tabelle 17: Einnahmen durch Drittmittel der Kieler Hochschulen .................................................. 45
Tabelle 18: Indirekte Beschäftigungseffekte der Kieler Hochschulen ............................................ 46
Tabelle 19: Direkte und indirekte Nachfrageeffekte der Kieler Hochschulen ................................. 48
Tabelle 20: Vergleichskennziffern ................................................................................................. 50
Tabelle 21: Direkte und indirekte Beschäftigungseffekte der Kieler Hochschulen.......................... 51
Tabelle 22: Bewertung der Zusammenarbeit ................................................................................. 63
Tabelle 23: Einschätzung der Praxisorientierung .......................................................................... 65
Tabelle 24: Relevanz von Teilaspekten der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft ... 67
Tabelle 25: Rekrutierungsprobleme in der Untersuchungsregion .................................................. 69
Tabelle 26: Die Kultur- und Kreativwirtschaft und ihre Teilmärkte ................................................. 92
Tabelle 27: Unternehmenskennzahlen der Kultur- und Kreativwirtschaft ....................................... 94
Tabelle 28: Entwicklung der Anzahl der Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft ............... 97
Tabelle 29: Beschäftigtendaten der Kultur- und Kreativwirtschaft .................................................. 99
Tabelle 30: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte der Kultur- und Kreativwirtschaft .............. 100
Tabelle 31: Organisation der Design-Prozesse in Unternehmen ................................................. 108
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die Untersuchungsregion ......................................................................................... 17
Abbildung 2: Schematische Darstellung indirekter und direkter Nachfrageeffekte ......................... 31
Abbildung 3: Schematische Darstellung indirekter und direkter Nachfrageeffekte ......................... 49
Abbildung 4: Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Hochschulen in der Region .................... 56
Abbildung 5: Mit wem arbeiten die Unternehmen zusammen? ...................................................... 57
Abbildung 6: Wer kommt für eine Zusammenarbeit infrage? ......................................................... 57
Abbildung 7: Beginn der Zusammenarbeit .................................................................................... 60
Abbildung 8: Art der Zusammenarbeit ........................................................................................... 61
Abbildung 9: Beschäftigung von Studierenden und deren Herkunft ............................................... 62
Abbildung 10: Art der möglichen Kooperation ............................................................................... 66
Abbildung 11: Relevanz der Kieler Hochschulen zur Deckung des Fachkräftebedarfs .................. 70
Abbildung 12: Venture-Capital in Deutschland: Verteilung der investierten Mittel .......................... 76
Abbildung 13: SWOT-Analyse des Hochschulstandorts Kiel ......................................................... 79
Abbildung 14: Beispielhafter Aufbau eines Alumni-Programms ..................................................... 86
Abbildung 15: Lebenszyklusbetrachtung Bindungsfähigkeit Studierende ...................................... 87
Abbildung 16: Die Kultur- und Kreativwirtschaft im Vergleich ........................................................ 95
Abbildung 17: Verflechtungsgrad und Gewinnorientierung der Teilmärkte .................................. 103
Abbildung 18: Zusammenarbeit von Wirtschaft und Design ........................................................ 107
Abbildung 19: Zufriedenheit mit den regionalen Design-Dienstleistungen im Bereich
Produktentwicklung ..................................................................................................................... 109
Abbildung 20: Zufriedenheit mit den regionalen Design-Dienstleistungen im Bereich Produktion 109
Abbildung 21: Zufriedenheit mit den regionalen Design-Dienstleistungen im Bereich
Vertrieb/Marketing ....................................................................................................................... 110
Abbildung 22: Zufriedenheit mit den regionalen Design-Dienstleistungen im Bereich Service ..... 110
Abbildung 23: Gründe für die Zusammenarbeit in den verschiedenen Bereichen ....................... 111
Abbildung 24: Bekanntheit von zumindest einem Design-Dienstleister ....................................... 112
Abbildung 25: Entscheidender Grund für Zusammenarbeit ......................................................... 113
Abbildung 26: Mietpreise in ausgewählten deutschen Großstädten ............................................ 115
Abbildung 27: Städtebaulicher Entwicklungsprozess .................................................................. 118
Abbildung 28: SWOT-Analyse der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion ..... 128
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
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1 Einleitung
Die IW Consult GmbH wurde im Sommer des Jahres 2012 beauftragt, die regionalwirtschaftliche
Bedeutung der Hochschulen und der Kultur- und Kreativwirtschaft am Standort Kiel zu analysieren.
Ziel dieser Untersuchung ist es, Handlungsempfehlungen für eine noch intensivere
Zusammenarbeit von Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung in der Untersuchungsregion zu
geben.
Die fünf gleichberechtigten Auftraggeber Landeshauptstadt Kiel, IHK zu Kiel, Christian-Albrechts-
Universität (CAU), Muthesius Kunsthochschule sowie die Fachhochschule (FH) Kiel haben bereits
im Mai 2011 eine Kooperationsvereinbarung geschlossen, um die vorhandenen Kompetenzen
noch besser zu vernetzen, die Nähe von Hochschulausbildung und wirtschaftlicher Praxis zu
erhöhen und das innovations- und investitionsfreundliche Klima zu fördern.
Die vorliegende Untersuchung bietet für diese Zielsetzung eine umfangreiche Bestandsaufnahme
der derzeitigen Situation, insbesondere bei Fragen zur regionalwirtschaftlichen Bedeutung der
Hochschulen. Auf Grundlage dieser Analysen wird auch geklärt, welche Maßnahmen zu einer
noch effektiveren Zusammenarbeit bzw. einer stärkeren Wirkung auf die regionale Wirtschaft
führen können.
In einem ersten Untersuchungsschritt werden die Beschäftigungs- und Nachfrageeffekte, die
von den Kieler Hochschulen auf die Untersuchungsregion ausgehen, quantifiziert. Der
Hochschulstandort Kiel mit über 6.000 Beschäftigten und über 30.000 Studierenden hat eine
enorme wirtschaftliche Bedeutung für die Stadt Kiel und die gesamte Untersuchungsregion. Die im
Jahr 1665 gegründete Christian-Albrechts-Universität und die Fachhochschule Kiel zählen zu den
größten ihrer Art in Schleswig-Holstein. Die Muthesius Kunsthochschule kann auf eine über 100-
jährige Tradition zurückblicken und bildet am neuen Standort in der Kieler Innenstadt ein
kulturelles und innovatives Highlight.
Die Forschungsschwerpunkte der Universität befinden sich unter anderem in den Bereichen
Meeres- und Geowissenschaften und in der Entzündungsforschung. Auf diesen beiden Gebieten
sind zudem in den letzten Jahren Exzellenzcluster entstanden. In der Fachhochschule werden
neben der praxisnahen Ausbildung auch in der Forschung zukunftsrelevante Fragen beantwortet.
Im Kompetenzzentrum Elektromobilität Schleswig-Holstein (KEHS) wird beispielsweise in
Zusammenarbeit mit Unternehmen aus der Wirtschaft an einem Mobilitätskonzept für die Zukunft
geforscht.
Die Aktivitäten der Hochschulen im Bildungs- und Forschungsbereich machen zugleich deren
Bedeutung für das Innovationsgeschehen am Standort deutlich. Der Wissenstransfer in die
regionale Wirtschaft bildet daher auch den zweiten inhaltlichen Schwerpunkt der Untersuchung.
Die Transferaktivitäten finden dabei auf sehr unterschiedlichen Wegen statt, wobei der Austausch
„über Köpfe“, also insbesondere über die Hochschulabsolventen, einen Schwerpunkt bildet.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
15
Da die regionalen Wirtschaftsstrukturen einem permanenten Wandel unterliegen und regionale
Hochschulen für das Innovationspotenzial der Unternehmen einer Region von großer Bedeutung
sind, liegt in dieser Zusammenarbeit ein Fokus im Bereich Wissenstransfer. Hierbei wird
untersucht, wie die Zusammenarbeit zustande kam, wie sie von den Unternehmen bewertet wird
und welches Potenzial für eine weitere und vertiefende Zusammenarbeit besteht. Daneben werden
auch die Rolle der Hochschulen bei Fachkräfteversorgung im Allgemeinen und die Wirkung von
Unternehmensgründungen aus der Hochschule thematisiert.
Den dritten inhaltlichen Schwerpunkt in der Untersuchungsregion bildet schließlich die Kultur- und
Kreativwirtschaft. Diese rückte in den letzten Jahren immer stärker als wichtiger Standortfaktor in
den Fokus. In einer zunehmend wissensorientierten Gesellschaft werden diesem Bereich wichtige
Funktionen in Bezug auf Imagebildung und Lebensgefühl zugeschrieben.
Aus regionalökonomischer Sicht stellt das Vorhandensein einer starken kreativen Klasse aber
auch einen zunehmend bedeutenden Standortfaktor dar. Mit der zunehmenden
Wissensintensivierung weiter Teile des wirtschaftlichen Lebens gehen von diesem Segment
wichtige Impulse zur Innovationsförderung und damit zur Produktivitätssteigerung aus. Mit der
Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft sind demnach vielfältige Hoffnungen bis hin zu einer
Förderung des wirtschaftsstrukturellen Wandels verknüpft.
So attraktiv eine starke Kultur- und Kreativwirtschaft für einen Standort ist, so schwierig ist es,
deren Entwicklung von öffentlicher Seite zu fördern. In einem ersten Schritt erfolgt daher eine
quantitative Analyse der Struktur der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion, da
ein besseres Verständnis für die regionalen Besonderheiten des Sektors notwendig ist, um
Maßnahmen für dessen Förderung zu entwickeln. Für Unternehmen der Kultur- und
Kreativwirtschaft spielen dabei insbesondere weiche Faktoren, wie die Vernetzungs- und
Kooperationsmöglichkeiten mit anderen Unternehmen und ein kreatives Milieu in der Umgebung,
eine bedeutende Rolle. In diesem Bereich liegen daher auch mögliche kommunale
Unterstützungsinstrumente für die künftige erfolgreiche Entwicklung der Kultur- und
Kreativwirtschaft.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
16
2 Quantitativ-monetäre Basisanalyse
2.1 Einleitung
Im ersten Untersuchungsbaustein werden die wirtschaftlichen Effekte ermittelt, die von den
Hochschulen am Standort Kiel ausgehen. Diese quantitativ-monetäre Analyse umfasst dabei
sowohl die primären Effekte, als auch die sekundären Effekte, die durch die Hochschulen
ausgelöst werden. Berücksichtigt werden dabei folgende Aspekte:
Hochschulen als Arbeitgeber,
Hochschulen als öffentliche Auftraggeber,
Drittmittel und
Studierende als Wirtschaftsfaktor.
Zur besseren Bewertung und Einordnung der Analyseergebnisse wird in einem ersten Schritt die
Untersuchungsregion mit ihren strukturellen Besonderheiten vorgestellt.
2.2 Darstellung der Untersuchungsregion
Im Folgenden soll die räumliche Untersuchungsebene, auf die sich nachfolgend die Studie zur
Bestimmung der regionalen Beschäftigungs- und Nachfrageeffekte der Kieler Hochschulen
bezieht, definiert und allgemein betrachtet werden. Im Rahmen dieser kurzen Beschreibung sollen
die Bevölkerungszahlen und deren Entwicklung, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sowie der
regionale Arbeitsmarkt kurz beleuchtet werden. Die Untersuchungsregion Kiel besteht gemäß der
Aufgabenstellung nicht nur aus der Landeshauptstadt Kiel, sondern umfasst zusätzlich die
kreisfreie Stadt Neumünster sowie die umliegenden Landkreise Rendsburg-Eckernförde, Plön,
Steinburg und Pinneberg. Somit bezieht sich die nachfolgende Studie auf sechs der 15 Kreise
bzw. kreisfreien Städte des Bundeslandes Schleswig-Holstein. Diese geografische Abgrenzung
der Untersuchungsregion entspricht zudem dem Arbeits- und Einzugsbereich der IHK zu Kiel und
soll in der folgenden Abbildung 1 noch einmal grafisch veranschaulicht werden.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
17
Abbildung 1: Die Untersuchungsregion
Quelle: IW Consult (2012); Statistisches Bundesamt (12.12.2012).
Bevölkerungsentwicklung in der Untersuchungsregion
Die Untersuchungsregion hat zum 31.12.2011 insgesamt 1.158.808 Einwohner. Dabei kann die
Region im Gegensatz zum deutschen Trend einen Bevölkerungszuwachs verzeichnen. So beläuft
sich die Einwohnerzahl der sechs betrachteten Kreise bzw. kreisfreien Städte im Jahr 2000 noch
auf 1.143.084. Der Zuwachs der Bevölkerung im Betrachtungszeitraum vom Jahr 2000 bis zum
Jahr 2011 entspricht somit insgesamt einem Plus von 1,4 Prozent. Im Vergleich dazu nimmt die
Bevölkerung in Deutschland im gleichen Zeitraum um 0,5 Prozent ab. Betrachtet man die
Bevölkerungsentwicklung der einzelnen Kreise und kreisfreien Städte, so ist ersichtlich, dass die
positive Bevölkerungsentwicklung der gesamten Untersuchungsregion im Besonderen auf die der
kreisfreie Stadt Kiel und den an die Metropolregion Hamburg angrenzenden Landkreis Pinneberg
zurückzuführen ist. Deren Bevölkerungszuwachs ist im Betrachtungszeitraum relativ stark, sodass
bezogen auf den Trend der gesamten Untersuchungsregion die negative Bevölkerungsentwicklung
der anderen Kreise mehr als ausgeglichen werden kann. Mit 242.041 Einwohnern zum 31.12.2011
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
18
verzeichnet die kreisfreie Stadt Kiel zum Stichtag gut 4 Prozent mehr Einwohner als noch im Jahr
2000. Die Einwohnerzahl des Landkreises Pinneberg (305.102 zum 31.12.2011) steigt im selben
Zeitraum sogar um 4,6 Prozent. Lediglich der Landkreis Plön verzeichnet noch ein
Bevölkerungswachstum von 0,4 Prozent im Betrachtungszeitraum, die Kreise Rendsburg-
Eckernförde (-0,4 Prozent) und Steinburg (-2,8 Prozent) sowie die kreisfreie Stadt Neumünster
(-3,6 Prozent) verlieren im angegebenen Betrachtungszeitraum an Einwohnern (Tabelle 1).
Tabelle 1: Bevölkerungsstand und -entwicklung in der Untersuchungsregion
(Bevölkerungsstand jeweils am 31.12.)
2000 2011 Entwicklung 2000 – 2011
Kiel, kreisfreie Stadt 232.612 242.041 4,1%
Neumünster, kreisfreie Stadt
79.831 76.939 -3,6%
Pinneberg, Landkreis 291.609 305.102 4,6%
Plön, Landkreis 132.895 133.433 0,4%
Rendsburg-Eckernförde, Landkreis
270.110 269.019 -0,4%
Steinburg, Landkreis 136.027 132.274 -2,8%
Gesamt 1.143.084 1.158.808 1,4%
Zum Vergleich: Hansestadt Hamburg
1.715.392 1.798.836 4,9%
Schleswig-Holstein 2.789.761 2.837.641 1,7%
Deutschland insgesamt 82.259.540 81.843.743 -0,5%
Quelle: IW Consult (2012); Statistisches Bundesamt (12.12.2012).
Diese Bevölkerungsentwicklung steht somit gänzlich im Zeichen der Urbanisierung: Speziell
Städte, wie die Landeshauptstadt Kiel oder an Ballungsgebiete angrenzende Kreise, wie etwa der
Kreis Pinneberg, welcher an die Metropolregion Hamburg anschließt, gewinnen Einwohner.
Ländliche Gegenden und dort angesiedelte kleinere Städte hingegen verlieren Einwohner. Dieser
Trend wird sich laut Prognose des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
auch zukünftig fortsetzen. Demnach werden nur die kreisfreie Stadt Kiel und der Landkreis
Pinneberg im Betrachtungszeitraum von 2011 bis 2025 einen Einwohnerzuwachs verzeichnen
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
19
können. Die Bevölkerung in Kiel wird entsprechend um 3,2 Prozent auf 248.200 Einwohner
anwachsen und die Einwohnerzahl des Landkreises Pinneberg wird weniger stark um 1,3 Prozent
steigen, was wiederum einer Bevölkerungszahl von 309.000 Einwohnern im Jahr 2025 entspricht.
Alle anderen Kreise bzw. kreisfreien Städte der Untersuchungsregion hingegen werden in diesem
Zeitraum an Einwohnern verlieren: Landkreis Rendsburg-Eckernförde (-3,8 Prozent), Landkreis
Plön (-4,9 Prozent), Landkreis Steinburg (-6,1 Prozent) und die kreisfreie Stadt Neumünster
(-6,4 Prozent). Im Gegensatz zu der Entwicklung im Betrachtungszeitraum wird die positive
Bevölkerungsentwicklung der Landeshauptstadt Kiel sowie des Kreises Pinneberg zukünftig nicht
den negativen Trend der anderen zur Betrachtungsregion gehörenden und oben angeführten
Kreise ausgleichen können. Dementsprechend wird die Bevölkerungszahl der gesamten
Untersuchungsregion bis zum Jahr 2025 um 1,6 Prozent auf 1.136.500 Einwohner sinken; diese
Tatsache korrespondiert mit dem negativen Trend sowohl für Schleswig-Holstein (-1,4 Prozent) als
auch für die gesamte Bundesrepublik Deutschland. Diese langfristige Entwicklung wird neben der
Urbanisierung zusätzlich von den Auswirkungen des demografischen Wandels verursacht.
Zusammenfassend zeigt sich in der sechs Kreise bzw. kreisfreie Städte umfassenden
Untersuchungsregion in ihrer zurückliegenden und zukünftigen Bevölkerungsentwicklung ein
uneinheitliches Bild: Im Rahmen der Urbanisierung gewinnen speziell die Landeshauptstadt Kiel
und der Kreis Pinneberg – aufgrund seiner Nähe zur Hansestadt Hamburg – an Bevölkerung; die
übrigen ländlicheren Kreise und die kreisfreie Stadt Neumünster können nicht von dieser
Entwicklung profitieren.
Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts
Das Bruttoinlandsprodukt der Untersuchungsregion steigt im Betrachtungszeitraum, sprich in den
Jahren von 2000 bis 2009, um 14,1 Prozent. Damit schneidet die zu untersuchende Region im
Vergleich zum gesamten Bundesland Schleswig-Holstein überdurchschnittlich ab: Hier entwickelt
sich das Bruttoinlandsprodukt im Vergleichszeitraum nur um 13,3 Prozent. Setzt man das
Wachstum des Bruttoinlandsprodukts allerdings zur gesamten deutschen Entwicklung
(+16,2 Prozent) und derjenigen der Metropolregion Hamburg in Relation (+16,5 Prozent), so
schneidet die Untersuchungsregion weniger gut ab.
Betrachtet man das Bruttoinlandsprodukt bzw. dessen Entwicklung nach Kreisen, so verzeichnet
der Landkreis Pinneberg den stärksten Zuwachs mit einem Plus von 19,1 Prozent. Die
Landeshauptstadt Kiel hingegen kann im gleichen Zeitraum nur ein Wachstum von 12,2 Prozent
aufweisen, nur das Bruttoinlandsprodukt des Landkreises Rendsburg-Eckernförde (+11,9 Prozent)
entwickelt sich im Vergleich zu den weiteren Kreisen und kreisfreien Städten der
Untersuchungsregion weniger stark. Diese im Vergleich zu den anderen Kreisen der
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
20
Untersuchungsregion unterdurchschnittliche prozentuale Entwicklung des Bruttoinlandprodukts der
Landeshauptstadt Kiel erklärt sich vor allem aus dem schon im Jahr 2000 relativ hohen Niveau des
Bruttoinlandprodukts der Stadt Kiel von 8.136 Millionen Euro. Im Vergleich dazu verzeichnete der
Kreis Rendsburg-Eckernförde zum gleichen Zeitpunkt nur ein Bruttoinlandsprodukt von
5.493 Millionen Euro, der Kreis Plön sogar nur ein Bruttoinlandsprodukt von 1.901 Millionen Euro.
Generell zeigt sich vielmehr bei der Betrachtung der absoluten Werte sowie der Pro-Kopf-Werte
des Bruttoinlandsprodukts die wirtschaftliche Stärke der Landeshauptstadt Kiel und des Hamburg
nahen Kreises Pinneberg. So beträgt die Wirtschaftsleistung in Kiel im Jahr 2009 9.126 Millionen
Euro. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt, erzielte der Landkreis Pinneberg im selben Jahr die
zweitstärkste Wirtschaftsleistung in der Untersuchungsregion mit einem Bruttoinlandsprodukt von
8.527 Millionen Euro. Damit werden im Jahr 2009 alleine von den beiden hervorgehobenen
Kreisen bzw. kreisfreien Städten 55 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der gesamten
Untersuchungsregion erwirtschaftet. Wobei, wie schon oben angesprochen, das Wachstum im
Landkreis Pinneberg mit 19,1 Prozent im Zeitraum von 2000 bis 2009 dynamischer verläuft, als in
der Landeshauptstadt Kiel mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 12,2 Prozent.
Diese überdurchschnittliche Wachstumsdynamik lässt sich durchaus mit der geografischen Nähe
des Kreises zur Metropolregion Hamburg erklären, deren positive Wachstumsimpulse auch auf
das Umland ausstrahlen. Die wirtschaftliche Stärke der Landeshauptstadt Kiel sowie des Kreises
Pinneberg spiegelt sich auch in den Pro-Kopf-Werten des Bruttoinlandprodukts von 38.422 Euro in
der Landeshauptstadt Kiel und 28.262 Euro im Kreis Pinneberg im Jahr 2009 wider. Im Vergleich
wurde in Deutschland im gleichen Jahr ein durchschnittliches Bruttoinlandsprodukt von 23.662
Euro pro Kopf generiert. Dies spricht wiederum für die wirtschaftliche Stärke und Attraktivität der
Landeshauptstadt Kiel sowie auch des Kreises Pinneberg.
Zusammenfassend zeigen sich – ähnlich wie bei der Bevölkerungsentwicklung – auch in Bezug
auf die Wirtschaftskraft gemessen am Bruttoinlandsprodukt die Landeshauptstadt Kiel und der
Kreis Pinneberg als „Spitzenreiter“ der Region. Die vier weiteren, eher ländlich geprägten
Gegenden verzeichnen zwar auch eine positive Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts – sowohl
absolut als auch in Pro-Kopf-Werten –, vom Niveau reichen diese Werte jedoch nicht an die der
Landeshauptstadt Kiel und des Kreises Pinneberg heran. Eine detailliert Übersicht der absoluten
und Pro-Kopf-Werte des Bruttoinlandprodukts als auch der prozentualen Entwicklung beider
Größen vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2009 gibt die Tabelle 2.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
21
Tabelle 2: Bruttoinlandsprodukt der Untersuchungsregion absolut (Millionen Euro)
und in Pro-Kopf-Werten (Euro)
2000 2009 Entwicklung 2000 – 2009
absolut pro
Kopf absolut
pro Kopf
absolut pro
Kopf
Kiel, kreisfreie Stadt
8.136 34.925 9.126 38.422 12,2% 10,0%
Neumünster, kreisfreie Stadt
2.146 26.784 2.431 31.596 13,3% 18,0%
Pinneberg, Landkreis
7.160 24.670 8.527 28.262 19,1% 14,6%
Plön, Landkreis 1.901 14.356 2.157 16.027 13,5% 11,6%
Rendsburg-Eckernförde, Landkreis
5.493 20.413 6.146 22.677 11,9% 11,1%
Steinburg, Landkreis
3.320 24.434 3.743 27.985 12,7% 14,5%
Gesamt 28.157 - 32.130 - 14,1% -
Zum Vergleich: Hansestadt Hamburg
72.554 42.423 72.554 42.423 16,5% 12,1%
Schleswig-Holstein 64.853 - 73.486 - 13,3% -
Deutschland insgesamt
2.062.500 23.622 2.062.500 23.622 16,2% 16,5%
Quelle: IW Consult (2012).
Entwicklung sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
Betrachtet man die Veränderungen bei der Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in
der Untersuchungsregion ausgehend vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2011, so verzeichnet die
Untersuchungsregion insgesamt einen Zuwachs von rund 1,4 Prozent und bleibt somit hinter der
bundesdurchschnittlichen Veränderung von 2,0 Prozent als auch hinter der gesamt schleswig-
holsteinischen Änderungsrate von rund 2,8 Prozent zurück. Im Vergleich erlebt die Hansestadt
Hamburg im Betrachtungszeitraum einen gegenüber den Werten der Untersuchungsregion
überdimensionalen Zuwachs von etwa 10 Prozent. Der im Bundesvergleich unterdurchschnittliche
Zuwachs bei der Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist generell auf die
unterschiedlichen Entwicklungen der einzelnen Kreise und kreisfreien Städte zurückzuführen. So
verloren speziell die ländlich geprägten Kreise Plön, Rendsburg-Eckernförde sowie Steinburg in
Laufe der letzten elf Jahre bis zu 2,4 Prozent ihrer sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.
Hingehen konnten sowohl die kreisfreien Städte Kiel und Neumünster als auch der im
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
22
Einzugsgebiet Hamburgs gelegene Kreis Pinneberg eine positive Entwicklung verzeichnen:
kreisfreie Stadt Kiel (+2,1 Prozent), kreisfreie Stadt Neumünster (+5,4 Prozent) und Landkreis
Pinneberg (+2,8 Prozent). Dieser Trend wird primär von zwei Faktoren getrieben: Zum einen von
der Urbanisierung, die sowohl in der Stadt Kiel als auch im Kreis Pinneberg zu einem
Bevölkerungsanstieg führt, zum anderen von der Wirtschafts- und Strukturstärke eben dieser
Regionen. Da die kreisfreie Stadt Neumünster unter Bevölkerungsschwund leidet, jedoch im
Vergleich aller sechs Kreise bzw. kreisfreien Städte der Untersuchungsregion den stärksten
Zuwachs an sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aufweist, ist diese Beobachtung dem
zweiten Treiber zuzuordnen und/oder als Einzeleffekt zu werten. Somit zeichnet sich auch in
Bezug auf die Entwicklung bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, wie schon unter den
vorhergehenden Betrachtungspunkten, die strukturelle und wirtschaftliche Bedeutung der von der
Urbanisierung zudem begünstigten kreisfreien Stadt Kiel und des Kreises Pinneberg für die
Untersuchungsregion ab. Eine Übersicht über die Entwicklung der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten der einzelnen Kreise, der gesamten Betrachtungsregion sowie gewisser
Vergleichsgrößen gibt die Tabelle 3.
Tabelle 3: Entwicklung der Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
absolut (Euro) und prozentual
2000 2009 2011
Entwicklung 2000 – 2011
Kiel, kreisfreie Stadt 104.020 104.052 106.191 2,09%
Neumünster, kreisfreie Stadt
31.130 31.718 32.796 5,35%
Pinneberg, Landkreis 78.674 79.052 80.857 2,77%
Plön, Landkreis 24.162 22.870 23.681 -1,99%
Rendsburg-Eckernförde, Landkreis
66.591 65.658 66.468 -0,18%
Steinburg, Landkreis 34.682 32.823 33.835 -2,44%
Gesamt 339.259 336.173 343.828 1,35%
Zum Vergleich: Hansestadt Hamburg
762.471 809.315 835.148 9,53%
Schleswig-Holstein 819.501 815.955 842.006 2,75%
Deutschland insgesamt 27.825.624 27.380.096 28.381.343 2,00%
Quelle: IW Consult (2012); Statistisches Bundesamt (2012).
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
23
Die Betrachtung der Zahlen bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach
Wirtschaftssektoren (siehe Tabelle 4) verdeutlicht, dass jegliche Kreise bzw. kreisfreien Städte der
Untersuchungsregion primär dienstleistungsversiert sind. So sind durchschnittlich in der gesamten
Untersuchungsregion 85,5 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im
Dienstleistungssektor beschäftigt. Um an dieser Stelle einen Vergleichspunkt zu setzen, so sind es
im Bundesdurchschnitt nur 79,8 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Die
Landeshauptstadt Kiel ist dabei mit einem Anteil von 89,5 Prozent am stärksten
dienstleistungsfokussiert. Hingegen ist der Kreis Pinneberg in der Untersuchungsregion der am
stärksten industriell geprägte Kreis. Hier sind 18,5 Prozent der sozialversicherungspflichtig
Beschäftigten in der Industrie tätig; dieser Wert liegt knapp unter dem Bundesdurchschnitt von
19,4 Prozent. Die im bundesdeutschen Vergleich überdurchschnittliche
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im primären Sektor, sprich in der Land- und
Forstwirtschaft sowie Fischerei, ist auf die ländlicheren Kreise der Untersuchungsregion – Plön,
Rendsburg-Eckernförde und Steinburg – zurückzuführen und beträgt in Bezug auf die gesamte
Untersuchungsregion durchschnittlich 1,5 Prozent. Betrachtet man den Anteil der
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die wissensintensive Dienstleistungen1 ausführen, an
allen im Dienstleistungssektor sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, so wird in diesem
Zusammenhang die Bedeutung der Stadt Kiel als Wissenschaftsstandort in der
Untersuchungsregion deutlich. So beträgt nach der vom Niedersächsischen Institut für
Wirtschaftsforschung geprägten Definition für wissensintensive Dienstleistungen der Anteil speziell
dieser an allen Dienstleistungen 28,4 Prozent und liegt somit über dem Bundesdurchschnitt von
25,9 Prozent. Generell bleiben alle anderen Kreise bzw. kreisfreien Städte der
Untersuchungsregion – diese Kennziffer betreffend – hinter der Landeshauptstadt zurück. Dieses
Ergebnis verdeutlicht die Bedeutung der Stadt Kiel als Wissenschaftsstandort. Inwiefern dieses
Ergebnis von der Präsenz und dem Wirken der Kieler Hochschulen beeinflusst wird, soll in der
Multiplikatoranalyse genauer untersucht werden.
1 Unter wissensintensiven Dienstleistungen versteht man eine innovationsstarke Sparte des Dienstleistungssektors, in
dem der Anteil der Beschäftigten mit Universitäts- oder Fachhochschulabschluss und/oder der Anteil der Beschäftigten, die sich neben dem Bereich Forschung und Entwicklung auch noch mit Planung, Konstruktion und Design befassen, überdurchschnittlich hoch ist. Vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Hrsg.) (2006): Neuabgrenzung der Wissenswirtschaft: Forschungsintensive Industrien und wissensintensive Dienstleistungen. Studien zum deutschen Innovationssystem Nr. 22-2007, Berlin, S. 11.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
24
Tabelle 4: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Bereichen absolut (Einheiten) und
prozentual in Bezug auf die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am Arbeitsort am
30.06.2010
Primärer Sektor Industrie
1) Dienstleistungen
Wissensintensive Dienstleistungen
absolut in
Prozent absolut
in Prozent
absolut in
Prozent absolut
Anteil an
allen DL
Kiel, kreisfreie Stadt
46 0,1% 10.408 10,5% 88.790 89,5% 25.232 28,4%
Neumünster, kreisfreie Stadt
161 0,6% 3.119 11,0% 25.181 88,5% 4.740 18,8%
Pinneberg, Landkreis
1.972 2,6% 14.026 18,5% 59.807 78,9% 9.929 16,6%
Plön, Landkreis
606 2,8% 1.821 8,4% 19.259 88,8% 3.546 18,4%
Rendsburg-Eckernförde, Landkreis
1.355 2,1% 7.337 11,5% 55.297 86,4% 13.021 23,6%
Steinburg, Landkreis
761 2,5% 4.623 15,3% 24.910 82,2% 4.869 19,6%
Gesamt 4.901 1,5% 41.334 12,9% 273.244 85,5% 61.337 22,5%
Zum Vergleich: Hansestadt Hamburg
740 0,1% 88.795 11,0% 720.259 88,9% 225.667 31,3%
Deutschland insgesamt (in Tsd.)
216,07 0,8% 5.061,89 19,4% 20.879,83 79,8% 5.404,32 25,9%
Anmerkung: 1)
Zur Industrie zählt das Verarbeitende Gewerbe ohne Bau. Ab 2008: Umstellung von WZ 2003 auf WZ 2008.
Quelle: IW Consult (2012); Bundesagentur für Arbeit (2012).
Die Daten über die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nach Wirtschaftsabschnitten in
Tabelle 5 erlauben einen vertiefenden Blick in die Branchenstruktur der Untersuchungsregion und
deren Spezialisierungen.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
25
Tabelle 5: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Wirtschaftsabschnitten
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Arbeitsort am 30.06.2010
Branche
Anzahl sozialversicherungs-pflichtig Beschäftigte
Anteil1)
Spez-Koeff.2)
Handel 59.812 17,0% 118,4
Verarbeitendes Gewerbe 54.387 15,5% 68,8
Gesundheits- und Sozialwesen 48.601 13,8% 108,9
Öffentliche Verwaltung, Verteidigung
27.004 7,7% 133,2
Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen
23.228 6,6% 95,1
Baugewerbe 23.093 6,6% 114,5
Verkehr und Logistik 17.087 4,9% 94,8
Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen
16.775 4,8% 80,0
Erbringung von sonstigen Dienstleistungen
13.690 3,9% 141,3
Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen
13.323 3,8% 109,3
Erziehung und Unterricht 12.910 3,7% 96,6
Gastgewerbe 9.863 2,8% 90,2
Information und Kommunikation 8.776 2,5% 82,0
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei 5.594 1,6% 199,9
Grundstücks- und Wohnungswesen 3.945 1,1% 147,0
Kunst, Unterhaltung und Erholung 3.503 1,0% 117,9
1) Prozentualer Anteil der Beschäftigten in der Branche an der Gesamtbeschäftigtenanzahl.
2) Spezialisierungskoeffizient: Angabe der Beschäftigungsanteile im Vergleich zu Deutschland in
Prozent. Ein niedriger Koeffizient deutet auf unterdurchschnittlich viele Beschäftigte in der Branche hin, ein hoher auf überdurchschnittlich viele Beschäftigte, der Durchschnitt liegt bei 100.
Quelle: IW Consult (2012); Bundesagentur für Arbeit (2012).
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
26
Die höchsten Beschäftigungsanteile in der Untersuchungsregion haben die Branchen Handel,
Verarbeitendes Gewerbe und das Gesundheits- und Sozialwesen. Sie vereinen fast die Hälfte der
sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Region. Der Spezialisierungs-Koeffizient zeigt an,
wie hoch der Beschäftigungsanteil in der Region in Relation zum Anteil auf bundesdeutscher
Ebene ist. Demnach sind Handel und Gesundheits- und Sozialwesen überdurchschnittlich stark in
der Region vertreten (Wert größer als 100), das Verarbeitende Gewerbe dagegen nicht. Der
Beschäftigungsanteil liegt hier etwa ein Drittel unter dem deutschen Durchschnitt und es kann nicht
von einem industriellen Schwerpunkt bei der Branchenstruktur gesprochen werden.
Schwerpunkte in der Wirtschaftsstruktur weist die Region vielmehr in der Land- und Forstwirtschaft
und Fischerei, im Grundstücks- und Wohnungswesen, bei der Erbringung von sonstigen
Dienstleistungen und im Verwaltungsbereich inklusive Verteidigung auf. Bereiche mit einer
höheren Wertschöpfung, wie das Verarbeitende Gewerbe, wissensintensive Dienstleistungen oder
der Bereich Information und Kommunikation, sind dagegen unterdurchschnittlich vertreten.
Diese strukturellen Unterschiede, die Folge eines wirtschaftsstrukturellen Wandels sind, spiegeln
sich letztendlich auch in Sozialindikatoren wie der Arbeitslosenquote wider.
Arbeitslosigkeit in der Untersuchungsregion
Betrachtet man die Arbeitslosenzahlen in der Untersuchungsregion (Tabelle 6), so fällt die positive
Entwicklung der Gesamtregion ins Auge. So sinkt die Arbeitslosenquote bezogen auf alle zivilen
Erwerbspersonen im Vergleich zum Jahr 2000 um 2,2 Prozentpunkte und beträgt im Jahr 2012
durchschnittlich 6,9 Prozent. Trotz dieses positiven Trends liegt die Untersuchungsregion somit
leicht über dem bundesweiten Durchschnitt von 6,8 Prozent im Jahr 2012. Anders als unter den
vorhergehenden Betrachtungspunkten ist die positive Entwicklung der Arbeitslosenquote auf alle
Kreise bzw. kreisfreien Städte der Untersuchungsregion zurückzuführen. Den stärksten Rückgang
verzeichnet der Kreis Steinburg mit einem Minus von 2,6 Prozentpunkten, wohingegen die
schleswig-holsteinische Landeshauptstadt Kiel im Jahr 2011 nur 1,2 Prozentpunkte weniger
Arbeitslose als im Jahr 2000 aufweisen kann. Generell verzeichnen die Kreise, die zu großen
Teilen ländlich geprägt sind, einen stärkeren Rückgang der Arbeitslosenzahlen als die Städte Kiel
und Neumünster. Als Gründe hierfür können auch wieder Urbanisierungseffekte angeführt werden.
Zu unterscheiden ist an dieser Stelle aber, ob die Personen in andere Gebiete, in denen sie eine
Anstellung finden, umsiedeln oder zu ihrer (neuen) Arbeitsstelle pendeln und somit den Wohnort
nicht wechseln. Da die Kreise Plön, Rendsburg-Eckernförde oder Steinburg an Bevölkerung
verlieren (siehe oben), ist in diesen Kreisen der erste angeführte Effekt maßgeblich. Der Kreis
Pinneberg hingegen verzeichnet neben der sinkenden Arbeitslosenquote zusätzlich ein
Bevölkerungswachstum. Dies illustriert zum einen die solide wirtschaftliche Situation, die
Arbeitsplätze in der Region garantiert, zum anderen begründet sich diese positive Entwicklung
beider Kennziffern auch durch die geografische Nähe zur Metropolregion Hamburg. Hamburg ist
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
27
aufgrund der dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung als Arbeitsort attraktiv und zieht einerseits
Arbeitnehmer in die Stadt, die dort ihren Wohnsitz anmelden. Andererseits ziehen in Hamburg
Beschäftigte in die umliegenden Kreise, die zumeist ein preisgünstigeres Wohnumfeld bieten.
Dieser Effekt kann auch auf andere Landkreise wie beispielsweise den Kreis Steinburg, der
geografisch am zweitnächsten zu Hamburg gelegen ist, wirken und so den vergleichsweise
starken Rückgang der Arbeitslosenquote um 2,6 Prozent im Vergleichszeitraum begründen. Auch
die kreisfreien Städte Kiel und Neumünster können ähnlich auf die umliegenden eher ländlich
geprägten Kreise der Untersuchungsregion wirken. Betrachtet man die Arbeitslosenzahlen der
kreisfreien Städte in Relation zu den Kreisen der Untersuchungsregion, so liegen die
Arbeitslosenquoten in den Jahren 2000 und 2012 über denen der Kreise der Untersuchungsregion:
So verzeichnen Kiel und Neumünster im Jahr 2012 eine Arbeitslosenquote von 10,1 bzw.
11,0 Prozent. Hingegen kommt der Kreis Steinburg, der als Kreis die höchste Arbeitslosenquote in
der Untersuchungsregion aufweist, auf einen deutlich niedrigeren Wert von 5,9 Prozent. Im Fall der
Landeshauptstadt Kiel, die – wie im ersten Abschnitt angedeutet – im Betrachtungszeitraum einen
Bevölkerungszulauf erfährt, ist der relativ geringe Rückgang der Arbeitslosenquote (eine
Veränderung von minus 1,2 Prozentpunkten im Betrachtungszeitraum) ein Indikator dafür, dass
nicht alle in Kiel zugezogenen potenziell Erwerbsfähigen am Arbeitsmarkt partizipieren bzw.
partizipieren können.
Für die gesamte Region gesprochen deutet die positive Entwicklung der Arbeitslosenzahlen –
gemäß dem gesamtdeutschen Trend – darauf hin, dass die Untersuchungsregion sowohl die
Einflüsse der Rezession im Nachlauf des Platzens der Dotcom-Blase als auch den bisherigen
Höhepunkt der aktuellen Finanzkrise weitestgehend ausgeglichen hat.
Zusammenfassend fällt die positive Arbeitsmarktentwicklung auf, die in den Kreisen der
Untersuchungsregion stärker ausgeprägt ist als in den kreisfreien Städten. Dort sind zudem
generell höhere Arbeitslosenquoten zu beobachten als in den Kreisen der Untersuchungsregion.
Gründe dafür sind wiederum Urbanisierungseffekte, die Arbeitnehmer permanent oder als
Berufspendler in die Städte ziehen. Die mögliche Rolle der Kieler Hochschulen in diesem
Zusammenhang soll in der folgenden Multiplikatoranalyse der Studie näher beleuchtet werden.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
28
Tabelle 6: Arbeitslosigkeit in der Untersuchungsregion absolut als auch in Bezug auf alle
zivilen Erwerbspersonen (EP) für die Jahre 2000 und 2012
2000 2012
absolut
bezogen auf alle zivilen EP
absolut bezogen auf
alle zivilen EP
Kiel, Landeshauptstadt
12.930 11,3% 12.732 10,1%
Neumünster, Stadt
4.884 12,2% 4.376 11,0%
Pinneberg 11.400 7,7% 8.721 5,5%
Plön 4.374 7,3% 3.613 5,7%
Rendsburg-Eckernförde
9.713 7,7% 7.357 5,5%
Steinburg 5.526 8,5% 3.983 5,9%
Gesamt 48.827 9,1% 40.782 6,9%
Hamburg, Freie und Hansestadt
74.681 8,9% 70.435 7,5%
Deutschland insgesamt
3.889.695 9,6% 2.896.998 6,8%
Quelle: IW Consult (2012); Statistik der Bundesagentur für Arbeit (2012): Arbeitslosigkeit im Zeitverlauf.
Fazit
Fasst man die gesamte vorhergehenden Betrachtung der Bevölkerungsentwicklung, des
Bruttoinlandsprodukts sowie des Arbeitsmarkts zusammen, so ist eindeutig zu erkennen, dass die
gesamte Untersuchungsregion stark von der in Deutschland allgemein zu beobachtenden
Urbanisierung beeinflusst wird. Die untersuchten Kennzahlen zeigen, dass hiervon speziell die
Landeshauptstadt Kiel und der geografisch am nächsten zur Hansestadt Hamburg gelegene Kreis
Pinneberg profitieren. Den genauen Einfluss der Kieler Hochschulen auf die beschriebenen
Größen der Untersuchungsregion wird in den folgenden Kapiteln genauer herausgearbeitet.
2.3 Ausgabenstruktur der Kieler Hochschulen
Nach der kurzen Präsentation der Kieler Hochschulen, welche deren ökonomische Relevanz für
die Untersuchungsregion das zentrale Thema der gesamten Studie und der folgenden
Multiplikatoranalyse darstellt, werden die Ausgabenstruktur der Kieler Hochschulen näher
betrachtet, um hieraus erste Rückschlüsse auf die Bedeutung der Hochschulen zu ziehen.
Tabelle 7 gibt im Rahmen dessen einen Überblick über die wichtigsten Ausgabenpositionen der
Kieler Hochschulen. Dabei zeigt sich ein klares Bild: Die Christian-Albrechts-Universität dominiert
als größte Hochschule alle anderen Hochschulen sowohl in Bezug auf die Gesamtausgaben als
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
29
auch bezogen auf die Ausgabenpositionen wie Personal-, Sach- und Bauausgaben sowie
Investitionen. Somit beträgt der Anteil der Gesamtausgaben der Christian-Albrechts-Universität an
den gesamten Ausgaben aller Kieler Hochschulen knapp 86 Prozent. Betrachtet man die
einzelnen Ausgabenpositionen der Hochschulen, so lässt sich erkennen, dass die Personalkosten
den größten Anteil an den Gesamtausgaben der jeweiligen Hochschule ausmachen: Sie bewegen
sich zwischen rund 65 Prozent (CAU) und knapp 70 Prozent (FH Kiel). Dieser einleitende
Überblick lässt bereits erste Rückschlüsse auf die Bedeutung der Hochschulen für die
Untersuchungsregion zu. Die Höhe der Personalausgaben zeigt beispielsweise, dass die
Hochschulen relevante Arbeitgeber in der Region sind.
Insgesamt belaufen sich die Ausgaben der Kieler Hochschulen auf rund 280 Millionen Euro, pro
Studierenden entspricht dies Ausgaben von ca. 8.890 Euro.
Tabelle 7: Ausgewählte Ausgabenpositionen der Kieler Hochschulen 2011
in Tausend Euro
CAU FH Kiel Muthesius Gesamt
Personalausgaben 157.025 20.576 3.393 181.540
Sachausgaben 47.512 4.259 1.354 53.125
Investitionsausgaben 12.148 1.267 130 13.545
Bauausgaben 23.996 2.983 414* 31.388
Gesamt 240.682 29.085 5.837 279.549
* Aufgrund eines Neubaus fällt der Wert für die Bauausgaben bei der Muthesius
Kunsthochschule im Jahr 2011 außergewöhnlich hoch aus, weshalb ein Durchschnittswert der beiden vorangegangenen Jahre gebildet wurde.
Quelle: CAU (2012); FH Kiel (2012); Muthesius (2012).
2.4 Methodische Grundlagen: Multiplikatoranalyse des Hochschulstandorts Kiel
Um alle Wirkungseffekte der zuvor beschriebenen Ausgaben ermitteln zu können, wird im
Folgenden eine Multiplikatoranalyse durchgeführt. Mithilfe der Multiplikatoranalyse können auf
Basis der direkten Einkommens- und Umsatzeffekte die indirekten Umsatzeffekte bestimmt
werden. Die Multiplikatoranalyse macht sich den Umstand zunutze, dass das direkt erhöhte
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
30
regionale Einkommen durch Wiederverausgabung indirekt die regionale Beschäftigung und damit
wiederum das regionale Einkommen und den regionalen Umsatz erhöht. Theoretisch kann sich
diese indirekte Wirkung unendlich oft wiederholen, sie nimmt in ihrer Intensität aber von Runde zu
Runde ab und konvergiert gegen null. Dies liegt unter anderem daran, dass in jeder Runde
Zahlungen aus der Region abfließen und der Effekt durch Steuer- und Sozialabgaben sowie durch
die private Ersparnisbildung weiter gemindert wird. Bereits in der vierten oder fünften
Wirkungsrunde sind rund 90 Prozent des gesamten Multiplikatoreffekts realisiert.2
Die Kieler Hochschulen sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in der Region. Sie sind
beispielsweise ein wichtiger Arbeitgeber vor Ort und stärken die regionale Nachfrage nach Gütern
und Dienstleistungen. Das geschieht jedoch nicht nur direkt sondern auch indirekt. So lösen die
Ausgaben der Hochschulangestellten und der Studierenden wiederum Nachfrageffekte aus. Aber
auch für die in der Untersuchungsregion angesiedelten Unternehmen ist die Existenz der
Hochschulen von Bedeutung, denn es werden Sach- und Bauausgaben sowie Investitionen
teilweise bei örtlichen Handwerksbetrieben nachgefragt. Diese verausgaben einen Teil ihres so
generierten Einkommens wieder in der Region, was wiederum zu einem Nachfrageeffekt führt. Die
Ausgaben der Hochschulen stoßen also ihrerseits wiederum Nachfrageeffekte in der Region an
(Abbildung 2).
Wie diese Nachfrageeffekte zustande kommen, soll im Folgenden kurz erläutert werden. Die Kieler
Hochschulen beschäftigen Mitarbeiter, die von ihnen Löhne und Gehälter beziehen. Durch die
Bereitstellung von Bildungsdienstleistungen und den Erwerb von Vorleistungen (in Form von
Investitionsgütern und Dienstleistungen) bei Gewerbe-, Industrie-, Handels-, und
Dienstleistungsunternehmen verschaffen die Hochschulen durch die bei diesen Aktivitäten
anfallenden Steuern und Abgaben auch der öffentlichen Hand Einnahmen; den genannten
Lieferanten hingegen verschaffen sie Aufträge. Des Weiteren lösen die durch die Hochschulen
attrahierten Studierenden ihrerseits unmittelbare und mittelbare Nachfrageeffekte (z. B. in Form
von Konsumausgaben) aus.
Darüber hinaus ergeben sich auf den nachgelagerten Ebenen weitere indirekte Effekte: Der
wichtigste Wirkungskanal sind die durch die Lohn- und Gehaltszahlungen der Kieler Hochschulen
ausgelösten Effekte.
2 Vgl. Spehl, H. et al. (2005): Regionalwirtschaftliche Wirkungen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in
Rheinland Pfalz: Wertschöpfungs-, Einkommens- und Beschäftigungseffekte durch Bau und Betrieb der Einrichtungen, Langfassung, Trier, S. 46 ff. In der Literatur finden sich zahlreiche Verfahren zur Bestimmung des Multiplikators, vgl. z. B. Clermont, C. (1997): Regionalwirtschaftliche Effekte von Wissenschaftseinrichtungen: Theorie, Messkonzepte und Ergebnisse für Hamburg, Europäische Hochschulschriften, Reihe 5, Volks- und Betriebswirtschaft, Bd. 2180, Frankfurt a. M.: Peter Lang.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
31
Abbildung 2: Schematische Darstellung indirekter und direkter Nachfrageeffekte
Anmerkung: Die Konsumausgaben der Angestellten der Kieler Hochschulen zählen zu den indirekten Nachfrageeffekten, da sie über ein Multiplikatormodell geschätzt und nicht direkt gemessen werden.
Quelle: IW Consult (2013).
Die Bestimmung der Nachfrageeffekte ergibt sich anhand von zwei Schritten:
1. Bestimmung der Anstoßeffekte, d. h. Bestimmung der Einkommen der Beschäftigten an
den Hochschulen, der Ausgaben der Hochschulen und der Budgets der Studierenden,
2. Berechnung der Sekundäreffekte durch einen Multiplikator.
Die Vorgehensweise im Einzelnen:
Bestimmung des Anstoßeffekts: In diesem Schritt ist zu ermitteln, wohin die gezahlten
Gehälter, die investiven und konsumtiven Ausgaben der Hochschulen (Bau-,
Renovierungs-, Sanierungsmaßnahmen, Ausstattungen) sowie die Ausgaben der
Studierenden fließen. Dazu sind die geleisteten Zahlungsströme zu regionalisieren.
Darüber hinaus müssen die eingeworbenen Drittmittel und deren Verwendung sowie
Einnahmen und Ausgaben der Studierenden in der Region Kiel bestimmt werden. Hierzu
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
32
werden neben den Angaben der Hochschulen und Dataport3 auch die Ergebnisse der
Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks hinzugezogen.
In einem zweiten Schritt werden die Kreislaufeffekte der zuvor ermittelten Primäreffekte
berechnet. Dazu wird ein Multiplikator ermittelt, der die Sekundäreffekte abschätzt:
Erzeugte (indirekte) Nachfrage = Multiplikator x Impuls,
wobei der Impuls den in der Region anfallenden Einkommen und Investitionsausgaben
entspricht.
Der Multiplikator berechnet sich nach der Formel:
)1()1()1(1
1
imtctorMultiplika
wobei c der marginalen Konsumneigung, t der durchschnittlichen Steuer- und
Abgabenbelastung der Einkommen, m der regionalen Importquote und i der Belastung der
Einkommen mit indirekten Verbrauchssteuern entspricht.
Zusammengefasst weist die hier beschriebene Multiplikatoranalyse folgende Vor- und
Nachteile auf:
o Vorteile: Erfassung von direkten und indirekten Effekten, geringer
Rechenaufwand, relativ geringe Anforderungen an die Datenlieferungen durch die
Auftraggeber;
o Nachteile: Keine wirkliche Einbindung in den gesamtwirtschaftlichen
Zusammenhang, starke Abhängigkeit von Annahmen.
3 Dataport AöR ist ein Service Provider für Informationstechnik der Verwaltung. Träger sind die Länder Bremen,
Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein sowie der kommunale „IT-Verbund Schleswig-Holstein“.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
33
Um den oben beschriebenen Multiplikator ermitteln zu können, sind zunächst die Inputfaktoren zu
berechnen, die in den Multiplikator einfließen (Tabelle 8). Für die Untersuchungsregion wird die
Sparquote des Bundeslandes als Inputfaktor verwendet, um die Konsumquote (1-Sparquote) zu
berechnen. Des Weiteren wird eine Steuerquote von 37,4 Prozent angenommen.4 Da regionale
Importquoten auf Bundesländerebene nicht vorliegen, wird hier auf die Ergebnisse anderer Studien
zurückgegriffen. Die verwendeten Importquoten in Vergleichsstudien stammen entweder aus
Schätzungen oder wurden mithilfe von regionalisierten Input-Output-Tabellen ermittelt. Aufgrund
struktureller Ähnlichkeiten mit der in Spehl et al. (2005) untersuchten Region Rheinland-Pfalz wird
die dort ermittelte Importquote übernommen. Sowohl Rheinland-Pfalz als auch die
Untersuchungsregion weisen raumstrukturell große Ähnlichkeiten auf. Beide Regionen zählen zu
den westdeutschen Flächenländern, die in großem Umfang ländliche Strukturen mit starken
Oberzentren aufweisen. Sie weisen beide eine Randlage innerhalb Deutschlands auf und starke
wirtschaftliche Zentren, die direkt an die Untersuchungsregion angrenzen.
Nach dem Einsetzen aller Inputfaktoren in die oben dargestellte Formel ergibt sich für die
Untersuchungsregion ein Multiplikator von 1,2384.5
4 Eine exaktere Schätzung ist aufgrund der unterschiedlichen Steuerklassen der Hochschulbeschäftigten nicht möglich.
5 Die Ausprägung des Multiplikatorwerts fällt in verschiedenen Studien sehr unterschiedlich aus. Blume und Fromm
(2000) ermitteln einen Wert von 1,53, Niermann und Niermann (2000) einen Wert von 1,23, Bandelin, Braun und Hosa (1999) einen Wert von 1,1. Vgl. Blume, L. / Fromm, O. (2000): Regionalökonomische Bedeutung von Hochschulen: Eine empirische Untersuchung am Beispiel der Universität Gesamthochschule Kassel, Kasseler Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften, Band 11, Wiesbaden. Vgl. Niermann, S. / Niermann, U. (2000): Die Universität als Wirtschaftsfaktor, in: Braun, G. / Voigt, E. (Hrsg.): Regionale Innovationspotenziale von Universitäten, S. 85-104, Rostock. Vgl. Bandelin, J. /Braun, G. / Hosa, E. (1999): Der Beitrag der Universitäten und Fachhochschulen zur regionalen Wirtschaftsentwicklung in Mecklenburg-Vorpommern, Rostocker Beiträge zur Regional- und Strukturforschung, Heft 13, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät Universität Rostock, Rostock.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
34
Tabelle 8: Verwendete Faktoren für das Multiplikatormodell
Faktor Indikator Erklärung
c = 1-0,1083 = 0,8917
1-Sparquote
Entnommen aus der VGR der Länder, Sparquote 1991 bis 2009 in den Bundesländern, Berechnungsstand August 2011; durchschnittliche Konsumneigung von 1991 bis 2009.
t = 0,374 durchschnittliche Steuer- und Abgabenbelastung der Einkommen
Commission Services and Eurostat (online data code gov_a_tax_ag)
m = 0,57 regionale Importquote
TAURUS-Institut an der Universität Trier; Lehrstuhl Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik an der TU Kaiserslautern; Institut für Statistik und Ökonometrie, Johannes-Gutenberg-Universität Mainz (2005): Regionalwirtschaftliche Wirkungen der Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen des MWWFK. S. XXIX ermitteln für Rheinland-Pfalz eine regionale Importquote in Höhe von 0,57; dieser Wert wird vorliegend einstweilen verwendet.
i = 0,198 durchschnittliche Belastung der Einkommen mit indirekten Verbrauchssteuern
Commission Services and Eurostat (online data code gov_a_tax_ag)
Multiplikator = 1,2384
Quelle: Eurostat (2012); eigene Berechnungen, IW Consult (2012); vgl. Spehl, H. et al. (2005): Regionalwirtschaftliche Wirkungen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Rheinland Pfalz: Wertschöpfungs-, Einkommens- und Beschäftigungseffekte durch Bau und Betrieb der Einrichtungen, Langfassung, Trier.
2.5 Die Kieler Hochschulen als Arbeitgeber
In diesem Unterkapitel wird die Rolle der Kieler Hochschulen als Arbeitgeber genauer analysiert.
Die Hochschulen fragen wissenschaftliche und nichtwissenschaftliche Arbeitskräfte nach, dadurch
werden originäre regionale Einkommenseffekte der Primärnachfrage generiert.
Die direkten Beschäftigungseffekte, die von den Kieler Hochschulen ausgehen, können aus den
Angaben der Hochschulen zur Personalstruktur abgelesen werden. Im Wesentlichen wird hier auf
Daten des Statistischen Amtes für Hamburg und Schleswig-Holstein zurückgegriffen6.
Anhand der zur Verfügung gestellten Daten über die Wohnorte der Hochschulbeschäftigten kann
der Beschäftigungseffekt, der von den Hochschulen ausgeht, für die Region ermittelt werden.7
6 Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein (2010): Statistische Berichte, B III 4 - j/10 S, S.6 -13.
7 Die Angaben von Dataport über den Wohnort der Beschäftigten lassen keine Regionalisierung nach
Beschäftigungsgruppen zu. Es wird daher angenommen, dass diese für alle Gruppen gleich ist.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
35
Dabei wird berechnet, wie viele Vollzeit-Arbeitsplätze (Vollzeitäquivalente) in der Region
geschaffen wurden.
In diesem Zusammenhang werden zuerst für die Jahre 2008, 2009 und 2010 die Beschäftigten der
Kieler Hochschulen gemäß ihrer Position (Professor, nicht-wissenschaftliches Personal,
wissenschaftlich/künstlerische Mitarbeiter, (externe) Lehrbeauftragte) als auch nach dem zeitlichen
Umfang ihrer Beschäftigung (Vollzeit, Teilzeit) betrachtet (Tabelle 9). Um im weiteren Verlauf der
Studie regionale Beschäftigungs- und Einkommenseffekte kenntlich zu machen, werden zudem die
Vollzeitäquivalente der Beschäftigungsgruppen, die in der Untersuchungsregion ansässig sind,
kenntlich gemacht. Diese Kennziffer gibt die Auskunft, wie viele volle Arbeitsplätze in der
Untersuchungsregion durch die Anwesenheit der Hochschulen ausgelöst werden. Allgemein
lassen sich die Ergebnisse dieser Betrachtung wie folgt zusammenfassen:
Professoren, Juniorprofessoren und Professur Vertretungen: In dieser Kategorie gibt
es bis auf Ausnahmen in den Jahren 2008 und 2009 keine Teilzeitarbeitsplätze. Insgesamt
ergeben sich für die Region 466 Vollzeitarbeitsplätze im Jahr 2010.
Nicht-wissenschaftliches Personal (Angestellte, Arbeiter, Auszubildende): Hierzu
zählen die Beschäftigten aus Verwaltung, Sekretariat, vom technischen Dienst, vom
Bibliotheksdienst und Auszubildende. In dieser Gruppe beträgt die Teilzeitquote im Jahr
2010 ca. 37 Prozent. In der Region bestehen für diese Beschäftigtenkategorie 1.340
Arbeitsplätze
Wissenschaftliche/künstlerische Mitarbeiter, wissenschaftliche/studentische
Hilfskräfte: Diese Gruppe weist nach den Lehrbeauftragten den zweithöchsten Wert bei
Teilzeitstellen auf. Knapp die Hälfte aller Beschäftigten arbeitet in Teilzeit. Das ist unter
anderem auf die Gestaltung der Arbeitsverträge für wissenschaftliche Mitarbeiter
zurückzuführen, die in den meisten Fällen nur eine Teilzeitstelle erhalten und den Rest der
Zeit beispielsweise für ein Dissertationsvorhaben aufwenden. Insgesamt entsteht in dieser
Gruppe der größte Beschäftigungseffekt mit rund 53 Prozent (im Jahr 2010) aller in der
Region vorhandenen Vollzeitäquivalente.
(Externe) Lehrbeauftragte, Lehrkräfte für besondere Aufgaben, Dozenten,
Assistenten: Erwartungsgemäß ist in dieser Gruppe der Anteil an Teilzeitbeschäftigten
besonders hoch und beträgt im Jahr 2010 knapp 82,8 Prozent. Infolgedessen ergibt sich für
diese Gruppe die geringste Anzahl an Vollzeitäquivalenten mit 370 Arbeitsplätzen.
Insgesamt stieg die Anzahl der Beschäftigungsverhältnisse von 5.512 (2008) über 6.001 (2009)
auf 6.291 (2010) und damit in diesem Zeitraum um insgesamt 14,1 Prozent an. Zusammenfassend
illustriert Tabelle 9 die (steigende) Bedeutung der Hochschulen als Arbeitgeber für die Region.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
36
Tabelle 9: Beschäftigte der Kieler Hochschulen 2008 – 2010
Anzahl
Davon Vollzeit
Teilzeit-quote in Prozent
Vollzeit-äqu. UR
1)
2010
Professoren 497 497 0,0 % 466
wiss./künstl. Mitarbeiter oder Hilfskräfte
3.371 1.702 49,5% 2.414
Lehrbeauftragte 681 117 82,8% 370
nicht-wissenschaftliches Personal
1.742 1.090 37,4% 1.340
Gesamt 6.291 3.406 45,8% 4.590
2009
Professoren 520 519 0,2% 487
wiss./künstl. Mitarbeiter oder Hilfskräfte
3.139 1.557 50,4% 2.235
Lehrbeauftragte 652 118 81,9% 358
nicht-wissenschaftliches Personal
1.690 1.015 39,94% 1.279
Gesamt 6.001 3.209 46,53% 4.359
2008
Professoren 503 502 0,2% 471
wiss./künstl. Mitarbeiter oder Hilfskräfte
2.704 1.377 49,1% 1.943
Lehrbeauftragte 672 132 80,4% 374
nicht-wissenschaftliches Personal
1.633 910 44,3% 1.203
Gesamt 5.512 2.921 47,0% 3.991
Anmerkung: 1)
Diese Zahl der Vollzeitäquivalente gibt an, welche Beschäftigungseffekte durch die Hochschulen in der Untersuchungsregion ausgelöst werden. Dafür wird die die Gesamtzahl der Vollzeitäquivalente mit der Regionalquote (Anteil der Beschäftigten mit Wohnsitz in der Untersuchungsregion) multipliziert. UR: Wohnsitz in der Untersuchungsregion
Quelle: Eigene Berechnungen, IW Consult (2012); Daten: Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein (2010 bis 2012), Statistische Berichte B III 4; Dataport (2013).
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
37
2.6 Nachfrageeffekte und Drittmittel der Kieler Hochschulen
Die im vorhergehenden Teil beschriebenen Ausgaben der Kieler Hochschulen lösen direkte und
indirekte Nachfrageeffekte aus. Im Folgenden werden die Auswirkungen, welche die einzelnen
Ausgabenkategorien auf die Nachfrage in der Region haben, beschrieben.
2.6.1 Nachfrageffekte der Hochschulangehörigen
Neben dem direkten Beschäftigungseffekt wirken sich zudem die Ausgaben der
Hochschulbediensteten positiv auf die regionale Nachfrage aus. In welchem Ausmaß der Konsum
eines Hochschulangestellten in der Region wirkt, hängt von deren Wohnsitz ab. Anhand der von
Dataport gelieferten Informationen lässt sich bestimmen, wie hoch der Anteil der Angestellten der
Kieler Hochschulen ist, die in der Region wohnhaft sind.8 Dadurch können zwei Gruppen gebildet
werden: die der Hochschulangehörigen, die in der Region wohnhaft sind und diejenigen, die
außerhalb der Untersuchungsregion ihren Wohnsitz haben. In Anlehnung an Spehl et al. (2005)
nehmen wir einen regionalen Verbleib des Einkommens am Wohnort in Höhe von 80 Prozent an.
Basierend darauf gehen wir davon aus, dass 80 Prozent des Konsums der regional ansässigen
Beschäftigten in der Region verbleibt. Für die übrigen Hochschulangestellten wird in Anlehnung an
Blume und Fromm (2000) ein Wert in Höhe von 10 Prozent für den Verbleib des verfügbaren
Einkommens in der Region angenommen.
Gemäß dieser Definitionen und Annahmen ergibt sich insgesamt ein direkt regional wirksamer
Nachfrageeffekt aller Kieler Hochschulangestellten von knapp 59,7 Millionen Euro (Tabelle 10).
Davon werden etwa 57,6 Millionen Euro durch Hochschulangehörige mit Wohnsitz in der Region
ausgelöst, knapp 2 Millionen Euro werden durch Hochschulbeschäftigte, die außerhalb der
Untersuchungsregion wohnen, verursacht. Auch hier dominiert die Christian-Albrechts-Universität
aufgrund ihrer im Vergleich mit den anderen Hochschulen hohen Beschäftigtenzahl und damit
korreliert hohen Personalausgaben. Ihr Anteil macht ca. 84 Prozent aller durch die Ausgaben der
Hochschulangehörige ausgelösten Nachfrageeffekte aus.
8 Eine Unterscheidung nach Beschäftigungsgruppen ist jedoch nicht möglich.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
38
Tabelle 10: Direkte Nachfrageeffekte der Hochschulbediensteten 2011 in Tausend
Euro
CAU FH Muthesius Gesamt
regional wirksamer Nachfrageeffekt Angestellte UR
48.306 7.818 1.523 57.647
regional wirksamer Nachfrageeffekt Angestellte nUR
1.942 68 10 2.020
Direkter Nachfrageeffekt
50.247 7.886 1.533 59.666
Indirekter Nachfrageeffekt
11.979 1.880 365 14.224
Gesamteffekt 62.226 9.766 1.899 73.891
UR: Wohnsitz in der Untersuchungsregion nUR: nicht in der Untersuchungsregion wohnhaft
Quelle: Dataport (2012); CAU (2012); FH Kiel (2012); Muthesius (2012); eigene Berechnungen (2013), IW Consult.
Die Höhe des direkten Effekts der Personalausgaben zeigt, welche Bedeutung die Hochschulen
für die Region haben. Zwar werden die Hochschulen durch Bundes- und Landesmittel finanziert,
sie tragen aber auch über die durch sie gestärkte Nachfrage in der Region dazu bei, diese
unabhängiger von externen Konjunkturschwankungen zu machen. So fließt knapp ein Drittel der
Personalausgaben der Kieler Hochschulen direkt in den regionalen Wirtschaftskreislauf zurück und
sorgt auf diese Weise für zusätzliche Nachfrage.
Neben diesem direkten Nachfrageeffekt löst die Nachfrage der Hochschulangestellten aber auch
indirekte Nachfrageeffekte in der Region aus. Diese ergeben sich nach Anwendung des zuvor
berechneten keynesianischen Einkommensmultiplikators auf die direkten Nachfrageeffekte.9
Hieraus ergibt sich ein indirekter Nachfrageeffekt von knapp 14,2 Millionen Euro. Insgesamt
werden durch die Personalausgaben der Kieler Hochschulen und die damit einhergehenden
Konsumausgaben der Beschäftigten Nachfrageffekte von nahezu 74 Millionen Euro ausgelöst. Das
sind ca. 41 Prozent der von den Hochschulen getätigten Personalausgaben.
9 Beispiel: indirekter Nachfrageeffekt (73.890.632) = direkter Nachfrageeffekt (59.666.208) x Multiplikator (0,2384).
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
39
2.6.2 Nachfrageeffekte der Sach-, Bau- und Investitionsausgaben
Neben den Personalausgaben machen Sachausgaben einen weiteren großen Posten im Haushalt
der Hochschulen aus. Auf Grundlage der gelieferten Daten kann keine Regionalquote für die
Sachausgaben berechnet werden, daher wird eine Regionalquote von 61 Prozent angenommen.
Diese wurde von Blume und Fromm (2000) für die Gesamthochschule Kassel durch eine
Einteilung der Unternehmen, von denen Leistungen bezogen wurden, anhand der auf den
Rechnungen angegebenen Adressen nach Postleitzahlgebieten ermittelt. Auch für die anderen
beiden Ausgabengruppen lassen sich aufgrund der vorhandenen Datengrundlagen keine
Regionalquoten berechnen Daher wird auch dort aufgrund der Ähnlichkeit der
Untersuchungsräume auf die Studie aus Rheinland-Pfalz zurückgegriffen. Für die Bauausgaben
ergibt sich demnach ein regionaler Verbleib von 78 Prozent. Der regionale Verbleib der
Investitionsausgaben wird mit 61 Prozent angesetzt, da davon ausgegangen wird, dass
beispielsweise Ausgaben für Büroausstattung stärker außerhalb der Untersuchungsregion getätigt
werden.
Durch die Sachausgaben der Kieler Hochschulen entsteht in der Untersuchungsregion ein
Nachfrageeffekt von mehr als 40 Millionen Euro, wovon knapp 80 Prozent auf direkte
Nachfrageeffekte zurückzuführen sind (Tabelle 11). Durch die Bauausgaben wird in der Region ein
Nachfrageeffekt von über 30 Millionen Euro ausgelöst, wobei anzumerken ist, dass dieser
Ausgabenposten Schwankungen unterliegen kann (Tabelle 12). So können die Bauausgaben in
einem Jahr die des Vorjahres um ein Vielfaches übersteigen, falls beispielsweise eine
Neubaumaßnahme durchgeführt wird.10
Die Investitionsausgaben der Hochschulen führen zu regionalen Nachfrageeffekten in Höhe von
10,2 Millionen Euro (Tabelle 13). Am Beispiel der Investitionsausgaben wird deutlich, wie wichtig
der Anteil der Mittel ist, die in der Region verbleiben. Die Investitionsausgaben der
Fachhochschule Kiel betragen knapp 43 Prozent der Bauausgaben, ein Vergleich der direkten
Effekte der beiden Ausgabenkategorien zeigt aber, dass hier der Anteil der Investitionsausgaben
im Vergleich zu den Bauausgaben noch rund 33 Prozent beträgt.
10 Das zeigt sich am Beispiel der Muthesius Kunsthochschule. Die Bauausgaben für das Jahr 2011 betragen hier knapp
4,4 Millionen Euro gegenüber 0,5 Millionen Euro für 2010, daher wurde ein Durchschnittswert der Jahre 2009 und 2010 gebildet.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
40
Tabelle 11: Nachfrageeffekte der Sachausgaben der Kieler Hochschulen 2011 in
Euro
CAU FH Muthesius Gesamt
direkter Effekt Sachausgaben
28.982.467 2.597.879 826.126 32.406.472
indirekter Effekt Sachausgaben
6.909.420 619.334 196.948 7.725.703
Gesamteffekt 35.891.887 3.217.214 1.023.074 40.132.174
Quelle: CAU (2012); FH (2012); Muthesius (2012); eigene Berechnungen, IW Consult (2012).
Tabelle 12: Nachfrageeffekte der Bauausgaben der Kieler Hochschulen 2011 in Euro
CAU FH Muthesius Gesamt
direkter Effekt Bauausgaben
18.717.138 2.326.638 3.400.024 24.443.800
indirekter Effekt Bauausgaben
4.462.166 554.671 810.566 5.827.402
Gesamteffekt 23.179.303 2.881.309 4.210.590 30.271.202
Quelle: CAU (2012); FH (2012); Muthesius (2012); eigene Berechnungen, IW Consult (2012).
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
41
Tabelle 13: Nachfrageeffekte der Investitionsausgaben der Kieler Hochschulen 2011 in
Euro
CAU FH Muthesius Gesamt
direkter Effekt Investitionsausgaben
7.410.582 772.664 79.445 8.262.691
indirekter Effekt Investitionsausgaben
1.766.683 184.203 18.940 1.969.825
Gesamteffekt 9.177.265 956.868 98.384 10.232.516
Quelle: CAU (2012); FH (2012); Muthesius (2012); eigene Berechnungen, IW Consult (2012).
Diese Ergebnisse zeigen einerseits, dass die verschiedenen Ausgabenkategorien einen Effekt auf
die regionale Wirtschaft haben, andererseits aber auch, dass das Ausmaß des Effekts stark von
der Ausgabenstruktur der Hochschulen abhängig ist.
2.6.3 Nachfrageeffekte der Kieler Studierenden
Die Kieler Hochschulen tragen wesentlich zur Standortattraktivität der Region bei. Durch sie
werden Studierende aus anderen Teilen Deutschlands angezogen, die eventuell auch nach ihrem
Studium in der Untersuchungsregion bleiben und den dort ansässigen Unternehmen als
hochqualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Die Hochschulen tragen somit auch dazu bei,
dass die regionale Wirtschaft ausreichend mit Fachkräften versorgt wird. Tabelle 14 zeigt den
Zuzug aus Schleswig-Holstein, dem Rest Deutschlands und dem Ausland. Knapp 84 Prozent aller
Studierenden, die in die Untersuchungsregion ziehen, kommen nicht aus Schleswig-Holstein. Das
zeigt, dass es besonders wichtig ist, den Absolventen eine Perspektive in der Region zu bieten,
um so einen Umzug nach dem Abschluss des Studiums zu verhindern. Hier kann, beispielsweise
durch Praxiskontakte zu Unternehmen und regionale Angebote bereits während des Studiums, das
Interesse für einen Verbleib in der Region geweckt werden. Das ist vor allem vor dem Hintergrund
wichtig, dass das Bundesland Schleswig-Holstein einen negativen Wanderungssaldo bei
Studienanfängern von -15,6 Prozent aufweist.11
11 KMK (2011): Die Mobilität der Studienanfänger und Studierenden in Deutschland von 1980 bis 2009, Statistische
Veröffentlichungen der Kulturministerkonferenz, Dokumentation Nr. 191 – März 2011, S. 39 f.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
42
Tabelle 14: Wanderungssaldo in der Untersuchungsregion
Wintersemester 11/12
Zuzug aus: CAU FH Kiel1)
Muthesius1)
Gesamt
Schleswig-Holstein 2.070 811 58 2.938
Deutschland und dem Ausland 11.824 3.510 291 15.625
Gesamt 13.894 4.320 349 18.563
1)
Daten für FH Kiel und Muthesius teilweise geschätzt.
Quelle: CAU (2012); FH Kiel (2012); Muthesius (2012); eigene Berechnungen, IW Consult (2012).
Um die exakten Effekte, die durch die Ausgaben der Kieler Studierenden ausgelöst werden,
bestimmen zu können, werden die Studierenden anhand der von den Hochschulen gelieferten
Wohnorte typisiert12 und danach mithilfe von Daten aus der 19. Sozialerhebung des Deutschen
Studentenwerks deren Ausgaben bestimmt, sodass sich für die weitere Untersuchung vier Typen
von Studierenden ergeben:13
Regionalstudierende „heim“: Studierende, die vor dem Studium in der Region ansässig waren und bei den Eltern leben.
Regionalstudierende „auswärts“: Studierende, die vor dem Studium in der Region ansässig
waren und nicht bei den Eltern wohnen.
Pendler: Studierende, die einen Wohnsitz in Schleswig-Holstein
haben, aber nicht in der Untersuchungsregion wohnen.
Zugereiste: Studierende, die vor dem Studium einen Wohnsitz
außerhalb von Schleswig-Holstein hatten.
Dabei unterscheiden sich die einzelnen Typen von Studierenden bezüglich ihres Wohnorts vor und
während des Studiums sowie hinsichtlich ihrer Wohnsituation.
12 Die Werte der Fachhochschule Kiel werden teilweise, die der Kunsthochschule Muthesius komplett auf Basis der von
der Christian-Albrechts-Universität gelieferten Wohnorte der Studierenden geschätzt. 13
Vgl. Spehl, H. et al. (2005): Regionalwirtschaftliche Wirkungen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Rheinland Pfalz: Wertschöpfungs-, Einkommens- und Beschäftigungseffekte durch Bau und Betrieb der Einrichtungen, Langfassung, Trier, S. 30 ff.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
43
Tabelle 15: Studierende der Kieler Hochschulen nach Typisierung
Wintersemester 11/12
CAU FH Kiel Muthesius Gesamt
Regionalstudierende „auswärts“
7.857 1.901 188 9.945
Regionalstudierende „heim“
1.964 475 47 2.486
Pendler 2.718 610 60 3.389
Zugereiste 11.824 3.510 291 15.625
Gesamt 24.363 6.496 586 31.445
Quelle: CAU (2012); FH Kiel (2012); Muthesius Kunsthochschule (2012); eigene Berechnungen, IW Consult (2013).
Tabelle 15 zeigt die Verteilung der 31.445 Kieler Studierenden nach der Typisierung. Knapp
50 Prozent der Studierenden kommen aus Schleswig-Holstein, davon wohnen ca. 40 Prozent in
der Untersuchungsregion. Aus den die Untersuchungsregion umgebenden Landkreisen pendeln
knapp 10 Prozent der Studierenden ein, die restlichen 15.625 Studierenden kommen aus
Deutschland oder dem Ausland und sind aufgrund ihres Studiums in die Untersuchungsregion
gezogen.
Aus den unterschiedlichen Wohnsituationen, den Herkunftsorten sowie den aktuellen Wohnorten
lassen sich verschiedene Ausgabenprofile erstellen, um die Konsumausgaben der Studierenden in
der Region möglichst genau beziffern zu können. So bezahlen Pendler und Regionalstudierende,
die zu Hause wohnen, beispielsweise keine Miete. Außerdem fallen die Konsumausgaben für
Pendler und Zugereiste geringer aus, da diese nicht das ganze Jahr über in der
Untersuchungsregion verbleiben.14 Anhand der Typen von Studierenden und der Ausgabenprofile
lassen sich die direkten Nachfrageffekte und mittels des Multiplikators die indirekten
Nachfrageeffekte bestimmen.
14 Es wurde davon ausgegangen, dass Pendler oder Zugereiste sich zehn Monate in der Untersuchungsregion
aufhalten. Diese Zahl entspricht nicht der Vorlesungszeit, da während der Semesterferien beispielsweise Seminar- und Hausarbeiten anzufertigen sind. Damit fallen in der Region Konsumausgaben für zehn Monate und Mietausgaben für zwölf Monate an.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
44
Tabelle 16: Direkte und indirekte Ausgaben der Kieler Studierenden
Jahreswerte
direkte studentische Ausgaben
indirekte studentische Ausgaben
pro Studieren-
den (in Euro)
pro Studieren-dentyp (in Tsd. Euro)
pro Studieren-
den (in Euro)
pro Studieren- dentyp (in Tsd. Euro)
Regionalstudierende "heim"
5.730 14.247 1.366 3.396
Regionalstudierende "auswärts"
9.144 90.940 2.180 21.680
Pendler 797 2.700 190 644
Zugereiste 8.182 127.842 1.951 30.477
Gesamt Ø 5.963 235.728 Ø 1.422 56.198
Quelle: CAU (2012); FH Kiel (2012); Muthesius Kunsthochschule (2012); HIS (2010); Eigene Berechnungen, IW Consult (2013).
Tabelle 16 zeigt, dass die Ausgaben pro Studierenden für den Typus Regionalstudierende
„auswärts“ am höchsten sind, da dieser sich das ganze Jahr über in der Untersuchungsregion
aufhält und somit Konsum- und Mietausgaben gänzlich dort anfallen. Pendler hingegen haben die
geringsten Ausgaben in der Region je Studierenden, da diese keine Mietzahlungen in der Region
tätigen und auch nur ein geringer Teil ihrer Konsumausgaben in der Region wirksam wird.
Gemessen an der Höhe der direkten Effekte, die von einer Studierendenkategorie ausgehen, hat
die Gruppe der zugereisten Studierenden den größten Anteil (54,2 Prozent). Diese Zahl zeigt
wiederum, wie wichtig der Zuzug externer Studierender für die Region Kiel und ihre Bedeutung als
Hochschulstandort ist. Die Ausgaben der Studierenden der Region, die nicht zu Hause wohnen,
machen hingegen knapp 39 Prozent aus. Die hohen Ausgaben dieser beiden Gruppen entstehen
nicht nur dadurch, dass viele Studierende in einer der beiden Kategorien enthalten sind
(81 Prozent), sondern resultieren zu einem nicht unwesentlichen Teil aus den Mietausgaben, wie
sich an den Jahresausgaben der Studierenden ablesen lässt. Insgesamt ergibt sich daraus ein
regionaler Nachfrageeffekt von 291,9 Millionen Euro für die Untersuchungsregion.
2.6.4 Die Kieler Hochschulen und eingeworbene Drittmittel
Da an den meisten öffentlichen deutschen Hochschulen ein Mangel an Finanzierungsmitteln
herrscht, um Forschung und Lehre auf höchstem Niveau betreiben zu können, nutzen nahezu alle
Hochschulen Drittmittel als zusätzliche Finanzierungsquelle. Drittmittel können dabei sowohl aus
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
45
dem öffentlichen als auch aus dem privatwirtschaftlichen Raum stammen. Mit den eingeworbenen
Mitteln können die Hochschulen Auslandsaufenthalte von Forschenden und Studierenden
unterstützen, zusätzliche Arbeitsplätze schaffen oder die Bildungsinfrastruktur verbessern.
Bei der Höhe der eingeworbenen Drittmittel (Tabelle 17) zeigt sich vor allem bei der Christian-
Albrechts-Universität ein sehr positiver Trend. So konnten die Drittmitteleinnahmen im Jahr 2011
auf über 100 Millionen Euro gegenüber rund 50 Millionen Euro im Jahr 2005 verdoppelt werden.
Besonders wichtig für diese Entwicklung sind bei der Christian-Albrechts-Universität
Sonderforschungsgruppen, Exzellenzcluster und die Medizinische Fakultät.
Sonderforschungsbereiche und Exzellenzcluster sind dabei für ca. 24 Prozent aller eingeworbenen
Mittel verantwortlich, die Medizinische Fakultät für rund 30 Prozent. Klare Unterschiede lassen sich
hier in der Herkunft der Mittel erkennen: Während die Drittmittel für Sonderforschungsbereiche und
Exzellenzcluster komplett von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bereitgestellt werden,
kommen die Mittel der Medizinischen Fakultät zu rund 38 Prozent von Wirtschaftsunternehmen
und Verbänden.15 Dieses Ergebnis zeigt, dass noch ausreichend Spielraum zu Akquirierung von
Drittmitteln vorhanden ist.
Tabelle 17: Einnahmen durch Drittmittel der Kieler Hochschulen
in Tausend Euro
2009 2010 2011
CAU 93.192 113.323 101.526
FH Kiel 9.674 9.580 8.900
Muthesius 199 755 328
Quelle: CAU (2012); FH Kiel (2012); Muthesius (2013).
2.7 Indirekte Beschäftigungseffekte der Kieler Hochschulen
Nachdem alle direkten und indirekten Nachfrageeffekte, die von den Kieler Hochschulen, ihren
Angestellten und ihren Studierenden ausgehen, ermittelt wurden, können im folgenden Schritt die
indirekten Arbeitsplatzeffekte ermittelt werden. Durch die von den zuvor genannten Gruppen
getätigten Ausgaben entstehen wiederum Arbeitsplätze in der Region. Um diesen indirekten
15 Vgl. Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (2012): Die Christian-Albrechts-Universität in Zahlen 2011, Kiel, Christian-
Albrechts-Universität, S. 22.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
46
Beschäftigungseffekt zu quantifizieren, muss zunächst ermittelt werden, wie viel
Bruttowertschöpfung durch die direkten und indirekten Nachfrageeffekte generiert wird. Da
aufgrund der eingeschränkten Datenverfügbarkeit keine eigene Ermittlung der Effekte möglich ist,
wird wiederum eine Annahme aus einer Untersuchung in Rheinland-Pfalz verwendet. In dieser
raumstrukturell ähnlichen Region wurde ermittelt, dass 1 Euro Umsatz 42 Cent
Bruttowertschöpfung erzeugt.16 Für die einzelnen Kreise und Städte der Untersuchungsregion lässt
sich die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen berechnen. Demnach kann auch für die
Untersuchungsregion als Ganzes die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen ermittelt werden: Sie
beträgt 50.173 Euro. Danach werden die indirekten Beschäftigungseffekte ermittelt, indem die
Bruttowertschöpfung der Nachfrageffekte durch die Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen dividiert
wird.
Tabelle 18: Indirekte Beschäftigungseffekte der Kieler Hochschulen
im Jahr 2011
Nachfrageeffekte
gesamt (Tsd. Euro)
Bruttowert-schöpfung der
Nachfrageeffekte (Tsd. Euro)
indirekter Beschäftigungs-
effekt
Ausgaben: Hochschul-beschäftigte
73.891 31.034 619
Sachausgaben 40.132 16.855 336
Bauausgaben 30.271 12.713 253
Investitions-ausgaben
10.233 4.298 86
Ausgaben: Studierende
291.926 122.609 2.444
Gesamt 446.453 187.510 3.738
Quelle: eigene Berechnungen, IW Consult (2013); vgl. Spehl, H. et al. (2005): Regionalwirtschaftliche Wirkungen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Rheinland Pfalz: Wertschöpfungs-, Einkommens- und Beschäftigungseffekte durch Bau und Betrieb der Einrichtungen, Langfassung, Trier.
Wie Tabelle 18 zeigt, werden durch die direkten und indirekten Ausgaben der Kieler Hochschulen
3.738 Arbeitsplätze geschaffen. Der größte Arbeitsplatzaufbau wird durch die Ausgaben der
Studierenden verursacht, die knapp zwei Drittel der geschaffenen Arbeitsplätze induzieren.
16 Vgl. Spehl, H. et al. (2005): Regionalwirtschaftliche Wirkungen der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in
Rheinland Pfalz: Wertschöpfungs-, Einkommens- und Beschäftigungseffekte durch Bau und Betrieb der Einrichtungen, Langfassung, Trier, S. 54.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
47
Insgesamt werden je 1 Millionen Euro Umsatz ca. 8,4 Arbeitsplätze geschaffen. Eine Studie für die
Region München findet zum Vergleich einen Wert von ca. 9 Arbeitsplätzen pro 1 Millionen Euro
Nachfrageeffekt17, die Studie von Spehl et al. (2005) findet einen Wert von 7,6 Arbeitsplätzen. Die
Hochschule hat also über die direkten Arbeitsplatzeffekte hinaus eine positive Wirkung auf den
Arbeitsmarkt in der Untersuchungsregion.
2.8 Zusammenfassende Übersicht der Nachfrage- und Beschäftigungseffekte der
Kieler Hochschulen
Die vorangehende Analyse zeigt, wie wichtig die Kieler Hochschulen für die Untersuchungsregion
sind. Dabei werden hier lediglich die Nachfrageeffekte, die durch die Hochschulen, ihre
Angestellten und die Studierenden ausgelöst werden, untersucht. Ausgehend davon zeigt sich,
welchen Einfluss die Existenz der Hochschulen auf den Arbeitsmarkt in der Region hat. Dabei
lassen sich Arbeitsplätze unterscheiden, die direkt von den Hochschulen, z. B. durch die
Nachfrage von Lehrpersonal oder Verwaltungsangestellten, geschaffen werden und solchen, die
durch die Nachfrageeffekte der Hochschule ausgelöst werden.
Tabelle 19 zeigt, wie hoch die Nachfrageeffekte sind, die durch die Kieler Hochschulen ausgelöst
werden. Insgesamt werden im Jahr 2011 durch die Hochschulen Nachfrageeffekte in Höhe von
rund 446 Millionen Euro ausgelöst, die sich in direkte und indirekte Nachfrageeffekte unterteilen,
wobei die direkten Nachfrageeffekte für knapp 80 Prozent der Gesamtnachfrage verantwortlich
sind. Ein Vergleich dieser Nachfrageeffekte mit den Haushaltsmitteln der Kieler Hochschulen zeigt,
dass die durch sie ausgelösten Nachfrageffekte die Kosten übersteigen. So entsprechen die in
Tabelle 7 aufgeführten Ausgabenkategorien lediglich 62,6 Prozent der in der Region verursachten
Nachfrageeffekte.
17 Vgl. Bauer, E.-M. (1997): Die Hochschule als Wirtschaftsfaktor: Eine systemorientierte und empirische Analyse
universitätsbedingter Beschäftigungs-, Einkommens- und Informationseffekte – dargestellt am Beispiel der Ludwig-Maximilians-Universität München, in: Münchner Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeographie, Regensburg.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
48
Tabelle 19: Direkte und indirekte Nachfrageeffekte der Kieler Hochschulen im
Jahr 2011 in Tausend Euro
Direkt Indirekt Gesamt
Hochschulbeschäftigte 59.666 14.224 73.891
Sachausgaben 32.406 7.726 40.132
Bauausgaben 24.444 5.827 30.271
Investitionsausgaben 8.263 1.970 10.233
Studierende 235.728 56.198 291.926
Gesamt 360.507 85.945 446.453
Quelle: CAU (2012); FH Kiel (2012); Muthesius (2012); eigene Berechnungen, IW Consult (2013).
Die komplexe Struktur der direkten und indirekten Nachfrageeffekte ist in der Abbildung 3
nochmals schematisch dargestellt.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
49
Abbildung 3: Schematische Darstellung indirekter und direkter Nachfrageeffekte
Quelle: IW Consult (2013).
Einordnung der Nachfrageeffekte
Zur besseren Einordnung und Bewertung der Ergebnisse bietet sich eine relative Betrachtung zu
den staatlichen Aufwendungen bzw. zu den gesamten Hochschulausgaben an.
Nach Angaben der schleswig-holsteinischen Landesregierung18 liegt die Höhe der ausgezahlten
Finanzmittel (Globalbudget + Mittel aus dem Hochschulpakt) im Jahr 2011 für die drei Kieler
Hochschulen bei gut 189 Millionen Euro. Stellt man diese Summe den gesamten ermittelten
monetären Nachfrageeffekten gegenüber, ergibt sich ein Faktor von 2,36 auf die eingesetzten
Landesmittel. Das zeigt: Direkte staatliche Hochschulförderung lohnt sich für die Region.
Ein weiterer Ansatz zur Interpretation der Wirkung der Kieler Hochschulen besteht in der
Gegenüberstellung der Werte der gesamten ermittelten Nachfrageeffekte zu den
Hochschulausgaben.
18 Schleswig-Holsteinischer Landtag (2012): Bericht der Landesregierung – Bericht über die Entwicklungen im
Hochschulbereich der Zielvereinbarungsperiode 2009 bis 2013, Berichtszeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2011 (Halbzeitbewertung), Drucksache 18/407.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
50
Die Höhe der Ausgaben der Kieler Hochschulen beträgt im Untersuchungsjahr 2011
ca. 280 Millionen Euro. Stellt man diesen Ausgabenposten in Relation zu dem Wert der gesamten
Nachfrageeffekte, erhält man einen Faktor von 1,6 auf die Ausgaben der Hochschulen.
Die Bedeutung dieses Ergebnisses kann durch den Vergleich mit anderen Regionalstudien
eingeschätzt werden. Jedoch ist hier zu beachten, dass ein Vergleich nur bedingt möglich ist, da
Unterschiede bei der methodischen Vorgehensweise bestehen und sich die analysierten
Hochschulen und Hochschullandschaften in ihrer Größe unterscheiden. Dennoch sind in
Tabelle 20 einige wichtige Kennziffern von Vergleichsstudien einander gegenübergestellt.
Tabelle 20: Vergleichskennziffern
Berlin
19 Kiel Jena
20 Halle
21 Potsdam
22
Bezugsjahr 2011 2011 2006 1999/2000 2005
Multiplikator 1,24 1,14 1,54 1,16
Nachfrage-effekte
1.666.000 € 446.452 € 379.570 € 329.200 DM 143.828 €
Ausgaben der Hochschule
1.271.000 € 280.000 € 473.850 € 323.700 DM 87.973 €
Nachfrage-effekte/Aus-gaben
1,3 1,6 0,8 1,0 1,6
Anmerkungen: gerundete Werte. Angabe in Tausend Euro.
Quelle: IW Consult (2013).
Vergleicht man die Hochschulregion Kiel mit den herangezogenen Vergleichsstudien wird deutlich,
dass der Wert für Kiel als durchaus positiv bewertet werden kann, da die monetären
Nachfrageeffekte die Ausgaben der Hochschulen um 60 Prozent übersteigen. Damit liegt die
19 Vgl. DIW econ GmbH (2013): Berliner Universitäten als Wirtschaftsfaktor. Die regionalökonomischen Effekte der
Berliner Universitäten, Berlin. In dem Gutachten wurden keine Angaben über die Höhe des Multiplikators gemacht. 20
Vgl. Krähmer, C. / Stoetzer, M.-W. (2009): Die Nachfrageeffekte der Hochschulen in Jena: Eine regionalökonomische Analyse der Einkommens- und Beschäftigungswirkungen, Jena. 21
Vgl. Glorius, B. / Schultz, A. (2002): Die Martin-Luther-Universität als regionaler Wirtschaftsfaktor, in: Friedrich, K. / Thomi, W. (Hrsg.) (2002): Hallesche Diskussionsbeiträge zur Wirtschafts- und Sozialgeographie, Heft 1, Institut für Geographie, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle, Selbstverlag des Instituts für Geographie. 22
Vgl. Knappe, S. (2006): Die Regionalwirksamkeit der Wissenschaftseinrichtungen in Potsdam: Eine empirische Analyse wissenschaftsbedingter Beschäftigungs-, Einkommens- und Informationseffekte, in: Heller, W. et al. (2006): Praxis Kultur- und Sozialgeographie, 40, Potsdam, Universitätsverlag.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
51
Wirkung der Hochschullandschaft in Kiel auf einem Niveau mit dem ermittelten Wert für Potsdam.
Für Berlin wird in einer aktuellen Studie ein Wert von 1,3 ermittelt und in Jena und Halle, werden
nur neutrale bzw. sogar negative Wirkungen ermittelt.
Die hier aufgeführten Kennziffern bestätigen nochmals die hohe Bedeutung der Kieler
Hochschulen für die Region.
Hinzu kommen die durch die Hochschulen entstandenen Arbeitsplätze in der Region. Insgesamt
entstehen in der Region über 8.300 Arbeitsplätze, wobei mehr als die Hälfte direkt an einer der
Hochschulen angesiedelt ist. Die restlichen ca. 3.738 Arbeitsplätze werden entweder durch
Ausgaben der Hochschule, der Hochschulbeschäftigten oder der Studierenden ausgelöst
(Tabelle 21). Anders ausgedrückt: Zu jedem direkten Arbeitsplatz kommt eine Dreiviertelstelle im
Wirtschaftskreislauf hinzu. Bei gut 340.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der
gesamten Untersuchungsregion, bzw. gut 106.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten am
Standort Kiel, wird durch die Hochschulen ein regional bedeutsamer Beschäftigungsanteil
induziert.
Die Hochschulen tragen also nicht nur dazu bei, geeignetes Personal für den Arbeitsmarkt
auszubilden, sie sorgen außerdem noch dafür, dass Arbeitsplätze in der Region entstehen.
Tabelle 21: Direkte und indirekte Beschäftigungseffekte der Kieler Hochschulen
Direkt Indirekt Gesamt
Hochschulbeschäftigte 4.590 619 5.209
Sachausgaben - 336 336
Bauausgaben - 253 253
Investitionsausgaben - 86 86
Studierende - 2.444 2.444
Gesamt 4.590 3.738 8.328
Quelle: CAU (2012); FH Kiel (2012); Muthesius (2012); eigene Berechnungen, IW Consult (2013).
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
52
3 Wissenstransfer in der Region
3.1 Einleitung
Die Beschäftigungs- und Nachfrageeffekte der Kieler Hochschulen aus Kapitel 2 zeigen die
Bedeutung, welche die Hochschulen für die Untersuchungsregion haben, schon deutlich auf. Sie
stellen jedoch nur einen Teilbereich der Wirkungen dar. Neben den rein wirtschaftlichen Effekten
gibt es noch weitere Effekte der Hochschulen für die Untersuchungsregion. Diese Effekte werden
im folgenden Kapitel untersucht.
Insbesondere wird dabei die Rolle des Wissenstransfers in die Region betrachtet. Dieser kann
zahlreiche Formen annehmen: von der direkten Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und
Hochschulen an Projekten über die Aus- und Weiterbildung von aktuellen und zukünftigen
Mitarbeitern bis hin zu Ausgründungen aus den Hochschulen in die regionale Wirtschaft. Neben
dem Kernbereich des Wissenstransfers füllen die Hochschulen aber auch noch einige andere
Rollen für die Region aus. Sie sind Imageträger und können internationale Aufmerksamkeit
generieren. So geben sie der Region ein Profil und erhöhen ihre Sichtbarkeit. Sie sorgen für
Vernetzung innerhalb der Region und können ihre überregionalen Kontakte gezielt in regionale
Netzwerke einbringen. Zur Analyse dieser Effekte werden neben der Literaturrecherche auch
Experteninterviews und eine Unternehmensbefragung herangezogen.
Infobox 3-1: Experteninterviews in der Region
Im Februar, März und April 2013 wurden insgesamt 21 Expertengespräche mit Vertretern
aus den Hochschulen, der Politik und Verwaltung in der Region durchgeführt. Für die
Experteninterviews wurde ein semi-strukturierter Ansatz gewählt. Dabei wurde zwar ein
grober Leitfaden für das Gespräch erstellt, es wurde jedoch genügend Freiraum
eingeräumt, um auch die weiteren Eindrücke des Gesprächspartners einzufangen und die
Einschätzung zur Lage der Region umfassender verstehen und abbilden zu können.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
53
Infobox 3-2: Unternehmensbefragung
Im Januar und Februar 2013 wurden insgesamt 980 Unternehmen der
Untersuchungsregion zu ihren Erfahrungen bzw. Erwartungen bezüglich der
Zusammenarbeit mit den Hochschulen am Standort Kiel befragt. Die Befragung richtete
sich sowohl an Unternehmen, die schon mit einer der drei Kieler Hochschulen
zusammengearbeitet haben oder dies derzeit tun, als auch an Unternehmen, für die eine
solche Zusammenarbeit, beispielsweise aufgrund ihres Geschäftsfeldes, grundsätzlich
infrage kommt.
Ein zweiter Schwerpunkt beleuchtete die aktuelle Situation bei der Fachkräfteversorgung
der regionalen Unternehmen.
Die Befragung wurde per Telefon von unserem Partner Umfragezentrum Bonn (uzBonn)
durchgeführt. Zur Befragung wurden durch die IHK zu Kiel Unternehmensadressen von
Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern zur Verfügung gestellt.
Im Folgenden werden zunächst die wichtigsten Wechselwirkungen von Hochschulen und
regionaler Wirtschaft kurz umrissen und aufgezeigt, wie diese in der Untersuchungsregion
funktionieren.
3.2 Die Kieler Hochschulen und die Region – Ein Überblick
In diesem Abschnitt sollen die wichtigsten regionalen Wechselwirkungen und mögliche Spill-over-
Effekte von Hochschulen kurz erläutert und für die Untersuchungsregion dargestellt werden.
Vernetzung der Hochschulen
Hochschulen sind in der Regel eng mit regionalen Partnern vernetzt, sowohl seitens der privaten
Wirtschaft als auch seitens der Verwaltungen und der öffentlichen Hand. Die Schnittstellen reichen
von der Teilnahme an Netzwerkveranstaltungen über die Kooperation mit
Forschungseinrichtungen bis hin zur gemeinsamen Durchführung von Projekten, z. B. im Bereich
Forschung und Entwicklung.
In der Untersuchungsregion ist zunächst das Kooperationsabkommen zwischen den drei Kieler
Hochschulen, der IHK zu Kiel und der Stadt Kiel hervorzuheben, das im Mai 2011 beschlossen
wurde. Ziel der Kooperation ist es, die bestehenden Netzwerke und Kooperationen zu nutzen, zu
stärken und auszubauen. Als Teil des Kooperationsabkommens wurde der gemeinsame
Ausschuss „Hochschule/Wirtschaft/Stadt“ ins Leben gerufen.
Während sich dieser mit Querschnittsthemen aller fünf Akteure beschäftigt und beispielsweise die
vorliegende Studie initiiert hat, setzen zahlreiche andere Institutionen und Veranstaltungen
Akzente bei der Vernetzung mit Wirtschaft, Stadt und Forschungseinrichtungen.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
54
Der Kieler Salon für Wirtschaft und Wissenschaft bietet vierteljährlich die Möglichkeit für die
regionale Wirtschaft, sich mit den Forschenden der Hochschulen auszutauschen. Es werden
anschauliche Best-Practice-Beispiele vorgestellt, die aufzeigen, wie erfolgreiche Zusammenarbeit
von Wissenschaft und Wirtschaft aussehen kann.
Forschung
Exzellente Forschung ist nicht nur Kernaufgabe von Hochschulen, sondern entscheidet auch über
deren Einfluss auf die Region. Alle drei Kieler Hochschulen zeichnen sich durch national und oft
auch international herausragende Leistungen aus. An der Christian-Albrechts-Universität sind
hierbei zuerst die Exzellenzcluster „Entzündung an Grenzflächen“ und „Ozean der Zukunft“ zu
nennen. Die Fachhochschule Kiel ist führend in klassischen Bereichen wie dem Schiff- und
Maschinenbau, aber auch bei immersiven Medien. Die Muthesius Kunsthochschule beteiligt sich
einerseits am Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“ und zeichnet sich anderseits durch eine sehr
interdisziplinäre und öffentlichkeitsorientierte Ausbildung aus.
Neben den Hochschulen finden sich in Kiel und Umgebung einige herausragende
Forschungseinrichtungen. Beispielhaft sind hier zu nennen:
GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung,
Institut für Weltwirtschaft,
Leibniz Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik,
Max-Rubner-Institut,
Deutsche Zentralbibliothek für Wirtschaftswissenschaften (ZBW) – Leibniz-
Informationszentrum Wirtschaft.
Allen diesen Einrichtungen ist gemein, dass sie zur überregionalen Sichtbarkeit des
Wissenschaftsstandorts Kiel beitragen. Sie kooperieren sowohl mit den Hochschulen (oder sind
diesen als An-Institute angegliedert) als auch mit der regionalen und überregionalen Wirtschaft.
Zusammengefasst haben die Hochschulen und die ansässigen Forschungseinrichtungen
Leuchtturmfunktion für den Standort. Diese kann nur durch exzellente Forschung und
Spezialisierung am Standort gehalten und ausgebaut werden.
Wissenstransfer
Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ist keine Einbahnstraße. Es geht dabei
vielmehr um den gegenseitigen Austausch von Wissen, bei dem beide Seiten profitieren. Ein
solcher Austausch von Wissen kann sowohl personengebunden als auch institutionengebunden
geschehen.
Den offensichtlichsten Faktor beim personengebundenen Wissenstransfer stellen die
Absolventen der Hochschulen dar, insbesondere wenn man es schafft, diese in der Region zu
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
55
halten und so das im Studium erlernte Wissen, das u. a. durch die Forschungsaktivitäten der
Hochschulen generiert wurde, für die Region nutzbar zu machen. Neben Absolventen bilden
Praktikanten, studentische Hilfskräfte und Studierende, die ihre Abschlussarbeiten (z. B. Bachelor-
oder Masterthesis) in Unternehmen schreiben, eine weitere Facette des personengebundenen
Wissenstransfers.
Institutionengebundener Wissenstransfer findet im Rahmen von gemeinsamen Forschungs-
und Entwicklungsprojekten statt. Diese werden sowohl von den Hochschulen als auch von den
Unternehmen angestoßen. Ein solcher Wissenstransfer kann aber auch über Publikationen oder
Patente geschehen. Den entscheidenden Faktor für die langfristige Entwicklung der regionalen
Wirtschaftsstruktur bildet jedoch der Wissenstransfer über (Aus-)Gründungen von
Hochschulmitarbeitern, Studierenden oder Absolventen in der Region. Durch solche Gründungen
kann langfristig auch die Wirtschaftsstruktur in Richtung der Forschungsschwerpunkte der
Hochschulen verändert werden.
Wirtschaftliche Aktivität
Ein Bereich, der nicht zum originären Aufgabengebiet der Hochschulen gehört und nicht zuletzt
deshalb auch noch heute relativ wenig entwickelt ist, ist die unternehmensorientierte
Dienstleistung. Grundsätzlich ist eine direkte wirtschaftliche Aktivität von Hochschulen – z. B. in
der Beratung – aufgrund der Finanzierung durch die öffentliche Hand kritisch zu bewerten.
Andererseits können diese Aktivitäten im Rahmen des Wissenstransfers hilfreich sein, um die
Praxisorientierung und den Austausch mit Unternehmen zu erhöhen.
3.3 Wissenstransfer durch Kooperation
3.3.1 Einleitung
Neben Literaturrecherche und Experteninterviews bildete eine Unternehmensbefragung in der
Untersuchungsregion den Kernbereich des ersten Aufbaumoduls. Sie konzentrierte sich auf
ausgewählte Bereiche der Wechselwirkungen zwischen Hochschulen und Region, die in Kapitel
3.2 dargestellt wurden. Das Augenmerk lag entsprechend der Zielgruppe der Befragung auf der
Kooperation zwischen Hochschulen und Wirtschaft in der Untersuchungsregion. Hierbei wurde
insbesondere der Punkt Wissenstransfer als der zentrale Baustein behandelt. Es wurden sowohl
Fragen zu Aspekten des personen- als auch des institutionengebunden Wissenstransfers gestellt.
An der Befragung nahmen insgesamt 980 Unternehmen aus der Untersuchungsregion teil. Die
Adressen wurden von der IHK zu Kiel gestellt und zufällig ausgewählt. Unternehmen mit weniger
als zehn Beschäftigten wurden nicht in der Stichprobe berücksichtigt. Die Befragung wurde als
Telefonbefragung durchgeführt. Im Fokus standen sowohl Unternehmen, die schon mit mindestens
einer der drei Hochschulen zusammenarbeiten oder zusammen gearbeitet haben, als auch
Unternehmen, die in ihrem Geschäftsbetrieb Potenzial für eine solche Zusammenarbeit sehen.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
56
3.3.2 Potenzial zur Zusammenarbeit in der Region
Von den befragten 980 Unternehmen geben 8,4 Prozent an, schon mit einer der drei Hochschulen
innerhalb der letzten drei Jahre zusammengearbeitet zu haben oder dies aktuell zu tun. Als
Zusammenarbeit wird in der gesamten Befragung mindestens eine gemeinsame Studienarbeit mit
einer der Hochschulen (z. B. Bachelor- oder Masterthesis) oder ein Dienstleistungsauftrag an eine
der Hochschulen verstanden.
Neben den 8,4 Prozent, die schon mit mindestens einer Hochschule zusammenarbeiten, geben
12 Prozent der Unternehmen an, in ihrem Geschäftsbetrieb Potenzial zur Zusammenarbeit zu
sehen. Das bedeutet, dass in der Region ein erhebliches Potenzial zum Ausbau der
Kooperationen zwischen Hochschulen und regionaler Wirtschaft vorhanden ist. Für jedes
Unternehmen, das schon Erfahrungen in der Zusammenarbeit hat, gibt es etwa 1,4 Unternehmen,
die für eine Zusammenarbeit infrage kommen (Abbildung 4).
Abbildung 4: Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Hochschulen in der Region
Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
Die Unternehmen in der Untersuchungsregion, die innerhalb der letzten drei Jahre mindestens mit
einer der drei Hochschulen in Kiel kooperiert haben, arbeiten am wahrscheinlichsten mit der
Fachhochschule Kiel zusammen (Abbildung 5). Insgesamt 61 Prozent der befragten Unternehmen
in dieser Gruppe geben an, mit der Fachhochschule Kiel zusammenzuarbeiten bzw. innerhalb der
letzten drei Jahre zusammengearbeitet zu haben. Der Unterschied zur Christian-Albrechts-
Universität ist jedoch gering (56 Prozent). Die Muthesius Kunsthochschule bleibt hier
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
57
erwartungsgemäß hinter den beiden anderen Hochschulen zurück, da sie von ihrer künstlerischen
Ausrichtung für die meisten Unternehmen nicht als primärer Kooperationspartner infrage kommt.23
Für die in einem späteren Abschnitt behandelte Kultur- und Kreativwirtschaft (KuK) ist die
Muthesius Kunsthochschule jedoch von besonderer Bedeutung. Sie prägt mit ihrer Ausrichtung in
diesem Bereich die regionale Wirtschaft.
Abbildung 5: Mit wem arbeiten die Unternehmen zusammen?
1)
Abbildung 6: Wer kommt für eine Zusammenarbeit infrage?2)
Anmerkungen: 1)
Bezogen auf Unternehmen mit Zusammenarbeit, Mehrfachantworten möglich. 2)
Bezogen auf Unternehmen mit Potenzial zur Zusammenarbeit, keine Mehrfachantworten q möglich; 26 Prozent „weiß nicht/unsicher“. Angaben in Prozent. Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
23 In den weiteren Befragungsergebnissen kommt die Muthesius Kunsthochschule aufgrund der geringen Fallzahlen
teilweise nicht vor.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
58
Bei der Frage, welche der Kieler Hochschulen einen potenziellen Kooperationspartner für die
Unternehmen darstellt (Abbildung 6), schneidet die Christian-Albrechts-Universität am besten ab.
Knapp 41 Prozent der Befragten nennen die Christian-Albrechts-Universität als potenziellen
Kooperationspartner, 32 Prozent die Fachhochschule Kiel und 4 Prozent die Muthesius
Kunsthochschule.24 26 Prozent der Unternehmen geben an, dass sie nicht wüssten, welche
Hochschule für eine Kooperation in Frage kommt. Dieses Ergebnis ist ein Hinweis darauf, dass die
Sichtbarkeit und Wahrnehmung in der Region noch ausbaufähig ist.
Insgesamt wird deutlich, dass für beide Kieler Hochschulen noch erhebliche Möglichkeiten zur
Intensivierung ihrer Unternehmenskooperationen bestehen.
3.3.3 Projekte und Forschung
Auf den ersten Blick erscheint eine Intensivierung dieser Zusammenarbeit mit der regionalen
Wirtschaft besonders im Rahmen von gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsprojekten
wünschenswert. Den Wissenstransfer betreffend sind die Wechselwirkungen hier besonders
ausgeprägt. Ebenso können für die Hochschulen hier notwendige Drittmittel angeworben werden.
Was das Einwerben von Drittmitteln angeht, ist die Christian-Albrechts-Universität die
erfolgreichste der drei hier betrachteten Hochschulen. Laut dem Bericht der Landesregierung25
kann sie bezogen auf die wissenschaftlichen Mitarbeiter pro Kopf im Jahr 58.247 Euro
verausgaben. Die Fachhochschule Kiel verzeichnet dafür 14.167 Euro und die Muthesius
Kunsthochschule 11.070 Euro pro Kopf. Bei allen drei Hochschulen am Standort Kiel steigen die
Drittmittel in den Jahren 2009 bis 2011 teilweise deutlich an.
Die Christian-Albrechts-Universität ist zwar herausragend in Bezug auf das Anwerben von
Drittmitteln, doch kommen diese zum allergrößten Teil nicht aus der Region. Nach Angaben der
Hochschule stammen ca. 95 Prozent der Drittmittel von privaten Unternehmen aus einem Radius
von mehr als 500 Kilometern. Diese Situation kann sich realistisch betrachtet mittel- bis langfristig
nicht ändern. Bei der Fachhochschule Kiel lässt der relevante und steigende Anteil der Mittel, die
über das Forschungs- und Entwicklungszentrum eingeworben werden, erahnen, dass anteilig
deutlich mehr Mittel aus der Region stammen. Ebenso wird die Fachhochschule Kiel in der
Unternehmensbefragung sowie bei den Expertengesprächen als deutlich aktiverer Partner als das
Unternehmen vor Ort herausgestellt.
Obwohl sich die Bewertungen der Unternehmen, die schon mit einer der beiden Hochschulen
zusammenarbeiten oder zusammengearbeitet haben, nicht grundlegend unterscheiden, sollte für
die Fachhochschule Kiel doch die Beziehung zur regionalen Wirtschaft deutlich stärker im Fokus
24 Frage bezogen auf die Unternehmen ohne Zusammenarbeit; Mehrfachantworten nicht möglich.
25 Schleswig-Holsteinischer Landtag (2012): Bericht der Landesregierung – Bericht über die Entwicklungen im
Hochschulbereich der Zielvereinbarungsperiode 2009 bis 2013, Berichtszeitraum 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2011 (Halbzeitbewertung), Drucksache 18/407.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
59
des Interesses stehen als für die Christian-Albrechts-Universität. Ihre Rolle in der Region ist vor
allem durch die Exzellenzcluster geprägt. Diese sollten auch weiterhin gestärkt werden und als
Ausgangspunkt für den regionalen und überregionalen Wissenstransfer dienen.
3.3.4 Bewertung der Zusammenarbeit in der Region
Praxisorientierung und gegenseitiges Verständnis sind für eine erfolgreiche Zusammenarbeit
zwischen Wirtschaft und Wissenschaft entscheidend. Darüber sind sich alle Experten in den in der
Region geführten Gesprächen einig. Genauso einig sind sie sich jedoch auch in ihrer
Einschätzung, dass genau dies häufig nicht so richtig funktioniert. Zielsetzungen, Vorstellungen
und Handlungsspielräume der beteiligten Partner unterscheiden sich oft deutlich. Die genannten
Problemstellungen innerhalb von Projekten spiegeln sich nur zum Teil in der
Unternehmensbefragung wider. Gefragt nach ihrer Einschätzung der Praxisorientierung, geben die
Unternehmen durchweg positive Einschätzungen. Für die Christian-Albrechts-Universität bewerten
58 Prozent der Unternehmen die Praxisorientierung als stark oder sehr stark.26 Die
Fachhochschule Kiel erreicht bei dieser Frage nochmals leicht bessere Werte, so schätzen hier
64 Prozent der Unternehmen Praxisorientierung als stark oder sehr stark ein.27
Um gezielt Verbesserungspotenziale in der Zusammenarbeit von Wirtschaft und Wissenschaft in
der Region aufzudecken, reicht diese allgemeine Einschätzung jedoch nicht aus. Es bedarf einer
detaillierten Analyse der einzelnen Teilaspekte der Zusammenarbeit von Unternehmen mit
Hochschulen. Die nachfolgenden Auswertungen bieten einen Einblick in die Einschätzungen der
Unternehmen, die innerhalb der letzten drei Jahre zumindest mit einer Hochschule
zusammengearbeitet haben, bezüglich der einzelnen Teilaspekte dieser Zusammenarbeit.
Die Art und Weise der Kontaktaufnahme entscheidet in zahlreichen Fällen über das Gelingen des
gemeinsamen Projekts. Diese Meinung teilen die befragten Experten einhellig. Bestehende
persönliche Kontakte werden von den Experten, die zumeist sehr gut in die regionalen Netzwerke
eingebunden sind, als der primäre Weg zur Projektanbahnung genannt. Die
Unternehmensbefragung bestätigt diesen Eindruck zum großen Teil (siehe Abbildung 7).
Insbesondere bei Unternehmen, die mit der Fachhochschule Kiel zusammenarbeiten, geht diese
Zusammenarbeit in mehr als einem Drittel der Fälle auf bestehende persönliche Kontakte zurück.
Das spricht für eine gute Einbindung der Fachhochschule Kiel in die regionalen Netzwerke, kann
aber gleichzeitig dazu führen, dass Unternehmen, die nicht so aktiv in diesen Netzwerken vertreten
sind, sich nicht für eine Kontaktaufnahme entscheiden. Im Fall der Christian-Albrechts-Universität
geht nur knapp jede vierte Zusammenarbeit auf solche persönlichen Kontakte zurück.
26 Stark: 38 Prozent; sehr stark: 20 Prozent.
27 Stark: 40 Prozent; sehr stark: 24 Prozent.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
60
Abbildung 7: Beginn der Zusammenarbeit
Anmerkungen: Angaben in Prozent; Unternehmen mit Zusammenarbeit.
Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
Ein weiteres Hauptergebnis dieser Fragestellung ist die Rolle, die Studierende bei der
Kontaktanbahnung spielen. Immerhin in 36 Prozent (Fachhochschule Kiel) respektive rund
24 Prozent (Christian-Albrechts-Universität) der Fälle wurde die Zusammenarbeit durch eine
studentische Hilfskraft28 initiiert. Im Gegensatz zur Fachhochschule Kiel zeigt sich die Christian-
Albrechts-Universität aktiver, was das Herantreten an Unternehmen in der Region betrifft.
Immerhin gut jede fünfte Zusammenarbeit entstand aus dem aktiven Herantreten der Christian-
Albrechts-Universität an ein Unternehmen in der Region. Netzwerk-Events und direkte Anfragen
bei den Hochschulen spielen dagegen eine eher untergeordnete Rolle in der Region.
In Abbildung 8 werden die Formen der Zusammenarbeit zwischen regionaler Wirtschaft und den
Hochschulen am Standort näher aufgeschlüsselt. Hierbei lassen sich wesentliche Unterschiede
zwischen den Hochschulen erkennen. Während bei der Fachhochschule Kiel eindeutig
Studienabschlussarbeiten und die Beschäftigung von Praktikanten und studentischen Hilfskräften
im Vordergrund stehen, erfolgt die Zusammenarbeit zwischen der Christian-Albrechts-Universität
und den Unternehmen in der Region vor allem in Form von Forschungs- und
Entwicklungsprojekten.
28 Als studentische Hilfskräfte sind im Folgenden Studierende gemeint, die neben ihrem Studium als Hilfskräfte in
überwiegend auf ihren Studienschwerpunkt ausgerichteten Unternehmen arbeiten.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
61
Die Gründe für die unterschiedliche Verteilung der Zusammenarbeitsformen liegen dabei auf der
Hand. Während Praxissemester oder praxisnahe Abschlussarbeiten ein wesentlicher Bestandteil
des Studiums an einer Fachhochschule sind, ist eine Praxistätigkeit bei den meisten Hochschulen
im Studienverlaufsplan nicht oder nur auf freiwilliger Basis vorgesehen.
Abbildung 8: Art der Zusammenarbeit
Anmerkung: Angaben in Prozent, Mehrfachantworten möglich; Unternehmen mit Zusammenarbeit.
Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
Trotz der wichtigen Rolle, die studentische Hilfskräfte für die Unternehmen der Region
offensichtlich spielen, ist festzustellen, dass nur gut die Hälfte der befragten Unternehmen sagen
kann, von welcher der regionalen Hochschulen diese stammen (siehe Abbildung 9). Demnach
besteht für die Hochschulen in diesem Bereich Handlungsbedarf, um ihre Sichtbarkeit und die ihrer
Studierenden zu erhöhen.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
62
Abbildung 9: Beschäftigung von Studierenden und deren Herkunft
Anmerkung: Angaben in Prozent; Unternehmen mit Zusammenarbeit.
Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
Zur Bewertung der Zusammenarbeit wurden zwei grundlegende Arten von Zusammenarbeit
zwischen Wirtschaft und Wissenschaft unterschieden: (1) Personalbereich (studentische
Hilfskräfte, Praktikanten, Weiterbildung von Mitarbeitern) und (2) Projektbereich
(Abschlussarbeiten, Forschungs- und Entwicklungsprojekte, Dienstleistungsaufträge). Insgesamt
zeigen sich die befragten Unternehmen mit der Qualität der Zusammenarbeit in beiden Bereichen
sehr zufrieden (siehe Tabelle 22).
Die Christian-Albrechts-Universität schneidet dabei in der Gesamtbewertung des Projektbereichs
besser ab, während die Fachhochschule Kiel ihre Stärken eher im Personalbereich hat. Dies
spiegelt die Verhältnisse bei der Art der Zusammenarbeit wider, wobei projektorientiertes Arbeiten
bei der Christian-Albrechts-Universität dominiert. Betrachtet man die Einzelbewertungen für
bestimmte Projekt- bzw. Personalaspekte, so setzt sich die insgesamt positive Wahrnehmung,
welche die Unternehmen von den Hochschulen, mit denen sie zusammenarbeiten, haben, weiter
fort. Der einzige Punkt, bei dem sich ein leicht negativeres Bild ergibt, ist der Verwaltungsaufwand,
der im Rahmen von Kooperationen zu leisten ist. Dies wird auch durch die Expertengespräche
sowohl seitens der Hochschulen als auch der Unternehmen bestätigt.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
63
Tabelle 22: Bewertung der Zusammenarbeit mit CAU und FH Kiel
Bereich CAU FH Kiel
gut sehr gut gut sehr gut
Gesamtbewertung Projekte
29 50 37 37
Gesamtbewertung Personal
39 28 60 30
Einzelbewertungen
Umfang des Verwaltungsaufwands
51 19 56 21
Reaktionszeit der Hochschule
27 32 42 23
Termintreue 38 41 47 30
Kommunikation im Projekt 32 38 54 28
Einigkeit bei Zielsetzung 41 35 54 28
Verwertungsrechte der Ergebnisse
30 22 40 23
Qualität der Ergebnisse 41 35 44 30
Praktische Nutzbarkeit 32 32 26 42
Anmerkung: Angaben in Prozent.
Quelle: IW Consult (2013).
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Unternehmen, die schon mit mindestens einer der
ansässigen Hochschulen zusammenarbeiten oder dies innerhalb der vergangenen drei Jahre
getan haben, insgesamt sehr zufrieden mit der Leistung der Hochschulen am Standort sind. Um
jedoch die Potenziale der Region zur Zusammenarbeit voll auszuschöpfen – immerhin gibt es für
jedes Unternehmen, das schon eine Zusammenarbeit hat, 1,4 Unternehmen, die potenziell mit
einer der Hochschulen zusammenarbeiten könnten – muss auch die Außensicht auf die
Hochschulen verstanden werden.
Das folgende Kapitel befasst sich mit dem Eindruck, den Unternehmen aus der Region haben, die
noch nicht mit diesen kooperieren, obwohl ihr Geschäftsmodell dazu die Möglichkeit eröffnen
würde.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
64
3.3.5 Die Außensicht auf Kooperationen mit den Kieler Hochschulen
Hochschulen sind Leuchttürme für ihre Regionen. Sie stehen im Licht der Öffentlichkeit. Somit fällt
es Unternehmen leicht, sich ein Bild über die verschiedenen Hochschulen eines Standorts zu
machen. Ebenso können sie Eindrücke gewinnen, indem sie sich in Netzwerken mit anderen
Unternehmen ihrer Branche oder Region über ihre Erfahrungen austauschen. Um die Potenziale,
die in der Region zur Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft vorhanden sind, zu
heben, ist es notwendig, genau diese Eindrücke zu sammeln, um mit geeigneten Maßnahmen
darauf reagieren zu können.
Wie oben schon dargestellt, wurden die Unternehmen, für die eine Zusammenarbeit mit einer
Hochschule zumindest grundsätzlich in Frage kommt, zunächst gefragt, mit welcher der drei
Hochschulen sie sich vorstellen könnten, zu kooperieren. Hier ist eindeutig die Christian-Albrechts-
Universität der Favorit der Unternehmen (siehe Abbildung 6). Die Gründe dafür liegen vermutlich
zum Teil auch in der (über-)regionalen Bekanntheit der Christian-Albrechts-Universität und weniger
in der Passgenauigkeit der Angebote für die regionale Wirtschaft.
Aus den Expertengesprächen geht hervor, dass die Praxisorientierung der Hochschulen eines der
Kriterien – wenn nicht sogar das entscheidende Kriterium – ist, das überhaupt zu einer
Entscheidung für eine Zusammenarbeit führt. Ist die Bewertung der Praxisorientierung der Kieler
Hochschulen aus Erfahrung in der Zusammenarbeit insgesamt positiv (siehe oben), zeigt sich bei
der Bewertung aus Sicht der Unternehmen, die nur einen Eindruck von außen haben, ein anderes
Bild (siehe Tabelle 23). Gerade knapp ein Viertel der befragten Unternehmen schätzt die
Praxisorientierung der Christian-Albrechts-Universität als gut oder sehr gut ein. Bei der Muthesius
Kunsthochschule sind es gar nur 13 Prozent. Einzig die Fachhochschule Kiel schneidet mit einem
Ergebnis von 45 Prozent bei der positiven Außenwahrnehmung der Praxisorientierung gut ab. Zum
Teil mag dieses Ergebnis durch die Prägung der Fachhochschulen in Deutschland getrieben sein,
die per se als praxisorientierter wahrgenommen werden als Universitäten oder Kunsthochschulen.
Insgesamt spricht es jedoch für eine gute und unternehmensnahe Außendarstellung der
Fachhochschule Kiel sowie für eine gefühlte „Zugänglichkeit“. Beide Punkte werden in den
Expertengesprächen bestätigt.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
65
Tabelle 23: Einschätzung der Praxisorientierung von CAU, FH Kiel und Muthesius
Kunsthochschule
CAU FH Kiel Muthesius
gut sehr gut gut sehr gut gut sehr gut
20 4 34 11 10 3
Anmerkung: Angaben in Prozent; Unternehmen ohne Zusammenarbeit.
Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
Ausgehend von den Ergebnissen zur Kontaktaufnahme, die oben dargestellt wurden, ist es für die
Hochschulen am Standort entscheidend, persönliche Kontakte zu regional ansässigen
Unternehmen zu entwickeln. Diese stellen den relevantesten Weg hin zu einer Kooperation dar.
Dies wird sowohl in den Expertengesprächen als auch in der Befragung bestätigt. Die Ergebnisse
für die Unternehmen mit Potenzial für eine Zusammenarbeit machen den Handlungsbedarf in der
Region deutlich. Insgesamt 62 Prozent dieser Unternehmen geben an, keine persönlichen
Kontakte zu einer der Kieler Hochschulen zu haben.
Die Wege, auf denen sich Unternehmen der Region vorstellen können, mit einer der drei
Hochschulen zusammenzuarbeiten, tendieren ganz klar in Richtung Einbindung von
studentischem Personal. Dieser Zugang birgt für die Unternehmen ein geringes Risiko und
ermöglicht es ihnen, gegebenenfalls schon früh geeignete Fachkräfte an sich zu binden. Hier gibt
es also noch Potenzial zur Intensivierung der Zusammenarbeit. Insgesamt können sich 72 Prozent
vorstellen, Praktikanten zu beschäftigen, 68 Prozent können sich vorstellen, bei der Erstellung von
Bachelorarbeiten zu kooperieren.29 Lediglich 23 Prozent sehen hingegen Möglichkeiten für
gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekte (siehe Abbildung 10).
29 Diplomarbeiten: 52 Prozent, Masterarbeiten: 48 Prozent.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
66
Abbildung 10: Art der möglichen Kooperation
Anmerkung: Angaben in Prozent.
Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
Außer zur Art einer möglichen Zusammenarbeit wurden die Unternehmen auch zu den
Teilaspekten befragt, die sie für besonders relevant bei der Entscheidung bezüglich einer
Zusammenarbeit mit einer Hochschule erachten (siehe Tabelle 24). Im Vordergrund stehen hier für
die befragten Unternehmen demnach die Einigkeit über die Zielsetzung des Projekts, die
praktische Nutzbarkeit der Ergebnisse sowie deren Qualität. Im Umkehrschluss bedeutet dies,
dass die Hochschulen – und hier insbesondere die Christian-Albrechts-Universität – die
Wahrnehmung ihrer Praxisorientierung und der Praxisrelevanz in der Region verbessern müssen,
um die Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft intensiveren zu können.
Hierin ist aber vor allem eine Kommunikationsaufgabe zu sehen und keine generelle Kritik an der
Ausrichtung der Hochschulen. Insbesondere für die Christian-Albrechts-Universität ist es von
herausragender Bedeutung in ihren Forschungsfeldern auf nationalem und internationalem Niveau
zu agieren. Wenn es dann auf diesem Niveau gelingt, den Wissenstransfer in die regionale
Wirtschaft zu verstärken, wäre dies von hoher Bedeutung für den wirtschaftsstrukturellen Wandel.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
67
Tabelle 24: Relevanz von Teilaspekten der Zusammenarbeit von Wirtschaft und
Wissenschaft
Teilaspekte
Relevanz
eher relevant sehr relevant
Verwaltungsaufwand 31 44
Reaktionszeit der Hochschule
46 29
Termintreue 35 49
Kommunikation im Projekt 39 51
Einigkeit über die Zielsetzung des Projekts
20 70
Verwertungsrechte der Ergebnisse
35 38
Qualität der Ergebnisse 25 69
Praktische Nutzbarkeit der Ergebnisse
22 70
Anmerkung: Angaben in Prozent, die Kategorien „weniger relevant“ und „gar nicht relevant“ wurden nicht dargestellt.
Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
Zusammengefasst ist das Bild, wie die Kieler Hochschulen von außen wahrgenommen werden, ein
geteiltes. Während die Fachhochschule Kiel mit einer positiven Praxisorientierung punkten kann,
die auch ein maßgebliches Entscheidungskriterium für Unternehmen mit dem Wunsch nach einer
Kooperation darstellt, haben die Christian-Albrechts-Universität und die Muthesius
Kunsthochschule in diesem Bereich noch signifikanten Aufholbedarf in Bezug auf die
Kommunikation der Praxisrelevanz ihrer Arbeiten. Ein vielversprechender Weg, die Sichtbarkeit
der Hochschulen zu erhöhen und auch ihre Praxistauglichkeit unter Beweis zu stellen, ist die
verstärkte Zusammenarbeit über studentische Hilfskräfte und Praktikanten. Studierende stellen die
hochqualifizierten Fachkräfte der Zukunft. Sie in der Region zu halten, ist eine der zentralen
Aufgaben erfolgreicher Regionalpolitik im Zuge des demografischen Wandels, der schon binnen
der nächsten zehn Jahre voll zum Tragen kommen wird. Insofern bieten solche Studierenden nicht
nur die Gelegenheit, den Wissenstransfer in der Region zu stärken, sondern auch die
Fachkräfteversorgung für die Region mittel- und langfristig zu sichern. Deshalb beschäftigt sich
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
68
auch der letzte Teil der Unternehmensbefragung mit dem Thema Fachkräfte. Dies wird im
folgenden Kapitel näher behandelt.
3.4 Wissenstransfer durch Köpfe
Personengebundener Wissenstransfer findet schon durch die Beschäftigung von Praktikanten und
studentischen Hilfskräften in Unternehmen der Untersuchungsregion statt. Diese
Beschäftigungsverhältnisse legen auch oft den Grundstein für weitere Kooperationen zwischen
den Unternehmen und den ansässigen Hochschulen (siehe 3.3.4). Langfristige Wirkung in die
Region über personengebundenen Wissenstransfer wird jedoch hauptsächlich erzielt durch die
Beschäftigung von Studierenden der regionalen Hochschulen in Unternehmen. Neben dem
Wissenstransfer tragen solche Beschäftigungsverhältnisse zur Sicherung des Fachkräftebedarfs
innerhalb der Region bei und mildern die Effekte des demografischen Wandels.
Deshalb fokussiert ein Teil der durchgeführten Unternehmensbefragung auf die Relevanz der
Kieler Hochschulen für die ansässigen Unternehmen bezüglich der Deckung ihres
Fachkräftebedarfs (siehe Tabelle 25). Es zeigt sich, dass die Auswirkungen des demografischen
Wandels bereits in der Region zu spüren sind. Die befragten Unternehmen haben, abgesehen von
der Rekrutierung von Auszubildenden, im Schnitt mehr Rekrutierungsprobleme als die
Vergleichsgruppe aller deutschen Unternehmen aus dem IW-Personalpanel. Besonders
gravierende Probleme gibt es bei der Gewinnung von Mitarbeitern mit abgeschlossener
Ausbildung. Bei der Rekrutierung von Mitarbeitern mit Hochschulabschluss geben 37,5 Prozent
der Unternehmen in der Untersuchungsregion an, Probleme zu haben, darunter 9,1 Prozent, die
sogar große Probleme haben, geeignete Mitarbeiter mit Hochschulabschluss zu finden.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
69
Tabelle 25: Rekrutierungsprobleme in der Untersuchungsregion im Vergleich
Mitarbeitergruppe Rekrutierungsprobleme Deutschland Kiel
Auszubildende
Ja, große Probleme 7,4 8,6
Ja, geringe bis mittlere Probleme 22,9 23,9
Nein, keine Probleme 12,9 32,0
Nicht relevant 56,8 35,5
Summe 100,0 100,0
mit abgeschlossener Berufsausbildung
Ja, große Probleme 15,8 18,3
Ja, geringe bis mittlere Probleme 26,4 43,1
Nein, keine Probleme 17,1 26,4
Nicht relevant 40,7 12,2
Summe 100,0 100,0
mit Fortbildungs-abschluss
Ja, große Probleme 4,9 8,8
Ja, geringe bis mittlere Probleme 10,9 25,3
Nein, keine Probleme 6,2 21,1
Nicht relevant 78,0 44,8
Summe 100,0 100,0
mit Hochschul-abschluss
Ja, große Probleme 7,1 9,1
Ja, geringe bis mittlere Probleme 13,0 28,4
Nein, keine Probleme 9,7 22,8
Nicht relevant 70,3 39,6
Summe 100,0 100,0
Anmerkung: Angaben in Prozent; Deutschlandwerte aus dem IW-Personalpanel; Werte für die Untersuchungsregion aus der Unternehmensbefragung in der Region N = 200; bezogen auf das zurückliegende Jahr.
Quelle: IW Consult (2013).
Die Rolle, die die Kieler Hochschulen bei der Deckung des Fachkräftebedarfs in den Unternehmen
der Region spielen, hängt maßgeblich davon ab, ob ein Unternehmen schon mit einer der
Hochschulen zusammenarbeitet (siehe Abbildung 11). Unter den Unternehmen mit
Zusammenarbeit geben 23,2 Prozent an, dass die Hochschulen für sie sehr relevant für die
Deckung ihres Fachkräftebedarfs sind. Weitere 29, 3 Prozent dieser Unternehmen sehen immer
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
70
noch eine gewisse Relevanz der Kieler Hochschulen. In der Vergleichsgruppe ohne
Zusammenarbeit sind es nur 6,8 respektive 16,1 Prozent.
Abbildung 11: Relevanz der Kieler Hochschulen zur Deckung des Fachkräftebedarfs
bei Unternehmen der Untersuchungsregion mit und ohne Zusammenarbeit mit einer
der Hochschulen
Anmerkung: Angaben in Prozent.
Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
Unternehmen, die schon Erfahrung in der Zusammenarbeit mit einer der Kieler Hochschulen
haben, vertrauen also eher auf diese, wenn es darum geht, junge Akademiker zu rekrutieren. Wie
sich in der Analyse der Art der Zusammenarbeit zeigt, handelt es sich hier wohl auch oft um die
Einbindung von studentischen Hilfskräften, Praktikanten oder Studierenden, die eine
Abschlussarbeit für das Unternehmen anfertigen. Dies gibt Unternehmen die Gelegenheit, sich mit
den zukünftigen Absolventen vertraut zu machen. Mehr noch zeigt es aber Studierenden
Möglichkeiten auf, die eine Arbeitsstelle in der Region bietet.
Zur Förderung der Kontaktanbahnung zwischen Studierenden und Unternehmen entwickelte der
Campus Business Box e. V. „StuJo“, eine Internetplattform, die Studierende mit regionalen
Unternehmen vernetzt. Deren Ziel ist es, die Bekanntheit der regionalen Unternehmen zu stärken,
um somit ein effizienteres Matching zwischen offenen Stellen und dem studentischen
Fachkräfteangebot zu erreichen, indem Studierende der Kieler Hochschulen Informationen über
regionale Stellenausschreibungen durch das Netzwerk erhalten. Die Angebote reichen von
Praktikums- und Traineeplätzen, Projekten und Abschlussarbeiten bis hin zu Festanstellungen.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
71
Die Plattform bietet Unternehmen aus der Region die Möglichkeit, ihr Unternehmen sowie ihre
Angebote gegen einen jährlichen Beitrag vorzustellen und Studierende zu Veranstaltungen
einzuladen. Das Netzwerk finanziert sich also aus den Mitgliedsbeiträgen der Unternehmen.
Neben der Vermittlung von Stellenangeboten werden mögliche Überschüsse verwendet, um
Praxisfortbildungen für Studierende zu organisieren sowie um die Kontakte zwischen Studierenden
und Unternehmen zu stärken. Unterstützt wird das Portal von regionalen Partnern, wie vom
Studentenwerk, von der Christian-Albrechts-Universität und der Fachhochschule Kiel, der
Landeshauptstadt Kiel, vom Wissenschaftszentrum Kiel sowie von den Wirtschaftsförderern der
Agentur für Arbeit der Region.
Außerdem führt die Kieler Wirtschaftsförderungs- und Strukturentwicklungs GmbH (KiWi GmbH)
jährlich das Transferforum durch. Im Rahmen dieser Veranstaltung wird über mögliche Partner,
Kooperationsformen, Erfolgsfaktoren und Fördermöglichkeiten informiert. Daneben werden
Fördermöglichkeiten für Unternehmen aufgezeigt. Die KiWi GmbH unterstützt den Wissenstransfer
demnach mit dem Ziel, Unternehmen, Lehre und Forschung zu vernetzen und Innovationen und
Produktentwicklungen voranzutreiben.
Zusammenfassend sind die Kieler Hochschulen also schon heute ein wichtiger Standortfaktor,
bezüglich der Sicherung des Fachkräftebedarfs in der Region. Daneben ist der
personengebundene Wissenstransfer ein wichtiger Teilaspekt des Strukturwandels und der
Steigerung der Innovationskraft der bestehenden Unternehmen in der Region. Wenn die weiteren
Potenziale zur Zusammenarbeit mit Unternehmen genutzt werden, kann sich die hier dargestellte
Relevanz noch deutlich erhöhen. Insbesondere müssen dazu unternehmerisches Denken und die
Entwicklung innovativer Lösungen in die akademische Ausbildung eingebunden werden. Eine
solche Einbindung kann auch dazu führen, dass die Gründungskultur, die heute nach Aussagen
der befragten Experten noch unzureichend ist, ausgebaut werden kann. Durch Ausgründungen
von Studierenden wie auch Mitarbeitern lässt sich eine weitere Facette des personengebundenen
Wissenstransfers in die Region realisieren. Der Status der Gründungskultur in der
Untersuchungsregion soll im folgenden Abschnitt näher beleuchtet werden.
3.5 Gründer und Gründungen
An den Hochschulen in Kiel wurden in den letzten Jahren zahlreiche Initiativen zur Förderung der
Gründungskultur am Standort gestartet.
Campus Business Box e. V.
Der Campus Business Box e. V. ist ein von Studierenden, Hochschulprofessoren und
Unternehmern gegründeter gemeinnütziger Verein. Dessen Ziel ist die Verbindung von praktischer
Erfahrung mit dem akademischen Hochschulumfeld, die Unterstützung von interdisziplinärer
Teamarbeit, die Stärkung der sozialen Verantwortung sowie die Festigung einer Innovationskultur.
Für die Erreichung dieses Ziels wurden diverse Projekte und Initiativen initiiert.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
72
Beispielsweise werden Studierende durch die Subpartnerschaft im EU-Projekt „User-Driven
Innovation“ über Projekte und Workshops an das Thema Gründung und Innovation herangeführt.
Die Kernidee des Kooperationsprojekts der Christian-Albrechts-Universität, des
Wissenschaftszentrums Kiel sowie des International Business Colleges und Business Kolding
besteht darin, zusammen mit regionalen Unternehmen bedürfnisorientierte Produkte,
Dienstleistungen und Prozesse zu entwickeln. Zudem wurde das Netzwerk „SPICE“ (Student
Program for Innovation Culture and Entrepreneurship) gegründet, welches Unternehmen,
Studierende und Hochschulen aus dem deutsch-dänischem Raum zusammenführt, um durch
Wissenstransfer die Gründungskultur und das Innovationspotenzial an Hochschulen zu stärken. Zu
weiteren Initiativen des Campus Business Box e. V. zählen der Aufbau des Karriereportals „StuJo“
und die Gründung der Initiative „starterkitchen.de“.
Starterkitchen.de
Die Initiative zur Förderung von Unternehmergeist und Gründungskultur an den Kieler
Hochschulen „starterkitchen.de“ wurde Mitte des Jahres 2012 gegründet, um Studierende bei ihren
Gründungsvorhaben zu unterstützen. Die Unterstützung der Studierenden in der
Vorgründungsphase reicht von der Entwicklung der Geschäftsidee über die Auswahl der
Geschäftsmodelle bis hin zur Suche nach Geschäftspartnern und zur Finanzierung. Hierfür finden
Veranstaltungen wie Workshops, Weiterbildungsveranstaltungen, Ideenwettbewerbe oder
Stammtische statt, bei denen gründungsinteressierte Studierende praktische Tipps und Know-how
für die Gründung ihres Start-ups erhalten. Beispielhaft zu nennen ist hier die „Prototyping Week“,
bei der Studierende die Möglichkeit haben, in interdisziplinären Teams eine Geschäftsidee zu
entwickeln und für diese innerhalb einer Woche ein marktreifes Konzept zu erarbeiten.
Neben den Aktivitäten für den Kreis der Studierenden möchte „starterkitchen.de“ die Vernetzung
aller Kieler Gründungsaktivitäten vorantreiben.
Changemaker Netzwerk Kiel
Das „Changemaker Netzwerk Kiel“ unterstützt Studierende der Kieler Hochschulen bei ihren
Gründungsvorhaben. Der Fokus des Netzwerks liegt auf der Unterstützung von Studierenden, die
mit ihrer Geschäftsidee einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft leisten
können.
Im ersten Schritt werden die Studierenden in einem „Changemaker Curriculum“ mit der Konzeption
und Planung von sozialen Projekten vertraut gemacht. Die Studierenden setzen sich mit Strategien
von Social Entrepreneurship auseinander und lernen, wie gesellschaftliche Herausforderungen
durch unternehmerische Handlungen gelöst werden können. Anschließend werden in Teamarbeit
Konzepte für eigene Changeprojekte erarbeitet, die bei dem „YooWeeDoo Ideenwettbewerb“
vorgestellt werden können. Die Gewinner des Ideenwettbewerbs erhalten Startkapital für die
Umsetzung ihrer Projekte.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
73
Im zweiten Schritt können die Gewinnerteams am Workshop und Mentorenprogramm des
Netzwerks teilnehmen, bei denen sie Unterstützung und Know-how in Bezug auf Projekt- und
Teammanagement erhalten. Parallel dazu haben die Teilnehmer sechs Monate Zeit um ihre
Projekte zu realisieren.
Entrepreneurs' Innovation Summer School (EISS)
Bei der „Entrepreneurs' Innovation Summer School“ wird Wissenschaftlern im Rahmen eines
praxisnahen Intensiv-Workshops das notwendige betriebswirtschaftliche Know-how für eine
erfolgreiche Umsetzung ihrer Geschäftsideen vermittelt. Der Fokus des Workshops liegt auf der
Unterstützung der Gründer in der Vorgründungsphase, beispielsweise bei der Finanzplanung, der
Investorensuche oder beim Aufbau von Kundenbeziehungen. Neben einer breiten
Grundlagenschulung und praxisnahen Vorträgen erhält jeder Teilnehmer eine individuelle
Betreuung zu seinem eigenen Projekt.
Nach dem Workshop haben die Teilnehmer die Möglichkeit, ihr Projekt im Rahmen des Kieler
Gründungspraktikums weiter auszubauen. Hierbei werden sie von den Mitarbeitern des Lehrstuhls
für Gründungs- und Innovationsmanagement betreut.
Die letzte „Entrepreneurs' Innovation Summer School“ wurde im Jahr 2011 im Rahmen des
Förderprogramms „EXIST III“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie als
Teilprojekt von „L@INC®“ durchgeführt. Der Termin für den nächsten Workshop steht jedoch noch
nicht fest und befindet sich in Planung.
Ideenwettbewerb Schleswig-Holstein
Der Ideenwettbewerb Schleswig-Holstein wurde von Hochschulen und Forschungseinrichtungen
initiiert um die Gründung von Start-ups zu fördern. Der letzte Wettbewerb fand 2012 zum fünften
Mal statt und wurde von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der Technologietransfer
Schleswig-Holstein GmbH und WTSH-Wirtschaftsförderung organisiert. Unterstützt wurde der
Wettbewerb mit den Landesmitteln Schleswig-Holsteins im Rahmen des EFRE-Seed- und StartUp-
Fonds Schleswig-Holstein sowie durch die Schirmherrschaft von Reinhard Meyer, Minister für
Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Technologie des Landes Schleswig-Holstein. Der Wettbewerb
richtet sich an kreative Köpfe mit zukunftsweisenden und innovativen Ideen aus Hochschulen und
Forschungseinrichtungen, die marktfähig sind und sich in Schleswig-Holstein umsetzen lassen. Die
Gewinner des Wettbewerbs haben die Chance auf Gründerstipendien oder Finanzierungen durch
den StartUp-Fonds Schleswig-Holstein oder den EFRE-Seed. Zudem erhalten die Teilnehmer
Zugang zu einem starken Netzwerk.
Trotz dieser Initiativen wird die Gründungskultur an den Kieler Hochschulen von allen befragten
Experten als durchweg schwach eingeschätzt, obwohl alle Experten ebenso einhellig der Meinung
sind, dass es erhebliches Potenzial in diesem Bereich des Wissenstransfers gibt. Darüber hinaus
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
74
erscheint diese Art des Wissenstransfers in die Region aufgrund ihrer Langzeitwirkung besonders
relevant. Durch Ausgründungen können die Forschungsschwerpunkte von Hochschulen mittel- bis
langfristig genutzt werden, um die Wirtschaftsstruktur einer Region nachhaltig zu verändern.
Nähert sich die regionale Wirtschaftsstruktur mit hochschulnahen Unternehmen den
Forschungsschwerpunkten der Universitäten am Standort an, so entsteht auch mehr Nachfrage für
regionale Kooperationen und die Möglichkeit zu weiterem Wissensaustausch. Langfristig können
so starke Technologiecluster entstehen.
Grundsätzlich liegt die Gründungsintensität30 in der gesamten Untersuchungsregion über dem
deutschen Durchschnitt. Dies bedeutet, dass die Defizite bei den akademischen Gründungen
angegangen werden können, da die Umgebung für Gründungen generell geeignet zu sein scheint.
Die Kieler Hochschulen bieten dabei bereits Unterstützung bei der Gründung eines eigenen
Unternehmens an, diese Bemühungen können aber noch weiter intensiviert werden. Die
genannten Initiativen bieten dafür eine geeignete Grundlage. Zur Etablierung einer wirklichen
Gründungskultur ist es aber von großer Bedeutung, dass diese Angebote kontinuierlich angeboten
werden und sich so etablieren können und angenommen werden.
Wie eine Hochschule ihre Studierenden ganzheitlich bei der Gründung eines Unternehmens
unterstützen kann, lässt sich am Beispiel der Technischen Universität Berlin anschaulich
darstellen. Diese Förderungen sind aber mit einem nicht unerheblichen Ressourcenaufwand
verbunden. So wird das Gründungszentrum der Technischen Universität Berlin im Rahmen des
„EXIST IV“-Programms mit mehreren Millionen Euro gefördert.
30 Gründungsintensität = Anzahl der Neugründungen pro 10.000 Erwerbstätigen. Die Kennzahl umfasst akademische
und nichtakademische Gründungen.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
75
Infobox 3-3: Technische Universität Berlin: Zentrum für Entrepreneurship
Organisation:
Zusammenarbeit des Lehrstuhls für Entrepreneurship und Innovationsmanagement und
dem Gründungsservice der Technischen Universität Berlin
Bereiche:
Start-ups & Inspiration: Bereitstellung von Räumlichkeiten für Gründer sowohl auf dem Campus (Gründungswerkstatt) als auch in den einzelnen Fakultäten (Gründungsinseln)
Consultation & Support: Unter anderem Unterstützung bei der Erstellung von Businessplänen und der Beantragung von Fördermitteln
Education: Kurse und Studiengänge zum Thema Entrepreneurship sowie Ringvorlesungen und Workshops
Research: Aktuelle Forschung zum Thema Unternehmensgründung
Beschreibung/Bewertung:
Durch die Verbindung von Forschung und Praxis ergibt sich für die Studierenden die
Möglichkeit, sich bereits während des Studiums das nötige Know-how für eine
Unternehmensgründung anzueignen. Für die Forschenden ermöglicht diese
Organisationsform im Gegenzug einen direkten Zugang zu ihrem Forschungsobjekt,
sodass aktuelle Erkenntnisse aus der Forschung direkt in die Praxis übertragen werden
können.
Ein weiteres Problem beim Übergang zwischen Hochschule und Wirtschaft ist die Finanzierung der
Geschäftsidee. Zwar gibt es eine Vielzahl an öffentlichen Förderprogrammen, die Gründer
finanziell unterstützen, dennoch decken knapp zwei Drittel aller Gründer ihren Finanzbedarf durch
Eigenmittel.31 Problematisch bei der Finanzierung von Neugründungen aus der Hochschule ist,
dass Studierende noch keine langfristige Erwerbshistorie aufweisen können und daher beim
Aufbau eines Unternehmens entweder auf öffentliche Mittel oder auf finanzielle Unterstützung von
Verwandten und Bekannten angewiesen sind. Alternative Finanzierungsformen wie Venture-
Capital für junge Unternehmen sind in Deutschland selten eine Alternative, da sie hier nicht so
stark ausgeprägt sind wie in den angelsächsischen Ländern. Ein Bundesländervergleich zeigt
zudem, dass Schleswig-Holstein – gemessen an den investierten Venture-Capital-Mitteln – einen
der hinteren Plätze belegt (siehe Abbildung 12). Dagegen vereinigen die ersten drei Bundesländer
60 Prozent aller investierten Mittel auf sich. In diesen Bundesländern befinden sich zudem sieben
der elf im Rahmen der Exzellenzinitiative geförderten Universitäten. Die Beispiele Hessen und
Rheinland-Pfalz zeigen hingegen, dass die Investitionsentscheidungen der Kapitalgesellschaften
31 KfW Bankengruppe (2012): Kfw Gründungsmonitor 2012: Boom auf dem Arbeitsmarkt dämpft Gründungsaktivität –
Jährliche Analyse von Struktur und Dynamik des Gründungsgeschehens in Deutschland, Frankfurt a. M., S. 7.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
76
nicht nur von exzellenter Forschung und Lehre in einem Bundesland abhängig sind, sondern auch
von anderen Faktoren. Eine Plattform zum Austausch zwischen Unternehmensgründern und
Kapitalgebern verringert beispielsweise die Suchkosten für die Kapitalgeber.
Abbildung 12: Venture-Capital in Deutschland: Verteilung der investierten Mittel
Anmerkung: Angaben in Prozent.
Quelle: Bundesverband Deutsche Kapitalbeteiligungsgesellschaften (2013): Das Jahr in Zahlen 2012, Berlin.
Die Hochschulen können zur Stärkung der Gründungskultur beitragen, indem sie solche
Plattformen zum Austausch bereitstellen. Das Potenzial für eine größere Anzahl von
Neugründungen aus den Kieler Hochschulen ist durchaus vorhanden, an der Christian-Albrechts-
Universität aufgrund ihrer Exzellenzcluster und an der Fachhochschule Kiel aufgrund ihrer Stärke
in der anwendungsorientierten Forschung. Venture-Capital eignet sich zur Neugründung von
Unternehmen aus der Muthesius Kunsthochschule wegen deren spezieller Konzentration auf
künstlerische und gestalterische Studiengänge nur bedingt. Aber auch hier gibt es speziell auf die
Bedürfnisse der Kultur- und Kreativwirtschaft zugeschnittene Lösungen. Hier haben sich vor allem
Venture-Capital-Gesellschaften etabliert, die sich als Instrument der Wirtschaftsförderung aus
öffentlichen Mitteln bedienen.32 Daneben fehlt es Gründern oft am nötigen Know-how und an
32 Beispiele hierfür sind Programme der NRW Bank.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
77
unternehmerischem Denken. Potenzielle Gründer benötigten deshalb besondere Unterstützung.
Hierfür stellt beispielsweise die Investitionsbank Schleswig-Holstein sogenannte „Förderlotsen“
bereit, die Existenzgründern eine kostenlose Businessplanberatung anbieten oder sie unter
anderem über Förder- und Finanzierungsmöglichkeiten von Land, Bund und EU informieren. Eine
weitere Möglichkeit zur Deckung des Finanzbedarfs bei Neugründungen bietet die
Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Schleswig Holstein mbH. Diese stellt Existenzgründern
Eigenkapital bereit und begleitet Unternehmen bei der Finanzierung durch High-Tech
Gründerfonds.
Die Unterstützung von Ausgründungen scheitert an allen Kieler Hochschulstandorten oft an
mangelnden Ressourcen. Daneben fehlt es an Anreizen für die Universitäten, sich in diesem
Bereich stärker zu engagieren, da die regionale Wirtschaftsförderung nicht in ihr originäres
Aufgabengebiet fällt. Auch wenn dies im Rahmen des Hochschulgesetzes richtig ist, sollte es
jedoch im Interesse der Hochschulen sein, mehr unternehmerisches Denken in ihre Forschung
und Lehre zu integrieren und entsprechende Anreizsysteme zu schaffen. Denn erstens können
Ausgründungen mittel- bis langfristig für nachhaltigen Strukturwandel in der Region sorgen, der die
Universitäten in ihren Stärken weiter unterstützt, da sie von Drittmitteln und vom Austausch
profitieren. Zweitens sind neben Entrepreneurs in der heutigen Wirtschaft und Lehre auch immer
mehr Intrapreneurs gefragt, die innerhalb bestehender Strukturen fähig sind, neue Denkansätze zu
verfolgen und Ideen durchzusetzen.
3.6 Fazit
Die bisherige Analyse des Hochschulstandorts Kiel soll hier kurz in einer SWOT-Analyse (siehe
Abbildung 13) zusammengeführt werden, um die Formulierung eines Strategiekonzepts im
folgenden Kapitel vorzubereiten. Zunächst hat die Analyse im ersten Modul dieser Studie die
wirtschaftliche Bedeutung der Kieler Hochschulen herausgestellt. Zusammen stehen die Kieler
Hochschulen für rund 8.300 Beschäftigte in der Region und sorgen für einen Umsatz von
446 Millionen Euro. Damit sind sie schon an sich ein sehr entscheidender Wirtschaftsfaktor in der
Region. Die weiterführende Analyse des Wissenstransfers hat ergeben, dass derzeit etwas über
8 Prozent der befragten Unternehmen33 in der Untersuchungsregion mit zumindest einer der drei
Hochschulen in den letzten drei Jahren zusammengearbeitet haben oder dies aktuell tun. Es zeigt
sich aber auch, dass es noch ganz erhebliches Potenzial zur Erweiterung des
Wissenstransfers in der Region gibt. Rund 12 Prozent der befragten Unternehmen in der Region
sehen Potenzial zur Zusammenarbeit mit einer der Hochschulen. Sie stellen eine wichtige Chance
für den Wissenschaftsstandort Kiel dar.
Dabei zeigten Unternehmensbefragung und Expertengespräche ganz klar, dass funktionierende
Kooperationen mit der regionalen Wirtschaft zu den Stärken der Kieler Hochschulen gehören.
Praktisch alle Unternehmen, die Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit einer der Hochschulen
33 IHK Mitgliedsunternehmen mit mehr als 10 Mitarbeitern
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
78
haben, zeigten sich damit enorm zufrieden. Ebenso ist die Exzellenz in der Forschung eine klare
Stärke der Hochschulen am Standort. Sie schaffen es, die Region national und international zu
repräsentieren und als Leuchtturm zu wirken. Jedoch zeigte sich in den Expertengesprächen
ebenfalls, dass es ein Mismatch gibt zwischen den Forschungsschwerpunkten der Hochschulen
am Standort und der regionalen Wirtschaft. Insbesondere trifft dies auf die Christian-Albrechts-
Universität zu. Deshalb kommen für die Christian-Albrechts-Universität kaum Unternehmen aus
der Untersuchungsregion als Kooperationspartner in Sachen Forschungs- und
Entwicklungsprojekte in Frage. Eine Anpassung der Forschungsstrukturen an die breit
aufgefächerte Wirtschaftsstruktur der Region wäre aber wenig zielführend. Eher das Gegenteil ist
der Fall: Die Christian-Albrechts-Universität, aber auch die Fachhochschule Kiel und die Muthesius
Kunsthochschule müssen weiterhin ihre ganz spezifischen Stärken ausbauen. Nur so kann
langfristig der regionale Strukturwandel angestoßen und ein Mehrwert für die Region erzielt
werden.
Um einen solchen Strukturwandel anzustoßen, muss der mangelnden Gründungskultur am
Standort von den Hochschulen, der Stadt und der Wirtschaftsförderung begegnet und bessere
Entfaltungsmöglichkeiten geschaffen werden. Eine aktive Förderung des unternehmerischen
Denkens bereits während des Studiums kann helfen, Studierende für eine eigene Gründung zu
begeistern, deren Wissen für den Standort nutzbar zu machen und langfristig einen nachhaltigen
Strukturwandel anzuregen. Hierzu müssen zunächst klare Positionen bezogen und entsprechende
Ressourcen geschaffen werden. Dies gilt ebenfalls für den identifizierten Schwachpunkt bei der
Administration des Wissenstransfers in anderen Bereichen, wie bei der Organisation von
Kooperationen oder der Vermittlung von Studierenden als Praktikanten und Hilfskräfte oder zum
Verfassen einer Abschlussarbeit. Hier wurde vor allem die Reaktionszeit und die unklare Struktur
der Ansprechpartner von den Unternehmen am Standort bemängelt. Davon ausgenommen wurde
die Fachhochschule Kiel, bei der über die Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule
Kiel GmbH die meisten Wissenstransferleistungen in gemeinsamen Projekten schnell und
unbürokratisch erbracht werden.
Die notwendigen Finanzmittel für eine solche Förderung zu finden, ist aufgrund der aktuellen
Haushaltslage Schleswig-Holsteins nicht einfach. In diesem Punkt ist in absehbarer Zeit auch
wenig Änderung zu erwarten, und somit ist er als Risiko für die Entwicklung des
Hochschulstandorts einzustufen. Darüber hinaus bedrohen die immer internationaler werdende
Konkurrenz um die besten Köpfe sowie öffentliche und private Projektmittel den Standort. Auch
aus diesem Grund muss weiterhin die Exzellenz in der Forschung der Kieler Hochschulen
vorangetrieben werden. Ebenso sind im internationalen Wettbewerb der Forschung nationale
Restriktionen und teilweise selbst auferlegte politische Einschränkungen der Forschung nur
schwer vermittelbar bzw. für den langfristigen Erfolg hinderlich.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
79
Abbildung 13: SWOT-Analyse des Hochschulstandorts Kiel
Exzellenz in der Forschung
funktionierende Kooperationen
große regionale Bedeutung
Mismatch mit regionaler Wirtschaftsstruktur
mangelnde Gründungskultur am Standort
Administration des Wissenstransfers
Stärken Schwächen
Chancen Risiken
vorhandene Wissensinfrastruktur
steigender Fachkräftebedarf in der Region
Einbindung von Absolventen
Gründungspotenzial aus Forschung
Anreizstrukturen
erhebliches Potenzial zur Erweiterung des Wissenstransfers in der Region
öffentliche Finanzen
Konkurrenz durch andere Hochschulen um Mittel und Köpfe
politische Restriktionen der Forschung
Risiken
Trotz der bekannten Risiken sind die Aussichten für den Hochschulstandort insgesamt positiv zu
bewerten, wenn die zahlreichen Chancen, die innerhalb der hier vorliegenden Analyse identifiziert
wurden, genutzt werden können. Hier ist zunächst die vorhandene Wissensinfrastruktur zu
nennen. Sie besteht aus einer Vielzahl von Instituten und Fördergesellschaften, die in der
Einführung zu diesem Kapitel näher geschildert wurden. Auch wenn diese noch besser
miteinander vernetzt werden könnten, besteht hier doch enormes Potenzial, um einen Mehrwert für
die Region schaffen zu können. Ebenso bietet die exzellente Forschung am Standort ein
erhebliches Potenzial für Neugründungen. Genauso, wie für die übrigen Arten des
Wissenstransfers sind hierfür aber passgenaue Anreizsysteme zu finden und zu schaffen.
Solche Anreizsysteme wären aufgrund des hohen und bisher nicht genutzten Potenzials zur
Zusammenarbeit in der Region sinnvoll und wichtig. Einerseits ist noch ein großes Potenzial von
Unternehmen für eine Kooperation vorhanden. Andererseits wird der Fachkräftebedarf in der
Region aufgrund des demografischen Wandels in den kommenden Jahren deutlich ansteigen. Um
Absolventen besser auf die Belange der regionalen Wirtschaft abzustimmen, wäre es sinnvoll, die
Schwerpunkte der Lehre einer ausführlicheren Analyse zu unterziehen. Ziel muss es sein,
möglichst viele der jungen, zugereisten und nach dem Abschluss gut ausgebildeten Menschen in
der Region zu halten. Dabei kann mittel- bis langfristig auch die Einbindung von Absolventen
helfen.
Quelle: IW Consult (2013).
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
80
3.7 Strategiekonzept
Das hier vorgeschlagene Strategiekonzept hat das Ziel, die identifizierten Schwächen zu
beseitigen und die Chancen, die sich dem Hochschulstandort Kiel bieten, nutzbar zu machen.
Hierzu baut das Konzept auf vier maßgeblichen Säulen auf:
- Sichtbarkeit des Hochschulstandorts und der Kooperation von Hochschulen, Stadt und
IHK zu Kiel ausbauen und erhöhen,
- Aus- und Aufbau der Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein zum
Wissenstransferzentrum,
- Förderung der Gründungskultur am Standort und Einrichten einer zentralen
Koordinierungsstelle für Gründungsunterstützung,
- aktivere Nutzung bestehender Netzwerke und Einbindung bisher unbeteiligter Akteure.
Sichtbarkeit des Hochschulstandorts
Mit dem Potenzial zur deutlichen Ausweitung der Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen
und somit der Erhöhung des Wissenstransfers innerhalb der Region geht ein mangelndes
Bewusstsein über die Bandbreite der Möglichkeiten zum Austausch auf Seiten vieler regionalen
Unternehmen einher. Will man die vorhandenen Potenziale heben, so ist zunächst an der
Sichtbarkeit der Leistungen der Hochschulen, Institute und ihrer Partner am Standort zu arbeiten.
Ein erster Schritt wurde mit der Plattform „wissenschafftzukunft-kiel.de“ gemacht. Diese kann als
Grundlage zur Steigerung der Sichtbarkeit des Hochschulstandorts sowie der
Kooperationsgemeinschaft von Hochschulen, Stadt und IHK zu Kiel genutzt werden.
Bisher findet sich auf der Website34 der Plattform eine ausführliche Beschreibung des
Wissenschaftsstandorts Kiel inklusive angrenzender Bereiche, wie Wissenschaft und Schule oder
Leben in Kiel. In erster Linie richtet sich die Seite bisher an interessierte Externe z. B. potenzielle
Studierende. Es wird vorgeschlagen, die Zielgruppe der Seite um die regionale Wirtschaft und
aktuelle Studierende sowie Beschäftigte der Hochschulen und Institute in Kiel zu erweitern. Ihnen
soll Lust auf Wissenstransfer und gegenseitigen Austausch gemacht werden. Auch eine bessere
Kommunikation der Hochschulschwerpunkte bzw. der Forschungsergebnisse und deren
Praxisrelevanz in die Region scheint notwendig zu sein. Hierdurch kann das Profil und die
Sichtbarkeit in der Region geschärft und somit Kooperationshemmnisse abgebaut werden. Auch
hierfür bietet die Website eine gute Basis.
Ebenso sollen gezielt Serviceleistungen angeboten werden, die es den regionalen Unternehmen
leicht machen, mit Wissenschaftlern in Dialog zu treten. Konkret wünschen sich die befragten
Unternehmensvertreter eine deutlich vereinfachte Ansprache der Hochschulen. Ein integriertes
Kontaktformular, das gegebenenfalls grobe standardisierte Raster für eine erste Einordnung des
34 http://www.wissenschafftzukunft-kiel.de/de/.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
81
Projekts oder der Art der Zusammenarbeit bietet, sollte keine zu hohe Schwelle für die
Unternehmen darstellen. Danach ist jedoch persönlicher Kontakt gefragt. Das zeigen nicht zuletzt
die Umfrageergebnisse. Persönlicher Kontakt entscheidet letztlich darüber, ob eine konkrete
Zusammenarbeit stattfindet oder nicht. Ein zentraler Transferbeauftragter kann solch einen
Erstkontakt leisten und im direkten Austausch erkennen, welche Hochschule oder welcher
Fachbereich am wahrscheinlichsten zu den Anforderungen des Unternehmens passt. Durch einen
zentralen Transferbeauftragten lassen sich aber auch Synergien zwischen den Angeboten und
Leistungen der drei Hochschulen identifizieren. So können ggf. neue gemeinsame Projekte an
Schnittstellen entstehen.
Es ist entscheidend, dass die einzelnen Akteure ihre jeweiligen Schwerpunkte behalten und
weiterhin prominent platzieren, um ihre Profile zu schärfen. Das Projekt „L@INC®“ kann dabei als
Blaupause dienen. Ebenfalls bieten die informellen Netzwerke, die sich aus diesem Projekt
ergeben haben, eine gute Grundlage für das vorgeschlagene Kooperationsmodell. Dieses
Netzwerk müsste entsprechend um die Partner der Kooperationsgemeinschaft erweitert werden.
Es muss selbstverständlich geprüft werden, ob es weiterhin zielführend ist, die Flensburger Partner
mit an Bord zu behalten. Dafür sprechen die insgesamt sehr positiven Erfahrungen, die man
innerhalb dieses Netzwerks gesammelt hat.
Anders sieht das bei der „Beauftragung“ von Bachelor und Masterarbeiten aus. Hier erscheint es
sinnvoll, die Plattform so zu nutzen, dass regionalen und auch überregionalen Unternehmen die
Möglichkeit gegeben wird, Themen einzustellen. Diese werden automatisch mit den
entsprechenden Basisinformationen in eine Datenbank eingestellt, die für Studierende gegen Ende
des Studiums eine einfache und schnelle Möglichkeit bietet, potenzielle Partnerunternehmen und
Themen für sich zu finden. Unternehmen können sowohl fest definierte Themen als auch eher
offene Anfragen mit Schlagwörtern und Themen einstellen. Ebenso können Studierende
Suchaufträge in dieses Portal eingeben und von interessierten Unternehmen gefunden werden. Es
sollte die Möglichkeit geben, einen „Alert“ einzurichten, sodass Unternehmen und Studierende
immer direkt dann informiert werden, wenn etwas ihren Suchkriterien entsprechendes eingestellt
wird. In diesem Zusammenhang muss auch die Einbindung des existierenden „StuJo“-Angebots
geprüft werden. Dieses bietet aktuell bereits einen Service, der die komplette Bandbreite der
Zusammenarbeit von Studierenden und Unternehmen umfasst. Konkurrierende Angebote gilt es
hier zu vermeiden.
Ein zentraler Transferbeauftragter ist ebenfalls in der operativen Abwicklung der Projekte sinnvoll.
Er kann zentrale Dienstleistungen, die bei typischen Forschungs- und Entwicklungskooperationen
entstehen, übernehmen, beispielweise in der Beratung bezüglich der Verwertbarkeit der
Ergebnisse innerhalb von Patenten oder Gebrauchsmustern. Es können weitgehend
standardisierte Verträge entwickelt werden, die in einem Modulsystem auf die Bedürfnisse des
einzelnen Projekts zugeschnitten werden und so den administrativen Aufwand mittel- bis langfristig
reduzieren.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
82
Durch gute Kenntnis der regionalen Wirtschaft und enge Kooperation mit Stadt, IHK zu Kiel und
Wirtschaftsförderung ist es ebenfalls möglich, gezielt auf Unternehmen zuzugehen, die für
bestimmte vorliegende Projekte als Partner infrage kommen. Insbesondere bei der
Fachhochschule Kiel wurden hier Defizite in der Unternehmensbefragung aufgezeigt. Aber auch
für die Muthesius Kunsthochschule könnte ein solches Herantreten von zentraler Stelle dabei
hilfreich sein, die bestehenden Leistungen und Möglichkeiten an Unternehmen der Region zu
vermitteln.
Diese neu zu schaffende Stelle soll die Transferbeauftragten der drei Hochschulen aktiv in ihrer
Tätigkeit unterstützen, nicht ersetzen. Ist eine erste Kooperation mit einem Unternehmen initiiert,
liegt die Aufgabe der Verstetigung der Beziehung bei den hochschuleigenen Transferbeauftragten.
Ebenso sind sie dafür zuständig, die individuellen Belange der beteiligten Mitarbeiter zu
organisieren und, wenn nötig, zu vermitteln. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass alle drei
Hochschulen ihr eigenes Profil behalten und schärfen. Nur so kann eine präzise Projektzuordnung
getroffen und klar mit den Unternehmen der Region kommuniziert werden.
Gründungsförderung
Eine vergleichbare zentrale Koordinierungsstelle sollte es auch für die Gründungsförderung am
Standort geben. Diese sollte ebenfalls zentrale Dienstleistungen für die Gründungsförderer an den
einzelnen Hochschulen bereitstellen. Somit können sich die Unterstützer an den einzelnen
Hochschulen spezifischer um die individuellen Belange der (meist) jungen Gründer kümmern. Bei
Fragen zu allgemeinen Richtlinien und Fördermöglichkeiten können sie sich an die zentrale Stelle
wenden.
Die angedachte zentrale Koordinierung im Bereich Gründungen kann sich das Nachfolgeprojekt
der „L@INC-Initiative“, nämlich die Webplattform zur akademischen Gründungsförderung, zu
Nutze machen. Es wurde erkannt, dass Kiel insbesondere in diesem Bereich noch Defizite hat,
und es sind erste Schritte unternommen worden, eine solche Online-Plattform zu installieren.
Diese setzt auf einer Crowd-Idee auf. Das Ziel ist es, die Seite in einem ersten Schritt so attraktiv
zu machen, dass viele Inhalte und Hilfestellungen danach aus der Community der Seite kommen.
Dabei beschränkt sich die Seite nicht auf die Region, sondern spricht explizit auch überregionale
Interessenten an. Bei entsprechender Positionierung des Standorts Kiel kann eine solche breite
Präsenz im öffentlichen Raum auch eine positive Wirkung auf die Ansiedlung von jungen
Unternehmen am Standort haben. Insgesamt bietet diese Seite, verknüpft mit dem
vorgeschlagenen Ausbau der Plattform „wissenschafftzukunft-kiel.de“, eine solide
Ausgangsposition für die effiziente Gründungsberatung und Wissenstransfer in der Region.
Daneben sollten die Akteure bei Planungen in diesem Bereich von der Arbeitsgruppe
Existenzgründung der Stadt und der KiWi – Kieler Wirtschaftsförderungs- und Strukturentwicklungs
GmbH aktiv beraten werden, um möglichst viel des gemeinsamen Potenzials, das aus der
Kooperationsgemeinschaft der Hochschulen, der Stadt und der IHK zu Kiel erwächst, zu nutzen.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
83
Darüber hinaus muss am Standort eine Gründerkultur aufgebaut und gepflegt werden, sodass sich
mittel- bis langfristig die Schwerpunkte der Hochschulen auch prägend auf die
Unternehmensstruktur am Standort auswirken können.
Konkrete Hilfestellung bei der Gründung eines eigenen Unternehmens könnte eine zentrale
Beteiligungsgesellschaft bieten, getragen von den Hochschulen, der Stadt und IHK zu Kiel. Sie
sollte den Gründern aus den Hochschulen Beteiligungskapital und gegebenenfalls Räume zur
Verfügung stellen. Eine vorherige Bewertung von Businessplänen vorausgesetzt, kann eine solche
Gesellschaft einerseits den Gründern ein konkretes Bild der Validität ihrer Geschäftsidee
vermitteln, andererseits das notwendige Kapital zur Verfügung stellen, das man in jungen Jahren
oft nicht bei Banken finden kann. Den beteiligten Akteuren kann dieses eingesetzte Kapital eine
zusätzliche Geldquelle erschließen.
Aufbau einer Plattform für den aktiven Wissenstransfer
Die SWOT-Analyse im vorherigen Kapitel zeigt deutlich auf, dass aufgrund der demografischen
Entwicklung und des zu erwartenden Mangels an Fachkräften am Standort, die Aus- und
insbesondere die Weiterbildung von Arbeitnehmern einen entscheidenden Faktor für die
Zukunftssicherung des Standorts darstellen. In der Region existieren bereits Institutionen, die in
diesem Bereich erfolgreich tätig sind. Durch die Einbindung der Hochschulen könnte hier das
Angebot ausgebaut und so noch weitere Potenziale gehoben werden. Es gilt, dabei eine
institutionalisierte Plattform für den aktiven Wissenstransfer zwischen den Hochschulen und der
regionalen Wirtschaft zu schaffen. Die heute schon angebotenen Kurse zur Weiterbildung von
Mitarbeitern sollten gezielt um Angebote der Hochschulen erweitert werden.
Konkret können die Hochschulen Inhalte und Forschungsergebnisse aus ihrem Betätigungsgebiet
so aufbereiten, dass die regionale Wirtschaft diese zur Weiterbildung ihrer Mitarbeiter nutzen kann.
So entsteht ein direkter und einfach nutzbarer Weg für Unternehmen, vom Wissen und den
Erkenntnissen der Hochschulen am Standort zu profitieren. Dieser Austausch bietet ebenfalls die
Möglichkeit, einen ersten persönlichen Kontakt aufzubauen und mögliche Berührungsängste auf
beiden Seiten abzubauen. Für Professoren und andere Lehrbeauftragte entsteht so eine
Möglichkeit für einen „echten Impact“ ihrer Forschung, den Aufbau bzw. die Einbindung in
regionale Netzwerke und Zusatzverdienste. Nachfrage für solche Weiterbildungen entsteht nicht
zuletzt durch den demografischen Wandel. Der damit einhergehende Mangel an Fachkräften stellt
auch die Hochschulen vor besondere Herausforderungen.35 Um den Verbleib von älteren
Mitarbeitern in den Unternehmen zu verlängern, ist es vor allem wichtig, deren Wissen auf einem
aktuellen Stand zu halten. Eine Möglichkeit, wie die Hochschulen die Unternehmen hierbei
unterstützen können, ist das Angebot von maßgeschneiderten Fortbildungsmaßnahmen für ältere
Mitarbeiter.
35 So schätzt beispielsweise das IW Köln, dass bis zum Jahr 2020 ca. 232.000 Akademiker in MINT-Berufen
(Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) fehlen werden.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
84
Doch Wissenstransfer funktioniert immer in beide Richtungen. Das bedeutet, dass als Teil des
Wissenschaftszentrums auch Unternehmer oder erfolgreiche Alumni aus der Region gewonnen
werden sollten, um Studierenden praktisches Wissen zu vermitteln. Solches Wissen kann sich
z. B. auf die Gründung eines eigenen Unternehmens beziehen und so die Gründungskultur unter
den Studierenden fördern. Ebenso können Studierende praktische Eindrücke und Wissen aus dem
Alltag verschiedener Berufsgruppen kennenlernen. Durch die zentrale Aufstellung des
Wissenschaftszentrums ist gewährleistet, dass Studierende einfachen Zugang zu Inhalten aus
allen Bereichen – auch von anderen Hochschulen – haben. So findet auch im studentischen Leben
Wissenstransfer statt und es gibt eine feste Begegnungsstätte oder Begegnungsanlässe für die
Studierenden. Durch diesen gegenseitigen Austausch entstehen leicht neue Netzwerke, die es
ohne eine gemeinsame Plattform nicht gäbe.
Als Erweiterung des Geschäftsmodells einer solchen Einrichtung ist es ebenfalls denkbar,
exklusive Graduiertenstudiengänge für ausländische Studierende nach internationalem Muster
anzubieten. Prädestiniert sind auch hier insbesondere Fachbereiche, die sich international durch
ihre Exzellenz hervorheben.
Netzwerke gezielt entwickeln
Solche informellen Netzwerke sollten durch formelle Netzwerke weiter unterstützt und gefördert
werden. Da es schon einschlägige Netzwerke in der Region gibt – wie z. B. den Kieler Salon für
Wissenschaft und Wirtschaft – und diese bei der Anbahnung von Kooperationen zum
Wissenstransfer eine eher untergeordnete Rolle spielen, abgesehen von der Möglichkeit, erste
persönliche Kontakte zu knüpfen, ist es nicht ratsam, zusätzlich weitere Netzwerke zu etablieren.
Die Unternehmensbefragung hat gezeigt, dass es insbesondere der persönliche Kontakt ist, der
über eine mögliche Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft entscheidet.
Insbesondere über Alumni und studentische Hilfskräfte kommen oft einfach und effizient
Kooperationen zustande. Deshalb sind neben den lokalen Netzwerken aktive Alumni-Netzwerke
für die Kieler Hochschulen zu entwickeln und zu fördern. Eine zentralisierte Lösung zwischen den
drei Hochschulen erscheint hier wenig sinnvoll. Die Identifikation der Studierenden beruht meistens
auf ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Universität und nicht zu einem Hochschulstandort.
Einzelne Lehrstühle haben teilweise sehr gut funktionierende Alumni-Programme, andere dagegen
nicht. Alle drei Hochschulen sollten sich bemühen, ein zentrales Alumni-Netzwerk aufzubauen
oder zu verbessern. Hierzu erscheint es sinnvoll, bestehende Plattformen wie „XING“ oder
„LinkedIn“ zu benutzen. Genauso sollten Newsletter und gemeinsame Veranstaltungen die
Verbindung zur Hochschule aufrechterhalten und gegebenenfalls aktuellen Studierenden
Möglichkeiten erschließen, sich Praktikumsplätze oder langfristige Stellen zu sichern. So wird
sichergesellt, dass der Wissenstransfer mittel- bis langfristig funktioniert und alle voneinander
profitieren.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
85
Speziell für die Gründungsförderung am Standort sind Netzwerke zwischen
Betriebswirtschaftslehre- und Muthesius-Studierenden besonders sinnvoll. Oft entstehen beim
kreativen Arbeiten – insbesondere in der Fachrichtung Design – innovative Produkt- und
Geschäftsideen. Diese in konkrete Businesspläne umzuwandeln oder sie innerhalb von
bestimmten Förderinstrumenten umzusetzen, gehört jedoch nicht zu den Kernkompetenzen von
Absolventen dieses Bereichs. Deshalb ist es besonders wichtig, an dieser Stelle die notwendigen
Kompetenzen in einem Netzwerk mit entsprechenden Events zusammenzubringen.
Als Beispiel für den Aufbau erfolgreicher Alumni-Netzwerke lohnt es sich, den Blick auf anglo-
amerikanische Universitäten zu erweitern. Denn, obwohl deutsche Hochschulen in den letzten
zwanzig Jahren verschiedenste Alumni-Programme eingerichtet haben, bestehen solche in den
USA bereits seit Beginn des 19. Jahrhunderts.36
Da die Finanzierung der Hochschulen in Deutschland sich jedoch stark von der in den USA
unterscheidet, lassen sich amerikanische Alumni-Konzepte nicht uneingeschränkt auf deutsche
Hochschulen übertragen. Die Unterschiede in der Finanzierung lassen sich beispielsweise bei
einem Vergleich des Stiftungsvermögens und der gesamten Hochschulausgaben in Deutschland
erkennen. So beträgt allein das Stiftungsvermögen der fünf finanzstärksten Universitäten in den
USA das 1,8-fache der gesamten Ausgaben deutscher Hochschulen im Jahr 2011.37 Diese hohe
Summe ergibt sich auch daraus, dass Alumni-Programme amerikanischer Universitäten stark mit
dem Zweck verknüpft sind, Spenden für die Hochschule einzuwerben. Solche Maßnahmen werden
von Absolventen in Deutschland hingegen eher kritisch betrachtet. Daher sollte das Einwerben von
Spendengeldern bei einem Alumni-Programm einer deutschen Hochschule nur ein nachgeordneter
Zweck sein. Die Befragungsergebnisse zeigen, dass ein erster Kontakt zwischen Hochschule und
Unternehmen vor allem durch Studierende oder andere persönliche Kontakte zustande kommt.
Um den Austausch zwischen Hochschule und Wirtschaft zu intensivieren, ist es also vor allem
notwendig, einen persönlichen Kontakt zu den Unternehmen aufzubauen. Alumni-Programme sind
dabei ein gutes Mittel, diese Kontakte an einer Stelle zu bündeln und dadurch die Beziehungen zu
intensivieren.
Um auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der jeweiligen Fächergruppen besser eingehen zu
können, sollte der Aufbau des Alumni-Programms zweistufig sein (Abbildung 14). Auf der ersten
Stufe koordiniert ein hochschulweites Alumni-Center Aktivitäten, die die gesamte Hochschule
betreffen: so beispielsweise den Aufbau einer Alumni-Homepage und eines Hochschul-Shops.
Ebenso wird von hier der Auftritt der Hochschule in sozialen Netzwerken organisiert. Neben dem
Einsatz von sozialen Netzwerken ist auch die Einführung einer Hochschul-App denkbar. Das hat
36 Vgl. Brubacher, J.S. / Rudy, W. (1976): Higher Education in Transition: A History of American Colleges and
Universities, New York, zitiert nach Mael, F. / Ashforth, B. E. (1992): Alumni and their alma mater: A partial test of the reformulated model of organizational identification, Journal of Organizational Behavior, Bd. 13, S. 103–123, S. 106. 37
Vgl. Statistisches Bundesamt (2012); National Association of College and University Business Offices (NACUBO) (2012): Commonfund Study of Endowments.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
86
den Vorteil, dass sich über die App die sozialen Netzwerke, in denen die Universität tätig ist, sowie
der normale Hochschulalltag miteinander verbinden lassen (z. B. Vorlesungsplan,
Sonderveranstaltungen, Adressverzeichnis, Notenabfrage). In diesem Bereich besteht somit eine
enge Verknüpfung mit der Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule.
Abbildung 14: Beispielhafter Aufbau eines Alumni-Programms
Quelle: IW Consult (2013).
Auf Fachbereichsebene werden die Kontakte koordiniert, die zur Anbahnung von
Projektkooperationen zwischen den Unternehmen und der Hochschule relevant sind. Um die
Studierenden später als Alumni für ihre Hochschule zu gewinnen, muss bereits während der
Studienphase eine enge Verbindung zur Hochschule geschaffen werden. Das kann beispielsweise
dadurch erfolgen, dass während des Studiums Mentoren-Programme angeboten werden, bei
denen ehemalige Studierende der Hochschule aktuelle Studierende betreuen, indem sie ihnen –
beispielsweise mit ihren Kontakten bei der Suche nach einem Praktikumsplatz – helfen. Für die
Unternehmen besteht so die Möglichkeit, sich möglichst früh qualifiziertes Nachwuchspersonal zu
sichern. Die Studierenden können wiederum einen Einblick in verschiedene Arbeitsbereiche
erlangen, was ihnen unter anderem bei der Wahl ihrer Studienschwerpunkte weiterhelfen kann.
Die Unternehmen können im Gegenzug gezielt das Interesse an den für sie relevanten
Studienschwerpunkten wecken. Außerdem werden die Studierenden so ermutigt, nach dem Ende
ihres Studiums selbst als Mentoren tätig zu sein.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
87
Um Absolventen dazu zu bewegen, in einen Alumni-Club einzutreten, muss die Hochschule ihnen
einen gewissen Mehrwert bieten. Das kann beispielsweise durch Jobbörsen entstehen, auf denen
nur Stellenangebote von Alumnis der Hochschule veröffentlicht sind, oder durch einen nur für
Alumni zugänglicher Bereich auf der Homepage, auf dem alle Absolventen eines Jahrgangs nach
Fächergruppen mit der aktuellen Position aufgelistet sind. Dadurch können auch die Alumnis durch
den Austausch mit ehemaligen Kommilitonen von ihrer Mitgliedschaft profitieren. Gegebenenfalls
kann man hier von schon existierenden Netzwerkprofilen wie „XING“ oder „LinkedIn“ profitieren
und diese entsprechend verlinken.
Insgesamt ist es für die Hochschulen wichtig, vor allem zu Beginn des Studiums eine enge
Beziehung zu den Studierenden aufzubauen. Eine Beziehung zu Alumnis aufzubauen, deren
Abschluss ein paar Jahre zurück liegt, gestaltet sich hingegen als schwierig. Die
Unternehmensbefragung und die Gespräche vor Ort zeigen, wie wichtig der direkte Kontakt
zwischen Unternehmen und Wirtschaft für beide Seiten ist. Daher gilt es vor allem, auf diesem
Bereich die Bemühungen zu verstärken. Durch den Kontakt zu ehemaligen Studierenden können
die Hochschulen zudem wichtige Anstöße für ihre Forschungsarbeit erhalten. Dadurch lässt sich
die praxisrelevante Forschung intensivieren und somit der Transfer zwischen Wissenschaft und
Praxis ausbauen.
Abbildung 15: Lebenszyklusbetrachtung Bindungsfähigkeit Studierende
Quelle: Vgl. Boenigk, S. (2011): Alumni-Management versus Fundraising als Finanzierungsinstrument für Hochschulen, verfügbar unter: http://www.wiso.uni-hamburg.de/fieadmin/verwaltung/dekanat/Formularschrank/Forschung/VL_Hochschulfinanzierung/Vortrag_Boenigk_Alumni_versus_Fundraising_26_05_11.pdf.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
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Strategiekonzept – Umsetzung
Zur Umsetzung der oben aufgezeigten Strategie bedarf es des Einsatzes der
Kooperationsgemeinschaft aus den Kieler Hochschulen, der Stadt und der IHK zu Kiel. Diese
Kooperationsgemeinschaft vereint alle notwendigen Schlüsselqualifikationen auf sich. Die
Umsetzung des Strategiekonzepts wird die Sichtbarkeit der Kooperation weiter erhöhen und den
Transfer unter den Partnern des Projekts stärken. Im Folgenden sollen die Rollen der einzelnen
Partner und die Schnittstellen zwischen den Partnern bei der Umsetzung des Strategiekonzepts
näher beschrieben werden.
Grundsätzlich sollte bei allen Aktivitäten, auch bei denen der einzelnen Projektpartner, die
Kooperationsgemeinschaft in den Vordergrund gerückt werden, um den Marketingnutzen für alle
Beteiligten zu erhöhen und Präsenz im politischen Umfeld zu erreichen. Hierzu sollte ein
gemeinsames Briefpapier für Presseerklärungen entworfen werden, das die Logos und offiziellen
Adressen aller Beteiligten enthält. Dieses sollte auch für Ankündigungen einzelner Partner
verwendet werden, solange diese in die gemeinsame Sache einbezahlen. Trotz des gemeinsamen
Auftritts hat jeder Partner eigene Stärken und Handlungsspielräume, die es gilt, für die
Optimierung des Wissenstransfers in der Region und insbesondere am Standort einzusetzen.
Die IHK zu Kiel kann gemäß ihrem Auftrag den größten Beitrag leisten, wenn es um die
Organisation von Netzwerken und das Herstellen gemeinsamer Sichtbarkeit geht. Sie hat
einerseits ausgezeichnete Kontakte zu den Unternehmen der Region, andererseits verfügt sie über
zahlreiche Möglichkeiten, Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erlangen. Ihre Stimme wird in
der Region gehört. Konkret bedeutet das, dass die IHK zu Kiel insbesondere bei der Organisation
von Netzwerken, die im Strategiekonzept an mehreren Stellen vorkommen, hilfreich für die
Kooperationsgemeinschaft sein kann. So könnte sie beispielweise den Aufbau eines regionalen
Alumni-Netzwerks unterstützen, indem sie über ihre Newsletter die Unternehmen der Region auf
ein solches Netzwerk aufmerksam macht oder indem sie aktiv Unternehmen darauf anspricht, ob
Alumni der Kieler Hochschulen bei ihnen arbeiten und ob diese an einem Netzwerk teilnehmen
würden.
Neben diesen aktiven Funktionen hat die IHK zu Kiel aber auch eine passive Funktion als
„Gatekeeper“ für die Vergabe von öffentlichen Fördermitteln, die für junge Existenzgründer häufig
eine der wenigen Finanzierungsmöglichkeiten darstellen. Beispielsweise erfordert die Beantragung
des Gründungszuschusses für Existenzgründer der Bundesagentur für Arbeit eine positive
Beurteilung der Tragfähigkeit des Businessplans, die beispielsweise im Rahmen des „IHK Mentor“-
Systems erteilt werden kann. Um diese zu bekommen, müssen die Gründer einen Fragebogen auf
der Seite der IHK zu Kiel ausfüllen. Für Gründer aus dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft,
also in Bezug auf die Kooperationsgemeinschaft hauptsächlicher Ausgründungen aus der
Muthesius Kunsthochschule, stellt dieser Fragebogen jedoch schon eine ganz erhebliche Hürde
dar. Denn schon dort werden relativ konkrete Details zu Businessplan und Kalkulation abgefragt,
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
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an die sich die meisten Gründer aus dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft erst langsam
herantasten müssen. Hier bedarf es stärkerer Unterstützung.
Auch die Stadt hat erhebliche Kompetenzen bezüglich der Netzwerke und der Sichtbarkeit für die
einzelnen Partner der Kooperationsgemeinschaft sowie der regionalen Wirtschaft und Politik. Bei
dem vorgelegten Strategiekonzept kommt der Stadt hauptsächlich die Funktion zu, eine Plattform
für die genannten Aktivitäten zu bieten. Im Fall des Kieler Salons für Wirtschaft und Wissenschaft
funktioniert genau diese Plattformfunktion schon sehr gut. Bezüglich der Sichtbarkeit und
Umsetzung des Strategiekonzepts hat die Stadt die Aufgabe, Ressourcen für die Website
„wissenschafftzukunft-kiel.de“ freizugeben, sodass diese entsprechend der hier eingebrachten
Ideen erweitert und aufgewertet werden kann. Dabei ist es entscheidend, dass alle Partner in der
Kooperationsgemeinschaft an einem Strang ziehen, denn es sind auch von den Hochschulen
erhebliche organisatorische und personelle Arbeiten zu leisten, um die angedachten Ergebnisse zu
erzielen.
Den Hochschulen in Kiel kommt zunächst die gemeinsame Aufgabe zu, die im Strategiekonzept
verankerte Dachorganisation für den Wissenstransfer und die Gründungsförderung am Standort zu
organisieren. Neben der Einrichtung dieser Organisation haben die Hochschulen ebenfalls die
Aufgabe, an der Projektzuordnung und dem Projekthandling zu arbeiten, sodass eine effiziente
Verteilung und Organisation von Wissenstransferprojekten geleistet werden kann. Dazu sind in
erster Linie zusätzliche Ressourcen in diesem Bereich notwendig. An zweiter Stelle muss ein Weg
gefunden werden, Projekte richtig zuzuordnen. Ebenso sollten die Hochschulen gemeinsam die
IHK zu Kiel durch eine Überprüfung ihrer bestehenden Alumni-Netzwerke unterstützen.
Identifizierte Potenziale sollten genutzt werden.
Neben diesen übergreifenden Handlungsfeldern sind im Rahmen des Strategiekonzepts jedoch
auch spezifische Felder zu identifizieren, die das individuelle Handeln der einzelnen Akteure
notwendig machen. Diese sollen im Folgenden beschrieben werden.
Die Christian-Albrechts-Universität als die größte Hochschule am Standort leistet den wichtigsten
Beitrag zur Leuchtturmfunktion der Wissenschaft für Kiel und die Untersuchungsregion. Diesen
Beitrag gilt es, zu bewahren und auszubauen. Das bedeutet, die Christian-Albrechts-Universität
muss ihre Strategie der Stärkung der Exzellenzcluster weiterverfolgen. Diese bilden auch für den
Wissenstransfer den Maßstab. Es sollte also in erster Linie Wert darauf gelegt werden, mit
thematisch passenden Unternehmen unabhängig von deren Standort zusammenzuarbeiten. Durch
Ausgründungen kann auf Basis echter Exzellenzcluster langfristig eine neue Struktur am Standort
geschaffen werden, die sich zu einem lokalen Cluster entwickeln kann.
Wenn man sich das Ziel setzt, intensiver und vermehrt mit der bestehenden und sehr heterogenen
Wirtschaft am Standort und in der Untersuchungsregion zusammenzuarbeiten, so erscheint es
sinnvoll, hierfür aus den Forschungsschwerpunkten der Christian-Albrechts-Universität in einem
ersten Schritt etwas allgemeiner gefasste Querschnittsthemen zu identifizieren und im Austausch
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
90
mit den Projektpartnern IHK zu Kiel und Stadt weiterzuentwickeln. Für diese Querschnittsthemen
sollten entsprechende Veranstaltungsreihen in der Region aufgelegt werden, die einerseits die
Information in die regionalen Betriebe tragen und andererseits eine Plattform zum persönlichen
Austausch bieten, der sich als relevantester Baustein zur Initiierung von Kooperationen erwiesen
hat.
Die Fachhochschule Kiel ist aufgrund ihres Profils und ihres Auftrags deutlich besser auf die
Belange der regionalen Wirtschaft abgestimmt. Hier wurden die Zusammenarbeit und die
Organisation von Projekten durch die Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel
GmbH allseits gelobt. Es scheint hier aber noch weniger Unterstützung für Gründungen aus den
Reihen der Studierenden und Mitarbeiter zu geben, als dies bei der Christian-Albrechts-Universität
der Fall ist. Deshalb sollte die Fachhochschule Kiel gerade in diesem Bereich mehr tun.
Möglichkeiten bestehen im Austausch mit den anderen Kooperationspartnern und wurden im
Strategiekonzept konkret aufgezeigt.
Für die Muthesius Kunsthochschule gilt im Prinzip eine vergleichbare Handlungsempfehlung.
Jedoch sollte sie vor allem versuchen, ihre Studierenden besser auf die spätere Berufspraxis
vorzubereiten. Eine gute Möglichkeit dazu, die ebenfalls den Wissenstransfer in die regionalen
Unternehmen stärkt, stellt das im Wintersemester 2011/12 gegründete Projektbüro an der
Muthesius Kunsthochschule dar. Dieses vermittelt den Studierenden anhand von
projektbezogenen Studien und Anliegen aus Wissenschaft, Gesellschaft und Wirtschaft
praxisrelevante und realitätsnahe Erfahrung. Das Projektbüro verbessert also in erster Linie den
Praxisbezug für die Studierenden und verschiebt die Wahrnehmung der Hochschule nach außen
in Richtung Praxisnähe. Um den Wissenstransfer zu intensivieren, gilt es, das Projektbüro stärker
zu fördern um somit die Zusammenarbeit mit externen Partnern auszuweiten.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
91
4 Kultur- und Kreativwirtschaft
In den letzten Jahren ist die Kultur- und Kreativwirtschaft (KuK) immer stärker in den Fokus der
Politik gerückt. Nahezu alle Bundesländer haben diesen Bereich als einen der Motoren für
zukünftiges wirtschaftliches Wachstum identifiziert und versuchen dessen Entwicklung durch
gezielte Fördermaßnahmen zu unterstützen. Auch auf europäischer Ebene wurden Programme ins
Leben gerufen, um das Wachstum der Kultur- und Kreativwirtschaft zu unterstützen. Zu nennen
sind hier vor allem das Förderprogramm „Kreatives Europa“ und das Netzwerk „European Creative
Industries Alliance“. Daneben erfüllen Teile der Kultur- und Kreativwirtschaft die Voraussetzungen
für eine Förderung durch Strukturfonds der Europäischen Union. Dabei wird nicht nur auf das
wirtschaftliche Potenzial der Unternehmen aus diesem Bereich gesetzt, sondern auch auf dessen
positive Wirkung auf andere Wirtschaftszweige oder aber auch auf weitere Ziele wie den
Strukturwandel in einzelnen Stadtteilen oder Regionen. Daneben zeigt sich im wachsenden
Interesse an der Kultur- und Kreativwirtschaft ein allgemeiner Wandel hin zu wissensintensiven
Dienstleistungen. Dadurch ist die Kultur- und Kreativwirtschaft besonders stark von der
Entwicklung in anderen Wirtschaftszweigen abhängig.
4.1 Branchenabgrenzung
Die Branche umfasst die Entwicklung und Verbreitung all derjenigen Güter, Dienstleistungen und
Verfahren, die auf Basis eines schöpferischen Akts entstanden sind. Ein genauerer Überblick
ergibt sich bei Einteilung der Kultur- und Kreativwirtschaft in ihre Teilmärkte.
Insgesamt umfasst die allgemein gängige Definition der Kultur- und Kreativwirtschaft elf
Teilmärkte. Diese reichen vom Verlagswesen über Bibliotheken und Museen bis hin zur
Architektur. Ein genauer Überblick über die Teilmärkte findet sich in Tabelle 26.
Die Struktur der Kultur- und Kreativwirtschaft zeichnet sich durch diese Vielfalt aus, zudem
unterscheiden sich die Teilmärkte stark voneinander. Aufgrund dieser Heterogenität und
komplexen Struktur bestehen nur wenige Kooperationsmöglichkeiten innerhalb der Kultur- und
Kreativwirtschaft. Engere Verbindungen existieren jedoch zwischen dem Verlagswesen und der
Werbung sowie zwischen der Musik- und Filmwirtschaft. Die übrigen Teilmärkte agieren aufgrund
ihrer Unterschiedlichkeit häufig isoliert.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
92
Tabelle 26: Die Kultur- und Kreativwirtschaft und ihre Teilmärkte
Verlagswesen
Verlegen v. Büchern u. Zeitschriften; sonstiges Verlagswesen (ohne Software)
Filmwirtschaft Herstellung von Filmen und
Fernsehprogrammen, deren Verleih u. Vertrieb; Kinos
Tonträgerindustrie/Musikverlage
Tonstudios; Herstellung von Hörfunkbeiträgen; Verlegen von bespielten Tonträgern und Musikalien
Rundfunkwirtschaft
Hörfunkveranstalter
TV-Veranstalter
Kulturelle Wirtschaftszweige
Kreative, künstlerische u. unterhaltende Tätigkeiten
Bibliotheken/Museen Bibliotheken, Archive,
Museen, botanische und zoologische Gärten
Handel mit Kulturgütern
Einzelhandel mit Verlagsprodukten, Sportausrüstung und Spielwaren
Architektur
Architektur- und Ingenieurbüros
Design
Ateliers für Textil-, Schmuck-, Grafik- u. ä. Design
Werbung Werbung
Software/Games
Verlegen von Software
Erbringung von Dienstleistungen der Informationstechnologie
Quelle: Siehe Weckerle, C. / Söndermann, M. (2003): Das Umsatz- und Beschäftigtenpotenzial des kulturellen Sektors: Erster Kulturwirtschaftsbericht Schweiz, Zürich, S. 10.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
93
4.2 Die Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion
4.2.1 Quantitative Analyse: Die wirtschaftliche Bedeutung der Kultur- und
Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion
In diesem Kapitel soll untersucht werden, welche quantitative Rolle die Kultur- und
Kreativwirtschaft für die regionale Wirtschaft in der Untersuchungsregion und am Standort Kiel
spielt. Es wird gezeigt, welche Branchen den Bereich in der Untersuchungsregion prägen und wo
möglicherweise Spezialisierungen, also stärkere Konzentrationen als in den Benchmarkregionen
vorliegen.
Da die Kultur- und Kreativwirtschaft sich vor allem durch ihre Kleinteiligkeit von anderen Branchen
abhebt, ist sie besonders auf die Zusammenarbeit der einzelnen Akteure untereinander
angewiesen. Die besten Standortbedingungen finden sich für die Kultur- und Kreativwirtschaft in
einem urbanen Umfeld. Da sich die Landeshauptstadt Kiel die Rolle als Oberzentrum und urbanes
Zentrum der Untersuchungsregion auszeichnet, werden im Folgenden nicht nur die Kennzahlen
der gesamten Untersuchungsregion, sondern auch die Kiels ausgewiesen.
Unternehmen und Umsätze der Kultur- und Kreativwirtschaft
In der Untersuchungsregion gibt es im Jahr 2011 mehr als 2.800 Unternehmen, die sich der Kultur-
und Kreativwirtschaft zuordnen lassen, dies entspricht einem Anteil von 6,8 Prozent aller
Unternehmen. Die angesprochenen besonderen Standortbedingungen zeigen sich bei einem Blick
auf die Unternehmenskonzentration in der Stadt Kiel. Diese ist mit einem Anteil von 10,2 Prozent
um 50 Prozent höher als in der gesamten Untersuchungsregion und liegt damit fast auf
bundesdeutschem Niveau, wo 10,6 Prozent aller Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft
zugerechnet werden.
Bei der Entwicklungsdynamik bleiben sowohl die Stadt Kiel als auch die gesamte
Untersuchungsregion hinter der Branchenentwicklung in Deutschland zurück. Die Anzahl der
Unternehmen steigt zwischen den Jahren 2009 und 2011 bundesweit um 1,1 Prozent an, während
sie sich in der gesamten Untersuchungsregion nur um 0,5 Prozent erhöht und in der Stadt Kiel
selber sogar um 1,0 Prozent abnimmt (Tabelle 27).
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
94
Tabelle 27: Unternehmenskennzahlen der Kultur- und Kreativwirtschaft für das Jahr 2011
Untersuchungs-
region Stadt Kiel Deutschland
Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft
1)
Anzahl 2.803 725 340.798
Anteil an allen Unternehmen 6,8 10,2 10,6
Spezialisierungskoeffizient2)
64,5 96,4 100,0
Entwicklung 2009 – 2011 0,5 -1,0 1,1
Umsätze der Kultur- und Kreativwirtschaft
3)
Umsätze in 1.000 Euro 871.409 418.886 156.940.247
Anteil an allen Unternehmen 1,3 2,5 2,8
Umsatz je Unternehmen in 1.000 Euro 310.873 578.172 460.508
Entwicklung 2009 – 2011 4,8 17,3 7,3
1)
Anzahl der Steuerpflichtigen aus der Umsatzsteuerstatistik 2)
Spezialisierungskoeffizient: Angabe der Beschäftigungsanteile im Vergleich zu Deutschland in Prozent. Ein niedriger Koeffizient deutet auf unterdurchschnittlich viele Beschäftigte in der Branche hin, ein hoher auf überdurchschnittlich viele Beschäftigte, der Durchschnitt liegt bei 100. 3)
Lieferungen und Leistungen aus der Umsatzsteuerstatistik
Quelle: Statistisches Bundesamt (2013): Umsatzsteuerstatistik.
Dass diese Entwicklung nicht überbewertet werden darf, zeigt ein Blick auf die Umsätze der Kultur-
und Kreativwirtschaft in der Region und auf deren Entwicklungsdynamik. Insgesamt erwirtschaften
die Unternehmen dieses Bereichs im Jahr 2011 einen Umsatz von 871,4 Millionen Euro. Dies
entspricht einem Anteil an den gesamten erwirtschafteten Umsätzen von 1,3 Prozent. Da der
Anteil der Unternehmen bei 6,8 Prozent liegt, wird hier nochmal die kleinteilige Struktur der
Branche deutlich. Der durchschnittliche Umsatz je Unternehmen liegt bei gut 310 Tausend Euro
und das Umsatzwachstum zwischen den Jahren 2009 und 2011 bei 4,8 Prozent. Alle drei
Vergleichswerte zeigen, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft bei den quantitativen Kennzahlen
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Untersuchungsregion Stadt Kiel Deutschland
hinter denen der Landeshauptstadt Kiel und denen des deutschen Deutschlandbenchmarks
zurückbleibt.
Die Kennzahlen der Stadt Kiel präsentieren sich im Vergleich erfreulicher. Insgesamt
erwirtschaften die 725 Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Landeshauptstadt
einen Umsatz von knapp 420 Millionen Euro, was einem Anteil von 2,5 Prozent aller Umsätze in
der Stadt entspricht. Je Unternehmen entspricht das einem Wert von knapp 580 Tausend Euro
und ist damit deutlich höher als im deutschen Durchschnitt. Und diese Umsätze konnten in den
letzten Jahren deutlich gesteigert werden. Während die Umsätze der Kultur- und Kreativwirtschaft
zwischen den Jahren 2009 und 2011 bundesweit um 7,3 Prozent zunehmen, sind es am Standort
Kiel sogar Zuwächse von 17,3 Prozent.
Welche der elf Teilmärkt sind für diesen Erfolg verantwortlich bzw. welche Branchen prägen den
Untersuchungsstandort? Abbildung 16 zeigt die Verteilung der Teilmärkt innerhalb der
Untersuchungsregionen und im Vergleich zu Deutschland.
Abbildung 16: Die Kultur- und Kreativwirtschaft im Vergleich – Anzahl der
Unternehmen für das Jahr 2011
Anmerkung: Angaben in Prozent.
Quelle: Statistisches Bundesamt (2013): Umsatzsteuerstatistik.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
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Den höchsten Anteil an Unternehmen weist die Software- und Games-Industrie auf, 22,4 Prozent
(629 Unternehmen) der Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft in der gesamten
Untersuchungsregion und 19,9 Prozent in Kiel (144 Unternehmen) zählen hierzu. Dahinter folgt die
Designwirtschaft mit einem Anteil von 14,0 bzw. 14,4 Prozent. Im bundesdeutschen Vergleich ist
dieses Verhältnis umgekehrt. Hier weist die Designwirtschaft einen Anteil von 18,4 Prozent an
allen Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft auf und die Software- und Games-Industrie
kommt auf eine Quote von 16,4 Prozent.
Weitere Abweichungen von der bundesdeutschen Branchenstruktur zeigen sich beim Kunstmarkt,
der in den Untersuchungsregionen eine deutliche höhere Bedeutung aufweist und beim
Werbemarkt. Hier sind bundesweit mehr als 10 Prozent aller Unternehmen der Kultur- und
Kreativwirtschaft tätig, während es in den Vergleichsregionen nur ca. 6 Prozent sind. Im Vergleich
der gesamten Untersuchungsregion mit der Landeshauptstadt Kiel zeigen sich nur bei der
Software- und Games-Industrie und im Pressemarkt größere Unterschiede bei den Anteilen.
Ein Blick auf die Umsatzverteilung der Kultur- und Kreativwirtschaft unterstreicht nochmal die hohe
Bedeutung der Software- und Games-Industrie für den gesamten Bereich Kultur- und
Kreativwirtschaft, aber auch für die gesamte regionale Wirtschaft. Von den gut 871 Millionen Euro
Gesamtumsatz der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregionen werden knapp 260
Millionen Euro oder 29,8 Prozent in dieser Branche erwirtschaftet. Auf dem zweiten Rang der
umsatzstärksten Branchen folgt der Pressemarkt. Dieser Bereich ist in der Untersuchungsregion
für ca. 155 Millionen Euro Umsatz verantwortlich, was einem Anteil von 17,7 Prozent entspricht.
Damit sind diese beiden Branchen für knapp 50 Prozent der gesamten Umsätze der Kultur- und
Kreativwirtschaft verantwortlich. Betrachtet man die Branchenstruktur in der Landeshauptstadt
Kiel, fällt diese Dominanz noch deutlicher aus. Hier werden rund 145 Millionen Euro oder
34,6 Prozent aller Umsätze der Kultur- und Kreativwirtschaft mit Software und Games
erwirtschaftet. Der Pressemarkt erwirtschaftete im Jahr 2011 Umsätze von 107,5 Millionen Euro,
was einem Anteil von 25,7 Prozent aller Umsätze der Kultur- und Kreativwirtschaft entspricht.
Dadurch verantworten die beiden Branchen sogar mehr als 60 Prozent der Umsätze der Kultur-
und Kreativwirtschaft in der Landeshauptstadt.
Bezogen auf den erwirtschafteten Umsatz folgen der Design- und der Architekturmarkt mit
deutlichem Abstand auf den weiteren Rängen, gefolgt vom Buch- und Kunstmarkt. Die geringsten
Umsätze werden auf dem Markt für Darstellende Künste und in der Musikwirtschaft erwirtschaftet.
Die Entwicklungsdynamik der Kultur und Kreativwirtschaft
Die Gesamtübersicht der Branchenstruktur (Tabelle 27) hat gezeigt, dass die
Entwicklungsdynamik bei der Anzahl der Unternehmen in der Untersuchungsregion und am
Standort Kiel eher unterdurchschnittlich ausgeprägt ist, es dafür aber eine sehr hohe
Wachstumsdynamik bei der Umsatzentwicklung zu verzeichnen gab.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
97
In Tabelle 28 sind die relativen Veränderungen bei den Unternehmen zwischen den Jahren 2009
und 2011 dargestellt. Hierbei wird deutlich, dass sich zwar die Gesamtzahl der Unternehmen der
Kultur- und Kreativwirtschaft nur geringfügig verändert hat, dafür aber innerhalb der Teilmärkte
unterschiedliche Entwicklungen zeigen.
Die stärksten Rückgänge verzeichnet in der Untersuchungsregion der Werbemarkt. Diese
Entwicklung folgt dabei einem bundesweiten Trend, auch hier hat der Werbemarkt den höchsten
Rückgang bei der Anzahl der Unternehmen zu verzeichnen und ist neben dem Buchmarkt auch
der einzige, der zwischen 2009 und 2011 einen Umsatzrückgang aufwies. Daneben zeigen sich
sowohl in der gesamten Untersuchungsregion, als auch am Standort Kiel starke Rückgänge in der
Film- und in der Rundfunkwirtschaft. Diese fallen auch deutlich stärker aus als im
bundesdeutschen Vergleich.
Tabelle 28: Entwicklung der Anzahl der Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft
von 2009 bis 2011 (Veränderung in Prozent)
Teilbranche Untersuchungs-
region Stadt Kiel Deutschland
Musikwirtschaft 3,4 -4,1 -4,9
Buchmarkt 3,7 -8,8 3,1
Kunstmarkt 3,7 2,1 -0,2
Filmwirtschaft -9,1 -14,0 -1,7
Rundfunkwirtschaft -8,4 -12,8 -1,7
Markt für Darstellende Künste -4,3 -6,4 6,0
Designwirtschaft 3,2 8,2 6,7
Architekturmarkt 1,8 -4,3 0,7
Pressemarkt -8,6 -3,1 -2,0
Werbemarkt -10,7 -10,8 -6,0
Software-/Games-Industrie 7,0 8,3 9,9
Summe 0,5 -1,0 1,1
Quelle: Statistisches Bundesamt (2013): Umsatzsteuerstatistik.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
98
Erfreulich für die gesamte Untersuchungsregion ist die sehr positive Entwicklung der Software- und
Games-Industrie. Diese Branche prägt bereits aktuell die Kultur- und Kreativwirtschaft in der
gesamten Untersuchungsregion und zeigt dabei zusätzlich eine hohe Entwicklungsdynamik. In der
Stadt Kiel, dem Zentrum der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion, verzeichnet
ansonsten nur noch die Designwirtschaft ähnlich hohe Zuwachsraten und folgt auch hier dem
bundesweiten Trend.
Die zu Beginn des Kapitels aufgezeigte überdurchschnittliche Umsatzentwicklung der Kultur- und
Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion ist vor allem auf einen starken Anstieg der Umsätze
in der Software- und Games-Industrie zurückzuführen. Zwischen den Jahren 2009 und 2011
erhöhten diese sich um 50 Prozent auf knapp 260 Millionen Euro. Auch bundesweit weist diese
Branche die stärksten Zuwachsraten auf, bleibt mit einem Anstieg um 20,9 Prozent aber hinter der
Entwicklung der Untersuchungsregion zurück.
Beschäftigung
Auch die Analyse der Beschäftigungsstatistik (Tabelle 29) unterstreicht die enorme Bedeutung der
Kultur- und Kreativwirtschaft für die gesamte Untersuchungsregion und insbesondere für die
Landeshauptstadt Kiel. Insgesamt arbeiten im Jahr 2012 in der Region Kiel 15.621
sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft. Dies
entspricht einem Anteil von 4,5 Prozent an allen Beschäftigten. Damit bewegt sich die
Beschäftigungswirkung auf bundesdeutschem Niveau, wo ebenfalls 4,5 Prozent der Beschäftigten
in der Kultur- und Kreativwirtschaft angestellt sind.
Die Beschäftigungsentwicklung verläuft aber weniger dynamisch als im Bundesdurchschnitt.
Während hier ein Zuwachs von 4,4 Prozent in den Jahren von 2008 bis 2012 verzeichnet werden
konnte, gibt es in der Untersuchungsregion einen Rückgang um 2,5 Prozent.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
99
Tabelle 29: Beschäftigtendaten der Kultur- und Kreativwirtschaft für die Untersuchungsregion
für das Jahr 2012
Untersuchungs-
region Stadt Kiel Deutschland
Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
15.621 7.412 1.308.265
Wachstum 2008 – 2012 -2,5 -0,1 4,4
Anteil an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
4,5 6,8 4,5
Spezialisierungskoeffizient1)
98,4 150,9 100,0
1) Spezialisierungskoeffizient: Angabe der Beschäftigungsanteile im Vergleich zu Deutschland in
Prozent. Ein niedriger Koeffizient deutet auf unterdurchschnittlich viele Beschäftigte in der Branche hin, ein hoher auf überdurchschnittlich viele Beschäftigte, der Durchschnitt liegt bei 100.
Quelle: Statistisches Bundesamt (2013): Umsatzsteuerstatistik.
Betrachtet man die Werte der Landeshauptstadt Kiel allein, wird auch bei den Beschäftigtendaten
die hohe Bedeutung des urbanen Raumes für die Kultur- und Kreativwirtschaft deutlich. In der
Stadt Kiel arbeiten insgesamt 7.412 Beschäftigte in Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft.
Damit beträgt der Beschäftigtenanteil an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sogar
6,8 Prozent und liegt damit mehr als 50 Prozent über dem Anteil in der Untersuchungsregion und
dem bundesdeutschen Anteil. Auch die Entwicklungsdynamik verläuft in Kiel erfolgreicher als in
der gesamten Untersuchungsregion.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
100
Tabelle 30: Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte der Kultur- und Kreativwirtschaft in Kiel
(2012)
sozialversicherungspflichtig
Beschäftigte relativer Anteil
Spezialisierungs-koeffizient
Entwicklung 2008 – 2012
Musikwirtschaft 605 8,2 380,0 -3,0
Buchmarkt 517 7,0 202,4 -1,5
Kunstmarkt 184 2,5 137,5 1,7
Filmwirtschaft 248 3,3 212,5 41,7
Rundfunkwirtschaft 681 9,2 277,2 31,2
Markt für
darstellende Künste 563 7,6 401,7 -3,1
Designwirtschaft 375 5,1 112,6 -26,8
Architekturmarkt 335 4,5 150,1 11,3
Pressemarkt 474 6,4 109,0 -9,0
Werbemarkt 433 5,8 201,0 -28,1
Software-/Games-
Industrie 2.022 27,3 135,4 11,2
Sonstige 975 13,2 84,6 -8,0
Gesamt 7412 100,0 150,9 -0,1
Quelle: Bundesagentur für Arbeit (2013).
Tabelle 30 zeigt die detaillierte Branchenstruktur der Kultur- und Kreativwirtschaft am Standort
Kiel. Aus der Übersicht wird ersichtlich, dass die Entwicklung in den einzelnen Teilmärkten volatiler
verläuft, als es die Gesamtentwicklung vermuten lässt.
Wie bereits die Analyse zu der Unternehmensstruktur zeigt, hat die Software- und Games-Industrie
mit 2.022 Beschäftigten bzw. 27,3 Prozent den höchsten Anteil an der Kultur- und Kreativwirtschaft
am Standort Kiel. Seit dem Jahr 2008 konnte ein Wachstum von 11,2 Prozent erzielt werden. Die
höchsten Wachstumsraten bei der Beschäftigung erzielen die Branchen Film- und
Rundfunkwirtschaft, wobei diese ein deutlich geringeres Ausgangsniveau aufweisen. Zuwächse
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
101
von mehr als 41 bzw. 31 Prozent zeigen aber eine sehr erfolgreiche Entwicklung am Standort.
Auch die regionalwirtschaftliche Bedeutung dieser beiden Branchen ist mehr als doppelt so hoch
wie im bundesdeutschen Durchschnitt, was auf eine hohe Wettbewerbsfähigkeit dieser Branchen
schließen lässt.
Der Spezialisierungskoeffizient ist ein Maß für die Wettbewerbsfähigkeit der Branchen am
Standort. Werte die größer sind als 100 zeigen an, dass die Branchenkonzentration am
untersuchten Standort höher ist als in der jeweiligen Vergleichsregion, in diesem Fall der gesamten
Bundesrepublik. Je höher der Wert ist, desto höher muss auch die Wettbewerbsfähigkeit bzw.
Standortattraktivität für die jeweilige Branche sein. Die stärkste Branchenkonzentration im
Vergleich weisen die Musikwirtschaft und der Markt für Darstellende Künste auf. In diesen beiden
Branchen arbeiten etwa viermal so viele Beschäftigte wie im Bundesschnitt. Die beiden Branchen
weisen aber keine besondere Entwicklungsdynamik auf und auch nur einen durchschnittlichen
Beschäftigungsanteil. Dahinter folgen die Film- und Rundfunkwirtschaft die, wie bereits erwähnt,
eine sehr hohe Entwicklungsdynamik in den letzten Jahren zu verzeichnen hatten. Werte von über
200, also einer mehr als doppelt so hohen Branchenkonzentration, erreichen auch noch der
Buchmarkt und der Werbemarkt. Insgesamt betrachtet weisen alle elf Teilmärkte
überdurchschnittliche Werte auf, was verdeutlicht, dass die Landeshauptstadt Kiel das Zentrum
der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion ist. Die Gründe hierfür sind in den
spezifischen Standortbedingungen zu finden, auf die im Kapitel 4.3.1 näher eingegangen wird.
Die Kultur- und Kreativwirtschaft am Standort Kiel hat in den letzten Jahren eine sehr dynamische
Entwicklung vollzogen, die sich insbesondere durch hohe Umsatzzuwächse auszeichnet. Geprägt
wird der Bereich vor allem durch die Software- und Games-Industrie und den Pressemarkt, die die
höchsten Umsätze in der Untersuchungsregion generieren. Bei der Dynamikbetrachtung wird
deutlich, dass die Entwicklung nicht einheitlich über alle Teilmärkte hinweg verläuft. Auch hier
spielt die Software- und Games-Industrie eine führende Rolle auf, gefolgt von der Designwirtschaft.
Mit diesen Schwerpunkten und der insgesamt sehr dynamischen Entwicklung spiegeln sich in der
Region Kiel Trends wider, die auch bundesweit zu beobachten sind. Aufgrund der
überdurchschnittlichen Dynamik, der hohen Konzentration, der Wechselwirkungen mit anderen
Branchen und der engen Verknüpfung mit den Hochschulen am Standort Kiel kommt diesen
beiden Teilmärkten eine besondere Rolle zu.
4.2.2 Strukturelle Analyse: Branchenübergreifende Effekte
Nicht zuletzt wegen ihrer zukunftsweisenden Arbeits- und Organisationsformen lassen sich die
Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft nur sehr schwer als eine homogene Branche
auffassen. Ein erster Versuch, die Kultur- und Kreativwirtschaft in Sektoren zu unterteilen, wurde
von Weckerle und Södermann unternommen.38 Die beiden Autoren teilen die Kultur- und
38 Siehe Weckerle, C. / Söndermann, M. (2003): Das Umsatz- und Beschäftigtenpotenzial des kulturellen Sektors: Erster
Kulturwirtschaftsbericht Schweiz, Zürich.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
102
Kreativwirtschaft in drei Teilbereiche ein: den öffentlichen, den privaten und den intermediären
Sektor.
Der öffentliche Sektor umfasst dabei beispielsweise Museen, staatliche Kunstsammlungen oder
öffentlich rechtliche Rundfunkanstalten. Der private Sektor ist gewinnorientiert und finanziert sich
zum Großteil aus Krediten. Hinsichtlich ihres Tätigkeitsbereichs unterscheiden sich die
Unternehmen in diesem Sektor sehr; so reicht dieser Bereich vom selbstständigen
Softwareprogrammierer bis zum global agierenden Verlagshaus. Der dritte Bereich ist der
intermediäre Sektor. Dieser weist bezüglich seiner Eigenschaften Überschneidungen mit den
beiden zuvor beschriebenen Sektoren aus. So ist er nicht gewinnorientiert wie der öffentliche
Sektor, ist aber bei der Finanzierung auf Gelder von Sponsoren angewiesen.
Es ist offensichtlich, dass sich diese Bereiche nicht trennscharf voneinander abgrenzen lassen und
sich gegenseitig in ihrer Entwicklung beeinflussen. Obwohl das Drei-Sektoren-Modell schon ein
relativ gutes Verständnis der verschiedenen Belange einzelner Gruppen innerhalb der Kultur- und
Kreativwirtschaft ermöglicht, ist es doch für die Zwecke dieses Gutachtens unzureichend
spezifiziert, da es die Verflechtung mit anderen Branchen außerhalb der Kultur- und
Kreativwirtschaft nicht ausreichend aufnimmt.
Deshalb sollen für die Zwecke dieses Gutachtens die einzelnen Teilmärkte anhand von zwei
Kriterien unterschieden werden: (1) dem Verflechtungsgrad und (2) der Gewinnorientierung
(Abbildung 17). Diese Unterteilung stellt neben der individuellen Ausrichtung und Zielsetzung der
Teilmärkte auch ihre wirtschaftliche Relevanz und Intensität der erwerbswirtschaftlichen
Orientierung dar.
Die Anwendung der Teilbereiche auf die beiden Faktoren macht deutlich, dass Teilmärkte, wie die
Designwirtschaft, die Software- und Games-Industrie sowie die Werbebranche, ein besonders
ausgeprägtes Gewinnstreben bei einer gleichzeitig hohen Verflechtung mit anderen Branchen
haben. Im Gegensatz zu diesen drei Teilmärkten steht die Arbeit der übrigen Bereiche der Kultur-
und Kreativwirtschaft – abgesehen vom Architekturwesen – wenig oder gar nicht mit anderen
Wirtschaftszweigen in Verbindung. Außerdem sind Segmente, wie Bibliotheken und Museen sowie
die Rundfunk-und Filmwirtschaft und der kulturelle Wirtschaftszweig, weniger erwerbswirtschaftlich
aufgestellt, sondern überwiegend darauf ausgerichtet, die Städte mit ihrer kulturellen Vielfalt zu
bereichern. Einzig der Handel mit Kulturgütern sowie die Musikwirtschaft und das Verlagswesen
sind zudem noch gewinnorientiert.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
103
Abbildung 17: Verflechtungsgrad und Gewinnorientierung der Teilmärkte
Quelle: IW Consult (2013).
Für dieses Gutachten sind insbesondere die Bereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft relevant,
die sowohl stark gewinnorientiert als auch stark mit anderen Branchen verflochten sind. Dies sind
die Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft, die den größten regionalen Nutzen haben und die
am stärksten den Wissenstransfer mit Branchen außerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft
anregen. Aus diesem Grund konzentriert sich die weitere Analyse auf die Designwirtschaft und die
Software- und Games-Industrie. Wie diese beiden Bereiche genau strukturiert sind und welche
Märkte von ihnen bedient werden, steht im Fokus des folgenden Abschnitts.
Schwerpunkt Software und Games
Kiel verfügt über eine Vielzahl von Softwareunternehmen. Die Branche reicht von kleinen
Betrieben und Einzelunternehmern bis hin zu mittelständischen Betrieben. Kleinere Unternehmen
sind eher regional ausgerichtet und versorgen Kunden in und um Kiel mit informationstechnischen
Dienstleistungen. Eine hohe regionalwirtschaftliche Bedeutung haben die größeren und
überregional aktiven Unternehmen. Diese zeichnen sich in der Regel durch eine
überdurchschnittliche Wettbewerbsfähigkeit aus, durch die sie sich im nationalen bzw.
internationalen Wettbewerb durchsetzen können.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
104
Die Größe und die überregionalen Tätigkeitsbereiche der Unternehmen machen die Stadt Kiel zu
dem wichtigsten Standort in Bezug auf Software-Industrien in Schleswig-Holstein. Diese
wissensorientierten Unternehmen konzentrieren sich aufgrund der Urbanität und der vorhandenen
Fachkräfte stark auf den Standort Kiel. Dabei spielt insbesondere die Fachkräfteversorgung eine
entscheidende Rolle und ist ein wesentlicher Standortfaktor für Unternehmen der Branche. Die
Christian-Albrechts-Universität bildet Fachkräfte im Fach Informatik aus und schafft aufgrund des
Instituts für Informatik Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft.
Trotz einiger auf die Region Norddeutschland konzentrierter Dienstleister zeigt sich die Mehrheit
der Betriebe im Bereich Software und Games eher überregional ausgerichtet. Diese Ausrichtung
liegt schon im Geschäftsmodell der meisten Softwarehäuser, das sich durch praktisch nicht
vorhandene Grenzkosten des Produkts auszeichnet. Einmal entwickelt, kann ein Programm
beliebig oft abgespeichert und ausgeliefert werden, ohne dass sich dabei die Gesamtkosten
merklich erhöhen. Demnach weisen sie in der Regel wenige Verflechtungen mit der regionalen
Wirtschaft auf.
Die Unternehmen der Branche spielen als Arbeitgeber und Vertreter der Kultur- und
Kreativwirtschaft in Kiel eine wichtige Rolle. Doch nicht nur die ansässigen Unternehmen aus der
Branche Software und Games sind entscheidend, wenn es um die Einschätzung der Relevanz von
IKT-Anwendungen und dem Internet geht. Es ist vielmehr entscheidend, wie stark diese von
Unternehmen in der Region genutzt werden. Für die Nutzung des Internets liegen Daten der IW
Consult aus einer Befragung im Oktober/November 2012 vor. Bei dieser Befragung wurden in 110
deutschen Städten39 jeweils 50 Unternehmen repräsentativ zur Bedeutung des Internets für ihr
Geschäftsmodell40 befragt. Kiel erreichte mit einem Indexwert von 117, bezogen auf den
Durchschnitt des Postleitzahlen-Gebiets 2, einen deutlich überdurchschnittlichen Wert für die
Digitalisierung der Unternehmen am Standort. Hierfür wurde Kiel vom IW Köln, dem Deutschen
Städte- und Gemeindebund (DStGB) und Google mit dem „eTown Award 2013“ ausgezeichnet.
Schwerpunkt Design-Dienstleistungen
In Kiel sind einige namhafte Unternehmen der Designwirtschaft ansässig. Diese sind überwiegend
von kleinteiliger Struktur und verfügen über durchschnittlich zehn Mitarbeiter. Aber auch in diesem
Bereich finden sich zahlreiche Unternehmen, die sich durch ihre innovativen Produkte im
überregionalen Wettbewerb behaupten können. Ähnlich verhält es sich mit den Unternehmen der
Werbebranche, die sehr eng mit der Designbranche verknüpft ist. Die Unternehmen aus der
Werbebranche zählen, ähnlich wie die Unternehmen der Designwirtschaft, zum größten Teil zu
den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Neben Unternehmen mit einem nationalen
Kundenstamm sind aber auch Unternehmen aus der Werbebranche mit einem starken regionalen
39 107 kreisfreie Städte und drei Stadtregionen (Aachen, Hannover, Saarbrücken).
40 Zur Beschreibung der Methodik und Hintergründe siehe: Arnold, R. et al. (2013): Wirtschaft Digitalisiert – Welche Rolle
spielt das Internet für die deutsche Industrie und Dienstleister? IW Consult, Köln, veröffentlicht auf www.iwconsult.de.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
105
Bezug in Kiel ansässig. Das Angebotsspektrum der Unternehmen ist weit gefächert; es reicht von
der Realisierung von Online-Auftritten über die Gestaltung von Printmedien bis hin zur klassischen
und neuen Werbung.
Durch das weite Angebotsspektrum können insbesondere breit aufgestellte Werbeagenturen
Design-Dienstleistungen anbieten. Dies gilt desto mehr für den Bereich des Designs von
Kommunikationsstrategien, -kampagnen und -materialien, welches zum Kerngeschäft der meisten
Agenturen zählt. Insofern ist eine trennscharfe Abgrenzung dieser beiden Felder für die
Durchführung von Design-Dienstleistungen nicht zu treffen.
Die starke Verflechtung der Design- und Werbebranche mit anderen Wirtschaftszweigen ist
offensichtlich. Nahezu jeder Wirtschaftsbereich nimmt Design-Dienstleistungen in Anspruch oder
kommt zumindest theoretisch als potenzieller Kunde infrage. Dieses enorme Marktpotenzial, die
Konzentration der Branche am Standort Kiel und die Ausrichtung der ansässigen Hochschulen
(insbesondere Muthesius Kunsthochschule und Fachhochschule Kiel) auf diesen Bereich machen
ihn zu dem Teilmarkt der Kultur- und Kreativwirtschaft, der das größte Potenzial für Kiel bietet.
Während der kulturelle Beitrag zur urbanen Lebenswelt bei den wenig gewinnorientierten und eher
schwach mit der restlichen Wirtschaft verflochtenen Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft
hoch ist, zeichnen sich die stark auf Gewinn ausgerichteten und verflochtenen Teilmärkte durch
deutliche branchenübergreifende Effekte aus. Im Fokus sollen – wie oben argumentiert – für diese
Studie vor allem Design-Dienstleistungen stehen. Hierfür spricht, dass die Designwirtschaft eine
der Schwerpunktbranchen innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft in Kiel bildet. Ebenfalls ist
Kiel gut aufgestellt, was die Branche der Werbung betrifft, die ebenfalls oft Design-
Dienstleistungen im Bereich Marketing und Vertrieb erbringt. Die Software- und Games-Industrie
ist dagegen zwar durchaus stark mit anderen Branchen verflochten, es hat sich aber gezeigt, dass
diese Verflechtungen aufgrund des vorherrschenden Geschäftsmodells der Branche eher
überregional als regional sind. Des Weiteren hat der Bereich der Design-Dienstleistungen durch
die inhaltliche Aufstellung der Muthesius Kunsthochschule sowie in Teilen auch der
Fachhochschule Kiel nachweislich eine langfristige und qualitativ hochwertige Ausstattung mit
Fachkräften sowie Forschungskompetenz am Standort.
Aus diesen Gründen konzentriert sich die Befragung der regionalen Wirtschaft (ohne Kultur- und
Kreativwirtschaft) auf die Schnittstellen, die typischerweise zwischen Designwirtschaft und
Werbung im Bereich der Design-Dienstleistungen entstehen. Gerade im Bereich Design kann die
Kultur- und Kreativwirtschaft einen ganz erheblichen Beitrag zum wirtschaftlichen Erfolg anderer
Unternehmen beitragen.41
41 Vgl. unter anderem Goodrich, K. (1994): The Design of the Decade – Quantifying Design Impact Over Ten Years,
Design Management Journal, 5, S. 47-55, oder Roy, R. (1994): Can the Benefits of Good Design be Quantified?, Design Management Journal, 5, S. 9-17.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
106
Befragung der Unternehmen in der Region
Das Ziel der Befragung ist es, die Potenziale der Kultur- und Kreativwirtschaft am Standort für die
Vernetzung mit anderen Branchen näher zu bestimmen. Hierfür wurde die Designwirtschaft als
relevanteste Branche ausgewählt. Sie vereint einerseits ein gewinnorientiertes Vorgehen und
einen hohen Verflechtungsgrad mit anderen Branchen auf sich. Zudem stellt die Designwirtschaft
einen wichtigen Erfolgsfaktor für Unternehmen anderer Wirtschaftszweige dar. Laut einer Studie
des Danish Design Centre (2003) wirkt sich die Inanspruchnahme von Design-Dienstleistungen
positiv auf die Rendite branchenfremder Unternehmen aus. Der wirtschaftliche Mehrwert wird
erzeugt, da Design die Unternehmen differenzierbarer macht und ihre Wettbewerbsfähigkeit auf
nationaler wie auch internationaler Ebene erhöht. Dies spiegelt sich in erhöhten Umsätzen und
steigenden Exportquoten wider.42 Andererseits stellt die Designwirtschaft eine der
Schwerpunktbranchen innerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft am Standort Kiel dar. Darüber
hinaus ergibt sich aus der Ausrichtung der Muthesius Kunsthochschule auch in Zukunft ein
erhebliches Potenzial, um die Relevanz der Designwirtschaft am Standort noch weiter
auszubauen.
Zunächst wird, wie auch schon bei der Befragung zur Kooperation mit den Kieler Hochschulen,
das vorhandene Potenzial zur Inanspruchnahme von Design-Dienstleistungen in der Region
getestet. Die Unternehmen außerhalb der Kultur- und Kreativwirtschaft werden dazu befragt, ob
sie innerhalb ihres Geschäftsprozesses Potenziale sehen, um Design-Dienstleistungen in
Anspruch zu nehmen. Insgesamt werden 1.068 Unternehmen der Region befragt (mit zehn und
mehr Mitarbeitern, Adressen von der IHK zu Kiel zur Verfügung gestellt). Von diesen Unternehmen
geben 34 Prozent an, dass Design in ihrem Unternehmen eine Rolle spielt. Von diesem Drittel der
Unternehmen am Standort führen 37 Prozent der befragten Unternehmen alle Design-Prozesse
intern durch. Bei den übrigen Unternehmen werden diese Prozesse ganz oder teilweise von
angestellten Fachkräften übernommen. Insgesamt sind damit gut ein Fünftel der Unternehmen
potenzielle Kunden für die regionale Design-Dienstleister (Abbildung 18).
42 Vgl. Danish Design Centre (2003): Economic effects of design, Report for National Agency for Enterprise and Housing,
Copenhagen, National Agency for Enterprise and Housing.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
107
Abbildung 18: Zusammenarbeit von Wirtschaft und Design
Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
Die Unternehmen, die angeben, dass Design für sie grundsätzlich eine Rolle spielt, und die nicht
alle Design-Prozesse intern regeln, werden näher zur Organisation der Design-Prozesse im
Unternehmen befragt. Konkret werden vier typische Schritte der Wertschöpfungskette definiert, bei
denen Design eine Rolle spielen kann: (1) Produktentwicklung, (2) Produktion, (3)
Vertrieb/Marketing und (4) Service.
Als besonders relevant wird Design von den befragten Unternehmen im Bereich Vertrieb/Marketing
eingestuft. Hier sagen nur 6 Prozent der Unternehmen, dass Design in diesem Bereich für sie
keine Rolle spielt. Bei den anderen Bereichen gibt jeweils die Mehrheit der Unternehmen an, dass
Design keine Rolle für diesen Schritt spielt. Im Bereich Service sind es 58 Prozent. Bei der
Produktion sind es mit 71 Prozent die meisten Unternehmen.
Die restlichen drei Antwortkategorien geben Aufschluss über die Vergabe von Dienstleistungen
geordnet nach den vier Wertschöpfungsschritten. Ein vergleichbarer Anteil von Unternehmen
übernimmt die Design-Dienstleistungen jeweils selbst. Dieser Anteil liegt zwischen 16 Prozent
(Produktion) und 24 Prozent (Vertrieb/Marketing). Diese Unternehmen sind (zumindest innerhalb
des jeweiligen Bereichs) nicht interessant für die Design-Dienstleister am Standort. In der
Hauptsache geht es um die Unternehmen, die tatsächlich Aufträge nach außen vergeben. Bei
einer näheren Analyse zeigt sich jedoch, dass im Gegensatz zu den Unternehmen, die zuvor aus
der Befragung gefiltert wurden, weil sie alle Design-Prozesse intern regeln, diese Unternehmen
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
108
dazu tendieren, nur sehr individuelle Bereiche selbst zu organisieren und die Mehrzahl der
Prozesse nach außen zu vergeben. Gut die Hälfte dieser Unternehmen gibt an, nur einen der vier
abgefragten Design-Prozesse intern zu regeln.
Bei diesen Unternehmen zeigt sich ein insgesamt positives Ergebnis für die Design-Dienstleister
der Region. Ein jeweils gut doppelt so hoher Anteil von Unternehmen vergibt seine Aufträge für
Design-Dienstleistungen in die Region anstatt überregional. Besonders stark ausgeprägt ist dieser
positive Trend im Bereich Vertrieb/Marketing. Hier ist es über die Hälfte der befragten
Unternehmen, die regionale Dienstleister beauftragen. Nur 18 Prozent der Aufträge gehen an
Dienstleister außerhalb der Untersuchungsregion (Tabelle 31).
Tabelle 31: Organisation der Design-Prozesse in Unternehmen
durch Design-Dienstleister
aus der Region
durch überregionale
Design-Dienstleister
intern
Design hierbei nicht
relevant
Produktentwicklung 14 8 17 61
Produktion 8 5 16 71
Vertrieb/Marketing 52 18 24 6
Service 14 6 22 58
Anmerkung: Angaben in Prozent.
Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
Zunächst soll die Gruppe der Unternehmen näher betrachtet werden, die Design-Dienstleistungen
an entsprechende Dienstleister innerhalb der Untersuchungsregion vergeben. Diese Unternehmen
wurden bezüglich ihrer Zufriedenheit mit Preis, Ergebnisqualität und Servicequalität innerhalb der
definierten vier Bereiche der Wertschöpfungskette befragt.
Insgesamt zeigen sich die Unternehmen der Region sehr zufrieden mit den gelieferten Design-
Dienstleistungen. Über alle vier definierten Bereiche der Wertschöpfungskette hinweg bewerteten
jeweils rund 90 Prozent der befragten Unternehmen die Qualität der Leistungen mit „sehr gut“ oder
„gut“.
Einzig die Zufriedenheit mit den Preisen fällt niedriger aus. Dies ist jedoch kein Grund zur Sorge,
da Zufriedenheitswerte bei der Beurteilung von Preisen generell schlechter ausfallen. Schlechte
Bewertungen finden sich nur in seltenen Fällen.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
109
75
62
20
19
31
67
6
6
13
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Servicequalität
Ergebnisqualität
Preis
Sehr gut Gut Neutral Schlecht Sehr Schlecht
52
48
15
41
48
52
7
30
4
4
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Servicequalität
Ergebnisqualität
Preis
Sehr gut Gut Neutral Schlecht Sehr Schlecht
Abbildung 19: Zufriedenheit mit den regionalen Design-Dienstleistungen im Bereich
Produktentwicklung
Anmerkung: Angaben in Prozent. Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
Abbildung 20: Zufriedenheit mit den regionalen Design-Dienstleistungen im Bereich
Produktion
Anmerkung: Angaben in Prozent.
Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
110
39
32
16
53
61
55
6
7
28 1
1
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Servicequalität
Ergebnisqualität
Preis
Sehr gut Gut Neutral Schlecht Sehr schlecht
32
32
17
57
57
50
11
11
33
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Servicequalität
Ergebnisqualität
Preis
Sehr gut Gut Neutral Schlecht Sehr Schlecht
Abbildung 21: Zufriedenheit mit den regionalen Design-Dienstleistungen im Bereich
Vertrieb/Marketing
Anmerkung: Angaben in Prozent.
Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
Abbildung 22: Zufriedenheit mit den regionalen Design-Dienstleistungen im Bereich
Service
Anmerkung: Angaben in Prozent.
Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
111
7
5
8
52
64
61
58
26
29
24
27
15
7
10
8
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Produktentwicklung
Produktion
Vertrieb/Marketing
Service
Ausschreibung persönlicher Kontakt Empfehlung Andere
Ähnlich wie schon bei der Kooperation mit den Hochschulen am Standort entscheidet zumeist der
persönliche Kontakt über die Auftragsvergabe an regionale Dienstleister. Über die vier definierten
Bereiche der Wertschöpfungsketten hinweg entstehen so jeweils etwa 60 Prozent der
Entscheidungen für einen regionalen Dienstleister in Sachen Design. Der zweithäufigste Weg, der
zu einer Zusammenarbeit mit einem regionalen Dienstleister führt, ist die Empfehlung z. B.
innerhalb von bestehenden Netzwerken. Gewonnene Ausschreibungen führen im Schnitt zu etwa
6 Prozent der in die Region vergebenen Aufträge (Abbildung 23).
Abbildung 23: Gründe für die Zusammenarbeit in den verschiedenen Bereichen
Anmerkung: Angaben in Prozent.
Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
Unternehmen, die in einem bestimmten Bereich nicht mit regionalen, sondern mit überregionalen
Dienstleistern zusammenarbeiten, wurden zunächst danach gefragt, ob sie überhaupt ein
Unternehmen in der Region kennen, das eine entsprechende (passende) Dienstleistung anbietet.
Rund der Hälfte der befragten Unternehmen ist zumindest ein Dienstleister für Design in den
Bereichen Service und Produktentwicklung bekannt. Etwas besser bekannt sind Dienstleister im
Bereich Vertrieb/Marketing. Deutlich weniger regionale Unternehmen kennen entsprechende
Dienstleister im Bereich Produktion. Hier sind es nur 36 Prozent, denen ein solcher Dienstleister
aus der Region bekannt ist (Abbildung 24). Insgesamt kann also ein Teil der Aufträge, die
außerhalb der Region vergeben werden, auf die mangelnde Bekanntheit der regionalen Anbieter
zurückgeführt werden. Insofern sollte hier angestrebt werden, die Sichtbarkeit zu erhöhen.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
112
47
36
58
50
53
64
42
50
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Produktentwicklung
Produktion
Vertrieb/Marketing
Service
Ja Nein
Abbildung 24: Bekanntheit von zumindest einem Design-Dienstleister
Anmerkung: Angaben in Prozent.
Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
Kennt ein regionales Unternehmen einen regionalen Dienstleister und hat auch Design-
Dienstleistungen nach außen zu vergeben, so scheitert die Vergabe an die regionale Wirtschaft
nur relativ selten an der Ergebnis- oder Servicequalität der regionalen Anbieter. In den meisten
Fällen sind andere Gründe für eine überregionale Vergabe verantwortlich. Zu den häufigsten
Nennungen zählen hier, dass Unternehmen von ihren Zentralen dazu verpflichtet werden, mit
einem bestimmten Anbieter zusammen zu arbeiten oder dass schon alte, persönliche
Verbindungen zu Anbietern außerhalb der Region bestehen. Der Preis ist für die Entscheidung, ob
ein Auftrag in die Region geht oder nicht, nur in einem der Fälle der Grund (Abbildung 25).
Insgesamt ist darauf hinzuweisen, dass in der Befragung die Fallzahlen bei dieser speziellen Frage
durch den kleinen Kreis der Unternehmen, die in diese Kategorie fielen, nur sehr klein sind. Daher
sollten die Ergebnisse für diese Frage nur vorsichtig interpretiert werden.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
113
25 25
38
16
17
63
50
84
83
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Produktentwicklung
Produktion
Vertrieb/Marketing
Service
Die Anbieter in der Region sind zu teuer
Die Servicequalität entspricht nicht unseren Erwartungen
Die Ergebnisqualität entspricht nicht unseren Erwartungen
Andere
Abbildung 25: Entscheidender Grund für Zusammenarbeit
Anmerkung: Angaben in Prozent.
Quelle: Unternehmensbefragung, IW Consult (2013).
Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es durchaus Potenzial für Design-Dienstleister am
Standort gibt. Gut ein Fünftel der befragten Unternehmen kommen als Kunden für diese Branche
infrage. Eine vergleichbare Studie aus Dänemark zeigt aber, dass dieses Potenzial noch erweitert
werden kann.43 Dort vergeben fast doppelt so viele Unternehmen die Organisation ihrer Design-
Prozesse an externe Design-Dienstleister. Auch der Anteil der dänischen Unternehmen, die
Design in ihrem Geschäftsablauf als relevant einstufen, ist um ein Drittel höher als in Kiel, was auf
eine größere Affinität zum Thema Design bzw. auf ein erhöhtes Bewusstsein für dessen
Bedeutung schließen lässt. Vor diesem Hintergrund gilt es, die Sichtbarkeit der Designkompetenz
am Standort zu erhöhen. Hier sind alle Partner der Kooperationsgemeinschaft gefragt,
insbesondere aber die Muthesius Kunsthochschule.
Zunächst beschäftigt sich der folgende Abschnitt aber mit den Standortbedingungen, die für die
Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft entscheidend sind, und mit der aktuellen Situation
innerhalb der Untersuchungsregion.
43 Vgl. Danish Design Centre (2003): Economic effects of design, Report for National Agency for Enterprise and Housing,
Copenhagen, National Agency for Enterprise and Housing.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
114
4.3 Cluster und Quartiere der Kultur- und Kreativwirtschaft
In der Kultur- und Kreativwirtschaft sind Clusterbildungen im klassischen Sinn, also die lokale
Ansiedlung von Firmen um eine Wertschöpfungskette oder einen Stoffkreislauf herum um
gegenseitige Synergien zu erwirtschaften, eher die Ausnahme. Sie lebt dagegen von Clustern im
Sinne von Quartieren und den Milieus, die sich daraus ergeben. Dies ergibt sich aus der
heterogenen Struktur der Kultur- und Kreativwirtschaft und ihrer Teilmärkte (siehe oben).
Generell wirkt sich die Bildung von Clustern positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit der zugehörigen
Unternehmen aus. Denn die daraus resultierenden Wissenstransfers und Spill-over Effekte
erhöhen das Innovationspotenzial der Unternehmen und führen folglich zu Wachstum und
Wohlstand. Aber nicht nur Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft profitieren von Clustern,
sondern auch andere beteiligte Akteure und Institutionen, wie Hochschulen oder
Forschungsinstitute.
4.3.1 Standortbedingungen für die Kultur- und Kreativwirtschaft
Trotz der angesprochenen Unterschiede innerhalb der Teilmärkte der Kultur- und Kreativwirtschaft
ist den Akteuren der Branche das schöpferische Tun gemeinsam. Sie wollen gestalten, ihre
Produkte und Dienstleistungen genauso wie ihre Umgebung. Aufgrund ihrer besonderen Arbeits-
und Lebensweise unterscheiden sich die Standortanforderungen der Kultur- und Kreativwirtschaft
von den Ansprüchen anderer Branchen. Die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft legen
großen Wert auf zentrumsnahe und urbane Standorte mit guten Verkehrsanbindungen. Da viele
Unternehmer neben der Tätigkeit in der Kultur- und Kreativwirtschaft weitere Beschäftigungen
ausüben, gehören kurze Wege und eine belebte Umgebung zu ihren Standortanforderungen. Eine
hohe Stellung haben auch Faktoren, wie die Architektur, die Geschichte und das Flair der
Immobilie oder der Stadtteile, da sich die Akteure mit diesen identifizieren und sie das Image sowie
die Außenwahrnehmung der Unternehmen beeinflussen. Darüber hinaus spielt das Arbeitsumfeld
in der Kultur- und Kreativwirtschaft im Vergleich zu anderen Branchen eine übergeordnete Rolle.
Ein tolerantes, kulturinteressiertes und kreatives Umfeld sowie die Nähe zu kulturellen
Einrichtungen, wie Museen oder Theatern, werden bevorzugt. Demnach sind Gründerzeitviertel
besonders attraktiv, da diese häufig durch ihre kleinteilige Struktur, die zahlreichen Gewerbe- und
Einzelhandelsflächen, ihre Nutzungsmöglichkeiten in den Hinterhöfen, ein kreatives Ambiente und
ein urbanes Flair geprägt sind.
Da ein großer Anteil der in der Kultur- und Kreativwirtschaft tätigen Personen selbstständig ist und
oftmals der Wohnort der Akteure zugleich ihr Arbeitsraum ist, sind günstige Mietpreise ein äußerst
wichtiger Standortfaktor für die Kultur- und Kreativwirtschaft. Im Vergleich mit anderen deutschen
Großstädten herrscht in Kiel ein sehr moderates Mietniveau. Insgesamt liegen die Mietpreise in
Kiel auf dem gleichen Niveau wie in der Bundeshauptstadt Berlin. Allerdings liegen die Mieten in
den stark nachgefragten Quartieren Berlins, in denen auch große Teile der Kultur- und
Kreativwirtschaft beheimatet sind, inzwischen deutlich über diesem Durchschnittspreis und weisen
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
115
in den letzten Jahren hohe Zuwachsraten auf. Die vergleichsweise geringen Mietpreise sind ein
Standortvorteil für die Kieler Kultur- und Kreativwirtschaft im Wettbewerb mit ihrer Konkurrenz aus
anderen deutschen Großstädten (siehe Abbildung 26).
Abbildung 26: Mietpreise in ausgewählten deutschen Großstädten
Anmerkung: Angaben in Prozent, Quadratmetermiete Wohnung ca. 70 m2 ab 1949,
Zustand: gut.
Quelle: IVD (2013).
Abgesehen von einem zentrumsnahen sowie historisch und kulturell geprägten Umfeld sind
ebenfalls Immobilien, die leer stehen, oder Stadtteile, die sich im Umbruch befinden, gefragt. Diese
vernachlässigten Räume ermöglichen den Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft eine
individuelle und freie Gestaltung sowie die Ausarbeitung eines innovativen und eigenständigen
Raumnutzungskonzepts. Zudem sind diese Immobilien aufgrund ihrer geringen Nachfrage auch für
kleine Unternehmen und Selbstständige finanzierbar.
So entwickeln sich die vom Strukturwandel und der Deindustrialisierung gekennzeichneten
Quartiere und Räume zu Kreativmilieus und Möglichkeitsräumen. Ein internationales Beispiel für
die Schaffung kreativer Milieus bietet Amsterdam. Hier wurde das Büro Broedplaatsen (Brutplatz)
gegründet, das Raummöglichkeiten für kleinteilige kultur- und kreativwirtschaftliche Unternehmen
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
116
zu günstigen Konditionen bereitstellt. Dadurch werden insbesondere kleine Unternehmer und
Selbstständige der Branche gefördert und der Aufbau von branchenspezifischen Netzwerken
ermöglicht. Aber nicht nur strukturschwache Viertel, sondern auch einzelne leer stehende und
oftmals denkmalgeschützte Gebäude und brachliegende Industrieflächen werden gerne von der
Kultur- und Kreativwirtschaft zu Nutzflächen umfunktioniert.
Neben den finanziellen und soziokulturellen Rahmenbedingungen werden auch die
organisatorischen und technischen Standortansprüche in der Kultur- und Kreativwirtschaft hoch
gewichtet. Hierzu zählen Faktoren wie die Vielfalt bezüglich der Nutzbarkeit der verfügbaren
Räume und ein geringer Bürokratieaufwand. Je nach Teilbranche werden die Räume von den in
der Kultur- und Kreativwirtschaft tätigen Personen für unterschiedliche Zwecke genutzt: als Büro-
und Verkaufsflächen, Proberäume und Produktionsstätten sowie als Lagerräume. Die Flexibilität
und Vielfalt hinsichtlich der Nutzbarkeit der Räumlichkeiten spielt demnach eine wichtige Rolle bei
der Standortwahl für Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft.
Neben den genannten Beispielen bieten Coworking- und Roomsharing-Konzepte interessante
Alternativen. Bei diesen Konzepten können voll ausgestattete Raumflächen nach Bedarf genutzt
und angemietet werden. Die Akteure haben hierbei die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und
Netzwerke aufzubauen. Zumeist profitieren sie von geringen Mietkosten, da diese sich nach der
Nutzungsdauer berechnen und nicht fix anfallen. Ein weiteres Konzept der alternativen
Flächennutzung ist die Zwischennutzung, bei der Räume oder Flächen für eine befristetet Zeit
angemietet werden. Besonders Stadtteile mit vielen Brachflächen und hohen Leerstandsquoten
können für die Zwischennutzung verwendet werden. In Magdeburg fand im Jahr 2013 auf einem
brachliegenden Werksgelände acht Wochen lang das Kunst- und Kulturfestival „Mystique“ statt.44
Auf rund 20.000 Quadratmeter stellten mehr als 100 Künstler aus dem In- und Ausland ihre Werke
aus und lockten rund 15.000 Besucher an. Neben der kostengünstigen Nutzungsmöglichkeit
aufgrund der geringen Fixkosten bieten diese Konzepte optimale Vernetzungsmöglichkeiten mit
anderen Teilmärkten der Branche und eine erhöhte Sichtbarkeit des gesamten Sektors.
Eine wesentliche Rolle bei der Entstehung von Clustern spielt demnach das Vorhandensein
geeigneter Rahmenbedingungen. Diese erleichtern die geschäftlichen Aktivitäten und bringen
relevante Akteure zusammen. Neben der Bereitstellung einer physischen Infrastruktur – in Form
von günstigen Mieten für die Räumlichkeiten oder frei verfügbarer technischer Ausstattung – sind
auch die virtuellen Grundvoraussetzungen, beispielsweise der freie Zugang zu Datenbanken oder
eine gut ausgebaute Breitbandversorgung, zu erfüllen. 45 Diese Rahmenbedingungen finden sich
eher in urbanen Räumen. Aufgrund dessen ist die Konzentration der Akteure der Kultur- und
Kreativwirtschaft in Städten höher als in eher ländlich geprägten Regionen.
44 http://ankerev.boerde.de.
45 Vgl. Kind, S. / Meier zu Köcker, G.(2012): Developing Successful Creative & Cultural Clusters – Measuring their
outcomes and impacts with new framework tools.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
117
Die Analyse der Standortanforderungen der Kultur- und Kreativwirtschaft belegt, dass
insbesondere urbane Räume – und damit innerhalb der Untersuchungsregion überwiegend das
Kieler Stadtgebiet – von Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft bei der Standortwahl in
Betracht gezogen werden. Im Standortwettbewerb mit den deutschen Zentren der Kultur- und
Kreativwirtschaft, wie Berlin oder Hamburg, zählt Kiel aber nur zu den kleineren Standorten. In den
Expertengesprächen in der Region werden die Nachteile gegenüber den genannten Zentren auch
deutlich angesprochen. So geben die Vertreter der Kultur- und Kreativwirtschaft an, dass ihnen ein
höherer Grad an Urbanität und ein breiteres kreatives Umfeld fehlt. Trotz insgesamt guter
Verkehrsanbindung – sowohl durch öffentliche Verkehrsmittel als auch über die Autobahn – fühlen
sich viele Vertreter der Kultur- und Kreativwirtschaft (wie auch anderer Branchen) am Standort
vom Rest Deutschlands abgeschnitten. Die gefühlten Distanzen sind dabei deutlich größer als die
tatsächlichen. Einzig die Landeshauptstadt Kiel als wirtschaftliches und kulturelles Zentrum der
Untersuchungsregion bildet hier die Ausnahme. Folglich konzentriert sich die Analyse der Kultur-
und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion schwerpunktmäßig auf die Landeshauptstadt.
4.3.2 Ansätze für die Stadtentwicklung
Die Kultur- und Kreativwirtschaft rückte in den letzten Jahren immer stärker als wichtiger
Standortfaktor in den Fokus. Diesem Bereich werden in einer zunehmend wissensorientierten
Gesellschaft wichtige Funktionen in Bezug auf Imagebildung, Lebensgefühl und Wirtschaftsfaktor
zugeschrieben. Mit der Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft sind demnach vielfältige
Hoffnungen – auch auf eine Förderung des wirtschaftsstrukturellen Wandels – verknüpft. Mögen
diese Hoffnungen teilweise überzogen sein, so zeigt die Kultur- und Kreativwirtschaft doch
durchaus eine Perspektive auf, die sich in anderen Branchen in Form eines Wandels hin zur
Wissensgesellschaft vollzieht. Insofern nehmen die Bedarfe der Kultur- und Kreativwirtschaft in
Bezug auf den Städtebau teilweise Entwicklungen vorweg, die sukzessive viele Bereiche der
Wirtschaft treffen werden. Konsequenterweise ist es also ratsam, sich städtebaulich auf die im
Folgenden aufgeführten Bedürfnisse und entsprechenden Handlungsempfehlungen einzulassen.
Häufig wird kolportiert, dass die Ansiedlung von Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft in
benachteiligten und leeren Stadtteilen städtebauliche Probleme durch das Sprießen eines
kreativen und urbanen Flairs beheben kann. Eine solche deterministische Sichtweise ignoriert
jedoch die Handlungsfreiheit und die soziale Lebenswelt der Akteure. Von einer Ansiedlung kann
eigentlich nicht gesprochen werden. Vielmehr muss die Attraktivität eines Quartiers für sich selbst
sprechen und der Antrieb zum Einzug muss aus den Reihen der Akteure der Kultur- und
Kreativwirtschaft kommen. Hat das Quartier keine inhärente Attraktivität, so bestehen auch wenige
Chancen, gerade eine Zielgruppe wie die Kultur- und Kreativwirtschaft zum Einzug oder Umzug
bewegen.
Verfügt ein Quartier über eine solche inhärente Attraktivität, so kann unter der Voraussetzung,
dass es am Standort eine kritische Masse an Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft gibt, ein
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
118
Entdeckung Vernetzung Image-wandel
Förderung Umstruktu-
rierung Ver-
marktung
vergleichsweise schneller Wandel eines potenziell als Problemviertel angesehenen Quartiers
stattfinden. Doch selbst dann dauert ein solcher Prozess noch mehrere Jahre.
Idealtypischer städtebaulicher Veränderungsprozess
Grundsätzlich suchen Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft aufgrund der geringen finanziellen
Ressourcen Wohn- und Arbeitsräume meist in strukturschwachen Stadtteilen mit vielen
Leerständen und Brachflächen. Neben dem niedrigen Preis müssen diese Räume jedoch auch
weitere Anforderung im Hinblick auf Lage, Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, Größe und
Ausstattung erfüllen. Werden ansprechende und preiswerte Immobilien gefunden, erfolgen die
ersten Ansiedlungen von Unternehmen und Ateliers. Durch bestehende Netzwerke gewinnt der
Standort an Bekanntheit und zieht weitere Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft an. Da noch
Leerstände bestehen, ist an diesem Punkt die Erhöhung der Aufmerksamkeit des Quartiers und
ein Imagewandel empfehlenswert. So können beispielsweise Events und Ausstellungen organisiert
und flexible Nutzungsformen – wie die Zwischennutzung oder Coworking Spaces – unterstützt
werden.
Die erhöhte Aufmerksamkeit und der Imagewandel zum kreativen Quartier führen zum Ausbau und
zur Aufwertung der Infrastruktur und öffentlicher Plätze durch private und kommunale
Investitionen. Dadurch wird die Außenwahrnehmung des Stadtteils zunehmend positiver, was zur
Folge hat, dass bereits etablierte Firmen an den Standort ziehen. Hochpreisige Restaurants, Cafés
und Boutiquen folgen und tragen zur Aufwertung des Stadtteils bei. Da die Nachfrage nach
Immobilien nun steigt, erhöhen sich die Mietpreise und Lebenshaltungskosten. Infolgedessen
verlassen einige kleine Unternehmen und Selbstständige häufig den Stadtteil. Das Quartier wird
nicht mehr aufgewertet, sondern komplett umstrukturiert. Neben soziokulturellen erfolgen auch
bauliche Veränderungen, da die Immobilien oftmals von Investoren aufgekauft und umgebaut
werden. Die Vermarktung als Kreativquartier treibt das Preisniveau der Immobilien hoch und kann
zu einer Verdrängung der Kultur- und Kreativwirtschaft führen (Abbildung 27).
Abbildung 27: Städtebaulicher Entwicklungsprozess
Quelle: IW Consult (2013).
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
119
Die Betrachtung der Kultur- und Kreativwirtschaft für die städtebaulichen Entwicklungsprozesse
macht deutlich, dass die Branche ein bedeutender Anstoß bei Stadtentwicklungsprozessen ist. Aus
regionalökonomischer Sicht stellt das Vorhandensein einer starken kreativen Klasse aber auch
einen zunehmend bedeutenden Standortfaktor dar. Mit der wachsenden Wissensintensivierung
weiterer Teile des wirtschaftlichen Lebens gehen von diesem Segment wichtige Impulse zur
Innovationsförderung und damit zur Produktivitätssteigerung aus.
4.3.3 Situation in Kiel
In Kiel konnten zwei Quartiere identifiziert werden, die aufgrund einer hohen Dichte an
Unternehmen und Netzwerken aus der Kultur- und Kreativwirtschaft auf das Vorhandensein
kreativer Milieus hindeuten. Hierbei handelt es sich um das „Muthesius-Quartier“ sowie das
„Ostufer-Quartier“. Neben diesen Kreativ-Quartieren gibt es in Kiel noch weitere Quartiere, wie das
„CAU-Quartier“ und das „Maritime Viertel/Anscharpark“, in denen sich die Kultur- und
Kreativwirtschaft zumindest ansatzweise etabliert hat.
Muthesius-Quartier
Das „Muthesius-Quartier“ umfasst die Gegend rund um die Muthesius Kunsthochschule und ist
aufgrund der Standortanalyse das einzige selbstständig funktionierende Kreativ-Quartier in Kiel.
Hier haben sich bereits zahlreiche Vertreter der Kultur- und Kreativwirtschaft niedergelassen bevor
die Muthesius Kunsthochschule das neue/alte Gebäude bezogen hat. Die Kunsthochschule bildet
den Nukleus in dem Kreativ-Quartier, das zugleich von einer Vielzahl von Galerien und Ateliers,
spezifischen Einzelhandelsgeschäften sowie Bars und Restaurants geprägt wird. Ein Beispiel für
die besondere Dynamik und Kreativität findet man in der Gegend rund um den Jägersberg,
Dreiecksplatz, Legien- und Wilhelminenstraße. Die Gegend zeichnet sich durch zahlreiche junge,
kreative und dynamische Geschäftsideen aus, die sich durch individuelle Konzepte auszeichnen
und von kreativen Geschäftsleuten geführt werden. In der „Wilhelmine“ hat sich eine Vielzahl
dieser kleinen inhabergeführten Geschäfte, Galerien und Ateliers zusammengeschlossen, um die
Verzahnung der Akteure und die Sichtbarkeit des kreativen Viertels zu fördern. Hierfür werden
zahlreiche Aktionen, wie beispielsweise eine Vernissage, wo jungen Künstlern die Möglichkeit
geben wird, ihre Kunstwerke auszustellen und zu verkaufen, initiiert. Ebenfalls in der
Wilhelminenstraße ansässig ist der Kunstverein „Kunstraum B“, der Galerieräume im Bereich der
bildenden Kunst anbietet. Anfang August 2012 siedelte sich der Verein – parallel zum Umzug der
Muthesius Kunsthochschule – in der „Wilhelmine“ an. Der Verein verfolgt ein Konzept mit
wöchentlich wechselnden Ausstellungen. Ziel ist es, Künstler aus Kiel und dem gesamten
norddeutschen Raum sowie den baltischen Ländern sowie Polen und Russland zu präsentieren.
Einen weiteren Beitrag zur Entwicklung eines kreativen Millieus hat die Zwischennutzung des
stillgelegten Lessingbades geleistet. Neben Ausstellungen von der Muthesius Kunsthochschule ist
hier beispielsweise das Coworking-Konzept eingeführt worden. In der ehemaligen Damenumkleide
des Bades entstand der Coworking Space „Werksbad“, der Platz für Akteure der Kultur- und
Kreativwirtschaft bietet. Jedoch ist die Zwischennutzung des Werksbades zeitlich beschränkt und
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
120
endet zum Oktober 2013. Die gründerzeitliche Anmutung des Viertels trägt insgesamt wesentlich
zur Identitätsbildung der Kultur- und Kreativwirtschaft bei.
Ostufer-Quartier
Ein weiteres Stadtviertel, das durch die Kultur- und Kreativwirtschaft geprägt wird, ist das „Ostufer-
Quartier“. Neben der Entstehung von Clustern und Netzwerken der Kultur- und Kreativwirtschaft,
tragen auch hier ansässige staatliche Institutionen zur Etablierung eines kreativen Milieus am
Ostufer bei. Zu nennen ist hier die Technische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität, die
Musikschule Kiel sowie die Fachhochschule Kiel. Zudem ist das Wirtschaftsbüro Gaarden im
„Ostufer-Quartier“ ansässig. Dieses hat es sich zum Ziel gesetzt, die Kultur- und Kreativwirtschaft
zu fördern. Hierfür kooperiert das Wirtschaftsbüro mit den Hochschulen und
Existenzgründungsbegleitungen der Kreativwirtschaft, unterstützt Veranstaltungen, wie die
„Gaardener Kulturtage“ oder Straßenmusikfestivals, und entwickelt ein Kulturmanagement.
Die Fachhochschule hat ihre kultur- und kreativwirtschaftlichen Aktivitäten unter der Plattform
„Kulturinsel Dietrichsdorf“ gebündelt. Die Kulturinsel bietet ein breites Spektrum an Einrichtungen,
wie den Mediendom, das Computer- und Gießereimuseum sowie den „Bunker-D“ mit Galerie. Bei
dem Projekt „Bunker-D“ handelt es sich um die provisorische Herrichtung eines brachliegenden
Bunkers, die von den Kieler Studierenden initiiert wurde.
Abgesehen von den staatlichen Institutionen ist im Ostufer-Quartier die Bildung von kreativ- und
kulturwirtschaftlichen Clustern zu beobachten. Beispielhaft dafür sind der „mediahof“ in der
Werftstraße oder die „W8 Kultschmiede“ in der Werftbahnstraße. 46 Hier haben sich in den
ehemaligen Produktionsstätten des Achterbahn Verlags, dem Herausgeber der „Werner“-Comics,
inzwischen knapp 100 Kreative aus zahlreichen Bereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft
angesiedelt, die zumeist unabhängig voneinander agieren, jedoch bei regelmäßigen gemeinsamen
Veranstaltungen, wie z. B. Stammtischen, in Austausch treten und sich so gegenseitig inspirieren.
Teilweise werden so auch gemeinsame Projekte realisiert.
Daneben dient die „Halle 400“ als multifunktionale Eventlocation für diverse Veranstaltungen aus
dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft, wie Konzerte, Conventions, Theateraufführungen
oder Galerieausstellungen. Auch das Theater im Werftpark, das Ende der 1980er Jahre aus dem
ehemaligen Kino entstand, bietet Theatervorstellungen speziell für Kinder und Jugendliche an. Es
verfügt über zwei Veranstaltungsräume, in denen pro Saison mehr als 200 Aufführungen
stattfinden.
Ein etabliertes Netzwerk im „Ostufer-Quartier“ ist der im Jahr 1996 gegründete Künstler 34 e. V. –
„K34“. Der Verein wurde überwiegend von in Kiel lebenden Künstlern gegründet und hat das Ziel,
eine Plattform für Künstler und Kultur- und Kunstinteressierte zu errichten und deren Interessen in
46 http://www.werftbahn.de.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
121
der Politik und Öffentlichkeit zu vertreten. In diesem Zusammenhang betreibt der Verein eine
Galerie in der Medusastraße, in dem regelmäßig Ausstellungen, Veranstaltungen und Workshops
zu Themen, wie beispielsweise das Drucken von Flyern oder experimentelles Kino, stattfinden.
Hierbei kooperiert „K34“ mit anderen Künstlern und Galerien. Der Verein ist stark im Internet
präsent; neben dem Betreiben eines eigenen Internetradios und der Vereins-Webseite, stellt „K34“
eine Online-Galerie der Künstler und Ausstellungen bereit und betreibt den Internetblog
„Blogbeirat“, in dem man die Sitzungen des Gaardener Ortsbeirat begleiten und Tonmitschnitte
von öffentlichen Sitzungen anhören und kommentieren kann. Seit Mitte März 2013 hat sich eine
Gruppe von Künstlern im ehemaligen Schlecker angesiedelt. Die temporäre Zwischennutzung der
ehemaligen Filiale durch den Verein ist ein Beispiel für die Möglichkeiten, die die Kultur- und
Kreativwirtschaft im Bereich der Quartiersaufwertung bietet.
Eine weitere Entwicklung, die die Clusterbildung der Kultur- und Kreativwirtschaft im Ostufer-
Quartier verstärkt hat, war die Gründung des „Restaurationszentrums“ zu Beginn des Jahres 2011.
Freiberufliche Restauratoren verschiedener Fachbereiche aus Schleswig-Holstein bezogen
gemeinsam Atelierräume und Werkstätten in der Kaistraße, um von interdisziplinärer
Zusammenarbeit und langjähriger Erfahrung zu profitieren. Zudem bietet das
Restaurationszentrum regelmäßig Veranstaltungen wie Vorträge, Fortbildungen oder Führungen
an. In dem Gebäude haben sich auch zahlreiche Ateliers angesiedelt, die von Künstlern aus den
verschiedenen Bereichen der Kultur- und Kreativwirtschaft geführt werden. Die hier ansässigen
Künstler haben Ende des Jahres 2012 zusammen mit dem Restaurationszentrum den
gemeinnützigen Verein Kulturwerft e.V. gegründet, der als Dachorganisation für die Aktivitäten
dient.
Weitere potenzielle Quartiere
In Kiel gibt es neben den beiden genannten Kreativ-Vierteln weitere Quartiere, in denen
Entwicklungspotenziale für kreative Milieus bestehen. Hierbei handelt es sich beispielsweise um
das „CAU-Quartier“. Die Umgebung der Christian-Albrechts-Universität mit dem
Wissenschaftspark und seinen Einrichtungen zählt zum Kern der Innovationswirtschaft in der
gesamten Untersuchungsregion, was bereits bei der Beschreibung der Aktivitäten des
Wissenstransfers deutlich wurde. Für die Kultur- und Kreativwirtschaft ist insbesondere die
Wirkung auf die umliegenden Wohnquartiere von Bedeutung. Die studentische Prägung in
unmittelbarer Nähe zur Christian-Albrechts-Universität bewirkt die Etablierung eines Kreativen
Milieus, das insbesondere durch die typische Infrastruktur (Ateliers, Bars und Restaurants) sichtbar
wird. In dieser Umgebung lassen sich kreativ arbeitende Unternehmen/Unternehmer gern nieder.
Ein weiteres Areal, das sich durch außergewöhnlichen Aufbau und kultur- und
kreativwirtschaftliches Flair auszeichnet, ist das ehemalige Kasernengelände im „Maritimen
Viertel“. In dem sich im Umbruch befindenden und denkmalgeschützten Quartier steht bereits das
Atelierhaus, das seit dem Jahr 2011 vor allem von bildenden Künstlern und Designern benutzt
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
122
wird. Insgesamt werden hier 14 Studios unterschiedlicher Größe vermietet, darunter auch zwei
großräumige Studios, die Möglichkeiten für Kooperation und Wissensaustausch bieten. Ziel des
Atelierhauses ist es, die Arbeit der Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft sichtbar zu machen.
Hierfür ist auch die ca. 190 Quadratmeter große Ausstellungs- und Präsentationsfläche geeignet,
die für künstlerische Veranstaltungsprogramme genutzt werden kann.
4.4 Kooperationen und Netzwerke der Kultur- und Kreativwirtschaft
Neben den genannten städtebaulichen und wirtschaftlichen Effekten, die sich durch Cluster
ergeben, tragen auch Kooperationen und Netzwerke wesentlich zu einer erhöhten
Wettbewerbsfähigkeit durch Ausstrahlungseffekte und Wissenstransfers bei. Aufgrund der
beschriebenen Strukturen der Kultur- und Kreativwirtschaft bilden Netzwerke und Kooperationen
eine Möglichkeit, die inhaltlichen und strukturellen Defizite der Branche auszugleichen. Denn durch
Netzwerke wird Vertrauen zwischen den beteiligten Akteuren und Unternehmen geschaffen, was
sich wiederum positiv auf Kooperationen auswirkt. Die Zusammenarbeit der Akteure und die
Vernetzung mit Unternehmen aus anderen Wirtschaftsbranchen bietet somit Potenzial für die
Schaffung von Synergieeffekten. Denn Kooperationen steigern das Innovationspotenzial der
Unternehmen, was wiederum in einem wirtschaftlichen Mehrwert resultiert.
Da die Bildung von Netzwerken schwerpunktmäßig unterschiedliche Zielsetzung verfolgen kann,
erfolgt im Rahmen dieses Gutachtens eine Abgrenzung zwischen informellen und formellen
Netzwerken.
Zu den formellen Netzwerken gehören Netzwerke, die auf die Schaffung eines Mehrwerts für die
Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft abzielen. Der Mehrwert wird durch Beratungsangebote,
Lobbyarbeit oder die Bereitstellung branchenspezifischer Informationen erreicht. Insbesondere
kleine Unternehmen und Existenzgründer profitieren von einer zentralen Anlaufstelle, die sich mit
den Belangen der Akteure befasst. Außerdem kann die Bereitstellung von Experten und
Schulungen die betriebswirtschaftlichen Kompetenzen und Fähigkeiten der in der Kultur- und
Kreativwirtschaft tätigen Personen erhöhen und weiterentwickeln. Neben der Professionalisierung
der Akteure bilden Netzwerke zudem die Möglichkeit, branchenfremde Unternehmen und Akteure
für die Kultur- und Kreativwirtschaft zu sensibilisieren und die Branche nach außen sichtbarer zu
machen. Bei den informellen Netzwerken steht der persönliche Kontakt im Vordergrund. Durch
Gespräche und Veranstaltungen wird hier insbesondere der informelle Wissenstransfer gefördert.
Der Austausch der Akteure kann sich positiv auf die Kreativität und Kooperationsbereitschaft der
Beteiligten auswirken.
Daneben ist auch zwischen Netzwerken zu unterscheiden, welche die Akteure der Kultur- und
Kreativwirtschaft teilmarktintern vernetzen, und solchen, die auf eine Vernetzung innerhalb der
Teilmärkte über Branchengrenzen hinweg mit anderen Wirtschaftszweigen oder öffentlichen
Einrichtungen, wie Hochschulen und Forschungseinrichtungen, abzielen. Wie bereits erläutert, ist
das Vernetzungspotenzial der einzelnen Teilbereiche der Kultur- und Kreativwirtschaft mit anderen
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
123
Wirtschaftszweigen sehr unterschiedlich. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der teilmarktinternen
Verflechtung. Während durch Verbandsstrukturen gekennzeichnete Bereiche, wie die
Designwirtschaft oder die Software- und Games-Industrie, hohes Vernetzungspotenzial haben,
erscheint die teilmarkt- oder branchenübergreifende Vernetzung anderer Teilbranchen der Kultur-
und Kreativwirtschaft aufgrund ihrer Heterogenität eher schwierig.
4.4.1 Situation in der Untersuchungsregion
Es existieren zahlreiche Netzwerke, Kooperationen und Interessenvertretungen für den Bereich
der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion. Diese Angebote reichen von der
„Kultur.Datenbank“ über die „Kieler Kunstmeile“, bis zum „Kreativstammtisch“. Im Folgenden
werden ausgesuchte Projekte vorgestellt werden, die von hoher Bedeutung für die
Untersuchungsregion sind oder einen besondere Ansatz verfolgen.
Das Programm „Kultur macht stark – Bündnisse für Bildung“, dessen Planung und Durchführung in
der Hand lokaler Bündnissen liegt und das von 2013 bis 2017 durch das Bundesministerium für
Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, bietet Maßnahmen kultureller Bildung. Ziel des
Programms ist es, neue Bildungschancen insbesondere für benachteiligte Kinder und Jugendliche
zu eröffnen. Zugleich sollen auf lokaler Ebene unterschiedliche Bildungsträger möglichst nah mit
den Kindern und Jugendlichen vernetzt werden. Hierfür wurde die Plattform „Kultur.Datenbank
Schleswig Holstein“ errichtet, auf der kulturelle Bildungsangebote dargestellt werden. Dieses
Netzwerk erhöht die Sichtbarkeit der Kulturwirtschaft und bringt den Kindern und Jugendlichen die
kulturelle Bildung näher.
Weitere offizielle Arbeitsgruppen und Initiativen finden sich beispielweise beim „Nordkolleg“ in
Rendsburg und auf Basis der „Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung“.
Norman Schulz, als regionaler Ansprechpartner des Kompetenzzentrums der „Initiative Kultur- und
Kreativwirtschaft der Bundesregierung“, berät Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft im
gesamten norddeutschen Bereich. Dabei gibt er konkrete Tipps zur Gründung und Führung von
Unternehmen. Die Beratung wird zweimal im Monat kostenfrei angeboten und richtet sich
insbesondere an Existenzgründer, Mikrounternehmen und Freiberufler. Außerdem sorgt Herr
Schulz für den Wissenstransfer und die Vernetzung der Branche. Neben den individuellen
Beratungsterminen bei Herrn Schulz, bietet die Initiative regelmäßig eine Reihe von
Netzwerktreffen unter dem Namen „Creative Monday Nord“ an. Bei den „Creative-Monday“-Treffen
kommen Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft in norddeutschen Städten zusammen und
halten Podiumsdiskussionen ab oder hören Vorträge zu wirtschaftlichen und anderen relevanten
Themen. Ziel der Initiative ist es, die Sichtbarkeit zu erhöhen und auf die Belange der Kultur- und
Kreativwirtschaft aufmerksam zu machen. Hierzu gehören auch Auftritte bei Informations- und
Netzwerkveranstaltungen, wie z. B. beim Kieler „Kreativstammtisch“.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
124
Ein weiteres Beispiel für Vernetzung und Kooperation von Kultur- und Kreativwirtschaft mit
anderen Branchen ist die Aktion „MyPlan“, die schon in den Jahren 2010 und 2012 durchgeführt
werden konnte. Dabei wurden gezielt Studierende der Muthesius Kunsthochschule mit
Studierenden der Hochschulen in Flensburg zu einem gemeinsamen einwöchigen Workshop im
Sommer zusammengebracht. Das erklärte Ziel ist es, die unterschiedlichen Kompetenzen aus den
Bereichen „Persönlichkeit und Sozialkompetenz“, „Kreativitätsmanagement und Gestaltung“ sowie
„Betriebswirtschaftliche Lösungsansätze“ von drei verschiedenen Hochschulen integrativ und
interdisziplinär miteinander zu verbinden. Studierende der Hochschulen können so in direkten und
zielgerichteten Austausch treten. Dabei können sie ihr Kompetenzspektrum um die jeweils
fehlenden Bausteine erweitern. Das Projekt soll in den Jahren 2014 und 2015 fortgeführt werden.
Im Rahmen der „Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft“ wird zudem die Auszeichnung des „Kultur-
und Kreativpiloten Deutschland“ vergeben. Hierbei handelt es sich um einen jährlich stattfindenden
Wettbewerb, der zusammen von dem „u-Institut für unternehmerisches Denken und Handeln“ und
dem „Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes“ (RKW Kompetenzzentrum)
organisiert wird. Der Wettbewerb bietet kreativen Unternehmern und Kulturschaffenden die
Möglichkeit, kreative und innovative Geschäftsideen in die Realität umzusetzen. Die Gewinner des
Wettbewerbs werden ein Jahr lang von Experten des „u-Instituts“ betreut und erhalten Screenings
ihrer Geschäftsideen durch kompetente Fachleute. Außerdem eignen sie sich durch Workshops zu
marktrelevanten Themen Know-how an und stehen in direktem Austausch mit
Branchenfachleuten. Zudem erlangen die Gewinner öffentliche Aufmerksamkeit durch die
Pressearbeit des Wettbewerbs und können potenzielle Geschäftspartner oder andere Kontakte
finden. Der Wettbewerb fand im Jahr 2013 zum vierten Mal statt. Je Wettbewerbsrunde werden
insgesamt 32 Gewinner gekürt. Unter den Gewinnern befanden sich bis dato zwei Gewinner aus
der Untersuchungsregion.
Das „Nordkolleg“ in Rendsburg gründete im Jahr 2009 den Fachbereich KulturWirtschaft, der ein
vielfältiges Angebot an Workshops und Seminaren für kultur- und kreativwirtschaftliche
Unternehmen und Akteure anbietet. Die Themen des Fachbereichs umfassen Kulturmanagement,
Cultural Corporate Responsibility, kreatives Sponsoring und Fundraising. Neben der Qualifizierung
und Beratung der Akteure agiert der Fachbereich als Schnittstelle zwischen dem Bereich der
Kultur- und Kreativwirtschaft und der klassischen Wirtschaft mit dem Ziel, die Region, Wirtschaft
und Kultur in Schleswig-Holstein nachhaltig zu entwickeln. Das Projekt „Unternehmen!
KulturWirtschaft“ zielt beispielweise darauf ab, Unternehmen außerhalb der Kultur- und
Kreativwirtschaft die Wertigkeit der Leistungen dieser Branche für ihren Geschäftsbetrieb näher zu
bringen. Dabei ist sowohl auf Seiten der genannten Unternehmen als auch auf Seiten der Kultur-
und Kreativwirtschaft viel Überzeugungsarbeit zu leisten, um die tradierten Rollenbilder zu
überwinden. So können Unternehmen beispielweise vom Wissen der Kulturschaffenden
profitieren, was Mitarbeiterschulung und Teambuilding betrifft. Außerdem werden „BarCamps“
organisiert, bei denen Vertreter der Wirtschaft und Akteure aus der Kultur- und Kreativwirtschaft
zusammengebracht werden. Das Ziel dieser Zusammentreffen besteht darin, die vorhandenen
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
125
Vorurteile abzubauen, Netzwerke auszubauen und branchenübergreifende Kooperationen zu
fördern.
Ein ähnliches Ziel verfolgt das „Werkstattgespräch“ des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr
und Technologie Schleswig-Holstein. Hierbei handelt es sich um eine Veranstaltung, bei der
Akteure aus branchenfremden Organisationen und Verbänden auf die Kultur-und Kreativwirtschaft
treffen. In Podiumsdiskussionen und Vorträgen wird den Teilnehmern die Transparenz und
Relevanz von Design nähergebracht. Zugleich werden Unternehmen und Unternehmensverbände
der klassischen Wirtschaft bezüglich der Kultur- und Kreativwirtschaft sensibilisiert.
Für den Teilmarkt Design findet sich die „Design-Initiative Nord“. Diese wurde im Jahr 1989 von 24
Unternehmen der IHK zu Kiel gegründet mit dem Ziel, die Bedeutung von Design für alle
relevanten Prozesse in Wirtschaft und Gesellschaft hervorzuheben und bekannt zu machen. Eines
der Kernelemente der Design-Initiative zur Erreichung dieses Ziels war der „Designpreis
Schleswig-Holstein“. Dieser wurde in den Jahren 2001/2002 und 2003/2004 vergeben. Derzeit
organisiert die „Design-Initiative Nord“ aus Mangel an Ressourcen nur wenige Veranstaltungen,
die es ermöglichen sollen, den Wert von Design besser zu verstehen, bzw. die der Information und
dem Austausch innerhalb der Branche der Region gewidmet sind. Ebenso engagieren sich ihre
Vertreter weiterhin politisch für das Thema.
Der Teilmarkt Software und Games wird im Wesentlichen durch den Verein „Digitale Wirtschaft
Schleswig-Holstein - DiWiSH e.V.“ repräsentiert. Er fördert die Netzwerkbildung der IT-Branche
und Medienbranche im Bundesland. Der Verein wurde im Jahr 2006 von nur fünf Unternehmen
gegründet. Heute zählt er 141 Mitglieder. Dazu gehören neben Unternehmen der Region auch
Wirtschaftsförderer, Universitäten und Institute. Der DiWiSH e.V. kooperiert eng mit der
Wirtschafsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein GmbH (WTSH),
„Hamburg@work“, dem Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) und der Initiative Schleswig-
Holstein Wirtschaftsland. So erhöht der Verein die Sichtbarkeit der Branche und ermöglicht den
Vertretern der Branche sowohl untereinander als auch über die Branchengrenzen hinweg Kontakte
zu knüpfen.
Neben anderen Themenfeldern der Kultur- und Kreativwirtschaft widmete sich die „EXIST“-
Beratungsstelle an der Muthesius Kunsthochschule ebenfalls schwerpunktmäßig dem Thema
Design. Die Beratungsstelle zur Existenzgründungsbegleitung wurde bis vor wenigen Monaten
durch ein mittlerweile ausgelaufenes Förderprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Technologie und mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert. Das Programm zielte auf die
Verbesserung des Gründungsklimas an Hochschulen und außeruniversitären
Forschungseinrichtungen ab. Die Beratungsstelle in Kiel kümmerte sich hauptsächlich darum, aus
kreativen Ideen zusammen mit Studierenden, Mitarbeitern und Alumni der Muthesius
Kunsthochschule tragfähige Geschäftsmodelle zu konzipieren und Gründungen anzuregen.
Darüber hinaus kümmerte sich die Stelle auch um die Vernetzung der Kultur- und
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
126
Kreativwirtschafts-Absolventen mit anderen Branchen. Die Beratungsstelle verfügte durch diese
Funktion und aufgrund eines starken Netzwerkes zu vielen Akteuren der Kultur- und Kreativ-Szene
in der Untersuchungsregion über eine Multiplikatorfunktion.
Neben diesen formellen Netzwerken existieren noch eine ganze Reihe informeller Initiativen und
Netzwerke in der Untersuchungsregion.
So bietet beispielsweise ein Kieler Blogger und Fotograf mit dem „Olaf Bathke Talk“ ein
Beratungsangebot über ein soziales Netzwerk an, das zahlreiche deutsche und auch internationale
Fans hat. Hierbei handelt es sich um eine privatwirtschaftliche Initiative, bei der Video-Podcasts zu
Fragen aus dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft und zu relevanten
Weiterbildungsthemen produziert und angeboten werden. Dabei steht neben dem Wissenstransfer
die informelle Vernetzung und Kommunikation mit anderen Akteuren der Kultur- und
Kreativwirtschaft im Vordergrund.
Ebenfalls privat initiiert ist der „Vater Kunstpreis“. Hierbei handelt es sich um einen privaten
Kunstpreis eines Kieler Unternehmers, der mit 5.000 Euro dotiert ist und seit dem Jahr 2011 alle
zwei Jahre verliehen wird. Die Teilnehmer haben die Aufgabe, sich mit einem vorgegebenen
Thema auseinanderzusetzen. Im Jahr 2013 reichten 101 Künstlerinnen und Künstler zu dem Motto
„Alles im (Daten-)Fluss“ insgesamt 107 Arbeiten ein. Ziel des Kunstpreises ist die Schaffung eines
Forums, das den Dialog zwischen Kreativen und Akteuren aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft
und Verwaltung fördert.
Die „Kieler Kunstmeile“ bietet eine weitere Vernetzungsaktivität der Akteure im Bereich Kunst. Im
CITTI-PARK in Kiel stellen Fotografen, Maler und Bildhauer ihre Werke einen Monat lang aus. Die
Veranstaltung dient in erster Linie der Erhöhung der Sichtbarkeit der Branche in der Region. Das
gleiche Ziel verfolgen die „Kieler Ateliertage“, bei denen Künstler und Künstlerinnen die Türen zu
ihren Ateliers öffnen, ihre neuen Werke vorstellen und sich über die Schulter schauen lassen.
Veranstaltet werden die Ateliertage vom gemeinnützigen Verein zur Förderung der Kunst und
Kultur.
Das Kieler Magazin für Comic und Illustrationen „Pure Fruit“ ist ein freies Magazin, dass die
Zusammenarbeit von Künstlern und Schriftstellern fördert. Es erscheint gratis und in einer Auflage
von 2.500 bis 10.000 Stück ca. zweimal im Jahr. Die Idee ist, durch Anzeigen ein freies Magazin
zu vertreiben, das sich klar zu Experimenten in dem Feld Comic und Illustration bekennt. Hier
schreiben Schriftsteller Geschichten, die später von Zeichnern durch passende Bilder ergänzt
werden. In der aktuellen Ausgabe wurde der Ablauf getauscht; die Schriftsteller bekamen fertige
Zeichnungen zu denen sie passende Geschichten schreiben sollten. Hier ist der Netzwerkansatz
auch beim Vertrieb stark ausgeprägt.
Der „Kieler Kreativstammtisch“ kommt direkt aus dem Umfeld der lokalen Kultur- und
Kreativwirtschaft am Standort Kiel. Gegründet wurde der Kreativstammtisch im November 2009 als
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
127
nicht kommerzielles Projekt. Die Gruppe, organisiert von lokalen Designern, trifft sich an
wechselnden Terminen und Orten einmal pro Monat und ist ein offenes Forum für alle Mitglieder
der Kultur- und Kreativwirtschaft in und um Kiel. Bei vielen Veranstaltungen gibt es Impulsvorträge,
die zur Anregung von Gesprächsthemen dienen. Nach den Aussagen der Experten handelt es sich
bei diesem Stammtisch nur zum Teil um einen festen Kern, der sich bei allen Veranstaltungen trifft,
sondern eher um eine wirklich offene Gruppe, die viel Zuspruch und wechselnde Besucher findet.
So hat dieses Netzwerk das Potenzial, Akteure aus den verschiedenen Bereichen der Kultur- und
Kreativwirtschaft zusammenzubringen. Neben den monatlichen Treffen erhöht der
Kreativstammtisch durch die Bereitstellung einer virtuellen Informationsplattform auf Facebook
sowie auf der eigenen Webseite die Sichtbarkeit der Branche. Hier informiert das Netzwerk über
anstehende Veranstaltungen oder Projekte aus dem kultur- und kreativwirtschaftlichen Bereich und
fördert somit die Vernetzung von Akteuren und Unternehmen auch über Branchengrenzen hinweg.
Die Analyse der Netzwerke am Standort ergibt ein sehr breites Bild der Aktivitäten in der
Untersuchungsregion. Diese reichen von formellen Netzwerken, die auf Basis von
Förderprogrammen spezifische Angebote für die Unternehmen oder potenzielle Gründer
bereitstellt bis zu gewachsenen Netzwerken aus der Kultur- und Kreativwirtschaft selbst.
Insbesondere letztere sind entscheidend für den Wohlfühlfaktor am Standort und leisten einen
Beitrag zum kulturellen Leben am Standort.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
128
4.5 SWOT-Analyse der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion
Für eine systematische Einordnung der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion
werden die Ergebnisse des vorangegangenen Abschnitts in einer SWOT-Analyse (Abbildung 28)
zusammengefasst. Hierbei wird auf die jeweiligen Stärken und Schwächen sowie Chancen und
Risiken der Kultur- und Kreativwirtschaft eingegangen. Diese Analyse bildet die Basis für die
Formulierung der Strategie und Handlungsempfehlungen im nächsten Abschnitt.
c Abbildung 28: SWOT-Analyse der Kultur- und Kreativwirtschaft in der
Untersuchungsregion
Vielzahl von Netzwerken
Förderung von Ausgründungen durch Existenzberatung „EXIST“
Informationsplattform des „Kreativstammtisches“
Branchenübergreifende Vernetzung durch „Nordkolleg“
Ressourcenverfügbarkeit der Bundesinitiativen
Vorhandene Rahmenbedingungen für KuK
Etablierung eines kreativen Milieus im Muthesius-Quartier
„W8“ und „Atelierhaus“
Kein typischer KuK-Standort
Regionale Ausrichtung
Mangel an teilmarktspezifischer Beratung
Begrenzte Kapazitäten bei Existenzberatung
Spezifische Förderangebote bei KuK Unternehmen
Wegfall „EXIST“: Ausgründungen abhängig von einer Person
Zwischennutzung nicht ausreichend für szenetypischen Standort
Unternehmensfinanzierung
Stärken Schwächen
Chancen Risiken
Neue Existenzberatung an der Muthesius Hochschule um Ausgründungen zu fördern
Förderung der KuK durch öffentliche Mittel
Mehrwert erzeugen durch Aufwertung vernachlässigter Stadtteile
„Kultur macht stark“ – Angebot publik machen
Zwischennutzung
Partielles Potenzial für weitere KuK-Quartiere
Zukunftsfähigkeit der formellen Netzwerke aufgrund befristeter Förderung
Finanzielle Restriktionen und Zukunftsunsicherheiten bei Projekten
„Kreativstammtisch“ ist freiwillig
Risiken
Quelle: IW Consult (2013).
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
129
Stärken
Die Untersuchungsregion zeichnet sich durch eine Vielzahl verschiedener Netzwerke und
Initiativen aus, die die Sichtbarkeit, Vernetzung sowie die Professionalisierung der Kultur- und
Kreativwirtschaft erhöhen. Hierbei erweisen sich vor allem die Bundesinitiativen als wirkungsvoll,
da diese auch von entsprechenden Ressourcen, wie finanziellen Mitteln und Manpower, getragen
werden. Insbesondere die Bundesinitiative KulturWirtschaft trägt wesentlich zur Förderung der
Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion bei. Die Initiative leistet mit einem breiten
Beratungs- und Informationsangebot einen erheblichen Beitrag zur Erhöhung der Sichtbarkeit
sowie zur Vernetzung der Kultur- und Kreativwirtschaft. Zudem dienen die hier angebotenen
Existenzberatungen und Informationsveranstaltungen der Qualifizierung der Akteure.
Ebenso positiv zu bewerten ist die ehemalige Existenzberatungsstelle „EXIST“ an der Muthesius
Kunsthochschule. Die individuelle Beratung der Studierenden förderte die Ausgründungen in der
Untersuchungsregion und vernetzte die Studierenden bereits während des Studiums mit
potenziellen Kooperationspartnern und relevanten Akteuren.
Als weiteres formelles Netzwerk, das sich positiv auf die Kultur- und Kreativwirtschaft in der
Untersuchungsregion auswirkt, ist hier das „Nordkolleg“ zu nennen. Es fungiert als Schnittstelle
zwischen der Kultur- und Kreativwirtschaft und der klassischen Wirtschaft und fördert somit
branchenübergreifende Verflechtungen. Zudem bietet das „Nordkolleg“ Seminare und Workshops
zu betriebswirtschaftlichen und weiteren relevanten Themen für Existenzgründer oder andere
Akteure aus dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft an.
Neben den formellen Netzwerken stärken informelle Netzwerke die Kultur- und Kreativwirtschaft
am Standort. Ein gutes Beispiel bietet hier der „Kreativstammtisch“. Dieser ist ein Netzwerk,
welches direkt von Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft initiiert wurde, und sich aufgrund
dessen einer hohen Akzeptanz seitens der Kultur- und Kreativschaffenden erfreut. Neben der
Vernetzung innerhalb der Branche bietet der „Kreativstammtisch“ eine Online-
Informationsplattform mit Terminen, Organisationen, Veranstaltungen oder anderen relevanten
Informationen rund um die Kultur- und Kreativwirtschaft an.
Darüber hinaus profitiert die Untersuchungsregion von geeigneten Rahmenbedingungen für die
Entstehung und Etablierung der Kultur- und Kreativwirtschaft. Die Stadt Kiel verfügt über die
benötigte Urbanität und bietet ausreichend Raum zu günstigen Mietpreisen. Außerdem
begünstigen Institutionen, wie die Muthesius Kunsthochschule, die Design- und Informatik-Fakultät
der Christian-Albrechts-Universität sowie der Medienbereich der Fachhochschule die Ansiedlung
der Kultur- und Kreativwirtschaft am Standort Kiel. Auch Konzepte, wie das „Atelierhaus im
Anscharpark“ oder die „W8 Kultschmiede“, sowie die Etablierung eines kreativen Milieus im
Muthesius-Quartier stärken die Kultur- und Kreativwirtschaft in Kiel.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
130
Schwächen
Durch die Analyse der Kultur- und Kreativwirtschaft wurden allerdings auch einige Schwachstellen
in der Untersuchungsregion identifiziert. Die Kultur- und Kreativwirtschaft in Kiel hat keine
internationale oder nationale Bedeutung, sondern ist eher regional ausgerichtet. Denn die
Ausprägung der Kultur- und Kreativwirtschaft in Kiel hängt mit der Größe und der internationalen
Ausrichtung der Stadt zusammen. Somit ist Kiel keine Hochburg der Kultur- und Kreativwirtschaft
und kann nicht mit Städten wie Hamburg oder Berlin konkurrieren. Verstärkt wird dies zudem durch
die Lage Kiels zwischen großen Kultur- und Kreativwirtschafts-Metropolen wie Hamburg oder
Kopenhagen. Deutlich wird die eher untergeordnete Rolle der Kultur- und Kreativwirtschaft in der
Untersuchungsregion durch den bundesweiten Wettbewerb „Kultur- und Kreativpiloten“. Während
unter den Gewinnern in den letzten vier Runden 15 aus Hamburg und 28 aus Berlin kamen, haben
bis jetzt nur zwei Teilnehmer aus der Untersuchungsregion den Wettbewerbs-Preis gewinnen
können.
Zudem besteht in der Untersuchungsregion wenig teilmarktspezifische Beratung für die Kultur- und
Kreativwirtschaft. Die Beratungsangebote sind eher allgemein auf die Existenzgründung
ausgerichtet und befassen sich nur in einem geringen Umfang mit den spezifischen Anforderungen
der einzelnen Teilmärkte. Zudem sind die Ressourcen bei der Unterstützung und Beratung
begrenzt, sodass das Angebot die Nachfrage nicht vollkommen decken kann. Diese Schwachstelle
in der Untersuchungsregion wird durch den Wegfall der Beratungsstelle „EXIST“ verstärkt. Die
Ansprechperson der Existenzberatung verfügte über Kontakte zu formellen sowie informellen
Netzwerken und Institutionen und hatte eine Schnittstellenfunktion zwischen der Kultur- und
Kreativwirtschaft sowie Akteuren aus anderen Wirtschaftszweigen. Der Wegfall von „EXIST“ hat
eine Lücke im Bereich Ausgründungen und branchenübergreifender Vermittlung verursacht, die
sich negativ auf die Etablierung der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion
auswirkt. Zudem zeigt dieses Beispiel, dass das Thema akademische Ausgründungen am
Standort von nur einer Person abhängig war und diesbezüglich sonst keine weiteren Anlaufstellen
bestehen.
Neben diesen Schwachstellen in den Beratungsangeboten fehlt es auch an spezifischen
Angeboten beim Thema Finanzierung. Existenzgründer sind vor allem auf allgemeine Angebote,
beispielsweise zu Existenzgründungsdarlehen, angewiesen. Die Themen Risikokapital oder
Crowdfunding zur Finanzierung von jungen Unternehmen sind in der Untersuchungsregion bisher
noch unterentwickelt.
Außerdem sind die Angebote hinsichtlich der Flächennutzung für die Kultur- und Kreativwirtschaft
in Kiel nicht ausreichend. Das Konzept der Zwischennutzung im Lessingbad stellte zwar ein
optimales Raumkonzept für die Akteure dar, jedoch ist dieses ausgelaufen. Für einen
szenetypischen Standort ist die Zwischennutzung nicht ausreichend, da sie nur einen kurzfristigen
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
131
Effekt auf die Etablierung der Kultur- und Kreativwirtschaft hat. Auf lange Sicht benötigten die
Akteure der Branche Raumnutzungskonzepte ohne zeitliche Restriktionen.
Chancen
Neben den genannten Stärken und Schwächen bietet die Untersuchungsregion auch Chancen für
die Etablierung und Verbreitung der Kultur- und Kreativwirtschaft vor Ort. Die Errichtung einer
neuen Existenzberatungsstelle an der Muthesius Kunsthochschule kann Ausgründungen fördern
und dadurch zur Entstehung oder zum Wachstum kreativer Quartiere beitragen.
Die Kultur- und Kreativwirtschaft kann zudem einen Mehrwert für die Stadt und die Bewohner
erzielen, indem vernachlässigte Stadtteile durch die Ansiedlung der Kultur- und Kreativwirtschaft
aufgewertet werden. Brachliegende und leerstehende Gebäude können, wie die Beispiele des
„Atelierhauses am Anscharpark“ oder der „W8 Kultschmiede“ zeigen, durch die Akteure aus dem
Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft als Ausstellungs- oder Arbeitsplätze genutzt werden.
Auch das Konzept der Zwischennutzung bietet für die Kultur- und Kreativwirtschaft eine Chance
zur Etablierung am Standort Kiel. Die temporäre Zwischennutzung der leerstehenden ehemaligen
Schlecker-Filiale durch Künstler des Vereins „K34“ dient als Beispiel für die Aufwertung von
vernachlässigten Quartieren.
Zudem bestehen fördernden Angebote für die Kultur- und Kreativwirtschaft, wie die Initiative
„Kultur macht stark“, die publik gemacht werden müssen, um eine höhere Sichtbarkeit und
Nutzung zu erlangen.
Insgesamt ist die Branche im Bereich der Netzwerkaktivitäten und Beratungsangebote sehr stark
von öffentlichen Mitteln abhängig. Da diese Projekte häufig zeitlichen Beschränkungen unterliegen,
sind private Initiativen in diesem Bereich sehr begrüßenswert. Ein positives Beispiel hierfür ist der
„Vater Kunstpreis“.
Die Chance auf die Entstehung von weiteren kreativen Quartieren besteht in Kiel partiell, nämlich
zum einen an der Schwentinenmündung in Dietrichsdorf oder zum anderen auch in Gaarden am
„Werftpark“. Während das Potenzial in Dietrichsdorf auf der von der Fachhochschule Kiel initiierten
hier ansässigen „Kulturinsel“ beruht, die ein breites Angebot aus dem Bereich der Kultur- und
Kreativwirtschaft bietet, profitiert Gaarden von dem angesiedelten Restaurationszentrum sowie der
Technischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität. Insgesamt wird die Entwicklung eines
kreativen Milieus in den beiden Vierteln jedoch als eher schwierig angesehen, da sich das
Muthesius-Viertel in Kiel bereits als kreatives Milieu etabliert hat.
Risiken
In der Untersuchungsregion bestehen trotz der genannten Chancen jedoch auch mögliche Risiken
für die Kultur- und Kreativwirtschaft. Zum einen ist hier die Zukunftsfähigkeit der formellen
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132
Netzwerke zu nennen. Da die Förderung zeitlich befristet ist, besteht die Gefahr, dass wichtige
Anlauf- und Beratungsstellen nach erfolgreicher Etablierung wegfallen. Durch die finanziellen und
zeitlichen Restriktionen entstehen Risiken für die zukünftige Entwicklung der Kultur- und
Kreativwirtschaft am Standort. Neben den formellen Angeboten unterliegen auch die informellen
Initiativen Risiken. Diese Initiativen hängen häufig von einzelnen Personen ab, die sie organisieren
und pflegen. Wenn diese ihr Engagement aus beruflichen oder privaten Gründen zurückziehen, ist
direkt die Existenz des Netzwerks bzw. der Informationsplattform gefährdet. Gerade diese
genannten Netzwerke stärken und fördern die Kultur- und Kreativwirtschaft am Standort Kiel. Die
Beendigung der Projekte würde die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft wesentlich
beeinträchtigen.
4.6 Handlungsbedarf und Strategie
Die Lösungsansätze der Wirtschaftsförderung können zum größten Teil nicht trennscharf auf ein
bestimmtes Handlungsfeld beschränkt werden, sondern wirken sich meist auf eine Kombination
der drei Problemfelder aus. Das liegt daran, dass die Problemfelder indirekt voneinander abhängig
sind und sich gegenseitig beeinflussen. Beispielhaft hierfür ist die Förderung von Kooperationen,
die die branchenübergreifende Zusammenarbeit stärken und eine optimale Grundlage zur Bildung
von Netzwerken darstellen. Die zunehmende Vernetzung führt aufgrund von Wissenstransfer zu
einer verbesserten Qualifizierung der Beteiligten. Ebenso erhöht die bessere Vernetzung die
Sichtbarkeit der Branche sowohl nach innen als auch nach außen.
Vernetzung und Sichtbarkeit der Akteure
Kooperationen und Netzwerke tragen wesentlich zu einer erhöhten Wettbewerbsfähigkeit durch
Ausstrahlungseffekte und Wissenstransfer bei. Eine erhöhte Sichtbarkeit trägt gleichzeitig zu mehr
Akzeptanz und einem höheren Geschäftsvolumen bei. Netzwerke und Kooperationen bieten daher
die Möglichkeit, die inhaltlichen und strukturellen Defizite der Branche auszugleichen, da durch
Netzwerke Vertrauen zwischen den Beteiligten geschaffen wird, was sich wiederum positiv auf
Kooperationen auswirkt. Die Zusammenarbeit der Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft mit
Unternehmen aus anderen Wirtschaftsbranchen bietet aber auch einen wirtschaftlichen Mehrwert,
da Kooperationen das Innovationspotenzial der Unternehmen steigert. Vor diesem Hintergrund
sind die Erhöhung der Sichtbarkeit und eine starke Vernetzung der Unternehmen am Standort und
in der Region umso wichtiger. Diese Aspekte müssen auch bei sämtlichen Öffentlichkeits- und
Marketingmaßnahmen am Standort berücksichtigt und mitbedacht werden.
Zur Förderung dieser Potenziale ist aber eine spezifische Steuerung bzw. Unterstützung
notwendig, da die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft eigene Problem- und Fragestellungen
haben, deren Beantwortung eine positive Entwicklung unterstützen. Gerade im Bereich der
akademischen (Aus-)Gründungen weist die Untersuchungsregion momentan ein Defizit auf, das
durch die übrigen Beratungsangebote nicht kompensiert werden kann. Um die Entwicklung der
Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion weiter voranzutreiben, gilt es, dieses
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
133
Manko schnellstmöglich zu beheben. Neben der eigentlichen Beratungsleistung ist dabei die
Vernetzungsfunktion, die durch so eine Stelle ausgeübt wird, von hoher Bedeutung für eine
erfolgreiche Entwicklung.
Qualifizierung
Eine wesentliche Aufgabe, die durch die Beratungsstellen der Kultur- und Kreativwirtschaft in der
Untersuchungsregion erfüllt werden muss, ist die Qualifizierung der Akteure. Hierbei stehen vor
allem zwei Aspekte im Vordergrund:
Defizite, vor allem im betriebswirtschaftlichen Bereich, müssen abgestellt und so das
Unternehmen auf ein festes Fundament gestellt werden,
Kooperationen mit potenziellen Auftraggebern müssen initiiert werden, um die
verschiedenen Arbeitswelten anzunähern, die benötigte Akzeptanz zu erhöhen und den
Wissenstransfer zu erleichtern.
Die Förderung von Kooperation ist also eine Maßnahme zur Förderung des Innovationspotenzials
von Unternehmen. Es besteht eine Win-Win-Situation, da beide Parteien von der Zusammenarbeit
profitieren. Während die Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft ihre Wahrnehmung nach
außen erhöhen und ihr Netzwerk sowie ihre unternehmerische Kompetenz und Fachwissen
ausbauen, erhalten Unternehmen anderer Branchen Zugang zum Kreativpool und können durch
innovative Geschäftsideen ihre Wettbewerbsstärke ausbauen. Kooperationen fördern also nicht
nur die Kultur- und Kreativwirtschaft, sondern stärken zudem die regionale Wirtschaft.
Eine Aufgabe der Beratungsstellen ist es, auch die Unternehmen bei der Finanzierung ihrer
Projekte zu unterstützen. Bezüglich der klassischen Bankenfinanzierung bestehen in der Kultur-
und Kreativwirtschaft zwei wesentliche Probleme. Zum einen haben es Neugründungen aufgrund
ihrer nicht vorhandenen Kredithistorie generell schwer, an Kapital zu kommen, zum anderen ist
das bei den Banken vorhandene Wissen über die Kultur- und Kreativwirtschaft zu gering. Seitens
der Kultur- und Kreativwirtschaft besteht zudem ein Mangel an ökonomischem und
verwaltungstechnischem Wissen, was die Kreditbeantragung für sie sehr schwierig macht. Auch
alternative Finanzierungsangebote wie Risikokapital und Crowdfunding müssen stärker in den
Vordergrund gerückt werden, um erfolgreiche Unternehmensentwicklungen zu ermöglichen.
Quartiersentwicklung
Die Strukturanalyse über die räumliche Konzentration der Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft
in der Untersuchungsregion ergibt eine eher schwache Analyse. Es gibt nur ein funktionierendes
„Kultur- und Kreativwirtschafts-Quartier“ in der Stadt Kiel, das sich hier in der Umgebung des
Standortes der Muthesius Kunsthochschule als ein funktionierendes Cluster gebildet. Dieses ist
durch eine hohe Dynamik geprägt, die vor allem durch den Umzug der Kunsthochschule begründet
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
134
ist. Der Standort erfüllt alle Anforderungen, die vom kreativen Milieu an ein entsprechendes
Quartier gestellt werden.
Die quantitative Analyse der Kunst- und Kreativwirtschaft hat gezeigt, dass in den nächsten Jahren
nicht von einer hohen Entwicklungsdynamik des gesamten Wirtschaftsbereichs in der
Untersuchungsregion auszugehen ist. Die fehlende überregionale Bedeutung vieler Teilmärkte und
die mangelnde Attraktivität gegenüber Standorten wie Hamburg oder Berlin stehen dem entgegen.
Dadurch ist auch von keiner starken Expansion und einem damit einhergehenden hohen
Raumbedarf auszugehen. Im spezifischen Fall der Stadt Kiel, dem einzigen Standort, der die
Mindestanforderungen der Kultur- und Kreativwirtschaft erfüllen kann, erscheint dadurch die
Perspektive für die erfolgreiche Entwicklung eines weiteren Quartiers mit sehr dichtem Besatz von
Betrieben der Kultur- und Kreativwirtschaft aus folgenden Gründen eher unwahrscheinlich:
Zum einen fehlt es an einem inhärent attraktiven Quartier, zum anderen fehlt es an der
kritischen Masse der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Stadt.
Ebenso wird in keinem der Expertengespräche der konkrete Wunsch nach der Etablierung
bzw. der Förderung eines solchen zusätzlichen Quartiers geäußert.
Vielmehr wird gerade die räumlich verteilte und verzweigte Natur der Kultur- und Kreativwirtschaft
in Kiel als Standortvorteil gelobt.
Daneben spricht auch das Selbstverständnis der meisten kreativen Akteure gegen eine
erfolgreiche gesteuerte Entwicklung von Quartieren. Der Wunsch, benachteiligte und mit
städtebaulichen Problemen belastete Stadtteile durch die Ansiedlung von Unternehmen der Kultur-
und Kreativwirtschaft und dem damit erhofften kreativen und urbanen Flair zu „reparieren“,
ignoriert die Handlungsfreiheit und die soziale Lebenswelt der Akteure. Diese sind in der Regel
nicht auf Unterstützung von öffentlicher Stelle angewiesen, sie müssen sich in den Quartieren nur
wohlfühlen, sich entfalten und wirken können. Von einer Ansiedlung kann daher eigentlich nicht
gesprochen werden. Vielmehr muss die Attraktivität eines Quartiers für sich selbst sprechen und
der Antrieb zum Einzug muss aus den Reihen der Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft
kommen. Sind die Grundvoraussetzungen erfüllt, können auch unterstützende Maßnahmen von
öffentlicher Seite hilfreich sein. Eine Lenkung über ein hohes Maß an Einflussnahme ist aber auch
hier kontraproduktiv. Hat das Quartier keine inhärente Attraktivität, so bestehen auch wenige
Chancen, gerade eine Zielgruppe wie die Kultur- und Kreativwirtschaft zum Einzug oder Umzug zu
bewegen.
Innerhalb dieses definierten Rahmens einer gewachsenen Struktur bieten sich jedoch durchaus
Entwicklungsräume. So gibt es am Ostufer zahlreiche positive Ansätze, denen auch in Zukunft
weitere Entwicklungsschritte folgen können. Erfolgreichen Einzelprojekten, wie dem
Restaurierungszentrum oder den Aktivitäten der Fachhochschule Kiel an der Schwentinemündung,
fehlt aber die räumliche Vernetzung. Es sind Projekte, die für sich an diesen Standorten
funktionieren und die auch für einen gewissen strukturellen Wandel stehen. Diese Ansätze werden
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
135
aber allein aufgrund der fehlenden Quantität der Kultur- und Kreativwirtschaft in der
Untersuchungsregion nicht zu einer nachhaltigen Veränderung ganzer Stadtteile beitragen können.
Ähnlich verhält es sich mit dem Quartier „Maritimes Viertel“ mit dem kultur- und
kreativwirtschaftlichen Zentrum im „Atelierhaus im Anscharpark“. Hier ließen sich ebenso weitere
Räume schaffen, die sich sehr gut für die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft eignen. Die
neuen und sanierten Wohnflächen in und um dieses Gelände haben schon einen erheblichen Teil
der im städtebaulichen Prozess dargestellten Gentrifizierung des Quartiers vorweggenommen.
Insofern würde an dieser Stelle ein geschätzter Mehrwert für die Bewohner wie auch die Akteure
der Kultur- und Kreativwirtschaft geschaffen werden. Wobei man aus städtebaulicher Sicht deutlich
weniger Gefahr läuft, einen schnellen und potenziell destruktiven Veränderungsprozess
anzustoßen.
Eine geeignete Maßnahme, um in geeigneten Quartieren eine Entwicklung anzustoßen, liegt in der
Etablierung eines Coworking Spaces. Die Erfahrungen des Lessingbades haben den Bedarf nach
solchen alternativen Angeboten deutlich gemacht. Neben der reinen Nutzung als Arbeitsraum
bieten solche Projekte auch ideale Möglichkeiten der Vernetzung von Akteuren. Mit einem solchen
Angebot kann zudem ein wesentlicher Beitrag zu einer sich verändernden Arbeitswelt in einer
zunehmend wissensbasierten Wirtschaft geleistet werden, in der immer häufiger
standortunabhängig gearbeitet wird. Am Standort Kiel könnten so Angebote gemacht werden, die
auf den natürlichen Standortvorteilen gründen. Der Slogan „Arbeiten, wo andere Urlaub machen“
ließe sich so auch im Standortmarketing noch deutlicher platzieren und auf eine überregionale
Klientel richten. Allerdings müssen dafür die entsprechenden Standortbedingungen und
Anforderungen an die Organisation erfüllt sein.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
136
4.7 Handlungsempfehlungen für die Entwicklung der Kultur- und Kreativwirtschaft
Die Ergebnisse der SWOT-Analyse haben die Situation der Kultur- und Kreativwirtschaft in der
Untersuchungsregion bewertet und Felder identifiziert, in denen es einen Handlungsbedarf gibt,
um die weitere Entwicklung dieses Wirtschaftsbereichs positiv zu beeinflussen. Gegliedert nach
diesen Feldern werden im Folgenden Handlungsempfehlungen gegeben.
Durch hier schon angesprochene Heterogenität stellt die Kultur- und Kreativwirtschaft ganz
spezielle Anforderungen an die Wirtschaftsförderung. Der Einsatz für diese Akteure lohnt sich
jedoch aus verschiedenen Erwägungen. Wie bei der städtebaulichen Einschätzung, ist zu
argumentieren, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft einige Entwicklungen vorwegnimmt, die die
anderen Branchen erst noch durchlaufen müssen. Insofern bietet sie die Möglichkeit,
Entwicklungen in anderen Bereichen zu verstehen, diese zu antizipieren und früher als andere
Standorte auf die veränderten Anforderungen reagieren zu können. Somit können sich Standorte,
die sich auch in der Wirtschaftsförderung mit den Herausforderungen der Kultur- und
Kreativwirtschaft mittel- und langfristig befassen, profitieren. Daneben zeigen einschlägige Studien,
dass sich durch den engen Wissensaustausch zwischen Kultur- und Kreativwirtschaft und anderen
Branchen wirtschaftliche Potenziale freisetzen lassen, insbesondere die Innovationstätigkeit und
den Erfolg von Unternehmen betreffend.
Die Handlungsempfehlungen sind nach den entsprechenden strategischen Entwicklungsfeldern
gegliedert, die aus der SWOT-Analyse verdichtet wurden. Die Handlungsfelder können dabei nicht
strikt voneinander in ihrer Wirkung getrennt werden. Maßnahmen, die die Sichtbarkeit erhöhen,
können gleichzeitig vernetzend wirken, ebenso wie städtebauliche Maßnahmen die Wahrnehmung
für den Wirtschaftsbereich und die Vernetzung beeinflussen können. Die Trennung in die drei
Handlungsfelder ist daher sehr weich formuliert.
Vernetzung und Sichtbarkeit der Akteure erhöhen
Eines der drängendsten Defizite der Kultur- und Kreativwirtschaft in der Untersuchungsregion ist
ein fehlender zentraler Ansprechpartner, der als Interessenvertreter nach außen wirken kann
und gleichzeitig als zentraler Ansprechpartner nach innen wirkt. In diesem Zusammenhang war in
diesem Jahr sogar ein deutlicher Rückschritt zu verzeichnen, da für die „EXIST“-Stelle an der
Muthesius Kunsthochschule die Finanzierung auslief. Diese Stelle, so wie sie interpretiert und
ausgefüllt wurde, kam der Stelle eines zentralen Ansprechpartners am nächsten. Dabei profitierte
die Stelleninhaberin insbesondere von ihrem Netzwerk zu Vertretern der Kultur- und
Kreativwirtschaft. Bei der Besetzung einer solchen Stelle sollten ein vorhandenes Netzwerk und
gute kommunikative Fähigkeiten von zentraler Bedeutung sein. Auch die Kontinuität bezüglich der
Finanzierung einer solchen Stelle muss gewährleistet sein. Dies gilt auch für weitere Stellen bei
Initiativen oder Netzwerken der Kultur- und Kreativwirtschaft auf Bundesebene.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
137
Neben der Vernetzung nach innen und außen sollte auch die Beratung, beispielsweise für
potenzielle Gründer, zentrale Aufgabe dieser Stelle sein. Durch die Beauftragung eines
Ansprechpartners für die Kultur- und Kreativwirtschaft bzw. eines Kreativlotsen würden alle drei
Problemfelder abgedeckt. Die Sichtbarkeit und Wahrnehmung der Branche wird gestärkt, da der
Kreativlotse als Koordinator agiert und zwischen der Verwaltung und den Akteuren der Kultur- und
Kreativwirtschaft vermittelt. Fundierte wirtschaftliche und unternehmensspezifische Kenntnisse des
Kreativlotsen helfen den Unternehmen der Kultur- und Kreativwirtschaft bei der
Strategieformulierung sowie bei finanziellen und organisatorischen Aspekten. Außerdem
unterstützt der Kreativlotse die Unternehmen bei der Vernetzung mit anderen Branchen und
potenziellen Kunden, indem er Kooperationen und Plattformen aufbaut. Beispielhaft für solch einen
Kreativlotsen bietet die Initiative „Ideenlotsen“ der Stadt Bremen. Das Programm besteht aus
Experten aus verschiedenen Teilbereichen der Branche, die zudem über ökonomisches Wissen
verfügen. Die Ideenlotsen unterstützen kreative Ideen mit Marktpotenzial von der Konzeption bis
zur Umsetzung und stellen gute Vernetzungsmöglichkeiten bereit.
Ein weiteres Hauptprobleme besteht darin, die Kultur- und Kreativwirtschaft nach außen hin
sichtbar zu machen, das Verständnis für die Arbeitsweise der Akteure im Innovationsprozess zu
schaffen und die Potenziale der Kultur- und Kreativwirtschaft (Wirtschaftskraft, Innovation, Image)
deutlich zu machen. Die zu Beginn des Kapitels erwähnte Heterogenität der Kultur- und
Kreativwirtschaft erschwert aber auch die Identitätsbildung nach innen. Auch hier ist es wichtig, ein
Bewusstsein für potenzielle Kooperationsmöglichkeiten zwischen den Teilbereichen zu schaffen.
Ein erster Schritt zur Behebung dieses Defizits ist, die Kultur- und Kreativwirtschaft als solche
prominenter in die Berichterstattung der Wirtschaftsförderung, der Stadt und nicht zuletzt der IHK
zu Kiel einzubinden. Der regionalen Wirtschaft und Bevölkerung müssen die tatsächlichen
Handlungsfelder der Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft nähergebracht werden. Es muss klar
werden, dass aus den Teilmärkten ein jeweils spezifischer Mehrwert für Unternehmen und
Bevölkerung hervorgeht. Zudem empfiehlt es sich, auf einer Online-Plattform alle relevanten
Informationen bezüglich vorhandener Netzwerke, Institutionen, Veranstaltungen und weiterer
Angebote die Kultur- und Kreativwirtschaft betreffend, bereitzustellen. Außenstehende erlangen so
die Möglichkeit, sich über die Arbeit und Strukturen der Kultur- und Kreativwirtschaft zu informieren
und gegebenenfalls in bestimmten Initiativen und Netzwerken, wie der Initiative „Kultur macht
stark“, teilzunehmen. Neben der Erhöhung der Sichtbarkeit nach außen bietet solch eine
Informationsplattform auch für die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft eine Übersicht über die
vorhandenen Angebote und hilft ihnen somit bei der Filterung der für sie relevanten Netzwerke und
Institutionen.
Neben der Erhöhung der allgemeinen Sichtbarkeit der Kultur- und Kreativwirtschaft sollten am
Standort Kiel insbesondere die Bereich Design und die Software- und Games-Branche in den
Vordergrund gerückt werden. Außerdem erscheint in diesen beiden Bereichen eine Profilschärfung
für den Standort sinnvoll. Die Schaffung eines Profils in der Designwirtschaft sowie der Software-
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
138
und Games-Industrie bietet sich an, da dadurch die Wahrnehmung der Kultur- und
Kreativwirtschaft am Standort erhöht werden kann. Ein Element einer solchen
Kommunikationsstrategie sollte es sein, den ehemals bestehen Designpreis für den Norden
wieder einzuführen und mit entsprechender Prominenz zu präsentieren. Eine Vorlage für eine
Kampagne im Bereich der Software- und Games-Branche könnte der „eTown Award“ liefern, den
Kiel im Jahr 2013 erhalten hat und der die Kieler Unternehmen insgesamt als besonders
erfolgreich bei der Nutzung der Potenziale, die das Internet bietet, einstuft.
Darüber hinaus könnten innerhalb der Kooperationsgemeinschaft Seminare von Vertretern der
Hochschulen z. B. für IHK-Unternehmen angeboten werden, die ein breites Verständnis für Design
und die Nutzung von Softwareanwendungen und deren Relevanz für den Geschäftserfolg konkret
kommunizieren. Hierbei ist die Auswahl der Dozenten von entscheidender Bedeutung. Sie müssen
es verstehen, die Sprache der regionalen Unternehmer zu treffen, um diese für die Sache zu
gewinnen. Ein theorielastiger Vortrag wird wenig zur Verbesserung des Images von Design und
der Kultur- und Kreativwirtschaft am Standort beitragen.
Qualifizierung der Akteure
Ein weiteres Problem besteht darin, die Strukturen innerhalb der Unternehmen der Kultur- und
Kreativwirtschaft zu professionalisieren, ohne dadurch die Kreativität einzuschränken. Da es sich
meistens um sehr kleine Unternehmen handelt, fehlt ihnen teilweise Know-how in Bereichen wie
Marketing, Finanzen und Vertrieb. Gerade für junge oder angehende Unternehmer bietet dabei
das „Coaching on the job“ einen vielversprechenden Ansatz zur Professionalisierung. Auch ein
zentraler Ansprechpartner, wie die ehemalige „EXIST“-Stelle, kann zu der Qualifizierung der
Akteure beitragen. Durch den Wegfall dieser Beratungsstelle ist in der Untersuchungsregion ein
Defizit in diesem Handlungsfeld entstanden. Bei den vorhandenen Beratung- und
Qualifizierungsangeboten sind die Ressourcen jedoch beschränkt, sodass sich Kooperationen mit
Unternehmen anbieten.
Besonders gefördert werden sollten Kooperation zwischen Unternehmen der Kultur- und
Kreativwirtschaft und kleinen und mittleren Unternehmen anderer Wirtschaftsbranchen, da diese
aufgrund mangelnder Kenntnisse über positive Effekte und begrenzter finanzieller Ressourcen
wenig Kontakt mit der Kultur- und Kreativwirtschaft haben. Es wird also ein Förderinstrument
benötigt, das Kooperationen mit anderen Branchen ermöglicht. Ein Beispiel liefert hier die Stadt
Salzburg, die mit dem „Voucher in Creative Industries“ (VINCI) kleine und mittlere Unternehmen,
die mit einem Unternehmen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft kooperieren, fördert. Positiv an
Kooperationen ist, dass beispielsweise durch Produktinnovationen ein wirtschaftlicher Mehrwert
erzeugt wird, der ohne die Zusammenarbeit nicht vorhanden wäre. Für die Untersuchungsregion
bietet sich die Entwicklung eines vergleichbaren Instruments an.
Auch durch den Aufbau von Plattformen zum Wissensaustausch können wesentliche Defizite
bezüglich der Qualifizierung beseitigt werden. Um einen solchen Austausch zu gestalten, muss die
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
139
Verantwortlichkeit dafür an einer Stelle institutionell verankert werden. Wie die Förderung der
Kultur- und Kreativwirtschaft mit den anderen Förderaktivitäten einer Stadt verknüpft werden
kann, lässt sich am Beispiel der Stadt Wien zeigen. Im Jahr 2003 hat die Wirtschaftsagentur Wien
ihre gesamten Fördermaßnahmen für die Kultur- und Kreativwirtschaft unter dem Namen
„departure“ gebündelt. Zum effizienten Einsatz der Fördermittel werden verschiedene
Förderprogramme angeboten, die sich nach den Bedürfnissen der Unternehmen richten. Bei dem
Programm „departure focus“ wird beispielsweise jedes Jahr eine besondere Entwicklung in der
Kultur- und Kreativwirtschaft aufgegriffen. Die beteiligten Unternehmen werden bei der Produktion
und Vermarktung ihrer kreativen Ideen gefördert. Daneben bietet die Stadt Wien ein
Expertenportal an, auf dem sich Unternehmen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft Hilfestellung
holen können. Neben der finanziellen Förderung wird hier also der Schwerpunkt auf Qualifizierung
und Vernetzung gelegt. Dieses Beispiel kann Vorbild für die Förderung in der Untersuchungsregion
sein.
Weiterer Handlungsbedarf wurde auch bei Thema Ideen- bzw. Unternehmensfinanzierung
identifiziert. Die Wirtschaftsförderung kann hier Aufklärungsarbeit bei den Banken leisten, um die
Kreditaufnahme für die Unternehmen zu erleichtern. Eine Alternative zu einem Kredit stellt auch
hier Venture Capital dar. Die vorhandenen Angebote in der Untersuchungsregion könnten noch
spezifischer auf die Kultur- und Kreativwirtschaft ausgerichtet werden. Ein Beispiel bietet hier die
IBB Beteiligungsgesellschaft in Berlin. Seit dem Jahr 2004 führt die IBB Beteiligungsgesellschaft
einen Venture Capital Fonds für Unternehmen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft mit einem
Volumen von ca. 30 Millionen Euro. Die IBB Beteiligungsgesellschaft ist eine Tochter der
Investitionsbank Berlin und befindet sich somit in öffentlichem Besitz. Für das Bundesland Berlin
bringt die Investition in einen solchen Fond mehrere Vorteile mit sich. Durch die investierten Mittel
wird die Kultur- und Kreativwirtschaft in der Region gefördert und somit auch positive Effekte für
die Region angestoßen. Zudem kann die IBB Beteiligungsgesellschaft durch einen späteren
Verkauf oder Börsengang ihrer Beteiligungen einen Gewinn erzielen. Weiterhin sorgt der strenge
Prozess vor Vergabe der Mittel dafür, dass die Gefahr eines Totalverlusts der Fördermittel
verringert wird. Trotzdem kann das eingesetzte Kapital auch bei dieser Art der
Wirtschaftsförderung verloren gehen. Es wird empfohlen das Konzept der IBB
Beteiligungsgesellschaft näher zu analysieren, um festzustellen, ob das Konzept oder Teile des
Konzepts auf Schleswig-Holstein übertragen werden können; sprich die Bereitstellung spezifischer
Angebote für die Kultur- und Kreativwirtschaft durch die Investitionsbank Schleswig-Holstein oder
die mittelständische Beteiligungsgesellschaft Schleswig-Holstein mbH. Die Verbesserung des
Kapitalzugangs ist ein wichtiger Aspekt hinsichtlich der Beseitigung von Qualifizierungsdefiziten bei
den Akteuren der Kultur- und Kreativwirtschaft. Aber auch die Sichtbarkeit der Branche wird
erhöht, da Banken sensibilisiert werden und Erfahrung mit der Branche sammeln.
Eine weitere Möglichkeit der Mittelbeschaffung für Projekte, Produkte oder die Umsetzung von
Geschäftsideen für die Kultur- und Kreativwirtschaft bieten Crowdfunding-Portale. Hierbei
handelt es sich um Online-Portale, bei denen das Kapital über eine Vielzahl von Geldgebern zur
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
140
Verfügung gestellt wird. Gefällt den Nutzern des Portals die Geschäftsidee oder ein Produkt, hat
dieser die Möglichkeit, dieses Produkt durch einen Geldbetrag zu erwerben oder den
Existenzgründer durch eine Spende in Form einer stillen Beteiligung zu unterstützen. In
Deutschland gibt es bereits eine Vielzahl an solchen Portalen. Neben den bundesweiten
Plattformen gibt es auch Portale, die regional auf die Kultur- und Kreativwirtschaft ausgerichtet
sind. Beispielhaft zu nennen ist hier „Nordstarter“ für Hamburg oder „Durchstarter“ für Dresden. Die
Bereitstellung eines solchen Crowfunding-Portals ist auch für die Untersuchungsregion als
Finanzierungsmöglichkeit anzustreben. Hierfür bedarf es einer Sensibilisierung für das Thema
Crowdfunding und einer stärkeren Bewerbung als alternative Finanzierungsmöglichkeit bei
Beratungsstellen. Neben der privaten Mittelbeschaffung bieten Crowdfunding-Portale die
Möglichkeit, Kontakt zu potenziellen Kooperationspartners oder Kunden aufzubauen. Denn vor
allem die mangelnde Vernetzung untereinander sowie Kontakte zu potenziellen Abnehmern stellen
bisher ein Problem beim Vertrieb der erzeugten Produkte oder Dienstleistungen dar. Darüber
hinaus ließen sich auf diese Weise Synergien zwischen Unternehmen der Kultur- und
Kreativwirtschaft heben, Markteintrittsbarrieren abbauen und neue Märkte erschließen.
Neben diesen Maßnahmen kann die Stadt Kiel auch von EU-Förderprogrammen für die Kultur-
und Kreativwirtschaft profitieren. Aktuell sind auf europäischer Ebene Programme zur Förderung
der Kultur-und Kreativwirtschaft in Vorbereitung. Diese befinden sich jedoch noch in der
Planungsphase und sind noch nicht vollständig ausgearbeitet. Beispielsweise hat die EU-
Kommission die Initiative „European Creative Industries Alliance“ (ECIA) geschaffen. Diese dient
zum einen der Vernetzung mithilfe der „Policy Learning Platform“ und der Entwicklung von
Clustern und soll zum anderen den Zugang zu Kapital für Unternehmen der Kultur- und
Kreativwirtschaft erleichtern. Außerdem wird momentan in vier Modellregionen in Europa ein
Gutscheinsystem erprobt, das Kooperationen fördern, die Sichtbarkeit erhöhen und einen
wesentlichen Anteil zur Qualifizierung beitragen soll. Sind die Programme final ausformuliert, sollte
geprüft werden, inwieweit Möglichkeiten bestehen, hiervon zu profitieren.
Quartiersentwicklung
Hinsichtlich der Entwicklung von zusätzlichen kreativen Quartieren wird an dieser Stelle keine
konkrete Empfehlung für die Untersuchungsregion ausgesprochen, da eine gesteuerte
Entwicklung für die Förderung der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht Erfolg versprechend zu sein
scheint. Es empfiehlt sich eher, die bereits vorhandenen kreativen Quartiere, in diesem Fall das
Muthesius-Quartier, zu stärken als neue Konkurrenz in diesem Feld aufzubauen. Die Etablierung
von kreativen Milieus entsteht durch die Aktionen und Handlungen aus der Kultur-und
Kreativwirtschaft und kann nicht durch öffentliche Projekte oder Institutionen herbeigeführt werden.
Jedoch können bestimmte Maßnahmen die Entwicklung von kreativen Milieus oder Stätten
unterstützen und fördern.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
141
Hierunter fällt die Bereitstellung idealtypischer Räume für die Kultur-und Kreativwirtschaft als
Arbeits- als auch Vernetzungsstelle. Erfolgsrelevant ist dabei das Finden eines geeigneten
Objekts, das alle notwendigen Kriterien hinsichtlich Lage, Preis und Nutzungsmöglichkeiten erfüllt
und die enge Zusammenarbeit von Stadt, Muthesius Kunsthochschule und den Vertretern der
informellen Netzwerke am Standort ermöglicht. Darüber hinaus wird die Anschaffung einer
spezifischen Infrastruktur in diesen Raumkonzepten empfohlen, die für die Akteure der Kultur- und
Kreativwirtschaft zur Verfügung steht. Das Beispiel der „Open Design City“ in Berlin zeigt, wie
solch ein Raumkonzept mit verfügbarer Infrastruktur gestaltet werden kann. In der „Open Design
City“ werden Künstlern, Designern und Kreativschaffenden alle für deren erfolgreiche
Projektumsetzung notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt. Das Angebot beinhaltet die
Vermietung des Arbeitsplatzes, die Bereitstellung von Verkaufsflächen und Lagerräumen sowie die
Nutzung von speziellen Werkzeugen und Maschinen, wie beispielsweise einem 3D-Drucker oder
einer CNC-Fräse. Außerdem erhalten die Akteure Zugang zu einem Netzwerk von Dienstleistern
und Zulieferern und haben die Möglichkeit, an Seminaren zur Vermittlung von auf die
gestalterische Praxis bezogenen Fertigkeiten und Kenntnissen teilzunehmen, wie beispielsweise
die Erstellung von 3D-Computerdaten, der Modellbau oder der Umgang mit computergesteuerten
Technologien.
Das Konzept der Coworking Spaces und des Roomsharings stellt eine wirkungsvolle
Maßnahme zur Stärkung des Verständnisses zwischen den einzelnen Teilbranchen dar und erhöht
aufgrund der besseren Vernetzung untereinander das Synergiepotenzial der Branche. So können
sich Akteure der einzelnen Teilsegmente zusammenschließen und gemeinsam innovative
Projekte, Produkte oder Dienstleistungen entwickeln. Das Konzept der Coworking Spaces ist keine
kurzzeitige Erscheinung, sondern zieht immer weiter in die allgemeine Arbeitswelt ein.
Insbesondere sonnige Urlaubsregionen sind hier sehr gefragt. Unter dem Slogan „Arbeiten, wo
andere Urlaub machen“ zieht es immer mehr Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft in den
sonnigen Süden, beispielsweise mit dem „Project Getaway“ nach Thailand oder Bali oder in die
„OpenFinca“ nach Mallorca. Insbesondere die Untersuchungsregion kann in diesem Bereich seine
natürlichen Standortvorteile mit der Nähe zum Meer ausspielen und ähnliche Möglichkeiten für
solche Coworking Spaces schaffen. Somit kann die Untersuchungsregion die Möglichkeit erhalten,
sich überregional zu profilieren und eine nationale Wahrnehmung für die Kultur- und
Kreativwirtschaft erzeugen.
Zur Förderung der Sichtbarkeit nach außen bietet das Konzept der Zwischennutzung einen guten
Ansatz. Denn durch zeitlich befristete Projekte, Ausstellungen und Events rückt die Kultur- und
Kreativwirtschaft näher in den Fokus der Gesellschaft und ermöglicht so die Bildung eines Images.
Gerade in diesem Bereich kann Kiel auf sehr positive Erfahrungen, ein schon gut ausgebautes und
etabliertes Netz an Initiativen und Netzwerke aufbauen. Die Zwischennutzung des Lessingbades
hat gezeigt, wie sich ein Projekt in geradezu idealtypischer Weise entwickeln kann und
insbesondere die Sichtbarkeit und die Vernetzung am Standort fördert. Das Beispiel zeigt aber
auch, dass es auch langfristige Projekte geben muss, damit der Standort nachhaltig von den
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Aktivitäten der Akteure profitieren kann. Die Erfahrungen sollten es ermöglichen, schnell Erfolge
vorzuweisen, wenn es gelingt, ein ähnliches Projekt zu initiieren.
Ähnlich verhält es sich mit dem Quartier „Maritimes Viertel“ mit dem kultur- und
kreativwirtschaftlichen Zentrum im „Atelierhaus im Anscharpark“. Hier ließen sich mit
entsprechenden Investitionen ebenso weitere Räume schaffen, die sich sehr gut für die Akteure
der Kultur- und Kreativwirtschaft eignen, womit nicht zwangsläufig eine Komplettsanierung eines
weiteren Gebäudes gemeint ist. In diesem Quartier wären auch Zwischennutzungen durch Akteure
der Kultur- und Kreativwirtschaft möglich, oder sogar die langfristige Umsetzung von eigenen
Nutzungs- und Entwicklungskonzepten. Dabei könnten Erkenntnisse, die aus der (Zwischen-
)Nutzung des Lessingbades resultierten, als Grundlage für eine mögliche Entwicklung genutzt
werden.
Wichtig ist dabei, dass der Antrieb immer noch aus der Szene kommen muss. Ein erzwungenes,
aufgesetztes Projekt erscheint wenig Erfolg versprechend. Das bedeutet für die Stadt und zum Teil
auch für die Muthesius Kunsthochschule: Unterstützung ja, Mitsprache nur bedingt und
keine/wenig Firmierung.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Untersuchungsregion auf die identifizierten
Stärken aufbauen und auf dieser Basis eine zielgerichtete Profilbildung anstreben sollte, mit der
sie sich überregional von anderen Standorten der Kreativwirtschafts-Standorten abhebt.
Regionale Bedeutung Kieler Hochschulen
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