katalytische oxidation vs. mikrobiologischer abbau von grundwasserkontaminanten unter...

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Katalytische Oxidation vs. mikrobiologischer Abbau von Grundwasserkontaminanten unter In-situ-Bedingungen Robert Köhler*, Anett Georgi, Steffen Lauenroth und Frank-Dieter Kopinke Der katalytische oxidative Abbau organischer Schadstoffe in kontaminierten Grund- und Oberflächenwässern ist in den meisten Fällen durch die Anwesenheit einer autochthonen Mikroorganismenflora gekennzeichnet. Bisher ist oft noch ungeklärt, welche positiven oder negativen Beeinflussungen zwischen abiotischen und biotischen Vorgängen bei derartigen Prozessen auftreten. In dieser Arbeit wird ein für die Oxidation von Monochlorbenzol mit H 2 O 2 entwickelter Oxidationskatalysator mit Eisen als Aktivkomponente auf einem makro- porösen keramischen Träger unter realen Bedingungen in einem Grundwasserstrom getes- tet. Dabei konnten über lange Zeiträume stabile Umsatzraten erzielt werden. Es zeigt sich, dass die Kombination aus chemisch-katalytischer Oxidation und aerob-mikrobiologischer Behandlung zur Entfernung bestimmter, mikrobiologisch schwer abbaubarer Substanzen vorteilhaft sein kann. 1 Problemstellung Der katalytische oxidative Abbau organischer Schadstoffe in kontaminierten Grund- und Oberflächenwässern ist in den meisten Fällen durch die Anwesenheit einer autochthonen Mikroorganismenflora gekennzeichnet. Diese Tatsache unterscheidet die Prozessführung in der Umwelttechnik von jener in der chemi- schen Verfahrenstechnik. Bisher ist in vielen Bereichen noch un- geklärt, welche positiven oder negativen Be- einflussungen zwischen abiotischen und bioti- schen Vorgängen bei derartigen Prozessen auftreten. Im Fall der reduktiven Dechlorie- rung von Chlorkohlenwasserstoffen (CKW) mit Wasserstoff als Reduktionsmittel an Palla- diumkatalysatoren ist beispielsweise die Ver- giftung der Katalysatoren durch mikrobielle Sulfatreduktion bekannt [1 – 3]. Von Hoffmann et al. [4] wird ein Synergie- effekt beim Zusammenspiel katalytischer Reaktionen (heterogene Fenton-Reaktion) mit einem aeroben mikrobiologischen Abbau pos- tuliert. Es wird außerdem eine Kombination beider Reaktionen innerhalb eines Reaktors mit Fixierung der Mikroorganismen (MO) auf inertem Trägermaterial als effektiver im Ver- gleich mit einer Reihenschaltung beider Ver- fahrensstufen beschrieben. Gegenstand der vorliegenden Arbeit war es, das Zusammenwirken von biotischen und abi- otischen Effekten bei der oxidativen Behand- lung Monochlorbenzol-haltiger Grundwässer unter In-situ-Bedingungen zu untersuchen. Die dargestellten Versuche erfolgten in einer eigens zur Entwicklung neuer Grundwasser- sanierungskonzepte errichteten Pilotanlage des Umweltforschungszentrums Leipzig- Halle. Das Design dieser in Bitterfeld befind- lichen Pilotanlage ermöglicht Experimente mit Verwendung von originalem Grundwasser unter realen In-situ-Bedingungen (Druck, Temperatur, Grundwasserfrachten, Mikroorga- nismenflora). Als Oxidationsmittel wurde Wasserstoffper- oxid in Verbindung mit einem eisenhaltigen Katalysator eingesetzt. Der Einfluss der Radi- kalbildung auf den Umsatz der Hauptkonta- minante Monochlorbenzol (MCB) sowie die mikrobiologische Aktivität wurden unter ver- schiedenen Bedingungen quantifiziert und auf mögliche Synergieeffekte zwischen katalyti- schen und biologischen Prozessen hin unter- sucht. 2 Experimentelles 2.1 Aufbau der Versuchsanlage Der Versuchsaufbau (s. Abb. 1) der ersten Untersuchungsphase bestand aus einem vom Grundwasser durchströmten Säulenapparat Der katalytische oxidative Abbau organischer Schad- stoffe in kontami- nierten Grund- und Oberflächenwäs- sern ist in den meis- ten Fällen durch die Anwesenheit einer autochthonen Mikroorganismen- flora gekennzeich- net. Grundwassersanierung 563 Chemie Ingenieur Technik 2006, 78, No. 5 © 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.cit-journal.de DOI: 10.1002/cite.200500097

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Katalytische Oxidation vs.mikrobiologischer Abbauvon Grundwasserkontaminantenunter In-situ-BedingungenRobert Köhler*, Anett Georgi, Steffen Lauenroth undFrank-Dieter Kopinke

Der katalytische oxidative Abbau organischer Schadstoffe in kontaminierten Grund- und

Oberflächenwässern ist in den meisten Fällen durch die Anwesenheit einer autochthonen

Mikroorganismenflora gekennzeichnet. Bisher ist oft noch ungeklärt, welche positiven oder

negativen Beeinflussungen zwischen abiotischen und biotischen Vorgängen bei derartigen

Prozessen auftreten. In dieser Arbeit wird ein für die Oxidation von Monochlorbenzol mit

H2O2 entwickelter Oxidationskatalysator mit Eisen als Aktivkomponente auf einem makro-

porösen keramischen Träger unter realen Bedingungen in einem Grundwasserstrom getes-

tet. Dabei konnten über lange Zeiträume stabile Umsatzraten erzielt werden. Es zeigt sich,

dass die Kombination aus chemisch-katalytischer Oxidation und aerob-mikrobiologischer

Behandlung zur Entfernung bestimmter, mikrobiologisch schwer abbaubarer Substanzen

vorteilhaft sein kann.

1 Problemstellung

Der katalytische oxidative Abbau organischerSchadstoffe in kontaminierten Grund- undOberflächenwässern ist in den meisten Fällendurch die Anwesenheit einer autochthonenMikroorganismenflora gekennzeichnet. DieseTatsache unterscheidet die Prozessführung inder Umwelttechnik von jener in der chemi-schen Verfahrenstechnik.

Bisher ist in vielen Bereichen noch un-geklärt, welche positiven oder negativen Be-einflussungen zwischen abiotischen und bioti-schen Vorgängen bei derartigen Prozessenauftreten. Im Fall der reduktiven Dechlorie-rung von Chlorkohlenwasserstoffen (CKW)mit Wasserstoff als Reduktionsmittel an Palla-diumkatalysatoren ist beispielsweise die Ver-giftung der Katalysatoren durch mikrobielleSulfatreduktion bekannt [1 – 3].

Von Hoffmann et al. [4] wird ein Synergie-effekt beim Zusammenspiel katalytischerReaktionen (heterogene Fenton-Reaktion) miteinem aeroben mikrobiologischen Abbau pos-tuliert. Es wird außerdem eine Kombinationbeider Reaktionen innerhalb eines Reaktorsmit Fixierung der Mikroorganismen (MO) aufinertem Trägermaterial als effektiver im Ver-gleich mit einer Reihenschaltung beider Ver-fahrensstufen beschrieben.

Gegenstand der vorliegenden Arbeit war es,das Zusammenwirken von biotischen und abi-

otischen Effekten bei der oxidativen Behand-lung Monochlorbenzol-haltiger Grundwässerunter In-situ-Bedingungen zu untersuchen.Die dargestellten Versuche erfolgten in einereigens zur Entwicklung neuer Grundwasser-sanierungskonzepte errichteten Pilotanlagedes Umweltforschungszentrums Leipzig-Halle. Das Design dieser in Bitterfeld befind-lichen Pilotanlage ermöglicht Experimente mitVerwendung von originalem Grundwasserunter realen In-situ-Bedingungen (Druck,Temperatur, Grundwasserfrachten, Mikroorga-nismenflora).

Als Oxidationsmittel wurde Wasserstoffper-oxid in Verbindung mit einem eisenhaltigenKatalysator eingesetzt. Der Einfluss der Radi-kalbildung auf den Umsatz der Hauptkonta-minante Monochlorbenzol (MCB) sowie diemikrobiologische Aktivität wurden unter ver-schiedenen Bedingungen quantifiziert und aufmögliche Synergieeffekte zwischen katalyti-schen und biologischen Prozessen hin unter-sucht.

2 Experimentelles

2.1 Aufbau der Versuchsanlage

Der Versuchsaufbau (s. Abb. 1) der erstenUntersuchungsphase bestand aus einem vomGrundwasser durchströmten Säulenapparat

Der katalytischeoxidative Abbauorganischer Schad-stoffe in kontami-nierten Grund- undOberflächenwäs-sern ist in den meis-ten Fällen durchdie Anwesenheiteiner autochthonenMikroorganismen-flora gekennzeich-net.

Grundwassersanierung 563Chemie Ingenieur Technik 2006, 78, No. 5

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DOI: 10.1002/cite.200500097

(Säule 1: V4A-Edelstahl, V = 11 L), einer Vor-richtung zur Dosierung des OxidationsmittelsH2O2 (20-L-Polypropylentank, MCP-Kolben-pumpe, Fa. Ismatec) und der Regelvorrichtungfür den Grundwasserfluss durch die Apparatur(MCP-Kolbenpumpe, Fa. Ismatec). Säule 1 ent-hielt eine Mischung aus 5 L Eisenkatalysator(s. Abschnitt 2.2) und 5 L gewaschenem undsterilisiertem Kies (Korngröße ca. 5 mm). DerGrundwasserfluss wurde im Anstrom derSäule mit H2O2 versetzt. Seine Eingangskon-zentration wurde in der ersten Versuchsphasezwischen 150 und 2000 mg/L variiert.

In der zweiten Versuchsphase wurde im Ab-strom von Säule 1 eine zweite Säule (Säule 2,Glas, V = 6,5 L) installiert, die ein aus je 2,2 LKatalysator und Blähglas bestehendes Festbettenthielt. Das zur Verdünnung der Katalysator-schüttung verwendete offenporige Blähglas(Korngröße 2 bis 4 mm) weist eine Porositätvon 69 % und einen mittleren Porenradius von24 lm auf.

In der dritten Versuchsphase wurde stattH2O2 molekularer Sauerstoff (O2) als Oxida-tionsmittel dosiert. Die Begasung erfolgte mitDruckluft (p = 175 kPa) über einen 38 m lan-gen gaspermeablen Siliconschlauch (Fa. Rei-chelt Chemietechnik GmbH). Zur Abschei-dung eventuell mitgerissener Gasblasen imZufluss von Säule 1 war eine Apparatur zurGasabscheidung installiert, die eine Gasver-blockung des durchströmten Festbettes ver-hindern sollte. Nach Einstellung stationärerVerhältnisse waren die MCB-Konzentrationenam Eingang und am Ausgang des Begasungs-moduls praktisch identisch (cMCB(PN1) ≈cMCB(PN2)). Es traten also keine signifikantenStrippverluste auf.

Der Grundwasserfluss betrug 2,5 L/h undwar über den gesamten Versuchszeitraumkonstant. Daraus resultierte eine sehr geringeKatalysatorbelastung von etwa einem Poren-volumenaustausch pro Stunde (0,25 vvh) fürSäule 1. Alle Versuche wurden bei der Tempe-ratur des Grundwassers am Standort (ca. 12 °C)durchgeführt.

Der komplette Versuchsaufbau incl. der Pro-benahmepunkte (PN1 bis PN5) ist in Abb. 1dargestellt.

2.2 Charakterisierung des Katalysators

Der verwendete Katalysator wurde im Herms-dorfer Institut für Technische Keramik (HITK)hergestellt und besteht aus einer tongebun-denen Köstrosorbmatrix mit 10 Ma.-% Eisenin Form von Carbonyleisenpulver als katalyti-scher Komponente. Die Rohstoffe wurdennach Vormischung in einem Eirich-Mischgra-nulator unter Zugabe von Wasser granuliert.Das erhaltene Rohgranulat wurde bei 80 °Cgetrocknet, entsprechend der Zielkorngrößeklassiert und unter Stickstoffspülung bis zueiner Endtemperatur von 500 °C über einenZeitraum von 3 h calciniert. Der Katalysatorbesitzt eine offene Porosität von 74 %. DieBET-Oberfläche beträgt 265 m2/g, der mittlerePorenradius 160 nm.

2.3 Analysenmethoden

Die quantitative Analyse der im verwendetenGrundwasser enthaltenen CKW wie Mono-chlorbenzol (MCB), 1,2- und 1,4-Dichlorbenzol(DCB) erfolgte mittels Headspace-Analytik aneinem Gaschromatographen mit Flammen-ionisationsdetektor (Agilent GC 6890, FID).Die Eingangskonzentration der Hauptkonta-minante Monochlorbenzol im Grundwasserwar über alle drei Versuchsphasen nahezukonstant und betrug durchschnittlich cMCB =20,3 ± 3 mg/L (PN1 bzw. PN2). Die Quanti-fizierung des MCB-Umsatzes erfolgte überdie Abnahme der MCB-Konzentrationen. DieAufklärung von Reaktionsprodukten war nichtZiel der hier beschriebenen Studie.

Die H2O2-Konzentration wurde photome-trisch bestimmt (Küvettentest, Fa. Merck, nachDIN 38409 H15, Photometer SpektroquantNova 60, Wellenlänge 405 nm). Die Bestim-mung der O2-Konzentration erfolgte mittelseines elektrochemischen Sensors (Fa. WTW).Die Fe-Konzentrationen im abströmendenGrundwasser wurden mittels ICP-MS ermit-telt.

Abbildung 1. Schema der Versuchsapparatur in der Pilotanlage Bitterfeld des UFZ.

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3 Ergebnisse und Diskussion

3.1 Phase 1

Der stöchiometrische Bedarf an H2O2 für dievollständige Mineralisierung von 20,3 mg/LMCB gemäß

C6H5Cl + 14 H2O2 → 6 CO2 + HCl + 16 H2O(1)

beträgt 86,3 mg/L H2O2. Praktisch führenjedoch weitere abiotische Prozesse wie dieOxidation von Grundwasserinhaltsstoffen(Fe2+ und H2S) und eine unvollständigeAusnutzung des Peroxids bei der heterogenkatalysierten H2O2-Zersetzung stets zu einemhöheren als dem stöchiometrischen Oxida-tionsmittelbedarf. Demzufolge wurde dieH2O2-Konzentration in der ersten Versuchs-phase in einem Bereich variiert, der einem 2-bis 23-fachen stöchiometrischen Überschussentsprach.

Die stufenweise Erhöhung der H2O2-Kon-zentration bis auf 2000 mg/L hatte eineSchädigung der sich etablierenden Mikroorga-nismenflora zum Ziel [5]. Während mikrobio-logische Prozesse zurückgedrängt werden,sollte die abiotische katalytische Oxidation voneiner Zunahme der H2O2-Konzentration profi-tieren. Abb. 2 zeigt die zeitlichen Verläufe desMCB- und H2O2-Umsatzes (PN4) bei Einstel-lung der H2O2-Zulaufkonzentration auf diedrei Niveaus 150, 600 und 2000 mg/L.

Eine Änderung der H2O2-Zulaufkonzentra-tion bewirkte stets eine gleichgerichtete Ände-rung des MCB-Umsatzes. Der Befund, wonachder für eine bestimmte H2O2-Konzentrationcharakteristische MCB-Umsatz bei Variationder H2O2-Konzentration auch nach einem län-geren Versuchszeitraum reproduzierbar war,ist als Indiz für eine abiotisch-katalytischeMCB-Oxidation zu werten. Die mit dem ver-wendeten Katalysator erreichten mittlerenMCB-Umsetzungsgrade (30, 60 und 75 %)sind unter Berücksichtigung der geringenKatalysatorbelastung aus verfahrenstechni-scher Sicht unbefriedigend. H2O2 wird nur un-vollständig ausgenutzt (im Mittel 55 ± 15 %).

Neben der heterogen katalysierten Reaktionkönnte auch eine homogene Fenton-Reaktionmit gelöstem Eisen als Katalysator

Fe2+ + H2O2 → Fe3+ + OH· + OH– (2)

zum Ergebnis beitragen. Wegen der geringenGesamteisenkonzentrationen im Reaktorzu-lauf und -auslauf (≤ 1 mg/L) und dem stabilgepufferten pH-Wert des Grundwassers vonpH ≈ 6,5 kann deren Beitrag jedoch als gering

angenommen werden. Zusätzliche Tests, beidenen eine Grundwasserprobe direkt nach derProbenahme bei unverändertem pH-Wert (pH= 6,47) mit H2O2 versetzt wurde (c = 150 mg/L), bestätigten diese Einschätzung. Ohne An-wesenheit eines Katalysators wurde nach 24 hReaktionszeit keine MCB-Abnahme gemes-sen.

Bis zum 105. Versuchstag (VT) gab es keineAnzeichen für signifikante mikrobiologischeAktivität in Säule 1. Als Ursachen dafür kön-nen a) die Erzeugung von bakterizid wirken-den Radikalen im Nahbereich der Katalysator-pellets bei der katalytischen H2O2-Zersetzungund b) die relativ glatte Oberfläche der Kiesteil-chen, die als Träger von Biomasse wenig geeig-net ist, angesehen werden. Die bakterizideWirkung des Oxidationsreaktors wurde durchBestimmung der Lebendzellzahl für MCB-metabolisierende Bakterien (Dept. Umwelt-mikrobiologie am UFZ, Dr. C. Vogt) nach-gewiesen. Die Lebendzellzahl im Abfluss vonSäule 1 betrug nur 0,4 % des Wertes im Zu-fluss. Auch die Zudosierung einer konzentrier-ten Biomassesuspension (VT 85), die auseinem am gleichen Standort betriebenenaeroben Versuchsreaktor entnommen wurde(Dr. J. Hofmann, Institut für NichtklassischeChemie an der Universität Leipzig), führte zukeiner Erhöhung der biologischen Aktivitätoder der Dichte lebender MCB-abbauenderBakterien im Abfluss.

Ab ca. dem 115. Versuchstag stiegen MCB-Umsatz und H2O2-Verbrauch stetig bis zumvollständigen Umsatz (> 99 %) ab VT 143 an(s. Abb. 3). Ursache für beide Trends ist einezunehmende mikrobiologische Aktivität. Of-fenbar war ein Zeitraum von ca. 100 d zurBesiedlung und Anpassung der MO an dieMilieubedingungen in Säule 1 nötig, um ge-nügend aktive Biomasse für eine signifikanteProzessbeeinflussung zu etablieren. Es ist be-

Abbildung 2. H2O2-Umsatz und Monochlorbenzolumsatz in Abhängigkeit vonder H2O2-Zulaufkonzentration in Säule 1 (Versuchszeitraum: 0 bis 110 d); durch-gezogene Linien: mittlerer MCB-Umsatz in der jeweiligen Versuchsperiode.

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kannt, dass die Toleranzschwelle von MO ge-genüber H2O2 durch Adaption an sukzessivezunehmende Konzentrationen und mit derZellzahldichte steigt [6]. Daraus ergibt sichz. B. für kompakte Biofilme eine höhere H2O2-Schwellenkonzentration als für frei suspen-dierte MO. Bei schrittweiser Erhöhung derH2O2-Konzentration bilden MO verstärkt dasEnzym Katalase und sind damit in der Lage,H2O2 in O2 und H2O zu spalten und so dasPeroxid zu detoxifizieren. Eine sprunghafteErhöhung der H2O2-Konzentration auf2000 mg/L sollte jedoch toxisch wirken undeine starke Schädigung der aktiven Biomasseinnerhalb der Säule verursachen [5].

Um den Beitrag von biotischen und abioti-schen Prozessen zu dem beobachteten MCB-Umsatz bestimmen zu können, wurde Säule 1zum Zweck der Ausschaltung biologischer Ak-tivität am VT 157 für 24 h mit einer drastischhöheren H2O2-Konzentration (2400 mg/L) ge-spült. Nach erneuter Absenkung der H2O2-Konzentration auf 150 mg/L wurde weiterhinein vollständiger MCB-Umsatz bei 100%-igem

H2O2-Verbrauch im Säulenabfluss analysiert.Dies deutet darauf hin, dass der beabsichtigteH2O2-Schock nicht zu einer signifikanten Des-aktivierung der Biomasse in Säule 1 geführthat.

Am VT 170 erfolgte eine Desaktivierungder Biomasse in Säule 1 durch 24-stündigeSpülung mit NaOCl-Lösung (40 g/L „aktives“Chlor). Im Anschluss wurde die H2O2-Dosie-rung (150 mg/L) fortgesetzt. Der MCB-Umsatzwar infolge der NaOCl-Spülung zunächst aufca. 25 % abgesunken (katalytischer Anteil),nahm aber nach weiteren 20 d wieder zu, wasauf eine erneute Besiedelung von Säule 1 mitMO schließen lässt (s. Abb. 4). Die H2O2-Kon-zentration im Abfluss der Säule 1 lag in derfolgenden Versuchsperiode bei durchschnitt-lich ca. 70 mg/L, was einem ca. 53%-igenH2O2-Umsatz entsprach.

Mit diesen Umsätzen sind die Raum-Zeit-Ausbeuten mit jenen im Festbett vor Ausbil-dung der aktiven Biomasse vergleichbar. DerBefund, wonach gleiche Eduktkonzentrationennach über 100 d Betriebsdauer und drasti-schen Milieuänderungen zu gleichen Umsät-zen an MCB und H2O2 führten, zeigt, dassder Katalysator selbst keiner signifikantenAlterung unterlegen war. Dies legt nahe, dassdie Ausbildung von Biofilmen wechselnderAktivität nicht im Nahbereich der für dieH2O2-Zersetzung verantwortlichen katalytischaktiven Zentren stattfindet.

3.2 Phase 2

In dieser Phase wurden die Bedingungen fürdie Etablierung biologischer Prozesse im Reak-tor verbessert. Zu diesem Zweck wurde am107. Versuchstag eine zweite Reaktorsäule imAbstrom von Säule 1 installiert, die mit einerMischung aus Oxidationskatalysator und Bläh-glas gefüllt war. Die Oberfläche des offenpori-gen Blähglases kann im Gegensatz zur Kies-oberfläche in Säule 1 als gut geeignet zurFixierung von Biofilmen angesehen werden.Die räumliche Trennung von Besiedlungs-körper (Blähglas) und Katalysator als Quellekurzlebiger reaktiver Spezies (z. B. OH-Radi-kale) auf unterschiedlichen Partikeln sollte dieAusbildung aktiver Biomasse in Säule 2 be-günstigen [7].

Wie Abb. 5 anhand des MCB-Umsatzes ver-deutlicht, war wenige Tage nach Inbetriebnah-me von Säule 2 in deren Abstrom kein MCBmehr nachweisbar (Umsatz > 99 %). Auch dasim Abstrom von Säule 1 noch im Grundwasserenthaltene H2O2 wurde nahezu vollständig inSäule 2 umgesetzt. Im Zeitraum zwischen denVersuchstagen 140 und 170 kann die Umsatz-

Abbildung 3. H2O2-Umsatz und Monochlorbenzolumsatz in Säule 1 (Versuchszeit-raum: 75 bis 165 d, cH2O2,Zulauf = 150 mg/L).

Abbildung 4. H2O2-Umsatz und Monochlorbenzolumsatz in Säule 1, vor und nachder Spülung der Säule mit wässriger NaOCl-Lösung (Versuchszeitraum: 100 bis 220 d,cH2O2,Zulauf = 150 mg/L)).

Mit diesen Umsät-zen sind die Raum-Zeit-Ausbeuten mitjenen im Festbettvor Ausbildung deraktiven Biomassevergleichbar.

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leistung von Säule 2 allerdings nicht mehr be-wertet werden, weil bereits die vorgeschalteteSäule 1 vollständige Umsätze an MCB undH2O2 erzeugte.

Während der Spülungen von Säule 1 mitstarken Oxidationsmitteln (VT 157: H2O2, VT170: NaOCl) war Säule 2 hydraulisch entkop-pelt, wurde also nicht von den bakterizid wirk-samen Lösungen durchflossen. Ca. 5 h nachBeendigung der NaOCl-Spülung wurde Säule2 wieder ins Flussregime im Abstrom vonSäule 1 einbezogen. Offenbar war die Ausspü-lung des Hypochlorits aus Säule 1 aber nochnicht vollständig, so dass zunächst auch dieAktivität der Biomasse in Säule 2 durch rest-liches Hypochlorit beeinträchtigt wurde. Nachweiteren zwei Wochen hatte sich die biologi-sche Aktivität regeneriert. Die Umsätze anMCB und H2O2 in Säule 2 waren wieder annä-hernd vollständig.

3.3 Phase 3

Um zu prüfen, inwieweit auch ohne Peroxid,d. h. ohne abiotisch-katalytischen Angriff der

MCB-Moleküle deren Totalumsatz erreichtwerden kann, wurde ab VT 221 statt H2O2 alsOxidationsmittel O2 in den Zufluss von Säule1 dosiert. Diese Änderung im Versuchsregimehatte keinen erkennbaren Einfluss auf denMCB-Umsatz. Der für Säule 1 nach der Hypo-chloritspülung beobachtete Trend einer steti-gen Zunahme des MCB-Umsatzes setzte sichbis zum Totalumsatz fort.

Abbildung 5. H2O2-Umsatz und Monochlorbenzolumsatz in Säule 1 und 2 (Versuchs-zeitraum: 107 bis 220 d), H2O2-Zulauf zu Säule 2.

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Dieses Ergebnis zeigt, dass die in der Appa-ratur etablierte autochthone Biomasse auchohne Mitwirkung eines Katalysators in derLage ist, MCB effektiv umzusetzen. Außerdemwurde gezeigt, dass diese Biomasse sehr raschvon H2O2/O2 auf O2 als alleiniger terminalerElektronenakzeptor umgestellt werden kann.

4 Zusammenfassung,Bewertung und Ausblick

Ein für die Oxidation von Monochlorbenzolmit H2O2 entwickelter Oxidationskatalysatormit Eisen als Aktivkomponente auf einem ma-kroporösen keramischen Träger wurde unterrealen Bedingungen (12 °C, pH = 6,5) ineinem Grundwasserstrom getestet. Dabeikonnten über lange Zeiträume (≥ 100 d) sta-bile Umsatzraten erzielt werden. Allerdingssind die erreichten Umsatzleistungen und derfür praktikable Raum-Zeit-Ausbeuten erforder-liche große H2O2-Überschuss als unbefriedi-gend einzuschätzen. Durch Aufwachsen einerautochthonen Mikroorganismenflora wurdedie Reinigungsleistung des Oxidationsreaktorsdrastisch verbessert. An Stelle einer abiotisch-katalytischen Oxidation trat eine mikrobiolo-gisch vermittelte Oxidation. Ein Wechsel vonH2O2 zu O2 als terminalem Elektronenakzep-tor führte zu keiner erkennbaren Leistungsver-minderung.

Dieser Befund wirft die Frage auf, inwieweitchemisch-katalytische Verfahren zur Oxidationvon biologisch gut abbaubaren Kontaminantenüberhaupt konkurrenzfähig und sinnvoll sind.Hofmann et al. postulieren einen parallelenVerlauf von heterogen-katalytischer Oxidationund aerob-biologischem MCB-Abbau im Oxi-dationsreaktor, wobei erst die Kombinationbeider Prozesse zu hohen Raum-Zeit-Aus-beuten führen soll [1]. Unsere Ergebnisse be-gründen Zweifel an dieser Interpretation. Esist anzunehmen, dass der katalytische Reak-tionsweg nur während einer Initialperiode biszur Etablierung von hinreichend aktiver Bio-masse im Reaktor Bedeutung besitzt. Danachspielt der mikrobiologische Abbau eine domi-nierende Rolle. Er benötigt, zumindest fürdie Kontaminante Monochlorbenzol, keine„Anoxidation“ des Substrates.

Die Kombination aus chemisch-katalytischerOxidation und aerob-mikrobiologischer Be-handlung kann jedoch zur Entfernung be-stimmter, mikrobiologisch schwer abbaubarerSubstanzen vorteilhaft sein. Das ist z. B. derFall, wenn durch die chemische Oxidationtoxische in nicht-toxische oder refraktäre inbiologisch verwertbare Substanzen umgesetztwerden, aber eine Totaloxidation aufgrund

des hohen Oxidationsmittelverbrauchs unwirt-schaftlich wäre. Für Wässer, deren Kontami-nanten biologisch abbaubar sind, sollte sehrgenau geprüft werden, ob die Kombinationaus chemischer und biologischer Behand-lungsstufe unter ökonomischen Gesichtspunk-ten sinnvoll ist, insbesondere mit Blick auf dieviel höheren Kosten für Wasserstoffperoxid imVergleich zu molekularem Sauerstoff.

Ganz ähnliche Überlegungen können auchauf reduktive Verfahren zur Wasserreinigungzutreffen. Lecloux untersuchte einen kataly-tischen Prozess zur Nitratreduktion in Trink-wasser mit H2 als Reduktionsmittel an Pd/Cu-Katalysatoren [8]. Im Unterschied zu Labor-experimenten ergab sich im Pilotmaßstab stetseine biologische Kontrolle des Reaktors, dienur durch gezielte Gegenmaßnahmen (peri-odische NaOCl-Spülung) aufzuhalten war. In-teressanterweise arbeitete der „spontane“ Bio-reaktor wesentlich effizienter und selektiver(N2 statt NH4

+ als Reduktionsprodukt) als derkatalytische Reaktor. Insofern gleichen sich dievon Lecloux beschriebenen und die hier vorge-stellten Befunde in ihrer Kernaussage.

Eingegangen am 29. Juni 2005

Dr. R. Köhler([email protected]),Dr. A. Georgi,Prof. Dr. F.-D. Kopinke,UFZ-UmweltforschungszentrumLeipzig-Halle GmbH, DepartmentUmwelttechnologie, Permoserstraße 15,D-04318 Leipzig, Germany;Dipl.-Ing. S. Lauenroth,Hermsdorfer Institut für technische Keramik e.V.,Michael-Faraday-Straße 1, D-07629 Hermsdorf,Germany.

Literatur

[1] H. Schad, R. Klein, M. Stiehl, C. Schüth,Grundwasser 2003, 3, 140.

[2] F.-D. Kopinke et al., Abschlussbericht zum Pro-jektverbund SAFIRA, 2. überarbeitete Auflage,UFZ-Bericht 13/2004, Leipzig 2004, 111.

[3] G. V. Lowry, M. Reinhard, Environ. Sci. Technol.2000, 34, 3217.

[4] J. Hofmann, U. Freier, M. Wecks,D. Häntzschel, Abschlussbericht zum Projekt-verbund SAFIRA, 2. überarbeitete Auflage,UFZ-Bericht 13/2004, Leipzig 2004, 153.

[5] D. L. Pardieck, E. J. Bouwer, A. J. Stone,J. Contam. Hydrol. 1992, 9, 221.

[6] M. D. Lee et al., CRC Crit. Rev. Environ. Control1998, 18, 29.

[7] A. Georgi, F.-D. Kopinke, Appl. Cat., B 2004, 58, 9.[8] A. J. Lecloux, Catal. Today 1999, 53, 23.

Durch Aufwachseneiner autochthonenMikroorganismen-flora wurde dieReinigungsleistungdes Oxidations-reaktors drastischverbessert.

Die Kombinationaus chemisch-kata-lytischer Oxidationund aerob-mikro-biologischerBehandlung kannzur Entfernungbestimmter, mikro-biologisch schwerabbaubarer Sub-stanzen vorteilhaftsein.

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