kapitel 1.1 aussagenlogik: syntax - math.uni-heidelberg.de · mathematische logik (ws 2011/12)...

29
Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 1/1

Upload: others

Post on 22-Oct-2019

1 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Kapitel 1.1

Aussagenlogik: Syntax

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 1 / 1

Page 2: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Ubersicht

1.1.1 Die Sprache der Aussagenlogik

1.1.2 Explizite vs. implizite Definitionen

1.1.3 Syntaktische Induktion und Rekursion

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 2 / 1

Page 3: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

1.1.1 Die Sprache der Aussagenlogik

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 3 / 1

Page 4: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Die Sprache der Aussagenlogik: Symbole

Die Grundzeichen (Symbole) der Sprache der Aussagenlogik (AL) sind:

1 Die Aussagenvariablen (AV): A0,A1,A2, . . .

2 Die Junktoren:

! 1-stellig: ¬ (Negation)! 2-stellig: ! (Konjunktion), " (Disjunktion), # (Implikation) und $

(Aquivalenz)

3 Die Klammersymbole: ( und )

Die Menge der Symbole der Sprache von AL bezeichnet man auch als dasAlphabet dieser Sprache und bezeichnet diese mit AAL. (NB: Da es unendlichviele Aussagenvariablen gibt, ist AAL (abzahlbar) unendlich.)

Endliche Folgen von Symbolen aus einem Alphabet A bezeichnet man auch alsendliche Zeichenreihen oder Worter uber dem Alphabet A. Die Menge allerWorter uber dem Alphabet A (einschließlich dem leeren Wort !) bezeichnet manmit A!.

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 4 / 1

Page 5: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Die Sprache der Aussagenlogik: Formeln

Die aussagenlogischen Formeln sind spezielle Worter uber dem Alphabet AAL derAussagenlogik, die wie folgt induktiv definiert sind:

INDUKTIVE DEFINITION. Die aussagenlogischen (al.) Formeln sind iduktivdefiniert durch

(F1) Jede Aussagenvariable An (n % 0) ist eine al. Formel.

(F2) Ist " eine al. Formel, so ist auch ¬" eine al. Formel.

(F3) Sind "1 und "2 al. Formeln, so sind auch ("1 ! "2), ("1 " "2), ("1 # "2)und ("1 $ "2) al. Formeln.

Diese Definition ist so zu lesen: Die Menge der al. Formeln ist die kleinste Mengevon Wortern uber AAL, die die Worter aus F(1) (namlich die Aussagenvariablen)enthalt und gegen die “Regeln” (F2) und (F3) abgeschlossen ist.

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 5 / 1

Page 6: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Formeln: Notation

Die al. Formeln stellen naturlich mit Hilfe der durch die Junktoren symbolisiertenVerknupfungen gebildete zusammengesetzte Aussagen dar. Auf diese Bedeutung(Semantik) der Formeln werden wir aber erst im nachsten Abschnitt (1.2)eingehen. Hier wollen wir die Formeln zunachst weiter rein formal alsZeichenreihen (d.h. syntaktisch) etwas weiter untersuchen und einige spaterbenotigte Begri!e bereitstellen.

NOTATION: A,B,C , . . . stehen fur Aussagenvariablen", #,$, "i , . . . stehen fur al. Formeln

DEFINITIONEN: l(") := Anzahl der Zeichen in " (Lange von ")

lz(") := Anzahl der Junktoren in "

Weiter schreiben wir " & #, wenn " und # identisch sind, d.h. als Worterubereinstimmen.

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 6 / 1

Page 7: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Formeln: Beispiele

Beispiele al. Formeln sind:

1 "1 :& A (Es gilt: l("1) = 1 und lz("1) = 0)

2 "2 :& ¬¬¬B (Es gilt: l("2) = 4 und lz("2) = 3)

3 "3 :& ((¬A " B)# (A ! ¬C )) (Es gilt: l("3) = 15 und lz("3) = 5)

Nachweis der Formeleigenschaft fur "3:

1 A, B und C sind al. Formeln nach (F1).2 Mit (F2) folgt, dass auch ¬A und ¬C Formeln sind.3 Da also ¬A und B al. Formeln sind, folgt mit (F3), dass (¬A " B)

ebenfalls eine al. Formel ist, und analog folgt aus der Formeleigenschaftvon A und ¬C , dass (A ! ¬C ) eine al. Formel sind.

4 Mit einer weiteren Anwendung von (F3) auf (¬A " B) und (A ! ¬C )folgt, dass "3 eine al. Formel ist.

Keine al. Formeln sind z.B. die Worter A¬, ¬(A), (A¬B), "A und (A#.

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 7 / 1

Page 8: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Formeln: Regeln zur KlammerersparnisZur Verbesserung der Lesbarkeit von al. Formeln erlauben wir das Weglassen“uberflussiger” Klammern:

K1 Außere Klammern durfen weggelassen werden.

Z.B. A ! ¬C & (A ! ¬C )

K2 " und ! binden starker als # und $.

Z.B. ¬A ! B # C & ((¬A ! B)# C )

K3 Bei ", ! und # darf die “Rechtsklammerung” weggelassen werden.

A " B " C :& (A " (B " C ))A ! B ! C :& (A ! (B ! C ))A# B # C :& (A# (B # C ))

NB: Die durch Weglassen von Klammern erhaltenen Formeln sind keine Formelnim eigentlichen Sinn sondern sind nur abkurzende Schreibweisen fur dieeigentlichen Formeln und sind implizit stets als die eigentlichen Formeln zu lesen.

So gilt z.B. l(¬A ! B # C ) := l(((¬A ! B)# C )) = 10

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 8 / 1

Page 9: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Formeln: Induktion und Rekursion

Da die Formeln induktiv definiert sind, lassen sich Eigenschaften der Formelninduktiv beweisen und Funktionen auf den Formeln entsprechend rekursivdefinieren.

Bevor wir dies im Einzelnen zeigen werden, gehen wir im nachsten Abschnitt kurzauf das Induktionsprinzip fur die naturlichen Zahlen ein, das wir dann anwendenwerden.

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 9 / 1

Page 10: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

1.1.2 Explizite vs. Implizite Definitionen:Das Induktionsprinzip fur die naturlichen Zahlen

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 10 / 1

Page 11: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Explizite Definitionen vs. implizite Definitionen (1)

Bei einer expliziten Definition wird ein neues Konzept mit Hilfebekannter Konzepte definiert.

BEISPIEL. Die Definition der Primzahlen lasst sich auf den Begri!der Teilbarkeit und die auf den naturlichen Zahlen definierte Ordnungzuruckfuhren:

x ist Primzahl :' x % 2 und die einzigen Teiler von x sind 1 und x

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 11 / 1

Page 12: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Explizite Definitionen vs. implizite Definitionen (2)

Bei einer impliziten (oder rekursiven) Definition eines neuen Konzeptsdarf dagegen (zusatzlich) auch auf das neue Konzept selbstzuruckgegri!en werden.

BEISPIEL. Die Summe von zwei naturlichen Zahlen wird durchfolgende Rekursionsgleichung festgelegt, wobei S(x) = x + 1 derNachfolger von x ist:

x + 0 := xx + S(y) := S(x + y)

Hierbei muss sichergestellt werden, dass die so gegebene Definitionnicht zirkelhaft ist! Im gegebenen Beispiel folgt das aus demInduktionsprinzip fur die naturlichen Zahlen.

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 12 / 1

Page 13: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Induktionsprinzip auf N: Vollstandige Induktion

Die naturlichen Zahlen erfullen das Prinzip der vollstandigen Induktion:

VOLLSTANDIGE INDUKTION (VI): Ist E eine Eigenschaft von naturlichenZahlen, fur die

(i) E (0) (lies: E tri!t auf 0 zu) und(ii) Fur jede Zahl n, fur die E (n) gilt, gilt auch E (n + 1).

gilt, so tri!t E auf alle naturlichen Zahlen zu.

(Das Induktionsprinzip VI ist eines der Peano-Axiome, durch die die naturlichenZahlen definiert sind. Wir werden hierauf im spateren Verlauf der Vorlesung nochzuruckkommen.)

Aus VI folgt, dass jede von 0 verschiedene Zahl der Nachfolger S(n) = n + 1 einereindeutig bestimmten Zahl n ist. Hieraus ergibt sich, dass die auf der letzten Foliegegebene rekursive Beschreibung der Addition vollstandig und eindeutig ist, also+ durch die gegebenen Rekursionsgleichungen wohldefiniert ist.

Fur Anwendungen des Induktionsprinzip ist es nutzlich, folgende aquivalenteCharakterisierungen der vollstandigen Induktion zu betrachten:

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 13 / 1

Page 14: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Varianten der vollstandigen Induktion

VERALLGEMEINERTE VOLLSTANDIGE INDUKTION (VI’): Ist E eineEigenschaft von naturlichen Zahlen, sodass fur alle naturlichen Zahlen n

(ii’) Gilt E (m) fur alle m < n, so gilt auch E (n).

gilt, so tri!t E auf alle naturlichen Zahlen zu.

MINIMUMSPRINZIP (MP): Gibt es eine naturliche Zahl mit Eigenschaft E ,so gibt es eine kleinste naturliche Zahl mit Eigenschaft E .

LEMMA. Die Prinzipien der vollstandigen Induktion und der verallgemeinertenvollstandigen Induktion sowie das Minimumsprinzip sind aquivalent:

VI ' VI’ ' MP

BEWEIS: s. Ubungen

Da VI in den naturlichen Zahl gilt, gelten also auch VI’ und MP ebenfalls.

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 14 / 1

Page 15: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Beweise durch vollstandige Induktion

In einem Beweis durch vollstandige Induktion weist man eine Aussage fur allenaturlichen Zahlen dadurch nach, dass man diese zunachst fur n = 0 nachweist(Induktionsanfang) und man dann - unter der Annahme, dass die Aussage fur ngilt - diese fur n + 1 nachweist (Induktionsschritt). Wegen VI ist dieses Vorgehenkorrekt.

Entsprechend weist man in einem Beweis einer Aussage durch verallgemeinertevollstandige Induktion die Aussage fur beliebiges gegebenes n nach, wobei mandavon ausgeht, dass die Aussage auf alle kleineren m zutri!t. Die Korrektheitfolgt hier aus VI’.

Fuhren wir einen Beweis durch (erweiterte) vollstandige Induktion, sokennzeichnen wir dies durch Ind(n).

Wir kommen nun zur Aussagenlogik zuruck und formulieren ein Induktionsprinzip

fur Formeln, dessen Korrektheit wir mit Hilfe der Induktionsprinzipien VI und VI’

fur die naturlichen Zahlen nachweisen.

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 15 / 1

Page 16: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

1.1.3 Syntaktische Induktion und Rekursion

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 16 / 1

Page 17: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Induktion uber den Formelaufbau (syntaktische Induktion)

Aus dem Induktionsprinzip VI’ fur die naturlichen Zahlen lasst sichfolgendes Induktionsprinzip fur al. Formeln beweisen.

LEMMA (PRINZIP DER SYNTAKTISCHEN INDUKTION). Sei E eineEigenschaft von al. Formeln, fur die gilt:

(i) E tri!t auf jede Aussagenvariable A zu.

(ii) Tri!t E auf eine al. Formel " zu, so auch auf ¬".

(iii) Tri!t E auf al. Formeln "1 und "2 zu, so auch auf ("1 ( "2) fur( = !,",#,$.

Dann tri!t E auf alle al. Formeln zu.

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 17 / 1

Page 18: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Beweis des Lemmas uber die syntaktische Induktion (1)

Zum Beweis des Lemmas sei E eine Eigenschaft von al. Formeln, fur die(i) - (iii) gelte. Um zu zeigen, dass E auf alle al. Formeln " zutri!t,definieren wir die folgende Eigenschaft

E !(n) :' fur alle al. Formeln " der Lange n gilt E (")

von naturlichen Zahlen und zeigen durch verallgemeinerte vollstandigeInduktion, dass E !(n) fur alle naturlichen Zahlen n gilt. O!ensichtlich folgthieraus dann, dass E auf alle al. Formeln zutri!t.

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 18 / 1

Page 19: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Beweis des Lemmas uber die syntaktische Induktion (2)

Nachweis von E !(n) durch Ind(n) (genauer: VI’):

Nach Induktionsvoraussetzung durfen wir E !(m) fur alle m annehmen.Nach Definition von E ! bedeutet dies aber gerade, dass E auf alleFormeln der Lange < n zutri!t.

Nach Definition von E ! genugt es fur eine gegebene al. Formel " derLange n zu zeigen, dass E (") gilt.

Hierzu unterscheiden wir die folgenden Falle gemaß der induktivenDefinition der Formeln:

! " & A: Dann gilt E ("), da nach (i) E (A) fur alle AV A gilt.! " & ¬#: Dann gilt l(#) = l(")) 1 = n ) 1 < n. Nach I.V. gilt daher

E (#). Da (ii) von E erfullt wird, folgt hieraus aber E (¬#), d.h. E (").! " & "1 ( "2 (( = !,",#,$): Wegen l("1), l("2) < l(") = n folgt

wiederum aus der I.V., dass E ("1) und E ("2) gelten. Die Behauptungfolgt mit (iii).

(Damit ist das Lemma bewiesen.)

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1

Page 20: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Beweise durch syntaktische Induktion

Das Lemma uber das Prinzip der syntaktischen Induktion besagt, dass wireine Eigenschaft E fur alle al. Formeln dadurch nachweisen konnen, dasswir zeigen, dass E die dort aufgelisteten Anforderungen (i) - (iii) erfullt.

Wir nennen solch einen Beweis einen Beweis durch Induktion nach demFormelaufbau oder Beweis durch syntaktische Induktion und schreibenkurz Ind(").

Wie der Beweis des Lemmas zeigt, ist ein Beweis durch syntaktischeInduktion (Ind(")) ahnlich zu einem Beweis durch verallgemeinertevollstandige Induktion nach der Formellange, wofur wir im Folgenden kurzInd(l(")) schreiben werden.

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 20 / 1

Page 21: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Beispiel

BEHAUPTUNG. Fur jede al. Formel " gilt %((") = %)("), wobei %a(") die Anzahlder Vorkommen des Zeichens a in der Formel " bezeichnet.

BEWEIS durch Ind("):

" & A: %((A) = %)(A) = 0

" & ¬#: Nach I.V. gilt %((#) = %)(#). Hieraus folgt:

%((") = %((¬#) = %((#) = %)(#) = %)(¬#) = %)(")

" & ("1 ( "2) wobei ( = !,",#,$: Nach I.V. gilt %(("i ) = %)("i ) furi = 1, 2. Also:

%((") = %((("1 ( "2))= %(("1) + %(("2) + 1= %)("1) + %)("2) + 1= %)(("1 ( "2))= %)(")

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 21 / 1

Page 22: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Rekursive Definitionen: Beispiele (1)Wir konnen durch Induktion nach dem Formelaufbau auch Funktionen aufden al. Formeln definieren. Wir sprechen hier dann auch von Rekursion anStelle von Induktion, also von syntaktischer Rekursion oder Rekursion nachdem Formelaufbau.

Wir betrachten zunachst einige Beipiele (wobei stets ( = ",!,#,$gelte).

1 Die von uns bereits explizit definierten Funktionen l(") (Lange von") und lz(") (Anzahl der logischen Zeichen in ") lassen sichalternativ durch Ind(") wie folgt definieren:

! l(A) = 1! l(¬#) = l(#) + 1! l(("1 ( "2)) = l("1) + l("2) + 3

! lz(A) = 0! lz(¬#) = l(#) + 1! lz(("1 ( "2)) = lz("1) + lz("2) + 1

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 22 / 1

Page 23: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Rekursive Definitionen: Beispiele (2)

3 Rekursive Definition des Rangs &(") einer al. Formel "(= Schachtelungstiefe der Junktoren in "):

! &(A) = 0! &(¬#) = &(#) + 1! &(("1 ( "2)) = max(&("1), &("2)) + 1

Beispiel hierzu: Der Rang von " & A " ¬B $ A ! B ! C ist 3.Namlich:

! &(A) = &(B) = &(C ) = 0

! &(¬B) = &(B) + 1 = 0 + 1 = 1 und&(B ! C ) = max(&(B), &(C )) + 1 = max(0, 0) + 1 = 1

! &(A " ¬B) = max(&(A), &(¬B)) + 1 = max(0, 1) + 1 = 2 und&(A ! B ! C ) = &((A ! (B ! C ))) = max(&(A), &(B ! C )) + 1 =max(0, 1) + 1 = 2

! &(") = max(&(A " ¬B), &(A ! B ! C )) + 1 = max(2, 2) + 1 = 3

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 23 / 1

Page 24: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Rekursive Definitionen: Beispiele (3)4 Die Menge V (") der in " vorkommenden Aussagenvariablen ist rekursiv

definiert durch:! V (A) = {A}! V (¬#) = V (#)! V (("1 ( "2)) = V ("1) * V ("2)

5 Die Menge TF (") der Teilformeln von " ist rekursiv definiert durch:! TF (A) = {A}! TF (¬#) = TF (#) * {¬#}! TF (("1 ( "2)) = TF ("1) * TF ("2) * {("1 ( "2)}

NB: Jede Formel " ist eine Teilformel von sich selbst. Eine Teilformel # isteine echte Teilformel von ", wenn # eine Teilformel von " ist und # +& "gilt. (Die echten Teilformeln von ¬# sind also die Teilformeln von # und dieechten Teilformeln von ("1 ( "2) sind also die Teilformeln von "1 und dieTeilformeln von "2.) Es gilt z.B. fur " & A ! ¬¬B ! C :

TF (") = {A,B,C ,¬B,¬¬B,¬¬B ! C , "}

(man beachte die implizite Rechtsklammerung: " & (A ! (¬¬B ! C )))

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 24 / 1

Page 25: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Rekursive Definitionen: Korrektheit

Um zu zeigen, dass eine durch syntaktische Rekursion definierte Funktionf : FAL # X wohldefiniert ist, muss man zeigen, dass die bei der Definitionbenutzte Fallunterscheidung erschopfend (, f auf allen Formeln definiert) undeindeutig (, Wert von f auf jeder Formel eindeutig bestimmt) ist. Ersteres ergibtsich unmittelbar aus der induktiven Definition der al. Formeln. Letzteres folgt ausdem

EINDEUTIGKEITSLEMMA. Sei " eine al. Formel. Dann ist " entweder

(I) eine Aussagenvariable (= atomare Formel)

oder

(II) eine Negationsformel " & ¬# fur eindeutig bestimmtes #

oder

(III) eine Formel der Gestalt " & "1 ( "1 fur eindeutig bestimmtes( = ",!,#,$ und eindeutig bestimmte Formeln "1 und "2.

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 25 / 1

Page 26: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Beweis des Eindeutigkeitslemmas: Hilfssatz

Zum Beweis des Eindeutigkeitslemmas beweisen wir zunachst folgenden

HILFSSATZ. Sei " eine al. Formel und sei w ein endliche Zeichenfolge,sodass die Verkettung "w von " und w wiederum eine al. Formel ist.Dann ist w die leere Zeichenfolge ! (d.h. " & "w).

Der Beweis des Hilfssatzes erfolgt durch Ind(l(")):

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 26 / 1

Page 27: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Beweis des Eindeutigkeitslemmas: Beweise des HS durchInd(l(!))

1. " & A: Dann ist nach Annahme "w & Aw eine al. Formel.

Die einzigen al. Formeln, deren erstes Zeichen eine Aussagenvariable ist, sindjedoch die Aussagenvariablen selbst. Es muss daher Aw & A - also w = ! -gelten.

2. " & ¬#: Dann ist nach Annahme "w & ¬#w eine al. Formel.

Da eine Zeichenreihe ¬v nur dann eine Formel ist, wenn auch v eine al.Formel ist, folgt dass #w eine al. Formel ist. Nach I.V. gilt dann aber w = !.

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 27 / 1

Page 28: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Beweis des Eindeutigkeitslemmas: Beweise des HS durchInd(!) (Forts.)

3. " & ("1 ( "2) (wobei ( - {!,",#,$}): Dann ist nach Annahme"w & ("1 ( "2)w eine al. Formel.

Der Nachweis von w = ! ist indirekt: Widerspruchsannahme: w += !.

! Da jede mit ( beginnende Formel gemaß (F3) gebildet ist, also mit )endet, und da nach Annahme ("1 ( "2)w eine Formel ist, muss dienichtleere Zeichereihe w die Gestalt w & w) haben: "w & ("1 ("2)w)

! Da "w eine al. Formel ist und da jede mit ( beginnende Formel vomTyp (F3) ist, muss es einen Junktor ( und al. Formeln "1 und "2

geben mit (() ("1 ( "2)w) & "w & ("1 ( "2)(i) Es gilt dann !1 ! !1, da es wegen (") ein Wort w mit !1 ! !1w oder

!1w ! !1 geben muss; nach I.V. (NB: l(!1), l(!1) < l(!)) gilt dannaber w = ".

(ii) Aus (") und !1 ! !1 folgt unmittelbar: " ! ".(iii) Aus (") und !1" ! !1 " ergibt sich schließlich !2 ! !2 wie in (i).

Also: "1 ( "2 & "1 ( "2 im Widerspruch zu ((). (Ende Beweis HS)

Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 28 / 1

Page 29: Kapitel 1.1 Aussagenlogik: Syntax - math.uni-heidelberg.de · Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 19 / 1. Beweise durch syntaktische Induktion Das

Beweis des Eindeutigkeitslemmas: Beweis des Lemmas mitHilfe des HS

O!ensichtlich hat " genau eine der Gestalten (F1), (F2), (F3), da nachinduktiver Definition der al. Formeln jede Formel eine dieser Gestalten hatund da sich die Formeln dieser Gestalten durch den ersten Buchstaben (Ai

bzw. ¬ bzw. () unterscheiden.

Hat " die Gestalt (F1) bzw. (F2), so ist die Aussagenvariable Ai mit " & Ai

bzw. die Formel # mit " & ¬# o!ensichtlich durch " eindeutig bestimmt.

Es genugt also zu zeigen, dass fur " vom Typ (F3) der Junktor ( und dieTeilformeln "1 und "2 eindeutig bestimmt sind.

Gelte also (() " & ("1 ( "2) & ("1 ( "2).

Zu zeigen: ( = ( und "i & "i fur i = 1, 2.

(i) "1 & "1: Wegen (() gibt es ein Wort w mit "1 & "1w oder"1w & "1. Nach dem Hilfssatz muss w aber das leere Wort sein.

(ii) ( & (: Dies folgt unmittelbar aus (i) und (().(iii) "2 & "2: Wegen ((), (i) und (ii) gibt es ein Wort w mit "2 & "2w

oder "2w & "2. Nach dem Hilfssatz muss w aber das leere Wort sein.

(Ende Beweis Eindeutigkeitslemma)Mathematische Logik (WS 2011/12) Kapitel 1.1: Aussagenlogik: Syntax 29 / 1