industrie 4.0 und cyber-physische systeme...ganz wesentlicher teil von industrie 4.0. mit unserer...
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Industrie 4.0 und Cyber-Physische Systeme
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Intelligente Lagerverwaltung
Über technische und soziale Grenzen der digitalen Industriewelt
INTERVIEW
inunsererBranchearbeitenwirheute
bereits mit Automatisierungstechni-
ken, fahrerlosen Transportsystemen
sowiemitStrategienundEntscheidun-
gen, die sich am Entscheidungspunkt
nocheinmaländern.
JörgKühnert:UmlogistischeProzesse
weiter zu optimieren, müssen wir in
der Zukunft wahrscheinlich auch Da-
tennutzen,dienichtdirektetwasmit
dem Lager zu tun haben, aber zum
Beispiel Prognosen für Bestellungen
verbessern. Dazu gehören Wetterver-
hältnisse, aber auch Großereignisse
wieFußballspiele.Manweißnämlich,
dassamMorgennacheinemSpiel in
Fußballhochburgen die Kommissio-
nierleistungumbis20%niedrigerist,
weildieMenschensichüberdasSpiel
unterhalten, anstatt Bestellungen
aufzugeben.InZukunftwirdesdaher
nicht mehr nur um die physische Lo-
gistik gehen, sondern eben auch um
Datenlogistik–undalles,wasmitBig
Data zusammenhängt. Schon jetzt
habenwirBusiness-Intelligence-Tools
imEinsatz,mitdenenunsereKunden
in Echtzeit sehen können, was pas-
siertistundwiesiedaraufschnellre-
agierenkönnen.
Herr Sänger, vor allem die Intralogistik
gilt gemeinhin als Industriezweig, der
bereits mittendrin ist in der vernetzten
Welt. Inwieweit sind Sie als Handelslo-
gistiker dort bereits angekommen?
JörgSänger:AufjedenFallsindwirein
ganz wesentlicher Teil von Industrie
4.0. Mit unserer Lagerverwaltungs-
Software digitalisieren wir ein Stück
der gesamten Supply Chain, also der
Wertschöpfungskette. Das System
arbeitet beleglos, Lagerbestände wer-
denonlinezurVerfügunggestellt,au-
tomatische Steuerungssysteme ent-
scheiden, welcher Auftrag wann und
mit welchen anderen kommissioniert
wird. Hinzu kommt ein Echtzeitmoni-
toring, mit dem wir im Hintergrund,
ohne dass der Kunde es merkt, bis zu
90% der Fehler abfangen, bevor sie
passieren, etwa Leerfahrten vermei-
den. Und unsere Kunden haben dank
unserer Software Kennzahlen, die sie
vorher nicht hatten: Angaben über
Wareneingänge, Mindermengen oder
Pick-Raten, die wir Ihnen per Reports
zurVerfügung stellen – und das alles
bereitsinunsererStandardversion.
Wie wird sich dieser Automatisierungs-
prozess in den nächsten Jahren weiter-
entwickeln?
JörgSänger:DieWirtschaftentwickelt
sichohnehininRichtungIndustrie4.0,
und wir als Softwareanbieter sind da
schonsehrweitvornemitdabei.Und
Jörg Kühnert ist Geschäftsführer
derproLogistikGmbH+CoKGge-
meinsammitseinerEhefrauHei-
di Kühnert und Jörg Sänger. Der
Diplom-Informatikergehörtdem
Unternehmenseit1994an.
Jörg Sänger gehört dem Unter-
nehmenseitacht Jahrenan.An-
gefangen als Logistikconsultant
ist er seit 2014 Geschäftsführer
derproLogistikGmbH+CoKGge-
meinsam mit dem Ehepaar Jörg
undHeidiKühnert.
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Wo sehen Sie die Grenzen der Vollau-
tomatisierung in Ihrer Branche – tech-
nisch wie auch wirtschaftlich?
JörgKühnert:EsgibtSituationeninun-
sererBranche,dakannaucheineVoll-
automatisierung nicht mehr weiter-
helfen.EinautomatisierterWagen,der
20PaletteninderStundefahrenkann,
wird zwar auch in Hochzeiten seine
einprogrammierteLeistungerbringen,
kann sie aber nicht steigern. So müs-
sen etwa in Zeiten starker Nachfrage,
wie etwa in der Vorweihnachtszeit,
Menscheneinspringenundanfallende
Mehrarbeit erledigen. Einen zweiten
RoboterfürdiesekurzeZeitanzuschaf-
fen, rechnetsichnicht.MitAutomati-
sierung kann man die Basislast abde-
cken, für die Flexibilisierung benötigt
manwiederumdenMenschen.
Jörg Sänger: Auch sind wir der Über-
zeugung,dasswirkünftigbeidesbrau-
chen – die Robotertechnik, aber auch
denklassisch-konventionellenBereich,
woderMenschtatsächlichnochindie
Kistegreift.DennweitreichendeAuto-
matisierung istmitsehrhohen Inves-
titionen verbunden und wird damit
eherdenGroßenvorbehaltenbleiben.
Außerdem gibt es immer noch genug
Unternehmen, die nicht einmal eine
Lagerverwaltung im Einsatz haben,
wiewirsieimStandardanbieten.Hin-
zu kommen viele kleine Start-ups aus
dem Bereich des E-Commerce, die zu-
nehmendeineprofessionelleLagerver-
waltungbenötigen,umihreReaktions-
zeitenoderdasRetourenmanagement
zuverbessern.FürvieledieserKleinen
ist selbst unsere Standardlösung zu
überdimensioniert.Wirüberlegen,hier
spezielle Online-Lösungen zu entwi-
ckeln,diedieseHändlereinfachherun-
terladenkönnen.
Haben Entwicklungen wie Industrie
4.0 oder Konzepte wie Smart City das
Potenzial, die industrielle Produktion
ins Ruhrgebiet zurückzuholen?
Jörg Sänger: Mit Sicherheit, wenn
der Standort Ruhrgebiet so gefördert
wird, dass sich viele junge Start-up-
Unternehmen und IT-Unternehmen
hier ansiedeln. Das Know-how ist
vorhanden, auch wir profitieren bei
der Rekrutierung unserer Mitarbeiter
davon. Wir haben hier im Ruhrgebiet
viele Hochschulen mit unterschied-
lichen Schwerpunkten und viele Pro-
duktions- und IT-Firmen sowie viele
Dienstleister,diedassteuernkönnten.
Im Gegensatz zur früheren Montan-
industriewirddieWirtschaftwesent-
lichkleinteiligerundinterdisziplinärer
sein und pro Unternehmen viel we-
niger Mitarbeiter beschäftigen. Dazu
werdenauchadditiveFertigungstech-
nologienwieder3D-Druckbeitragen,
diedasZeughaben,diegesamteWirt-
schaftzurevolutionieren.
Worauf müssen sich die Menschen ein-
stellen, die in einer solch digitalisier-
ten und weitgehend automatisierten
Industrie arbeiten?
Jörg Kühnert: Es wird neue Aufgaben
mitanderenSchwerpunktenundauch
neueBerufegeben,nichtnurfürHoch-
qualifizierte. Die Sorge, dass mensch-
liche Arbeit durch Maschinen ersetzt
wird,gibtesseitdenAnfängenderIn-
dustrialisierung.Dochwirhabenauch
heute noch genug Arbeit, so wird es
auchinZukunftsein.Eswirdsicherlich
Menschen geben, die sich durch den
schnellen technischen Wandel über-
fordert fühlen, weil die Evolution des
Menschen mit diesem Tempo nicht
Schritt halten kann. Diese Menschen
müssen wir mitnehmen und darauf
vorbereiten. Politik und Wirtschaft re-
den heute zwar viel über IT, Big Data,
Vernetzung–dietechnischeSeiteder
Entwicklung.DasssichaberArbeitund
ArbeitsplätzeverändernmitFolgenfür
die Menschen, wird dagegen nur sel-
tenthematisiert.
Welche Änderungen wird es in der Ar-
beitswelt geben?
Jörg Kühnert: Sie wird „teilzeitiger“,
die Arbeitszeiten werden flexibler, die
strikteTrennungvonArbeitundFreizeit
wird sich immer mehr aufheben. Die
neuenMedienmachenesmöglich,je-
derzeitundvonüberallauszuarbeiten.
Schichtarbeit,wiewirsienochkennen,
wird es nicht mehr geben. Auch die
Beschäftigungsverhältnisse werden
kurzfristiger, denn die Strukturen in
Unternehmenändernsich,Hierarchien
werden flacher, Positionen gehen ver-
loren, neue entstehen. Ein Leben lang
bei einem Arbeitgeber beschäftigt zu
sein, gehört dann endgültig der Ver-
„Die sorge, dass menschliche arbeit durch maschinen ersetzt wird, gibt es seit den anfängen der Industriali-
sierung. Doch wir haben auch heute noch genug arbeit, so wird es auch in Zukunft sein.“
InDustrIeller kern unD lOGIstIk: DIe WeGbereIter Der InDustrIe 4.0 55InDustrIeller kern unD lOGIstIk: DIe WeGbereIter Der InDustrIe 4.0
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gangenheit an. Viele junge Leute, die
heutestudierenodereineAusbildung
machen,bringendieseFlexibilitätund
Offenheit bereits mit. Wenn wir als
Arbeitgeber uns darauf einlassen und
vorbereiten, besteht die Chance auf
bessereArbeit,dieSpaßmacht.
Wie könnte das konkret aussehen?
JörgSänger:WiralsArbeitgebermüs-
senunsandenBedürfnissenderMit-
Die proLogistik GmbH DieproLogistikGmbH+CoKGplantundrealisiertseitüber30JahrenHard-undSoft-
warefürintelligenteLagerverwaltungssysteme,mitdenenintralogistischeProzesse
wiederMaterialflussoderdieKommissionierungeffizientgesteuertwerdenkönnen.
WeltweitkanndasDortmunderUnternehmenbereitsaufmehrals630Installationen
verweisen.DerSchwerpunktderAktivitätenliegtinDeutschland.NebenStandardlösungenbietetdasSystemhaus
spezielleLösungenfürdieBranchenLebensmittel,Baustoff,Sanitär,technischerundindustrienaherGroßhandelan.
SoftwaremodulefürbestehendeSystemesowieselbstentwickelteHardware–Industrie-PCsoderVoice-Clients–er-
gänzendasProduktportfolio.MitderrasantenEntwicklungdesVersandhandelsunddesInternetgeschäftsbenöti-
genauchimmermehrkleinereOnline-Händler,darunterauchvieleStart-ups,dieübergroßePlattformenihreWare
vertreiben,eineprofessionelleLagerverwaltungmitOnline-BestandsführunginEchtzeit,Multiorderkommissionie-
rungundRetourenmanagement.AuchindieserBranchegewinntproLogistikzunehmendKunden.
ZwarspielenStandortfaktorenfürdasDortmunderLogistikunternehmendankmodernerKommunikationstechno-
logiennichtmehrsoeinegroßeRollewieinderVergangenheit.DochdieMetropoleRuhrbietetproLogistiknach
eigenenAngabenVorteile,dieandereRegionennichtvorweisenkönnen:eingroßesAngebotanqualifiziertenMit-
arbeitern,einegroßeDichteanHochschulensowieVeranstaltungenundMessen.ZudemzeichnetdieRegioneine
weltoffeneMentalitätundToleranzgegenüberanderenKulturenaus,diegeradefürglobalagierendeUnternehmen
wichtigist.
www.prologistik.com
arbeiter orientieren und attraktiv sein
für künftige Bewerber. Das bedeutet,
wir müssen nicht nur die Arbeitszei-
ten den individuellen Anforderungen
der Mitarbeiter anpassen. Auch die
Arbeitsgestaltunggehörtdazu,ebenso
sozialeLeistungen,dieüberdenklassi-
schenKanonhinausgehen.ImZusam-
menhang mit unserem Anbau haben
wir uns dieser Herausforderung ge-
stellt:WirhabeneinOpen-Space-Büro-
konzeptgeschaffen,indemwirdiever-
schiedenen Abteilungen – Entwickler,
Vertrieb, Consulter und Support – in-
terdisziplinär miteinander vernetzen.
Darüber hinaus bieten wir unseren
Mitarbeitern Firmenevents, Bereiche
zumZurückziehen,einenKickerkasten
undfrischesObstundGemüsean.
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Die proLogistik-Hardware wird in der hauseigenen Produktion am
Standort in Dortmund gefertigt (Foto: wmr/Rupert Oberhäuser).
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Herausgeber und Auftraggeber:
WirtschaftsförderungmetropoleruhrGmbH
Kronprinzenstraße6
45128Essen
Quellen:
GrundlagederquantitativenLeitmarktbeschreibungenindiesemBerichtbildendie
DatenderBeschäftigungsstatistik(BundesagenturfürArbeit)undderUmsatzsteuer-
statistik(StatistischesBundesamt,IT.NRW)sowieBerechnungenderCIMAInstitutfür
RegionalwirtschaftGmbHausHannover.Eswurdendiejeweiligaktuellvorhandenen
Zahlenausgewertet(UmsätzeundUnternehmen,Stand2013;sozialversicherungs-
pflichtigBeschäftigte(SVB),Stand2014).
ZudenSVBzählennichtBeamte,Selbstständige,mithelfendeFamilienangehörige
sowieBerufs-undZeitsoldaten.
Auftragnehmer:
CIMA Institut für Regionalwirtschaft GmbH
Moocksgang5
30169Hannover
Autoren:
Dr.ArnoBrandt
LinaPolom
MarcDanneberg
Redaktionelle Mitarbeit:
KathrinLohmeyer-Duchatz
www.medienhaus-dortmund.de
Gestaltung:
FREIWILDKommunikation
www.freiwild-kommunikation.de
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Seite46:©wmr/RupertOberhäuser
Seite49:©MitsubishiHitachiPowerSystemsEurope
Seite54:©wmr/RupertOberhäuser
Seite57:©wmr/RupertOberhäuser
Seite59:©FraunhoferIML
Seite62:©wmr/RupertOberhäuser
Seite64:©wmr/RupertOberhäuser
Seite65:©wmr/RupertOberhäuser
Seite68/69:©WMH/RupertOberhäuser
Seite71:©FraunhoferIML
Seite83:©RupertOberhäuser
Seite84:©RupertOberhäuser
Seite86/87:©RupertOberhäuser
Seite88/89:©MitsubishiHitachiPowerSystemsEurope
Seite92/93:©wmr/RupertOberhäuser
Stand:Februar2016
www.business.metropoleruhr.de
ISBN978-3-9815722-7-8
business.metropoleruhr.de
Schutzgebühr 5,– €