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gynäkologische praxis 2020 Band 46 / 1 1
Pränatale Gewichtsschätzung – intrauterine Wachstumsrestriktion – Doppler-Sonografie
gynäkologische praxis 46, 1–16 (2020) Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG
Alternativen und Konsequenzen
der fetalen Gewichtseinschätzung
A. Strauss
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
� Einleitung
Die Bestimmung und vor allem die Verlaufs-beobachtung des kindlichen Wachstums erge-ben wichtige Hinweise auf die Funktionalität des intrauterinen Milieus. Anthropometrische Entwicklungskorridore werden hierzu in Form von Perzentilenkurven dargestellt. Die Wachs-tumsklassifikation des Fetus als hypo-, eu- oder hypertroph stellt dabei eine jeweils individuelle Momentaufnahme dar. Dadurch wird es möglich, Wachstumsvergleiche in horizontaler und in Form serieller Bestimmungen auch in longitudi-naler Weise anzustellen. Aus der Beschreibung des körperlichen Entwicklungszustandes anhand definierter biometrischer Parameter lassen sich neben einer Abschätzung des fetalen Körperge-wichts auch potenzielle Gesundheitsrisiken ei-ner Gedeihveränderung ableiten. Dabei können neben physiologischen Einflussgrößen (u. a. Fa-milienkonstitution, Ethnie) eine Vielzahl endo- (z. B. genetische Schäden oder Fehlbildungen) und exogener Faktoren (Noxen, Ernährung) die Körpergröße und das -gewicht des Fetus beein-flussen [1]. Mithin kommt der sachkundigen Ur-sachenforschung jeglicher fetaler Wachstumsab-weichung risikostratifizierende Bedeutung zu.
� Praktisches Vorgehen im Rahmen des Wachstumsmonitoring
Anamnese
• Eigenanamnese (Ernährung/Lebensführung, körperliche Aktivität/Sport)
• Familienanamnese• Geburtshilfliche Anamnese (Medikamente/
Tabak/Alkohol), Zyklusanamnese, aktueller Schwangerschaftsverlauf
Körperliche Untersuchung
• Körpergewicht und Gewichtszunahme im Verlauf
• Inspektion (und Palpation) des Abdomens, Bauchumfang
cme.mgo-fa chverl
a ge .d e
CMEIn Kooperation mit:
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Die Gestationsalterberechnung kann erfolgen mithilfe
• Naegele-Regel (erweitert): ET = 1. Tag der letzten Menstruation – 3 Monate + 7 Tage + 1 Jahr ± X (X = Abweichung vom 28-tägigen Menstruationszyklus)
• Gravidarium• Elektronische Rechenalgorithmen (EDV, APP)
Allerdings ist nicht jeder dieser kalendarischen Kalkulationsansätze in der Lage, mathematisch eindeutige Ergebnisse zu liefern (z. B. durch un-terschiedliche Monatslänge, Schaltjahr) [1]. So besteht in einer nicht unerheblichen Anzahl kli-nischer Situationen der Bedarf nach alternativen Möglichkeiten der Schwangerschaftsdatierung.
Unabhängig der anamnestischen mütterlichen Informationen ist besonders zu einem frühen Zeit-punkt im Schwangerschaftsverlauf eine (transvaginal-)sonografische Bestimmung/Überprüfung des Gestationsalters anhand der embryonalen Scheitel-Steiß-Länge (SSL) am verlässlichsten möglich. Aufgrund der breiter werdenden Streuung des Normbereichs sind biometrische Bewertungen von Kopf-, Abdomen- und Femurmaßen aus dem weiteren Schwanger-schaftsverlauf zur exakten Termineinschätzung nur noch deutlich weniger verlässlich einsetz-bar. Dabei ist, mangels Alternativen im Einzel-fall (fehlende Informationen aus dem ersten Trimenon), den transabdominalsonografisch er-hobenen knöchernen Maßen (Kopfumfang [KU], biparietaler Durchmesser [BIP], frontookzipita-ler Durchmesser [FRO], Femurlänge [FL]) ver-glichen mit den abdominalen Messwerten (Ab-domenumfang [AU], Abdomenquerdurchmesser [AQ]) die geringere individuelle Schwankungs-breite zu eigen. Zusätzlich kommt bis zur 25. Schwangerschaftswoche (SSW) der Kleinhirn-hemisphärenbreite gewichtige Bedeutung zur (späten) Datierung des Schwangerschaftsalters zu. Biometrische Kon trollen während des II./III. Trimenon dienen damit weniger der Termin-bestimmung als vielmehr der longitudinalen Wachstumsverlaufsbeobachtung. Terminkorrek-turen aufgrund einzelner »abweichender Mes-sergebnisse« im Schwangerschaftsverlauf (ggf.
Festlegung des errechneten Entbindungstermins (ET)
Die derzeit als regulär definierte mittlere Dau-er der (Einlings-)Schwangerschaft wird mit 280 Tagen/40 Wochen/10 Lunarmonaten p. m. (post menstruationem) angegeben. Tatsächlich sind aber nur 3,9 % aller Geburten am ET zu erwarten. 26,4 % der Entbindungen erfolgen innerhalb ei-nes Intervalls von einer Woche, 66,6 % innerhalb von drei Wochen und 88 % während 4 Wochen um den ET [1, 2].
»In Nichts ist der Ruf eines Frauenarztes so gefährdet, als in der korrekten Bestimmung des Geburtstermins«Gerard van Swieten, 1700–1772 – Leibarzt der Kaiserin Maria Theresia von Österreich (16-para)
Das Datum der letzten Menstruation, die Zyklus-länge/-stabilität, Kohabitationsdaten und ggf. ein Konzeptionszeitpunkt stellen die Basis einer terminlichen Festlegung des Schwangerschafts-beginns dar. Als mögliche Störgrößen sind in diesem Zusammenhang u. a. selektive Erinne-rungs- und Aufmerksamkeitsprozesse der Mutter zu beachten (Tab. 1).
15. des Monats Faktor 2,2
1. des Monats Faktor 1,6
5. des Monats Faktor 1,5
20. des Monats Faktor 1,5
29. des Monats Faktor 0,5
Tab. 1 | Subjektive Bevorzugung bestimmter Daten eines Monats durch die zur Retrospektive aufgeforderten Pati-entinnen (»digit preference«)
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automatisiert durch in der Software des Ultra-schallgeräts hinterlegten Rechenprogrammen vorgenommen) führen daher zu einem gestei-gerten Risiko der unzulässigen Fehlberechnung. Abweichungen vom einem als physiologisch anzusehenden Wachstumsverlauf sind nur durch ein Festlegen und Festhalten am, aus der Früh-schwangerschaft stammenden Entbindungster-min verlässlich erkennbar. (Mitunter wiederhol-tes) »Nachjustieren« des Gestationsalters leistet dagegen einer diagnostischen Verschleierung auffälliger biometrischer Verläufe (small for ge-stational age [SGA], large for gestational age [LGA]) Vorschub (Tab. 2) [1, 2].
� Wie messen?
Die Messungen sämtlicher Biometrieparame-ter sind dabei stets als »außen-zu-außen-Be-urteilung« der zu beschreibenden Struktur zu verstehen (Abb. 1). Zur korrekten Diagnose, Differenzierung und Verlaufseinschätzung von Wachstumsprozessen ist aufgrund der geringeren systematischen Abweichungsspanne Umfangs-bestimmungen (zweidimensional) der Vorzug gegenüber Streckenmaßen (eindimensional) zu geben. Dies trifft auch auf die Bildung von Ver-hältnisgrößen (KU/AU) zu. Insgesamt gilt, dass die Inter- wie auch die Intraobservervarianz von
Wachstumsdiagnostik im I. Trimenon
Gestationssack und Chorionhöhle
Scheitel-Steiß-Länge (SSL)
Die Darstellung des Gestationssacks ist als erstes sonografisches Schwangerschaftszeichen etwa ab dem 32 Tage post menstruationem möglich. Die Messung des größten Durchmessers in allen Raumebenen dient als vorläufiger, noch mit nicht unerheblicher Ungenauigkeit behafteter Hinweis auf das Schwan-gerschaftsalter.
Die Bedeutung der Bestimmung der SSL liegt in der sonografischen Beobach-tung eines normgerechten kindlichen Wachstums im I. Trimenon. Zusätzlich und vor allem dient sie allerdings zur exakten sonografischen Determinierung des aktuellen Schwangerschaftsalters. Am verlässlichsten korreliert die SSL mit dem Entwicklungsalter (nahezu vollstän-dig lineare Beziehung – 1 mm Zunahme/Tag bei einem 95 % Konfidenzintervall von 3–5 Tagen) in einem Bereich der SSL 35 mm (10+3 SSW). Sonografi-sche Terminkorrekturen sind daher bei Abweichungen 5 Tage angezeigt.
Biometrie im II. und III. Trimenon
Zur Evaluation der fetalen Größenmerkmale werden vor allem die Maße von Kopf, Abdomen und Femur erhoben. Normkurven zur Kategorisierung stehen für diese Körperbereiche, aber auch für weitere Röhrenknochen, für Hände und Füße, Merkmale des Kör-perstamms sowie für vielfältige innere Organstrukturen zur Verfü-gung. Die Zuordnungsmöglichkeit von Messwerten zum jeweiligen Gestationsalter verliert mit zunehmendem Schwangerschaftsalter sukzessive an Treffsicherheit (z. B. 20+0 SSW: 95 % Konfidenzinter-vall 21 Tage).
Tab. 2 | Pränatale biometrische Diagnostik
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nur, aber besonders in diesen Fällen die inkor-rekte Größenbestimmung.
Insgesamt erweisen sich die Kopfmaße zur fe-talen Wachstumsbeurteilung als ausgesprochen geeignet.
Abdomenquerdurchmesser und Abdomenumfang
Den abdominalen Standardbiometrieparametern AQ oder AU kommt, verglichen mit den knöcher-nen Maßen, besondere Bedeutung als erste und wichtigste Hinweise auf eine kindliche Gefähr-dung durch intrauterine Wachstumsrestriktion (IUGR) oder fetale Makrosomie zu. Die Refe-renzebene zur Messung des Abdomens erfordert einen runden Transversalschnitt mit durchgehen-den Konturen. Dargestellt werden dorsal 3 Os-sifikationskerne der Wirbelsäule, 2 symmetrisch angeschnittene Rippen, die Einmündungsstelle der Vena umbilicalis in den Sinus venae portae innerhalb der Leber. Zur korrekten Ausrichtung der Messebene des AQ und AU dürfen darüber hinaus weder Anteile des Herzens noch der Nieren dargestellt sein. Gemessen wird der AQ rechtwinkelig zur a.-p.-Ausrichtung des fetalen Körperstamms und der sich daraus ergebende
Ultraschallbefundungen in utero insgesamt ein vergleichsweise niedriges Niveau aufweist.
Biparietaler Durchmesser, frontookzipitaler Durchmesser und Kopfumfang
Die Bedeutung dieser Messparameter liegt in ih-rer in der Regel guten sonografischen Zugäng-lichkeit, ihrer hohen Konstanz und damit der guten Reproduzierbarkeit im II. und III. Trime-non. Die Referenzebene zur Biometrie des Kopfes erfordert einen horizontalen Transversalschnitt mit durchgehender Darstellung der Schädelkon-tur. Die noch hohe Schalltransparenz der Kalotte ermöglicht intrazerebral die sichere Visualisie-rung des Mittelechos (Falx cerebri), welches im vorderen Schädeldrittel durch das Cavum septi pellucidi unterbrochen wird, der beiden Seiten-ventrikel und der symmetrisch zur Mittellinie in Schädelmitte gelegenen echoarmen Thalamus-kerne. Zur korrekten Einstellung der Messebene dürfen dabei weder das Zerebellum noch die Or-bitae angeschnitten werden. Gemessen wird die größte Breiten- und Längenausdehnung des knö-chernen Schädels. Bei Beckenendlage erscheint der fetale Kopf im Verhältnis lang (↑ FRO) und schmal (↓ BIP): dolichozephale Kopfform. Die Beurteilung des Kopfumfangs vermeidet nicht
Abb. 1 | Pränatale Messtech-nik biometrischer Parameter: »außen-außen-Bestimmung« von Messstrecken. Die korrekte Positionierung der Messpunkte entspricht den ro-ten Messpunkten. Jegliche Art der Platzierung der schwarzen Messpunkte/-strecken ergibt dagegen inkorrekte Ergeb-nisse.
++ + +
+ +++
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Aus den Kombinationen sonografisch bestimm-barer fetaler Umfangs- und Streckenmaßen ist es mithilfe arithmetischer Algorithmen möglich, auf das jeweilige fetale Gewicht rückzuschlie-ßen. Die Ergebnisse derartiger Berechnungen können als indirekte Parameter Einfluss auf die Schwangerschaftsbetreuung und die Geburts-planung nehmen. Bei der Gewichtsbestimmung ist zu beachten, dass die Ergebnisse je nach verwendeter Formel variieren und darüber hi-naus die methodenimmanente Streuung der Resultate (III. Trimenon) zu Schätzwerten ± 20 % des tatsächlichen fetalen Gewichts führen. Gründe der eingeschränkten Reproduzierbar-keit sonografischer Gewichtsschätzungen sind durch den Einfluss mehrerer Störfaktoren auf den Mess-/Rechenvorgang bedingt. Neben der Varianz der Messungen u. a. die Ethnie der El-tern, Diskrepanzen der mütterlichen wie fetalen Kollektivmerkmale der dem Rechenalgorithmus zugrundliegenden Daten im Vergleich zum An-wendungskollektiv spielen aber auch uneinheit-liche Ansätze der mathematischen Datengene-rierung eine Rolle. Unschärfen der intrauterinen Gewichtsschätzung sind damit maßgeblich auch in nicht durchgehend kontrollierbaren mathe-matischen Variablen im Bereich der jeweiligen (konkurrierenden) Rechenprogramme zu suchen (z. B. Gewichtsschätzung nach Shepard: Gewicht = -1,7492 + 0,166*BPD + 0,046*AU – 2,646* (AU*BPD)/1,000; Hadlock II: Gewicht = 1,335 – 0,0034*AU*FL + 0,0316*BPD + 0,0457*AU + 0,1623*FL; Hadlock III: Gewicht = 1,326 – 0,00326 *AU*FL + 0,0107*HC + 0,0438*AU + 0,158*FL) (Abb. 2) [3].
Zur Verbesserung der Übereinstimmung von sonografischer Gewichtsschätzung und tat-sächlichem Kindsgewicht werden zunehmend differenziertere Nomogramme vorgelegt. Dabei spielt die Betrachtung von Subkollektiven u. a. nach dem Gestationsalter, dem Kindsgewichts-bereich, dem fetalen Geschlecht, der Anzahl der Feten oder maternalen Einflussfaktoren eine Rolle. So kommt es bei Verwendung herkömm-licher Formeln der Gewichtsberechnung bei Fe-ten im unteren Gewichtsbereich in der Regel zur Überschätzung des tatsächlichen Gewichts. Die angestrebte Abweichungsgrenze der Schätzunge-
kreisförmige AU. Durch transabdominalen Druck des Schallkopfs oder bei verminderter Fruchtwas-sermenge kann das fetale Abdomen komprimiert und damit oval zur Darstellung kommen. Dies führt, ebenso wie eine inkorrekt schräge Schnit-tebene, zu Irrtümern bei der Messung (»Salami-schnitt«).
Die Reproduzierbarkeit der Messergebnisse ist wegen nicht unerheblichen Messfehlermöglich-keiten verglichen mit der Beurteilung rein knö-cherner Maße geringer.
Femurlänge
Die Bedeutung der Femurlängenmessung be-steht in der Möglichkeit, neben den Kopf- und Stammmaßen, frühzeitig Größen- oder Formab-weichungen der Extremitäten stichprobenartig zu detektieren. Eine Vielzahl von Skelettdyspla-sien können so erkannt werden. Die Referenze-bene zur Biometrie des (schallkopfnahen) Ober-schenkelknochens erfordert seine vollständige Darstellung horizontal im Ultraschallbild (Cave: Abbildungsverkürzung durch hohe Schallge-schwindigkeit im Knochen, anteiligen Knochen-verlauf außerhalb der Messebene oder einen zu steilen Insonationswinkel). Gemessen wird der ossifizierte Anteil (Diaphyse) ohne Berücksich-tigung der Knochenkrümmung und des distalen Femurkerns (Epiphyse). Auch die Messregeln weiterer Röhrenknochen (indikationsgebundene Bestimmungen) entsprechen in analoger Weise diesen Vorgaben.
Die Verlässlichkeit der Messergebnisse langer Röhrenknochen ist hoch, nimmt mit zunehmen-der Knochenlänge und damit mit steigendem Gestationsalter allerdings ab [1].
� Pränatale Gewichtsschätzung
Sonografische Vorhersage eines Geburtsge-wichtes 10. PerzentileSensitivität 85–95 % – Spezifität 60–90 %
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Im Rahmen jeder Ultraschalluntersuchung sind neben den Patientinnendaten die Indikation, das Gestationsalter und für den Fall der biometri-schen Zielrichtung jede durchgeführte Messung in Schrift und Bild zu dokumentieren. Abschlie-ßend sind die diagnostische Bewertung und die Interpretation der Befunde niederzulegen [1].
� Fetales Wachstum
Ein perzentilenkonformer Wachstumsverlauf (appropriate for gestational age [AGA]) erfordert als dynamischer Prozess zu seiner Einschätzung und Klassifikation die serielle Beurteilung. Ab-weichungen vom eutrophen Wachstumstyp kön-nen sowohl einer Steigerung (Hypertrophie) als auch einer Verminderung (Hypotrophie) entspre-chen. Zur korrekten Wachstumsbeurteilung von
nauigkeit von 10 % ist damit nur in 60–70 % erreichbar (Tab. 3). Reziprokes gilt für ma-krosome Feten mit einer typischerweise vorkom-menden Unterschätzung des faktischen fetalen Körpergewichts in der gleichen Größenordnung [1, 2].
Formeln zur fetalen Gewichtsschätzung (Aus-wahl):
• Hadlock II und III, Shepard, Warsof, Campbell (Anwendung: gesamter Gewichts-bereich)
• Schild, Voigt (Geschlechtsspezifität)• Schild (Anwendung: niedriger Gewichtsbe-
reich)• Hart, Merz (Anwendung: hoher Gewichtsbe-
reich)• Voigt, Shivkumar (Zwillinge)
Abb. 2 | Verteilung des relativen prozentualen Fehlers nach Verwendung verschiedener Rechenalgorithmen im Rahmen der intrauterinen Gewichtsschätzung symmetrisch und asymmetrisch wachstumsgeminderter Feten [12]
-40
Hadlo
ckI
Hadlo
ckII
Hadlo
ckIII
Hadlo
ckIV
Hadlo
ckV
Sabb
agha
Shep
ard Merz
Warsof
Thurna
u
Mielke
Schil
d
Weiner
Siemer
-20
0
20
40
Proz
entu
aler
Irr
tum
(%
)
symmetrisch asymmetrisch
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Das Postulat einer gewichtsdeterminierten Mo-no-(Oligo-)kausalität des Schulterdystokierisikos greift im Einzelfall allerdings häufig zu kurz. Dies nicht zuletzt, da 48 % aller Schulterdystokien bei einem Geburtsgewicht 4000 g auftreten. Kom-plikationen fetaler Makrosomie, welche sich auf der mütterlichen Seite entwickeln können, um-fassen u. a. Geburtsverletzungen (Scheidenriss, Dammriss, Zervixriss), Beckenbodentraumata, Harnblasenverletzungen/Blasenentleerungsstö-rungen, Symphysenlockerungen, Uterusrupturen, Inguinaltunnel-Syndrom/Meralgia paraesthetica (Neuropathie des Nervus cutaneus femoris la-teralis im Bereich des Leistenbands oder des Plexus lumbalis), peripartale Hämorrhagien oder das postpartale Stresssyndrom. Peripartal erfor-dert die Beherrschung/Prävention peripartaler Gefahren-/Hypoxiezustände bei übergewichti-gem Fetus gehäuft geburtshilfliche Interven-tionen (Geburtseinleitung, Wehenstimulation, vaginal-operative Geburt, Sectio caesarea).
Vermindertes Wachstum
Von einem verminderten fetalen Wachstum wird gesprochen, wenn die sonografisch erhobenen Biometriewerte bezogen auf die für die Populati-on geeigneten Nomogramme (Perzentilenkurven) unter der 10. Graduierung zu liegen kommen. Im Abflachen der Wachstumskurve wird deutlich, dass der Fetus in dieser Situation sein eigentlich an-gelegtes Wachstumspotenzial nicht realisiert [3].
Feten ist darüber hinaus die möglichst exakte Kenntnis des Gestationsalters von wesentlicher Bedeutung. Nur auf dieser Basis kann die Längs-schnittinterpretation einer relativen Wachstum-sentwicklung seinen Normwertbezug gewinnen (Abb. 3).
Gesteigertes Wachstum
Ein besonders ausgeprägtes Wachstum von Fe-ten wird während der Schwangerschaft durch diverse mütterliche Risikofaktoren mitbedingt. Unter anderem spielt hier ein (Gestations-)Di-abetes mellitus ([G-]DM) ( überproportionier-tes Wachstum von insulinsensitivem Gewebe im Rumpf- und Schulterbereich), die Adipositas der Mutter oder eine übermäßig starke mütterliche Gewichtszunahme während der Schwangerschaft eine Rolle. Als Konsequenz kann es dadurch, ab-seits der ursachenspezifischen Komplikationen, zu geburtsmechanischen Makrosomie-Problemen kommen. So besteht u. a. ein Inzidenz-Zusam-menhang zwischen dem fetalen Gewicht/der Ge-wichtsschätzung und der Wahrscheinlichkeit/dem Risiko des Auftretens einer Schulterdystokie:
• 4000 g 0,4 %• 4000 g 2–3 % (15-fach erhöhtes Risiko)• 4500 g 10–11 % (55-fach erhöhtes
Risiko)• 5000 g 40 % (200-fach erhöhtes Risiko)
Ultraschallparameter Positiver Vorhersagewert (%)
Kopf-/Abdomenumfang-Ratio 62
Oligohydramnion (Amniotic Fluid Index, AFI 50 mm) 55
Fetales Schätzgewicht 45
Biparietaler Kopfdurchmesser 33
Femurlänge 19
Tab. 3 | Vorhersagewerte einer Wachstumsverminderung
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zess des Fetus an ein pathologisches pränatales Milieu zu verstehen. Durch intrauterine Malnu-trition werden diese Feten daran gehindert, ihr angelegtes Wachstumspotenzial tatsächlich voll auszuschöpfen. Eine numerisch ca. gleichgroße Gruppe an Feten erfüllt dieses Kriterium trotz eines Schätzgewichts 10. Perzentile in gleicher Weise. Neben einer Verminderung des vorwie-gend abdominalen Wachstums und einer signifi-kanten Fruchtwassermengenreduktion mit allen ihren Folgen im späten II. und III. Trimenon ist die IUGR konsekutiv mit schwerwiegenden Risiken für peripartal und den kurz- oder lang-fristigen Outcome des Kindes verbunden [4, 5].
Im Falle dieser pathologischen Form der fetalen Wachstumsverminderung (Charakteristikum =
SGA oder IUGR?
Betrachtet man das Kollektiv der Feten mit ver-mindertem Wachstum ist eine Differenzierung zwischen SGA und IUGR insofern bedeutsam, als die Bezeichnung SGA als deskriptive Einord-nung Feten bezeichnet, welche ein im Vergleich zum Erwartungshorizont des Normkollektivs re-lativ vermindertes Wachstum (10. Perzentile) aufweisen. Etwa die Hälfte dieser Feten stellen als Kleinste ihrer Kohorte das untere Ende der physiologischen anthropometrischen Verteilung dar. Der anderen Hälfte der Feten mit einem Schätzgewicht der untersten Zentile liegt ätio-logisch eine IUGR (4 %) oder Fetopathie (1 %) zugrunde. Die fetale Wachstumsverminderung der IUGR-Kategorie ist dabei als Adaptationspro-
Abb. 3 | Wöchentliche Gewichtszunahme von Einlings- und Zwillingsfeten während des II. und III. Schwanger-schaftsdrittels [13]
22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 3 34 35 36 37 3870
90
110
130
150
170
190
210
230W
achs
tum
sges
chw
indi
gkei
t (g
/Woc
he)
Gestationsalter (Wochen)
MonochorialeZwillinge
DichorialeZwillinge
Einlinge
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riabler Genese führen dabei zu umso stärkerer Wachstumsdiskrepanz, je früher und ausgepräg-ter die Plazentafunktion ihre Beeinträchtigung erfährt (Tab. 4, 5) [6].
Die Mortalitäts- und Morbiditätsraten wachs-tumsverminderter Neugeborener sind peripartal etwa 6–10-fach (z. T. bis 30-fach) höher als bei eutrophen Säuglingen.
Dabei sind auch die Auswirkungen umso eingrei-fender, je früher die nutritiven Plazentafunkti-onsstörungen während der Schwangerschaft be-ginnen und je später diese diagnostiziert bzw. therapiert (prä- und peripartales Management) werden (Tab. 6).
IUGR: Prognostische Interdependenz von Ätiologie und Manifestationszeitpunkt
Perzentilenkonformität des fetalen Wachstums kann nur in Intervallen nicht kleiner als 10(–14) Tagen (Cave: häufigere Messungen Messun-genauigkeit übersteigt das Wachstumspotenzial im gegebenen Zeitfenster) und im Zusammen-spiel mit der semiquantitativen Bestimmung der Fruchtwassermenge (7 Tage) valide geprüft werden. Als zusätzliche Überwachungsparameter können klinische Befunde (u. a. Kindsbewegun-gen) und apparative Zustandsüberwachung des Fetus mittels Kardiotokografie dienen. Heraus-ragende Bedeutung zur intrauterinen Gefähr-dungseinschätzung kommt allerdings der indika-tionsgebundenen spektraldopplersonografischen Funktionsdiagnostik in Form der Ultraschallana-lyse feto-materno-plazentarer Gefäßwiderstände zu (Tab. 7) [1].
� Ambulant oder stationär?
Die Überwachung einer durch IUGR belasteten Schwangerschaft kann unter folgenden Prämis-sen ambulant erfolgen:
• Ultraschall: Wachstum (3–10. Perzentile) noch gegeben
anthropometrische Perzentilenflüchtigkeit) sind im Weiteren zwei unterschiedliche IUGR-Wachs-tumsmuster zu unterscheiden, wenngleich auch Mischformen variablen Ausmaßes nicht ausge-schlossen sind:
• Symmetrische IUGR (20–30 %): Irreversible Wachstumsbeeinträchtigung bevorzugt be-ginnend im II. Trimenon durch eingeschränk-te zelluläre Proliferation aller Organe und Gewebe bei normaler Zellgröße, jedoch ver-minderter Zellzahl (Hypoplasie). Ursachen: genetische Disposition (Eltern), Noxen (Ni-kotin, Alkohol, Strahlen), intrauterine In-fektionskrankheiten und chromosomale oder syndromale Störungen des Fetus.
Sonografie gleichförmige Verminderung der abdominellen wie auch der knöchernen Strukturmaße bei unveränderter Fruchtwas-sermenge.
• Asymmetrische IUGR (70–80 %): Teils rever-sible Abnahme der Wachstumsgeschwindig-keit, welche sich vorzüglich im III. Trimenon manifestiert. Es handelt sich um eine fetale Anpassungsreaktion an die zugrundliegen-de Plazentainsuffizienz variabler Kausalität (u. a. Präeklampsie, Hypertonus, Nikotin, Al-kohol, Strahlen, Anämie). Histopathologisch findet sich bei normaler Zellzahl eine vermin-derte Zellgröße (Hypotrophie).
Sonografie deutliche Diskrepanz der früh verminderten abdominalen Maße im Vergleich zur »langsamer reagierenden« Biometrie des Kopfes (Femurs). Die Fruchtwassermenge ist deutlich vermindert.
Die Ätiologie und Pathogenese der unterschiedli-chen Formen von IUGR sind heterogen. Die Ursa-chen wie auch die einzelnen Mechanismen ihrer Entwicklung überschneiden sich zum Teil, sind aber in einem Großteil der Fälle auf eine gestörte Plazentafunktion zurückzuführen. Die sich entwi-ckelnde asymmetrische Wachstumsverminderung folgt dem funktionellen Kompensationsversuch (Zentralisierung der eingeschränkten Ressour-cen) mit einem chronisch negativ bilanzierten plazentaren Nährstofftransport umzugehen. Die zugrundeliegenden Gefäßfunktionsstörungen va-
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Präplazentar (maternal) Plazentar Postplazentar (fetal)
Chronische Gefäßstörungen (Hypertonie, Diabetes mellitus, Nierenerkrankungen, Kollagenosen)
Mangelhafte Angiogenese/abnorme Trophoblastinvasion – Chorionzottendysfunktion (Präeklampsie, Eklampsie, HELLP-Syndrom)
Genetische Anomalien (z. B. Trisomie 13, 18 oder 21, Mosaike, Deletionen, Ring-Chromosomen)
Hyperkoagulabilität (Throm-bophilie, Antiphospholi-pid-Antikörper-Syndrom)
Plazentare Infarzierung Syndromale Krankheitsbilder
Persistierende Hypoxie (Höhenlage, pulmonale/kardiale Erkrankung, Hy-perthermie, schwere Anämie)
Plazenta praevia Kongenitale Fehlbildungen
Toxine (Tabak, Alkohol, Medikamente, Drogen, Strahlung)
Plazentationsstörung (Plazen-ta accreta/increta/percreta)
Intrauterine Infektionen (Zytomegalie, Parvovirus-B19, Röteln, Toxoplasmose, Herpes, HIV, Malaria)
Uterine Fehlbildung/Tumore Plazenta cirumvallata
Nicht gesicherte mütterliche Nährstoffzufuhr (Ernährungs-störung)
Chorangiom
Insertio velamentosa
Inadäquate Plazentaperfusion (eingeschränkte mütterliche Zirkulation im intervillösen Raum und/oder plazentare/umbilikale Gefäßanomalien)
Tab. 4 | Maternale, plazentare und fetale Ursachen einer IUGR [2]
• CTG: fetales Herztonmuster unauffällig• Fruchtwassermenge: AFI 20 mm (4 Quad-
raten-Methode)• Doppler-Sonografie: Feto-plazentare Perfusi-
on ohne fortgeschrittene Gefäßwiderstands-veränderung (brain sparing)
• keine erkennbare geschehensrelevante Zu-satzpathologie (maternal/fetal)
Erst höhergradigere Risikokonstellationen (aus-geprägt pathologische Funktionsdiagnostik bzw. negative Zusatzbefunde) bedingen die Empfeh-lung zur stationären Betreuung der Schwange-ren.
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Pathophysiologie Sonographie
Präklinische Phase Beginn der Einschränkung der kindlichen Wachstumsprozesse
Biometriewerte (noch) im Normbereich, fetoplazentare Dopplerparameter unauffällig
Klinische Phase Fetale Anpassungsvorgänge an den Zustand des chronischen Nährstoffmangels (u. a. Stoff-wechsel, kardiovaskuläre Alterationen, Bewegungsmuster)
Asymmetrische Perzentilenflüch-tigkeit, (beginnende) Wider-standserhöhung im Bereich der fetoplazentaren Zirkulation
Dekompensationsphase Versagen der Adaptation an die persistierende Plazentainsuffizi-enz (u. a. metabolische Verände-rungen – Azidämie, Störung zentraler Organfunktionen, CTG-Veränderungen, IUFT)
Deutliche Abflachung der Wachstumskurve/Wachstumsstill-stand, massive Abweichung (2 Standardabweichung bzw. 3. Perzentile) aller dem Gestations-alter entsprechenden Normwerte, hochgradige Dopplerpathologie im arteriellen und in der Folge auch im venösen Schenkel der fetoplazentaren Zirkulation
Tab. 5 | Die klinische Entwicklung der IUGR kann in drei Zeiträume unterteilt werden [2]
Early onset (34 SSW) Late onset (34 SSW)
Häufigkeit 1 % 5–7 %
Plazentainsuffizienz hochgradig mild
Drohende kindliche Hypoxie ++ +/-
Dopplerbefund pathologisch unauffällig
Problematik Management Diagnose
Perinatale Morbidität/Mortalität
hoch niedrig (allerdings Langzeit-morbidität)
Tab. 6 | Manifestationszeitpunkt einer IUGR [6]
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Gefäß Befund Kontrollintervall Geburtshilf liches Vorgehen
Arteria umbilicalis RI 95. Perzentile
Wöchentlich Abhängig von Zusatzbefunden ggf. Entbindung 37+0 SSW
Arteria umbilicalis +Arteria cerebri media
RI 95. Perzentile +Arteria cerebri media (RI 5. Perzentile) »Brain-spa-ring-Effekt«
2–3 mal pro Woche (ggf. stationäre Aufnahme, tägliche CTG- Kontrollen)
Abhängig von Zusatzbefunden ggf. ANS, ggf. Entbindung 35+0 SSW
Arteria umbilicalis 34+0 SSW:AEDF
Täglich im Rahmen einer engmaschigen stationären Kontrolle
Rasche Entbin-dung (keine ANS)
Arteria umbilicalis 32+0 SSW:REDF
Täglich im Rahmen einer engmaschigen stationären Kontrolle
Unmittelbare Indikation zur Entbindung, ANS nicht durchfüh-ren/abwarten
Arteria umbilicalis + Ductus venosus
CTG unauffällig 28+0–31+6 (33+6) SSW:AREDF + Ductus venosus PI 95. Perzentile, positive A-Welle
Täglich im Rahmen einer engmaschigen stationären Kontrolle
ANS
28+0–31+6 (33+6) SSW:AREDF + Ductus venosus PI 95. Perzentile, negative A-Welle
Entbindung unmittelbar, keine ANS
CTG auffällig 28+0–31+6 (33+6) SSW:AREDF + Ductus venosus PI 95. Perzentile
Entbindung unmittelbar, keine ANS
Tab. 7 | Funktionelle Plazentainsuffizienzdiagnostik
ANS = Antenatale Steroidprophylaxe; AEDF = absent end-diastolic flow; REDF = reversed end-diastolic flow; AREDF = ab-sent or reversed end-diastolic flow; CTG = Kardiotokografie
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• Niedermolekulare Heparine ( keine Verbes-serung einer bereits eingetretenen IUGR)
• Antihypertensive Medikamente stabilisieren die Schwangerschaft und verlängern u. U. die Tragzeit ( IUGR wird hierdurch jedoch nicht vermieden)
• Tokolyse ( ohne Effekt auf das fetale Wachstum)
• Vermeidung/Einschränkung von Noxen ( ohne Therapieeffekt auf eine eingetretene IUGR, allerdings von prophylaktischem Nut-zen)
• Behandlung einer intrauterinen Infektionser-krankung ( keine Beeinflussung einer ein-getretenen IUGR)
Pränatale Therapiestrategien führen primär we-der zu einer spezifischen Beendigung noch zu
Dabei blieben bisher ohne eindeutigen Behand-lungserfolg:• (Hyperkalorische) Nahrungsergänzung der
Schwangeren ( ohne Effekt auf das fetale Wachstum)
• Plasmavolumenexpansion ( keine IUGR- Vermeidung)
• O2-Gabe ( kurzfristige Steigerung der Sau-erstoffsättigung des Feten. Auf längere Sicht kein Benefit bezogen auf das fetale Wachstum)
• Hospitalisierung ± Bettruhe ( kein messba-rer Vorteil in der Behandlung der IUGR)
• Sedierung der Mutter ( ohne Effekt auf das fetale Wachstum)
• Azetylsalizylsäure ( ohne Effekt auf eine bereits eingetretene IUGR, anders ist der prophylaktische Einsatz bei belasteter Anam-nese zu bewerten)
Gefäß Befund Kontrollintervall Geburtshilf liches Vorgehen
Arteria umbilicalis + Ductus venosus
CTG unauffällig 27+6 SSW:AREDF + Ductus venosus PI 95. Perzentile, positive A-Welle
Täglich im Rahmen einer engmaschigen stationären Kontrolle
ANS
27+6 SSW:AREDF + Ductus venosus PI 95. Perzentile, negative A-Welle
Entbindung dringlich, ANS abwägen
CTG auffällig 27+6 SSW:AREDF + Ductus venosus PI 95. Perzentile, positive A-Welle
Ggf. täglich im Rahmen einer engmaschigen stationären Kontrolle
Entbindung dringlich, ANS abwägen
27+6 SSW:AREDF + Ductus venosus
Entbindung unmittelbar, keine ANS
Tab. 7 | Fortsetzung
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Wachstumswerte 10 Perzentile bedeuten im fortgeschrittenen Schwangerschaftsalter (spätes III. Trimenon) nicht automatisch hohe intrauterine Gefahr (neonatale Morbi-dität/Mortalität) und bedingen nicht in allen Fällen ein unmittelbares aktives geburtshilf-liches Vorgehen.
� Pränatale Determinierung
Prognostisch wirken sich die vorgeburtlich durch Plazentadysfunktion erworbenen Risiken auf das Neugeborene in Form postnatal begrenzter Ent-wicklungskorridore kurz-, aber auch langfristig (bis ins Erwachsenenalter) aus:
• Frühgeburtsrate 30 %• Bei 75–80 % der Reifgeborenen mit milder
IUGR (late-onset-IUGR) ist die körperliche Entwicklung, beginnend unmittelbar nach der Geburt bis zum Ende des zweiten Lebens-jahrs, durch einen Ausgleich der Kindsge-wichte verglichen mit dem Kollektiv ehemals eutropher Neugeborenen gekennzeichnet.
• Bei schwerer IUGR (3. Perzentile oder deut-lich vermindertem KU) sinkt der Anteil der Kinder mit vollständiger Gewichtsrekompen-sation auf 50 %. Besteht die Wachstums-verminderung über den zweiten Geburtstag des Kindes hinaus, wird ein vollständiges Aufholwachstum unwahrscheinlich.
• Für 10 % der Kinder mit IUGR verbleibt ein erhöhtes Risiko der verminderten Körperhöhe im Erwachsenenalter.
• Bei ehemals untergewichtigen Neugeborenen ist im späteren Leben gehäuft mit Insulin-resistenz, Diabetes mellitus Typ II, Hyperto-nie, koronarer Herzkrankheit (KHK), erhöhten Blutfettwerten (Hypercholesterinämie, Hy-pertriglyzeridämie), metabolischem Syndrom sowie psychomotorischen Folgezustände zu rechnen.
• In Abhängigkeit des Manifestationszeit-punkts der IUGR (early-onset-IUGR, 28 SSW) sorgt eine erhöhte Vulnerabilität der Nervenentwicklung für langfristige ZNS-Ent-wicklungsrisiken.
einer effektiven Reduktion der Weiterentwick-lung der IUGR. Die Einschätzung des klinischen Schweregrades sowie die Beurteilung der Dy-namik von Veränderungen des fetalen Gefähr-dungspotenzials zielen daher maßgeblich auf die Festlegung eines individuell angemessenen Entbindungszeitpunktes/-modus ab. Auf die-sem Wege soll die Vermeidung/Verminderung von fetal distress bzw. perinataler Morbidität und Mortalität erreicht werden. Gerade bei Manifestation in frühem Schwangerschaftsal-ter spielen pränatale Einflussfaktoren wie Typ und Ausprägungsgrad der IUGR, die Tragzeit, die Gefährdung des maternalen wie fetalen Ge-sundheitszustandes (z. B. durch Präeklampsie, Diabetes, Infektion) aber auch die perinatolo-gischen Rahmenbedingungen (risikoadaptierte Regionalisierung) eine entscheidende Rolle zur Bewältigung mitunter komplexer geburtshilfli-cher Abwägungsentscheidungen (u. a. ANS, pro-phylaktisch-indikationsgebunden Azetylsalizyl-säure Reduktion der neonatalen Mortalität: RR 0,84; 95 %-CI 0,74–0,96) [7]. Auch in höhe-rem Schwangerschaftsalter trägt eine IUGR zur erhöhten perinatalen Morbidität (fetal distress, Mekoniumaspiration, Hypoglykämie, Krampf-anfälle, Zerebralparese, Hyperbilirubinämie, entwicklungsneurologische Störung und kardio-vaskuläre Erkrankung) sowie zur Steigerung der perinatalen Mortalität bei [5].
Die Datenlage, vorwiegend bestehend aus Er-gebnissen klinischer Beobachtungsstudien wie auch prospektiv randomisierter Untersuchun-gen, zeigt für IUGR-Feten ohne zusätzliche geburtshilfliche Pathologie allerdings keine Reduktion der Kurzzeitmorbidität durch vorzei-tige Geburtseinleitung verglichen mit obser-vierender Schwangerschaftsfortsetzung. Viel-mehr erhöht ein »zu« aktives geburtshilfliches Vorgehen ausschließlich die Rate geburtshilf-licher Interventionen. Daher bedürfen die pe-ripartalen Entscheidungsalgorithmen bei IUGR der individuellen Evaluation weiterer geburts-hilflicher Parameter mit der Zielrichtung eines situationsangemessenen »tailored obstetrical management« [8–11].
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management« in pregnancies at risk for intrauterine weight alterations.
Keywords: prenatal weight estimation – intrau-terine growth restriction – Doppler ultrasound
Literatur
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9. Van Wyk L, Boers KE, van der Post JA, van Pampus MG, van
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Geboren mit IUGR lebenslang erhöhtes Sterblichkeitsrisiko
� Zusammenfassung
Die Bestimmung und vor allem die Verlaufsbeob-achtung des fetalen Wachstums ergeben wichtige Hinweise auf die Funktionalität des intrauteri-nen Milieus. Aus der Beschreibung des körperli-chen Entwicklungszustandes anhand definierter biometrischer Parameter lassen sich neben einer Analyse der Körpergewichtsentwicklung auch po-tenzielle Gesundheitsrisiken einer Gedeihverän-derung (Hypo- oder Hypertrophie) des Fetus ab-leiten. Konkrete perinatologische Konsequenzen ergeben sich konsekutiv aus der sachkundigen Ursachenforschung gepaart mit einer risikoad-aptierten Überwachung der funktionellen feta-len Versorgungsparameter. Folgerichtig bestimmt neben der intrauterinen Gewichtsschätzung das gesamte Spektrum der dopplersonografischen Befundung der feto-materno-plazentaren Zirku-lation das individuelle perinatologische Manage-ment (»tailored obstetrical management«).
Strauss A: Fetal weight assessment: options and
consequences
Summary: The assessment and, above all, the follow-up of the fetal growth provide important information on the functionality of the intrauterine environment. Description of specific biometric parameters combined with dynamics of fetal body weight development offer decisive information on potential health risks (hypo- or hypertrophy). Particular perinatological consequences consecutively result from expert causal assessment and a risk-adapted intrauterine functional monitoring. Consequently, fetal weight estimation combined with the entire diagnostic spectrum of Doppler ultrasound (feto-materno-placental circulation) is required to establish a »tailored obstetrical
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Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass bei der Erstellung des Beitrags keine Interessen-konflikte im Sinne der Empfehlungen des Inter-national Committee of Medical Journal Editors bestanden.
Prof. Dr. Alexander StraussChristian-Albrechts-Universität zu Kiel
24105 KielDeutschland
11. Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe
(DGGG), Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie
und Geburtshilfe (OEGGG), Schweizerischen Gesellschaft
für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG). Intrauterine
Wachstumsrestriktion. S2k-Leitlinie. AWMF-Registriernummer
015/080; 2016 (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/
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12. Dammer U, Raabe E, Kehl S, Schmid M, Mayr A, Schild RL,
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Zugegriffen: 11.12.2019.