ilut zeitgemt verm itfl n g einer zeitlosen musik · indische musik ilut zeitgemt ben verm itfl u n...

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INDISCHE MUSIK ilut zeitgemt Ben Verm itfl u n g einer zeitlosen Musik LUDWIG PESCH Ludwig Pesch ist ein bekannter Experte in siidindischer karnatischer Musik. Sein Spezialinstrument ist die Bambusquerfliite. Nach seinem Musikstudium an der Staatlichen Hochschule fiir Musik und Universitdt Freiburg im Breisgau hat er am Kaladshetra College in Fine Arts in lndien sein Postdiplom fiir karnatische Musik gemacht. Er wurde als Fliitist von dem bekannten siidindischen Musiker Rama- chandra Shastry ausgebildet. Herr Pesch ist ein innovativer Musikpidagoge und hat fiir die Universitdt Liineburg die Fernkurse,,Musik und Kiinste im siidlichen Indien" und,,The Music of South lndia" gestaltet und betreut in Zusammenarbeit mit dem lndologie-Lehrstuhl der Universitit Wiirzburg. Seine bekannteste Veriif- fentlichung ist,,The Oxford lllustrated Companion to South lndian Classical Music" (Oxford University Press, 2. Auflage 201 1 ) ln Anerkennung besonderer Verdienste um die Kulturbeziehungen zwischen lndi- en und Deutschland wurde ihm 2OOO das Verdienstkreuz am Bande des Verdienst- ordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Er hat auch den Rabindranath Tagore-Kulturpreis im Jahr 2003 verliehen bekommen. lm folgenden Beitrag wird dargestellt, welche groBe Rolle indische Musik im Kul- turdialog zwischen Deutschland und lndien spielen kann. DIE REDAKTION Manickam Yogeswaran und Ludwig Pesch, Konzert anliisslich der ISME 2012 Weltkonferenz fiir M us ike r ziehun g in The s s alo nik i ,,Mir bedeutet unendlich viel, an der Musik Indiens aktivteilzunehmen: in immer neu- en Sequenzenjede Note undjede Geste auszukostenl mit den flexiblen Spannungen von Ton und RhJ'thmus das Gehtir zu schu- len; die allgemeine Aufnahmeftihigkeit zu steigern." YehudiMenuhin Der weltbertihmte Geigenvirtuose Yehudi Menuhin stellte seine Freundschaft mit Pandit Nehru und Ravi Shankar in den Dienst eines Dialogs von indischen und ,,westlichen" Musikern. Inzwischen hat dieser Dialog alle Bereiche der Musik er- reichl Klassik und Jazz, Minimal Music wie Pop, Film- und Fusion Music. Aus seiner noch immer lesenswerlen Autobiographie Unvollendete Reise (1976) stammen auch diese Eindriicke: ,,Einem,Kammermusik'-Konzert dieser beiden groBen Konner [Ravi Shankar und Ali Akbar Khanl beigewohnt zu haben, bei dem einer den anderen an Erfindungs- kraft zu iibertreffen suchte,ist ein Erlebnis von magischer Kraft wie kaum etwas auf dieser Welt. Man glaubt, die Schdpfung selbst zu erleben." Sein Erlebnis einer ,,magischen Kraft" ist keineswegs dem Kenner indischer Musik vorbehalten, schon deshalb, weil er sich diesbeziiglich weiterhin als Laie fiihlte. Selbst habe ich nie miterlebt, dass indische Live-Musik dort ihre Wirkung verfehlt hatte, wo ftir die richtige Atmo- sphdre und Wohlklang (sprich,,normale" Lautstiirke) gesorgt wird. Die Wechsel- wirkung von Stille, ineinander flieBenden Klangfarben und klar zu unterscheiden- denTonhcihen erzeugt ein Spannungsfeld vonVertrautem und Neuem: gelegentliche ,,Aha-Erlebnisse" angesichts der sprich- wortlichen,,sieben Tone" (Saptasvara), jedoch ohne Anhaltspunkte wie ,,Dur" oder,,Moll". Mir erscheint sein Hinweis auf die ,,all- gemeine Aufnahmefiihigkeit" besonders wichtig, denn diese kann ohne Umwege, niimlich iiber den reichen Klang einer echten Tambura-Bordunlaute bzw Tan- pura gefordert werden. Dieses weltweit einzigartige Instrument verbindet alle Stromungen der indischen Kunstmusik miteinander. Es liisst uns die Essenz von Musik buchstiiblich,,begreifen". Sein Reichtum an Obertonen erschlieBt Laien, Berufsmusikern wie Schiilern eine ,,ande- re"Welt,in der die Musikideale derAntike lebendig werden. Kein Lautsprecher oder Kopfhorer kann ein vergleichbares Klan- gerlebnis vermitteln. Immer wieder habe ich iiber die Freude und Konzentration s2 METNE WttT 2/2012

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INDISCHE MUSIK

ilut zeitgemt Ben Verm itfl u n geiner zeitlosen MusikLUDWIG PESCH

Ludwig Pesch ist ein bekannter Experte in siidindischer karnatischer Musik. SeinSpezialinstrument ist die Bambusquerfliite. Nach seinem Musikstudium an derStaatlichen Hochschule fiir Musik und Universitdt Freiburg im Breisgau hat er amKaladshetra College in Fine Arts in lndien sein Postdiplom fiir karnatische Musikgemacht. Er wurde als Fliitist von dem bekannten siidindischen Musiker Rama-chandra Shastry ausgebildet. Herr Pesch ist ein innovativer Musikpidagoge undhat fiir die Universitdt Liineburg die Fernkurse,,Musik und Kiinste im siidlichenIndien" und,,The Music of South lndia" gestaltet und betreut in Zusammenarbeitmit dem lndologie-Lehrstuhl der Universitit Wiirzburg. Seine bekannteste Veriif-fentlichung ist,,The Oxford lllustrated Companion to South lndian Classical Music"(Oxford University Press, 2. Auflage 201 1 )

ln Anerkennung besonderer Verdienste um die Kulturbeziehungen zwischen lndi-en und Deutschland wurde ihm 2OOO das Verdienstkreuz am Bande des Verdienst-ordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Er hat auch den RabindranathTagore-Kulturpreis im Jahr 2003 verliehen bekommen.lm folgenden Beitrag wird dargestellt, welche groBe Rolle indische Musik im Kul-turdialog zwischen Deutschland und lndien spielen kann.DIE REDAKTION

Manickam Yogeswaran und Ludwig Pesch, Konzert anliisslich der ISME 2012 Weltkonferenz fiirM us ike r ziehun g in The s s alo nik i

,,Mir bedeutet unendlich viel, an der MusikIndiens aktivteilzunehmen: in immer neu-en Sequenzenjede Note undjede Gesteauszukostenl mit den flexiblen Spannungenvon Ton und RhJ'thmus das Gehtir zu schu-len; die allgemeine Aufnahmeftihigkeit zusteigern." YehudiMenuhin

Der weltbertihmte Geigenvirtuose YehudiMenuhin stellte seine Freundschaft mitPandit Nehru und Ravi Shankar in denDienst eines Dialogs von indischen und,,westlichen" Musikern. Inzwischen hatdieser Dialog alle Bereiche der Musik er-reichl Klassik und Jazz, Minimal Music wie

Pop, Film- und Fusion Music. Aus seinernoch immer lesenswerlen AutobiographieUnvollendete Reise (1976) stammen auchdiese Eindriicke:,,Einem,Kammermusik'-Konzert dieserbeiden groBen Konner [Ravi Shankar undAli Akbar Khanl beigewohnt zu haben,bei dem einer den anderen an Erfindungs-kraft zu iibertreffen suchte,ist ein Erlebnisvon magischer Kraft wie kaum etwas aufdieser Welt. Man glaubt, die Schdpfungselbst zu erleben."Sein Erlebnis einer ,,magischen Kraft"ist keineswegs dem Kenner indischerMusik vorbehalten, schon deshalb, weiler sich diesbeziiglich weiterhin als Laiefiihlte. Selbst habe ich nie miterlebt, dassindische Live-Musik dort ihre Wirkungverfehlt hatte, wo ftir die richtige Atmo-sphdre und Wohlklang (sprich,,normale"Lautstiirke) gesorgt wird. Die Wechsel-wirkung von Stille, ineinander flieBendenKlangfarben und klar zu unterscheiden-denTonhcihen erzeugt ein SpannungsfeldvonVertrautem und Neuem: gelegentliche,,Aha-Erlebnisse" angesichts der sprich-wortlichen,,sieben Tone" (Saptasvara),jedoch ohne Anhaltspunkte wie ,,Dur"oder,,Moll".Mir erscheint sein Hinweis auf die ,,all-gemeine Aufnahmefiihigkeit" besonderswichtig, denn diese kann ohne Umwege,niimlich iiber den reichen Klang einerechten Tambura-Bordunlaute bzw Tan-pura gefordert werden. Dieses weltweiteinzigartige Instrument verbindet alleStromungen der indischen Kunstmusikmiteinander. Es liisst uns die Essenz vonMusik buchstiiblich,,begreifen". SeinReichtum an Obertonen erschlieBt Laien,Berufsmusikern wie Schiilern eine ,,ande-re"Welt,in der die Musikideale derAntikelebendig werden. Kein Lautsprecher oderKopfhorer kann ein vergleichbares Klan-gerlebnis vermitteln. Immer wieder habeich iiber die Freude und Konzentration

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gestaunt, die schon das bloBe Beriihrenund Horen einer gut gestimmtenThmburaauszulosen vermag. Sie befdhigt auch dortErwachsene und Kinder zum stundenlan-gen Zuhoren und Mitmachen,wo niemanddas erwarten wiirde. So bewahrheitet sichdie indischeVorstellung eines alles umfas-senden wie begltickenden Klangs (Nada).Sie wird ihrem universellen wie zeitlosenAnspruch gerecht, indem sie kulturelleBarrieren,,ganz beiliiufig" iiberwindet.Der hohe Stellenwert musikalischer Ord-nung war meinem Flotenlehrer in Indiensehr wichtig (Ramachandra Shastry, 1906-92).Es ging ihm zunlichst um das Verin-nerlichen des ,,gleichmiiBigen Flusses dermusikalischen Zeit" (Kalapramanam). ZurWirksamkejt spezieller Ubungen trzigt bei.dass Stimme und H:inde vollig geniigen. Sowird das Uben schnell zum Zeitv ertreTb,dem man sich rein gedanklich und somitunhorbar widmen kann. wo andere nichtgestdrt werden sollen.Felseninschriften bei Kudmiyamalai inThmil Nadu belegen die Kontinuitiit sol-cher Lerntechniken. Sie reichen bis in das8. Jahrhundert zuriick, anderen Quellenzufolge bis in dieAntike.Vor fiinfhundertJahren schuf Purandara Dasa den syste-matischen Grundkurs fiir die sogenann-te ,,karnatische" Musik Siidindiens. Hierhandelt es sich auch um die gemeinsameGrundlage der klassischenThnzstile, alsoBharata Natyam, Kuchipudi und Mohini-yattam. Der Musikologe N. Ramanathanhat die tiefgreifenden Verdnderungen allerlebendigen Musiktraditionen wie auch dieverbliiffende Kontinuitat vieler Ph5nome-ne beleuchtet.lPurandara Dasa wird von Menschen inallen Bevolkerungsschichten verehrt. DerKomponist und Mystiker lebte rm glanz-vollen Vijayanagar-Reich, wo Vertretervon Musik- und Architekturstilen ausvielen Regionen eine einzigartige Syn-these schufen. Wie Guido d'Arezzo (um1000 n. Chr.) und Zoltin Kod6ly im 20.Jahrhundert gelang Purandara Dasa dieVerbreitung einer kunstvollen Musik mitHilfe eines zukunftstauglichen Lehrwerks.Es schult nicht nur das Ged?ichtnis, sondernbefiihigt zum priizisen Zusammenspielgleich bei der ersten Begegnung auf derKonzertbtihne.

INDISCHE MUSIK

Ein weiterer Vorteil dieser Methode be-steht darin, dass sie nur wenige Hilfsmit-tel voraussetzt: Stimme und Hiinde ge-niigen zum Uben. Der Bezugston wirddabei traditionell auf einer viersaitigenTambura-Bordunlaute oder ihrem einsai-tigen Vorkiufer (Ektar) - im Theater auchdurch gestimmteTalam-Zimbeln - horbargemacht. So kann man liberall spontanmiteinander musizieren, auch in der freienNatur und ohne Notenschrift.Der groBe Indologe Max Miiller wiesim 19. Jahrhundert bewundernd auf dieKonzentrationsfiihigkeit hin, die in In-dien systematisch geschult und mit demSanskrit-Begriff Ekagrata bezeichnet wird.Die beiden Ausgangspunkte klassischerindischer Musikstile sind der richtigeEinsatzpunkt in der Zeit (Samam) undein frei w2ihlbarer Grundton Sa (Sad-jam). Mit fortschreitenden KenntnissenerschlieBt man sich ein Koordinatensystemvon Tonkombinationen (Raga) und met-rischen Anordnungen (Tala). Das zyklischeThla-Metrum ist in der klassischen Musikwie imThnz unverzichtbar und dient demGestalten in Raum und Zeit. Scheinbarabstrakte Konzepte fiigen sich so zu einemsich stiindig wandelnden Mosaik zusam-men. Hier kann die vonYehudi Menuhinso geschdtzte ,,Erfindungskraft" jedes Ein-zelnen sich frei entfalten.Wer mit der Montessori-Piidagogik ver-traut ist, wei8 an der indischen Musikden hohen Stellenwert von Ordnung zusch:itzen. Hier wie dort fordert OrdnungKreativiteit. statt sie zu behindern. Indi-sche Musikiibungen haben sich auch inDeutschland als brauchbar erwiesen: aufdem Heimweg von einemThla-Work-shopan einer siiddeutschen Schule, an demhunderte Kinder teilgenommen hatten,bemerkte ich, dass Gruppen ver-gntgterSchiiler sich gegenseitig kleine Tiommel-motive zuspielten. Diese bestanden ausZahlenkombinationen, die gerade ihr ma-thematischesTalent auf die Probe gestellthatten. Eine Ladeninhaberin verweigertemir danach die Annahme von Geld fiirein Souvenir, das sie meinem indischenProjektpartner unbekannterweise zumGeschenk machen wollte. Es stellte sichheraus, dass ihre Tochter ausnahmsweiseeinmal gut gelaunt aus der Schule gekom-

men war! Hier ging es also nicht so sehrum indische Kultur an sich. sondern umdas freudige Lernen mit Hilfe von Musik.Der jahrtausende alte Gedanke vom zah-lenmtiBigen Musizieren, der auch Philo-sophen wie Leibniz und Schopenhauerinteressierte, war lndiens Musikern friihvertraut und ist ihnen nie abhanden ge-kommen. Die ,,immer neuen Sequenzen",von denen Yehudi Menuhin begeistertschreibt, haben zahllosen Musikern vonWeltrang das gemeinsame Improvisie-ren ermoglicht. Der indische Ur-sprungunseres,,arabischen" Zahlensystems mitder fiir die modernenWissenschaften un-verzichtbaren Null wird heute allgemeinanerkannt. Erst die Null ermoglicht eingrenzenloses Spiel mit Ideen, zeitlichenwie rriumlichen Abl?iufen.Wie auch beimebenfalls aus Indien stammenden Schach(Chaturanga) bedarf solches,,Spielen" kla-rer Regeln, gerade wenn Tone zu Tirigernvon Bedeutung oder Gefiihlen werden. Imdigitalen (d.h. auch asiatischen) Zerlaltererhielt die Spannung zwischen Null undunendlicher Vielfalt einen neuen Stellen-wert. Es bedarf jedoch keines Computers,um Schiilern die Grundrechenarten mitHilfe indischer Musik zu vermitteln.Heute konnen auch musikalische Laien.ganz im Sinne Yehudi Menuhins, musi-zierend,,die Schopfung selbst erleben"- ein Gedanke, derVertretern der groBenReligionen zwar vertraut sein mag, aberim reguliiren Unterricht bisher nur vonwenigen je ,,erlebt" wird. Bei seinen Bil-dungsinitiativen wurde deutlich, wie einuniverseller Drang zur Selbstverwirkli-chung gelebt werden kann und dass dieskein Luxus zu sein braucht. Auch unserLand hat sich den Zielen der Unesco ver-pflichtet. Dazu gehort,,,die internationaleVerstrindigung, die Weltoffenheit und daskulturelle E ngagement von Jugendlichendurch internationale Begegnungen undAustausch zu fdrdern". (www.unesco.de)Statt weiterhin das Exotische zu betonen,bietet sich heute die Chance einerVertie-fung des kulturellen Dialogs mit Indien.In den letzten Jahrzehnten haben indischeGelehrte wie Amartya Sen, RomilaThapar,Ramachandra Guha und Pavan K.Varmaviele Klischees in das Reich der Mzirchenverwiesen. Auch im zukunftsorienten Di-

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alog spielt die Musik eine groBe Rolle. Imintegrierten Unterricht kann die kreativeZusammenarbeit von Lehrern und Schii-lern mit Hilfe bewtihrter indischer Motivestimuliert werden.2Der bengalische Dichter, Komponist,Bildungsreformer und NobelpreistrtigerRabindranath Thgore (1861-1941) hattesich den kulturellen Dialog auf Augen-hohe zum Lebenswerk gemacht. Darin ist,,Rhythmus" ein Schliisselbegriff in Bezugauf das wirkliche Leben:,,Sobald Worter auf rhythmische Weisemiteinander verbunden werden, gewinnensie an Bedeutung. So werden sie im schop-ferischen Sinne zu einer Wirklichkeit.Wiedas Leben selbst schwelgen die Ktinste imrhythmischen Spiel der Erscheinungen umihrer selbst willen."3 IAnmerkungen:1) Einzelheiten zu diesem Thema sind auf Dr. N.

Ramanathan's Web site ww w. mus icres e arch.in sowie in meinem Handbuch zu finden:The Oxford Illustrated Companion to SouthIndian Classical Music.2nd rev. ed. NewDelhi,2009.

2) Dazu erscheint demntichst mein Beitrag mitdem Titel ,,Thinking and learning in South In-dian Music" in: Integrated Music Education.Challenges for Teaching and Teacher Trainingby Cslovjecsek, M., & Zulauf, M. (Eds). Bern:Peter Lang.

3) Wcirtlich sagte Rabindranath Tagore: ,,Wordsare barren, dismal and uninspiring by them-selves, but when they are bound together bysome bond of rhythm they attain their signi-ficance as a reality which can be described ascreative. ... Art like life revels in a rhythmicplay of appearances for its own sake." - Lec-ture on Art at Teheran zitiert in India and Mo-dern Art by W Archer; London, 1959, S. 50.

s4 METNE WELT 2/2012

MtssloN

,,Eigenes zu bezweifeln -Fremdes anzunehmen"Deutsche Missionare in Siidindienim Spiegel neuer Veriiffentlichungen

WALTER MEISTER

Als meine Frau und ich im Februar 201'0mit dem Linienboot in Aleppy ankamen,war es schon dunkel.Da wirziemlichmiidewaren, steuerten wir geradewegs auf dasder Anlegestelle gegentber liegende KTCTouristhome zu. Aber mit der schnellenNachtruhe wurde es nichts:Kaum hatte deriiltere Mann an der Rezeption herausbe-kommen, dass wir Deutsche sind, musstenwir uns schon zu ihm setzen und bekamenmit groBer Begeisterung geschildert, wel-che Bedeutung der deutsche MissionarHermann Gundert fiir die Sprache undKultur Keralas hatte und hat. Er selbstbesitze alle in Indien erschienenen Bilcheriiber Gundert,34 an der Zahl, er werdesie uns alle morgen zeigen...

Christliche Mission in Indien:,,einetiefe lronie"Wer neugierig geworden ist und tiberdie geistigen und religiosen Beziehun-gen zwischen Indien und Europa mehrwissen mochte, der findet eine leicht ver-stiindliche und streckenweise spannendgeschriebene Einfiihrung in diesen The-menkomplex in dem neuesten Buch vonKarl-Josef Kuschel: ,,Leben ist Briicken-schlagen. Vordenker des interreligiosenDialogs" (605 S., Ostfildern 2011). Kuschellehrt als Nachfolger Hans Kiings an derKatholisch-Theologischen Fakultlit in Tii-bingen das Fach ,,Theologie der Kulturund des interreligiosen Dialogs". Er stelltauf dem Hintergrund ihrer Biografien be-kannte und weniger bekannte ,,Vorden-ker" vor, darunter Swami Vivekananda,Richard Wilhelm, Hermann Hesse, Mahat-ma Gandhi, Hugo Enomya-Lassalle undHans Kting, gibt aber auch auf den ersten

hundert Seiten einen klug ausgew:ihltenund problemorientierlen Uberblick:..Eu-ropa entdeckt die Religionen der Welt".Dort flndet man auch eine exemplarischeDarstellung der Beziehungen des christ-lichen Europa zu Indien. Auf einige As-pekte dieses Themas mochte ich mit denfolgenden Bemerkungen hinweisen.Kuschel findet eine ,,tiefe Ironie" in derGeschichte der christlichen Mission inIndien: Je weiter ,,christliche Missionare(...) in die indische Kultur eindringen, umdas Christentum noch besser missiona-risch verbreiten ^) kdnnen. desto mehrwerden gerade sie zu Agenten, Vermitt-lern und Informationsbriicken zwischenWest und Ost" (S. 50). FUr diese ihnenzuniichst ungewollt zugefallene Vermitt-lerrolle haben sie als Theologen wichtigeVoraussetzungen mitgebracht, waren siedoch durch ihre Ausbildung zum tieferenVerstzindnis fremder (biblischer) Sprachenund Kulturen angeleitet worden. Ande-rerseits aber waren sie verblendet vonder Vorstellung, den ,,Heiden" nicht nurzivilisatorisch. sondern vor allem auchreligi6s-moralisch iiberlegen zu sein.So bekennt einer der ersten deutschenMissionare, Bartholomdus Ziegenbalg,der im Auftrag der Diinisch-HalleschenMissionsgesellschaft 1706 nach Siidindienkam, im Vorwort zu seiner Uberselzungzweier tamilischer Schriften iiber rechtesmoralisches Verhalten selbstkritisch:,,Diemeisten Christen in Europa sind der Mei-nung, die Heiden in Malabar (Siidindien)seien ein ziemlich barbarisches Volk, dasnichts iiber Gelehrsamkeit oder Moralitiitwisse... Ich muss von mir selbst beken-nen, dass es fiir mich, als ich zum ersten