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Hygiene in der Praxis – Spagat zwischen Vorschrift und Praktikabilität
116. Essener Dienstagskolloquium2. September 2008
Prof. Dr. Walter PoppKrankenhaushygiene
Universitätsklinikum EssenHufelandstr. 55, 45122 Essen
Tel. 0201-723-4577Fax 0201-723-5664
E-mail: [email protected]: www.uk-essen.de/krankenhaushygiene
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BGH, 20.3.2007, AZ: VI ZR 158:
Bei der Verwirklichung von Risiken, die nicht vorrangig aus den Eigenheiten des menschlichen Organismus erwachsen, sondern durch den Klinikbetrieb oder die Arztpraxis gesetzt und durch sachgerechte Organisation und Koordinierung des Behandlungsgeschehens objektiv voll beherrscht werden können, kommt der Rechtsgedanke des § 282 BGB zur Anwendung, wonach die Darlegungs- und Beweislast für Verschuldensfreiheit bei der Behandlungsseite liegt.
Hygiene zählt zu den voll beherrschbaren Risiken!Hygienefehler (auch unabhängig vom tatsächlichen Schaden) Beweislastumkehr!
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„Beweislastumkehr bei Hygienemängeln bestätigt Spritzenabszess kann ein „voll beherrschbares Risiko“ sein
von Ulrich Smentkowski
….
Erhebliche praktische FolgenDas Urteil dürfte für die Organisation des ärztlichen wie des nichtärztlichen Dienstes erhebliche praktische Folgen haben. Es fordert letztlich von den Verantwortlichen, Personal in Kliniken und Arztpraxen bei erkennbaren akuten Infekterkrankungen, die eine Gefahr für die Ansteckung von Patienten mit sich bringen, von Behandlungs- oder Assistenzmaßnahmen, bei denen eine Keimübertragung möglich ist, konsequent auszuschließen. Nur so kann nämlich eine Haftung nach den Grundsätzen des voll beherrschbaren Risikos für durch Infektion hervorgerufene Gesundheitsschäden des Patienten zuverlässig vermieden werden.“
Rheinisches Ärzteblatt, Heft 9/2007
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Dokumentation hygienischer Maßnahmen
Aktueller umfassender Hygieneplan ohne Widersprüche.
Hygieneplan jährlich auf CD brennen.
Hautdesinfektion im OP-Bericht dokumentieren.Kein „steriles Abwaschen“.
Verbandwechsel mindestens bei kritischen Wunden mit Mund-Nasen-Schutz, z.B. Sternum, offene Knochenfrakturen.
Photodokumentation mindestens kritischer Wunden bei Entlassung/Verlegung und Aufnahme.
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Händehygiene
Compliance zwischen 5 und 80 %,im Mittel bei 40 %.
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Bakterien-Reduktion auf den Händen unter Hände-Hygiene-
Maßnahmen
Adapted from: Hosp Epidemiol Infect Control, 2nd Edition, 1999.
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1.0
2.0
3.0 0 60 180 Minuten
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99.9log%
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Alkoholisches Präparat(70% Isopropanol)
Antiseptische Seife(4% Chlorhexidin)
Reine Seife
Zeit nach Desinfektion
Ausgangspunkt
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0123456
Baseline 2 weeksAlcohol rub Soap and water
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Baseline 2 weeksAlcohol rub Soap and water
Epidermal water contentSelf-reported skin scoreDry
Healthy Dry
Healthy
Effect of Alcohol-Based Handrubs on Skin Condition
~ Alcohol-based handrub is less damaging to the skin ~
Boyce J, Infect Control Hosp Epidemiol 2000;21(7):438-441.
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Pittet et al: Effectiveness of a hospital-wide programme to improve compliance withhand hygiene. Lancet 356, 2000, 1307-1312
Interventionsstudie von Pittet, Genf
Lehrkrankenhaus, Genf.Händehygiene-Kampagne 1994-1997.Beobachtungsstudie bzgl. Compliance.Messung von Ergebnisparametern: NI-Raten, MRSA, Menge verbrauchter Händedesinfektionsmittel.
Anstieg der Compliance von 48 % auf 66 % (sign.)
Abnahme der NI-Raten: 16,9 % auf 9,9 % (sign.).
Abnahme der MRSA-Übertragungen: 2,16 auf 0,93 pro 10.000 Patiententage.
Menge verbrauchter Händedesinfektionsmittel: 3,5 l auf 15,4 l pro 1.000 Patiententage.
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Alkoholische Händedesinfektion
Reduziert die Zahl nosokomialer Infektionen.
Reduziert Keime stärker als Händewaschung.
Wesentlich Haut-verträglicher als Händewaschung.
Ausgesprochen billig im Vergleich zu den Kosten nosokomialer Infektionen.
Vorbildfunktion der Leitungen!
VAH-Listung und Arzneimittelzulassung erforderlich.
Möglichst hoher Alkoholanteil (> 70 %).
Händedesinfektion: hygienisch 30 Sekunden, chirurgisch 3 Minuten.
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Diverse Initiativen
Aktion Saubere Hände:Verbrauch Händedesinfektionsmittel (Hand-KISS),Beobachtungssurvey.
Aktion von DGKH und BDC:Infos über BDC.
Aktion „Get your disinfection“ des Universitätsklinikums Essen:Niederschwelliges Angebot.
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Diverse Initiativen
Aktion Saubere Hände:Verbrauch Händedesinfektionsmittel,Beobachtungssurvey,Hand-KISS.
Aktion von DGKH und BDC.
Aktion „Get your disinfection“ des Universitätsklinikums Essen:Niederschwelliges Angebot.
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MRSA in Deutschland
Ca. 1 % der stationären Patienten.Ca. 3 % in Alten- und Pflegeheimen.
Auch bis zu 10 und 20 %.Unter 1 % ambulant?Bis zu 3 % beim Personal?
Aber:Es gibt keinerlei repräsentative Daten in Deutschland!
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Grundsätze der MRSA-Politik
Krankenhaus:Volle Isolierung.Gleiche Maßnahmen bei Infizierten und Kolonisierten (außer systemische Antibiotika).Kittel, Handschuhe, ggfs. Mund-Nasen-Schutz, KopfhaubeSchnell entlassen („Zuhause wird alles gut…“).
Alten- und Pflegeheim:Isolierung bei schweren Pflegefällen.Keine Isolierung bei selbständiger Lebensführung im Heim.
Zuhause: Keine Maßnahmen oder Vorsichtsregeln.
Teilweise Übertragung im häuslichen Bereich auf Familienmitglieder und Flächen.
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Niedergelassener Bereich
Organisieren: Möglichst am Ende des Programms einbestellen.Separieren: Wartebereich, Garderobe, Behandlungszimmer.Kontrollieren: Abstriche (ohne Antibiose und Antisepsis!).Personalverhalten: Handschuhe, Kittel, Händedesinfektion. Evtl. Mund-Nasen-Schutz, Kopfhaube. Desinfizieren: Hände und Flächen sofort danach.Relevante Instrumente sofort desinfizieren, z.B. Stethoskop, Blutdruckmanschette, Fieberthermometer.Alles im Hygieneplan festschreiben.Achtung auch bei Hausbesuchen und Besuchen in Alten- und Pflegeheimen!
Abrechnungstip laut Ärztezeitung (15.11.07):Mit Ziffer 32006 ist der Test mit der Indikation „Infektkette klären“ budget-und richtgrößenfrei.(32006 betrifft meldepflichtige Erkrankungen – MRSA ist meldepflichtig bei „Ausbruch“ – W.P.)
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Ein Hygieneplan ist erforderlich
Vorgeschrieben nach § 36 IfSG und TRBA 250.
Die Gestaltung ist grundsätzlich offen.
Empfehlung:Im Intraweb verfügbar.Auch Verantwortlichkeiten, Zuständigkeiten, Dokumentation
regeln.Eventuell auch Personalschutz mit aufnehmen (ein Plan für
alles).
Word-Vorlage z.B.:www.frankfurt.de Leben in Frankfurt Gesundheit
Hygiene
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Infektionsschutzgesetz (IfSG):§ 23 Nosokomiale Infektionen, Resistenzen
(1) Leiter von Krankenhäusern und von Einrichtungen für ambulantes Operieren sind verpflichtet, die vom Robert Koch-Institut nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b festgelegten nosokomialen Infektionen und das Auftreten von Krankheitserregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen fortlaufend in einer gesonderten Niederschrift aufzuzeichnen und zu bewerten. Die Aufzeichnungen nach Satz 1 sind zehn Jahre aufzubewahren. Dem zuständigen Gesundheitsamt ist auf Verlangen Einsicht in die Aufzeichnungen zu gewähren.
Device-assoziierte Sepsis, Pneumonie, Harnwegsinfektion – hoher Aufwand.KISS: Intensivstationen, teilweise auch periphere Stationen.
Wundinfektion bei Indikator-OPs – Problem der kleinen Zahl.
Künftig Nutzung von Routinedaten?z.B. BQS-Auswertungen?
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Reinigung/Desinfektion
Trend wieder zur Flächendesinfektion.
Desinfektionsmittel:VAH-Listung für Fläche, Instrumente (manuell), Haut,Hände.Viruzide Präparate:
Manuelle Instrumentendesinfektion ohne nachfolgendeSterilisation.Bei unbehüllten Viren, z.B. Noroviren, Rotaviren,Adenoviren, Hepatitis A, Papillomviren.
Aldehyde oder Sauerstoffabspalter.
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Medizinproduktebetreiberverordnung (MPBetreibV)
§ 4 Instandhaltung
§ 4 (1) Der Betreiber darf nur Personen, Betriebe oder Einrichtungen mit der Instandhaltung (Wartung, Inspektion, Instandsetzung und Aufbereitung) von Medizinprodukten beauftragen, die die Sachkenntnis, Voraussetzungen und die erforderlichen Mittel zur ordnungsgemäßen Ausführung dieser Aufgabe besitzen.
§ 4 (2) Die Aufbereitung von bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten ist unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers mit geeigneten Verfahren so durchzuführen, dass der Erfolg dieser Verfahren nachvollziehbar gewährleistet ist und die Sicherheit und Gesundheit von Patienten, Anwendern oder Dritten nicht gefährdet wird. Dies gilt auch für Medizinprodukte, die vor der erstmaligen Anwendung desinfiziert oder sterilisiert werden. Eine ordnungsgemäße Aufbereitung nach Satz 1 wird vermutet, wenn die gemeinsame Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert-Koch-Institut und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte zu den Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten beachtet wird….
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Sachkunde – Fachkunde (DGSV)
Sachkunde:Ausreichend für unkritische und semikritische MP2-5 Tage:
2 Tage: Arzthelfer/in, Pflegekraft > 5 Jahre Berufserfahrung
5 Tage: < 5 Jahre Berufserfahrung
Fachkundekurse:Immer bei kritischen MPFK 1: alle, 2 WochenFK 2: Schichtleitung, 2 WochenFK 3: Sterileitung, 4 Wochen
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d.h.
Bauliche VoraussetzungenTrennung rein-unrein.Desinfizierbare Oberflächen.
Sächliche Voraussetzungen, z.B. GeräteDie maschinelle Aufbereitung ist vorzuziehen.RDG (Reinigungs-Desinfektions-Gerät).Sterilisator (Autoklav).Eventuell Ultraschallgerät.
SachkenntnisInhaltlich: RKI-EmpfehlungenFormal
ValidierungJährlich.Grundsätzlich gesamter Prozeß.Derzeit nur RDG, Steri, Folienschweißgerät möglich.Demnächst RDG-E.