herstellung von melamin aus harnstoff bei atmosphärendruck

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Herstellung von Melamin aus Harnstoff bei Atmosphiiren- druck DIPL-ING. DR. TECHN. ALFRED SCHMIDT Chemische Forschungsabteilung der Usterreichische Stidcstoffwerke AG. Linz' Melamin, das als Rohstoff fur die Kunststoff-Industrie zunehrnend an Bedeutung ge- winnt, wurde bisher entweder aus Kalkstickstoff uber Dicyandiamid oder durch Zer- setzen von Harnstoff bei hohen Temperaturen und Drucken hergestellt. Beide Verfahren sind jedoch relativ aufwendig. Es wurde daher ein einfaches, kontinuierlich arbeitendes Verfahren entwickelt, welches Harnstoff bei Atmospharendruck zu Melamin umsetzt. Der Harnstoff wird dabei zunachst durch Einblasen in eine heiBe Wirbelschicht in Cyan- saure und Arnmoniak zerlegt. Dieses Gasgemisch wird uber einen Katalysator geleitet, an dem sich die Cyansaure zu Melamin umsetzt, welches rnit dem Reaktionsgas ab- sublimiert und aus diesem nach Abschrecken mit Wasser leicht abzentrifugiert werden kann. Melamin gewinnt als Rohstoff fur die Kunststoff-Indu- strie zunehmend an Bedeutung. Aus Melamin-Harzen hergestellte PreDmassen sind wegen ihrer Oberflachen- harte und ihrer guten Temperaturbestandigkeit ebenso wie auch Melamin-Leime, die sich durch ihre geringe Wasserloslichkeit im geharteten Zustand auszeichnen, heute beliebte Qualitatserzeugnisse. Der Marktanteil der aus Melamin-Harzen gewonnenen hochwertigen Erzeugnisse war bisher jedoch immer noch bescheiden, da Melamin relativ teuer ist. Bisher iibliche Herstellungsverfahren Melamin wurde bisher hauptsachlich aus Kalkstick- stoff uber Dicyandiamid hergestelltli. Die hohen Her- stellungskosten sind durch die viele,n hierfur erforder- lichen Verfahrensstufen bedingt. Zuerst muR CaIcium- carbid erzeugt werden, welches zu Kalkstidcstoff azo- tiert wird: CaC, $. N2 + CaNCN + C. Der Kalkstickstoff wird zu Cyanamid hydrolisiert und dieses anschlieRend zu Dicyandiamid dimerisiert : CaNCN $. 2 H,O + Ca(OH), + H,NCN 2 H,NCN -+ H,N-C-NH-CzN. II NH Durch eine Druckreaktion wird aus Dicyandiamid schlieRli& Melamin hergestellt : NHZ &p 3 HZN-C-NH-C-N + 2 HZN-C. F-NHz I II "N NH wobei das anfallende Rohprodukt umkristallisiert wer- de,n mu5, um die verlangte Reinheit des Verkaufspro- duktes zu erreichen. Seit iiber einem Jahrzehnt wird in steigendem MaBe, vor allem in der Patent-Literature), uber einfachere Verfahren zur Herstellung von Melamin berichtet. *) Die Arbeiten wurden in der Forshungsabteilung unter der Leitung von Prof. Dr. F. Weinrotter durchgefuhrt. 1140 Statt Calciumcarbid wird vorwiegend Harnstoff als Rohstoff genannt, der in den letzten Jahren infolge groDer Kapazitatsausweitungen boten wird. Beim Erhitzen von 500°C unter Drucken von uber min neben Kohlendioxid und Gleichung : sehr preiswert ange- Harnstoff auf 400 bis 100 at entsteht Mela- Ammoniak nach der Die technische Durchfuhrung des Hochdrudcverfahrens ist jedoch infolge der korrodierenden Eigenschaften der Reaktionsteilnehmer bei den Synthesebedingungen und des hohen Schmelzpunktes des Melamins (354°C) auf- wendig und bedarf einer genau gesteuerten Proze5- fuhrung. Das gewonnene Rohmelamin muD ebenfalls umkristallisiert werden. Grundlagen des neuen Verfahrens Die Usterreichische Stickstoffwerke AG hat ein konti- nuierlich arbeitendes Verfahren entwickelt, das aus Harnstoff bei Atmospharendruck, ohne Umkristallisa- tion, reinstes marktubliches Melamin liefert. Eine Pro- duktionsanlage mit einer Jahreskapazitat von etwa 400 t Melamin ist seit Mai 1964 in Betrieb. Eine weit groBere Anlage ist in Vorbereitung. Um die beim Hochdruckverfahren entstehenden Sd-rwie- rigkeiten zu vermeiden, wird die Synthese des Mel- amins in zwei Stufen aufgeteilt: Der Harnstoff wird zu- nadwt in ein gasformiges Gemisch aus Isocyansaure und Ammoniak zerlegt: CO(NK), 4 HNCO +NH,. Dieses Gasgemisch wird uber einen Katalysator gelei- tet, an dem sich die Isocyansaure weitgehend zu Mel- amin umsetzt: 6 HNCO -+ C,N,(NH,), 4- 3 CO, Die Temperatur des Katalysators ist so hoch, da8 das Melamin sofort mit dem Reaktionsgas absublimiert. Chemie-1ng:Techn. 38. Jahrg. 1966 1 Heft I1

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Page 1: Herstellung von Melamin aus Harnstoff bei Atmosphärendruck

Herstellung von Melamin aus Harnstoff bei Atmosphiiren- druck

DIPL-ING. DR. TECHN. ALFRED SCHMIDT

Chemische Forschungsabteilung der Usterreichische Stidcstoffwerke AG. Linz'

Melamin, das als Rohstoff fur die Kunststoff-Industrie zunehrnend an Bedeutung ge- winnt, wurde bisher entweder aus Kalkstickstoff uber Dicyandiamid oder durch Zer- setzen von Harnstoff bei hohen Temperaturen und Drucken hergestellt. Beide Verfahren sind jedoch relativ aufwendig. Es wurde daher ein einfaches, kontinuierlich arbeitendes Verfahren entwickelt, welches Harnstoff bei Atmospharendruck zu Melamin umsetzt. Der Harnstoff wird dabei zunachst durch Einblasen in eine heiBe Wirbelschicht in Cyan- saure und Arnmoniak zerlegt. Dieses Gasgemisch wird uber einen Katalysator geleitet, a n dem sich die Cyansaure zu Melamin umsetzt, welches rnit dem Reaktionsgas ab- sublimiert und aus diesem nach Abschrecken mit Wasser leicht abzentrifugiert werden kann.

Melamin gewinnt als Rohstoff fur die Kunststoff-Indu- strie zunehmend a n Bedeutung. Aus Melamin-Harzen hergestellte PreDmassen sind wegen ihrer Oberflachen- harte und ihrer guten Temperaturbestandigkeit ebenso wie auch Melamin-Leime, die sich durch ihre geringe Wasserloslichkeit im geharteten Zustand auszeichnen, heute beliebte Qualitatserzeugnisse. Der Marktanteil der aus Melamin-Harzen gewonnenen hochwertigen Erzeugnisse war bisher jedoch immer noch bescheiden, da Melamin relativ teuer ist.

Bisher iibliche Herstellungsverfahren

Melamin wurde bisher hauptsachlich aus Kalkstick- stoff uber Dicyandiamid hergestelltli. Die hohen Her- stellungskosten sind durch die viele,n hierfur erforder- lichen Verfahrensstufen bedingt. Zuerst muR CaIcium- carbid erzeugt werden, welches zu Kalkstidcstoff azo- tiert wird:

CaC, $. N2 + CaNCN + C.

Der Kalkstickstoff wird zu Cyanamid hydrolisiert und dieses anschlieRend zu Dicyandiamid dimerisiert :

CaNCN $. 2 H,O + Ca(OH), + H,NCN

2 H,NCN -+ H,N-C-NH-CzN. II NH

Durch eine Druckreaktion wird aus Dicyandiamid schlieRli& Melamin hergestellt :

NHZ

&p 3 HZN-C-NH-C-N + 2 HZN-C. F -NHz I

II "N NH

wobei das anfallende Rohprodukt umkristallisiert wer- de,n mu5, um die verlangte Reinheit des Verkaufspro- duktes zu erreichen.

Seit iiber einem Jahrzehnt wird in steigendem MaBe, vor allem in der Patent-Literature), uber einfachere Verfahren zur Herstellung von Melamin berichtet.

*) Die Arbeiten wurden in der Forshungsabteilung unter der Leitung von Prof. Dr. F. Weinrotter durchgefuhrt.

1140

Statt Calciumcarbid wird vorwiegend Harnstoff als Rohstoff genannt, der in den letzten Jahren infolge groDer Kapazitatsausweitungen boten wird. Beim Erhitzen von 500°C unter Drucken von uber min neben Kohlendioxid und Gleichung :

sehr preiswert ange- Harnstoff auf 400 bis 100 at entsteht Mela- Ammoniak nach der

Die technische Durchfuhrung des Hochdrudcverfahrens ist jedoch infolge der korrodierenden Eigenschaften der Reaktionsteilnehmer bei den Synthesebedingungen und des hohen Schmelzpunktes des Melamins (354°C) auf- wendig und bedarf einer genau gesteuerten Proze5- fuhrung. Das gewonnene Rohmelamin muD ebenfalls umkristallisiert werden.

Grundlagen des neuen Verfahrens

Die Usterreichische Stickstoffwerke AG hat ein konti- nuierlich arbeitendes Verfahren entwickelt, das aus Harnstoff bei Atmospharendruck, ohne Umkristallisa- tion, reinstes marktubliches Melamin liefert. Eine Pro- duktionsanlage mit einer Jahreskapazitat von etwa 400 t Melamin ist seit Mai 1964 in Betrieb. Eine weit groBere Anlage ist in Vorbereitung.

Um die beim Hochdruckverfahren entstehenden Sd-rwie- rigkeiten zu vermeiden, wird die Synthese des Mel- amins in zwei Stufen aufgeteilt: Der Harnstoff wird zu- nadwt in ein gasformiges Gemisch aus Isocyansaure und Ammoniak zerlegt:

CO(NK), 4 HNCO +NH,.

Dieses Gasgemisch wird uber einen Katalysator gelei- tet, an dem sich die Isocyansaure weitgehend zu Mel- amin umsetzt:

6 HNCO -+ C,N,(NH,), 4- 3 CO,

Die Temperatur des Katalysators ist so hoch, da8 das Melamin sofort mit dem Reaktionsgas absublimiert.

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Durch rasches Abschrecken des Reaktionsgases mit Wasser wird das Melamin abgeschieden, so daR man eine waRrige Suspension erhalt, aus der das Melamin durch Zentrifugieren leicht abgetrennt werden kann. Das so erhaltene Produkt ist nach dem Trodtnen be- reits verkaufsfertig. Das Abgas, ein Gemisch aus Am- moniak und Kohlendioxid, kann beliebig aufgearbeitet werden.

Die einzelnen Stufen des Verfahrens sind durch viele Patent-Anmeldungen in verschiedenen Landern ge- schiitzt3).

Vergasung des Harnstoffs

Harnstoff zeigt beim Erhitzen je nach der Erhitzungs- geschwindigkeit ein vollig unterschiedliches Verhalten. Wird er langsam uber seinen Schmelzpunkt (133°C) erhitzt, so entstehen unter Abspaltung von Ammoniak Biuret [H,N-CO-NH-CONH,] und schliefllich Cy- anursaure (I) bzw. Isocyanursaure (11)

OH 0 I I

I c=o 1 $1 I HO-C C-OH O = C

\ / \ / N N

H (I) (11)

Beim raschen Erhitzen auf 300 bis 420'C geht dagegen Harnstoff direkt in gasformige Produkte uber; es ent- stehen praktisch ausschlieRlich Ammoniak und Iso- cyansaure"). Die Reaktion ist stark endotherm, und der Warmebedarf der Uberfuhrung eines Kilogramms fe- sten Harnstoffs von 25°C in die gasformigen Produkte von 350°C betragt etwa 800 kcal. Da zur Erzeugung einer Tonne Melamin mehr als drei Tonnen Harnstoff vergast werden, ist fur die Gewahrleistung einer hin- reichend hohen Warmezufuhr die Bauweise des Harn- stoff-Vergasers von wesentlicher Bedeutung.

Abb. 1. GroDtednis.de Anlage zur Zersetzung von Harn- stoff in Cyansaure und Ammoniak.

Bei der Verfahrensentwicklung erwies sich die Verga- sung durch Einblasen von festem Harnstoff in eine heiRe Wirbelschicht aus einem feinkornigen inerten Material (Spezialsand) als gunstig. Die hierzu notige Apparatur wurde in drei Stufen entwickelt:

1 .) eine Laboratoriumsapparatur mit einer Leistung von 1,5 kg Harnstoff/h,

und 2.) eine kleintechnische Einheit fur 8 kg Harnstoff/h

3.) eine grofltechnische Anlage fur 250 kg Harnstoff:h, s. Abb. 1.

Bei jeder dieser Stufen waren zunachst umfangreiche stromungs- und warmetechnische Voruntersuchungen erforderlich. Die Wirbelschicht wird mit einem durch eine Verteilerplatte eingefuhrten Ammoniak-Strom aufrechterhalten. Der Harnstoff wird ebenfalls mit Ammoniak von unten in die Schicht eingeblasen und vergast praktisch augenblicklich. Um die Dosierung zu erleichtern, werden Harnstoff-Prills verwendet.

Der Harnstoff sol1 moglichst wenig Wasser enthalten, da dieses unter den Vergasungsbedingungen mit Harn- stoff zu Ammoniak und Kohlendioxid reagiert und so zu einem Ausbeuteverlust fuhrt. Der Gehalt an Biuret im Harnstoff hat keinen EinfluR.

Die Wirbelschicht wird von auRen beheizt. Da relztiv groRe Warmemengen umgesetzt werden, ist ein guter feuerungstechnischer Wirkungsgrad wichtig.

An den Werkstoff fur die Heizflachen werden beson- dere Anforderungen gestellt: Er muR bei den hohen Temperaturen n o d genugend Festigkeit aufweisen und auRerdem gegen den Angriff von Ammoniak be- standig sein. Auch die Erosion durch die Wirbelschicht ist zu berucksichtigen. Der Zerfall von Ammoniak in Stickstoff und Wasserstoff, der von vielen Metallen, wie Nickel, Eisen usw., katalytisch beschleunigt wird, darf von dem Wandmaterial nicht begunstigt werden, denn der entstehende Wasserstoff wurde Cyansaure zu Cyanwasserstoff reduzieren, der seinerseits zu Kor- rosionen fuhren konnte. Als geeignetstes Wandmate- rial, das diese Bedingungen erfullt, erwies sich ein warmfester ChromiNickelstahl.

Umsetzung der Cyansaure zu Melamin

Die Entstehung von dampfformigem Melamin aus Cyansaure ist ein exothermer Vorgang, bei dem etwa 715 kcal j e kg Melamin frei werden. Zur Beschleuni- gung der Reaktion ist ein heterogener Katalysator not- wendig.

Fur unsere ersten Versuche verwendeten wir die fur derartige Reaktionen in der chemischen Technik ubli- chen Rohrenofen, die eine Kuhlung des Katalysators zulassen. Die Ergebnisse waren jedoch unbefriedigend. Eine Verringerung der Hohe der Katalysator-Schicht ergab, daD nur die obersten 100 bis 150 mm am Umsatz beteiligt sind, der restliche Teil aber vollig inert ist.

") Cyansaure (HOCN) und Isocyansaure (HNCO) stehen i n einem Gleichgewidt, das bei hoheren Temperaturen weit- gehend auf der Seite der Isocyansaure liegt. Dem allge- meinen Sprachgebrauch folgend wird dieses Gleicfige- wichtsgemisch im weiteren als "Cyansaure" bezeichnet.

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Erst durch eine Verminderung der Gasgeschwindigkeit am Kontakt in den laminaren Bereich konnte der Um- satz entscheidend verbessert werden.

Fur einen technischen Reaktor wurde infolge der nied- rigen Gasgeschwindigkeit ein groRer Kontaktquer- schnitt benotigt. Bei der Verwendung eines Rohren- ofens hatte dies eine sehr groBe Anzahl von Rohren bedeutet. Andererseits muRte die entstehende Reak- tionswarme auf irgendeine Weise abgefiihrt werden. Es wurde daher ein u n g e k i i h l t e r V o l l r a u m - o f e n entwickelt, bei dem die Reaktionswarme durch das Reaktionsgas selbst abgefuhrt wird. Bei einem 90proz. Umsatz und einer Cyansaure-Konzentration von 10 Val.-% ergibt sich im Eingangsgas ein adiabati- scher Temperaturanstieg von rd. 120"C, bei 15 Vol.-"/o Cyansaure ein Anstieg von rd. l?O°C. Mit einem der- artigen Reaktor wurden in der grofitechnischen Anlage zufriedenstellende Umsatze erreicht.

Fur die ubrigen Synthesebedingungen, wie Tempera- tur, Cyansaure-Konzentration usw., lassen sich keine definierten optimalen Werte angeben, sondern es gibt vielmehr fur jede Kontaktanordnung mehrere optimale Bedingungen, die jedesmal innerhalb gewisser Gren- Zen neu bestimmt werden mussen.

Unter optimalen Bedingungen wurden bisher maximale Umsatze von 91 bis 95O/o d. Th. erhalten. Diese Werte sowie die Beobachtung, daB die Zugabe von Kohlen- dioxid zum Synthesegas den Umsatz merklich verrin- gert, deuten auf eine Gleichgewichtseinstellung. End- gultige Aussagen hieruber sind jedoch gegenwartig no& nicht moglich.

K a t a l y s a t o r e n

Alle fur die Synthese des Melamins in Frage kommen- den Katalysatoren haben das gemeinsame Merkmal, daR sie bei hohen Temperaturen no& freie Hydroxyl- Gruppen besitzen. Obwohl noch keine endgultigen Be- weise vorliegen, scheint die Synthese uber diese OH- Gruppen in zwei Stufen zu verlaufen:

1 .) Kat-OH + HNCO + Kat-NH, + CO,

2.) Kat-NH, 4- HOCN --f Kat-OH f H,N-CeN.

Das intermediar entstehende Cyanamid, H,N-CzN, ist nachweisbar. Es trimerisiert unter den Reaktions- bedingungen sehr schnell zu Melamin, das absublimiert. Das Ammoniak scheint an der Synthese nicht direkt beteiligt zu sein, da auch ein Cyansaure/Stickstoff-Ge- misch Melamin - wenn auch in sehr schlechter Aus- beute - ergibt. Die Aufgabe des Ammoniaks besteht offenbar vorwiegend in einer Stabilisation des ent- standenen Melamins, das sich sonst bei den hohen Synthese-Temperaturen bereits teilweise zu hoher kon- densierten Produkten umlagern wurde.

Katalysatoren, die mehr als 90°/o Umsatz ergeben, sind z. B. Silicagel, Tonerde-Gel, Aluminiumsilicat-Gele unti verwandte Substanzen. Ahnlich wirken verschiedene andere anorganische Verbindungen, wie z. B. Borphos- phat, Aluminiumphosphat, Eisenphosphat und Silicium- phosphate.

Die Hohe des Umsatzes am Katalysator ist besonders wichtig, da nur bei sehr hohen Umsatzen ein Melamin erhalten wird, das direkt, d. h. ohne nachfolgende Um- kristallisation, verwendbar ist.

Die Stabilitat der einzelnen Katalysatoren unter den Synthese-Bedingungen ist verschieden. Zur Dauer- testung von Kontakten wurde eine voliautomatisch arbeitende Laboratoriumsapparatur entwickelt, vgl. Abb. 2, bei der der Melamin-Umsatz taglich bestimmt wird. Silicagel stellt z. B. einen bezuglich Aktivitat her- vorragenden Kontakt dar. Durch die Anwesenheit von Ammoniak katalysiert, rekristallisiert jedoch die Kie- selsaure und zerfallt nach einiger Zeit zu Stauh, der ins Endprodukt gelangt. Solche Substanzen scheiden von vornherein als technische Katalysatoren aus.

Q NH3-Einleitungsrobr; b Sicher- heitswaschflasche; c NH,-Trok- kenturm mit NaOH; d,, d, Stro- mungskapillaren mit Manometer; e Motor und Getriebe; f, bzw.f, Harnstoff-Forderschnecken und Vorratsbehalter fur Reaktions- rohr I bzw. 11; g Harnstoff-Zer- setzer mit Aluminium-Stufentie- gel fur Rohr I und 11; h Kontakt- ofen(A1uminium-Block fur Rohr I und 11) : i Melamin-Absmeider; k Thermoelement fur Kontakt- - ofen; I , , I , Thermoelemente fur Harnstoff-Zersetzer I und 11; m,, rn2 Ableitungsrohre fur Ab- gase.

mi

Abb. 2. Laboratoriumsapparatur mil zwei Reaktionsrohrvii I und I1 zur Umsetzung von Harnstoff in Melamin (geeigncl fur HarnstoffIMelamin-Umsatzversuche sowie fur Kontakt- Aktivitatsteste) ;

Wie bereits erwahnt, genugt eine Katalysator-Schickt- hohe von etwa 100 mm, um den maximalen Umsatz zu erreichen. Bei einer groaeren Schichtdicke wandert die Reaktionszone infolge Nachlassens der Aktivitat der obersten Katalysator-Schichten im Laufe der Zeit lang- Sam weiter. Bei der Berechnung der grobtechnisch a n - gewandten Schichthohe muate ein KompromiR zwischen Kapitalaufwand und Haufigkeit des Katalysator-Wed- sels geschlossen werden.

Die Aktivitat der Katalysatoren sinkt allmahlich ah. Die Ursache dafur kann entweder eine irreversible Anderung der Kstalysator-Struktur oder eine mechani-

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sche Blockierung der aktiven Zentren durch nicht mehr absublimierbare Nebenprodukte sein. Bei einer Blockie- rung kann der Katalysator durch Behandeln rnit einem WasserdampfiAmmoniak-Gemisch an Ort und Stelle reaktiviert werden, da hierbei alle Stickstoff-Verbin- dungen zu Ammoniak und Kohlendioxid abgebaut wer- den und damit die Katalysator-Oberflache wieder frei- gelegt wird.

Harnstoll- Harnstofl- Vergaser Dosierung

Gewinnung des festen Melamins

Meiam in - Trockner

Da im Ausgangsgas des Syntheseofens neben Am- moniak, Melamin-Dampf und Kohlendioxid no& unum- gesetzte Cyansaure vorhanden ist, muO das Gasge- misch, um Nebenreaktionen zu vermeiden, moglichst rasch abgeschreckt werden. Die Cyansaure wandelt sicfi dabei teilweise iiber Ammoniumcyanat in Harn- stoff um oder hydrolysiert mit Wasser zu Ammoniak und Kohlendioxid. Das durch Zentrifugieren aus der waRrigen Suspension gewonnene Melamin ist sehr feinkornig (die meisten Teilchen haben einen Durch- messer zwiscfien 3 und 10 pm). Die Gefahr einer Inklu- sion von Mutterlauge ist daher nicht gegeben.

Die im Ausgangsgas enthaltene Warme wird durch Verdampfen des Wassers abgefuhrt. Das melamin-freie Gas enthalt daher eine entsprechende Menge an Dampf. Die im Kreislauf gefiihrte Mutterlauge sattigt sich ras& mit Ammoniak und Kohlendioxid. Zur Ausschleu- sung der geringen, aus de,r Cyansaure gebildeten Menge an Harnstoff wird laufend ein geringer Teil abgezogen und verworfen.

Treten im Ausgangsgas des Syntheseofens neben Am- moniak, unumgesetzter Cyansaure, Melamin-Dampf und Kohlendioxid no& andere Nebenprodukte auf, so lauft die Synthese nicht unter optimalen Bedingungen ab. Aus der Art der Nebenprodukte kann auf den Ort der Storung geschlossen werden.

Bei der Konstruktion des Abscheiders muO auch beach- tet werden, daO aus dem heiDen Gas nirgends Am- monium-cyanat auskondensieren kann, da sich dieses sofort in Harnstoff umlagern und dieser wieder uner- wunschte Nebenprodukte ergeben wurde.

Das feste Melamin wird auf der Zentrifuge rnit ent- salztem Wasser mutterlaugenfrei gewaschen, dann ge- trocknet und zur Zerkleinerung der beim Trodcnen gebildeten Agglomerate gemahlen. Abb. 3 zeigt no& einmal zusammenfassend schematisch die einzelnen Stufen der Melamin-Gewinnung.

Das so erhaltene Melamin ist ein staubfeines, rein weiRes Pulver mit einem Schiittgewicht von 0,33 kgil, dessen Qualitat der handelsublicher Produkte ent- spricht. Eine typische Analyse ist z. B.

Stickstoff 66,6 O/o

Ammelin + Ammelid"') 0,o o i o Asche 0,03'/0 wasserunlosliche Substanzen 0,03O/o Farbe der Formalin-Losung 20 APHA"").

"*) Ammelin und Ammelid sind Hydrolyseprodukte des Mel- amins, bei denen eine (Ammelin) bzw. zwei (Ammelid) Amino-Gruppen d u r h Hydroxyl-Gruppen ersetzt sind.

"") APHA 20 = Farbgleich mit einer salzsauren Losung. die 0,05 g K,PtCI, und 0,04 g CoC1,. 6H,O je 1 enthalt.

i

Kohlennsaure - oder Ammonium-

I Melamin

L I I

Abb. 3. Schema der Herstellung van Melamin aus Harnstoff bei Atmospharendrudc.

Die Angabe eines Melamin-Gehaltes ist bei diesem Reinheitsgrad kaum mehr signifikant; nach den ubli- &en Bestimmungsmethoden erhalt man 100°/o. Am brauchbarstea ers&eint die Vakuum-Sublimation, die einen Melamin-Gehalt von 99,88 bis 99,95O/o ergibt.

Infolge seiner Feinheit (TeilchengroOe meist 5 bis 10 pm Dmr.) ist das Melamin sehr reaktionsfreudig. Da es - im Gegensatz zu allen anderen bisher kommer- ziell erhaltlichen Produkten - nicht aus einer Natron- lauge enthaltenden Losung kristallisiert wurde, ist es auch frei von Natriumhydroxid.

Aufarbeitung des Abgases

Die Auftrennung und Aufarbeitung des aus dem Mel- amin-Washer kommenden Gasgemisches (Ammoniak, Kohlendioxid und Wasserdampf) muD stets an die je- weiligen ortlichen Verhaltnisse angepaBt werden, um die wirtschaftlim giinstigste Losung zu erreichen. Die bei der Synthese des Melamins benotigte Ammoniak- Menge wird vorteilhaft im Kreislauf wieder zurdck- gefiihrt, aus dem nur die bei der Harnstoff-Vergasung gemaD der Reaktionsgleichung als Nebenprodukt an- fallende Menge Ammoniak und das Kohlendioxid ent- fernt werden. Das in den Vergaser zuriickgefiihrte Am- moniak muO moglichst weitgehend getrocknet werden, da jedes Mol eingebrachtes Wasser nach der Gleichung

HNCO + 3 0

ein Mol Isocyansaure hydrolysiert.

Das Kohlendioxid und Ammoniak konnen auch gemein- Sam als Ammoniumcarbonat-Losung abgeschieden wer- den. Das Ammoniumcarbonat laDt sich dann zu einer Ammoniumcarbamat-Schmelze aufarbeiten, die in eine Harnstoff-Anlage ruckgefuhrt werden kann.

NH, + CO,

An der Entwicklung des Verfahrens haben unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. F . Weinrotter auBer dem Verfasser die Herren Dr. W. Muller, Dr. W. Bohler und Dip1.-Ing. W. Krulla und Dr. J . Schweighofer mitgear- beitet. Eingegangen am 25. Marz 1966 [B 21481

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Hochveredelung von Textilien aus Baumwolle

DR. H. FROTSCHER UND DR. W. KLING Anwendungstechnische Laboratorien der Henkel & Cie GmbH, Diisseldorf

Fur die Textil-Industrie ergibt sich in zunehmendem Ma8e die Aufgabe, Textilien zu entwickeln, die sich leichter pflegen lossen. Moglichkeifen hierzu bestehen einmal in der ,Verwendung synthetischer Fasern und zum anderen in einer entsprechenden Aus- riistung (Hochveredelung] von Baumwoll-Artikeln. Im folgenden wird ein kurzer Uber- blick gegeben iiber die Entwicklung und die chemischen Grundlagen der neueren Ver- fahren zur Pflegeleicht-Ausriistung von Baumwoll-Geweben, z. B . mit Harnstoff- bzw. Melamin-Derivaten und Formaldehyd, mi t Epoxid-Verbindungen, Chlorhydrin- Abkomm- lingen oder Derivaten des Divinylsulfons, durch die eine teilweise Vernetzung der Cellulose-Molekiile erzielt wird. Ferner wird die Technologie der Hochveredlung auf- gezeigt.

Nach Angaben der Bundesforschungsanstalt fur Haus- wirtschaft, Stuttgart-Hohenheim, hat 1953 die ,,Durch- schnittshausfrau" pro Jahr noch rd. 360 h fur Waschen und Bugeln aufgewendet. Mitte der funfziger Jahre brachte die Einfuhrung der elektrischen Waschmaschi- ne in die Haushalte der BRD zwar eine merkliche Ent- lastung fur das eigentliche Waschen - nicht aber fur die folgenden, zur Waschepflege gehorenden Arbeiten, das Trodcnen und Bugeln. Wahrend die Maschinen- Industrie gegenwartig Waschmaschinen konstruiert, in denen auch getrocknet und die uberschussige Feuch- tigkeit nach Kondensation als flussiges Wasser abge- fuhrt werden kann, ergibt sich fur die Textil-Industrie in zunehmendem MaDe die Aufgabe, Textilien bzw. Gewebe zu entwickeln, die sich leichter pflegen lassen und die, bei Einhaltung bestimmter Grundregeln, nicht gebugelt werden miissen. Die erste Moglichkeit be- steht in der V e r w e n d u n g v o n s y n t h e t i - s c h e n F a s e r n , aus denen sich Textilien mit hoher Formbestandigkeit und Knittererholung herstelIen las- sen, wie Perlon poros@ und Nyltest@ oder Artikel aus Mischungen von Baumwolle und Polyester. Die zweite Moglichkeit ist eine entsprechende A u s r ii s t u n g v o n besonders von Baumwoll-Geweben. Entwicklung und chemische Grundlagen dieser ,,Ho&veredelung" sollen im folgen- den ausfiihrlicher geschildert werden.

B a u m w o 11 - A r t i k e 1 n ,

Chemie der Hochveredelung

A l t e r e V e r f a h r e n

Die moderne Pflegeleicht-, Bugelfrei- oder wash and wear-Ausrustung von Baumwoll-Geweben'4 geht zu- ruck auf die sog. ,,Hochverdelung" von Geweben aus Kunstseide und besonders Zellwolle. Diese Ausriistung diente damals nicht dem Zweck, ,,glattrocknende" Ge- webe zu erzeugen, sondern strebte lediglich eine Ver-

besserung der Trockenknitterechtheit und der Dimen- sionsstabilitat im nassen Zustand an. Die verbesserte Dimensionsstabilitat war dabei eine Folge der durch die Ausrustung erreichten Herabsetzung der hohen Quellung von Regeneratcellulose-Fasern.

Die altesten Methoden zur Verringerung der Knitter- neigung von Reyon und Zellwolle beruhen auf einer Fullung der Fasern mit amorphen bzw. mikrokristalli- nen Stoffen. In der Praxis hat sich Borax als brauch- bar erwiesen3). Daneben sind verschiedene andere Mit- tel, wie Phosphate, Silicate, Stannate, Salicylate, Zuk- ker und Fette, vorgeschlagen worden. Die erreichten Knitterarmeffekte sind jedoch nicht waschecht und des- halb nur fur Oberbekleidungsstoffe, die nicht gewa- schen werden, brauchbar. Durch diese Verfahren wird naturlich auch die Dimensionsstabilitat nicht verbes- sert.

Der nachste Schritt zur Verbesserung der Knittereigen- scbaften war die Behandlung der Reyon-Gewebe mit Formaldehyd in Gegenwart saurer Katalysatoren (Sthenosage). Hierbei werden die Cellulose-Molekule, besonders in den wenig orientierten intermicellaren Bereichen der Fasern, vernetzt:

Cell-OH + HCH + HO-Cell --f I1 0

--f Cell-0-CHz-0-Cell + HzO

Dadurch wird die Quellbarkeit der Faser stark vermin- dert und ihre Querelastizitat erhoht, so daR sie we- sentlich verminderte Knitterneigung zeigt. Bei Reyon- Geweben hat sich diese Methode jedoch nicht dur&- setzen konnen, weil sie zu schwer kontrollierbaren Faserschadigungen fuhrt. Bei modernen Verfahren zur Pflegeleicht-Ausrustung von Baumwoll-Geweben haben Formaldehyd bzw. als Formaldehyd-Spender wirkende Verbindungen in neuerer Zeit eine gewisse Renais- sance erlebt (vgl. S. 1147). Auch andere Aldehyde, wie

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