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Seite 7 Seite 2 Seite 8 Seite 3 Seite 11 Seite 4 Neue Schulform Qualität in der Kita Schule in Vollzeit Linke Bildungsideale bei Eltern Islamischer Religionsunterricht Medien Vielfalt– Das Bildungsmagazin Herbst 2012 Die Herbstferien sind vorbei. Die Eltern der meisten ViertklässlerInnen machen sich auf den Weg, eine passende weiterführende Schule für ihre Kinder zu suchen. In diesem Jahr - wie bereits im vergangenen - ohne den Druck einer bindenden Empfehlung durch die Schule. Die Wahl wird bei einigen auf die neue Schulform in Nord- rhein-Westfalen, die „Sekundarschule“, fallen. „Viel- falt – Das Bildungsmagazinberichtet über erste Erfahrungen mit der neuen Schulform und darüber, dass zunehmend weniger Eltern die Hauptschule für ihre Kinder wählen. Einige Schüler, nicht viele, haben seit dem neuen Schuljahr ein neues versetzungsrelevantes Schul- fach, den islamischen Religionsunterricht. Pascal Beuker beschreibt den Start des neuen Schulfachs. Lesenswertes über die Diskriminierung von Roma und das Geschäft mit der Angst („Rechtspopulismus, Muslimfeindlichkeit und die extreme Rechte in Europa“) hat die Redaktion ebenso zusammenge- stellt wie Medien- und Kulturtipps für Kinder. Mit Informationen aus Kita, Schule und Erwachse- nenbildung hält „Vielfalt - Das Bildungsmagazin“ Sie auf dem Laufenden. In einer Sonderausgabe, die Ihnen in Kürze zukommt, schildern wir die Inklusi- onspläne und die Schulgesetznovelle in NRW. Dass Inklusion ein Thema für jedermann und jedefrau ist, zeigen die Reportagen über den Alltag von Kindern und Erwachsenen mit Behinderungen. Doch zunächst einmal eine gute Lektüre der Herbst- ausgabe von „Vielfalt – Das Bildungsmagazin“. Mercedes Pascual Iglesias und Donja Amirpur flickr, Dieter Thau

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Page 1: Herbst 2012 Vielfalt– - integration-in-bonn.de · Schule /3 KINDER BRAUCHEN ZEIT In Deutschland arbeiten Kinder und Jugendliche im Schnitt mehr als 38,5 Stun-den in der Woche in

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Neue Schulform Qualität in der Kita

Schule in Vollzeit Linke Bildungsideale bei Eltern

Islamischer Religionsunterricht Medien

Vielfalt–Das Bildungsmagazin

Herbst 2012

Die Herbstferien sindvorbei. Die Eltern der meisten ViertklässlerInnen machensich auf den Weg, eine passende weiterführendeSchule für ihre Kinder zu suchen. In diesem Jahr -wie bereits im vergangenen - ohne den Druck einerbindenden Empfehlung durch die Schule. Die Wahlwird bei einigen auf die neue Schulform in Nord-rhein-Westfalen, die „Sekundarschule“, fallen. „Viel-falt – Das Bildungsmagazin” berichtet über ersteErfahrungen mit der neuen Schulform und darüber,dass zunehmend weniger Eltern die Hauptschule fürihre Kinder wählen. Einige Schüler, nicht viele, haben seit dem neuenSchuljahr ein neues versetzungsrelevantes Schul-fach, den islamischen Religionsunterricht. PascalBeuker beschreibt den Start des neuen Schulfachs.

Lesenswertes über die Diskriminierung von Romaund das Geschäft mit der Angst („Rechtspopulismus,Muslimfeindlichkeit und die extreme Rechte inEuropa“) hat die Redaktion ebenso zusammenge-stellt wie Medien- und Kulturtipps für Kinder.Mit Informationen aus Kita, Schule und Erwachse-nenbildung hält „Vielfalt - Das Bildungsmagazin“Sie auf dem Laufenden. In einer Sonderausgabe, dieIhnen in Kürze zukommt, schildern wir die Inklusi-onspläne und die Schulgesetznovelle in NRW. DassInklusion ein Thema für jedermann und jedefrau ist,zeigen die Reportagen über den Alltag von Kindernund Erwachsenen mit Behinderungen.

Doch zunächst einmal eine gute Lektüre der Herbst-ausgabe von „Vielfalt – Das Bildungsmagazin“. Mercedes Pascual Iglesias und Donja Amirpur

flickr, Dieter Thau

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SEKUNDARSCHULEN STARTEN IN NRW

42 Sekundarschulen starteten nach den Sommerfe-rien in Nordrhein-Westfalen. Sie unterrichten ihreSchülerInnen mindestens bis zur sechsten Klasse ge-meinsam, die meisten aber länger. Ab Klasse 7 kanndas integrierte Konzept bis zur Klasse 10 fortgeführtwerden, die Kinder werden in einzelnen Fächernnach Leistung und Neigung differenziert unterrich-tet (teilintegriert) oder die Bildungsgänge derHauptschule, der Realschule und des Gymnasiumswerden abgebildet (kooperativ). Die Lehrpläne derSekundarschule orientieren sich an denen von Ge-samtschule und Realschule.Nach der zehnten Klasse wird ein Teil der SchülerIn-nen in die Oberstufe einer anderen Schule (Gesamt-schule, Gymnasium oder Berufskolleg) wechseln, einanderer in die Berufsausbildung. Die Nachfrage istgroß. Im Gegensatz dazu sank die Zahl der Anmeldungenfür Hauptschulen auf ein historisches Tief. In Nord-rhein-Westfalen hat das Schuljahr mit so wenigneuen HauptschülerInnen wie nie zuvor begonnen.Ihre Zahl sank um gut zehn Prozent auf rund 157

000. Schon im vergangenen Jahr waren weniger alszehn Prozent der Grundschulabgänger auf eineHauptschule gewechselt, während 41 Prozent dasGymnasium wählten.

ERSTE ERFAHRUNGEN IN DER SEKUNDAR-SCHULE KLEVE

Gabriele Pieper ist Schulleiterin der neuen Sekun-darschule in Kleve. Sie bietet gemeinsamen Unter-richt für alle bis zur 10. Klasse. Ariane Dettloff sprachmit ihr über ihre Erfahrungen in den ersten Schul-wochen:

„ES IST SCHÖN ZU SEHEN, WIE DIEKINDER SICH GEGENSEITIG HEL-FEN.“

Wie unterscheidet sich der Unterricht an der Se-kundarschule von dem an der Hauptschule, ander Sie zuvor tätig waren?Die Lerngruppen sind hier besonders heterogen. Ichfinde es sehr schön zu sehen, wie die Kinder sich ge-genseitig helfen. Für uns LehrerInnen bedingt das

Konzept des inklusiven Lernens einschließlich allerFörderschwerpunkte erst einmal höhere Anforde-rungen, insbesondere bei der Diagnose und beimLehrmaterial. Vor allem die Integration der Schüle-rInnen mit dem Förderschwerpunkt „Lernen“ ist füruns neu.

Wie bewältigen Sie das?Indem wir viel gemeinsam machen und die Arbeitauf mehrere Schultern verteilen. Es hilft, dass wirmit der Obergrenze von 25 SchülerInnen hier klei-nere Klassen bilden können. Und das Kollegium wirdvon drei SonderpädagogInnen mit 2,5 Stellen un-terstützt.

Welche Erfahrungen machen Sie mit SchülerIn-nen mit Migrationshintergrund?15 bis 20 Prozent der Kinder hier haben einen Mi-grationshintergrund. Fast alle sprechen sehr gutDeutsch. Diese Gruppe fällt nicht aus dem Rahmen.Auch die FörderschülerInnen fallen nicht auf, weilsie in den Unterricht integriert sind und wie alle an-deren individuell je nach Leistungsstand gefördertwerden. �

Schule /2

Vielfalt – Das Bildungsmagazinflickr, Pantham Books

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KINDER BRAUCHEN ZEIT

In Deutschland arbeiten Kinder und Jugendliche im Schnitt mehr als 38,5 Stun-den in der Woche in der Schule und zu Hause für die Schule. Das ist das Ergeb-nis einer Untersuchung, die das Deutsche Kinderhilfswerk und UNICEFDeutschland am 19. September veröffentlichte. 2000 Kinder und Jugendlichehatten für die nichtrepräsentative Studie Wochenpläne ausgefüllt und so Ein-blicke in ihr Alltagsleben ermöglicht. Die Auswertung der anonym erhobenenDaten zeigt, dass bei Mädchen wie bei Jungen aller Altersgruppen Schule undHausaufgaben den größten Raum einnehmen. Mit gut 40 Wochenstunden ar-beiten Mädchen allerdings im Schnitt drei Stunden mehr als Jungen für den Un-terricht. Mit zunehmendem Alter steigt der Zeitaufwand: Schon die I-Dötzchenkommen auf 31 Wochenstunden, bei den 7 bis 12 -Jährigen sind es 37 Stundenin der Woche und ab dem 13. Lebensjahr kommen gut 44 Stunden für den Un-terricht und seine Vorbereitung in der Woche zusammen.Da bleibt nur wenig Zeit für Hobbys und Freunde, denn als zweitwichtigstenZeitfaktor nannten die Kinder und Jugendlichen die mit der Familie verbrachteZeit. An dritter Stelle steht das „Chillen“: Faulenzen, Vor-sich-Hinträumen, Mu-sikhören, Lesen, Basteln oder Malen scheint der Ausgleich zum Vollzeitjob Schulezu sein. Bei Jungen schlagen ebenso zu Buche die 17 Stunden, die sie am Com-puter und beim Fernsehschauen verbringe, 7 Stunden mehr als Mädchen. FürFreundinnen und Freunde haben beide Geschlechter etwa 11 bis 13 Stunden inder Woche Zeit. Am kürzesten kommen in allen Altersgruppen sowie bei Jungenund Mädchen gleichermaßen „Hobbys“ wie Sport im Verein, Musik machen,Haustiere oder Nebenjobs.

Vielfalt – Das Bildungsmagazin

flickr, easternblot

IMMER MEHR MACHEN ABITUR

Der Bildungsmonitor des Instituts der deutschenWirtschaft hat ermittelt: 23 Prozent der SchülerIn-nen ohne deutschen Pass haben aktuell die Hoch-schulreife erworben. Im Jahr 2000 waren es erst 13Prozent. Bei SchülerInnen mit deutscher Staatsan-gehörigkeit macht jede/r Zweite Abitur.Allerdings: 14 Prozent der Menschen ohne deut-schen Pass haben keinen Schulabschluss und 40 Pro-zent keinen Berufsabschluss – bei deutschen

StaatsbürgerInnen ohne diese Biografie sind es nur 1,8 beziehungsweise 15,9 Prozent. Die Ursache siehtBildungsforscher Prof. Plünnecke darin, dass Mi-grantenkinder überproportional unter dem sozialimmer noch sehr undurchlässigen Bildungssystemleiden.Besserung verspricht das Modell zehnjährigen ge-meinsamen Lernens aller SchülerInnen, das ab 2013mit 15 Schulen in Nordrhein-Westfalen startet.

Auch in einem besseren Miteinander von Grund-schulen und weiterführenden Schulen sieht Prof. Wilfried Bos, Leiter des Dortmunder Instituts fürSchulentwicklungsforschung, einen Beitrag zu mehrBildungsgerechtigkeit. „Vier von zehn Kindern wer-den suboptimal auf die Schulformen verteilt“, be-klagt der Pädagoge.

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Vielfalt – Das Bildungsmagazin

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Seit Schuljahresbeginn steht für einige Muslime einneues Fach auf dem Stundenplan, das sie bisher nurvon ihren christlichen Mitschülern kannten: Religi-onslehre. Als erstes Bundesland hat Nordrhein-Westfalen den so genannten bekenntnisorientier-ten islamischen Unterricht als ordentliches Schul-fach eingeführt. Der Start ist überschaubar, vielesnoch ein Provisorium. Aber es ist ein Anfang. „DieEinführung ist ein Signal für die Integration der Mus-lime in Deutschland“, freut sich die grüne Landes-schulministerin Sylvia Löhrmann. Für Islamhasserrückt damit der Untergang des Abendlandes wiederein Stück näher; für alle anderen ist es ein Zeichender Anerkennung gesellschaftlicher Realitäten. WerMuslime als integralen Bestandteil der bundes-deutschen Gesellschaft begreift, muss ihnen auchdie gleichen Rechte einräumen.An 33 von insgesamt 3.038 Grundschulen im Landbegann das Experiment, das im Dezember vergan-genen Jahres von SPD, Grünen und CDU im Düssel-

dorfer Landtag beschlossen wurde. Im Regierungs-bezirk Köln haben bislang neun Grundschulen in Als-dorf, Bergheim, Bonn und Stolberg den islamischenReligionsunterricht eingeführt. Eine Schule in derGroßstadt Köln ist noch nicht dabei. „Wir gehen beider Einführung des islamischen Religionsunterrichtsplanvoll und schrittweise vor“, sagt Ministerin Löhr-mann. Daher werden zunächst nur rund 2.000 derinsgesamt 320.000 muslimischen Schülerinnen undSchüler das neue Angebot wahrnehmen können.Die Unterrichtssprache ist Deutsch. Die Leistungenwerden benotet und sind versetzungsrelevant. Al-lerdings gibt es noch keinen Lehrplan. Er soll bis zumSommer 2013 fertiggestellt sein. An speziell quali-fiziertem Personal mangelt es ebenfalls. Die erstentheologisch ausgebildeten Religionslehrer werdendie Universitäten erst 2019 verlassen. Zunächst ein-mal übernehmen 40 bisherige Islamkundelehrerden Job.

EIN KLEINER SCHRITT GEGEN UNGLEICHBE-HANDLUNGAber immerhin ist es ein kleiner Schritt zur Beendi-gung einer Ungleichbehandlung. Erstaunlich aberwahr: Die konfessionsgebundene schulische Glau-benslehre genießt in der Bundesrepublik besonde-ren verfassungsrechtlichen Schutz. Nicht Deutschoder Mathematik – nur der Religionsunterricht fin-det im Grundgesetz besondere Erwähnung. Dort istfestgeschrieben, dass er an öffentlichen Schulen einordentliches Lehrfach zu sein hat und „in Überein-stimmung mit den Grundsätzen der Religionsge-meinschaften erteilt“ wird. Die NRW-Landesverfassung schreibt vor, dass Lehr-pläne und Lehrbücher „im Einvernehmen mit derKirche oder Religionsgemeinschaft“ zu bestimmensind und auch die Religionslehrer „der Bevollmäch-tigung durch die Kirche oder durch die Religionsge-meinschaft“ bedürfen. Das sichert derentsprechenden religiösen Vereinigung sehr weit-

PROBLEME BEIM START DES NEUEN SCHULFACHS BESCHREIBT PASCAL BEUCKER

flickr, anantal

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gehende Einflussrechte. Den katholischen Religionsunterricht besuchten im vergangenen Schuljahr inNRW 995.370 Schüler, den evangelischen 790.507. Per Erlass festgelegt, kön-nen darüber hinaus die öffentlichen Schulen des Landes noch jüdischen, christ-lich-orthodoxen sowie islamisch-alevitischen Unterricht anbieten. Konkretnahmen 1.059 Schüler an 40 Schulen am jüdischen Religionsunterricht teil. Das1985 eingeführte Angebot für das ost- und südosteuropäisch geprägte ortho-doxe Christentum absolvierten 3.493 Kinder an 67 Schulen, den 2001 einge-richteten altorientalischen syrisch-orthodoxen Unterricht 1.503 Kinder an 63Schulen. Für 136 Schüler an zehn Schulen stand das Alevitentum auf dem Stun-denplan. Den Unterricht nach den Grundsätzen der Alevitischen Gemeinde Deutschlands(AABF) führte die damalige schwarz-gelbe Landesregierung 2008 ein. Das Ale-vitentum gilt als eigenständige Konfession innerhalb des Islam. Die AABF ist alsReligionsgemeinschaft anerkannt. Das unterscheidet sie von den im Koordina-tionsrat der Muslime in Deutschland (KRM) zusammengeschlossenen Verbändenüberwiegend sunnitischer Provenienz.

ANERKENNUNG FEHLT WEITERHINUnd genau das ist das Problem für die Mehrheit der Muslime: Ihren Organisa-tionen fehlt die Anerkennung als Religionsgemeinschaft – was bis heute als for-malrechtliche Begründung dient, ihnen nicht die gleichen Rechte zuzugestehenwie den Kirchen. Da es jedoch gleichzeitig dem Staat verfassungsrechtlich un-tersagt ist, ein bekenntnisorientiertes Angebot nach eigener Fasson zu kreie-ren, fiel nicht-alevitischer islamischer Religionsunterricht bislang aus.

In NRW setzten die jeweiligen Landesregierungen darum auf Hilfskonstruktio-nen. Seit 1986 können muslimische Schüler im Rahmen des „muttersprachli-chen Ergänzungsunterrichts“ an einer, meist in türkischer Sprache gehaltenen„islamkundlichen Unterweisung“ teilnehmen. 1999 wurde zusätzlich das kul-turwissenschaftlich orientierte Fach „Islamkunde in deutscher Sprache“ einge-führt, das auch nicht an ein Bekenntnis zum Islam gebunden ist und imvergangenen Schuljahr von 10.229 muslimischen Schülern an 143 Schulen be-sucht wurde. Nun soll ein achtköpfiger Beirat das Dilemma lösen, keinen adäquaten An-sprechpartner auf muslimischer Seite zu haben und trotzdem eine Gleichbe-handlung der Religionen zu erreichen. Schulministerin Löhrmann spricht voneiner „Brücke“. Auch die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor äußerte sich zwar „im Prinzipsehr erfreut“ über die Einführung des islamischen Religionsunterrichts, der ein„längst überfälliger Schritt“ sei. Aber der Einfluss der im KRM zusammenge-schlossenen Islamverbände sei zu stark. Obwohl sie nur gerade mal 20 bis 30Prozent der Muslime in Deutschland vertreten würden, werde ihnen „durch dieHintertür die Quasianerkennung als alleinige Repräsentanz der Muslime erteilt“.DITIB, Islamrat, VIKZ und ZMD würden einen traditionell-konservativen Islamvertreten, der legitim und notwendig sei, aber alleine nicht die Mehrheit derMuslime ausmache. „Es gibt auch andere, zeitgemäßere Sichtweisen“, sagt dieVorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes. Außerdem sei der Beirat rein sun-nitisch zusammengesetzt. Damit werde er dem Anspruch nicht gerecht, alle is-lamischen Strömungen mit Ausnahme der Aleviten, die bereits einen eigenenUnterricht haben, zu erfassen: „Die Schiiten sind nicht direkt berücksichtigt.“

Vielfalt – Das Bildungsmagazin

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Islamisches Religionsbuch Klett

Islamisches Religionsbuch Oldenburg

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Kita /6

Vielfalt – Das Bildungsmagazin

AWO-KITAS NUTZEN INTERNATIONALEN KINDERTAG

20. September 2012. Pünktlich um elf Uhr versammelten sich Kinder, Eltern undMitarbeiterinnen am Eingang der Kindertagesstätte der AWO Mittelrhein inHürth-Hermülheim und marschierten laut singend, mit Plakaten und Flyern ver-sehen, zu einer genehmigten Demo auf dem Berliner Platz in Hürth.

Die AWO-Kita unter der Leitung von Gisela Fiege nutzte wie viele weitere AWO-Kitas bundesweit den Internationalen Kindertag am 20. September, um sich fürdie Einhaltung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz zu engagieren.

Im Gespräch mit Passanten machten Eltern und Mitarbeiterinnen darauf auf-merksam, wie wichtig die Einhaltung dieses Rechtsanspruchs sei. Denn erstdurch die Betreuung der Kleinsten hätten viele Familien die Chance, Berufstä-tigkeit und Familienleben miteinander in Einklang zu bringen. Das Recht aufbestmögliche Bildung, chancengerechtes Aufwachsen, die Betreuung durch Pro-

fis, leistungsorientierte Vergütung für Fachpersonal in der Kindertagespflegeund die Möglichkeit der Unterbringung von allen kleinen Geschwisterkindernin derselben Einrichtung seien Wünsche der Familien und Erzieherinnen.

Ab August 2013 haben Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr Anspruchauf Betreuung. Die AWO fordert im Rahmen ihrer Kampagne „Jetzt schlägt´s13!“ (www.kita-kampagne.awo.org) mehr Kita-Plätze bei hoher Betreuungs-qualität.

Der AWO-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler begrüßte die zahlreichen Ak-tionen der AWO-Kitas vor Ort: „Die AWO macht sich dafür stark, dass alle Kinderunabhängig von ihrer Herkunft und ihrem Wohnort die gleichen Chancen auf Bil-dung und Teilhabe bekommen. Eine qualifizierte, hochwertige Kinderbetreu-ung spielt hierfür eine entscheidende Rolle.“

Ehsan Khakbaz, flickr

Kita-Leiterin Gisela Fiege (links) mit ihrer Rasselbande auf der Demo für mehr U3-Plätze

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Kita /7

Trotz spezieller vorschulischer Sprachlernprogramme in fast allen Bundeslän-dern haben sich die Sprachkenntnisse der SchulanfängerInnen nicht deutlichverbessert. ErstklässlerInnen aus Familien mit Migrationsgeschichte haben oftSchwierigkeiten, dem Unterricht zu folgen. Auch solche, die eine Kita besuchthaben. Der Grund ist kein Geheimnis: Erst wenn das Lernen außerhalb der Fa-milie zwei Jahre übersteigt, macht sich die Förderung bemerkbar. Je jünger dieKinder sind, desto mehr profitieren sie von Lernangeboten in den Kitas.28 Prozent der herkunftsdeutschen Kinder unter drei Jahren besuchen eineKrippe, bei den Einwandererkindern sind es nur 13 Prozent. Woran liegt das?Christian Alt vom Deutschen Jugendinstitut DJI meint, dass die Betreuungs-wünsche der Eltern sich im Schnitt nicht unterscheiden. Wenn jedoch türkisch-oder arabischstämmige Mütter einen Krippenplatz suchten, erhielten sie ofteine Absage, weil sie nicht berufstätig sind. Sie bräuchten den Platz ja nicht drin-gend. Doch selbst wenn diese Voraussetzung gegeben ist, vermutet Alt auf-grund seiner Erhebungen eine strukturelle Diskriminierung: „Die Einrichtungenkönnen sich schließlich aussuchen, wen sie nehmen.“ Die Krippengarantie für unter Dreijährige ab August 2013 soll das Problem be-heben. Doch voraussichtlich wird sie sich gerade in den ärmeren Kommunen,wo viele Familien mit Migrationsgeschichte leben, nicht realisieren lassen. Selbstwenn, bleibt jedoch das Problem der „ethnischen Segregation“, das heißt, wenndie Mehrzahl der Kita-Kinder nicht Deutsch spricht, ist die Chance des spieleri-schen Deutschlernens gering. Gerade für diese „Brennpunkt-Kitas“ wurden spe-zielle, meist verpflichtende Deutschkurse entwickelt. Leider ist ihr Erfolg gering:Formale Lernprogramme bringen in diesem Alter wenig. Hier müsse der Staateingreifen, fordert der Wissenschaftsjournalist Martin Spiewak. Kitas in sozia-len Brennpunkten müssten mit den kleinsten Gruppen, dem kompetentestenPersonal und der effektivsten Sprachförderung ausgestattet werden. Generelle Defizite in Kindertagesstätten kritisiert Sabine Weiland, die Vorsit-zende der GEW Rheinland-Pfalz. Dringend müsse der Personalschlüssel verbes-sert werden, um kleinere Gruppen bilden zu können. Die Stundenkontingentefür Leitungstätigkeiten reichten bei weitem nicht aus. Die Arbeitsbelastung derErzieherinnen sei gestiegen, die Arbeitszufriedenheit stark gesunken, der Kran-kenstand steige dramatisch. Den Fachkräftemangel durch Aufweichung der Rah-menbedingungen beheben zu wollen sei der falsche Weg, warnt Weiland. Lauteiner Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes fehlen hierzulande 20. 000ErzieherInnen.Männer könnten die Personalnot lindern, wenn man sie für den Erzieherberufgewinnt. Bislang sind sie nur zu 2,9 Prozent in deutschen Kindertagesstättenanzutreffen. Das von Bund und EU aufgelegte Programm „Männer in Kitas“ hatbisher wenig gebracht. Norbert Hocke, Kita-Experte der GEW, hätte die Millio-nen, die für Info-Busse, Mentorenprogramme und eine Studie ausgegeben wur-den, lieber aufgewendet gesehen, um Personalschlüssel undRahmenbedingungen zu verbessern. Ursache des Männermangels seien die biszu fünf Jahren dauernde Ausbildung und die geringe Bezahlung. Rund 2.200Euro brutto bekommt ein Berufsanfänger auf einer Vollzeitstelle. Die sind aller-dings ausgesprochen rar.

Vielfalt – Das Bildungsmagazin

flickr, Amir Choudhry

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Eltern /8

Vielfalt – Das Bildungsmagazin

pixelio.de, Robert Müller

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Bund & Land /9

ANONYMISIERTE BEWERBUNG GEFORDERT

Laut einer Studie der Antidiskriminierungsstelle desBundes sehen sich 41,9 Prozent der Befragten imWettbewerb um Arbeitsplätze benachteiligt. Men-schen türkischer Herkunft sowie Afrikaner, Asiatenund Südamerikaner sind am häufigsten betroffen.Ein kurzer Blick auf den Namen, das Geschlecht oderdas Alter genügt in vielen Fällen, um eine Bewer-bung auszusortieren: Menschen mit Migrationshin-tergrund haben deutlich schlechtere Chancen, zueinem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden.Das belegen zahlreiche Studien und die Beratungs

erfahrung der Antidiskriminierungsstelle des Bun-des (ADS). Festgestellt wurde aber auch: Je höher Bildungsniveau und Einkommen, desto seltener be-richten MigrantInnen von Benachteiligungen. Jüngst hat eine beim Institut zur Zukunft der Arbeit(IZA) erschienene Studie belegt, dass allein die An-gabe eines türkischen Namens ausreicht, die Chanceauf ein Vorstellungsgespräch um 14 Prozent zu sen-ken, in kleineren Unternehmen sogar um 24 Pro-zent. Das hat auch die Abiturientin Aslihan Kilicerfahren: Gab sie bei Onlinebewerbungen großerVersicherungsfirmen ihren türkischen Namen an,

wurde sie direkt aussortiert. „Nur wenige Minutennach dem Abschicken hatte ich eine Ablehnung. Beieiner Firma habe ich mich dann mit meinen echten Noten, aber einem deutschen Namen beworben undbin prompt zum Assessment Center eingeladen wor-den.“Damit diese Form der Diskriminierung verrin-gert wird, fordert Christine Lüders, Leiterin derAntidiskriminierungsstelle, anonymisierte Bewer-bungen einzuführen. In den USA, Kanada und Bel-gien haben sie sich seit Jahren bewährt. Weitere Informationen: www.antidiskriminierungs-stelle.de

Vielfalt – Das Bildungsmagazin

flickr, Matthew Foster

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Bund & Land/10

BENACHTEILIGUNG BEI PSYCHISCHER ERKRAN-KUNG

Menschen mit Migrationshintergrund sind inDeutschland schlecht versorgt, wenn es um psychi-sche Erkrankungen geht. Dabei sind sie doppelt sohäufig wie die übrige Bevölkerung davon betroffen.Das stellt die DGPPN (Deutsche Gesellschaft fürPsychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde)

in einem jetzt veröffentlichten Positionspapier fest.Gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil werden MigrantInnen psychotherapeutisch und psychosoma-tisch nicht angemessen behandelt. Bei den Ursachender Erkrankungen spielen laut Positionspapier u.a.folgende Probleme mit: Einsamkeit, Statusverlust,

sprachliche Probleme, schlechte Wohnverhältnisseund Erfahrungen mit Rassismus. Die DGPPN fordertdie interkulturelle Öffnung der Kliniken. Politik undKrankenkassen müssten für die Finanzierung medizinisch geschulter Sprach- und Kulturmittler sorgen,denn ohne sie sei eine psychiatrische Diagnostik undTherapie nicht möglich.

Vielfalt – Das Bildungsmagazin

Laut der OECD-Studie „Bildung auf einen Blick“, dieim September in Berlin vorgestellt wurde, hatDeutschland zwar aufgeholt, entwickelt sich aberdennoch im Bildungsbereich zu langsam. 2008 bis

2009 wurden hierzulande 5,3 Prozent des Bruttoin-landsprodukts (BIP) für Bildung aufgewendet – 0,4Prozentpunkte mehr als im Jahr 2000. Damit liegtdie Bundesrepublik immer noch unter dem Durch-

schnitt der Mitgliedsstaaten der OECD (Organisationfür wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-lung) mit 6,2 Prozent des BIP.

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Medien /11

Das neue Kinderradio besteht aus den täglichenRadiosendungen auf WDR5, einer neuen Home-page und KIRAKA im Digitalradio. Auf der neuenWebsite kann der integrierte Radioplayer ange-klickt werden, um live mitzuhören. Die aktuellenKindernachrichten „klicker“, Wissensbeiträge, Kin-der-Porträts und Comedybeiträge sind jederzeitabrufbar. Ebenfalls im KIRAKA zu hören ist das

erste deutsch-türkische Radiomagazin für Kinder„kelebek“, das im Mai 2012 gestartet ist. Im wö-chentlichen Magazin ist viel über die türkischeSprache, die Kulturen und das Leben von deut-schen Kindern mit türkischen Wurzeln zu hören.Kelebek läuft jeden Mittwoch (Samstag Wiederho-lung) von 15.00 bis 16.00 Uhr. Zu hören ist KIRAKA jeden Tag zwischen 6.00 und

22.00 Uhr im Digitalradio DAB+ sowie mit Radiosund Fernsehern, die an eine Satelitenschüssel(DVB-S) oder an das Kabel (DVB-C) angeschlossensind, und natürlich online über www.kiraka.de.Die tägliche WDR-Sendung KIRAKA, früher Lilipuz,empfängt man mit jedem UKW-Radio um 14.05Uhr, und auch die Bärenbude um 19.30 Uhr kannman weiterhin bei WDR5 hören.

Vielfalt – Das Bildungsmagazin

RECHTSPOPULISMUS, MUSLIMFEINDLICHKEITUND DIE EXTREME RECHTE IN EUROPA. Hg. Alexander Häusler und Hans-Peter Killguss

Mit Kampagnen gegen Moscheebauten, Minaretteoder schlicht gegen „den Islam“ versuchen Rechts-außenparteien in Europa Zustimmung zu gewinnen.Dabei machen diese Bewegungen ein „Geschäft mitder Angst“. Sie schüren Konflikte aggressiv mit ras-sistischer Stoßrichtung. Im Zentrum der Propagandastehen nicht nur „der Islam“, sondern auch und vorallem Muslime in Europa. Die Argumente sindimmer die gleichen: Zugewanderte = Islam = Ge-walt = Bedrohung. Die Veröffentlichung „Das Ge-schäft mit der Angst“ dokumentiert die

gleichnamige Tagung der Informationsstelle gegenRechtsextremismus im NS-Dokumentationszentrumvom Oktober 2011 in Köln mit über 200 Besuchernund Besucherinnen. Sie umfasst 14 Beiträge, unteranderem von Navid Kermani und Patrick Bahners,damaliger Feuilleton-Chef der FAZ, sowie von inter-nationalen Autoren und Autorinnen. Die Beiträgebeschreiben die Erscheinungsformen islamfeindli-cher Propaganda in verschiedenen Ländern Europasund vergleichen sie vor dem Hintergrund eines ge-samtgesellschaftlichen Entwicklungsprozesses mit-

einander. Außerdem erörtern die Autoren, wie dermuslimfeindliche Rassismus von rechtsaußen inDeutschland Fuß zu fassen versucht.Die Texte tragen zu einer Auseinandersetzung mitden Phänomenen Rechtsextremismus, Rassismusund Muslimfeindlichkeit bei. Die 148-seitige Broschüre kann für 9,90 Euro telefo-nisch über die Rufnummer 0221/221-26332 oderper E-Mail unter [email protected] bestellt wer-den.

www.kiraka.de

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Medien /12

Vielfalt – Das Bildungsmagazin

Das neue Buch des Südosteuropa-Korrespondenten Norbert Mappes-Niediek(u.a. schreibt er für die Frankfurter Rundschau und die Berliner Zeitung) ver-mittelt laufend Aha-Erlebnisse, wie zum Beispiel sein Kommentar zum „Roma-Problem“ hierzulande: „Wenn etwas besser werden soll, müssen die Problemezunächst bei ihrem richtigen Namen genannt werden. Sie heißen Armut, Ar-beitslosigkeit, Bildungsmisere oder unterfinanziertes Gesundheitswesen. Sie zulösen ist teurer und weniger bequem als die Gründung und Finanzierung einesweiteren Roma-Beirats.“ Denn die Armut vieler Roma, so der Autor, lässt sichnicht, wie oft gemutmaßt wird, mit ihrer Kultur erklären. Schließlich leben Zehn-tausende Gastarbeiter-Roma aus Jugoslawien seit den 60er Jahren völlig un-auffällig – und unerkannt – inmitten der Mehrheitsgesellschaft. Auffällig sind vor allem Roma-Neuzuwanderer aus den Balkan-Staaten. Ihredurch die prekären Lebensverhältnisse in den Elendsgebieten Südosteuropasgeprägten Gewohnheiten führen häufig zu Stress mit hiesigen Nachbarn. Ak-tuell zum Beispiel in Duisburg-Bergheim, wo mittels Unterschriftensammlungihre „Umsiedlung“ verlangt wird. Wo allerdings – wie in Berlin-Neukölln durchdie Aachener Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft – angemessener Wohn-raum geschaffen wird, sprachkundige Kulturmittler eingesetzt werden und vielauf Augenhöhe kommuniziert wird, gelingt ein friedfertiges Zusammenleben. Einige gängige Klischees über „die“ Roma konfrontiert Norbert Mappes-Niediekmit entgegenstehenden Fakten. Den Schein-Bettler, dessen Mercedes ums Eckparkt, gibt es wohl kaum. Eine Untersuchung der französischen Caritas ergabeine Tageseinnahme nach 12stündiger Bettelarbeit von günstigenfalls 30 Euro. Sind Roma gewalttätiger als andere Gruppen? Mappes-Niediek verweist auf einfür Roma-Fehden berüchtigtes Viertel in Craiova in Rumänien: In fünf Jahrengab es dort vier Morde, ein Hunderstel der Fälle in vergleichbaren Slum-Vier-teln etwa in Rio de Janeiro oder Johannesburg. Noch seltener sind Morde vonRoma an Nicht-Roma.

Sind dennoch Roma krimineller als letztere? Keineswegs, weiß der Autor, aber:„In den westeuropäischen Gesellschaften werden Roma überhaupt nur als sol-che wahrgenommen, wenn sie stehlen oder betrügen.“Schmutzig? Faul? Sexuell freizügig? Was an solchen Annahmen über Roma inwelcher Weise und mit welcher Begründung zutrifft, ist ausgesprochen span-nend und teils überraschend zu lesen. Überraschend auch, wie Mappes-Niediekden Begriff der Integration hinterfragt: „Ohne dass wir uns das klarmachen, stel-len wir uns unsere Gesellschaft als eine Gesellschaft der Gleichen oder wenig-stens der Chancengleichen vor, wenn wir von Integration sprechen. InWirklichkeit bestehen unsere westlichen Gesellschaften noch immer aus Armenund Reichen, Mächtigen und Machtlosen. , Integriert’, und zwar nicht nur wirt-schaftlich, ist streng genommen auch jeder Sklave.“Die von der Europäischen Union ausgerufene Roma-Dekade 2005 bis 2015, dieeine eigenartige „Gypsy-Industrie“ hervorgebracht hat, analysiert Norbert Map-pes-Niediek als Problemverschiebung: Wirksamer wären generelle Sozialpro-gramme. Bettelei wäre dann statt Gegenstand der Kulturforschung Thema einerSozialdebatte. Und: „Wenn es die Kategorie Roma nicht gäbe, würde nicht mehrdarüber debattiert, warum so viele Roma-Kinder in Sonderschulen gehen. Statt-dessen würde man sich vielleicht fragen, warum es so etwas wie Sonderschu-len überhaupt noch gibt.“Ohne die Sonderrolle der Roma, so die Diagnose Mappes-Niedieks, fiele es derMehrheit weniger leicht, sich von den Verachteten zu distanzieren und sich mitderen Fremdheit über die Gefahr der eigenen Verelendung hinwegzutrösten.

Norbert Mappes-Niediek: „Arme Roma, böse Zigeuner. Was an den Vorurteilenüber die Zuwanderer stimmt.“ Christoph Links Verlag, Berlin 2012, 208 Seiten,16,90 Euro

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„DIE LEBENSSITUATION VON MUSLIMI-SCHEN KINDERN UND JUGENDLICHEN“.

Mo. 03.12.2012, 17.30-19.30 Uhr,Fachhoschule KölnUbierring 48, 50678 KölnRaum 112

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