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GUTACHTEN Zur Auslegung der VO (EG) Nr. 216/2008 und den gesellschaftsrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten des Betriebs eines Luftfahrzeuges Auftraggeber: Airwork Press GmbH Flugplatz 2, 63329 Egelsbach Rechtsanwalt Prof. Dr. Martin Maslaton Recht der Erneuerbaren Energien TU Chemnitz /TU Bergakademie Freiberg Fachanwalt für Verwaltungsrecht Rechtsanwältin Dr. Manuela Koch www.maslaton.de

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GUTACHTEN

Zur Auslegung der VO (EG) Nr. 216/2008

und den gesellschaftsrechtlichen

Gestaltungsmöglichkeiten des Betriebs

eines Luftfahrzeuges

Auftraggeber: Airwork Press GmbH

Flugplatz 2, 63329 Egelsbach

Rechtsanwalt Prof. Dr. Martin Maslaton

Recht der Erneuerbaren Energien

TU Chemnitz /TU Bergakademie Freiberg

Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Rechtsanwältin Dr. Manuela Koch

www.maslaton.de

2

Gliederung

A. Sachverhalt und Aufgabenstellung ................................................................... 3

B. Rechtliche Würdigung ....................................................................................... 5

I. Rechtliche Ausgangslage ............................................................................... 5

1. Luftfahrzeuge gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. c) VO (EG) Nr. 216/2008

(„c-Variante“) ............................................................................................... 6 2. Luftfahrzeuge gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. d) VO (EG) Nr. 216/2008

(„d-Variante“) .............................................................................................. 7 3. Zwischenergebnis ..................................................................................... 8

II. Betreiberbegriff ............................................................................................ 8

1. Legaldefinition des Betreiberbegriffs ....................................................... 8 2. Rechtsvergleichende Betrachtung .......................................................... 10

a. Europarechtliche Normen .................................................................. 10 b. Nationales deutsches Recht ............................................................... 11

aa. LuftVG ......................................................................................... 11 bb. BImSchG ..................................................................................... 13 cc. TEHG ........................................................................................... 13 dd. Energierecht ................................................................................. 14 ee. Zwischenergebnis ........................................................................ 15

3. Ergebnis zu II. ........................................................................................ 15

III. Betreiber außerhalb der Gemeinschaft ...................................................... 16

1. Airwork Press GmbH ............................................................................. 16 2. Airwork Operations Ltd. ........................................................................ 16

a. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ..... 17 aa. Ansässigkeit ................................................................................. 18 bb. Gemeinschaftszugehörigkeit ....................................................... 20 cc. Niederlassung ............................................................................... 21

b. Deutsches Gesellschaftsrecht ............................................................. 23 aa. Begriff der Zweigniederlassung ................................................... 24 bb. Anwendung auf den vorliegenden Fall ........................................ 25

c. Zwischenergebnis ............................................................................... 26 3. Exkurs: Gesellschaftsrechtliche Folgen ................................................. 27

IV. Zusammenfassung und rechtliche Empfehlung ........................................ 29

Anhang: Auszug aus VO (EG) Nr. 216/2008 ...................................................... 32

3

A. Sachverhalt und Aufgabenstellung

Die Airwork Press GmbH, eine deutsche Gesellschaft, ist Herausgeber der Zeit-

schrift „Pilot und Flugzeug“ und veranstaltet Leserreisen und Seminare. Darüber

hinaus vermietet die Airwork Press GmbH verschiedene Flugzeuge (u.a. Cheyenne

und „LISA“) an die Leser der Zeitschrift bzw. nutzt diese für eigene betriebliche

Zwecke. Dem liegt folgende rechtliche Konstruktion zugrunde:

Die Flugzeuge LISA und Cheyenne sind in einem US-Trust in Delaware registriert.

Trustor (Stifter) ist die Airwork Press GmbH. Der Trust least die Flugzeuge zurück

an die Airwork Press GmbH, die also sowohl Stifter als auch Leasingnehmer ist.

Der Trust ist Treuhänder und Leasinggeber. Die Flugzeuge sind in den USA

N-registriert und voll JAR-konform ausgerüstet, jedoch in erster Linie in Egelsbach

(Deutschland) stationiert. Durch die Airwork Press GmbH werden Wartung,

Instandhaltungsprogramm, Finanzen, Reservierungsplan etc. eigenverantwortlich

durchgeführt bzw. betreut.

Zur derzeitigen Vermietungspraxis: Die Vermietung insbesondere des Leserflug-

zeuges LISA erfolgt zu einem erheblichen Teil an Kunden, die ausschließlich über

N-Lizenzen, oft mit US-IFR-rating verfügen. Unter Geltung der Verordnung (EG)

Nr. 216/2008 (sog. Basic Regulations) können daraus Probleme resultieren, denn

nach muss der Pilot beim Betrieb von N-registrierten Flugzeugen zusätzlich zur

US-Lizenz noch über die passende JAR- oder EASA-Lizenz verfügen. Die

Airwork Press GmbH befürchtet, aufgrund dieser Regularien einen erheblichen

Kundenstamm zu verlieren. Ziel ist es daher, die Flugzeuge (insbesondere das Le-

serflugzeug LISA) – ggf. durch gesellschaftsrechtliche Konstruktionen – so zu

betreiben, dass weiterhin N-Lizenzen für die Piloten ausreichend sind. Hierzu plant

die Airwork Press GmbH folgendes Vorgehen:

Gründung der Airwork Holding Ltd. auf der Kanalinsel Guernsey, die nicht

zu den Mitgliedstaaten der EU zählt.

Verkauf der Airwork Press GmbH, die als deutsche GmbH in ihrer Form

bestehen bleibt, an die Airwork Holding Ltd.

Gründung der Airwork Operations Ltd. durch die Airwork Holding Ltd. als

100 %-ige Tochtergesellschaft, ebenfalls auf Guernsey.

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Transfer aller Flugzeug-Aktivitäten durch die Holding von der GmbH in

die neue Airwork Operations Ltd., die künftig sämtliche Flugaktivitäten

veranstaltet und die Flugzeuge sowohl an die Leser der Zeitschrift wie

auch an die GmbH für eigene betriebliche Zwecke vermietet. Die Airwork

Operations Ltd. wird Stifter und Leasingnehmer des Trusts.

Übernahme aller Namens- und Lizenzrechte an der Zeitschrift, des Kun-

denstamms, der Internetdomains etc. durch die Airwork Holding Ltd. und

Vermietung gegen Lizenzgebühr an die Airwork Press GmbH, die weiter-

hin Herausgeber der Zeitschrift sowie Veranstalter der Leserreisen und

Seminare bleibt.

Ziel soll es sein, die Airwork Operations Ltd. als Betreiber der Flugzeuge darzu-

stellen und den Sitz so rechtssicher wie möglich aus der EU hinaus zu verlegen, um

die Anforderungen der Basic Regulations bzw. der EASA-FCL zu vermeiden. Da-

bei sind die Flugzeuge jedoch weiterhin in erster Linie in Egelsbach (Deutschland)

stationiert und werden auch von dort aus verwaltet. Der Sitz der Firmengruppe wie

auch der Airwork Operations Ltd. soll dabei – soweit ohne Rechtsnachteile mög-

lich – weitgehend als „Briefkastengesellschaft“ ausgestaltet sein.

Aufgabenstellung:

Rechtsgutachtlich ist in einem ersten Schritt zu untersuchen, wie der Betreiberbe-

griff gemäß Art. 3 h) VO (EG) 216/2008 auszulegen ist und wer in der dargestell-

ten gesellschaftsrechtlichen Konstruktion Betreiber der Flugzeuge wird. Im zwei-

ten Schritt ist zu prüfen, ob die Verlagerung der Airwork Operations Ltd. als Lea-

singnehmer der Flugzeuge auf die Insel Guernsey dazu führt, dass die Anforderun-

gen der VO (EG) 216/2008, insbesondere hinsichtlich der Lizensierung gemäß

EASA-FCL, nicht beachtet werden müssen. Dabei ist zu beleuchten, welche Min-

destanforderungen an die Verlagerung einer Gesellschaft aus der EU heraus zu

stellen sind, damit diese nicht mehr in der EU niedergelassen bzw. ansässig ist. Ziel

soll es sein, die Rechtsverhältnisse so zu gestalten, dass die Flugzeuge weiterhin an

Leser vermietet und von diesen innerhalb der EU genutzt werden können, die aus-

schließlich über N-Lizenzen verfügen.

Steuerrechtliche Folgen der dargestellten Konstruktion sind auftragsgemäß nicht

vom Prüfungsumfang umfasst. Aufgrund der hohen steuerrechtlichen Relevanz

5

empfehlen wir nachdrücklich, die gewählte Konstruktion einer sorgfältigen Prü-

fung durch einen Steuerberater unterziehen zu lassen.

B. Rechtliche Würdigung

I. Rechtliche Ausgangslage

Bevor die Folgen und Auswirkungen der angedachten gesellschaftsrechtlichen

Lösung bewertet werden können, soll kurz die rechtliche Ausgangslage dargestellt

werden, die Grundlage für die zu erwartenden Probleme bei der Vermietung der

Flugzeuge nach der derzeitigen Vermietungspraxis ist:

Bereits im Jahr 2008 ist die EU-Verordnung VO (EG) Nr. 216/2008 zur Festlegung

gemeinsamer Vorschriften für die Zivilluftfahrt und zur Errichtung einer Europäi-

schen Agentur für Flugsicherheit (EASA) in Kraft getreten. Diese verfolgt das Ziel,

im Bereich der Zivilluftfahrt für die europäischen Bürger jederzeit ein einheitliches

und hohes Schutzniveau zu gewährleisten, wozu gemeinsame Sicherheitsvorschrif-

ten erlassen werden sollen, vgl. Erwägungsgrund (1)1. Gleichzeitig schafft die Ver-

ordnung einen angemessenen und umfassenden Regelungsrahmen für die Sicher-

heit von Luftfahrzeugen aus Drittstaaten die Flughäfen in der Gemeinschaft anflie-

gen, vgl. Erwägungsgrund (34).

Den unmittelbaren Anwendungsbereich der Verordnung und der auf ihrer Grund-

lage erlassenen weiteren Rechtsvorschriften (insbesondere EASA-FCL, Verord-

nung (EU) Nr. 1178/2011) regelt Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 216/2008. Danach

müssen Luftfahrzeuge – neben solchen, die in einem Mitgliedstaat registriert sind –

dieser Verordnung entsprechen, die

c. in einem Drittland registriert sind und von einem Betreiber eingesetzt wer-

den, über den ein Mitgliedstaat die Betriebsaufsicht ausübt, oder von einem

Betreiber, der in der Gemeinschaft niedergelassen oder ansässig ist, auf

Strecken in die, innerhalb der oder aus der Gemeinschaft eingesetzt wer-

den, oder

1 Die zitierten Erwägungsgründe sowie die wesentlichen zitierten Vorschriften der VO

(EG) Nr. 216/2008 sind im Anhang abgedruckt.

6

d. in einem Drittland registriert sind oder in einem Mitgliedstaat registriert

sind, der die behördliche Sicherheitsaufsicht hierfür an ein Drittland dele-

giert hat, und von einem Drittlandsbetreiber auf Strecken in die, innerhalb

der oder aus der Gemeinschaft eingesetzt werden.

Vorliegend sind die Flugzeuge sowohl in der derzeitigen gesellschaftsrechtlichen

Konstruktion als auch nach der angedachten gesellschaftsrechtlichen Umgestaltung

in den USA und damit außerhalb der EU (N-)registriert. Bei Registrierung in einem

Drittland muss daher nach Art. 4 Abs. 1 lit. c) und d) VO (EG) Nr. 216/2008 ge-

prüft werden, ob und inwieweit diese Flugzeuge der Verordnung unterfallen. Diese

beiden Tatbestände unterscheiden sich wohl hinsichtlich des Betreibers

(Drittlandsbetreiber oder in der EU niedergelassener Betreiber) wie auch hinsicht-

lich der Rechtsfolgen.

1. Luftfahrzeuge gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. c) VO (EG) Nr. 216/2008 („c-Variante“)

Art. 4 Abs. 1 lit. c) VO (EG) Nr. 216/2008 erfasst in einem Drittland registrierte

Flugzeuge, die von einem Betreiber eingesetzt werden, über den entweder ein Mit-

gliedstaat die Betriebsaufsicht ausübt oder der in der Gemeinschaft ansässig oder

niedergelassen ist, soweit das Luftfahrzeugt auf Strecken eingesetzt wird, die die

Gemeinschaft in irgendeiner Weise tangieren. Diese Fallkonstellation wird zur

besseren Verständlichkeit im Folgenden als „c-Variante“ bezeichnet.

In diesem Fällen müssen im Wesentlichen dieselben Bestimmungen eingehalten

werden, die auch für Luftfahrzeuge gelten, die in einem Mitgliedstaat registriert

sind, unter anderem:

Gemäß Art. 5 Abs. 1 VO (EG) Nr. 216/2008 müssen Luftfahrzeuge die in

Anhang I zur Verordnung festgelegten Anforderungen an die Lufttüchtig-

keit erfüllen. Dort sind Anforderungen an die Integrität des Erzeugnisses

für alle vorgesehenen Flugbedingungen während der Betriebslebensdauer

des Luftfahrzeugs, an den Betrieb dieser Erzeugnisse sowie Organisationen

(einschließlich natürlicher Personen, die im Rahmen des Entwurfs, der

Herstellung oder der Instandhaltung tätig werden) niedergelegt.

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Piloten, die mit dem Führen von Luftfahrzeugen im Sinne von Art. 4 Abs.

1 lit. c) VO (EG) Nr. 216/2008 befasst sind, müssten nach Art. 7 Abs. 1

VO (EG) Nr. 216/2008 den in Anhang III aufgeführten einschlägigen

„grundlegenden Anforderungen“ genügen, insbesondere hinsichtlich ihrer

theoretischen, ihrer praktischen und ihrer Sprachkenntnisse. Nach Art. 7

Abs. 6 VO (EG) Nr. 216/2008 in Verbindung mit den EASA-FCL (VO

(EU) Nr. 1178/2011) gehören hierzu auch die Anforderungen der EASA-

FCL, die von den Piloten einzuhalten sind, insbesondere hinsichtlich der

benötigten Lizenzen.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 VO (EG) Nr. 216/2008 muss der Betrieb von Luft-

fahrzeugen den in Anhang IV aufgeführten grundlegenden Anforderungen

genügen. Über Art. 8 Abs. 5 VO (EG) Nr. 216/2008 findet sich auch hier

ein Verweis auf die EASA-FCL, die auf dieser Rechtsgrundlage von der

Kommission erlassen wurden.

2. Luftfahrzeuge gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. d) VO (EG) Nr. 216/2008 („d-Variante“)

Art. 4 Abs. 1 lit. d) VO (EG) Nr. 216/2008 erfasst demgegenüber solche in einem

Drittland registrierten Luftfahrzeuge, die von einem Drittlandsbetreiber auf Stre-

cken eingesetzt werden, die die Gemeinschaft in irgendeiner Weise tangieren. Die-

se Fallkonstellation wird zur besseren Verständlichkeit im Folgenden als „d-

Variante“ bezeichnet.

In diesen Fällen müssen Luftfahrzeuge und Besatzung nicht sämtlichen Vorschrif-

ten der Verordnung und der auf dieser Grundlage erlassenen EASA-FCL genügen,

sondern lediglich den Anforderungen nach Art. 9 Abs. 1 VO (EG) Nr. 216/2008

entsprechen. Hiernach müssen die in Art. 4 Abs. 1 lit. d) VO (EG) Nr. 216/2008

genannten Luftfahrzeuge, ihre Besatzung und ihr Betrieb die geltenden ICAO-

Normen erfüllen. Nur soweit diesbezügliche Normen nicht vorhanden sind, müssen

diese Luftfahrzeuge und ihr Betrieb – nicht aber die Besatzung – die in den Anhän-

gen I, III und IV festgelegten Anforderungen erfüllen, sofern diese Anforderungen

den Rechten dritter Länder aufgrund internationaler Übereinkünfte nicht zuwider-

laufen.

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3. Zwischenergebnis

Festzuhalten ist zunächst, dass die Verlegung des Betriebes bzw. des Betreibers der

Flugzeuge in das EU-Ausland nicht zur vollständigen Freistellung von Verpflich-

tungen nach der Verordnung führt. Für die Feststellung, welche Regularien im

vorliegenden Fall eingehalten werden müssen – die EU-Basic Regulations ein-

schließlich EASA-FCL („c-Variante“) oder lediglich die geltenden ICAO-

Bestimmungen („d-Variante“) – , kommt es danach maßgeblich darauf an, ob das

Luftfahrzeug von einem Drittlandsbetreiber oder von einem Betreiber betrieben

wird, der in der Gemeinschaft niedergelassen oder ansässig ist. Im vorliegenden

Fall ist daher in einem ersten Schritt zu klären, wer derzeit bzw. nach der künftig

angedachten gesellschaftsrechtlichen Konstruktion „Betreiber“ der Luftfahrzeuge

im Sinne der EU-Basic Regulations ist (II.) und ob es sich dabei um einen

Drittlandsbetreiber handelt oder nicht (III.).

II. Betreiberbegriff

Fraglich ist daher, wer vorliegend Betreiber der Flugzeuge „LISA“ und Cheyenne

ist und wer Betreiber nach der gesellschaftsrechtlichen Umgestaltung sein wird.

Als Betreiber kommen generell verschiedene Anknüpfungspunkte in Betracht –

zunächst der US-Trust als Leasinggeber, dann die Gesellschaft als Leasingnehmer

(derzeit Airwork Press GmbH mit Sitz in Deutschland, später Airwork Operations

Ltd. mit Sitz auf Guernsey) sowie schließlich die jeweilige natürliche oder juristi-

sche Person, die das Flugzeug zur Durchführung von Flügen chartert.

1. Legaldefinition des Betreiberbegriffs

Der Begriff des Betreibers im Sinne der EU-Basic Regulations sowie der auf ihrer

Grundlage erlassenen Rechtsvorschriften (insbesondere EASA-FCL) ist in Art. 3

lit. h) VO (EG) Nr. 216/2008 definiert als

„... eine juristische oder natürliche Person, die ein oder mehrere Luft-

fahrzeuge betreibt oder zu betreiben beabsichtigt;“

9

Diese Definition hilft freilich nicht viel weiter, da sie mit dem „Betrieb eines Luft-

fahrzeuges“ erneut einen unbestimmten Rechtsbegriff enthält, der seinerseits nicht

ausdrücklich gesetzlich definiert ist. Der Betreiberbegriff bedarf daher der Ausle-

gung, wobei zunächst die Anhaltspunkte heranzuziehen sind, die sich aus den EU-

Basic Regulations selbst ergeben.

Rein dem Wortlaut nach ergibt sich kein eindeutiger Befund. Das Betreiben könnte

hiernach sowohl an die Eigentumslage anknüpfen als auch daran, wer das wirt-

schaftliche Risiko des Anlagenbetriebes trägt. Nicht zuletzt erscheint es vom Wort-

laut des Art. 3 lit. h) VO (EG) Nr. 216/2008 auch umfasst, den Piloten als denjeni-

gen aufzufassen, der das Flugzeug jeweils im Einzelfall betreibt.

Gegen letztgenannte Interpretation lassen sich allerdings Argumente aus dem Re-

gelungszusammenhang der Verordnung finden. So ist etwa Art. 7 Abs. 1 VO (EG)

Nr. 216/2008 ausdrücklich an Piloten adressiert, die mit dem Führen von Luftfahr-

zeugen befasst sind. Die Verordnung differenziert damit zwischen dem Betreiber

einerseits und dem Piloten andererseits, woraus zu schlussfolgern ist, dass der Be-

trieb eines Luftfahrzeuges nicht mit dem bloßen Führen gleichgesetzt werden kann.

Damit kann der Pilot zwar mit dem Betreiber identisch sein, allerdings ist er nicht

allein aufgrund der Tatsache, dass er das Flugzeug fliegt, als dessen Betreiber im

Sinne des Art. 3 lit. h) VO (EG) Nr. 216/2008 einzustufen. Da im vorliegenden Fall

die jeweiligen natürlichen oder juristischen Personen das Flugzeug indes nur für

Einzelstrecken chartern und zeitweise nutzen, scheiden sie als Betreiber aus.

Damit ist jedoch noch keine Aussage darüber getroffen, ob der US-Trust als Eigen-

tümer oder vielmehr die Airwork Press GmbH (nach gesellschaftsrechtlicher Um-

gestaltung die Airwork Operations Ltd.) als Leasingnehmerin als Betreiber im Sin-

ne der Verordnung gelten, letztere etwa weil sie die Wartung, Instandhaltungspro-

gramm, Finanzen, Reservierungsplan etc. eigenverantwortlich durchführt bzw.

betreut. Hierfür ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte aus den EU-Basic

Regulations selbst, so dass durch rechtsvergleichende Betrachtung der Betreiber-

begriff näher ausgefüllt werden muss.

10

2. Rechtsvergleichende Betrachtung

a. Europarechtliche Normen

Da es sich bei den EU-Basic Regulations um einen europäischen Rechtssatz han-

delt, sind zur Auslegung des Betreiberbegriffs zunächst weitere – möglichst

sachnahe – europäische Normen heranzuziehen. Aus dem Bereich der Luftfahrt ist

in diesem Zusammenhang die Verordnung (EG) Nr. 785/2004 über Versicherungs-

anforderungen an Luftfahrtunternehmen und Luftfahrzeugbetreiber zu nennen.

Dort ist zwar der Begriff des Betreibers allgemein nicht definiert, wohl aber der des

Luftfahrzeugbetreibers. Gemäß Art. 3 lit. c) VO (EG) Nr. 785/2004 ist Luftfahr-

zeugbetreiber diejenige Person oder Rechtspersönlichkeit, die ständige Verfü-

gungsgewalt über die Nutzung oder den Betrieb des Luftfahrzeuges hat, jedoch

kein Luftfahrtunternehmen ist; die als Eigentümer des Luftfahrzeugs eingetragene

natürliche oder juristische Person gilt als Betreiber, es sei denn, sie kann nachwei-

sen, dass eine andere Person das Luftfahrzeug betreibt.

Da der hier unmittelbar einschlägige Art. 3 lit. h) der EU-Basic Regulations zur

Umschreibung des Betreiberbegriffs ebenfalls auf den Betrieb eines Luftfahrzeugs

abhebt, erscheint es angezeigt, die Definition des Luftfahrzeugbetreibers nach

Art. 3 lit. c) VO (EG) Nr. 785/2004 zur näheren Bestimmung heranzuziehen. Da-

raus lassen sich zwei wesentliche Schlüsse ableiten: Zum einen wird klargestellt,

dass der Eigentümer eines Luftfahrzeugs zwar im Zweifel, aber nicht zwingend

dessen Betreiber ist. Aus der Eigentümerstellung kann daher nicht auf die Betrei-

berstellung geschlossen werden. Zum anderen knüpft die Begriffsdefinition an die

ständige Verfügungsgewalt über das Flugzeug an. Dies schließt – wie auch schon

der Auslegungsbefund zu Art. 3 lit. h VO (EG) Nr. 216/2008 ergeben hat – die

jeweiligen Piloten, die lediglich während der von ihnen durchgeführten Flüge und

damit nicht ständig die tatsächliche Verfügungsgewalt über das Luftfahrzeug ha-

ben, vom Betreiberbegriff aus.

Im vorliegenden Fall spricht daher unter Gesamtschau der einschlägigen europa-

rechtlichen Vorschriften einiges dafür, zur Bestimmung des Betreibers weder auf

die formale Eigentumslage noch auf den konkreten Piloten abzustellen. Vielmehr

kommt es darauf an, wer die ständige Verfügungsgewalt über das Flugzeug hat.

Dies ist im vorliegenden Fall die Airwork Press GmbH (bzw. nach gesellschafts-

rechtlicher Umgestaltung die Airwork Operations Ltd.), die sämtliche Flugaktivitä-

11

ten organisiert und zudem die Wartung, Instandhaltungsprogramm, Finanzen, Re-

servierungsplan etc. eigenverantwortlich durchführt bzw. betreut, die hiernach als

auch Betreiber im Sinne des Art. 3 lit. h) VO (EG) Nr. 216/2008 anzusehen sein

dürfte.

b. Nationales deutsches Recht

Dieses Auslegungsergebnis bestätigt sich durch eine vergleichende Betrachtung

mit dem Betreiberbegriff im nationalen deutschen Recht. Im Einzelnen:

aa. LuftVG

Da vorliegend die Auslegung luftverkehrsrechtlicher Regelungen im Raum steht,

ist zunächst der Blick in das nationale Luftverkehrsrecht, hier vor allem das Luft-

verkehrsgesetz (LuftVG), zu richten. Im LuftVG fehlt ein vorangestellter Katalog

mit Begriffsbestimmungen. Lediglich vereinzelt finden sich in den einzelnen Be-

stimmungen Legaldefinitionen, beispielsweise in § 4 Abs. 1 LuftVG die Definition

des Luftfahrers als Person, die ein Luftfahrzeug führt oder bedient. Der Betreiber-

begriff als solches wird nicht ausdrücklich definiert, jedoch vereinzelt im Gesetz

verwendet, beispielsweise in § 29 Abs. 5 Nr. 4 LuftVG. Dort ist geregelt, welche

Angaben die Luftaufsichtsbehörden an die Europäische Kommission bzw. an die

Europäische Agentur für Flugsicherheit zu melden haben. Neben dem Halter oder

Betreiber eines Luftfahrzeugs (§ 29 Abs. 5 Nr. 4 LuftVG) ist dies u.a. Name und

Staat des Leasinggebers (§ 29 Abs. 5 Nr. 6 LuftVG). Aus diesem Regelungszu-

sammenhang ist zu entnehmen, dass – jedenfalls im Geltungsbereich dieses Geset-

zes – der Leasinggeber weder als Betreiber noch als Halter angesehen wird.

Das LuftVG ist vielmehr geprägt von dem Begriffspaar Luftfahrer / Luftfahrzeug-

führer einerseits und Luftfahrzeughalter andererseits (vgl. etwa die Gefährdungs-

haftung des Halters des Luftfahrzeugs gemäß § 33 Abs. 1 LuftVG). Auch der Be-

griff des Halters ist gesetzlich nicht definiert, wird aber in Anlehnung an die stän-

dige Rechtsprechung in Kraftfahrangelegenheiten bestimmt als derjenige, der das

Luftfahrzeug für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die für den Gebrauch er-

forderliche tatsächliche Verfügungsgewalt besitzt.

- vgl. Giemulla, in: Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum

Luftverkehrsrecht, Bd. 1.2 (Stand: Feb. 2007), § 33 Rn 18 m.w.N. -

12

Die Haltereigenschaft ist somit nicht in erster Linie nach den rechtlichen, sondern

vielmehr nach wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnissen zu bestimmen. Das

Eigentum ist dabei lediglich ein Indiz für die Haltereigenschaft.

- vgl. Giemulla, in: Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum

Luftverkehrsrecht, Bd. 1.2 (Stand: Feb. 2007), § 33 Rn 18 -

Nach herrschender Meinung in der Literatur wird der Charterer eines Luftfahrzeugs

grundsätzlich nicht Halter, es sei denn, der (ursprüngliche) Halter überlässt das

Luftfahrzeug über einen bestimmten Zeitraum zu einem festen Preis an den Charte-

rer, so dass er nicht nur die Anweisungsbefugnis verliert, sondern auch der Betrieb

auf eigene Rechnung und Gefahr des Charterers erfolgt.

- vgl. Giemulla, in: Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum

Luftverkehrsrecht, Bd. 1.2 (Stand: Feb. 2007), § 33 Rn 19 m.w.N. -

Diese Grundsätze zugrunde gelegt, wäre vorliegend die Airwork Press GmbH

(bzw. nach gesellschaftsrechtlicher Umgestaltung die Airwork Operations Ltd.) als

Halterin des Flugzeugs einzustufen. Soweit das Flugzeug an die Leser für Einzel-

flüge verchartert, erfolgt dies – jedenfalls nach unserem derzeitigen Verständnis –

nicht dergestalt, dass die jeweiligen Charterer für diesen Zeitraum das Flugzeug

vollständig auf eigene Rechnung und Gefahr betreiben. Die Charterer dürften da-

mit voraussichtlich nicht als Halter einzustufen sein. Gleiches gilt für den US-Trust

als Leasinggeber des Luftfahrzeugs. Vielmehr führt die Airwork Press GmbH

sämtliche Flugaktivitäten und auch Wartung, Instandhaltungsprogramm, Finanzen,

Reservierungsplan etc. auf eigene Verantwortung und eigene Rechnung durch, so

dass damit dem Halterbegriff im Sinne des LuftVG Genüge getan wird.

Im Hinblick auf die Frage, ob die Airwork Press GmbH gleichzeitig als Betreiber

des Luftfahrzeugs im Sinne der europarechtlichen Vorschriften einzustufen ist, ist

diese Feststellung freilich eher unergiebig. Gleichwohl erscheint es zumindest nicht

abwegig, die Kriterien zur Bestimmung des Halterbegriffs auch auf den Betreiber-

begriff nach Art. 3 lit. h) EG (VO) Nr. 216/2008 anzuwenden, da es in beiden Fäl-

len – in Abgrenzung zur Person des Luftfahrzeugführers bzw. des Piloten – um die

Bestimmung derjenigen Person geht, der das konkrete Luftfahrzeug über einen

gewissen Zeitraum organisatorisch und wirtschaftlich zugeordnet ist.

13

bb. BImSchG

Auch unabhängig vom Luftverkehr hat der Betreiberbegriff im öffentlichen Recht

eine große Bedeutung, insbesondere im Immissionsschutzrecht. Das BImSchG

knüpft an die Person des Betreibers einer Anlage eine Vielzahl gesetzlicher Ver-

pflichtungen, ohne den Betreiberbegriff selbst gesetzlich zu definieren. Der Begriff

wird im Gesetz jedoch an verschiedenen Stellen verwendet und vorausgesetzt. Von

der Rechtsprechung wird als Betreiber diejenige natürliche oder juristische Person

angesehen, die die Anlage in ihrem Namen, auf ihre Rechnung und in eigener Ver-

antwortung führt.

- vgl. Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, § 3 Rn 81;

BVerwGE 107, 299/301 -

Entscheidendes Kriterium ist dabei ein bestimmender, maßgeblicher Einfluss auf

Lage, Beschaffenheit und Betrieb der Anlage. Dieser Einfluss wird in der Regel als

gegeben angesehen, wenn die betreffende Person die tatsächliche Verfügungsge-

walt bzw. Sachherrschaft innehat.

- vgl. Jarass, BImSchG, 6. Aufl. 2005, § 3 Rn 81 -

Die Bestimmung des Betreiberbegriffes deckt sich damit weitgehend mit den bis-

her gefundenen Auslegungsergebnissen und bestätigt diese.

cc. TEHG

Eine gesetzliche Definition des Luftfahrzeugbetreibers findet sich darüber hinaus

im Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG). Gemäß § 3 Nr. 7 TEHG wird

der Luftfahrzeugbetreiber definiert als eine natürliche oder juristische Person oder

Personengesellschaft, die die unmittelbare Entscheidungsgewalt über ein Luftfahr-

zeug zu dem Zeitpunkt innehat, zu dem mit diesem eine Luftverkehrstätigkeit

durchgeführt wird, und die dabei die wirtschaftlichen Risiken der Luftverkehrstä-

tigkeit trägt, oder, wenn die Identität dieser Person nicht bekannt ist oder vom Luft-

fahrzeugeigentümer nicht angegeben wird, der Eigentümer des Luftfahrzeugs. We-

sentliche Kriterien des Betreiberbegriffs sind mithin die tatsächliche Verfügungs-

gewalt über das Luftfahrzeug sowie die Übernahme des wirtschaftlichen Risikos

der Luftverkehrstätigkeit. Auch lässt sich entnehmen, dass Betreiber nicht notwen-

14

dig der Eigentümer sein muss; dieser wird lediglich als Betreiber definiert, soweit

die Identität des eigentlichen Betreibers nicht bekannt ist. Dies deckt sich weitge-

hend mit dem Betreiberbegriff in Art. 3 lit. c) VO (EG) Nr. 785/2004.

Die Begriffsbestimmung im TEHG geht – zumindest mittelbar – zurück auf eine

europarechtliche Definition in der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den

Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten in der Gemeinschaft [...]. In Art. 3

lit. f) dieser Richtlinie wird der Begriff des Betreibers als eine Person definiert, die

eine Anlage betreibt oder besitzt oder der — sofern in den nationalen Rechtsvor-

schriften vorgesehen — die ausschlaggebende wirtschaftliche Verfügungsmacht

über den technischen Betrieb einer Anlage übertragen worden ist. Wenngleich mit

der „Anlage“ in diesem Sinne nur ortsfeste technische Einrichtungen in Bezug

genommen werden, so lassen sich doch gewisse Parallelen zum Betreiberbegriff

gemäß Art. 3 lit. h) VO (EG) Nr. 216/2008 erkennen.

dd. Energierecht

Schließlich kann noch ein Blick auf spezifische energierechtliche Regelungen ge-

richtet werden, die ebenfalls Rechte und Pflichten an die Person des Betreibers

einer Anlage anknüpfen. Zu nennen sind hierbei zum einen das Erneuerbare-

Energien-Gesetz (EEG) sowie das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz (KWKG), die

beide eine Legaldefinition des Begriffs des (Anlagen-)Betreibers vorhalten. Gemäß

§ 3 Nr. 2 EEG 2012 ist Anlagenbetreiber, wer unabhängig vom Eigentum die An-

lage für die Erzeugung von Strom nutzt. Nach der amtlichen Begründung soll es

darauf ankommen, wer die Kosten und das wirtschaftliche Risiko des Anlagenbe-

triebs trägt und das Recht hat, die Anlage auf eigene Rechnung zu nutzen, also über

ihren Einsatz zumindest bestimmenden Einfluss hat.

- BT-Drs. 16/8148, S. 38 -

In eine ähnliche Richtung geht auch § 3 Abs. 10 KWKG, wonach Betreiber von

KWK-Anlagen diejenigen Personen sind, die Strom in ein Netz einspeisen oder für

die Eigenversorgung zur Verfügung stellen; die Betreibereigenschaft ist dabei aus-

drücklich unabhängig von der Eigentümerstellung.

15

ee. Zwischenergebnis

Auch wenn die Anknüpfungspunkte für den Betreiberbegriff bzw. den im Bereich

des LuftVG verwendeten Begriff des Halters durchaus unterschiedlich sind, lässt

sich im nationalen Recht eine deutliche Linie dahingehend feststellen, dass es nicht

auf die Eigentümerstellung ankommen soll. Vielmehr wird in allen betrachteten

Fällen im Wesentlichen auf die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Sache so-

wie darauf abgestellt, wer das wirtschaftliche Risiko des Betriebes trägt („auf eige-

ne Rechnung“).

3. Ergebnis zu II.

In der Gesamtschau der betrachteten europarechtlichen wie nationalen Regelungen

spricht damit einiges dafür, zur Auslegung des Betreiberbegriffes in Art. 3 lit. h)

VO (EG) Nr. 216/2008 darauf abzustellen, wer die tatsächliche Verfügungsgewalt

über das Luftfahrzeug innehat und es auf eigene Rechnung sowie eigenes wirt-

schaftliches Risiko nutzt. Eine solche Auslegung erscheint im Regelungszusam-

menhang der VO (EG) Nr. 216/2008 angemessen, da die Verordnung an den Be-

treiber eine Vielzahl von Verpflichtungen richtet, die schlechterdings nur diejenige

Person erfüllen bzw. deren Erfüllung überwachen kann, die bestimmenden Einfluss

auf das konkrete Luftfahrzeug und dessen Betrieb hat. Schon aus der Verordnung

selbst ergibt sich, dass es nicht auf den eigentlichen Luftfahrzeugführer ankommen

kann. Zudem ist die vorgeschlagene Auslegung mit Wortlaut des Art. 3 lit. h) VO

(EG) Nr. 216/2008 ohne weiteres vereinbar.

Dies zugrunde gelegt, ist vorliegend festzustellen, dass der bestimmende Einfluss

über den Einsatz des Luftfahrzeuges (z.B. Organisation der Vermietung an die

Leser der Zeitschrift „Pilot und Flugzeug“ einschließlich der Option, im Einzelfall

die Vermietung abzulehnen; Reservierungsplanung) und das wirtschaftliche Risiko

des Betriebes (z.B. Finanzierung von Wartung, Instandhaltung etc. auf eigene

Rechnung) bei der Airwork Press GmbH bzw. nach gesellschaftsrechtlicher Umge-

staltung bei der Airwork Operations Ltd. liegt. Die Vercharterung findet – jeden-

falls nach unserem derzeitigen Verständnis – jeweils für Einzelflüge an Dritte statt,

in einer Art und Weise, dass dennoch der bestimmende Einfluss über das Flugzeug

bei der Airwork Press GmbH verbleibt. Demgegenüber haben weder die Charterer

noch der US-Trust maßgeblichen Einfluss auf den Betrieb des Luftfahrzeuges noch

ziehen sie dessen Nutzungen auf eigene Rechnung und eigenes wirtschaftliches

16

Risiko. Es sprechen vor diesem Hintergrund ganz erhebliche Argumente dafür, die

Airwork Press GmbH bzw. Airwork Operations Ltd. als Betreiber im Sinne des

Art. 3 lit. h) VO (EG) Nr. 216/2008 einzustufen.

Mangels einschlägiger Rechtsprechung konkret zur Auslegung des Art. 3 lit. h) VO

(EG) Nr. 216/2008 muss jedoch auf verbleibende Rechtsunsicherheiten hingewie-

sen werden, die sich derzeit nicht vollständig ausräumen lassen.

III. Betreiber außerhalb der Gemeinschaft

Für die Feststellung, welche Regularien im vorliegenden Fall eingehalten werden

müssen – die EU-Basic Regulations einschließlich EASA-FCL („c-Variante“) oder

lediglich die geltenden ICAO-Bestimmungen („d-Variante“) – , kommt es gemäß

Art. 4 Abs. 1 lit. c) und d) VO (EG) Nr. 216/2008 maßgeblich darauf an, ob das

Luftfahrzeug von einem Drittlandsbetreiber oder von einem Betreiber betrieben

wird, der in der Gemeinschaft niedergelassen oder ansässig ist.

1. Airwork Press GmbH

Derzeit erfolgt der Flugzeugbetrieb durch die Airwork Press GmbH, eine deutsche

Gesellschaft mit Sitz in Egelsbach (Deutschland). Weitere Niederlassungen im In-

oder Ausland gibt es – soweit bekannt – nicht. Die Airwork Press GmbH ist zwei-

felsfrei in Deutschland und damit in der Gemeinschaft ansässig, so dass auf sie als

Flugzeugbetreiber Art. 4 Abs. 1 lit. c) VO (EG) Nr. 216/2008 Anwendung findet.

Demgemäß wären die Verpflichtungen aus den EU-Basic Regulations wie auch aus

den EASA-FCL vollumfänglich einzuhalten, was gerade verhindert werden soll.

Die Betreibereigenschaft der Flugzeuge sollte daher künftig keinesfalls bei der

Airwork Press GmbH verbleiben, sondern im Wege gesellschaftsrechtlicher Um-

strukturierungen möglichst auf eine Gesellschaft übertragen werden, die weder in

der Gemeinschaft ansässig noch niedergelassen ist.

2. Airwork Operations Ltd.

Zu diesem Zweck ist beabsichtigt, auf der Kanalinsel Guernsey die Airwork Hol-

ding Ltd. und als deren 100 %-ige Tochtergesellschaft die Airwork Operations Ltd.

zu gründen. Der gesamte Flugbetrieb, der derzeit von der Airwork Press GmbH

17

durchgeführt und organisiert wird, soll vollständig auf die Airwork Operations Ltd.

übertragen werden. Die tatsächliche Verwaltung des Flugzeugs und seiner Vermie-

tung soll aber möglichst weiterhin von Egelsbach aus erfolgen, wo das Flugzeug

auch nach wie vor hauptsächlich stationiert bleiben soll.

Damit die Airwork Operations Ltd. Betreiberin der Luftfahrzeuge im Sinne des

Art. 3 lit. h) VO (EG) Nr. 216/2008 wird, sollte sichergestellt werden, dass diese

sowohl die tatsächliche Verfügungsgewalt erhält wie auch allein das wirtschaftli-

che Risiko des Anlagenbetriebes trägt. Sämtliche Betriebsausgaben wie etwa für

Wartung und Instandhaltung sollten durch die Airwork Operations Ltd. getragen

werden, was eine getrennte Kontoführung und Buchhaltung erfordert. Fraglich ist

jedoch, ob dies allein ausreicht für einen sog. „Drittlandsbetreiber“ im Sinne des

Art. 4 Abs. 1 lit. d) VO (EG) Nr. 216/2008, also einen Betreiber, der in der Ge-

meinschaft weder ansässig noch niedergelassen ist. Dies könnte vor dem Hinter-

grund problematisch sein, als die tatsächliche Verwaltung der Flugzeuge (Vermie-

tung, Reservierungsplanung, Organisation von Wartung und Instandhaltung) wei-

terhin von Deutschland aus erfolgen soll, während am eigentlichen Sitz der Gesell-

schaft auf Guernsey möglichst nur eine „Briefkastenfirma“ bzw. ein allenfalls ge-

legentlich besetztes Büro vorhanden sein soll. Auch sollen die Flugzeuge weiterhin

hauptsächlich in Egelsbach stationiert bleiben.

Zu untersuchen ist daher, unter welchen Voraussetzungen ein Betreiber in der Ge-

meinschaft „ansässig oder niedergelassen“ im Sinne des Art. 4 Abs. 1 lit. c) VO

(EG) Nr. 216/2008 ist. Welche Anforderungen an eine Ansässigkeit oder Nieder-

lassung in der Gemeinschaft zu stellen sind, ergibt sich nicht unmittelbar aus der

Verordnung, so dass auch dies wiederum im Wege der Auslegung ermittelt werden

muss.

a. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)

Anknüpfungspunkt hierfür könnte zunächst der Vertrag über die Arbeitsweise der

Europäischen Union (AEUV), der bisherige EG-Vertrag und einer der beiden

Gründungsverträge der Europäischen Union, sein. Dieser ist die Rechtsgrundlage

für die von der EU erlassenen Rechtsake wie Verordnungen oder Richtlinien und

liegt damit letztlich auch der hier zu beurteilenden Verordnung (EG) Nr. 216/2008

zugrunde.

18

Die Begriffe der Niederlassung sowie der Ansässigkeit finden sich dort im Zu-

sammenhang mit der Niederlassungsfreiheit, insbesondere in Art. 49 Abs. 1 AEUV

sowie Art. 54 AEUV. Gemäß Art. 49 Abs. 1 AEUV sind Beschränkungen der frei-

en Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet

eines anderen Mitgliedstaats verboten; das Gleiche gilt für Beschränkungen der

Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften durch

Angehörige eines Mitgliedstaats, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ansäs-

sig sind. Art. 54 Abs. 1 AEUV regelt, dass für die Anwendung der Vorschriften

über die Niederlassungsfreiheit die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaa-

tes gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwal-

tung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, den natürlichen

Personen gleichstehen, die Angehörige der Mitgliedstaaten sind.

Festzustellen ist zunächst, dass die Regelungen der Niederlassungsfreiheit nicht

unmittelbar auf die Airwork Operations Ltd. anwendbar sind, da dies nach Art. 54

Abs. 1 AEUV erfordert, dass die Gesellschaft nach den Vorschriften eines Mit-

gliedstaats gegründet wurde. Dies ist aber angesichts der Gründung auf der Kanal-

insel Guernsey, die nicht Mitglied der EU ist, nicht der Fall. Gleichwohl lassen die

Vorschriften zur Niederlassungsfreiheit Rückschlüsse auf die Auslegung der Be-

griffe „Ansässigkeit“ und „Niederlassung“ im europarechtlichen Sinn zu, die auch

auf die Frage übertragbar sind, ob und inwieweit die Betreibergesellschaft im

Rahmen des Art. 4 Abs. 1 lit. c) VO (EG) Nr. 216/2008 in der Gemeinschaft ansäs-

sig oder niedergelassen sind.

aa. Ansässigkeit

Das Erfordernis der Ansässigkeit im Sinne des Art. 49 Abs. 1 Satz 2 AEUV wird

entsprechend der wirtschaftlichen Funktion des Niederlassungsrechts nach dem Ort

der gewerblichen Tätigkeit bestimmt. In Bezug auf Gesellschaften wird dem Be-

griff „ansässig“ im Geltungsbereich des Vertrages über die Arbeitsweise der Euro-

päischen Union lediglich die Bedeutung beigemessen, solche Gesellschaften aus-

zugrenzen, die nur oder vornehmlich in EU-fremde Volkswirtschaften integriert

sind.

- vgl. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäi-

schen Union, 46. EL 2011, EU-Arbeitsweisevertrag Art. 49 Rn 58 -

19

Besteht eine Berührung zu Drittstaaten, lässt dies die Ansässigkeit in der EU nur

entfallen, wenn die Auslandsberührung auch beachtlich ist, etwa wenn die Gesell-

schaft bei wirtschaftlicher Betrachtung über eine Hauptniederlassung außerhalb der

EU verfügt. Dabei soll es nicht darauf ankommen, wer Kapitaleigner der Gesell-

schaft ist.

- vgl. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäi-

schen Union, 46. EL 2011, EU-Arbeitsweisevertrag Art. 49 Rn 59 -

Welche Anforderungen an das Ansässigkeitserfordernis im Einzelnen zu stellen

sind, hat der EuGH bisher nicht konkretisiert. Die Literatur geht insoweit von einer

wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus und stellt darauf ab, ob eine tatsächliche

und dauerhafte Verbindung mit der Wirtschaft eines Mitgliedstaats besteht.

- vgl. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäi-

schen Union, 46. EL 2011, EU-Arbeitsweisevertrag Art. 49 Rn 60

m.w.N. -

Hiervon ausgehend, ist für den vorliegenden Fall folgendes festzustellen: Die

Airwork Operations Ltd. hat ihren satzungsmäßigen Sitz zwar außerhalb der EU,

entfaltet dort allerdings keinerlei wirtschaftliche Tätigkeit. Vielmehr befindet sich

der Verwaltungssitz in Deutschland, dort wird der gesamte Betrieb des Flugver-

kehrs abgewickelt. Dies ist aus Sicht einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ein

deutliches Indiz für eine dauerhafte Verbindung mit der Wirtschaft eines EU-

Mitgliedstaats und dürfte das Ansässigkeitserfordernis erfüllen. Dies zugrunde

gelegt, wäre die Airwork Operations Ltd. trotz ihrer Gründung auf Guernsey in der

EU „ansässig“ im Sinne des AEUV und damit möglicherweise auch im Sinne des

Art. 4 Abs. 1 lit. c) EG (VO) Nr. 216/2008. Dies hätte wiederum zur Folge, dass

trotz der gesellschaftsrechtlichen Umgestaltung die Anforderungen der EG (VO)

Nr. 216/2008 vollständig einzuhalten wären, einschließlich der lizenzrechtlichen

Anforderungen der EASA-FCL.

Hinsichtlich der Übertragbarkeit der Auslegung zum Begriff „Ansässigkeit“ ist

jedoch eine gewisse Vorsicht geboten. Im Rahmen der Art. 49 Abs. 1, 54 Abs. 1

AEUV kommt es auf die Ansässigkeit nur an, soweit es sich um einen Staatsange-

hörigen der EU (bei natürlichen Personen) bzw. um eine der Gemeinschaft zugehö-

rige Gesellschaft handelt. Letzteres erfordert nach Art. 54 Abs. 1 AEUV aber gera-

20

de, dass die Gesellschaft nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet wurde,

woran es vorliegend fehlt. Vor diesem Hintergrund erscheint die Übertragbarkeit

der Anforderungen an eine Ansässigkeit im Sinne des Art. 49 Abs. 1 AEUV auf die

Begriffsbestimmung in Art. 4 Abs. 1 lit. c) EG (VO) Nr. 216/2008 durchaus zwei-

felhaft. Ebenso ließe sich argumentieren, eine Ansässigkeit in der Gemeinschaft im

Rahmen des Art. 4 Abs. 1 lit. c) EG (VO) Nr. 216/2008 erfordere neben der wirt-

schaftlichen Betrachtungsweise auch die Staatsangehörigkeit zu einem Mitglied-

staat der EU bzw. die Gemeinschaftszugehörigkeit einer Gesellschaft. Daran würde

es vorliegend aber gerade fehlen. Die zu Art. 49 Abs. 1, 54 Abs. 1 AEUV entwi-

ckelten Auslegungsmaßstäbe sind damit im Rahmen von Art. 4 Abs. 1 lit. c) VO

(EG) Nr. 216/2008 unergiebig und uneindeutig.

bb. Gemeinschaftszugehörigkeit

Gleiches gilt letztlich für das Kriterium der Gemeinschaftszugehörigkeit, auf das

Art. 54 Abs. 1 AEUV hinsichtlich der Frage abstellt, inwieweit sich eine Gesell-

schaft auf die in Art. 49 Abs. 1 AEUV garantierte Niederlassungsfreiheit berufen

kann. Die Gemeinschaftszugehörigkeit einer Gesellschaft bestimmt sich demgemäß

danach, ob sie ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Haupt-

niederlassung in der EU hat, wobei alle drei Merkmale alternativ nebeneinander

stehen.

- vgl. Forsthoff, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäi-

schen Union, 46. EL 2011, EU-Arbeitsweisevertrag Art. 54 Rn 15 -

Mit anderen Worten: Sobald sich die Hauptverwaltung einer Gesellschaft in einem

EU-Mitgliedstaat befindet, begründet dies die Unionsangehörigkeit. Isoliert be-

trachtet, würde auch dies im vorliegenden Fall zur Bejahung der Gemeinschaftsan-

gehörigkeit und damit u.U. auch dazu führen, dass die Airwork Operations Ltd.

unter Art. 4 Abs. 1 lit. c) VO (EG) Nr. 216/2008 fällt, mit den sich daraus ergeben-

den Konsequenzen. Denn jedenfalls die Hauptverwaltung der Gesellschaft befindet

sich (weiterhin) in Deutschland. Allerdings ist auch bei einer derartigen Auslegung

Vorsicht geboten, da sich die Gemeinschaftszugehörigkeit nach Art. 54 Abs. 1

AEUV ausdrücklich nur auf Gesellschaften bezieht, die nach dem Recht eines Mit-

gliedstaats gegründet wurden. Daran fehlt es hier offensichtlich. Ob die Gemein-

schaftszugehörigkeit für ausländischen Gesellschaften, die sich dann natürlich

21

nicht auf die Niederlassungsfreiheit berufen können, nach denselben Maßstäben zu

beurteilen ist, muss als offen bezeichnet werden.

cc. Niederlassung

Schließlich könnten Anknüpfungspunkte aus dem Begriff der Niederlassung ge-

wonnen werden, da auch Art. 4 Abs. 1 lit. c) VO (EG) Nr. 216/2008 darauf abstellt,

ob der Betreiber in der Gemeinschaft niedergelassen ist. Im Rahmen der Niederlas-

sungsfreiheit gemäß Art. 49 AEUV wird unter der Niederlassung eine feste Ein-

richtung verstanden, die bei Eingliederung in die nationale Volkswirtschaft der

tatsächlichen Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit zu dienen bestimmt

ist. Der Begriff der Niederlassung ist dabei weit zu verstehen.

- vgl. Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europä-

ischen Union, 40. Aufl. 2009, EGV Art. 43 Rn 13 mit umfassenden

Nachweisen zur Rechtsprechung des EuGH -

Das Merkmal der Integration in eine nationale Volkswirtschaft dient dabei in erster

Linie der Abgrenzung der europarechtlich garantierten Dienstleistungsfreiheit von

der Niederlassungsfreiheit. Die Abgrenzung im Einzelfall ist dabei schwierig und

umstritten. Abgestellt wird auf eine Gesamtschau verschiedener Kriterien, unter

anderem die Dauer der Integration und der festen Einrichtung. Hinsichtlich der

Dauer lassen sich allerdings keine festen Vorgaben machen; dieses Kriterium dient

in erster Linie dazu, die Niederlassung von lediglich vorübergehenden Tätigkeiten

eines Dienstleistenden im Mitgliedstaat abzugrenzen.

Einigkeit besteht demgegenüber darüber, dass von einer Niederlassung nur gespro-

chen werden kann, wenn eine feste Einrichtung im Aufnahmemitgliedstaat gegrün-

det wird, die die Ausübung tatsächlicher und echter Tätigkeiten im Hoheitsgebiet

des Niederlassungsstaates oder von diesem aus erlaubt. Dabei kann schon der Er-

werb oder die Nutzung eines bloßen Betriebsmittels, wie etwa einer Lagerhalle,

grundsätzlich ausreichen, eine Niederlassung zu begründen. Ist das Betriebsmittel

aber nicht fest an einen Standort gebunden, wie etwa bei Flugzeugen, muss eine

unternehmerische Organisation im Aufnahmemitgliedstaat hinzutreten.

- vgl. Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europä-

ischen Union, 40. Aufl. 2009, EGV Art. 43 Rn 31 m.w.N. -

22

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine (sekundäre) Niederlassung eines Un-

ternehmens schließlich auch in den Fällen gegeben, in denen die Präsenz in einem

Mitgliedstaat nicht die Form einer Zweigniederlassung oder Agentur angenommen

hat, sondern lediglich durch ein Büro wahrgenommen wird, das vom dem eigenen

Personal des Unternehmens geführt wird.

- EuGH Rs. 205/84, Komm/Deutschland, Slg. 1986, 3755/3801 Rz. 21 -

Dies zugrunde gelegt, führt im vorliegenden Fall allein die Tatsache, dass die Flug-

zeuge vornehmlich in Egelsbach stationiert sind, noch nicht zur Annahme einer

Niederlassung in Deutschland. Allerdings ist beabsichtigt, sämtliche Geschäfte der

Airwork Operation Ltd. weiterhin von Deutschland aus zu führen. Hierzu gehören

insbesondere die Büroräume in Egelsbach, das dort beschäftigte entsprechende

Personal sowie die gesamte Organisationsstruktur einschließlich der Geschäftsfüh-

rung, die sich ausschließlich in Deutschland befinden soll. Hierbei dürfte es sich

um eine feste Einrichtung im Sinne der Rechtsprechung handeln, die auch auf

Dauer angelegt ist. Vor diesem Hintergrund sprechen die überwiegenden Argu-

mente dafür, dass die Airwork Operation Ltd. über eine Niederlassung in Deutsch-

land und damit in der EU verfügt.

Anhaltspunkte, die im Rahmen des Art. 4 Abs. 1 lit. c) VO (EG) Nr. 216/2008 eine

gänzlich abweichende Auslegung des Begriffs „...in der Gemeinschaft niederge-

lassen ...“ erfordern oder rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Dem Sinn

und Zweck der Vorschrift nach geht es dort ebenfalls darum, Betreiber von Luft-

fahrzeugen zu erfassen, die in eine nationale Volkswirtschaft innerhalb der EU

eingebunden und daher – wie auch immer man den Begriff im Einzelnen auslegen

mag – „gemeinschaftszugehörig“ sind. Dies ergibt sich auch in Abgrenzung zu

Art. 4 Abs. 1 lit. d) VO (EG) Nr. 216/2008, der Drittlandsbetreiber erfasst, die –

abgesehen von der Tatsache, dass mit den von ihnen betriebenen Luftfahrzeugen

Flüge auf Strecken innerhalb der Gemeinschaft durchgeführt werden – keinen wirt-

schaftlichen Bezug zu EU-Mitgliedstaaten aufweisen. Würde man dagegen hierun-

ter auch Betreiber fassen, die in einem Nicht-EU-Staat ihren satzungsmäßigen Sitz

haben, ihre gesamte wirtschaftliche Betätigung aber von einem EU-Staat aus

durchführen (einschließlich eines festen Sitzes), wäre damit Umgehungstatbestän-

den Tür und Tor geöffnet. Jedenfalls könnte solchen Konstellationen aber das Ar-

gument des Missbrauchs entgegen gehalten werden.

23

Im Ergebnis sprechen daher die überwiegenden Argumente dafür, den Begriff der

Niederlassung innerhalb der Gemeinschaft im Rahmen des Art. 4 Abs. 1 lit. c) VO

(EG) Nr. 216/2008 im Wesentlichen ebenso auszulegen wie in Art. 49 Abs. 1

AEUV. Dementsprechend dürfte in der vorliegend beabsichtigten gesellschafts-

rechtlichen und organisatorischen Struktur der Airwork Operation Ltd. von einem

Betreiber auszugehen sein, der in der Gemeinschaft niedergelassen ist und daher

den Regularien der EU-Basic Regulations einschließlich EASA-FCL vollumfäng-

lich unterliegt.

b. Deutsches Gesellschaftsrecht

Der Frage, ob und inwieweit die Airwork Operation Ltd. in der Gemeinschaft nie-

dergelassen ist, könnte man sich auch vom nationalen Recht her nähern. Der einzi-

ge Anknüpfungspunkt, der bei der nach dem Recht der Kanalinsel Guernsey ge-

gründeten Gesellschaft zu einer Niederlassung in der EU führen könnte, ist die

Tatsache, dass die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens von

Deutschland aus betrieben und koordiniert wird. Führt diese wirtschaftliche Betäti-

gung bzw. organisatorische Einrichtung bereits dazu, dass nach nationalem deut-

schem Recht eine (Zweig-)Niederlassung gegeben ist oder die formellen Anforde-

rungen an eine solche erfüllt werden müssen, so dürfte in jedem Fall auch eine

Niederlassung gegeben sein. Umgekehrt kann allerdings daraus, dass nach nationa-

lem Recht die Anforderungen an eine Niederlassung nicht erfüllt sind, nicht zwin-

gend darauf geschlossen werden, dass es dann an einer Niederlassung in der Ge-

meinschaft im Sinne des EU-Rechts fehlt. Dies würde nach Auffassung der Litera-

tur den Freiheitsbereich der Niederlassungsfreiheit beschränken.

- vgl. Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, Das Recht der Europä-

ischen Union, 40. Aufl. 2009, EGV Art. 43 Rn 33 -

Einschlägig für die Gründung von Zweigniederlassungen ausländischer Gesell-

schaften in Deutschland sind die §§ 13d ff. HGB. Nach § 13d Abs. 1 HGB müssen,

soweit sich der Sitz einer juristischen Person im Ausland befindet, alle eine inlän-

dische Zweigniederlassung betreffenden Anmeldungen, Einreichungen oder Ein-

tragungen bei dem Gericht erfolgen, in dessen Bezirk die Zweigniederlassung be-

steht. Die inländische Zweigniederlassung ist dann wie eine inländische Hauptnie-

derlassung zu behandeln, § 13d Abs. 3 HGB. Mit anderen Worten: Handelt es sich

24

bei den in Egelsbach angesiedelten Organisationsstrukturen der Airwork Operati-

ons Ltd. um eine Zweigniederlassung im Sinne des § 13d HGB, die entsprechend

in das Handelsregister einzutragen und wie rechtlich eine inländische Hauptnieder-

lassung zu behandeln wäre, dürfte unabhängig von der europarechtlichen Interpre-

tation im Rahmen der Niederlassungsfreiheit feststehen, dass die Airwork Operati-

ons Ltd. in einem Mitgliedstaat der EU tatsächlich niedergelassen ist und damit

dem Regelungsregime des Art. 4 Abs. 1 lit. c) VO (EG) Nr. 216/2008 unterfällt.

aa. Begriff der Zweigniederlassung

Der Begriff der Zweigniederlassung ist im Gesetz nicht unmittelbar definiert. Er

wird ausgelegt als ein räumlich getrennter Teil eines Unternehmens bzw. einer

Handelsgesellschaft, an der der Unternehmer und/oder seine Leute teils abhängig

von der Hauptniederlassung, teils unabhängig von ihr wirken.

- vgl. hierzu und zu den folgenden Merkmalen Hopt, in: Baum-

bach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 35. Aufl. 2012, § 13 Rn 3 -

Merkmale der Zweigniederlassung sind:

Räumliche Selbständigkeit gegenüber der Hauptniederlassung;

Nachordnung gegenüber der Hauptniederlassung: Die Zweigniederlassung

muss den Unternehmenszielen dienen, kann aber durchaus größer und

wichtiger als die Hauptniederlassung sein;

Selbständige Teilnahme am Rechtsverkehr: Die Zweigniederlassung muss

sachlich die gleiche, nicht notwendig aber alle gleichartigen Geschäfte er-

ledigen wie die Hauptniederlassung. Keine Zweigniederlassungen sind da-

nach reine Verkaufsstellen, Warenlager oder Speicher;

Personelle Mindestorganisation: Die Zweigniederlassung muss einen Leiter

mit Befugnis zum selbständigen Handeln in nicht ganz unwesentlichen

Angelegenheiten haben;

Sachliche Mindestorganisation: äußere Einrichtung ähnlich einer Haupt-

niederlassung, also u.a. Geschäftslokal, ausreichende Betriebsmittel. Nach

überwiegender Auffassung soll auch die Zuweisung eines gesonderten

Teils des Geschäftsvermögens sowie ein Bankkonto und weitgehend ge-

sonderte Buchführung erforderlich sein (umstritten).

25

Ist nach diesen Merkmalen eine Zweigniederlassung gegeben, so handelt es sich

nicht um eine selbständige juristische Person.

bb. Anwendung auf den vorliegenden Fall

Fraglich ist, ob die von Deutschland aus betriebene Geschäftsführung der Airwork

Operations Ltd. die Anforderungen an eine Zweigniederlassung in diesem Sinne

erfüllt und daher die Eintragungspflichten nach den §§ 13d ff. HGB auslöst. Zu-

nächst ist festzustellen, dass eine räumliche Trennung zum Hauptsitz (Guernsey)

unzweifelhaft gegeben ist. Gleiches gilt hinsichtlich der Nachordnung gegenüber

der Hauptniederlassung, da sämtliche Tätigkeiten von Egelsbach aus dem Ge-

schäftsziel der Hauptniederlassung dienen. Auch die selbständige Teilnahme am

Rechtsverkehr dürfte gegeben sein, da der gesamte Flugbetrieb einschließlich der

Vermietung der Flugzeuge von Deutschland aus geregelt wird.

Dagegen lässt sich die erforderliche Mindestorganisation nicht zweifelsfrei feststel-

len. Personell dürfte diese gegeben sein, da am Standort Egelsbach sogar der Ge-

schäftsführer der Gesellschaft tätig ist und dementsprechend ein Leiter mit Befug-

nis zum selbständigen Handeln nicht verleugnet werden kann. In sachlicher Hin-

sicht ist die erforderliche Mindestorganisation allerdings insoweit zweifelhaft, als –

neben einem Geschäftslokal und einer hinreichenden Ausstattung mit Betriebsmit-

teln, die hier wohl vorliegen dürften – auf ein gesondertes Geschäftsvermögen,

Bankkonto und Buchhaltung abgestellt wird. Insofern könnte es möglicherweise

hilfreich sein, dem tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland weder einen Teil

des Geschäftsvermögens noch ein eigenes Bankkonto und eine gesonderte Buch-

haltung zuzuordnen, um so die Anforderungen an eine Zweigstelle entfallen zu

lassen.

Andererseits ist gerade hinsichtlich dieser Begriffsmerkmale umstritten und bisher

nicht höchstrichterlich geklärt, ob diese zur Feststellung des Vorliegens einer

Zweigniederlassung tatsächlich erforderlich sind. Es kann somit nicht rechtssicher

festgestellt werden, ob ohne gesondertes Geschäftsvermögen, Bankkonto und

Buchhaltung tatsächlich keine Zweigniederlassung im Sinne des § 13d HGB vor-

liegen würde. Es besteht daher das Risiko, dass im Streitfall ein Gericht selbst in

diesem Fall von einer Zweigniederlassung ausgehen könnte, die die Pflichten (u.a.

Handelsregistereintragung) nach §§ 13d ff. HGB auslöst und somit wie eine inlän-

dische deutsche Hauptniederlassung behandelt würde. Sollte dies der Fall sein,

26

müsste auch vor diesem Hintergrund von einer Betreibergesellschaft ausgegangen

werden, die in Deutschland und damit in der europäischen Union niedergelassen im

Sinne des Art. 4 Abs. 1 lit. c) VO (EG) Nr. 216/2008 ist.

c. Zwischenergebnis

Festzustellen ist damit, dass – in paralleler Anwendung der entwickelten Maßstäbe

zur Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 Abs. 1, 54 Abs. 1 AEUV – vorliegend

einiges dafür spricht, dass es sich bei der angedachten Konstruktion einer „Brief-

kastenfirma“ auf Guernsey mit tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland um

einen Betreiber im Sinne des Art. 4 Abs. 1 lit. c) VO (EG) Nr. 216/2008 handelt

(„c-Variante“), der in der Gemeinschaft ansässig oder niedergelassen ist. Die Un-

tersuchung des nationalen Rechts der Zweigniederlassungen hat zwar keinen ein-

deutigen Befund ergeben, jedoch besteht auch insoweit das Risiko, dass es sich um

eine Zweigniederlassung in Deutschland nach §§ 13d HGB handeln könnte, die

ebenfalls zu einer Niederlassung innerhalb der Gemeinschaft führt.

Es bestehen daher erhebliche Zweifel daran, dass die angedachte gesellschafts-

rechtliche Konstruktion tatsächlich dazu führt, dass die Airwork Operations Ltd. zu

einem Drittlandsbetreiber im Sinne des Art. 4 Abs. 1 lit. d) VO (EG) Nr. 216/2008

(„d-Variante“) wird, der die EU-Basic Regulations nur sehr eingeschränkt (insbe-

sondere ohne EASA-FCL) einzuhalten hat. Rechtssicherheit könnte hier nach der-

zeitigem Sachstand nur erzielt werden, indem der Flugbetrieb vollständig aus der

EU hinaus verlegt wird, es also insbesondere in Deutschland keinerlei Verwal-

tungstätigkeiten, Geschäftsabschlüsse und/oder eingerichtete Büroräume mehr gibt.

Dies setzt voraus, dass der gesamte Geschäftsbetrieb der Gesellschaft tatsächlich

nach Guernsey verlegt wird, einschließlich der Verwaltung und Organisation. Da-

gegen würde allein die Stationierung der Flugzeuge in Egelsbach unschädlich sein.

Eine Grauzone besteht, soweit – bei Bestehen einer tatsächlichen Niederlassung

auf Guernsey einschließlich personeller und sachlicher Mindesteinrichtung wie

Büroräumen, Geschäftsführung, Angestellten etc. – gewisse untergeordnete Tätig-

keiten weiterhin von Deutschland aus koordiniert bzw. vorgenommen werden.

Insofern gilt die Faustformel: Je mehr sich die Tätigkeit der Gesellschaft von

Guernsey nach Deutschland verlagert, umso wahrscheinlicher wird die Einstufung

als Niederlassung in der EU und umso stärker ist die Einordnung als

27

Drittlandsbetreiber im Sinne des Art. 4 Abs. 1 lit. d) VO (EG) Nr. 216/2008 mit

rechtlichen Risiken behaftet.

Mangels einschlägiger Rechtsprechung und Literatur konkret zur Auslegung des

Art. 4 lit. c) und d) VO (EG) Nr. 216/2008 muss auf verbleibende Rechtsunsicher-

heiten hingewiesen werden, die sich derzeit nicht vollständig ausräumen lassen.

3. Exkurs: Gesellschaftsrechtliche Folgen

Soll angesichts der bestehenden rechtlichen Risiken dennoch der angedachte Weg

einer „Briefkastengesellschaft“ auf Guernsey mit tatsächlichem Verwaltungssitz in

Deutschland gegangen werden, möchten wir aus anwaltlicher Vorsorge auf die

drohenden gesellschafts- bzw. haftungsrechtlichen Konsequenzen hinweisen, die

aus den Tätigkeiten der Gesellschaft in Deutschland erwachsen können:

Wird eine ausländische Kapitalgesellschaft mit tatsächlichem Verwaltungssitz in

Deutschland tätig, fragt sich, wie die Gesellschaft nach deutschem Recht zu behan-

deln ist, also insbesondere wie sie klagen und verklagt werden kann und wie der

Gläubigerschutz ausgestaltet ist. Der Bundesgerichtshof vertrat hierzu in einer et-

was älteren Entscheidung, in der es um eine nach dem Recht der Kanalinsel Jersey

gegründete „Limited Company“ ging, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in

Deutschland hatte, die sog. modifizierte Sitztheorie.

- BGH, Urt.v. 01.07.2002, GmbHR 2002, 1021 -

Die modifizierte Sitztheorie hat folgende Auswirkungen: Hat eine ausländische

Gesellschaft ihren effektiven Sitz in Deutschland, soll generell deutsches Recht für

alle gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der Gesellschaft maßgeblich sein. Da bei

der Gründung einer ausländischen Gesellschaft aber die deutschen Gründungsvo-

raussetzungen in der Regel nicht beachtet werden (insbesondere Registereintra-

gung, soweit dies für die Erlangung der Rechtspersönlichkeit konstitutiv ist), sind

die Gründungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Infolge dessen sollen auf die ausländi-

sche Gesellschaft die gleichen Regelungen Anwendung finden, die für den Fall der

Rechtsformverfehlung bei inländischen Gesellschaften gelten. Danach wird die

ausländische Kapitalgesellschaft – je nach Art ihrer Tätigkeit – als inländische

OHG oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) behandelt. Dies führt u.a. zur

28

unbeschränkten persönlichen Haftung der Gesellschafter nach § 128 HGB bzw.

nach den Grundsätzen über die Haftung der Gesellschafter einer GbR.

- vgl. hierzu Forsthoff, Niederlassungsrecht für Gesellschaften nach

dem Centros-Urteil des EuGH: Eine Bilanz, in: EuR 2000, 167 (169)

m.w.N. -

Handelt es sich dagegen um eine ausländische Einmann-Kapitalgesellschaft, schei-

det die Einordnung als deutsche Personengesellschaft aus, da hierfür die Beteili-

gung von mindestens zwei Personen zwingend ist. In der Literatur wird daher

überwiegend davon ausgegangen, dass das Handeln der Gesellschaft dem Alleinge-

sellschafter als rechts- und parteifähiger Einzelperson – bei Betrieb eines Handels-

gewerbes ggf. als Einzelkaufmann – zuzurechnen sei.

- vgl. Binz/Mayer, Die Rechtsstellung von Kapitalgesellschaften aus

Nicht-EU/EWR/USA-Staaten mit Verwaltungssitz in Deutschland, in:

Betriebs-Berater (BB) 2005, 2361 (2363) m.w.N. -

Für EU-Kapitalgesellschaften verstößt die modifizierte Sitztheorie nach verschie-

denen Urteilen des EuGH gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49, 54

AEUV. Durch diese Entscheidungen wurde festgestellt, dass Kapitalgesellschaften

aus EU-Mitgliedstaaten die rechtliche Anerkennung nicht deshalb versagt werden

darf, weil sie ihren (tatsächlichen) Verwaltungssitz in Deutschland haben. Für sol-

che Gesellschaften gilt auch in Deutschland nunmehr die sog. Gründungstheorie,

wonach auf eine Kapitalgesellschaft auch nach der Verlegung des Verwaltungssit-

zes weiterhin das Recht zur Anwendung kommt, nachdem sie gegründet wurde.

- vgl. Binz/Mayer, Die Rechtsstellung von Kapitalgesellschaften aus

Nicht-EU/EWR/USA-Staaten mit Verwaltungssitz in Deutschland, in:

Betriebs-Berater (BB) 2005, 2361 m.w.N. -

Dem hat sich der BGH in neueren Entscheidungen betreffend Gesellschaften, die in

einem Mitgliedstaat der EU gegründet wurden und ihren tatsächlichen Verwal-

tungssitz in Deutschland haben, angeschlossen.

- BGH, Urt.v. 14.03.2005, Az. II ZR 5/03 -

29

Für Kapitalgesellschaften aus Drittstaaten – also solchen außerhalb der EU oder

des europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) – hat der BGH jedoch ausdrücklich an

der modifizierten Sitztheorie festgehalten und entschieden, dass derartige Gesell-

schaften, die ihren tatsächlichen Verwaltungssitz in Deutschland haben, weiterhin

wie eine inländische rechtsfähige Personengesellschaft zu behandeln sind.

- BGH, Urt.v. 27.10.2008, Az. II ZR 158/06 -

Für den vorliegenden Fall hat dies folgende Konsequenzen: Da die Airwork Opera-

tions Ltd. auf der Kanalinsel Guernsey gegründet wurde, jedoch ihren tatsächlichen

Verwaltungssitz in Deutschland haben soll, findet auf sie die modifizierte Sitztheo-

rie weiterhin Anwendung. Sie ist daher im deutschen Recht zwar parteifähig und

kann dementsprechend klagen sowie verklagt werden. Allerdings ist sie rechtlich

zu behandeln wie eine inländische Personengesellschaft bzw. sogar – soweit es sich

um eine Einmann-Kapitalgesellschaft handeln sollte – wie eine unmittelbar und

persönlich haftende Einzelperson (Alleingesellschafter als natürliche Person). Für

sämtliche Verbindlichkeiten der Gesellschaft würden in Deutschland demnach der

bzw. die Gesellschafter unbeschränkt persönlich haften. Dies birgt ein ganz erheb-

liches Haftungsrisiko für den oder die Gesellschafter, gerade angesichts des von

der Gesellschaft unterhaltenen Flugbetriebes. Hierauf möchten wir ausdrücklich

hinweisen.

IV. Zusammenfassung und rechtliche Empfehlung

Im Ergebnis der Begutachten ist damit zusammenfassend festzustellen, dass

die Airwork Press GmbH bzw. – nach geplanter gesellschaftsrechtlicher

Umstrukturierung die Airwork Operations Ltd. – als Betreiber der Flug-

zeuge im Sinne von Art. 3 lit. h) VO (EG) Nr. 216/2008 einzustufen sind;

die überwiegenden Argumente dafür sprechen, dass es sich bei der ange-

dachten Konstruktion einer „Briefkastenfirma“ auf Guernsey mit tatsächli-

chem Verwaltungssitz in Deutschland um einen Betreiber im Sinne des

Art. 4 Abs. 1 lit. c) VO (EG) Nr. 216/2008 („c-Variante“) handelt, der in

der Gemeinschaft ansässig oder niedergelassen ist;

30

mit hoher Wahrscheinlichkeit die Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes

(nicht des Verwaltungssitzes) der Betreibergesellschaft nach Guernsey

nicht zu einer Einstufung als Drittlandsbetreiber im Sinne des Art. 4 Abs. 1

lit. d) VO (EG) Nr. 216/2008 („d-Variante“) führt, so dass die Anforderun-

gen der EU-Basic Regulations einschließlich der EASA-FCL aller Voraus-

sicht nach dennoch vollumfänglich eingehalten werden müssen;

die Airwork Operations Ltd. bei Gründung auf der Kanalinsel Guernsey

und tatsächlichem Verwaltungssitz in Deutschland nach deutschem Recht

eine unbeschränkte persönliche Haftung des oder der Gesellschafter nach

sich zieht.

Vor diesem Hintergrund können wir die vorgeschlagene gesellschaftsrechtliche

Konstruktion nach derzeitigem Kenntnisstand nicht empfehlen. Rechtssicherheit im

Hinblick auf die Vermeidung der Anforderungen nach Art. 4 Abs. 1 lit. c) VO

(EG) Nr. 216/2008 einschließlich der EASA-FCL könnte nach derzeitigem

Sachstand nur erzielt werden, indem der Flugbetrieb vollständig aus der EU hinaus

verlegt wird, es also insbesondere in Deutschland keinerlei Verwaltungstätigkeiten,

Geschäftsabschlüsse und/oder eingerichtete Büroräume mehr gibt. Dies setzt vo-

raus, dass der gesamte Geschäftsbetrieb der Gesellschaft tatsächlich nach Guernsey

verlegt wird, einschließlich der Verwaltung und Organisation des Flugbetriebes.

Dagegen dürfte allein die Stationierung der Flugzeuge in Egelsbach unschädlich

sein. Durchaus in Erwägung ziehen sollte man auch das Angebot an die Charterer,

von den Kanalinseln aus zu fliegen.

Mangels einschlägiger Rechtsprechung und Literatur konkret zur Auslegung des

Art. 4 lit. c) und d) VO (EG) Nr. 216/2008 muss auf verbleibende Rechtsunsicher-

heiten hingewiesen werden, die sich derzeit nicht vollständig ausräumen lassen.

Wir möchten noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir die steuerrecht-

lichen Folgen der dargestellten Konstruktion auftragsgemäß nicht geprüft haben.

Aufgrund der hohen steuerrechtlichen Relevanz empfehlen wir dringend, die im

Ergebnis gewählte Konstruktion einer sorgfältigen Prüfung durch einen Steuerbera-

ter unterziehen zu lassen.

31

Abschließend sei aus anwaltlicher Vorsicht der Hinweis erlaubt, dass sich jedwede

Verstöße – sei es luftverkehrsrechtlicher oder auch steuerlicher Art – im Zweifel

auf die Zuverlässigkeitsüberprüfung im Sinne des § 7 Abs. 1 LuftSiG negativ aus-

wirken können. Es ist daher besondere Vorsicht geboten.

Leipzig, 19. März 2012

Prof. Dr. Martin Maslaton Dr. Manuela Koch

Rechtsanwalt Rechtsanwältin

Anhang: Auszug zitierte Vorschriften

32

Anhang: Auszug aus VO (EG) Nr. 216/2008

Präambel

[...] in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Im Bereich der Zivilluftfahrt sollte für die europäischen Bürger jederzeit

ein einheitliches und hohes Schutzniveau gewährleistet sein; hierzu sind

gemeinsame Sicherheitsvorschriften zu erlassen, und es ist sicherzustel-

len, dass Erzeugnisse, Personen und Organisationen, die in der Gemein-

schaft im Umlauf bzw. tätig sind, diese Vorschriften sowie die geltenden

Umweltschutzvorschriften einhalten. Dies sollte auch dazu beitragen, den

freien Verkehr für Waren, Personen und Organisationen im Binnenmarkt

zu erleichtern.

[...]

(34) Diese Verordnung schafft einen angemessenen und umfassenden Rege-

lungsrahmen für die Sicherheit von Luftfahrzeugen aus Drittstaaten, die

Flughäfen in der Gemeinschaft anfliegen. Die Richtline 2004/36 EG des

Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über die Si-

cherheit von Luftfahrzeugen aus Drittstaaten, die Flughäfen in der Ge-

meinschaft anfliegen, sollte daher zu gegebener Zeit aufgehoben werden,

unbeschadet der Durchführungsvorschriften zur Erhebung von Informati-

onen, zu den Vorfeldinspektionen und zum Informationsaustausch.

[...]

Art. 3 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck [...]

h) „Betreiber eine juristische oder natürliche Person, die ein oder mehrere

Luftfahrzeuge betreibt oder zu betreiben beabsichtigt; [...].

Art. 4 Grundsatzregelungen und Anwendbarkeit

(1) Luftfahrzeuge, einschließlich eingebauter Erzeugnisse, Teile und Ausrüstun-

gen, die

33

a) von einer Organisation konstruiert oder hergestellt werden, über die die

Agentur oder ein Mitgliedstaat die Sicherheitsaufsicht ausübt, oder

b) in einem Mitgliedstaat registriert sind, es sei denn, die behördliche Sicher-

heitsaufsicht hierfür wurde an ein Drittland delegiert und sie werden nicht

von einem Gemeinschaftsbetreiber eingesetzt, oder

c) in einem Drittland registriert sind und von einem Betreiber eingesetzt wer-

den, über den ein Mitgliedstaat die Betriebsaufsicht ausübt, oder von einem

Betreiber, der in der Gemeinschaft niedergelassen oder ansässig ist, auf

Strecken in die, innerhalb der oder aus der Gemeinschaft eingesetzt wer-

den, oder

d) in einem Drittland registriert sind oder in einem Mitgliedstaat registriert

sind, der die behördliche Sicherheitsaufsicht hierfür an ein Drittland dele-

giert hat, und von einem Drittlandsbetreiber auf Strecken in die, innerhalb

der oder aus der Gemeinschaft eingesetzt werden,

müssen dieser Verordnung entsprechen.

(2) Personen, die mit dem Betrieb von Luftfahrzeugen im Sinne von Absatz 1

Buchstabe b, c oder d befasst sind, müssen dieser Verordnung nachkommen.

(3) Der Betrieb von Luftfahrzeugen im Sinne von Absatz 1 Buchstabe b, c oder

d muss dieser Verordnung entsprechen.

[...]

Art. 5 Lufttüchtigkeit

(1) Luftfahrzeuge im Sinne des Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a, b oder c müs-

sen die in Anhang I festgelegten grundlegenden Anforderungen für die Lufttüch-

tigkeit erfüllen.

[...]

Art. 7 Piloten

(1) Piloten, die mit dem Führen von Luftfahrzeugen im Sinne von Artikel 4

Absatz 1 Buchstabe a, b oder c befasst sind, sowie Flugsimulationsübungsgeräte,

Personen und Organisationen, die bei der Ausbildung, Prüfung, Kontrolle und

flugmedizinischen Untersuchung dieser Piloten eingesetzt werden bzw. mitwirken,

34

müssen den in Anhang III aufgeführten einschlägigen „grundlegenden Anforde-

rungen“ genügen.

[...]

Art. 8 Flugbetrieb

(1) Der Betrieb von Luftfahrzeugen im Sinne von Artikel 4 Absatz 1 Buchsta-

be a, b oder c muss den in Anhang IV aufgeführten grundlegenden Anforderungen

genügen.

[...]

Art. 9 Von einem Drittlandsbetreiber auf Strecken in die, innerhalb der oder

aus der Gemeinschaft eingesetzte Luftfahrzeuge

(1) In Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe d genannte Luftfahrzeuge sowie ihre Be-

satzung und ihr Betrieb müssen die geltenden ICAO-Normen erfüllen. Sind diesbe-

zügliche Normen nicht vorhanden, müssen diese Luftfahrzeuge und ihr Betrieb die

in den Anhängen I, III und IV festgelegten Anforderungen erfüllen, sofern diese

Anforderungen den Rechten dritter Länder aufgrund internationaler Übereinkünfte

nicht zuwiderlaufen.

[...]