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1 präsentiert GOOD FOOD BAD FOOD – Anleitung für eine bessere Landwirtschaft Ein Film von Coline Serreau Kinostart: 20. Januar 2011 PRESSEHEFT Verleih: Pressebetreuung: Alamode Film Media Office Dachauer Str. 233 Kurfürstendamm 11 80637 München 10719 Berlin Tel: 089 / 17 99 92 0 Tel: 030 / 88 71 44 0 Fax: 089 / 17 99 92 13 Fax: 030 / 88 71 44 22 [email protected] [email protected] Auf www.alamodefilm.de stehen Ihnen unter PRESSE-SERVICE alle Pressematerialien, Fotos und weitere Informationen als Download zur Verfügung.

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präsentiert

GOOD FOOD BAD FOOD – Anleitung für eine bessere Landwirtschaft

Ein Film von Coline Serreau

Kinostart: 20. Januar 2011

PRESSEHEFT

Verleih: Pressebetreuung: Alamode Film Media Office Dachauer Str. 233 Kurfürstendamm 11 80637 München 10719 Berlin Tel: 089 / 17 99 92 0 Tel: 030 / 88 71 44 0 Fax: 089 / 17 99 92 13 Fax: 030 / 88 71 44 22 [email protected] [email protected]

Auf www.alamodefilm.de stehen Ihnen unter PRESSE-SERVICE alle Pressematerialien, Fotos und weitere Informationen als Download zur Verfügung.

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INHALTSVERZEICHNIS STAB / TECHNISCHE DATEN 3 KURZINHALT 4 PRESSENOTIZ 4 INHALT 5 PRODUKTIONSNOTIZ 6 INTERVIEW MIT DER REGISSEURIN COLINE SERREAU 7 REGIE: COLINE SERREAU 10 DIE PROTAGONISTEN 11 ABC DER BIOLOGISCHEN LANDWIRTSCHAFT 19 EIN FILM WIE EIN REGENWURM von Benedikt Härlin, Zukunftsstiftung Landwirtschaft 28 GUTES ESSEN SCHMECKT AUCH DER UMWELT von Greenpeace 30

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STAB

Drehbuch, Kamera, Regie COLINE SERREAU Produktion CINEMAO MATTHIEU WARTER GUILLAUME PARENT

In Ko-Produktion mit ENILOC STUDIO 37 MONTPARNASSE PRODUCTIONS KINO FACTORY

In Zusammenarbeit mit ORANGE CINEMA SERIES COLIBRIS / MOUVEMENT POUR LA TERRE ET L’HUMANISME

Ökologische Beratung CYRIL DION Musik GARDEN TRIO MADELEINE BESSON

Stimme MADELEINE BESSON Schnitt CATHERINE RENAULT CLAUDE TRINQUESSE

Schnittassistenz AMELIE MASSOUTIER Ton MATTHIEU DENIAUX PHILIPPE GRIVEL

Regieassistenz LAURE DE SCITIVAUX

TECHNISCHE DATEN: Länge 113 Minuten Produktionsland/-jahr Frankreich, 2010 Format: 1:1,85 / Farbe / Dolby SR/DTS

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"Es sind schon viele Filme über Katastrophenszenarien gedreht worden, die als warnende Appelle verstanden werden wollten. Sie haben ihre Berechtigung gehabt, doch jetzt ist es an der Zeit, den Blick darauf zu richten, dass es auch Lösungen gibt. Man muss jenen Bauern, Philosophen und Ökonomen Gehör verschaffen, die uns mit ihren Überlegungen nicht nur erklären, wie unser Gesellschaftsmodell in der ökologischen, finanziellen und politischen Krise versinken konnte, die uns allen bekannt ist, sondern die darüber hinaus nach Alternativen suchen und diese auch umsetzen." Coline Serreau

Kurzinhalt

Was haben französische Mikrobiologen, die Millionen Wanderarbeiter Brasiliens, Vandana Shivas experimentelle Bauernhöfe in Indien und die Landwirte der weltgrößten Bioplantage in der Ukraine gemeinsam? Alle verfolgen sie ein gemeinsames Ziel: die Verbesserung der Bodenqualität und die Wiederherstellung der Saatenvielfalt – zum Schutz der Umwelt und für gesündere Lebensmittel. Die französische Regisseurin Coline Serreau, („St. Jacques...Pilgern auf Französisch“) zeigt in ihrem neuen Dokumentarfilm Menschen, die dagegen kämpfen, dass unsere Böden durch chemische Dünger und Pestizide vergiftet werden. Und die sich dagegen wehren, dass nur wenige skrupellose Konzerne weltweit das Saatgutangebot kontrollieren und die Bauern erpressen. In „GOOD FOOD BAD FOOD – Anleitung für eine bessere Landwirtschaft“ begegnen wir faszinierenden Persönlichkeiten, die vielfältige Lösungen für die intelligentere Nutzung unserer begrenzten Ressourcen gefunden haben.

Pressenotiz Die vielfach ausgezeichnete und bekannte französische Filmemacherin Coline Serreau („Saint Jacques...Pilgern auf Französisch“, „Drei Männer und ein Baby“), die ihre Karriere mit kämpferischen Dokumentarfilmen begann, kehrt zu ihren filmischen Wurzeln zurück. Für ihren neuen Film bereiste sie die Welt auf der Suche nach Menschen, die den Erdboden, und damit die ganze Natur, respektvoll behandeln. In eindrucksvollen Bildern schildert sie konkrete Ansätze zur Verbesserung der katastrophalen Situation, in die die Landwirtschaft weltweit gedrängt worden ist. Denn gutes Essen und eine gesunde Natur, das geht u ns alle an! Alamode Film bringt den engagierten Film – der dort anknüpft, wo Erwin Wagenhofers „WE FEED THE WORLD“ aufgehört hat - im Januar 2011 in die Kinos.

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Inhalt Die Regisseurin hat weit mehr im Sinn, als einfach nur das System einer Landwirtschaft anzuprangern, das durch ein Wachstumsstreben bar jeder Vernunft pervertiert ist. Vielmehr lädt sie uns in "Good Food Bad Food" dazu ein, neue Formen der Agrarproduktion zu entdecken: Anbaumethoden, die funktionieren, zur Behebung bereits entstandener Schäden beitragen und nicht zuletzt zu deutlichen Verbesserungen im Bereich der Gesundheit und der gesamten Lebensumstände führen, indem sie eine nachhaltige Lebensmittelversorgung gewährleisten.

Pierre Rabhi, Lydia und Claude Bourguignon, die Bauern der Landlosenbewegung in Brasilien, das Projekt Kokopelli in Indien, Antoniets Semen Swiridonowitsch in der Ukraine… – dies sind nur einige der Protagonisten, denen Coline Serreau in ihrem Dokumentarfilm Gehör verschafft. Mal sind sie skurrile Typen, mal geben sie sich gewitzt und kämpferisch, in jedem Fall aber sind sie allesamt Widerständler, die in der Liebe zur Erde vereint sind. Im Verlauf der einzelnen Gespräche, die einen frappierenden Gleichklang ergeben, zeichnet sich nach und nach ab, dass es möglich ist, eine konkrete Antwort auf die ökologischen Herausforderungen unserer Zeit und ganz allgemein auf die Krise der Zivilisation zu geben, die wir gegenwärtig erleben.

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PRODUKTIONSNOTIZ

Dieser Film möchte unsere herkömmlichen Ansichten erschüttern, mit anderen Worten: uns wach rütteln. Und dies in einer Zeit, in der sich mehr und mehr der Eindruck durchsetzt, dass es so nicht weitergehen kann. "Wachrütteln", das bedeutet hier aber auch, die Mechanismen unserer Sozial- und Wirtschaftsordnung neu zu überdenken und unsere Gewissheiten über das, was wir für normal halten, zu hinterfragen. Es gibt weltweit Millionen von Menschen, die erfolgreich mit Lösungen für das Leben von morgen experimentieren. Der Film möchte ihr Engagement sichtbar machen, so dass jedermann - jetzt und in der Zukunft - seinen Nutzen daraus ziehen kann. Ich habe mich in der Hauptsache mit der Problematik befassen wollen, die mit der Nutzung unserer Böden einhergeht, weil dies die konkrete Basis ist, auf der jede Gesellschaft beruht. Hier sollte man damit beginnen, die Revolution oder die Erneuerung unseres Systems in Angriff zu nehmen. Indem wir uns diesem Thema zuwandten, konnten wir auch die damit verbundenen sozialen Probleme angehen (wie etwa den Hunger in der Welt, die Verteilung des Wohlstands, die Kluft zwischen lokalem und internationalem Handel, die Kontrolle der Nahrungsversorgung usw.) und auf die ökologischen Schwierigkeiten aufmerksam machen (Unfruchtbarmachung von Landwirtschaftsflächen, Verseuchung durch Chemikalien, Wasserhaushalt, Biodiversität, Klimaerwärmung etc.). Vor allem aber konnten wir Lösungen aufzeigen, die eine konkrete Antwort auf diese Probleme darstellen! Mit diesem Film möchte ich den Bauern der Landlosenbewegung in Brasilien zeigen, dass sie mit ihrem Idealismus nicht alleine dastehen: Ihre Lösungen sind dieselben wie sie etwa Pierre Rabhi vorschlägt, der in der Ardèche und in Marokko nicht nur gegen die Verödung der Böden, sondern auch gegen die Verkümmerung in den Herzen der Landbevölkerung kämpft; oder wie diejenigen der Kleinbauern in Indien, die den großen Saatgutherstellern Widerstand leisten, um mit Unterstützung von Kokopelli oder Vandana Shiva etwas für den Erhalt der Artenvielfalt zu tun. Auch von Antoniets Semen Swiridonowitsch in der Ukraine oder von Philippe Desbrosses auf seinem Bauernhof Sainte Marthe in der Sologne habe ich fast gleichlautende Reden vernommen und bin bei ihnen auf dieselben Lösungen gestoßen, um die kranken Böden wieder gesunden zu lassen und die Menschheit auf angemessene Weise zu ernähren. Lange wollte man uns weis machen, dass das moderne System der Landwirtschaft imstande sei, das Problem des Hungers in der Welt zu lösen. In Wahrheit ist das aber eine schamlose Lüge: Niemals zuvor hat es so viele hungernde Menschen gegeben, und ihre Zahl steigt mit jedem Tag. Noch gibt es kein Netzwerk oder einen regelmäßigen Informationsaustausch unter den einzelnen Protagonisten dieses Films, der sie in ihrem Engagement bestärken würde und ihnen klar macht, dass sie in ihrem Kampf nicht alleine dastehen. Doch ähnlich wie bei einem Kinderspiel, das sich wie durch eine merkwürdige Gedankenübertragung mit einem Schlag auf sämtlichen Schulhöfen eines Landes gleichzeitig durchzusetzen scheint, so werden sich auch die Lösungsansätze für unsere globale Krise schlagartig ausbreiten. Sie sind sich allesamt ähnlich, weil auch die Krankheit überall die gleiche ist und die Menschheit dringend Heilmittel braucht.

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INTERVIEW MIT DER REGISSEURIN COLINE SERREAU

In "Good Food Bad Food" geht es um die Umwelt, ein Thema, das Sie bereits in "Der grüne Planet – Besuch aus dem All (La Belle Verte)" behandelt haben. Wie wurde die Idee zu diesem Film geboren? Schon in "Der grüne Planet", den ich im Jahr 1996 gedreht habe, ging es um Ökologie und um ein radikales Umdenken. Der Film war seiner Zeit weit voraus und hat erst ein gutes Weilchen nach dem Kinostart sein Publikum gefunden. Soeben ist eine neue DVD-Edition von ihm erschienen, und so kann man sagen, dass er sich derzeit eines wundersamen zweiten Lebens erfreut. Vor drei Jahren habe ich zu meinem eigenen Spaß damit begonnen, Reportagen über verschiedene Themen zu drehen. In einer davon ging es um ein Gespräch mit Pierre Rabhi, den ich schon seit mehreren Jahren kannte. Nach meiner Rückkehr aus Marokko, wo ich einige seiner Projekte mit der Kamera begleitet hatte, sagte ich mir dann, dass man diese Arbeit eigentlich weiterführen und vertiefen müsste, indem man weltweit die Akteure des Wandels aufsucht. Also hab ich mich auf den Weg gemacht, bin nach Indien, nach Brasilien, in die Ukraine und in die Schweiz gereist, um dort die Leute zu interviewen, die glaubhafte Alternativen zu unserem System auf die Beine stellen. Mein Anliegen war es dabei, nicht nur Theoretiker und die Wortführer verschiedener Bewegungen zu Wort kommen zu lassen, sondern mindestens in gleichem Maße auch die Bauern und die kleinen Leute, die die wahren Akteure und Wegbereiter des Wandels sind. Ich wollte keinen Film drehen, der nur mit dem Zeigefinger auf die Schuldigen deutet und die Leute deprimiert. Zunächst einmal ging es darum, gewisse Dinge, über die wir uns bereitwillig hinwegtäuschen lassen, beim Namen zu nennen. Die Wahrheit ist schließlich, dass eine kleine Minderheit von Menschen immer mehr Reichtum auf sich vereint, während die Mehrheit unausweichlich der Verarmung preisgegeben ist. Dabei sind die ökologischen Probleme nur die Folge eines Gesellschaftsmodells, das die Ausbeutung, die Plünderung und den Profit höher bewertet als die wahren Kräfte des Lebens. Sobald sich die Leute mit dieser traurigen Realität und allem daraus resultierenden Unheil konfrontiert sehen, werden sie es mit ihrem Gewissen ausmachen, das zu tun, was ihnen richtig erscheint und was für sie gut ist. Ich habe ihnen da keine Ratschläge zu erteilen. Ich will mit diesem Film nur zeigen, dass es auf der ganzen Welt Leute gibt, die, ohne einander zu kennen, das gleiche tun, dieselbe Lebensphilosophie teilen und der Erde, die uns alle ernährt, mit demselben Respekt begegnen. Das wahre Anliegen des Films bestand also darin, den universellen Charakter der verschiedenen Lösungen genauso wie ihre verblüffende Einfachheit hervorzuheben. Welches sind die wichtigsten Themen, die im Film an gesprochen werden? Als erstes analysieren wir die Ursprünge dieser Art von Landwirtschaft, die ihre Entstehung dem Übermaß vorrätiger Waffen in der Nachkriegszeit verdankt. Wir haben es also mit einer Landwirtschaft zu tun, die einem Angriffskrieg gegen die Erde gleichkommt. Danach wird aufgezeigt, wie ein wahrhafter Genozid an den Bauern verübt wurde. Es wird dargelegt, wie man aus einer Logik heraus, die allein dem Profitstreben der petrochemischen Industrie gehorchte – verschlimmert noch durch den Diebstahl öffentlicher Gelder zum Nutzen einiger weniger –, all das beseitigt hat, womit uns die Erde und die Tiere bis dahin umsonst

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beschenkt haben, um es durch nicht reproduzierfähiges Saatgut, ein Übermaß an Chemikalien und die Auslöschung der Artenvielfalt zu ersetzen. Der eigentliche Wert der Biodiversität bestand darin, dass sie jedem Bauer die Möglichkeit bot, diejenigen Saaten zu bewahren und zu selektionieren, die am besten für die von ihm bewirtschafteten Ländereien geeignet waren, was ihm eine gewisse Freiheit und Autonomie verschaffte. Dann aber ist die Industrie mit ihrer geballten Macht dahergekommen, um für "Ordnung" in diesem anarchischen Zustand zu sorgen, indem sie das lokale Saatgut konfiszierte und verbot. Stattdessen zwang sie nicht reproduzierfähiges Saatgut auf, das nur mithilfe von Düngern und Pestiziden gedeiht, die ihrerseits durch Patente geschützt sind, welche von der Bevölkerung finanziert werden – eine wahre Goldquelle für die großen Saatguthersteller und die petrochemische Industrie! Dieser ganze Vorgang führt zum Tod der Erde, die sich in eine Wüste verwandelt, wenn auch vorerst nur in eine virtuelle Wüste, weil wir ja noch ein wenig Erdöl übrig haben. Ohne das Erdöl wären unsere Böden aber steril, tot und könnten nichts mehr hervorbringen. Folglich ist es von größter Dringlichkeit, dieser todbringenden Agrarproduktion, die nur einigen Wenigen Profit beschert und die Sicherheit unserer Nahrungsversorgung gefährdet, ein Ende zu bereiten. Man muss die Böden wieder instandsetzen und zu einer gesunden, nachhaltigen Landwirtschaft zurückfinden, die Millionen von Menschen Arbeit gibt. Und das ist durchaus machbar: Die Bevölkerung müsste es nur fordern, und die Politiker müssten die Gesetze verabschieden, die es ermöglichen. Ist allein das Patriarchat schuld an der "globalen Schieflage"? Das Patriarchat ist ein Durchgangsstadium in der Geschichte der Menschheit, das sich durch ein Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen kennzeichnet. Dieses Ungleichgewicht beraubt die Menschheit der Hälfte ihres kreativen Potentials. Es ist die Ursache gewaltsamer und todbringender Entgleisungen unserer Gesellschaftssysteme. Aber letztlich ist es nur eine Kinderkrankheit, die man heilen kann. Und die Emanzipationsbewegungen der Frauen, die seit einigen Jahrhunderten unsere Gesellschaften erschüttern, sind schon einmal ein Anfang, um diesem Übel abzuhelfen. Kinderkrankheiten können sehr gefährlich sein und das Leben unserer noch jungen Menschheit gefährden – jung deshalb, weil wir bei der Entstehung der Lebewesen die zuletzt Gekommenen sind, und wahrscheinlich auch diejenigen, die am schlechtesten an diese Welt angepasst sind. Die Frage lautet also: Werden wir diese Prüfung bestehen? Wird die Menschheit erwachsen oder bleiben wir für immer krank? Wenn wir aber erwachsen werden, dann steht uns eine schöne Zukunft bevor. Und wenn wir sterben, dann wird das niemanden stören. Für die Tiere, die Pflanzen und die Bakterien, die schon vor uns da waren und jeden Tag härter die Folgen unserer Arroganz zu spüren bekommen, wäre es eher von Vorteil. Eine der großen philosophischen Herausforderungen unserer Zeit besteht darin, zu akzeptieren, dass die Menschheit nichts und niemandem überlegen ist. Dies zu akzeptieren, mag unsere Eitelkeit kränken, etwa in der gleichen Weise, wie es für uns ein schwerer Schlag gewesen ist, hinnehmen zu müssen, dass die Erde rund ist und sich um die Sonne dreht, die ihrerseits auch nur ein ganz gewöhnlicher Stern ist, wie es sie milliardenfach in unserem Universum gibt, einem Universum, dessen wahre Ausmaße wir nicht einmal erahnen können. Claude Bourguignon berichtet uns, dass sich die Genetiker richtig beleidigt fühlten, als sie feststellten, dass die Gerste doppelt so viele Gene hat wie der Mensch – dabei ist das doch nur eine Pflanze! In ihrer unendlichen Bescheidenheit haben die Genetiker für den Teil des Gerstengenoms, der ihnen nicht in den Kopf wollte, keinen besseren Ausdruck als "Junk-DNA" gefunden! Das ganze Denksystem gehört somit auf den Prüfstand.

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Die Menschen nehmen für sich in Anspruch, die höchst entwickelte Rasse zu sein. Sie sollten also intelligent genug sein, um ihre angebliche Überlegenheit in Frage zu stellen. Können Sie uns einige Beispiele für mögliche Lösung en nennen? Eine der Lösungen besteht in einer "Rückkehr nach vorne": Es geht darum, auf der Basis kleiner lokaler Strukturen zu einer Autonomie in der Nahrungsversorgung zurückzufinden, die ohne Chemikalien auskommt, uns unsere Freiheit zurückgibt und unseren Fortbestand sichert. Vandana Shiva spricht in diesem Zusammenhang von einer Neuerfindung der Demokratie. Bei dieser neuen Demokratie, die es erlaubt, Erde und Teller in Balance zu bringen, geht es aber keineswegs um einen Kampf gegen technische Errungenschaften und moderne Kommunikationsmittel: Es wird beileibe keine Rückkehr ins Höhlenzeitalter angestrebt. Vielmehr geht es darum, das Recht einzufordern, uns selbst zu ernähren; außerdem das Recht auf Gesundheit und die Freiheit autonomer Entscheidungen. Was unser Überleben betrifft, so dürfen wir nicht länger vom Wohlwollen der Geschäftsleute und Politiker abhängig bleiben. Es geht also nicht um eine Rückkehr in die Vergangenheit, sondern um einen Paradigmenwechsel, um unsere Zukunft sicherzustellen.

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REGIE: COLINE SERREAU - KURZBIOGRAPHIE

Die Erfolgsregisseurin Coline Serreau hat sich schon immer für eine gerechtere und menschlichere Welt eingesetzt. Sie beginnt ihre Karriere im Jahr 1976 mit dem feministischen Dokumentarfilm "Mais qu'est-ce qu'elles veulent", und macht seither immer wieder mit engagierten Produktionen auf sich aufmerksam. 1991 dreht sie im Rahmen des Kollektivs "Gegen das Vergessen" für Amnesty International den Kurzfilm "Pour Vera Chirwa". Es folgen weitere Kurzfilme über so brisante Stoffe wie das Verbot von Landminen (1996) oder Gewalt in der Ehe (2006). Weit davon entfernt, einem modischen Trend hinterherzulaufen, spielen Themen wie Umwelt, Ökologie und die Abkehr von einer Wachstumspolitik um jeden Preis eine grundlegende Rolle in ihrem Schaffen. Bereits im Jahr 1996 hat uns Coline Serreau mit ihrem Film "Der grüne Planet – Besuch aus dem All (La Belle Verte)", der die Auswüchse einer aus den Fugen geratenen Konsumgesellschaft anprangert, zum Nachdenken über unser ökologisches und soziales Verhalten aufgefordert. Seither hat sie ihre eigene Rolle als Regisseurin gründlich überdacht. "Good Food Bad Food" ist nun ein weiterer künstlerischer und intellektueller Höhepunkt ihrer Karriere als Filmregisseurin. FILMOGRAPHIE (Auswahl) 2010: Good Food Bad Food – Anleitung für eine bessere Landwirtschaft (Solutions locales

pour un Désordre global), Regie & Drehbuch 2005: Saint Jacques...Pilgern auf Französisch (Saint-Jacques...La Mecque), Regie &

Drehbuch 2003: 18 Jahre später (18 ans après), Regie, Drehbuch & Musik 2001: Chaos, Regie & Drehbuch 1996: Der grüne Planet - Besuch aus dem All (La Belle verte), Regie, Drehbuch, Musik und

die Rolle Mila 1992: Die Krise (La crise), Regie & Drehbuch 1989: Milch und Schokolade (Romuald et Juliette), Regie & Drehbuch 1985: Drei Männer und ein Baby (Trois hommes et un couffin), Regie & Drehbuch 1978: Mais qu’est ce qu’elles veulent?, Regie & Drehbuch 1977: Warum nicht! (Pourqoi pas!), Regie & Drehbuch

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DIE PROTAGONISTEN

Pierre Rabhi – Frankreich "Die Städter können sich sehr wohl mit der Landbevölkerung solidarisieren und auf diese Weise eine Brücke bilden, die über die Welt der Geschäftemacherei hinweg führt. Autonomie, das ist heute das Schlüsselwort."

Pierre Rabhi ist einer der Pioniere der ökologischen Landwirtschaft. Schon sehr früh mit den Problemen eines intensiv betriebenen Ackerbaus konfrontiert und davon überzeugt, dass dieser verheerende Folgen für unsere Ökosysteme hat, beschließt er in den 60er Jahren, gemeinsam mit seiner Frau im Département Ardèche einen Experimentierbetrieb für ökologische Landwirtschaft auf die Beine zu stellen. Seit 1981 gibt er sein Wissen auf der ganzen Welt bereitwillig weiter, um es auch den Mittellosesten zu ermöglichen, zu einer gewissen Autonomie bei der Nahrungsversorgung zurückzufinden und sich die Grundlagen ihrer Ernährung zu bewahren. 1985 gründet er in Partnerschaft mit dem Verein Point Mulhouse und mit Unterstützung des damaligen Präsidenten Thomas Sankara das erste Ausbildungszentrum für Agrarökologie in Burkina Faso (heute wenden über 90.000 Bauern dieses afrikanischen Landes die von ihm gelehrten Methoden an). Später ruft er die Organisation CIEPAD ins Leben, ein internationales Forum zur Förderung von Entwicklungsprojekten, dessen Vorsitz er bis zum Jahr 1998 innehat. Als Chevalier der französischen Ehrenlegion ist er weltweit ein angesehener Experte für Ernährungssicherheit. So hat er auch an der Ausarbeitung der UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung mitgewirkt. Heute leitet er den Verein "Terre et Humanisme" und die Bewegung "Colibris". Letztere ist nicht nur Koproduzent dieses Films, sondern hat sich überdies für die Unterstützung vielfältiger Projekte einen Namen gemacht, die allesamt Lösungen für eine bessere Zukunft bieten. Darüber hinaus hat Pierre Rabhi bei der Gründung verschiedener anderer Organisationen mitgewirkt, so etwa "Les Amanins", "Les Amis de Solans" oder "Oasis en tous lieux". Beseelt von dem Wunsch, seine Erfahrungen und sein Wissen weiterzugeben, veranstaltet er im Rahmen des Vereins "Colibris" zahlreiche Lehrgänge und Workshops. Außerdem hat er vielfältige Schriften veröffentlicht, darunter "L'Offrande au crépuscule", das mit einem Preis des französischen Landwirtschaftministeriums ausgezeichnet wurde, oder auch "La part du Colibri" und "Manifeste pour la terre et l'Humanisme". Im letzten April ist sein neuestes Buch, "Vers la sobriété heureuse", erschienen.

www.colibris-lemouvement.org www.terre-humanisme.fr

Claude und Lydia Bourguignon – Frankreich

"Wir haben Methoden entwickelt, die es ermöglichen, die Böden zu regenerieren und verlassene Orte wieder mit Menschen zu besiedeln."

Lydia Bourguignon, diplomierte Ernährungswissenschaftlerin, und Claude Bourguignon, Agraringenieur und promovierter Mikrobiologe, haben dem französischen Institut für Agrarforschung INRA (Institut National de la Recherche Agronomique) den Rücken gekehrt,

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als sie sich mit der Ausrichtung und den Schwerpunktthemen dieser Organisation nicht länger identifizieren konnten. Im Jahr 1990, also nach ihrem Austritt aus dem INRA, haben sie unter dem Namen LAMS (Laboratoire d'Analyse Microbiologique des Sols) gemeinsam ihr eigenes Forschungslabor für mikrobiologische Bodenanalyse gegründet. Dort untersuchen sie die biologische Aktivität landwirtschaftlich genutzter Flächen, wobei sie bedauerlicherweise feststellen müssen, dass diese auf der ganzen Welt unaufhaltsam abnimmt. So sind etwa in Europa rund 90% der biologischen Bodenaktivität mittlerweile vernichtet worden. Lydia und Claude Bourguignon sind die Verfasser des Werks "Le sol, la terre et les champs" ("Der Boden, die Erde und die Felder"), das auf dem Gebiet der Agrarökologie als wegweisend gilt. Beide sind auch in der Ausbildung tätig, wobei sie insbesondere Lehrgänge im Fach Bodenbiologie veranstalten.

Das LAMS ist das einzige französische Forschungslabor, wo im Auftrag von Landwirten physische, chemische und biologische Bodenanalysen durchgeführt werden. Während andere Institute lediglich die Erde untersuchen, prüft das LAMS die Beschaffenheit der Böden – und dies ist ein fundamentaler Unterschied: Anstatt per Post eingesandte Proben zu analysieren, begibt sich das Team des LAMS direkt an Ort und Stelle, um dort die Böden in Augenschein zu nehmen. Mithilfe verschiedener Tests und mikroskopischer Untersuchungen wird dann deren biologische Aktivität präzise bestimmt. Im Anschluss an diese erste Etappe werden im Labor physische, chemische und biologische Analysen an diversen Bodenproben durchgeführt, die aus unterschiedlichen Tiefen stammen. Die Untersuchungsergebnisse sind für die Landwirte von doppeltem Nutzen: Zum einen wissen sie nun genau über das Potential ihrer Böden Bescheid und haben damit alle Trümpfe in der Hand, um diese möglichst wirtschaftlich und rentabel nutzen zu können; zum anderen werden sie durch dieses Wissen in die Lage versetzt, eine Fruchtfolge planen, die im Hinblick auf die Qualität ihrer Erzeugnisse und auf einen dauerhaften Ertrag optimal geeignet ist. Während die bloße Analyse der Erde so gut wie immer damit endet, dass zusätzliche Dünger empfohlen werden, führt die Analyse der Böden im Gegenteil meist zu einer Reduzierung von Düngern und Pestiziden, wenn nicht gar vollständig darauf verzichtet werden kann. Und dies ist ganz im Sinne eines respektvollen Umgangs mit der Erde bei gleichzeitiger Steigerung der Rentabilität.

www.lams-21.com

Vandana Shiva – Indien

"Wenn man bei den Wegen von den Feldern zu den Tellern wieder dahin kommt, dass die gesunden Nahrungsmittel unserer Bauernhöfe auf den Tellern aller landen, dann käme dies wahrhaft einer Neuerfindung der Demokratie gleich, denn solange die Verbindung zwischen den Feldern und den Tellern gestört ist, wissen wir nicht, was wir essen."

Die Physikerin und Erkenntnistheoretikerin Vandana Shiva, die ein Diplom im Fach Wissenschaftsphilosophie vorweisen kann, ist eine wichtige Leitfigur für Umweltaktivisten und Vertreter der "altermondialistischen" Bewegung, die für eine andere Form der Globalisierung kämpfen. Insbesondere setzt sie sich für die Bewahrung einer bäuerlichen und biologischen Landwirtschaft ein, wird diese doch immer mehr durch die grenzenlose Expansionspolitik multinationaler Nahrungsmittelkonzerne und neuerdings auch durch die Perversionen der Gentechnik bedroht. Sie prangert die Patentierung von Lebewesen und die sogenannte

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Biopiraterie an, womit die Aneignung universeller natürlicher Ressourcen wie beispielsweise Saatgut durch weltweit operierende Agrar- und Pharmakonzerne gemeint ist. Seit den 80er Jahren hat sich Vandana Shiva sehr aktiv für die Bewegung "Narmada Bachao Andolan" zur Rettung des Narmada-Flusses engagiert. Diese setzte sich gegen den Bau riesiger Staudämme zur Wehr, welche nicht nur die Ökosysteme entlang des Flusslaufs vernichtet hätten, sondern auch Millionen armer Bauern dazu gezwungen hätten, ihre angestammten Ländereien aufzugeben. Vandana Shiva ist Gründerin des Vereins "Navdanya", der sich für die Bewahrung der Artenvielfalt und den Schutz der Rechte von Kleinbauern stark macht. Die Farm von Navdanya ist eine beispielhafte Saatgutbank, die es über 10.000 Bauern in Indien, Pakistan, Tibet, Nepal und Bangladesch ermöglicht, die "organische" Landwirtschaft, wie man sie in Indien versteht (also eine bäuerlich geprägte, weitgehend biologisch ausgerichtete Art der Landwirtschaft), neu zu entdecken. Heute ist Vandana Shiva Mitglied des Exekutivkomitees des Weltzukunftsrates, der sich insbesondere mit der Zukunft der Ernährung und der Landwirtschaft befasst. Um ihrem Engagement auch publizistisch Nachdruck zu verleihen, hat sie zahlreiche Schriften veröffentlicht, darunter die auch in deutscher Sprache vorliegenden Werke "Geraubte Ernte – Biodiversität und Ernährungspolitik" oder "Biopiraterie – Kolonialismus des 21. Jahrhunderts". Das Problem der Wasserverknappung beschreibt sie besonders eindringlich in "Der Kampf um das blaue Gold. Ursachen und Folgen der Wasserverknappung". 2006 schließlich erschien ihre Streitschrift "Erd-Demokratie – Alternativen zur neoliberalen Globalisierung". Im Jahr 1993 wurde Vandana Shiva mit dem "Right Livelihood Award" ausgezeichnet, besser bekannt unter der Bezeichnung "Alternativer Nobelpreis".

www.vandanashiva.org www.navdanya.org

Devinder Sharma – Indien

"Ich bin voller Hoffnung. In der Gesellschaft regt sich allmählich das Gewissen. Immer mehr Menschen entwickeln ein Bewusstsein für die wahren Probleme, und ich glaube, dass darin die Lösung liegt."

Devinder Sharma ist Agraringenieur. Darüber hinaus betätigt er sich als Journalist und Schriftsteller, wobei er sich als kluger Analytiker der Ernährungs- und Handelspolitik erweist. Als ausgewiesener Fachmann für Fragen der Nahrungsversorgung entlarvt er stets aufs Neue die Mythen der industriellen Landwirtschaft. Er beklagt, dass das gegenwärtige System der Landwirtschaft, in großem Umfang betrieben, die Bauern dazu zwingt, ihre Felder aufzugeben, um sie der Industrie zu überlassen. Ihnen bleibt dann nichts anderes übrig, als ihr Heil in den großen indischen Metropolen zu suchen. Devinder Sharma prangert ferner die Unausgewogenheit eines Systems an, wie es von der Welthandelsorganisation WTO gefördert wird: Diese fordert auf der einen Seite die Öffnung der Märkte, während sie auf der anderen Seite einer subventionierten Landwirtschaft das Wort spricht, die es immerhin fertig bringt, für eine einzige europäische Kuh Fördergelder bereitzustellen, die das Einkommen eines indischen Kleinbauern um das Dreifache übersteigen. Auch lehnt sich Devinder Sharma gegen die Förderung nachwachsender Brennstoffe in Indien auf, wofür überwiegend brachliegendes Ackerland genutzt wird. Er weist nämlich darauf hin, dass gerade die Brachen für die Selbstständigkeit der Bauern unerlässlich sind.

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Seine Untersuchungen führen Devinder Sharma zu dem Ergebnis, dass uns massenhafte Migrationsbewegungen ins Haus stehen, wobei er allein für Indien eine Zahl von 400 Mio. Landwirtschaftsflüchtlingen prognostiziert. Er sieht voraus, dass sich die 23% der Weltbevölkerung, die heute noch über 76% der Böden verfügen, bis zum Jahr 2020 auf 2% verringert haben werden. 600 Mio. Bauern werden dann weltweit verschwunden sein. Als Beispiel für diese Entwicklung führt er die USA an, wo von den 27 Mio. Landwirten, die es dort zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch gab, heute gerade einmal 700.000 übrig geblieben sind. Hoch angesehen und mehrfach mit Auszeichnungen bedacht, ist Devinder Sharma für verschiedene internationale Organisationen tätig. Unter anderem ist er Gründungsmitglied der "Chakriyer Vikas Foundation" und Vorstandsmitglied der "Asia Rice Foundation". In Neu-Delhi steht er an der Spitze eines unabhängigen Kollektivs namens "Forum for Biotechnology & Food Security". In jüngerer Zeit hat er drei Schriften veröffentlicht, darunter "GATT and India: The Politics of Agriculture", "GATT to WTO: Seeds of Despair" und "In the Famine Trap". Er organisiert zahlreiche Konferenzen und Lehrgänge zum Thema "Nachhaltige Landwirtschaft", die sich an ein sehr gemischtes Publikum sowohl in Indien als auch außerhalb Indiens wenden.

Philippe Desbrosses – Frankreich "Man hat eine künstliche Landwirtschaft geschaffen, die gänzlich auf Erdöl basiert, einem fossilen Rohstoff, von dem man weiß, dass er nur begrenzt vorrätig ist und mittlerweile auch schon fast aufgebraucht ist." Philippe Desbrosses, Agronom und promovierte Umweltwissenschaftler der Universität Paris-Diderot, ist Leiter des Pilotprojekts "Ferme de Sainte-Marthe" und Vorsitzender des Vereins "Intelligence Verte", der sich für den Erhalt der Biodiversität einsetzt. In der "Ferme de Sainte-Marthe", dem früheren Bauernhof seiner Eltern und Großeltern im Gebiet der Sologne, hat er eine Samenbank für alte Nutzpflanzen und ein wegweisendes Ausbildungszentrum für biologische Landwirtschaft eingerichtet. Als Pionier des biologischen Landbaus in Frankreich war er seit 1973 an der Gründung zahlreicher Verbände im In- und Ausland beteiligt, die sich dieser Richtung verschrieben haben. Schon seit 1978 ist Philippe Desbrosses Wortführer bei zahlreichen Verhandlungen mit den jeweils amtierenden französischen Regierungen, die im Ergebnis dazu führten, dass die biologische Landwirtschaft in Frankreich offiziell anerkannt wurde und entsprechende Zertifizierungen eingeführt wurden. Als Leiter der europäischen Delegation des Weltverbands für biologische Landwirtschaft (IFOAM) von 1985 bis 1990 hat er darüber hinaus den Vorsitz bei den Verhandlungen über die EU-Verordnung 2092/91 geführt, welche die Kennzeichnung von Bio-Produkten regelt. Als Vorsitzender der Kommission zur Einführung eines Biosiegels beim französischen Landwirtschaftsministerium war er maßgeblich an dessen Einführung im Jahre 1983 beteiligt. Ebenfalls in Diensten des Landwirtschaftsministeriums leitete er ein Komitee, dessen Aufgabe darin bestand, ein Programm zur Förderung der biologischen Landwirtschaft in die Wege zu leiten, mit dem die Umweltvereinbarungen von Grenelle aus dem Jahre 2007 umgesetzt werden (diese sehen eine Verdreifachung der biologisch bewirtschafteten Agrarflächen innerhalb von fünf Jahren vor; außerdem soll der Anteil biologischer Produkte bei der Kantinenverpflegung bis 2012 auf 20% gesteigert werden). Als Berater des französischen Landwirtschaftsministeriums und des europäischen Parlaments war er an besagten Umweltvereinbarungen maßgeblich beteiligt.

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Seit Anfang der 90er Jahre veranstaltet Philippe Desbrosses die "Gespräche von Millancay", regelmäßig stattfindende Konferenzen und Seminare zu den Themen Gesundheit, Ernährung und nachhaltige Entwicklungsstrategien. Im Übrigen ist er Vorstandsmitglied des von Corinne Lepage geleiteten Instituts CRIIGEN, einer Forschungseinrichtung, die mit kritischem Auge die Entwicklung der Gentechnik beobachtet und das Anliegen verfolgt, unabhängige Informationen darüber zu erhalten. Philippe Desbrosses hat zahlreiche Schriften veröffentlicht, so beispielsweise "Le krach alimentaire", "Nous redeviendrons paysans" oder "Alimentation du futur", die jedoch bedauerlicherweise allesamt nicht in deutscher Sprache vorliegen.

www.intelligenceverte.org www.lafermedesaintemarthe.com

Dominique Guillet – Frankreich/Indien Kokopelli "Die beste Art, sich gegen multinationale Großkonzerne zur Wehr zu setzen, besteht darin, auf ihre Dienste zu verzichten." Dominique Guillet ist Gründer des Vereins Kokopelli, der sich für die Bewahrung der Biodiversität des Saatguts einsetzt. Er war seit jeher der Auffassung, dass das Heil der Menschheit nur über einen respektvollen Umgang mit der Erde erreicht werden kann. Gegen Ende der 80er Jahre gründet er die Gesellschaft Deva, die Blütenessenzen herstellt und vermarktet. Schon zu dieser Zeit trifft er die Entscheidung, gegen die von der Industrie betriebene Konfiszierung von Saatgut vorzugehen, indem er die Samen alter Nutzpflanzen sammelte und so zur "Befreiung des Saatguts und des Humus" beitrug. Dieses Engagement führte schließlich zur Gründung des Vereins "Terre de semences", der fortpflanzungsfähige Sämereien für Hunderte verschiedener Obst- und Gemüsesorten zum Verkauf anbot. Gewissen multinationalen Konzernen war dieses Projekt offenbar ein Dorn im Auge, zumal sie die Herstellung von Saatgut als eine Art "privaten Jagdgrund" zu betrachten schienen. Ihren fortwährenden Anfeindungen ausgesetzt, beschließt Dominique Guillet im Jahr 1999, "Terre de semences" in "Kokopelli" umzuwandeln, einen Verein, der als unerlässliche Institution zur Bewahrung der Artenvielfalt mittlerweile weithin anerkannt ist. Im Jahr 2000 trieb es Dominique Guillet, sein Engagement auch auf Indien auszudehnen. So richtete er in der indischen Modellstadt Auroville das Samenproduktionszentrum "Annadana" ein, einen blühenden Garten, der heute Tausende von Familien mit Saatgut versorgt. Seither hat Kokopelli seinen Aktionsradius kontinuierlich erweitern können, so dass der Verein inzwischen überall auf der Welt Samen von Gemüsepflanzen vertreibt. Auch hat er die Gründung zahlreicher Dorfgemeinschaften ermöglicht, die in der Lage sind, sich eigenständig mit Nahrung zu versorgen.

www.kokopelli.asso.fr

Serge Latouche – Frankreich "Wenn die ganze Menschheit so leben würde wie die Franzosen, dann bräuchte man dafür eigentlich drei Planeten. Und selbst wenn Frankreich sein extrem niedriges demographisches Wachstum von 2% beibehielte, so wären im Jahr 2050 sogar schon 30 Planeten nötig!"

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Serge Latouche kann mehrere Hochschulabschlüsse vorweisen, darunter in den Fächern Politik- und Wirtschaftswissenschaften sowie in Philosophie. Er ist emeritierter Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Paris-Sud und gilt als ausgewiesener Fachmann für Fragen der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zwischen der nördlichen und der südlichen Hemisphäre. Er gehört zu den ersten Autoren der Zeitschrift "La Revue du MAUSS" (Mouvement Anti-Utilitariste en Sciences Sociales = Antiutilitaristische Bewegung in den Sozialwissenschaften) und ist Leiter des Instituts für Armutsforschung GRAEEP (Groupe de Recherche en Anthropologie, Epistémologie et Economie de la Pauvreté). Im Bereich der Humanwissenschaften hat er eine kritische Theorie gegenüber der orthodoxen Wirtschaftslehre entwickelt, die sich gegen den "Ökonomismus", den "Utilitarismus in den Sozialwissenschaften" und die herkömmliche Auffassung des Begriffs "Entwicklung" richtet. Insbesondere kritisiert er die Theorien der Effizienz und Rationalität ökonomischen Handelns. Auch der Vorstellung von einer "nachhaltigen Entwicklung" steht Serge Latouche äußerst kritisch gegenüber: Dieser Begriff ist seines Erachtens nicht nur völlig inhaltsleer, vielmehr stellt er geradezu einen Schwindel dar. Für ihn gilt nämlich der Leitsatz: "Um zu überleben oder zu überdauern, muss erst eine Wachstumsrücknahme in Gang gesetzt werden". Serge Latouche ist einer der profiliertesten Vertreter der Theorie der Wachstumsrücknahme. Den Weg, um sich über die Entwicklungsdoktrin hinwegzusetzen, denkt er sich als "einen organisierten und allerorts geführten Kampf gegen eine Lebensform, die auf globaler Ebene unerträglich geworden ist". Seiner Meinung nach sollte man sich besser an die informellen Entwicklungskritiker halten, wenn es um die Schaffung einer Wirtschaftsordnung geht, die eine echte Alternative zum "Liberalproduktivismus" darstellen könnte. Unter den zahlreichen Schriften, die Serge Latouche veröffentlicht hat, sind in deutscher Sprache unter anderem erschienen: "Die Verwestlichung der Welt", "Für eine Gesellschaft der Wachstumsrücknahme" und "Die Unvernunft der ökonomischen Vernunft".

www.decroissance.org www.entropia-la-revue.org

João Pedro Stedile – Brasilien "Nach Düngern und Pestiziden sollte man nicht in der Chemie suchen, man findet sie auch in unseren natürlichen Ressourcen." Der brasilianische Wirtschaftswissenschaftler und Sozialaktivist João Pedro Stedile ist Mitglied der Koordinationsstelle der Landlosenbewegung MST, zu deren Gründern er auch zählt. Als Spross einer Familie von Kleinbauern, die ursprünglich aus der Gegend von Trient in Italien stammt und nach Brasilien emigrierte, kam er früh mit dem Marxismus in Berührung. Schon bald entwickelte er sich zu einem der engagiertesten Verfechter einer brasilianischen Landwirtschaftsreform. Heute lebt der ehemalige Viehzüchter, der an der katholischen Universität von Rio Grande do Sul und später an der Universidad Nacional Autonoma von Mexico City ein Studium der Wirtschaftswissenschaften absolviert hat, in São Paulo. João Pedro Stedile ist aktives Mitglied der Landarbeitergewerkschaft von Rio Grande do Sul. Im selben Bundesstaat war er auch als Berater des Sekretariats für Landwirtschaft tätig. Seit 1979 setzt er sich im Rahmen der Landlosenbewegung MST und der internationalen Kleinbauernbewegung "Via Campesina" aktiv für eine Agrarreform in Brasilien ein.

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Leci und Amarildo Zanovello, Luís Clóvis Schons, Benedicto und Teresa de Lima, Claudir da Rosa, Geneci Ribeiro dos Santos sowie Celso José Chagas sind allesamt Kleinbauern und ebenfalls Mitglieder der brasilianischen Landlosenbewegung MST. Die Landlosenbewegung MST Die in den 70er Jahren ins Leben gerufene brasilianische Landlosenbewegung MST (Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra) hat sich vor allem drei Ziele gesetzt: den Kampf um die Bodenrechte, die Durchsetzung einer Agrarreform und das Engagement für eine gerechtere Gesellschaft. Die im MST organisierten Landarbeiter unterstützen Initiativen, die zur Überwindung der gravierenden Strukturprobleme Brasiliens beitragen, wozu etwa die soziale Ungerechtigkeit, ethnische Diskriminierungen und die Ausbeutung billiger Arbeitskräfte gehören. Sie sind der Ansicht, dass die Lösung dieser Probleme nur mittels einer breit angelegten Volksbewegung erreicht werden kann, deren Mobilisierung einen großen Zusammenschluss der arbeitenden Bevölkerung voraussetzt. Der wirksamste Beitrag des MST zu diesem Gesellschaftsprojekt bestünde dann darin, sich für eine Agrarreform und für die Demokratisierung des Zugangs zu den Böden und zu den Mitteln für die Nahrungsproduktion einzusetzen. Auf internationaler Ebene ist das MST Mitglied der "Via campesina", in der sich Kleinbauern- und Landarbeiterbewegungen aus allen fünf Kontinenten zusammengeschlossen haben.

www.mst.org.br

Ana Primavesi – Brasilien "Hinter gentechnisch veränderten Organismen verbirgt sich nichts anderes als eine Anpassung des Ackerbaus an tote Erde." Ana Primavesi war in ihrem aktiven Berufsleben Agrarökonomin, Ärztin und Professorin für Bodennutzung an der Universität Santa Maria (Bundesstaat Rio Grande so Sul). Zwar ist sie mittlerweile pensioniert, was sie aber nicht daran hindert, einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb in Itai (Bundesstaat São Paulo) zu führen. Darüber hinaus ist sie wissenschaftliche Beraterin der Stiftung Mokiti Okada, die sich für ein besseres Leben auf unserem Planeten einsetzt. Ana Primavesi hat 85 wissenschaftliche Artikel in verschiedenen brasilianischen und internationalen Zeitschriften veröffentlicht. Darüber hinaus ist sie die Autorin von acht Fachbüchern. An einer Vielzahl von Universitäten und Forschungseinrichtungen sowie in den Ausbildungseinrichtungen diverser Agrarverbände hat sie über 500 Seminare und Lehrgänge veranstaltet, und dies nicht nur in Brasilien, sondern in ganz Lateinamerika und in Spanien. Sie war an der Gründung mehrerer Verbände beteiligt, zu denen etwa der Verein "Agricultura Orgânica do Brasil" (AAO), das "Movimento Agro-Ecológico da América Latina" (MAELA) und die lateinamerikanische Vertretung des Weltverbands für biologische Landwirtschaft (IFOAM) gehören. Ana Primavesi ist nicht nur Ehrenmitglied zahlreicher ökologischer Bewegungen in verschiedenen Ländern Lateinamerikas und Europas, sondern hat auch einen Lehrstuhl für Agrarökologie an der Universität "Ciego e Ávila" in Kuba inne. Sie ist mit einer Vielzahl von Auszeichnungen bedacht worden, darunter mit dem alle zwei Jahre vergebenen MAELA-Preis und im Jahr 2006 mit dem Preis des brasilianischen Landwirtschaftsministeriums.

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Einer von Ana Primavesis Leitsätzen lautet: "Der Schüssel für unser aller Wohlstand und Wohlergehen liegt in einem respektvollen Umgang mit der Erde und im Wissen darum, wie die Böden korrekt zu behandeln sind."

www.ifoam.org www.aao.org.br

Antoniets Semen Swiridonowitsch – Ukraine "Die Mutter schenkt uns Leben, die Erde schenkt uns Leben. Die Erde ist ein lebendiger Organismus. Man muss sie ernähren, auch ihr Leben geben. Man darf sie nicht töten!" In Sowjetzeiten war Antoniets Semen Swiridonowitsch Leiter einer Kolchose in der Ukraine, also eines jener kollektiven Landwirtschaftsbetriebe, die sich über mehrere Tausend Hektar erstreckten. Im Zuge der Agrar- und Industrierevolution, die sich nach dem zweiten Weltkrieg vollzogen hat, wurde er von Moskau mit Chemikalien (darunter DDT) beliefert, um damit die Feldfrüchte vor Krankheiten zu schützen und so ihre Erträge zu steigern. Die Frauen, die sich traditionell um den Anbau kümmerten, verstreuten besagte Wundermittel daher bereitwillig über ihre Pflanzungen, was freilich fatale Folgen hatte, denn schon bald musste Antoniets Semen Swiridonowitsch feststellen, dass sie eine nach der anderen schwere gesundheitliche Schäden (insbesondere Hautkrankheiten) davontrugen. Also beschloss er, dass zu seinen Lebzeiten niemand mehr diese Produkte benutzen sollte. Von diesem Zeitpunkt an wandte er seinen gesamten Verstand und all seine Energien darauf, Anbaumethoden zu entwickeln, die der Gesundheit der Kolchosenarbeiterinnen und somit auch der Gesundheit der sie ernährenden Erde zuträglich waren. Die staatlichen Behörden ließen ihn damals gewähren, allerdings unter der Voraussetzung, dass er "den Plan erfüllt". Nach der Umstellung auf eine biologische Form der Landwirtschaft ist es ihm indessen nicht nur gelungen, stets die Pläne zu erfüllen, vielmehr hatte er oftmals sogar die besten Erträge des gesamten Distrikts vorzuweisen. Die Qualität seiner Erzeugnisse wird allgemein hoch geschätzt, doch das ist noch nicht alles: Seine Ländereien sind überdies kaum anfällig für klimatisch bedingte Extremsituationen wie beispielsweise Überschwemmungen oder lang anhaltende Dürreperioden, ein Punkt, in dem sie sich grundlegend von den anderen bewirtschafteten Böden der Umgebung unterscheiden, die meist hart wie Stein sind. Heute, nach dem Übergang zu einem weitgehend liberalisierten Wirtschaftssystem, erstreckt sich sein Betrieb auf ein Areal, das rund 8.000 Hektar misst. Er wird durch die französisch-ukrainische Gesellschaft "BETEN International" unterstützt, die sich dafür einsetzt, Antoniets Semen Swiridonowitsch' Werk auch außerhalb der Ukraine bekannt zu machen. Im Jahr 2006 erhielt der Betrieb die Bio-Zertifizierung von ECOCERT. Mit seinem Engagement beweist Antoniets Semen Swiridonowitsch, dass biologischer Landbau auch in großem Maßstab möglich ist, und dies mit ebenso guten Erträgen wie die konventionelle Landwirtschaft. Nebenberuflich als Professor an der Agrarakademie von Poltawa tätig, wurde Antoniets Semen Swiridonowitsch eine besondere Ehrung zuteil, als er den Titel "Held der Ukraine" erhielt.

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ABC der biologischen Landwirtschaft

A Agroforstwirtschaft Die Agroforstwirtschaft ist ein System der Bewirtschaftung von Agrarflächen, bei dem auf ein und demselben Areal Elemente der Landwirtschaft (Anbau einjähriger Nutzpflanzen und Weideflächen) mit solchen der Forstwirtschaft (Anbau mehrjähriger Nutzhölzer) verbunden werden. Die Vorteile der Agroforstwirtschaft beruhen darauf, dass gerade durch die Kombination sich ergänzender Baum- und Ackerkulturen die Ressourcen der jeweiligen Umgebung besser genutzt werden können.

Agrarökologie Die Agrarökologie ist ein Wissenschaftszweig der Biologie, der die Wechselbeziehungen zwischen der landwirtschaftlichen Nutzung einerseits und der Regenerationsfähigkeit bzw. dem Erhalt der natürlichen Umgebung andererseits erforscht. Sie ist die Grundlage einer ganzheitlichen Betrachtungsweise, die es ermöglicht, eine nachhaltige Form von Landwirtschaft zu entwickeln, die gleichermaßen hohe Erträge erzielen und auf die Ökosysteme Rücksicht nehmen will.

B Biologisch-dynamische Landwirtschaft Gemäß der biologisch-dynamischen Landwirtschaft bildet die Bodenbewirtschaftung ein organisches Ganzes. Die einzelnen Elemente sind aufeinander abgestimmt, so dass diese Form der Landwirtschaft weitestgehend auf ihre eigenen Ressourcen zurückgreifen kann und ein geschlossenes System darstellt. Die biologisch-dynamische Landwirtschaft beruht auf den folgenden Prinzipien: - Recycling sämtlicher organischer Stoffe des landwirtschaftlichen Betriebs, insbesondere durch die Verwendung von Mist, Gülle und sonstigen Abfällen zur Düngung der Böden; - Umwandlung organischer Stoffe durch ein Kompostierungsverfahren, bei dem bestimmte Präparate auf der Basis von Heilpflanzen zum Einsatz kommen, die der Wiederbelebung der Böden dienen. Durch die biologisch-dynamische Landwirtschaft bleibt die Gesundheit der Böden und der Pflanzen erhalten, eine wichtige Voraussetzung, um Tiere und Menschen mit gesunden Nahrungsmitteln versorgen zu können. Großer Wert wird auf die Rhythmen der Natur und auf den Einfluss der Gestirne gelegt, wobei insbesondere die Mondphasen eine wichtige Rolle spielen.

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Biopestizide In der biologischen Landwirtschaft kommen weder synthetische Düngemittel noch chemische Pestizide zum Einsatz. Stattdessen setzen die Landwirte vorrangig auf präventive Maßnahmen, um die Widerstandskraft der angebauten Nutzpflanzen gegen Krankheiten, Insektenbefall und Unkraut zu stärken. Dies geschieht, indem sie für die Gesundheit ihrer Böden Sorge tragen und nur solche Pflanzen aussäen, die der jeweiligen Umgebung und den klimatischen Verhältnissen angemessen sind. Falls es sich aber doch einmal als notwendig erweisen sollte, gegen Schädlinge vorzugehen, so stehen hierfür die folgenden Mittel zur Verfügung: - Förderung von Nützlingen wie z.B. Marienkäfer, die ihrerseits Schädlinge vertilgen, sowie der Einsatz von Fallen und Lockmitteln, die ihre Fortpflanzung hemmen; - Einsatz biologischer Pestizide aus natürlichen Quellen (in der Regel Pflanzen oder Mineralien).

Bodenmikrobiologie Die Bodenmikrobiologie ist die Wissenschaft, die sich mit der Umwandlung der Stoffe, aus denen unsere Böden beschaffen sind, durch das Wirken von Mikroben befasst. Darüber hinaus untersucht sie die komplexen Beziehungen, die zwischen den einzelnen Mikroorganismen des Bodens bestehen.

Brache Im Kontext der EU-Agrarpolitik ist der Begriff der Brache im Jahr 1992 erneut in den Blickpunkt gerückt, und zwar als ein wirtschaftspolitisches Ordnungsinstrument, das dazu dienen sollte, der Überproduktion bestimmter Nutzpflanzen und insbesondere von Getreide Einhalt zu gebieten. Die Landwirte werden somit gezwungen, einen Teil ihrer Ländereien stillzulegen, wofür sie eine Entschädigung erhalten. Sie sind nicht berechtigt, die fraglichen Böden zu bewirtschaften. In der biologischen Landwirtschaft wird die Brache indessen in einem ganz anderen Sinn aufgefasst: Hier spielt vorrangig der Umweltgedanke eine wichtige Rolle, ermöglicht es die Brache doch den Böden, sich auszuruhen und zu erneuern.

D Direktsaat- oder Mulchpflanzverfahren Das Direktsaat- oder Mulchpflanzverfahren besteht darin, zwischen der Ernte der Hauptfrucht und der nächsten Aussaat Zwischenfrüchte anzubauen. Bei dieser Methode kann vollständig auf jede mechanische Bearbeitung des Bodens zwischen der Ernte der vorausgehenden Hauptfrucht und der Aussaat der jeweils folgenden verzichtet werden. Die Zersetzung der Mulchschicht, die von den Zwischenfrüchten zurückbleibt, vollzieht sich auf natürliche Weise, wobei der Boden durch die Zerfallsprozesse neue Nahrung erhält. Die Hauptfrucht kann dann direkt über der Mulchdecke ausgesät werden. Diese ebenso praktische wie rentable Methode ermöglicht es, die Qualität des Wassers und des Bodens bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung guter Erträge zu schützen.

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E Ernährungssouveränität Bei der Ernährungssouveränität handelt es sich um ein Konzept, das erstmals von der Kleinbauernorganisation "Via Campesina" vorgestellt wurde, als diese es im Jahr 1996 anlässlich des von der FAO einberufenen Welternährungsgipfels von Rom vortrug. Seither ist es von den Globalisierungskritikern bei diversen Weltsozialforen immer wieder neu aufgegriffen und weiter ausgearbeitet worden. Die Ernährungssouveränität wird als ein weltweit gültiges Recht geltend gemacht, das den einzelnen Ländern oder Gruppen von Ländern die Möglichkeit belässt, diejenige Agrarpolitik zu betreiben, die ihrer Bevölkerung am besten gerecht wird, ohne sich negativ auf die Bevölkerungen anderer Länder auszuwirken. Das Konzept der Ernährungssouveränität versteht sich als Ergänzung zu dem der Ernährungssicherheit, das in erster Linie auf die Verfügbarkeit ausreichender Nahrungsmittel, den Zugang zu ihnen und die Bewältigung der damit verbundenen Krisensituationen abzielt. Demgegenüber misst die Ernährungssouveränität den bei der Nahrungsmittelproduktion zu berücksichtigenden sozialen Gegebenheiten und Umweltbedingungen besonderes Gewicht bei. Sie fordert einen gerechteren Zugang zu den Böden durch mittellose Bauern, der notfalls durch eine Agrarreform oder die Absicherung von Nutzungsrechten zu gewährleisten ist. Auf lokaler Ebene setzen sich die Verfechter der Ernährungssouveränität für den Erhalt einer verbrauchernahen Landwirtschaft ein, durch die insbesondere die regionalen Märkte versorgt werden. Kleine Landwirtschaftsbetriebe sind zu bevorzugen, da sie in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht mehr Nutzen bringen als die industriell betriebene Plantagenwirtschaft großen Stils, die zahlreiche Lohnabhängige beschäftigt. Überdies arbeiten die Kleinbetriebe umweltfreundlicher. Die Befürworter der Ernährungssouveränität sprechen sich für Anbautechniken aus, die der Autonomie der Landwirte entgegenkommen. Folglich tendieren sie zu einer biologischen, bäuerlich geprägten Form der Landwirtschaft. Die Verwendung transgener Pflanzen wird hingegen abgelehnt.

F FAO FAO ("Food and Agriculture Organization of the United Nations") ist das Kürzel für die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft, auch bekannt unter der Bezeichnung "Welternährungsorganisation". Die 1945 in Québec gegründete FAO zählt 190 Mitglieder (189 Staaten plus die Europäische Union).

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Fragmentiertes Zweigholz Fragmentiertes Zweigholz (FZH) ermöglicht es, ohne vorheriges Pflügen und unter vollständigem Verzicht auf Dünger Nutzpflanzen anzubauen. Auch Wasser wird, wenn überhaupt, nur in sehr geringen Mengen benötigt. Durch das Ausstreuen von frisch zerkleinertem Zweigholz bildet sich eine besondere Bodenflora und -fauna heraus. Hierdurch werden dieselben Mechanismen in Gang gesetzt, wie man sie in sich selbst regenerierenden Wäldern vorfindet. Fragmentiertes Zweigholz gilt als Anlandungsmaterial (Anlandung im Gegensatz zu Verlandung) und stellt somit ein erstklassiges Mittel dar, um ausgelaugte Böden zu regenerieren.

Fungizide Fungizide sind Pflanzenschutzmittel, die ausschließlich zu dem Zweck entwickelt wurden, Pilze abzutöten oder ihr Wachstum einzudämmen. In der biologischen Landwirtschaft werden zahlreiche natürliche Alternativen zu den Fungiziden angeboten.

G Gentechnisch veränderte Organismen Der Begriff der gentechnisch veränderten (bzw. modifizierten) Organismen (GVO oder GMO) erstreckt sich auf Tiere oder Pflanzen, deren Erbgut mittels gentechnischer Erfindungen verändert wurde. Ein Organismus wird dann als "gentechnisch modifiziert" bezeichnet, wenn sein Erbgut auf künstliche Weise – und nicht durch einfaches Kreuzen oder natürliche Rekombination – verändert wurde. So kann einer Pflanze beispielsweise das Erbgut eines Fisches eingepflanzt werden, um ihre Widerstandsfähigkeit gegen Frost zu erhöhen. In der biologischen Landwirtschaft sind GVOs verboten.

Grüne Revolution Mit dem Begriff "grüne Revolution " bezeichnet man den technischen Entwicklungssprung, der sich in der Landwirtschaft in der Zeit zwischen 1944 und 1970 vollzogen hat. Er geht mit einer politischen Strategie zur grundlegenden Umwandlung der Agrarproduktion in den Entwicklungsländern einher. Ermöglicht wurde die grüne Revolution durch: - die Züchtung neuer Hochleistungssorten, insbesondere bei Getreidepflanzen wie Weizen und Reis; - die Verwendung von Mineraldüngern und Pflanzenschutzmitteln; - die Mechanisierung der Bewässerungssysteme. Um die Agrarpolitik der grünen Revolution durchzusetzen, haben die damals amtierenden Regierungen einer Vielzahl von Staaten beschlossen, die Landwirte bei der Übernahme der neuen Landwirtschaftsmethoden zu unterstützen. Anfänglich war der grünen Revolution auch tatsächlich ein enormer Erfolg beschieden, hat sie doch zu spektakulären Zuwachsraten in der Agrarproduktion geführt. Die Versorgungslage konnte mit dem Bevölkerungswachstum und dem steigenden Bedarf an Nahrungsmitteln Schritt halten, während die Preise für Lebensmittel stabil blieben.

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Seit Beginn der 90er Jahre musste sich die internationale Staatengemeinschaft indes eingestehen, dass die Politik der grünen Revolution zahlreiche negative Auswirkungen zeitigte, und dies sowohl in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht als auch im Hinblick auf die Umweltproblematik. In Wahrheit hat die grüne Revolution nämlich häufig dazu geführt, dass sich soziale Gegensätze und regionale Konflikte verschärften; in manchen Ländern hat sie überdies in erheblichem Maße zur Beschleunigung der Landflucht beigetragen. Vor allem aber hat sie systematisch all jene Praktiken gefördert, die zur Degradierung der Böden und zur Beseitigung der Artenvielfalt führten. Der Umstand, dass man sich dieser "Begleiterscheinungen" der grünen Revolution bewusst wurde, war schließlich einer der Hauptgründe für die Unterzeichnung der "Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung", der sich 189 Staaten anschlossen. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Erklärung war die "Biodiversitätskonvention", eine wichtige Grundlage für zahlreiche nationale Aktionspläne, die seither zur Bewahrung der Artenvielfalt in die Wege geleitet wurden.

Gülle Die Gülle ist ein Gemisch, das hauptsächlich aus dem Kot und dem Urin landwirtschaftlicher Nutztiere sowie aus Wasser besteht. Das flüssige Element dominiert somit. In geringen Mengen kann auch Streu enthalten sein. Hauptsächlich wird die Gülle bei der Haltung von Schweinen, Rindern oder Geflügel gewonnen, die keine Streu zur Ausscheidung ihrer Exkremente verwenden (andernfalls produzieren sie Mist). Die Gülle kann als organischer Dünger verwendet werden. Entgegen der landläufigen Meinung ist Gülle an sich nicht umweltschädlich, da die Vegetation in der Lage ist, die darin enthaltenen Nitrate rasch zu absorbieren. Durch das Ausbringen der Gülle wird der Stickstoffkreislauf in Gang gesetzt, ein Vorgang von existentieller Bedeutung, da Stickstoff ein unverzichtbares Element für das Pflanzenwachstum ist. Umweltverschmutzungen können lediglich durch ein übermäßiges Aufbringen von Gülle und starke Regenfälle unmittelbar nach dem Aufbringen bedingt sein, da in solch einem Fall die Pflanzen nicht mehr in der Lage sind, die Nitrate aufzunehmen. Folglich werden diese in die natürlichen Wasserläufe und ins Grundwasser gespült, was zu einer übermäßigen Anreicherung der Gewässer mit Nährstoffen führen kann. Das Ergebnis ist dann oft eine massenhafte Vermehrung von Algen, für die sich die Bezeichnungen "Algenblüte" oder "Wasserblüte" eingebürgert haben.

H Herbizide Herbizide sind Pflanzenschutzmittel, die ausschließlich zu dem Zweck entwickelt wurden, Unkrautgewächse abzutöten oder ihr Wachstum einzudämmen. In der biologischen Landwirtschaft werden zahlreiche natürliche Alternativen zu den Herbiziden angeboten.

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Humus Organisches Substrat, das durch die Zersetzung pflanzlicher und tierischer Stoffe entsteht. Der Humus versorgt die Böden mit Nährstoffen und trägt zur Verbesserung ihrer Konsistenz bei. In der biologischen Landwirtschaft ist der Humus eines der wichtigsten Mittel, um die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen.

Hybridsaatgut Als F1-Hybride bezeichnet man – sei es in der Pflanzen- oder in der Tierzucht – die erste Generation von Nachkommen, die aus einer Kreuzung zwischen zwei verschiedenen Arten oder genetischen Linien hervorgegangen sind. Der potentielle Ertrag von Hybridsorten wird gemeinhin höher eingestuft als derjenige von alten, unverfälschten Sorten, jedoch unterliegt er zahlreichen Einschränkungen, die entweder klimatisch oder durch die landwirtschaftliche Praxis bedingt sein können. Insbesondere erfordern die Hybridsorten ein hohes Maß an Zusatzmitteln wie Dünger, Pestizide, Wasser usw. Dennoch besteht beispielsweise in Frankreich der größte Teil des gegenwärtig zum Verkauf zugelassenen Saatguts für Nutzpflanzen wie Mais, Sonnenblumen und bestimmte Gemüsesorten aus F1-Hybriden. Ein weiterer Nachteil des Hybridsaatguts liegt darin, dass es die Landwirte dazu zwingt, Jahr für Jahr Samen nachzukaufen: Sie können also nicht mehr einen Teil ihrer Ernte als Saatgut für das jeweils folgende Jahr aufbewahren. Darüber hinaus führt die allgemeine Verbreitung von Hybriden in Verbindung mit der Aufoktroyierung eines Katalogs zugelassener Samen dazu, dass der Handel auf diesem Gebiet alles andere als frei ist und die Bauern zunehmend in die Abhängigkeit großer Saatguthersteller geraten.

K Kompostierung Komposterde ist das Ergebnis der natürlichen Zersetzung und der Feuchtigkeitsaufnahme eines Gemischs organischer Materialien, das hauptsächlich aus Grünschnitt, Küchenabfällen, Papier, Mist u.ä. besteht. In Gang gebracht wird dieser "Vermoderungsprozess" durch Mikro- oder Makroorganismen wie zum Beispiel Insekten, Regenwürmer oder Pilze. Komposterde ist reich an Nährstoffen und kann als Dünger benutzt werden. Durch ihre Verwendung wird die Konsistenz der Anbauflächen verbessert, da diese hierdurch mit organischen Stoffen versorgt werden. Gleichzeitig werden den Böden Nährstoffe wie etwa Stickstoff zugeführt, und nicht zuletzt wird durch den Kompost auch die Artenvielfalt in der Bodenfauna gefördert. Komposterde ist nicht mit Mist gleichzusetzen: Während letzterer aus organischen Stoffen besteht, die zur Düngung verwendet werden, ist Komposterde das Produkt eines kontrollierten Zersetzungsprozesses organischer Stoffe (zu denen unter Umständen auch Mist gehören kann).

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L Landwirtschaftsgemeinschaftshof Ziel und Zweck von Landwirtschaftsgemeinschaftshöfen ist es, eine bäuerliche, biologisch ausgerichtete Produktion zu fördern und solche Landwirte zu unterstützen, die sich schwer tun, gegenüber der industriellen Landwirtschaft mit ihren weitverzweigten Vertriebsnetzen zu bestehen. In gewisser Weise handelt es sich um Zusammenschlüsse zwischen Gruppen von Verbrauchern und Partnerlandwirten. Im Rahmen dieses Modells werden die Verbraucher Woche für Woche mit "Kisten" beliefert, welche die Erzeugnisse des jeweiligen Betriebs enthalten. Ihrerseits sagen die Verbraucher dem Landwirt zu, ihm für einen bestimmten Zeitraum seine Erzeugnisse abzunehmen, wodurch dieser mit regelmäßigen Einkünften rechnen kann, die ihm den Fortbestand seines Betriebs sichern. Für den Verbraucher besteht der Vorteil solcher Landwirtschaftsgemeinschaftshöfe insbesondere darin, dass er sich dessen sicher sein kann, zu angemessenen Preisen frische, zumeist biologisch angebaute Früchte der Saison zu erhalten, bei denen es sich oft um alte Sorten handelt. Zudem werden die lokale Produktion und erzeugernahe Vertriebswege gefördert. Während dieses Kooperationskonzept in angelsächsischen Ländern unter der Bezeichnung CSA ("Community-supported Agriculture") und in Frankreich unter dem Kürzel AMAP ("Association pour le maintien de l'agriculture paysanne") recht weit verbreitet ist, begegnet man ihm in Deutschland vorwiegend in der vereinfachten Form von Gemüse-Abo-Kisten bestimmter Öko-Bauernhöfe.

M Monokultur Eine Art der Bodenbewirtschaftung, die lediglich auf dem Anbau einer einzigen Pflanzensorte beruht. Unter agronomischen Gesichtspunkten ist von Monokulturen abzuraten, da sie nicht nur zu einer schnellen Auslaugung der Böden führen, sondern letztlich auch die Ausbreitung von Krankheiten begünstigen und die Artenvielfalt zerstören. Das Gegenteil der Monokultur nennt man Mischkultur oder Fruchtfolge (und bisweilen auch Polykultur).

Ö Ökologischer Fußabdruck Der ökologische Fußabdruck spiegelt die Auswirkungen menschlichen Verhaltens auf die Ökosysteme unseres Planeten wider. Er bemisst sich im Allgemeinen nach der Fläche, die von einer Einzelperson, einer Stadt oder einem ganzen Land beansprucht wird, um ihre jeweiligen Bedürfnisse zu befriedigen. Genauer gesagt, wird durch den ökologischen

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Fußabdruck die Fläche quantifiziert, die über die entsprechende Biokapazität verfügt, um die von einer Einzelperson oder von einer bestimmten Bevölkerungsgruppe konsumierten Güter zu produzieren und ihren Müll abzubauen. Somit vermittelt uns der ökologische Fußabdruck eine Vorstellung von dem Anteil der Erdoberfläche, den wir zum Leben oder Überleben in Anspruch nehmen.

P Pestizide Pestizide sind Substanzen, die in Pflanzungen versprüht werden, um schädliche Lebewesen zu bekämpfen. Es handelt sich dabei um eine allgemeine Bezeichnung, die Insektizide (gegen schädliche Insekten), Fungizide (gegen Pilze), Herbizide (gegen "Unkraut") und Parasitizide (gegen Parasiten) umfasst. In der biologischen Landwirtschaft sind chemisch-synthetische Pestizide verboten. Sie gelten als Ursache für die Verschmutzung von Gewässern und die Zerstörung der Artenvielfalt (insbesondere in Bezug auf Insekten und Mikroben). Darüber hinaus stehen sie im Verdacht, krebserregend zu sein. Es gibt jedoch zahlreiche natürliche Mittel, die sich gegenüber den Pestiziden als Alternative anbieten.

S Saatgut Als Saatgut bezeichnet man die Samen und in einem weiteren Sinne auch alle anderen pflanzlichen Keimanlagen wie z.B. Zwiebeln, Knollen usw., die für die Aussaat vorgesehen sind. Sie sind das erste Element, das beim Anbau von Nutzpflanzen zum Einsatz kommt. Seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts unterliegen die Herstellung von Saatgut und ihre Vermarktung behördlichen Kontrollen. In den industrialisierten Ländern wird die Produktion von Saatgut heute überwiegend durch Saatguthersteller sichergestellt. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, die sich auf die Selektion, die Produktion und den Vertrieb ausgewählter Sämereien spezialisiert haben. Um die Menge des verfügbaren Saatguts so weit zu vermehren, dass genügend Vorräte zur Belieferung der Märkte vorhanden sind, schließen die Saatguthersteller Verträge mit Landwirten, die sich als Saatgutvermehrer betätigen. Deren Sämereien werden in Saatgutstationen aussortiert, kalibriert, vorbehandelt und verpackt, um nach entsprechender Prüfung als zertifiziertes Saatgut in den Verkehr gebracht zu werden. Von betriebseigenem Saatgut spricht man, wenn ein Landwirt die Ernte, die er mit den zertifizierten, von einem Saatguthersteller erworbenen Samen erzielt hat, erneut zur Aussaat verwendet. In diesem Fall liegt keine Hervorbringung einer neuen Sorte vor. Der Begriff "bäuerliches Saatgut" hingegen wird seit einigen Jahren verwendet, um solche Sämereien zu bezeichnen, die von den Landwirten mit dem Ziel ausgewählt und erzeugt werden, traditionelle Sorten am Leben zu erhalten, ohne dabei auf das Angebot der großen Saatguthersteller zurückgreifen zu müssen. In den letzten rund zwanzig Jahren hat die Saatgutindustrie einen Großteil der bekannten Sorten aufgekauft und sich sogar Patente dafür ausstellen lassen. Auf diese Weise hat sie die Bauern um ihr grundlegendes Recht betrogen, selbstständig und kostenlos ihr eigenes Saatgut zu produzieren, wie sie dies seit Jahrhunderten getan haben.

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T Transgene Pflanzen Transgene Pflanzen, gemeinhin als GVO bzw. GMO bezeichnet, sind lebende Organismen, deren Genom in einem Laborverfahren durch das Einschleusen artfremder Gene verändert wurde (siehe "Gentechnisch veränderte Organismen").

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Ein Film wie ein Regenwurm

Von Benedikt Härlin, Zukunftsstiftung Landwirtschaft „Weiter wie bisher ist keine Option“ überschrieben vor zwei Jahren 500 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihren „Weltagrarbericht“, den sie im Auftrag der Weltbank und Vereinten Nationen in fünfjähriger Arbeit erstellt hatten. Diese bisher in ihrer breiten Zusammensetzung und Tiefe einmalige Bestandsaufnahme der globalen Landwirtschaft der vergangenen vierzig Jahre und Vorschau auf die nächsten Jahrzehnte läßt keinen Zweifel daran, daß die Zeiten der sogenannten „Grünen Revolution“, der ausufernden Monokulturen und der Ertragssteigerung mit Hilfe von billigem Öl, Kunstdünger und Pestiziden vorbei sind. Die titanische Aufgabe, in den kommenden Dekaden mit etwa einem Fünftel der heutigen Klimagas-Emissionen bei der Ernährung von 9 Milliarden Menschen auszukommen, ist nicht mit Groß- und Hochtechnologien sondern nur durch millionenfache Anpassung einer bäuerlichen, arbeitsintensiven, agro-ökologischen Landwirtschaft an die jeweiligen Verhältnisse zu bewerkstelligen: Keine Patentrezepte und Wundermittel, Vorsicht bei allen großen Würfen, aber alle Achtung vor einer Vielfalt kleiner aber feiner Schritte, vor der Liebe zum Detail, die das Ganze im Auge hat und eher an Gärtnerei gemahnt als an die „wachse oder weiche“ Landwirtschaft der immer größeren Räder. Innovationen auf dem Wege zur solaren, ökologischen Landwirtschaft werden, so sehr sie der Wissenschaft bedürfen, nicht im Labor und am Bildschirm geboren. Sie entstehen beim „Wühlen in der Erde“. Da wo Wissenschaft auf bäuerliche Wirklichkeit trifft und von ihr lernt und sie ergänzt, da wo verbesserter Anbau vor Ort tatsächlich den Hunger bekämpft. Die Labore einer Land- und Forstwirtschaft von morgen sind da, wo regionale Märkte Produzenten und Konsumenten wieder in eine fruchtbare und gerechtere Beziehung bringen, wo sich die Landwirtschaft den ökologischen Gegebenheiten anpaßt, statt zu versuchen, diese ihren technischen Erfordernissen zu unterwerfen. Deren Heldinnen und Helden finden wir in Frankreich wie Brasilien, in der Ukraine und Burkina Faso; aber auch hier in Deutschland. Sie werden von der Wissenschaft belächelt, von Unternehmen im besten Falle ignoriert, von Verbandsfunktionären und Politikern verunglimpft, für die Fortschritt noch immer wie eine grosse Maschine, ein GPS-System oder eine „Bio-Raffinerie“ aussehen muß, in der mit gentechnischen und anderen Methoden „Biomasse“ zu „konkurrenzfähigen Produkten für den Weltmarkt“ verarbeitet wird. Und dennoch setzen sie sich durch. Der Bauernhof, der seine eigenen Kunden als Investoren gewonnen hat, die urbane Gärtnerei, die nebenbei beweist, daß Multikulti alles andere als tot ist, die bäuerliche Bodenforschung und Bio-Züchtung, Saatgut-Retter und –Tauscher wider alle Monsantos und deren Patentanwaltshorden, die Wiederentdecker der Schwäbischen Alblinse, die Retter der Linda-Kartoffel, die Gartentüftler, die mit effektiven Mikroorganismen und „terra preta“ im wahrsten Sinn des Wortes Gold aus Scheisse machen, die Null-Emissionsgemeinden, die den Boden, die Kläranlage, das Vieh, die Solardächer, die Kindergartenküche und das Hackschnitzel-Kraftwerk zum Gesamtkunstwerk ihrer CO2-Bilanz verbinden und dabei das gesamte Handwerk vor Ort zu einer Klimaforschungsgemeinschaft machen.

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In den nächsten beiden Jahren wird das vielleicht wichtigste Klima- und Umweltgesetz der EU für das nächste Jahrzehnt neu gestaltet. Die gemeinsame Agrarpolitik der Europäischen Union darf keine exklusive Spielwiese für Agrar- und Subventionslobbyisten bleiben. Sie ist eine bedeutende gesundheitspolitische Weichenstellung und wird die Gestalt unserer Kulturlandschaften von Rumänien bis ins Allgäu, von Pellworm bis Kreta bestimmen. Ölfelder aus Mais und Raps und „nachwachsenden Rohstoffen“ mit optimaler Biomasse oder Kühe auf der Weide, Vielfalt auf dem Acker und, last but not least, echten Bauern auf den Höfen? Wollen Sie dabei mitmischen? Könnten Sie sich vorstellen, selbst zum/r Innovateur/in zu werden, dem Ruf des Slow-Food Gründers Carlo Petrini zu folgen „Wir sind alle Bauern“. Es wächst auch in Deutschlands Städten und auf seinen Äckern eine Graswurzel-Bewegung in des Wortes eigentlicher Bedeutung, die guten Geschmack und Humusbildung, ehrliche Preise und Regionalentwicklung, Garten und Teller statt Tank und Container zu neuer Blüte bringt. „GOOD FOOD – BAD FOOD“ gehört dazu, ein wichtiger Beitrag, ein Regenwurm im Nährboden einer Veränderung also, die rund um den Globus Gestalt anzunehmen begonnen hat. Wer weiter will, findet vielleicht seine Nische im gigantischen Ökosystem dieser Bewegung unter www.weltagrarbericht.de www.meine-landwirtschaft.de www.wir-haben-es-satt.de

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Gutes Essen schmeckt auch der Umwelt Von Greenpeace Die industrialisierte Landwirtschaft sorgt weltweit für gravierende Umweltprobleme: Auf den Äckern ausgebrachte Pestizide finden sich im Grundwasser und in Lebensmitteln wieder. Der Anbau großflächiger Monokulturen, auch mit gentechnisch veränderten Pflanzen, verschlingt enorme Mengen Wasser und zerstört fruchtbare Böden. Der Film GOOD FOOD – BAD FOOD zeigt eindringlich die Auswirkungen dieses Raubbaus an der Natur. Die Profiteure sind eine handvoll Konzerne, die sich durch Patente auf Saatgut die Kontrolle über die Lebensmittelproduktion sichern. Bewährte traditionelle und regionale Sorten werden durch Saatgut-Monopolisierung und Patentschutz verdrängt, Bauern in die Abhängigkeit getrieben. Die Folgen sind Armut und Hunger in vielen Gegenden der Welt. GOOD FOOD – BAD FOOD zeigt nicht nur die Probleme, sondern auch die Lösungen auf: Er stellt das Potenzial der kleinbäuerlichen und ökologischen Landwirtschaft in den Mittelpunkt, die mit traditionellem Wissen lokale Ressourcen nachhaltig und effizient nutzt. Greenpeace unterstützt das im Film gezeigte Engagement für nachhaltige Landnutzungsformen, die dauerhaft zu gesunden Lebensmitteln, fruchtbaren Böden und sauberes Wasser für möglichst alle Menschen führen können. Weltweit setzt sich die Umweltschutzorganisation Greenpeace gegen Gift und Gentechnik auf dem Acker und im Essen ein. Aktivisten protestieren auf Gen-Feldern, stoppen Frachter, und steigen Lebensmittelkonzernen wie z.B. Nestlé schon mal aufs Dach. Mit Obst- und Gemüsetests macht Greenpeace auf das ungelöste Problem des Einsatzes von giftigen Pestiziden aufmerksam. Greenpeace führt Firmengespräche, deckt Probleme auf, nennt Verantwortliche und ihre Produkte beim Namen und informieren Verbraucher, wo sie Essen ohne Gentechnik und Pestizide bekommen. www.greenpeace.de