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Margaretenhandlung in Faust I2www.Deutschstunden.dewww.Deutschstunden.deDie Margaretenhandlung in Faust IInhaltsverzeichnisI Einleitung1II Hauptteil21. Quellen/ Zeitgeschichtlicher Rahmen22. Die Margaretenhandlung22.1. Strasse (2605 2677)22.2. Abend (2678 2804)42.3. Spaziergang (2805 - 2864)52.4. Der Nachbarin Haus (2865 - 3024)62.5. Strasse II (3025 - 3072)62.6. Garten (3073 - 3204)62.7. Ein Gartenhuschen (3205 - 3216)82.8. Wald und Hhle (3217 3373)92.9. Gretchens Stube (3374 3413)92.10 Marthens Garten (3414 3543)102.11. Am Brunnen (3544 3586)112.12. Zwinger (3587 3619)122.13. Nacht (3620 3775)132.14. Dom (3776 3834)142.15. Walpurgisnacht (3895 4222)152.16.Walpurgisnachttraum (4223 4398)152.17. Trber Tag Feld (Prosaszene)152.18. Nacht - offen Feld (4399 4404)162.19. Kerker (4405 4612)16III Schlussfolgerungen19IV Literatur21I EinleitungIn dieser Arbeit soll ein wichtiger Teilaspekt von Goethes Faust, der Tragdie erster Teil, nher betrachtet werden. Hierbei handelt es sich um die Gretchenhandlung, die oft auch als Gretchentragdie bezeichnet wird. Diese stellt neben der Gelehrtentragdie die Haupthandlung der Tragdie.Die Margaretenhandlung wird in 19 Szenen von der Straenszene mit der ersten Begegnung von Margarete und Faust bis zur Kerkerszene entfaltet. Eine ansteigende Handlungskurve erstreckt sich von Fausts Begehren fr Margarete ber seine List bis zu Margaretes Liebe fr Faust. Der Hhepunkt und gleichzeitig Wendepunkt, der nicht dargestellt wird, ist die Liebesnacht in Margaretes Zimmer. Die hierdurch eingeleitete fallende Handlungskurve umfasst Margaretes Schwangerschaft, den Tod ihres Bruders und Margaretes Ende in der Kerkerszene.Die Figur der Margarete ist in der Sekundrliteratur immer wieder unter anderen Aspekten betrachtet worden. Zumeist wird sie nur als eine Nebenfigur zu Faust gesehen, weshalb dort auch das Diminutiv Gretchen wesentlich hufiger angefunden wird als der Name Margarete, der im Fausttext die berwiegende Form darstellt. So wird sie in die Rolle der Leidenden, nicht- Aktiven gedrngt, deren Schicksal an den alles bestimmenden Faust gebunden ist. In der lteren Sekundrliteratur nimmt sie aus diesem Grund nur eine periphere Rolle ein, in der neueren Sekundrliteratur dahingegen wird Faust auch als Mrder Gretchens diskutiert. Beide Anstze sehen Margarete jedoch nur in Abhngigkeit von Faust. Weiterhin finden sich zum Beispiel Anstze, in denen Margarete als Komplizin der Hexe betrachtet wird und somit bereits eine aktivere Stellung im Geschehen einnimmt.Dieser kurze berblick zeigt, dass die Margaretenhandlung durchaus vielschichtig betrachtet werden kann. Deshalb soll die Behandlung dieses Themas im Folgenden der Chronologie des Geschehens und der Szenenabfolge entsprechen. Diese Vorgehensweise ermglicht es, auch sich widersprechende Aspekte angemessen darstellen zu knnen. Dabei soll zuvor aber kurz auf den Hintergrund und die Entstehungsgeschichte der Margaretenhandlung eingegangen werden. Die in der darauffolgenden chronologischen Diskussion gefundenen Aspekte der Margaretenhandlung sollen zum Schluss zusammengefasst werden.II Hauptteil1. Quellen/ Zeitgeschichtlicher RahmenDie Margaretenhandlung stellt den Fall und die Verurteilung eines bis dahin rechtschaffenen Mdchens dar. Diese Darstellung entspricht der Realitt des 18. Jahrhunderts. Als Vorbild fr die Figur der Margarete und Teile der Margaretenhandlung wird im Allgemeinen ein Vorfall angesehen, der sich 1771 in Frankfurt ereignete. Zu Goethes Zeit sorgte die Verurteilung der Kindsmrderin Susanna Margaretha Brandt fr viel Diskussionsstoff und inspirierte Goethe zur Gretchentragdie. Die ledige Dienstmagd Susanna Margaretha Brandt war der verheimlichten Geburt angeklagt worden. Dann fand man ein totes Neugeborenes in einem Stall. Der Prozess endete mit der ffentlichen Hinrichtung der Angeklagten. Mephisto gibt mit seiner Bemerkung Sie ist die erste nicht ein Zitat aus den Prozessakten dieses Falls.2. Die Margaretenhandlung2.1. Strasse (2605 2677)Die Szene Strasse bildet den Einstieg in die Margaretenhandlung. Margarete kommt gerade von der Beichte und wird von Faust angesprochen. Margarete weist ihn schlagfertig und selbstbewusst zurck, doch Faust will sich nicht geschlagen geben und fordert von Mephistopheles, dass er ihm die Dirne schaffen muss [2618]. Mephistopheles sieht jedoch Schwierigkeiten aufgrund Margaretes Unschuld. Daraufhin folgt Faust Mephistopheles Vorschlag, zur List zu greifen und schlgt ein Geschenk vor. Faust macht also keine eigenen Anstrengungen, Margarete zu erobern sondern berlsst alles Handeln Mephistopheles, der hierdurch Gelegenheit bekommt, das Geschehen in seinem Sinne zu lenken.Faust wird sich immer wieder von Mephistopheles lenken lassen. Auch wenn Faust davon ausgeht, dass er den Teufel in der Hand hat und ihm nur befehlen muss, so gebraucht er diese Macht nicht. Stattdessen wird er immer wieder selbst gefhrt, stellt Gail K. Hart fest:[] immediately (12 lines) before they encounter Gretchen, Mephistopheles enjoins Faust, Komm nur geschwind und la dich fhren (2593), urging him to give in to the effects of the drink that will direct him to women and love. This particular lead- in to the Faust and Gretchen affair properly portends her leadership function, her fhren as opposed to Fausts verfhren []Whatever Gretchen does for Faust, she does not ever follow him, not here [at their first encounter], not in their courtship interludes in the garden [] and not when he attempts to lead her out of her cell to escape execution. Gail K. Hart, Das Ewig- Weibliche nasfhret dich: Feminie Leadership in Goethes Faust and Sacher- Masochs Venus. In: Interpreting Goethes Faust Today. Hg. Jane Brown, Meredith Lee, Thomas P Saine. Columbia 1994. S. 112 122. S. 116In dieser Beobachtung, dass Faust sowohl von Mephistopheles als auch von Margarete gefhrt wird, selbst aber nur selten initiiert, zeigt sich auch, dass Margarete als Gegenspielerin Mephistopheles angelegt ist. Sie ist der positive Gegenpol gegen die negativen Plne Mephistopheles. hnlich formuliert Ralf Sudan: Faust und Gretchen sind Polaritt, die sich anzieht, sie und Mephistopheles sind Gegenstze, die sich fliehen. Ralf Sudan. Faust I und Faust II. Mnchen 1993. S. 101Bereits die erste Begegnung zwischen Faust und Margarete zeigt das soziale Geflle, das zwischen Faust und Margarete herrscht: Faust nhert sich Margarete herablassend und demtigt sie mit einem Titel, der ihrem sozialen Status nicht entspricht. Margarete uert an mehreren Stellen Unverstndnis ber Fausts Werben. Sie ist sich des Standesunterschieds wohl bewusst.Bevor Margarete Faust begegnete, war sie fest in die sie umgebende Welt integriert, sie war ein Teil ihrer Familie, der Gesellschaft und der Kirche. Sie zeichnet sich durch Hilfsbereitschaft, Tugendhaftigkeit, Bescheidenheit und Schchternheit aus. Sie ist somit die personifizierte Unschuld. Dieses Bild von ihr wird sich im Verlauf der Tragdie mehrfach wandeln, wobei sich darin ihr Abhngigkeitsgrad von Faust widerspiegeln wird.Fausts Verhalten ist nicht gleichbleibend in dieser Szene. Er uert sich erst verliebt und bewundert die innere und uere Schnheit Margaretes. Diese Verliebtheit schlgt nach dem Auftritt Mephistopheles um in Besitzgier. Statt der Liebe leitet ihn nun der Trieb, er spricht geringschtzig von Margarete als so ein Geschpfchen [2644] und hat nun nur noch Eroberungslust, um sie besitzen, sie haben [2667] zu knnen.2.2. Abend (2678 2804)Die Szene Abend gliedert sich in drei Abschnitte: Der erste Abschnitt (2678 2683) ist ein Monolog Margaretes, der zweite Abschnitt (2684 2752) umfasst Dialogszenen zwischen Faust und Mephistopheles und einen eingeschobenen Faust- Monolog und der dritte Abschnitt (2753 2804) ist wiederum ein Monolog Margaretes, in dem auch die Ballade vom Knig von Thule eingeschlossen ist.Im ersten Abschnitt, dem Monolog Margaretes, reflektiert sie die Begegnung mit Faust. Hier zeigt sich, dass sie nicht unbeeindruckt von ihm ist, sie ist neugierig und deshalb neuen Dingen gegenber offen.Nachdem Margarete das Zimmer verlassen hat, erscheinen im zweiten Abschnitt Faust und Mephistopheles, doch Faust mchte allein das Zimmer in Augenschein nehmen. Dieses ist ein kleines reinliches Zimmer. Es symbolisiert das kleinbrgerliche Milieu, in dem Margarete zu Hause ist. Faust ist fasziniert von dieser beschaulichen, engen Welt: (2691 2694)Wie atmet rings Gefhl der Stille,Der Ordnung, der Zufriedenheit!In dieser Armut welche Flle!In diesem Kerker welche Seligkeit! Fr Faust ist Margaretes Zimmer ein Heiligtum, er spricht in religisen Bildern von seiner Bewegung. Auch sieht er Margarete nicht mehr nur als Lustobjekt. Er erfhrt durch das tiefe Erlebnis der Reinheit in Margaretes Zimmer die eigene Niedertrchtigkeit, die ihm Bedrckung und Qual bereitet. Daraus resultierend wird er sich seiner Gefahr fr sie bewusst. Deshalb beschliet er, Margarete nicht weiter zu verfolgen: Fort! Fort! Ich kehre nimmermehr! (2730) Erstaunlich ist Fausts Faszination von dieser engen Welt, die in so krassem Kontrast zu seinem ruhelosen Streben nach den Grenzen der Welt steht. Auch in dieser Situation drngt Mephistopheles Faust weiter. Die Handlung entwickelt sich wieder aus Impulsen von auen und nicht durch eigenes Handeln Fausts. Mephistopheles hinterlegt fr Faust ein Kstchen mit Schmuck und die beiden verlassen das Zimmer.Im dritten Abschnitt betritt Margarete wieder ihr Zimmer. Es berfllt sie ein Schauer, sie fhlt unbewusst in ihrer Unruhe die Aura des Mephistopheles, der sich kurz davor in ihrem Zimmer aufgehalten hat. Dies ist der erste Hinweis darauf, dass sie eine entschiedene Gegenspielerin Mephistopheles ist und ihn absolut ablehnt. Sie singt anschlieend das Lied vom Knig von Thule. Die Form des Liedes stellt hier eine spezifisch weibliche Form der Artikulation und Reflexion dar. Faust im Gegensatz zu ihr wird sich seiner Empfindungen und seines Willens in Monologen bewusst. Das Lied hat einen volkstmlichen Charakter, es ist also die Margarete angemessene Form der Reflexion. Unbewusst zeigt Margarete hier ihre Unruhe, aber auch ihre Erwartungshaltung. Da es sich bei Liedern um einen vorgefassten Text handelt, hat Margarete hier keine Chance, ihre Gefhle in eigene Worte zu fassen. Trotzdem ist dieses Lied bedeutend fr die weitere Entwicklung der Margaretenhandlung. In dem Lied des Knigs von Thule wird das Ideal einer absoluten und bedingungslosen Liebe und Treue eines Mannes zu seiner Geliebten dargestellt.Indem Gretchen nach der ersten flchtigen Begegnung mit Faust dieses Lied von ewiger Liebe und Treue singt [], drckt sie halb unbewusst ihre Sehnsucht nach treuer Liebe und die Angst vor der Untreue aus. Dieses Grundmotiv prludiert der spteren Handlung, die weitgehend durch Fausts Untreue bestimmt ist. Ferner liegt in der balladesken Verbindung von Liebe und Tod schon die Schicksalsstimmung des nun beginnenden Geschehens. [] Leben und Liebe sind [im Lied] eins, und gerade im Tode zeigt sich die Unbedingtheit der Liebe. So strmt in Gretchens Lied [] schon ihre Leidenschaft ein, aber stimmungshaft und ihr nicht recht bewusst. Jochen Schmidt. Goethes Faust. Erster und Zweiter Teil: Grundlagen Werk Wirkung. Mnchen 1999. S. 163Die in diesem Lied gezeigte Verbindung von lebenslanger Liebe und Treue ist auch der Mastab, mit dem Fausts und Margaretes weiteres Handeln gemessen werden muss.Die Szene Abend endet damit, dass Margarete den Schmuck entdeckt. Sie beginnt, Gefallen an materiellen Dingen zu gewinnen. Mit diesem Schmuckkstchen wird auch Mephistopheles Zerstrungswerk verdinglicht. Es ist auerdem Symbol der Verfhrung und Begierde. Mit ihren berlegungen ber ihre eigene Armut und die gesellschaftlichen Konsequenzen stellt sich bei Margarete Unzufriedenheit ein. Mephistopheles hat hiermit einen ersten Sieg davongetragen und das Idealbild der absoluten Reinheit Margaretes schon zerstren knnen.2.3. Spaziergang (2805 - 2864)In dieser Szene, die komdienhafte Zge in ihrer bissigen Kirchenkritik trgt, berichtet Mephistopheles, dass Margarete den Schmuck ihrer Mutter bergeben hat und diese ihn zum Pfarrer getragen hat. Margarete hat in dieser Situation also noch Widerstand geleistet und nicht der Versuchung nachgegeben. In diesem Zusammenhang kratzt Mephistopheles an dem Idealbild Margaretes und stellt sie als durchschnittliches, schmollendes Mdchen dar: Margaretlein zog ein schiefes Maul (2827), berichtet er Faust. Faust verlangt nachdrcklich von ihm, neuen Schmuck herbeizuschaffen, damit die Verfhrung gelingt.2.4. Der Nachbarin Haus (2865 - 3024)Margarete schafft das zweite Schmuckkstchen zur Nachbarin Marthe. Sie ist somit endgltig der Versuchung erlegen. Marthe stiftet sie zu Lge an, auch dies ist neu fr Margarete, sie verliert Stck fr Stck an Wahrhaftigkeit und geht so Faust und Mephistopheles in die Falle.Mephisto plant, Faust den Weg zu Margarete ber die Nachbarin zu bahnen. Mephisto schmeichelt Margarete und spricht konkret die Mglichkeit einer vorehelichen Affre an. Er stellt die Liebe als eine Himmelsmacht dar und bereitet den Boden fr die Begegnung mit Faust im Garten der Nachbarin.2.5. Strasse II (3025 - 3072)Diese Szene stellt ein weiteres Detail im Plan um die Eroberung Margaretes dar. Mephistopheles berredet Faust, ein falsches Zeugnis abzulegen, obwohl dieser zunchst Skrupel hat. Faust hat sich jedoch schon zu weit auf das teuflisch Lgenspiel (3066) eingelassen und wird sich noch tiefer hinein verstricken, worauf ihn Mephistopheles hinweist. Faust wird laut Mephistopheles, um an sein Ziel zu gelangen, Margarete gegenber von nicht ernstgemeinten ewiger Treu und Liebe (3056) sprechen.2.6. Garten (3073 - 3204)Im Garten treffen Faust und Margarete wieder zusammen. Sie spazieren im Wechsel mit Marthe und Mephistopheles auf und ab. Die beiden Paare haben durchaus verschiedene Gesprchsthemen, sie stellen Idealismus, Liebe und Jugend zum einen, Realismus, Berechnung und Alter zum anderen dar. Jedoch reden die einzelnen Gesprchspartner zumeist aneinander vorbei: Faust kann Margaretes Lebensweise nicht verstehen, whrend Margarete versucht, den gesellschaftlichen Abstand zwischen ihnen beiden zu betonen. Marthe denkt schon wieder an die nchste Ehe und hat als geeigneten Partner Mephistopheles auserkoren, whrend dieser nichts davon wissen will.In dem Gesprch zwischen Faust und Margarete zeigt sich das soziale Geflle, das zwischen ihnen herrscht. Margarete schildert ihr kleinbrgerliches Leben, das still, bescheiden und zurckgezogen im engen Rahmen von Familie und Kirche abluft. Sie erhlt eine unerwartete Reaktion von Faust, der von der Demut und Niedrigkeit fasziniert ist. In dieser Meinung zeigt sich pietistisch geprgtes Gedankengut. Faust sieht in Margaretes Einfalt und Unschuld (3103) alle Weisheit dieser Welt (3080).Wenn Margarete von ihrem Leben erzhlt, den Pflichten, die sie wahrnimmt, und ihrem bescheidenen Vermgen, so mchte sie hiermit dezent darauf hinweisen, dass eine Ehe mit ihr durchaus im Rahmen des gesellschaftlich Erlaubten liegt. Auch ist ihr Hinweis auf ihre aufopfernde Pflege ihres Schwesterchens fr die Einschtzung ihrer spteren Handlungen wichtig. In dieser Szene sagt Margarete noch(3121-3123): Ich hatte mit dem Kind wohl meine liebe Not; Doch bernhm ich gern noch einmal alle Plage, So lieb war mir das Kind.Sie ist also ausgesprochen kinderlieb und doch wird sie keinen anderen Ausweg mehr wissen, als ihr eigenes Kind zu tten.Am Schluss der Gartenszene steht das Blumenorakel mit dem Echo Fausts hierauf und seinem anschlieenden Liebesgestndnis. Das, was Margarete hier noch als Spiel bezeichnet, wird fr sie bitterer Ernst werden, denn so, wie sie im Blumenorakel die Blume zerstrt, so wird Faust sie in seinem Spiel zerstren. Vorausweisend auf das Ende ist auch, dass es sich bei der Blume um eine Sternblume, eine Margerite, handelt, die somit auf Margarete verweist.Nach dieser Liebeserklrung macht [Margarete] sich los und luft weg (nach 3194). Hier hat sie immer noch genug Freiheit, um sich selbstndig von Faust zu trennen. Faust ist wieder in der Position des Folgenden, er wird, wie schon zuvor, von anderen gefhrt (vgl. Seite 3).2.7. Ein Gartenhuschen (3205 - 3216)Im Gartenhuschen sind Margarete und Faust ein einziges Mal als unbeschwerte Liebende gezeigt. Margarete bekundet ihre Liebe Bester Mann! von ganzem Herzen lieb ich dich! (3207). Diese Liebeserklrung steht in krassem Kontrast zu Faust pathetischer Liebeserklrung, der das Blumenorakel als Gtterspruch gedeutet wissen mchte. Margarete ist nun gewonnen, doch sie kann nicht nachvollziehen, was Faust an ihr findet. Dies kann nur das Publikum, das von Fausts Absichten und Intrigen und der Rolle Mephistopheles weis. Da Margarete dies nicht erkennen kann, ist ihr Schicksal besiegelt.Mit der Szene Ein Gartenhuschen endet der erste Abschnitt der Margaretenhandlung, die die erste Begegnung Fausts und Margaretes bis zur Liebeserklrung umfasst. Dazwischen liegen die Listen, zu denen Mephistopheles und Faust greifen mssen, um an ihr Ziel zu gelangen und Margarete zu verfhren. Margarete ist hierbei noch ganz unbefangen und ahnt nichts von der Gefahr, in der sie schwebt.In dem zweiten Abschnitt der Margaretenhandlung, der nun folgt, werden sowohl Faust als auch Margarete schuldig werden. Es wird auerdem zur Liebesnacht kommen. Interessant ist hierbei, dass all diese Begebenheiten nicht auf der Bhne direkt dargestellt werden, sondern dass sie aus den Dialogen, Monologen, Liedern und Gebeten entnommen werden mssen. Dadurch sind sie immer durch eine Perspektive gefiltert, so dass jedesmal zugleich eine Wertung mit vorgenommen wird.Mit Ausnahme der sich dramatisch zuspitzenden Valentin- Szene ist fast alles Stimmung und inneres Geschehen: aufkeimende Liebe, Bangigkeit, Gebete, Lieder, atmosphrisch aufgeladene Interieur- Szenen, vom Selbstgesprch in der Kammer ber die Gewissensbisse in der Dom- Szene bis zum halbirren, an Shakespeares Ophelia erinnernden Gesang im Kerker; dazwischen zwar Fausts Gesprche mit Gretchen und Mephisto, aber doch vor allem Bilder von Fausts Seelen- Aufruhr in der Szene Wald und Hhle und in der Szene Trber Tag. Feld., und seines Sinnen- Aufruhrs in der Walpurgisnacht. Die uere Handlung und die entscheidenden Ereignisse lassen sich meist nur aus der Selbstaussprache Gretchens und Fausts erschlieen. Teils werden die in Ahnungen und Andeutungen vorweggenommen, teils klingen sie in der Erschtterung der Monologe, Lieder, Gebete, aber auch einiger Gesprche nach. Schmidt. S. 1602.8. Wald und Hhle (3217 3373)In dieser und der nchsten Szene ziehen sich Faust und Margarete in die ihnen zugeordneten Gebiete zurck und reflektieren ber das Geschehene.Faust geht aus dem gepflegten und geordneten Garten in die wilde Natur und reflektiert in einem langen Monolog seine Situation. Es zeigt sich in den Worten vom Gefhrten, den [er] schon nicht mehr Entbehren kann (3243/ 3244) wieder seine Abhngigkeit von Mephistopheles, der ihn weiter antreiben und zur Fortfhrung seines Unterfangens verleiten wird. Faust hat seinen eigenen Willen verloren und durch einen Schicksalsglauben ersetzt.In dieser Szene taucht auch das Wanderer- Htte- Motiv auf, das hufig in Verbindung mit Faust gesehen werden kann. Hier nun sieht er sich selbst als der Fremde , der in eine heile, geordnete Welt eindringt und alles zerstrt, wobei Faust auch eine fatalistische Haltung hat, wenn er sagt, dass Margarete mit ihm zusammen zugrunde gehen (3365) soll. Er ist ohne weiteres bereit, Margarete fr seine Zwecke zu opfern.2.9. Gretchens Stube (3374 3413)Ab diesem Zeitpunkt wird Margarete in den Regieanweisungen nun als Gretchen bezeichnet. Dies drckt eine Entwicklung in ihrem Charakter aus. Bevor sie Faust begegnete, war sie eine selbstndige Person, jetzt verstrickt sie sich immer weiter in die schicksalhafte Beziehung mit ihm. Sie zeichnet sich in dieser Phase durch Naivitt und Unbeholfenheit aus. Durch ihre vorbehaltlose Liebe bringt sie Faust blindes Vertrauen entgegen. Trotzdem wird sie bei ihrer intuitiven Ablehnung von Mephistopheles als Verkrperung des Bsen bleiben.Durch die vernderte Namensgebung werden auch verschiedene Stufen der Achtung vor Margarete ausgedrckt. In den Abschnitten, in denen sie als Gretchen bezeichnet wird, wird sie nicht mehr als vollstndiges, selbstverantwortlich handelndes Individuum dargestellt.Nach dem Austausch der Liebeserklrungen im Gartenhuschen reflektiert Margarete nun gebetsmhlenartig in Strophenform und sich wiederholenden Formulierungen ihre Situation. Interessant ist hierbei, dass sie, im Gegensatz zum Lied vom Knig von Thule, hier existentielles in eigene Worte zu fassen wei. Wie bei der Ballade vom Knig von Thule drngt sich Gretchen wieder aus unbewuten Wesenstiefen ein Lied ber die Lippen. Doch nun ist es keine Ballade mehr, es ist reinste Lyrik, unmittelbarster Ausdruck eigenen Existensgefhls. Rudolf Eppelsheimer. Goethes Faust. Das Drama im Doppelreich. Stuttgart 1982. S. 141Sie drckt sowohl ihre Liebe und ihr Verlangen zu Faust aus, als auch ihre Unruhe und ihre Vorahnungen.2.10 Marthens Garten (3414 3543)In dieser Szene redet Margarete Faust zum ersten Mal mit dem Vornamen an. Hierdurch wird eine Vertrautheit ausgedrckt, die vorher zwischen den beiden noch nicht vorhanden war. Trotzdem hat Margarete nicht das Gefhl, alles Wichtige von Faust zu wissen und stellt ihm die Gretchenfrage, indem sie ihn nach seiner Einstellung zur Religion fragt. Diese Frage kann als kurzes Auflehnen gegen das sich ankndigende Schicksal gewertet werden. Margarete, die fest in der Religion und der Gesellschaft verwurzelt aufgewachsen ist, sieht im Glauben an die von der Kirche vermittelten Werte das Ma, an dem sich die Menschen im Miteinander zu halten haben. Sie fragt Faust auch, ob er an die Sakramente glaubt. Sie nennt einige als Beispiel, eines, das sie nicht erwhnt, das aber sehr wichtig fr sie in ihrer Situation ist, ist das der Heirat. Doch Faust antwortet ihr auf alle Fragen ausweichend und gibt gelehrte Antworten auf einfache Fragen. Er mchte oder kann ihr nicht antworten. Diese Fragen und Antworten sind Ausdruck der verschiedenen Lebenswelten, denen die beiden Liebenden angehren. Sie verstehen sich auf der zwischenmenschlichen Ebene gut, doch sie knnen sich nicht miteinander verstndigen. Hier kommt es zum Konflikt, der nicht aufgelst werden kann und so stellt Margarete nur lapidar fest: du hast kein Christentum (3467).Nachdem dieses erste Thema von Margarete angesprochen wurde und es nicht zu ihrer Zufriedenheit gelst werden konnte, kommt sie auf Mephistopheles zu sprechen, den sie instinktiv ablehnt und als ihren Gegenspieler erkennt. Sie behlt in diesem Aspekt ihr Urteilsvermgen und ihre Individualitt, wohingegen Faust sich nicht von Mephistopheles zu trennen vermag.Die Tatsache, dass es sich in dieser Szene nochmals um die, zwar schon tragisch verstrickte, aber immer noch nicht ganz gefangene Margarete handelt, wird auch dadurch angezeigt, dass sie hier nochmals als Margarete bezeichnet wird, danach aber wieder zum Gretchen wird.Margaretes Schicksal wird durch ihre Einwilligung zur List besiegelt. Sie wird mitschuldig, als sie sich bereit erklrt, ihrer Mutter die Tropfen zu verabreichen, die eine ungestrte Liebesnacht ermglichen sollen. In diesem Moment gibt sie sich selbst auf, so sagt sie auch (3517 3520)Seh ich dich, bester Mann, nur an,Wei nicht, was mich nach deinem Willen treibt;Ich habe schon so viel fr dich getan,Da mir zu tun fast nichts mehr brig bleibt.Margarete bietet hier eine selbstlose und aufopfernde Liebe an, sie gibt alles, was fr sie wichtig ist, fr Faust auf. In dieser Selbstlosigkeit liegt auch ihre Naivitt.2.11. Am Brunnen (3544 3586)Die Geschichte, die Lieschen am Brunnen erzhlt ist ein Vorgriff auf Margaretes eigenes Schicksal. Es ist der rtliche Klatsch und Tratsch ber eine gemeinsame Bekannte von Lieschen und Margarete, die, ebenso wie Margarete, sich verliebte und nun ein uneheliches Kind auf die Welt gebracht hat. In der kurzen Episode wird die ffentliche Meinung durch Lieschen dargestellt. Hier wird deutlich, in was fr einer engen Welt Margarete zu Hause ist. Sie ist fest umschlossen von der brgerlichen und kirchlichen Moral, die sich nicht scheut, fr Mnner und Frauen zweierlei Ma anzulegen: Whrend ein uneheliches Kind fr eine Frau als verwerflich gilt und sie ab sofort keinen gesellschaftlichen Status mehr geniet, ist der Vater des Kindes weiterhin eine gute Partie. Sein Verhalten wird nicht nur gebilligt sondern als das einzig vernnftige angesehen. In diesem ganzen Komplex wird sehr schnell die Heuchelei und Scheinheiligkeit der moralischen Mehrheit deutlich.Diese Art der Gesellschaftskritik war besonders im Sturm und Drang verbreitet. Durch diese Darstellungsweise wird deutlich, dass Margaretes Schicksal kein Einzelfall ist. Der Absolutheitsanspruch von Brgermoral und Kirchenmoral steht in starkem Kontrast zur vorgefundenen Wirklichkeit. Dies muss auch Margarete erkennen, die nun ebenfalls der sozialen Kontrolle und chtung unterworfen werden wird, und sie versprt Reue darber, dass sie bisher unreflektiert an den gesellschaftlichen Schmhungen beteiligt gewesen war: (3583 3584)Und segnet mich und tat so gro,Und bin nun selbst der Snde blo!Schmidt spricht von von der herrschenden Moral gedeckte Instrumentalisierung der Sexualitt aus brgerlichem Versorgungsinteresse, die im Gegensatz steht zu Gretchens wahrer Liebe, die aber in ihrer leidenschaftlichen Vorbehaltslosigkeit moralisch verdammt wird. Schmidt S. 184 Eine solche Instrumentalisierung findet sich nicht nur in den Erzhlungen des Lieschens in dieser Szene, sondern auch an anderen Stellen innerhalb des Stcks. So werden zum Beispiel in der Szene Garten Marthes finanzielle Interessen kontrastierend mit Margaretes Verliebtheit dargestellt.Margarete kann jetzt als Betroffene die Dinge aus einer anderen Perspektive betrachten und erkennt die Kollision von gesellschaftlichen Normen und ihren Gefhlen.2.12. Zwinger (3587 3619)Wieder einmal drckt Margarete ihr Innerstes in Versform aus. Diesmal handelt es sich um ein Gebet, durch das ihre tiefste Verzweiflung ausgedrckt wird. Sie artikuliert darin ihre Not, man erhlt Einsicht in die Ausweglosigkeit ihrer Situation. Es stellen sich ihr viele Fragen, sie ist bedrngen aber sie kann keine Antworten finden, deshalb kann sie die neue Situation nicht bewltigen.Das Gebet ist Ausdruck ihrer tiefen Religisitt, sie versucht, in der Religion Trost zu finden. Jedoch geht sie hierzu nicht zur Beichte in den Dom, wie sie es noch in der ersten Szene tat, in der sie dargestellt wurde, sondern zieht sich zurck in eine Mauerhhle. Hierin zeigt sich ihre Distanzierung von der formellen, institutionellen Kirche, in der sie sich kurz zuvor noch zu hause fhlte. Fausts und Mephistopheles Einfluss machen sich so bemerkbar. Margarete hat einen groen Teil ihrer frheren Persnlichkeit eingebt. Durch den Verlust des ihr vertrauten Milieus verstrkt sich ihre Unbeholfenheit weiter.Auerdem findet sich bereits eine Andeutung einer Entzweiung Fausts und Margaretes, wenn Margarete von Scherben (3608) vor ihrem Fenster spricht. Dies deutet auf eine fehlende Szene, in der Faust gewaltttig dargestellt sein knnte. Es wird somit der Anspruch auf eine empfindsame Liebe destruiert.2.13. Nacht (3620 3775)Die Szene Nacht bildet einen Kontrast zu den bisherigen Szenen, da sie die Folge von Monologen und Dialogen durchbricht und Handlungen und Menschenauflufe bietet.Der Bruder Margaretes, der Soldat Valentin, tritt in dieser Szene auf. Er fungiert als Volkes Stimme, wenn er Margarete anklagt und sie sterbend verflucht. Er zeichnet zu Beginn der Szene ein Idealbild von Margarete als Heilige und bezeichnet sie dann als Hur (3730) und zeigt so den Verlust an gesellschaftlicher Stellung, den Margarete auf sich genommen hat. Dabei geht es ihm gar nicht um das Schicksal seiner Schwester sondern nur um sein eigenes, da er nun nicht mehr mit seiner tugendhaften Schwester bei seinen Kameraden angeben kann. Diesen Verlust will er damit ausgleichen, dass er den Verfhrer seiner Schwester ermordet und droht, dass dieser nicht lebendig von der Stelle (3649) soll.Dem Ehrenmann geht es um seine eigene gesellschaftliche Stellung, die sich durch die zur Schau gestellte Tugend der Schwester aufbessern lie. ber ihr menschliches Los verliert er kein Wort. Als Menschen gibt es sie fr ihn nicht, so wenig wie das Kind, das sie erwartet. Schmidt S. 182In seinem Sterbemonolog spricht Valentin nicht von einem Kind, sondern von einer Schande (3740). Er zeichnet ein dsteres Bild von der Zukunft, die Margarete erwartet, er prophezeit ihren gesellschaftlichen Tod. Auerdem erwhnt er die Mglichkeit der Ermordung des Kindes. Seine Worte zeigen, dass Margarete wie eine Ausstzige leben wird: selbst wenn Gott ihr verzeihen sollte, so wird die Gesellschaft dies nie tun. Zum Schluss lastet er Margarete seinen eigenen Tod an. Durch all diese Beschuldigungen, Andeutungen und Voraussagen wird der Gesellschaft, vertreten durch Valentin (und vorher durch Lieschen) indirekt der Kindsmord angelastet. Durch Valentins Verhalten wird Margarete weiter in die Isolation getrieben, sie verliert ihren letzten Halt in der Welt.Des Weiteren gibt diese Szene den Anlass dafr, dass Faust Margarete verlsst. Er ist verantwortlich fr den Tod Valentins und muss deshalb die Stadt verlassen. Er setzt seine Reise als Wanderer fort whrend Margarete in der sozialen Enge gefangen bleibt.2.14. Dom (3776 3834)Margaretes Verzweiflung und die ihr ungndige christliche Gesellschaft finden hier eine Verkrperung im bsen Geist, der sie anklagt und zur Reflexion ber ihre Situation bewegt. Ihr Glauben muss sich zwangslufig wandeln, da sie in den Augen der Kirche als Snderin stigmatisiert ist. Sie muss selbstndig ber ihr Verhltnis zu Gott nachdenken und es neu definieren. Der ihr bekannte liebende und verzeihende Gott, der ihr unbewusstes und unreflektiertes Religionsbewusstsein beherrschte, wird kontrastiert mit dem furchterregenden Bild eines richtenden und rchenden Gottes aus der Totensequenz. Die Beschreibung des Jngsten Gerichts, die Heraufbeschwrung von Fegefeuer, Hlle und ewiger Verdammnis lassen keine Hoffnung mehr auf Rettung zu. Gretchen wird durch die anklagende Haltung der Gesellschaft und durch die inhumane Praxis der Kirche ihrer Zeit, die primr auf die Erzeugung eines Sndenbewusstseins abstellt, im entscheidenden Augenblick die Hilfe der Frohbotschaft verwehrt. Eppelsheimer. S. 145Gretchen will der bedrckenden Atmosphre entfliehen und sehnt sich nach Licht. Wieder zeigt sich eine verstrkte Abkehr von der Kirche, sie findet keinen Trost sondern nur noch Anklage und Verzweiflung. Margaretes Ohnmacht ist eine Flucht nach innen, da eine Flucht nach auen, aus der Gesellschaft, in der sie eingegliedert war, fr sie, im Gegensatz zu Faust, nicht mglich ist.Diese Szene bildet den Abschluss der Szenenreihe, in der Margarete als Gretchen dargestellt wird. Sie wird nur noch einmal in der letzten Szene auftreten. Mit den zwischen der Dom und Kerkerszene liegenden Szenen werden wichtige Entwicklungspunkte der Gretchenhandlung verdeckt: Die Geburt des Kindes, seine Ttung, Margaretes Verhaftung und Verurteilung werden nicht dargestellt. Dieses nicht- Darstellen dieser Ereignisse entspricht der gesellschaftlichen Praxis, das Schicksal Margaretes zu ignorieren und sie gesellschaftlich auszugrenzen.2.15. Walpurgisnacht (3895 4222)Diese ausgelassene Szene wirkt um so greller im Kontrast zu der vorhergehenden dsteren Domszene. Mephistopheles erkennt Margarete als seine Gegenspielerin und entzieht durch den Ortswechsel Faust ihrem Einfluss. Trotz der zahlreichen Ablenkungen schafft Mephistopheles es dennoch nicht, Faust vollstndig von Margarete abzulenken. In einer prophetisch anmutenden kurzen Sequenz sieht Faust die verlassene Margarete in Ketten mit geschlonen Fen gehen (4186). Er ahnt Margaretes Schicksal, denn die gesellschaftlichen Regeln und kirchlichen beziehungsweise gerichtlichen Verfahrensweisen im Zusammenhang mit unverheirateten Mttern und Kindsmrderinnen mssen ihm bekannt sein. So spricht er (4203 4205):Wie sonderbar muss diesen schnen HalsEin einzig rotes Schnrchen schmcken,Nicht breiter als ein Messerrcken!Mephistopheles verschrft dieses vorausdeutende Bild noch durch seine Bemerkung, dass sie das Haupt auch unterm Arme tragen (4207) kann, da es abgeschlagen ist.2.16.Walpurgisnachttraum (4223 4398)Um Faust von der Vision der Hinrichtung Margaretes abzulenken, weist er Faust in der vorangegangenen Szene den Weg ins Theater. Diese Darstellung des Stcks innerhalb des Stcks ist ein banales Gegenstck zur Margaretenhandlung, die keinerlei Bezug zu ihr hat.2.17. Trber Tag Feld (Prosaszene)Dies ist der einzige Textteil, der in Prosaform aus der ursprnglichen Form geblieben ist. Hierdurch wird der Kontrast zwischen Fausts von Leidenschaft gekennzeichneter Rede in freien Rhythmen und Mephistopheles sachlicher und khler Argumentation weiter unterstrichen. Faust klagt Mephistopheles an, an dem Schicksal Margaretes Schuld zu sein. Faust mchte ihr nun treu bleiben, ihr beistehen und sie retten. Mephistopheles hat hiergegen Einwnde vorzubringen und weist Faust die Schuld an Margaretes Schicksal zu. Er allein trgt Mephistopheles zufolge die Verantwortung fr Margaretes Verderben.Durch seine Bemerkung Sie ist die erste nicht (15) weist Mephistopheles ber das Einzelschicksal Margaretes hinaus auf das gesellschaftliche Problem der gechteten Mtter, die keinen anderen Ausweg mehr sehen, als ihre eigenen Kinder zu tten. Wieder findet sich hier also eine Gesellschaftskritik, die in die Margaretenhandlung integriert ist.2.18. Nacht - offen Feld (4399 4404)Diese Szene, die nur der Erzeugung und Bekrftigung einer entsprechenden Stimmung dient, zeigt den Weg Fausts und Mephistopheles, um den Rettungsplan auszufhren. Faust innere Verfassung und seine Vorahnungen werden durch das Halbdunkel und die unheimliche Situation am Richtplatz dargestellt.2.19. Kerker (4405 4612)In dieser finalen, sehr dramatischen Szene wird Margarete wieder als solche und nicht als Gretchen bezeichnet. Sie hat sich von Faust gelst, wenn auch um den Preis des Blicks auf die sie umgebende Welt. Sie ist verwirrt und nicht bei Sinnen, trotzdem verfgt sie wieder ber eine innere Klarheit, die sie im Lauf der Szene ihren eigenen Weg gehen lsst.Faust hat zu Beginn der Szene Angst, Margarete wiederzusehen. Margarete erkennt ihn bei seinem Eintreten nicht und hlt ihn stattdessen fr ihren Henker. Diese Ausgangskonstellation ist bezeichnend fr die Situation zwischen Faust und Margarete: Sie sind einander entfremdet, ihre unterschiedlichen Erfahrungen seit dem letzten Zusammentreffen und ihre verschiedenen Lebensauffassungen machen sich wieder sehr stark bemerkbar. Auch, dass Margarete Faust fr ihren Henker hlt, liegt nicht nur in der momentanen Situation und ihrer Verwirrung. Durch sein Verhalten, von der ersten Begegnung bis zur Flucht nach dem Tod des Bruders Valentin, hat Faust Margaretes Schicksal mit zu verantworten. Er hat sie wider besseren Wissens in die Lage einer unverheirateten Mutter gebracht und allein gelassen. Somit versetzt Faust Margarete vielleicht nicht den finalen Todessto, doch dafr, dass Margarete die Hinrichtung erwartet, ist er durchaus verantwortlich. Er lscht damit das letzte Mitglied der Familie aus und zerstrt diese vollstndig, nachdem er schon Margarete das todbringende Schlafmittel fr ihre Mutter gab, den Bruder erstach und Margarete durch sein Verlassen keinen anderen Ausweg als den Kindsmord lie.In der Kerkerszene glaubt die verwirrte Margarete zunchst, dass ihr Kind noch lebt. Erst als Faust ihren Namen ruft, kehrt sie zurck in die Realitt. Sie fhlt sich durch seine Anwesenheit gerettet, liebt ihn auch weiterhin und mchte mit ihm gehen. Doch dann erkennt sie, dass Faust sie nicht liebt, sie sprt seine Klte. Als er sie bittet, mit ihm zu kommen, bekennt sie vor ihm ihre Schuld. Was sie noch kurz zuvor nicht wahrhaben wollte, ist ihr jetzt schuldhaft bewusst. Sie beauftragt Faust mit der Pflege der Grber und weigert sich, ihm zu folgen. Sie kann nicht, wie Faust es verlangt, das Vergange vergangen sein (4518) lassen. In ihrer Gedankenwelt erfordert Schuld Shne. Sie ist nicht bereit, mit schlechtem Gewissen als Auenseiterin der Gesellschaft weiterzuleben und zieht eine gerechte Strafe vor.Als Mephistopheles drngt, dass sie sich beeilen mssen, wehrt Margarete sich heftig gegen ihn. Sie entscheidet sich bewusst gegen Faust und bergibt sich endgltig dem Gericht Gottes, das ber dem Menschengericht steht. Eine Stimme von oben gibt ihre Rettung bekannt, doch Mephistopheles hat weiterhin Einfluss auf Faust und bewegt ihn, mit ihm zu verschwinden.Diese Szene erinnert in ihrem Inhalt an Orpheus, der in die Unterwelt steigt, um Eurydice zu retten. Faust steigt hier in den Kerker hinab, um Margarete zu befreien. Eurydice starb an einem Schlangenbiss, Mephistopheles wird von Faust als Schlange (3324) beschimpft. In dieser Parallele wird der Einfluss Mephistopheles auf das Schicksal Margaretes deutlich. Durch sein Vorantreiben von Fausts Werben, seine Hilfestellungen und dadurch, dass er Faust zur Walpurgisnacht leitet, whrend Margarete Faust am ntigsten braucht, formt Mephistopheles entscheidend den Ausgang der Affre zwischen Faust und Margarete.In dieser letzten Szene wird auf der Bhne wieder Himmel, Welt und Hlle dargestellt. Margarete sieht: (4454-4456)unter diesen Stufen,Unter der SchwelleSiedet die Hlle!Und spter bemerkt sie Mephistopheles und sagt zu Faust: Was steigt aus dem Boden herauf? Der! der! Schick ihn fort! (4601-4602) Sie erkennt Mephistopheles als Vertreter der Hlle, die sie unterhalb der Stufen des Kerkers gesehen hat. Doch durch Margaretes festen Glauben macht sie den Kerker zum heiligen Ort (4604), zum Himmel. So kann sie dann auch voll Vertrauen sagen:Gericht Gottes! dir hab ich mich bergeben! (4605)Dein bin ich, Vater! Rette mich!Ihr Engel! Ihr heiligen Scharen,Lagert euch umher, mich zu bewahren! (4607-4609)Somit schliet sich zum Ende von Faust. Erster Teil. wieder der Bogen zum Anfang des Stcks, indem wieder die Wette zwischen Herr und Mephistopheles in den Vordergrund gerckt wird.III SchlussfolgerungenWie bereits in der Einleitung erwhnt, bietet die Margaretenhandlung die verschiedensten Interpretationsmglichkeiten. Durch die gewhlte Form der chronologischen Besprechung aller relevanten Szenen konnten unterschiedliche Aspekte eingebracht werden. Diese sollen hier noch einmal zusammengefasst und erlutert werden.Auffllig ist an der Margaretenhandlung die scharfe Gesellschaftskritik, die sie ausben kann. Margarete wird vor allem ein Opfer der Konventionen, die gegen sie sind. Somit ist Faust auch ein soziales Drama. Eigentliche Ursache fr die Ttung des Kindes ist der gesellschaftliche und kirchliche Terror, aber auch das verantwortungslose Handeln Fausts. Um so tragischer erscheint Gretchens Los. Obwohl sie die Tat verantworten muss, ist sie doch das Opfer der Umwelt, die sie durch ihr unmenschliches Verhalten zur Tat getrieben hat.Im nachhinein erfhrt jenes frhere Gesprch mit Faust, in dem sie ihm erzhlt, mit welcher Liebe und Mhe sie ihr kleines Schwesterchen grogezogen hat (V. 2123 3148), noch eine neue besondere Bedeutung: Gerade sie, die so liebevoll fr ein Kind gesorgt hat, gert so tief in Verzweiflung, dass sie ihr eigenes Kind ttet. Schmidt S. 203Jedoch muss man sich hten, dieses als die Kernaussage des Stcks aufzufassen. Goethe hat sicher nicht die Absicht verfolgt, mit diesem Stck gesellschaftliche Vernderungen hervorzurufen, war er doch oft genug selber Verfechter eben dieser Konventionen und Gesetze, denen Margarete zum Opfer fllt.Die in der Sekundrliteratur immer wieder aufgeworfene und unterschiedlich beantwortete Frage, ob Margarete nun Opfer oder selbstndig handelnde Person ist, lsst sich nach der vorangegangenen Besprechung nicht nur fr die eine oder andere Variante beantworten. Zum einen ist sie durchaus selbstndig, sie lsst sich von Faust zu keinem Zeitpunkt leiten, ihre Handlungen, das betont sie, sind freiwilliger Natur. Ihre Selbstndigkeit ist schon durch die von ihr geschilderte Lebensgeschichte, zum Beispiel der frhen Pflege ihres Schwesterchens, zu begrnden. Durch die neuen Erfahrungen und Leiden, denen sie durch Faust begegnet, steigt nochmals ihr Grad an Selbstndigkeit: Sie bewegt sich zum Beispiel in der Religion von einem kindlichen, unreflektierten Glauben zu einem ihr ganz eigenen Zugang zur Religion. Ebenso steigert sich ihre Wahrnehmung von der sie umgebenden Gesellschaft, sie ist in der Lage, diese neu zu interpretieren. Sie stellt sich Faust gegenber als unwissend dar, doch zeigen ihre Handlungen und ihre Einstellungen eine auch intellektuelle Selbstndigkeit.Trotzdem ist Margarete auch Opfer: Sie wird Opfer der Konventionen, sie wird Opfer der Intrigen Mephistopheles und sie wird das Opfer Fausts, der sich nicht an sie binden und zu ihr stehen kann. Faust spielt nur ein Spiel, das Margarete aber mit dem (irdischen) Leben bezahlen muss. Mephistopheles kmpft darum, seine Wette zu gewinnen. Margarete, die als seine Gegenspielerin fungiert, muss von ihm zerstrt werden, da sie in der Lage sein knnte, Faust unter ihren guten Einfluss zu bringen. Insofern ist die Figur der Margarete auch tragisch, denn ihr Ende ist somit von der ersten Begegnung vorbestimmt, es muss notwendiger Weise so kommen, fr sie kann es keinen Ausweg geben.In den Verlauf des Faust- Dramas freilich ist die Gretchen- Handlung vor allem als Beispiel fr tragisches Schicksal schlechthin integriert. Der Schwerpunkt liegt darauf, zu verfolgen, wie Gretchen und Faust durch den Zwang der Umstnde, unschuldig- schuldig, das heit nicht ohne eigenes Zutun, in die Katastrophe hineingetrieben werden, wobei Faust gewi ein hheres Ma an Verantwortung trifft [...]. Eppelsheimer. S. 134Durch die Intrigen und Taten Mephistopheles und Fausts wird Margarete in die Opferrolle gedrngt. Faust und Mephistopheles schaffen es, Margarete aus dem sie sttzenden Geflecht der Kirche und ihrer Sakramente auszulsen, sie zerstren ihre Familie, Margarete wird von ihrem Bruder gesellschaftlich blogestellt und bekommt ein Kind ohne die gesellschaftlich notwendige vorherige Eheschlieung. Obwohl Margarete durch all dies zum Opfer gemacht wird, behlt sie ihre Selbstndigkeit und den Blick fr das ihr Wesentliche. Somit ist sie beides zugleich: Opfer und selbstndige Person. Sie kann also nicht nur in Abhngigkeit von Faust gesehen werden.IV LiteraturBoyle, Nicholas. Goethe: Faust. Part One. Cambridge u.a. 1987.Eppelsheimer, Rudolf. Goethes Faust. Das Drama im Doppelreich. Stuttgart 1982.Goethe Handbuch. Band 2. Hrsg. von Bernd Witte, Theo Buck ea. Stuttgart, Weimar 1997.Hart, Gail K. Das Ewig- Weibliche nasfhret dich: Feminin Leadership in Goethes Faust and Sacher- Masochs Venus. In: Interpreting Goethes Faust Today. Hg. Jane Brown, Meredith Lee, Thomas P Saine. Columbia 1994. S. 112 122.Interpreting Goethes Faust today. ed by Jane K. Brown. Columbia, SC 1994.Requadt, Paul. Goethes Faust I: Leitmotivik und Architektur. Mnchen 1972.Schmidt, Jochen. Goethes Faust, erster und zweiter Teil. Grundlagen Werk Wirkung. Mnchen 1999.Schmidt, Michael. Genossin der Hexe: Interpretation der Gretchentragdie in Goethes Faust aus der Perspektive der Kindsmordproblematik. Gttingen 1985.Sudan, Ralf. Faust I und Faust II. Mnchen 1993.