glück als schicksal? der einfluss von persönlichkeitsfaktoren und tief verankerten habits auf das...
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Glück als Schicksal?Der Einfluss von Persönlichkeitsfaktoren und tief
verankerten Habits auf das subjektive Wohlbefinden
Referat zum Hauptseminar „Arbeit, Glück, Zufriedenheit“ (SS08) von Lotte Lehmbruck, Lucienne Leroy und Steffen Ermisch
UNIVERSITÄT ZU KÖLNINSTITUT FÜR WIRTSCHAFTS- UND SOZIALPSYCHOLOGIE
Prof. Dr. Lorenz Fischer
Wo leben die glücklichsten Menschen?
Lotte Lehmbruck, Lucienne Leroy, Steffen ErmischGlück als Schicksal?
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Quelle: http://www.youtube.com/watch?v=VoieJc3XksE
Wo leben die glücklichsten Menschen?
Glück als Schicksal?
3 Lotte Lehmbruck, Lucienne Leroy, Steffen Ermisch
Wo leben die glücklichsten Menschen? Je nach Maßstab sind die Menschen am zufriedensten in...
... Dänemark (White, 2006; Veenhoven, 2005) Maßstab: „All things considered, how satisfied are you with
your life as wohle these days?“ (auf einer Skala von 0 bis 10) Deutschland: Rang 19-21
...der Schweiz (Veenhoven, 2005) Maßstab: Happy Life Years (HLY) = (Lebenserwartung x
Lebenszufriedenheit)/10 D: Rang 18
... Vanuatu im Südpazifik (Marks et al., 2006) Maßstab: Happy Plant Index (HPI) = HLY/Ökologischer
Footprint D: Rang 81
Easterlin-Paradox (1974, 1995): Das Wirtschaftswachstum der Industrienationen geht nicht mit steigender Lebenszufriedenheit einher (aber die Reichen sind in jedem Land etwas glücklicher als die Armen)
Glück als Schicksal?
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Wo leben die glücklichsten Menschen? Mögliche Erklärungen für das Easterlin-Paradox
Menschen berücksichtigen bei der Bewertung ihrer Lebenszufriedenheit nicht ihr absolutes Einkommensniveau, sondern ihr relatives Einkommen Wenn alle Einkommen steigen, bleibt diese Bewertung
gleich Mit steigendem Einkommen wachsen die materiellen
Bedürfnisse
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Quelle: Clark et al. (2007)
Wo leben die glücklichsten Menschen?
Kritik: Je nach Kultur beantworten Menschen die Frage nach ihrer Lebenszufriedenheit unterschiedlich
Kritik: Allein mit der Lebenszufriedenheit als Maßstab wird Glück auf eine kognitive Komponente reduziert Nach Diener und Lucas enthält das Subjektive Wohlbefinden
(SWB) auch eine affektive Komponente Angenehme Gefühle/Stimmungen Fehlen unangenehmer Gefühle/Stimmungen
Diese 3 Bestandteile (kognitive Lebenszufriedenheit, angenehme Gefühle, Fehlen unangenehmer Gefühle) korrelieren stark miteinander, lassen sich aber getrennt untersuchen
Generelles Problem: Für Glück sind keine externen Maßstäbe verfügbar Betrachtung der individuellen Ebene
Glück als Schicksal?
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Wie lässt sich das SWB messen?
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Subjektive Selbstauskünfte Satisfaction With Life Scale (SWLS); Pavot & Diener
(1993) PANAS (Positive Affect Negative Affect Scale); Watson et
al. (1988) Multidimensional Personality Questionnaire (MPQ) Interviews Annahme: intertemporale Stabilität der Selbstauskünfte
Befragung von Informanten (Freunde, Verwandte)
Andere Methoden Verhaltensbeobachtung Elektrophysiologische Messung
Ergebnisse der einzelnen Messmethoden korrelieren!
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Was bestimmt das SWB?
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SWB ist zeitlich relativ stabil, auch wenn sich Lebensumstände stark verändern
Demografische Faktoren (wie Alter, Geschlecht, Einkommen, Erziehung, Ehe-Status) und Ressourcen (wie Gesundheit, physische Attraktivität, Reichtum) erklären nur einen geringen Teil des SWB
Hat die Empfindung von Glück eine biologische Ursache?
Zwillingsstudien von Tellegen et al. (1988) Logik: Eineiige Zwillinge haben identische Gene. Zweieiige
Zwillingen teilen etwa 50% ihrer Gene. Wie ähnlich entwickeln sie sich, wenn sie getrennt voneinander oder gemeinsam aufwachsen?
Methode: Multidimensional Personality Questionnaire (MPQ)
Lotte Lehmbruck, Lucienne Leroy, Steffen Ermisch
Was bestimmt das SWB?
Glück als Schicksal?
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Ergebnis: Was erklärt die Varianz im SWB?
Getrennt voneinander aufgewachsene eineiige Zwillinge sind sich extrem ähnlich
Gemeinsam aufgewachsene zweieiige Zwillinge sind sich nicht wesentlich ähnlicher als getrennt voneinander aufgewachsene
Umwelteinflüsse sind bei angenehmen Affekten am größten
Einfluss von... angenehmen Affekte
unangenehmen Affekte
Wohlbefinden
...Genen 40% 55% 48%
...gleicher Umwelt
22% 2% 13%
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Persönlichkeit und SWB
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Persönlichkeitsmerkmale sind genetisch und durch die spezifische Lernerfahrung eines Menschen bedingt
Persönlichkeitsdimensionen: „Big Five“ (nach Casta & McCrae, 1992) Extraversion: gesellige, kontaktfreudige, begeisterungsfähige
Menschen Verträglichkeit: freundliche, kompromissbereite,
vertrauensvolle Menschen Offenheit: unkonventionelle, künstlerische Menschen mit vielen
Interessen Gewissenhaftigkeit: organisierte, ehrgeizige, zuverlässige
Menschen Neurotizismus: angespannte, launische, ängstliche Menschen
Extrovertierte erfahren mehr positive Gefühle Neurotiker erfahren mehr negative Gefühle Verträglichkeit, Offenheit und Gewissenhaftigkeit haben
nur geringen Einfluss auf SWB
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Persönlichkeit und SWB
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Veranlagungs-Modelle: Gene bestimmen das Empfinden von SWB1) Menschen haben ein Grund-Level an Glücklichkeit2) Individuen reagieren unterschiedlich auf positive bzw.
negative Stimuli3) Veranlagung führt zu Verhaltensweisen, die unterschiedlich
gut für das SWB sind Kongruenz-Modelle: Menschen erfahren hohes SWB, wenn ihre
Persönlichkeit in ihre Umwelt passt Kognitive Modelle: Veranlagung beinhaltet unterschiedlich stark
ausgeprägte Neigungen, positiven bzw. negativen Stimuli Aufmerksamkeit zu schenken
Ziel-Modelle: der Inhalt selbst gesetzter Ziele, die Art und Weise, wie man sich ihnen nähert und Erfolg bzw. Misserfolg bei der Erreichung dieser Ziele beeinflussen SWB
Emotions-Sozialisierungs-Modelle: Kinder lernen, wie sie Gefühlszustände und Verhalten an Normen anpassen
Lotte Lehmbruck, Lucienne Leroy, Steffen Ermisch
Wie beeinflusst die Kognition das SWB?
Die Persönlichkeit beeinflusst die Art und Weise wie Leute (unangenehme) Situationen erklären, in die sie selbst involviert sind
Beispiel für eine negative Situation: ein erlebter Kontrollverlust
Selbstkontrolle: Individuen glauben, dass sie durch ihr Verhalten gute Ergebnisse maximieren und schlechte Ergebnisse minimieren können
Viele Studien zeigen: Situationen kontrollieren zu können ist wichtig für das Wohlbefinden
Die Wahrnehmung von Kontrollverlust beeinträchtigt... ...die Motivation (Passivität), ....kognitive Prozesse (erlahmendes Kontingenzlernen) ...und die Gefühle (Traurigkeit, Depression)
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Gelernte Hilflosigkeit Experiment von Seligman & Maier (1967):
Gruppe 1: Hunde bekamen unabhängig von ihrem Verhalten Stromschläge und konnten diese mit ihrer Schnauze ausschalten
Gruppe 2: Hunde bekamen unabhängig von ihrem Verhalten Stromschläge und hatten keine Möglichkeit, diese auszuschalten
Kontrollgruppe: Hunde erhielten keine Stromschläge Danach: Hunde erhielten erneut Stromschläge, ein
Lichtsignal warnte sie jedoch vor dem Schock und sie konnten flüchten
Ergebnis: die Hunde aus Gruppe 2 flüchteten nicht, die Tiere aus Gruppe 1 flüchteten
Gelernte Hilflosigkeit: die Wahrnehmung der fehlenden Kontrolle wird zu einer generalisierten Erwartung an zukünftige Situationen
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Hilflosigkeit und Erklärungsstil Abramson, Seligman und Teasdale (1978) bezogen die
habituellen Attributionstheorie mit ein, diese lassen sich in drei Dimensionen unterscheiden:1. stabil vs. instabil2. global vs. spezifisch3. internal vs. external
Der Erklärungsstil hat einen Einfluss darauf, welche Folgen die erlebte Hilflosigkeit hat
Messinstrument: Attributional Style Questionnaire (ASQ) und Content Analysis of Verbatim Explanations (CAVE)
Negative Erfahrungen in der Kindheit führen eher zu einem pessimistischen Erklärungsstil, positive zu einem optimistischen
Einflüsse auf den Erklärungsstil: Gene: mittelbar; soziales Lernen: unmittelbar
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Hilflosigkeit und Erklärungsstil „Hopelessness Theorie of Depression“: nur gravierende
Erfahrungen von Hilflosigkeit machen passiv und führen zu Depressionen
Ein pessimistischer Erklärungsstil verbunden mit erlebter Hilflosigkeit kann resultieren in: Depressionen
Auslöser: negative Situationen, speziell solche, die Menschen als unkontrollierbar empfinden Passivität
Schlechten Leistungen Misserfolge werden auf eigene Fähigkeiten zurückgeführt
Geringes Selbstvertrauen Aber: Was war zuerst – der Erklärungsstil, der zu
unangenehmen Affekten führt oder die unangenehmen Emotionen, die zu einem negativen Erklärungsstil führen?
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Je mehr Kontrolle, desto besser?
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Kontrolle fördert das Wohlbefinden und ist erstrebenswert
Der Glaube daran, dass man Situationen beeinflussen kann macht aus den Menschen mehr als passive „Erleber“ von Ereignissen
Kontrolle kann auch belastend sein Entscheidungsprobleme Unrealistische Wahrnehmung von Kontrolle:
Perfektionismus, Feindseligkeit und Risikobewusstsein
Wohlbefinden ist mehr als nur die Kontrolle über Situationen
Kontrolle und Wohlbefinden zeigen eine starke Verbindung bei der Verfolgung von eigenen Zielen
Ein Zielmodell
Modell des regulativen Fokus (Higgins, 1997) Menschen können sich unterschiedliche Ziele setzen
Idealziele Sollziele
Promotionsfokus (Hoffnungen,
Wünsche)
Präventionsfokus (Aufgaben, Pflichten,
Verantwortung)
Gewinne Nicht-Gewinne
Verluste Nicht-Verluste
Lotte Lehmbruck, Lucienne Leroy, Steffen Ermisch17 Glück als Schicksal?
Was bestimmt den Fokus? Das Elternhaus prägt Menschen
Promotionsfokus: Eltern vermitteln ihren Kindern, was sie im Idealfall erreichen bzw. nicht erreichen können Kind spürt An- bzw. Abwesenheit positiver Dinge
Präventionsfokus: Eltern vermitteln ihren Kindern, was sie machen bzw. nicht machen sollen Kind spürt Ab- bzw. Anwesenheit negativer Dinge
Dies kann dazu führen, dass chronisch ein Fokus verfolgt wird
Auch Lehrer, Vorgesetzte, Personen der Umwelt, etc. können (kurzfristig) einen Fokus vermitteln
Der Fokus ist außerdem situationsbedingt
Lotte Lehmbruck, Lucienne Leroy, Steffen Ermisch18 Glück als Schicksal?
Regulativer Fokus und Emotionen Versuch von Higgins, Shah & Friedman (1997) Probanden sehen verschiedene Trigramme (jedes
solange sie möchten) und sollen diese später erinnern Sollen dabei das 70ste Perzentil aller Teilnehmer
übersteigen Promotionsbedingung: Erhalten zu Beginn 5$ und die
Möglichkeit 1$ dazu zu gewinnen, wenn sie erfolgreich sind
Präventionsbedingung: Erhalten zu Beginn 6$, können aber 1$ verlieren, wenn sie nicht erfolgreich sind
Vor und nach der Aufgabe beantworten Teilnehmer, wie fröhlich, angespannt, entmutigt und entspannt sie sind
Promotionsbedingung: Bei Gewinn wurde Fröhlichkeit verspürt und bei Nicht-Gewinn Mutlosigkeit
Präventionsbedingung: Bei Nicht-Verlust wurde Entspannung verspürt und bei Verlust Anspannung
Lotte Lehmbruck, Lucienne Leroy, Steffen Ermisch19 Glück als Schicksal?
Regulativer Fokus und Emotionen
Je nachdem welcher Fokus gearbeitet hat, werden unterschiedliche Emotionen erlebt
Promotionsfokus
Ideal erreicht
Ideal nicht
erreicht
Fröhlichkeit
Präventionsfokus
Soll erreicht
Soll nicht erreicht
Ruhe
Lotte Lehmbruck, Lucienne Leroy, Steffen Ermisch20 Glück als Schicksal?
Nieder-geschlagen
heit
Beunruhigung
Nicht-emotionale Erfahrungen Promotionsfokus: Eifer, Treffer zu erzielen
Präventionsfokus: Wachsamkeit, keine Fehler zu begehen
Experiment (Crowe & Higgins 1997): Probanden sollen 12 Objekte sortieren (erst 12
Obstsorten, dann 12 Gemüsesorten) Sehen nur den Namen, aber kein Bild Präventionsfokus: Solange du diese Aufgabe nicht
schlecht meisterst, bekommst du danach keine langweilige sondern eine schöne Aufgabe
Promotionsfokus: Wenn du diese Aufgabe gut meisterst, bekommst du danach eine schöne anstelle einer langweiligen Aufgabe
Lotte Lehmbruck, Lucienne Leroy, Steffen Ermisch21 Glück als Schicksal?
Präventionsfokus: Probanden bilden eher wenige Kategorien verwenden ein Merkmal für beide Aufgaben
Z. B. Obst rot - nicht rot
Z. B. Gemüse grün - nicht grün
Promotionsfokus: Probanden bilden eher mehrere Kategorien und verwenden verschiedene Merkmale für beide Aufgaben Z. B. Obst: rot - gelb -
sonstiges
Z. B. Gemüse klein - groß - mittel
Nicht-emotionale Erfahrungen
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Lotte Lehmbruck, Lucienne Leroy, Steffen Ermisch
Regulativer Fokus: Zusammenfassung Beide Fokusse können Stolz erzeugen und daher
motivieren solange sie erfolgreich sind, aber die erlebten Emotionen unterscheiden sich (Fröhlichkeit versus Ruhe)
Menschen können auch chronisch einen bestimmten Fokus verfolgen und daher meist die damit verbunden Emotionen verspüren
Erlebte Emotionen beeinflussen Antworten auf Frage nach dem persönlichen Wohlbefinden
Generell: Um „glücklich“ zu sein, sollte man sich (erreichbare) Ziele setzen
Lotte Lehmbruck, Lucienne Leroy, Steffen Ermisch23 Glück als Schicksal?
Fazit Die Persönlichkeitsdimensionen Neurotizismus und
Extraversion sind stark mit SWB korreliert Kritik: „Big Five“- Modell reduziert Persönlichkeit zu sehr
Beispiele für den Einfluss weiterer „Habits“ Negativer Attributionsstil wirkt sich negativ auf
Wohlbefinden aus Menschen können chronischen regulativen Fokus
verfolgen, der zum Erleben unterschiedlicher Emotionen führt
Das SWB hängt auch mit der Umwelt zusammen Umwelt beeinflusst den regulativen Fokus Kulturelle Einflüsse prägen das Empfinden von Glück
Der eigene Einfluss auf die eigene Persönlichkeit und die Umgebung, in der man aufwächst, ist gering
Glück als Schicksal?
Lotte Lehmbruck, Lucienne Leroy, Steffen ErmischGlück als Schicksal?
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