gitter-boltzmann-simulation von mehrphasenstr¨omungen in...

107
Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨ omungen in der Mikrofluidik Diplomarbeit am Institut f¨ ur Computerphysik der Universit¨ at Stuttgart von Sebastian Schmieschek Hauptberichter: PD Dr. Jens Harting Mitberichter: Prof. Dr. Udo Seifert Erstabgabe: 08. Oktober 2008 Zweitabgabe: 08. Dezember 2008

Upload: others

Post on 21-Oct-2019

0 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

Gitter-Boltzmann-Simulation vonMehrphasenstromungen in der Mikrofluidik

Diplomarbeit am Institut fur Computerphysikder Universitat Stuttgart

von Sebastian Schmieschek

Hauptberichter: PD Dr. Jens HartingMitberichter: Prof. Dr. Udo Seifert

Erstabgabe: 08. Oktober 2008Zweitabgabe: 08. Dezember 2008

Page 2: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

pnta ûeØ - Alles fließt.

Hekleito

Page 3: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

2 Grundlagen 5

2.1 Kinetische Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.1.1 Die Boltzmann-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

2.2 Mikrofluidik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.2.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.2.2 Wechselwirkungen an Oberflächen . . . . . . . . . . . . . 142.2.3 Die Lucas-Washburn-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . 17

2.3 Numerische Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.3.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192.3.2 Die Gitter-Boltzmann-Methode . . . . . . . . . . . . . . 21

3 Ergebnisse 33

3.1 Systemeigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333.2 Kontaktwinkel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

3.2.1 Geometrische Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . 393.2.2 Parameterabhängigkeit des Kontaktwinkels . . . . . . . . 403.2.3 Messung der mechanisch definierten Oberflächenspannung 443.2.4 Abschätzung des Kontaktwinkels nach Huang et al. . . . 493.2.5 Analytische Rechnung nach Benzi et al. . . . . . . . . . . 523.2.6 Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

3.3 Das Lucas-Washburn-Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 583.3.1 Parameterabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623.3.2 Dynamik in breiten Kapillarkanälen . . . . . . . . . . . . 673.3.3 Das Geschwindigkeitsfeld an der Grenzfläche . . . . . . . 703.3.4 Untersuchung eines Mehrphasensystems in Hinblick auf

Änderungen im Geschwindigkeitsfeld . . . . . . . . . . . 743.3.5 Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 80

3.4 Multiple Relaxationszeiten und unphysikalische Strömungen . . . 833.4.1 Beobachtungen an freien Tropfen . . . . . . . . . . . . . 83

Page 4: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

iv INHALTSVERZEICHNIS

3.4.2 Lucas-Washburn-Gesetz und SCMP-MRT-Modell . . . . . 863.4.3 Diskussion der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 86

4 Zusammenfassung und Ausblick 91

Page 5: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

Kapitel 1

Einleitung

Die fortschreitende technische Entwicklung der vergangenen Jahre erlaubt heutedie Konstruktion miniaturisierter Apparate bis hinunter in den Mikro- oder garNanometerbereich. Insbesondere in der Biotechnologie, wo sogenannte lab-on-chip-Sensoren die benutzerfreundliche Ausführung auch kompliziertester Analy-sen bei sehr geringem Materialverbrauch versprechen, ist die genaue Kenntnisvon Strömungsvorgängen in kleinsten Geometrien essentiell.

Doch auch in der Natur gibt es verschiedenste Beispiele für Strömungenin Mikrometer- oder Nanometerquerschnitten: Sei es das Transportsystem derPflanzen oder die diversen porösen Medien wie etwa Humus, Sand oder Filter-papier.

Die Physik der Strömungen ist in diesen kleinen Geometrien, anders als in dermakroskopischen Welt, vor allem von Oberflächeneffekten abhängig. Dies führtzu vielfach grundlegend verschiedenem Verhalten. Prominente Beispiele sind hierdie Abwesenheit von Turbulenz, also Grundsätzlich kleine Reynoldszahlen undder Kapillareffekt.

Letzterer beruht auf der verschieden starken Benetzbarkeit gegebener Mate-rialien und Flüssigkeiten. Ein phänomenologisches Maß dieser Benetzbarkeit stelltder Kontaktwinkel dar. Das ist der Winkel welchen die Grenze, zum Beispiel einesTropfens, mit einer Oberfläche einschließt.

Allen Mikro- und Nanostrukturen gemein sind die Schwierigkeiten, welchebeim Versuch sie zu beobachten auftretenden. Meist sind hohe Ansprüche sowohlan örtliche- als auch zeitliche Auflösung von Messungen zu stellen.

Als Alternative bietet sich die Simulation an. Kann man hier Modelle fin-den, welche qualitativ oder gar quantitativ mit dem Experiment übereinstimmen,erlaubt die Simulation in Rahmen ihrer Theorie die Untersuchung großer Parame-terbereiche ohne die Notwendigkeit immer neuer sich nur gering unterscheidenderVersuchsaufbauten. Werden hier neue Phänomene entdeckt, können sie erneutim Experiment überprüft werden.

Page 6: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

2 Einleitung

Die in dieser Arbeit verwendete Gitter-Boltzmann-Methode beruht auf derdurch die Boltzmann-Gleichung beschriebenen zeitlichen Entwicklung der mitt-leren Teilchenverteilung welche sich aus Zwei-Teilchen-Stößen ergibt. Sie stelltdamit einen mesoskopischen Ansatz dar. Die zeitliche und räumliche Diskretisie-rung erlaubt die einfache Implementierung auch komplexester Randbedingungenebenso wie effiziente Parallelisierung. Damit und mit typisch simulierbaren räum-lichen Größenordnungen im Nano- bis Mikrometerbereich bietet sich die Methodezur Simulation von Strömungen in Systemen der Mikrofluidik an.

Seit ihrer Entwicklung aus den Gitter-Gas-Automaten wurden verschiedeneauf der Gitter-Boltzmann-Methode beruhende Modelle entwickelt. Ein Ansatzzur Simulation von Mehrphasenströmungen mit der Gitter-Boltzmann-Methodewurde 1994 von Shan und Chen publiziert [1]. Er erlaubt prinzipiell die Simulationbeliebig vieler Flüssigkeitsphasen und -Komponenten.

Im Rahmen dieser Arbeit wurden die der Simulationsmethode wie auch denzu simulierenden Systemen zu Grunde liegende Theorie erarbeitet. Diese ist, ver-bunden mit einer Übersicht über die für die Arbeit wichtige Literatur im Kapitel2 dargestellt. Hier sind die klassische Boltzmann-Gleichung, mikrofluidische Sy-steme und Oberflächeneffekte, sowie numerische Simulation im allgemeinen undverschiedene Gitter-Boltzmann-Methoden im Speziellen Gegenstand der Betrach-tung.

Im Kapitel 3 sind die erarbeiteten Simulationsergebnisse zusammengestellt.Im einzelnen werden Simulationen zur Bestimmung des Kontaktwinkels von Trop-fen auf Oberflächen mit Benetzungseigenschaften, zur kapillaren Füllung vonKanälen mit Benetzungseigenschaften, sowie zur Verbesserung der Ergebnisgü-te durch Verwendung eines Modells von höherer Komplexität durchgeführt. Zielist dabei vor allem die Eignung eines mehrkomponentigen einphasigen Shan-Chen Gitter-Boltzmann-Modells zur Simulation von Mehrphasenströmungen zuüberprüfen. Hierzu wurde die Parameterabhängigkeit des Kontaktwinkels einesTropfens und des Lucas-Washburn-Gesetzes, dem Gesetz der Geschwindigkeits-entwicklung einer Grenzfläche in einer Kapillare, untersucht.

Unter Verwendung eines Benetzungsparameters ηwall konnte mit dem Modellder gesamte Kontaktwinkelbereich θ = 0−180 dargestellt werden. Verschiede-ne Ansätze zur Bestimmung des Kontaktwinkels wurden verglichen. Dabei wurdedie direkt im Modell erfolgende geometrische Bestimmung als präziseste Metho-de gefunden. Mit dieser wurde die Parameterabhängigkeit des Kontaktwinkelsuntersucht.

Mit der Oberflächenspannung γ als freiem Parameter der Lucas-Washburn-Gleichung konnte diese gut durch die Simulationsdaten reproduziert werden. Ein-zig auf der rein lokalen Wechselwirkung des Gitter-Boltzmann-Modells beruhendeinertiale Effekte führten bei großen Kanalbreiten zu geringen Abweichungen vonder Theorie.

Page 7: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3

Bei der Untersuchung der Systeme wurden dem Gitter-Boltzmann-Modell ei-gene, unphysikalische Strömungen ausgemacht. Gegenstand des Abschnitts 3.4ist, ob diese aus der geringeren Symmetrie des Gitters und anderen Näherungenresultierenden Artefakte durch Verwendung einer Gitter-Boltzmann-Implemen-tierung mit mehreren Relaxationszeiten reduziert werden können. Dazu wurdeim Rahmen dieser Arbeit mehrphasige einkomponentige Shan-Chen-Modelle miteinfachen- und multiplen Relaxationszeiten implementiert. Während die Ergeb-nisse qualitativ Vergleichbar bleiben konnte hier keine Reduktion der unphysi-kalischen Strömungen durch die Verwendung von multiplen Relaxationszeitenbeobachtet werden.

Page 8: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

4 Einleitung

Page 9: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

Kapitel 2

Grundlagen

In diesem Kapitel wird eine Übersicht über die benötigte Theorie, ebenso wiebestehende Anwendungen gegeben. Im ersten Abschnitt wird dabei die kinetischeTheorie, speziell die Herleitung und Lösung der klassischen Boltzmann-Gleichungals Grundlage des Simulationsmodells kurz beleuchtet. Darauf soll im zweitenAbschnitt die Charakteristik und Bedeutung der Mikrofluidik, sowie die Physikder hier untersuchten Benetzungseffekte betrachtet werden. Der dritte Abschnittschließlich, enthält eine Zusammenfassung der Herleitung der Gitter-Boltzmann-Methode und ordnet das verwendete Modell in Hinblick auf die mesoskopischeSimulation von Mehrphasensytemen ein.

2.1 Kinetische Theorie

Ansatz der kinetischen (Gas-) Theorie ist die Beschreibung von Dissipations-und Transportphänomenen durch Stoßprozesse der Teilchen. Eine kinetische Glei-chung ist in diesem Sinne die Evolutionsgleichung der sog. Einteilchen-Verteil-ungsfunktion f(x,v, t)d3xd3v. Diese ist definiert über die Teilchenanzahl N derTeilchen in einem Volumenelement d3x um x, welche sich mit einer Geschwin-digkeit im Volumenelement d3v um v bewegen.

f(x,v, t)d3xd3v = N (2.1)

Der von x und v aufgespannte 6-dimensionale Phasenraum x,v wird als µ-Raum bezeichnet.

Das betrachtete System ist hier mesoskopisch, d.h. das Volumenelement desµ-Raumes muss einerseits genug Teilchen enthalten um eine statistische Beschrei-bung zu erlauben, jedoch andererseits so klein sein, dass makroskopische Größenals konstant angenommen werden dürfen.

Page 10: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

6 Grundlagen

vx

xdx

dvx

vx dt

1

mFx dt

1

m

∂Fx

∂xdxdt

dvx dt

Abbildung 2.1: Invarianz des Inhalts eines µ-Raumelements für konstante Ge-schwindigkeit und Krafteinwirkung (nach [3]).

2.1.1 Die Boltzmann-Gleichung

Ludwig Boltzmann veröffentlichte 1898 in seinen Vorlesungen über Gastheorie[2] die Herleitung der kinetischen Gleichung eines einatomigen, verdünnten, klas-sischen Gases. An dieser Stelle soll ein kurzer Überblick über Herleitung, Eigen-schaften und Lösungsmethoden der Boltzmann-Gleichung gegeben werden. Fürdetailliertere Ausführungen zu ihrer Theorie sei auf die Fachliteratur [2, 3, 4]verwiesen.

Herleitung

Der Inhalt eines Volumenelements des µ-Raumes eines nicht wechselwirkendenGases ist mit der Zeit konstant. Dies ist zu zeigen durch geometrische Betrach-tung des µ-Raums [3] oder mit Hilfe des Satzes von Liouville [5]. Zwar ändert sichaufgrund der verschiedenen Geschwindigkeiten seine Form; ohne Wechselwirkun-gen jedoch, das sind hier Stöße, wird die Anzahl der Teilchen in einem solchenVolumenelement zu jeder Zeit t + dt gleich bleiben (siehe Abbildung 2.1).

d3x d3v = d3x′ d3v′ (2.2)

Die Einteilchen-Verteilung zu einem Zeitpunkt t ist gegeben durch (2.1). Mit derGeschwindigkeit v und einer externen Kraft F lautet sie dann für einen Zeitpunktt + dt unter Verwendung von (2.2): f(x + vdt,v + 1

mFdt, t + dt)d3x d3v.

Page 11: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

2.1 Kinetische Theorie 7

Gewinnv3

v4

v1

v2

Verlustv2

v1

v4

v3

Abbildung 2.2: Illustration der Gewinn- und Verlustprozesse des Stoßzahlansatzes.

Nimmt man an, dass eine zeitliche Änderung der Einteilchenverteilung ineinem idealen Gas nur durch Stöße erfolgt, so ergibt sich

[

f(x + vdt,v +1

mFdt, t + dt) − f(x,v, t)

]

=

[∂f

∂t

]

Stoß

dt. (2.3)

Eine Entwicklung dieser Bilanzgleichung erlaubt die Identifikation eines Strö-mungsterms, welcher ohne Modifikation in die Boltzmann-Gleichung eingeht1,während die Bestimmung des Stoßterms noch einige Überlegungen erfordert.

[∂

∂t+ v∇x +

1

mF(x)∇v

]

f(x.v, t)

︸ ︷︷ ︸

Strömung

=

[∂f

∂t

]

Stoß

(2.4)

Der Stoßterm, bzw. die zeitliche Änderung der Teilchenanzahl im µ-Raumvolu-men d3x d3v kann als Ergebnis von Gewinn- und Verlustprozessen interpretiertwerden (siehe Abb. 2.2). Boltzmanns Stoßzahlansatz hierzu lautet

[∂f

∂t

]

Stoß

=∫

d3v2 d3v3 d3v4 W (v1,v2;v3,v4) ×

×

f(x,v3, t) · f(x,v4, t)︸ ︷︷ ︸

Gewinn

− f(x,v1, t) · f(x,v2, t)︸ ︷︷ ︸

Verlust

. (2.5)

Der Ausdruck W (v1,v2;v3,v4) gibt dabei die Wahrscheinlichkeit an, nacheinem Stoß zweier Teilchen mit den Geschwindigkeiten v1, v2 innerhalb des be-trachteten µ-Raumvolumens, zwei Teilchen mit den Geschwindigkeiten v3, v4

außerhalb des Volumens und vice versa zu erhalten. Die Beschränkung auf aus-schließlich binäre Stöße, also Stöße an denen genau zwei Teilchen beteiligt sind,

1Dieser Strömungsterm kann auch durch das Aufstellen der Hamilton-Bewegungsgleichung-en für ein ideales Gas im µ-Raum erhalten werden [3].

Page 12: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

8 Grundlagen

stellt natürlich eine Vereinfachung des Systems dar. Mit der Beschränkung aufverdünnte Systeme (siehe unten) sind Stöße an welchen drei oder mehr Teilchenbeteiligt sind jedoch sehr unwahrscheinlich.

Die Wahrscheinnlichkeit W ist invariant unter Teilchenvertauschung, Rotati-on und Reflexion und Zeitumkehr, sowie der aus der Impuls- und Energiererhal-tung eines binären Stoßes ableitbaren Symmetrierelation

W (v1,v2;v3,v4) = σ(v1,v2;v3,v4)δ(3)(p1 + p2 − p3 − p4)

×δ

(p2

1

2m+

p22

2m− p2

3

2m− p2

4

2m

)

, (2.6)

mit dem Streuquerschnitt σ welcher aus den Teilcheneigenschaften bestimmtwerden kann, der (komponentenweise angewandten) Diracschen Deltafunktion δ(δ(3)), dem Impuls p und der Masse m [3].

Die Bedeutung der Verdünnung des betrachteten Gases liegt hier in der An-nahme, dass zwischen den Stößen zweier Teilchen relativ zur Stoßdauer so vielZeit vergeht, dass die stoßenden- stets als mit anderen Teilchen unkorreliert zubetrachten sind (Molekulares Chaos) und daher die Einteilchen-Verteilung zuihrer Quantifizierung verwendbar ist.

Mit den Abkürzungen: W ≡ W (v1,v2;v3,v4), fn ≡ fn(x,vn, t), lautetdie Boltzmann-Gleichung also [3] :

[∂

∂t+ ∇x +

1

mF(x)∇v

]

f1 =

d3v2 d3v3 d3v4 W (f3f4 − f1f2), (2.7)

Sie kann auch als Näherung einer sog. BBGKY (Bogoliubov, Born, Green,Kirkwood, Yvon)-Hierarchie erhalten werden. In dieser wird die Bewegungsglei-chung einer Verteilungsfunktion für N Teilchen, bzw. die Liouville-Gleichung,unter Verwendung der Verteilungsfunktion für N + 1 Teilchen dargestellt [4].

Eigenschaften

Die mathematische Betrachtung des binären, elastischen Stoßes [6, 7] liefertgenau fünf sog. Stoßinvarianten χj, j = 1, ..., 5, welche auch als Momente derEinteilchen-Verteilung zu interpretieren sind [3].

χi =mvi, i = 1, 2, 3 (2.8a)

χ4 =mv2

2, (2.8b)

χ5 =1. (2.8c)

Page 13: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

2.1 Kinetische Theorie 9

Die allgemeinste Einteilchen-Verteilung, für welche sich ein Stoßterm = 0ergibt, muss dann eine Linearkombination obiger Invarianten sein. Diese Funktionist die sog. lokale Maxwell-Verteilung

f l(x,v, t) = n(x, t)

(m

2πkBT (x, t)

)3/2

exp

[

− m

2kBT (x, t)(v − u(x, t))2

]

.

(2.9)Hierin sind n die Teilchenanzahl, m die Teilchenmasse, kb die Boltzmann-Kon-stante, T die Temperatur, v die Gesamtgeschwindigkeit des Mediums und u dieTeilchengeschwindigkeit.

Praktisch wird sie bei der Evaluierung des sog. H-Theorems gewonnen: Es läßtsich zeigen, das die Größe H =

∫Wf log f statistisch als Abweichung von der

Gleichgewichtsverteilung (2.9) interpretiert werden kann [2]. Dies führt u.a. zurIrreversibilität der Boltzmann-Gleichung, da H eng mit der Entropie verknüpftist. Die lokale Entropieproduktion ist dabei dem Stoßterm proportional.

Gemäß dem Noether -Theorem ist jeder Invarianz unter Transformationen einErhaltungssatz zuzuordnen [8]. Erhaltene Dichten der Einteilchen-Verteilung sinddie Teilchenzahl-, Impuls und Energiedichte:

n(x, t) ≡∫

d3v f ≡∫

d3v χ5f, (2.10a)

mji(x, t) ≡ mn(x, t)ui(x, t) ≡ m

d3v vif =

d3v χif, i = 1, ..., 3,

(2.10b)

n(x, t)

[mu(x, t)2

2+ e(x, t)

]

≡∫

d3vmv2

2f =

d3v χ4f, (2.10c)

mit der Teilchenstromdichte j, der inneren Energie e und der Substitution v =u − Θ. Hierin ist u die lokale Konvektionsgeschwindigkeit und damit Θ dieRelativgeschwindigkeit. Für sie gilt, nach (2.10b):

∫d3v Θf = 0

Die Bewegungs-, bzw. Kontinuitätsgleichungen der so definierten Erhaltungs-größen werden durch Multiplikation der Boltzmann-Gleichung (2.7) mit den Mo-menten χk, k = 1, ..., 5 (2.8) und anschließende Integration über v gewonnen.Hier gilt allgemein [3]:

d3v χk(v)

[∂

∂t+ v∇x +

1

mF(x)∇v

]

f(x,v, t) = 0 (2.11)

Es folgt der Teilchenzahlerhaltungssatz

∂tn + ∇j = 0, (2.12)

Page 14: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

10 Grundlagen

mit dem Teilchenstrom j, der Impulserhaltungssatz:

m∂

∂tji +

∂xj

(mnuiuj + Pji) = nFi, (2.13)

welcher den Drucktensor Pji = Pij = m∫

d3v ΘiΘjf enthält und der Energie-erhaltungssatz

∂t

[

n(m

2u2 + e

)]

+ ∇i

[

nui

(m

2u2 + e

)

+ ujPji + qi

]

= j · F. (2.14)

Hier ist q =∫

d3v Θ(

m2Θ2

)f die Wärmestromdichte.

Lösungsansätze

Aufgrund der mathematisch komplizierten Form, die Boltzmann-Gleichung isteine nichtlineare Integro-Differentialgleichung, war Boltzmann selbst noch nichtin der Lage explizite Lösungen seiner Gleichung zu bestimmen. Jedoch konnte erauch ohne Kenntnis ihrer Lösung bereits wichtige Erkenntnisse ableiten. Nebendem H-Theorem ist hier die Herleitung der hydrodynamischen Gleichungen mitHilfe der Linearisierung des Stoßoperators zu nennen. David Hilbert konnte 1912beweisen, dass die Lösungen der Einteilchen-Verteilungen von ihren Momentenabhängen [6]. Im gleichen Jahrzehnt erarbeiteten Sydney Chapman und DavidEnskog unabhängig voneinander das nach ihnen benannte Entwicklungsverfahren,mit dem allgemeinere Lösungen gefunden werden konnten [9]. Harold Grad warschließlich 1949 in der Lage, mit der sog. 13-Momenten-Methode, die Boltzmann-Gleichung explizit zu lösen [7].

Linearisierung und hydrodynamischer Grenzfall: Durch Annahme ledig-lich geringer Abweichungen vom lokalen Gleichgewicht kann die Einteilchen-Ver-teilung um eine infinitesimale Abweichung ǫ von der lokalen Maxwell-Verteilung(2.9) entwickelt werden. Der Stoßvorgang kann in einem linearen Gleichungs-system, dem Stoßoperator abgebildet werden. Die Boltzmann-Gleichung lautetdann mit dem Stoßoperator Ω und einem äußeren Potential V

[∂

∂t+ v∇x

]

ǫ(x,v, t) + v(∇V (x, t)) = −Ωǫ. (2.15)

Die Stoßinvarianten können als Eigenfunktionen des Stoßoperators mit Eigenwert0 identifiziert werden. Eine Superposition dieser Eigenfunktionen stellt dann dieallgemeine Lösung der linearisierten Boltzmann-Gleichung dar [3]. Nach Einsetzendieser Lösung in die Gleichung (2.15) und anschließende Fouriertransformationkönnen Gleichungen für die Moden sowohl der erhaltenen (hydrodynamischen)

Page 15: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

2.1 Kinetische Theorie 11

als auch nichterhaltenen Freiheitsgrade gewonnen werden, welche sich in ihrenZeitskalen unterscheiden. Unter Ausnutzung, zum einen der Bedingungen

ωτ ≪ 1 und kl ≪ 1, (2.16)

mit der Frequenz der zeitlichen Änderung ω, der Wellenzahl k, der mittleren frei-en Weglänge l und der Stoßzeit τ , sowie zum anderen der höheren Ordnung derzeitlichen Änderung der nichterhaltenen Freiheitsgrade, kann dann für die erhal-tenen Freiheitsgrade ein geschlossenes Gleichungssystem aufgestellt werden [3].

Die Relaxationszeitnäherung: Die Bestimmung der Eigenfunktionen und Ei-genwerte des linearen Stoßoperators kann sehr kompliziert sein, so dass für vieleProbleme eine weitere Vereinfachung der Boltzmann-Gleichung wünschenswertist. Die Relaxationszeitnäherung beruht auf der Annahme, dass der Stoßprozessnicht von allen Eigenfunktionen gleichermaßen abhängig ist. Da die ermitteltenEigenfunktionen umgekehrt proportional den Eigenwerten sind, werden insbeson-dere solche mit niedrigen Eigenwerten einen großen Beitrag liefern [3]. Es wirdnun versucht, deren Einfluß in einer typischen Frequenz 1

τzusammenzufassen.

Die Boltzmann-Gleichung in Relaxationszeitnäherung lautet dann

(∂

∂t+ ∇v

)

f(x,v, t) = −1

τ(f(x,v, t) − f l(x,v, t)). (2.17)

Obige Gleichung wird auch als BGK-Gleichung (Bhatnagar-Gross-Krook-Glei-chung [10]) bezeichnet.

Chapman-Enskog-Entwicklungen Das von Chapman und Enskog zur Lö-sung der Boltzmann-Gleichung gefundene Verfahren geht von einer direkten Ent-wicklung der Momente der Einteilchen-Verteilung um einen Kleinheitsparameter(Knudsen-Zahl) aus. Weiterhin wird von einer indirekten Zeitabhängigkeit derEinteilchen-Verteilung über die Dynamik ihrer Momente ausgegangen. DurchUmschreiben der Zeitableitung werden statt der Integrodifferentialgleichung einehomogene, sowie formal unendlich viele inhomogene Integralgleichungen gewon-nen [4].

In erster Ordnung der Chapman-Enskog-Entwicklung erhält man so die Euler-Gleichungen, in zweiter die Navier-Stokes Gleichungen. Durch Entwicklung nachorthogonalen Polynomen (Sinone-Polynomen2) können aus den so mikroskopischhergeleiteten makroskopischen Gleichungen die Transportkoeffizienten, nämlichWärmeleitfähigkeit κ und Viskosität µ bestimmt werden.

2Das sind spezielle Hermite-Polynome.

Page 16: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

12 Grundlagen

2.2 Mikrofluidik

Die Mikrofluidik beschäftigt sich mit der Dynamik der Flüssigkeiten in Geome-trien, deren typische Längenskalen im Bereich von Mikrometern liegen. In solchkleinen Geometrien nimmt das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen stark zu,so dass die Physik der Dynamik der Flüssigkeiten in zunehmendem Maße vonOberflächeneffekten dominiert wird. Ein prominentes Beispiel dieser qualitativenÄnderung im Verhalten von Flüssigkeiten ist der Kapillareffekt (von lat. capillus- das Haar), also das Aufsteigen oder Absenken eines Flüssigkeitspegels in einerengen Röhre oder Spalte.

Für Systeme in welchen Kapillarität von Bedeutung ist finden sich in der Na-tur zahlreiche Beispiele wie die Kapillargefäße des Blutkreislaufs oder des Was-sertransports in Pflanzen, aber auch die Eigenschaft vieler natürlicher MaterialienFlüssigkeiten aufzusaugen beruht auf diesem Effekt. Dabei ist zum Beispiel anHumus und Sand zu denken, aber auch an Naturschwämme und nasse Haare.

Der Mensch hat sich diesen Effekt schon früh zu Nutze gemacht. Bereitsin altsteinzeitlichen Funden finden sich Dochtlampen. Die ersten systematischenUntersuchungen des Effekts fanden im 17. Jh. statt. Die heute noch gültigequalitative mechanische Beschreibung wurde im 19. Jh. u.a. durch Laplace undYoung [11] erarbeitet. Lag hier bereits die Annahme der Wechselwirkungen vonElementarteilchen zugrunde, so standen doch erst im zwanzigsten Jahrhundertmit der Thermodynamik und statistischen Physik präzisere Mittel der Analysezur Verfügung [12].

Mit der fortschreitenden Entwicklung von integrierten Schaltkreisen, bzw. dendamit verbundenen technischen Möglichkeiten zur Verarbeitung von Silizium, hatsich mit den mikroelektromechanischen Systemen (MEMS) in den letzten Jahr-zehnten ein weiteres Feld der Anwendungen der Mikrofluidik eröffnet. Pionier-arbeiten in diesem Bereich waren die Entwicklung von miniaturisierten Gaschro-matographen [13] und Tintenstrahldüsen [14]. Heute besteht großes Forschungs-interesse an Lab on a chip-Anwendungen (LOC), welche eine große Steigerungder Effizienz sowohl von Analyse- als auch Produktionsprozessen in Chemie, Bio-logie und Medizin versprechen [15]. Doch auch in anderen Bereichen, wie etwader Brennstoffzellenentwicklung [16] sind MEMS Gegenstand der Forschung undEntwicklung.

In diesem Bereich, ebenso wie dem der funktionalen Oberflächen in derMaterialforschung, Stichwort Lotus-Effekt, haben sich eine Reihe interessanterFragestellungen für weitere Grundlagenforschung ergeben. So etwa die Untersu-chung der Ursachen der Benetzungseigenschaften von Oberflächen, der Schlupf-Randbedingung oder der Mischung von laminar strömenden Flüssigkeiten undGasen.

Page 17: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

2.2 Mikrofluidik 13

2.2.1 Übersicht

Mikrofluidische Systeme unterscheiden sich in einer Reihe von Eigenschaftendeutlich von den Fluidsystemen der täglichen Erfahrung. Zur Klassifizierung hy-drodynamischer Systeme existieren dabei eine Reihe dimensionsloser Zahlen, wel-che verschiedene Einflußgrößen ins Verhältnis setzen. Sie erlauben eine Identifi-zierung der Haupteinflußgrößen und damit eine qualitative Einordnung der be-trachteten Systeme.

Eine Eigenschaft, welche beim Versuch der Miniaturisierung fluiddynamischerSysteme ein großes Hindernis darstellte, andererseits aber auch interessante neueAnwendungen wie die membranlose Brennstoffzelle ermöglicht, ist die Abwesen-heit von Turbulenz. Die relevante dimensionslose Größe ist hier die Reynolds-Zahl

Re =ρuL

µ, (2.18)

welche das Verhältnis von Trägheitskraft zu viskoser Kraft angibt. Hier sind ρ dieFlüssigkeitsdichte, u die Geschwindigkeit, L eine typische Länge des betrachtetenSystems und µ die Viskosität der Flüssigkeit. In makroskopischen Systemen ist derÜbergang von laminarer zu turbulenter Strömung bei Reynoldszahlen zwischen2000 und 3000 zu beobachten. In einem typischen mikrofluidischen System miteiner Kanalbreite L zwischen 1 · 10−6m und 1 · 10−4m, in welchem Wasser mitGeschwindigkeiten u zwischen 1·10−6m/s und 1·10−4m/s fließt, sind die größtenzu erwartenden Reynolds-Zahlen von der Ordnung 10.

Die Mach-ZahlMa =

u

cs

(2.19)

gibt das Verhältnis der Geschwindigkeit u einer Strömung und der Schallge-schwindigkeit cs des Mediums an. Während für mikrofluidische Systeme hierkeine Einschränkungen gelten, so ist doch das hier betrachtete Simulationssy-stem auf niedrige Mach-Zahlen beschränkt um Inkompressibilität der Flüssigkeitund numerische Stabilität zu gewährleisten. Dies ist auf die in der Herleitunggemachten Näherungen zurückzuführen.

Die Knudsen-Zahl

Kn =lmH

= Ma/Re (2.20)

entspricht dem Verhältnis aus Mach-Zahl und Reynolds-Zahl, bzw. dem Verhält-nis aus mittlerer freier Weglänge lm der Partikel im Medium und einer charak-teristischen Länge des Systems H. Sie ist damit ein Indikator dafür, ob die Be-handlung des Mediums als ein Kontinuum gerechtfertigt ist und ob Wandschlupfin eine Betrachtung mit einbezogen werden muss. Gilt Kn ≪ 1 so verhält sichein Gas entsprechend der Haftrandbedingung. Liegt die Knudsen-Zahl im Über-gangsbereich 0, 01 > Kn > 10, so muss Wandschlupf berücksichtigt werden.

Page 18: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

14 Grundlagen

Für Kn ≫ 1 muss schließlich die Kontinuumsbeschreibung aufgegeben werdenund eine atomistische an ihre Stelle treten.

Die Kapillarzahl

Ca =µu

γ, (2.21)

gibt das Verhältnis von viskoser Spannung zu Oberflächenspannung γ an. GiltCa ≪ 1, so überwiegen Effekte der Oberflächenspannung und Kapillarität trittauf. Sie kann auch als Verhältnis aus Geschwindigkeit zu einer charakteristischenRelaxationszeit der Oberflächeneffekte µ/γ gewonnen werden [17]. Damit istdann eine Aussage über die Bildung von sphärischen Tröpfchen und deren Radiusmöglich. Ebenso kann eine zu große Kapillarzahl einen Korrekturterm für dendynamischen Kontaktwinkel bedingen (siehe Reff. [18, 19] und Abschnitt 3.3).

Die Péclet-ZahlPe =

uw

D, (2.22)

ist gegeben durch das Verhältnis von Konvektion zu Diffusion, also dem Teil-chentransport durch ein Geschwindigkeitsfeld im Verhältnis zur (thermischen)Eigenbewegung des Teilchens. Für die rein laminare Strömung in Mikrokanälengibt die Péclet-Zahl dabei das Verhältnis benötigter Kanallänge zu gegebenerKanalbreite an, um vollständige diffusive Mischung zu erhalten.

In den letzten Jahrzehnten wurde eine Vielzahl von Arbeiten verfasst, diedas Feld der Mikro- und Nanofluidik auch unter physikalischen Gesichtspunktenbetrachten[20, 21]. Für die vorliegende Arbeit sind dabei vor allem Untersuchun-gen von Benetzungseffekten und Kapillarität von Interesse. Über einen Auszugder Arbeiten in diesen Bereichen wird in den folgenden Abschnitten ein kurzerÜberblick gegeben.

Einen guten allgemeinen Überblick bietet hier das Werk Capillarity and Wet-ting Phenomena [22]. Speziell mit der Theorie, Anwendungen und Simulation derStrömung von Flüssigkeiten und Gasen in Mikro- und Nanogeometrien beschäf-tigt sich das Buch Microflows and Nanoflows [23]. Eine ausführliche theoretischeBehandlung der Kapillarität als Folge molekularer Wechselwirkungen ist mit Mo-lecular Theory of Capillarity [12] gegeben.

2.2.2 Wechselwirkungen an Oberflächen

Wie Eingangs dieses Abschnittes erwähnt, beruhen alle die Mikrofluidik alleinstel-lenden Merkmale auf dem gegenüber makroskopischen Systemen großen Einflußder Oberflächen und der an ihnen wirkenden Phänomene. Die Untersuchung derOberflächeneffekte ist damit der logische erste Schritt zum tieferen Verständnisder Materie. Im Abschnitt 3.2 ist der oft zur Quantifizierung von Benetzungsef-fekten verwendete Kontaktwinkel Gegenstand der Untersuchung des verwendeten

Page 19: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

2.2 Mikrofluidik 15

Simulationsmodells. Hier sind die dort benötigten theoretischen Konzepte zusam-mengefasst, ergänzt durch eine Übersicht bisheriger Arbeiten auf auf diesem Feld.

Die Oberflächenspannung

Die Oberflächenspannung ist als Ausdruck der mechanischen Wirkung der Sym-metriebrechung an einer Grenzfläche zu verstehen. Je nachdem auf welcher Grö-ßenskala ein System betrachtet wird, kann dabei ihre Beschreibung im Kontextder (Fluid-) Mechanik ausreichend sein oder aber die Notwendigkeit bestehenauch quantenmechanische Effekte zu berücksichtigen [22, 12]. Aufgrund des me-soskopischen Charakters der Gitter-Boltzmann Methode ist hier die mechanischeBetrachtung ausreichend.

Thermodynamisch kann die Oberflächenspannung verstanden werden als Än-derung der freien Enthalpie G mit der Fläche A bei konstanter Temperatur undDruck.

γ =

(∂G

∂A

)

T,p

(2.23)

Anschaulich entspricht dies der Arbeit, welche zur Vergrößerung der Oberflächeverrichtet werden muss. Es folgt die Einheit

[J

m2

][3].

Das Laplace-Gesetz

∆P = γ

(1

R1

+1

R2

)

(2.24)

ermöglicht die Berechnung der Oberflächenspannung einer sphärischen Grenzflä-che mit den Radien der Krümmung R1 und R2 im Gleichgewicht. Die Druckdif-ferenz ist Proportional dem Produkt aus Krümmung und Oberflächenspannung.Daraus ergibt sich auch die zwischen zwei Platten im Vergleich zu einem Röhr-chen nur halbe Steighöhe einer Wassersäule.

Die Oberflächenspannung an einer planaren Grenzfläche ist im mechanischenGleichgewicht definiert als das Integral der Differenz eines konstanten, zur Grenz-fläche normalen Druckanteils PN = P0 = const. und eines variablen transversalenDruckanteils PT über die Normalenrichtung der Grenzfläche,

γ =

∫∞

−∞

(PN − PT ) dz. (2.25)

Für gekrümmte Oberflächen wird das Integral in Kugelkoordinaten bezogen aufeinen Radius der Oberfläche der Spannung RS:

γ =

∫∞

0

r

RS

(PN − PT ) dr. (2.26)

Page 20: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

16 Grundlagen

Der Kontaktwinkel

Die Benetzbarkeit einer Oberfläche für eine Flüssigkeit kann durch ihren Kon-taktwinkel, also den Winkel den die Oberfläche eines Flüssigkeitströpfchens mitder Oberfläche einschließt, quantifiziert werden. Nach Young [11] ist dieser füreine idealisiert glatte Oberfläche bedingt durch die Oberflächenspannungen zwi-schen den Komponenten Flüssig- und Gasphase (Index L, bzw. G), sowie Feststoff(Index S). Es gilt die Young Gleichung

γLG cos θ = γSG − γSL. (2.27)

Abbildung 2.3 veranschaulicht die Definition des Kontaktwinkels durch die Glei-chung.

γSGγSL

γLG

θ

Abbildung 2.3: Definition des Kontaktwinkels aus dem Verhältnis der Oberflä-chenspannungen nach der Young-Gleichung γLG cos θ = γSG − γSL.

Mitte des 20. Jh. wurde die Theorie von Wenzel [24] und Cassie und Baxter[25] um den Einfluß der Oberflächenrauhigkeit auf den Kontaktwinkel erweitert.Wenzels Modell beschreibt dabei einen Zustand, in welchem die Flüssigkeit dierauhe Oberfläche vollständig bedeckt, Cassie und Baxters Modell einen Zustand,in welchem Gasbläschen mit der Oberfläche eingeschlossen werden. Tatsächlichsind beide Zustände, sowie der Übergang und Mischungen von Cassie-Baxter- undWenzel-Zustand experimentell und in Simulationen beobachtet worden [26, 27].

Beim Übergang zwischen den Zuständen kann sich der Kontaktwinkel um eini-ge Grade ändern. Dieses Phänomen bezeichnet man auch als Kontaktwinkelhyste-rese. Diese tritt z.B. auch bei einem im Schwerefeld an einer schiefen Ebene haf-tenden Tropfen auf. Der maximale Kontaktwinkel wird daher als vorauseilender-(engl. advancing) der minimale als nacheilender- (engl. receding) Kontaktwinkelbezeichnet. Auch zu diesem Effekt wurden zahlreiche Untersuchungen in Experi-ment und Simulation [28] u.a. mit der Gitter-Boltzmann-Methode nach Shan undChen [29], sowie dem Oxford-Modell [30] durchgeführt (siehe Abschnitt 2.3.2).

Die Kontaktwinkelhysterese ist auch für Benetzungsgradienten von Interessemit deren Hilfe in Mikro- und Nanokanälen elektroosmotisch getriebene Strö-mungen erzeugt werden können [20]. Hier existieren verschiedenste Möglichkeiten

Page 21: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

2.2 Mikrofluidik 17

die Benetzungseigenschaften einer Oberfläche zu verändern, z.B. die Verwendungverschiedener Oberflächenbeschichtungen [31], aber auch das Anlegen eines elek-trischen Feldes an speziell konstruierte Oberflächenstrukturen [32].

Viele theoretische [33, 34] und experimentelle [35] Untersuchungen rauherOberflächen wurden dabei in Hinblick auf die Realisierung superhydrophoberOberflächen mit Kontaktwinkeln über 150 durchgeführt. Neben dem Auftre-ten des Lotus-Effekts an freien Oberflächen ermöglichen diese wegen des Wand-schlupfs auch höhere Strömungsgeschwindigkeiten und damit Materialdurchsätzein Mikro- und Nano-Kanälen [36, 37].

2.2.3 Die Lucas-Washburn-Gleichung

Im zweiten Teil dieser Arbeit wird mit der Lucas-Washburn-Gleichung die zeitli-che Entwicklung der Grenzfläche einer in einem kapillaren System aufsteigendenFlüssigkeit untersucht. Die Lucas-Washburn-Gleichung wurde 1918 von RichardLucas [38] und 1921 von Edward Washburn [39] unabhängig gefunden. Wash-burn untersuchte dabei die Bewegung der Grenzfläche in einem beliebig geneigtenRöhrchen mit den Extremfällen des horizontalen und vertikalen Verlaufs. Lucasuntersuchte den kapillaren Aufstieg nicht nur in Röhrchen, sondern auch in Fil-trierpapier, einem porösen Medium. Diese experimentellen Untersuchungen wur-den in jüngerer Zeit wieder aufgegriffen [40, 41]. Ebenso wurden molekulardyna-mische Simulationen [42] und Simulationen mit der Gitter-Boltzmann-Methodein zwei Dimensionen [43, 18, 44] durchgeführt.

Hergleitet werden kann die Lucas-Washburn-Gleichung aus der Hagen-Poi-seuille-Gleichung

dQ

dt=

1

8µhπR∆P, (2.28)

welche die Änderung des Volumenstroms Q einer laminaren quasistationärenStrömung in einem glatten Rohr vom Radius R in Abhängigkeit vom anliegendenDruckgradienten ∆P , sowie der Steighöhe h angibt.

Die Young-Laplace-Gleichung für den Kapillardruck ∆Pcap lautet

∆Pcap =2

Rγ cos θ, (2.29)

mit der Oberflächenspannung an der Grenzfläche der Flüssigkeit γ und dem mitder Wandfläche eingeschlossen Kontaktwinkel θ. Die Änderung des Volumen-stroms in einem Röhrchen beträgt dQ = πR2dh. Damit ergibt sich das Lucas-Washburn Gesetz

dh

dl=

1

8µh∆ [Pcap − Pstat] R

2. (2.30)

Page 22: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

18 Grundlagen

Der statische Druck beträgt für eine Flüssigkeit in einer vertikalen KapillarePstat = ρgh, in der schwerelosen Simulation gilt jedoch Pstat = 0. Diese Formder Gleichung ist allerdings lediglich zur Beschreibung des kapillaren Füllens fürgroße Zeiten gültig, da, wie leicht zu sehen ist, dh → ∞, t → 0. Zur theoreti-schen Beschreibung inertialer Vorgänge [45], wie auch der Auswirkung endlicherViskosität der Gaskomponente [44] wurde die Theorie erweitert [46].

Zur Verwendung der Gleichung in einem Kanal mit rechteckiger Grundflächeergibt sich sowohl ein abweichendes Hagen-Poiseuille-Gesetz wie auch ein ande-rer Kapillardruck. Ferner werden in der Mehrkomponentensimulation im Kapitel3.3 zwei Komponenten gleicher Dichte und Viskostät verwendet. Hier ist daserweiterte Lucas-Washburn-Gesetz in der Form

d2z(t)

dt2+

12µ

H2ρ

dz(t)

dt− 2γ cos θ

HρL(2.31)

gültig. Darin steht z für die Grenzflächenposition, H für die absolute Kanalhöheund L für die absolute Kanallänge. Eine Lösung dieser Gleichung ist nach [18]gegeben mit

z(t) =VcapH cos θ

6Ltd [exp(−t/td) + t/td − 1] + z0. (2.32)

Mit der Kapillargeschwindigkeit Vcap = γµ

und einer typischen Übergangszeit

td = ρH2

12µ; z0 ist die Grenzflächenposition bei t = 0. Die Gleichung (2.32) wird in

Kapitel 3.3 zur Berechnung theoretischer Vergleichswerte verwendet, wobei dieOberflächenspannung γ als Fitparameter dient.

2.3 Numerische Simulation

Die fortschreitende Entwicklung der Rechenkapazität moderner Computer ermög-licht es heute immer komplexere Sachverhalte in numerischen Modellsystemenabzubilden. Die Entscheidung ein System zu simulieren kann dabei verschiedenmotiviert sein. So kann die Simulation helfen die Planung großer und/oder teurerAnlagen zu unterstützen oder aber bestehende kritische Systeme zu optimierenohne Ausfallrisiken einzugehen.

Im Bereich der physikalischen Forschung kommen Simulationen vielfach dortzum Einsatz, wo entweder Messungen nur schwierig oder gar nicht möglich sindoder aber die Vermessung von Parameterräumen an realen Objekten ungleichaufwändiger wäre.

Damit eine Simulationsmethode einsetzbar wird, müssen ihre Ergebnisse mitexperimentellen Daten vergleichbar sein. Andere Größen, welche experimentellnicht zugänglich sind, können dann aus der Simulation geschlossen werden.

Page 23: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

2.3 Numerische Simulation 19

2.3.1 Übersicht

Für die numerische Simulation von physikalischen Systemen steht eine vielzahlverschiedener Methoden zur Verfügung. Allein herauszufinden, welche Simulati-onsmethode für ein Modell besonders geeignet bzw. effizient ist, kann dabei eineschwierige Aufgabe darstellen.

Die Simulation physikalischer Modellsysteme ist aus mathematischer Sicht inder Regel die Lösung verschieden komplexer Differentialgleichungen. Bei der Si-mulation von Flüssigkeiten kann es dabei prinzipiell zwei Vorgehensweisen geben,nämlich die Betrachtung der die Flüssigkeit konstituierenden Teilchen und dieBetrachtung der Kontinuumsdynamik der Flüssigkeit.

Der erstgenannte Ansatz kann weiter verfeinert werden. Wird hier versuchtdie Eigenschaften realer Teilchen abzubilden, so spricht man von molekulardy-namischer Simulation. Diese beruht im allgemeinen auf der Lösung der New-tonschen Bewegungsgleichungen. Jedoch kann es auch hier große Unterschiedegeben, vergleicht man etwa die Modellierung eines idealen Gases als starre Kugelnmit der Untersuchung des Verhaltens von Polymeren anhand einer quantenme-chanischen Beschreibung der beteiligten Atome. Vorteil dieser Herangehensweiseist die, bis auf die Rechengenauigkeit, zum Grad einer Theorie oder Hypotheseexakte Kenntnis des Zustands realer Teilchen. Will man andererseits tatsächlichdie Wechselwirkung aller Teilchen untereinander beschreiben, so ergibt sich derNachteil, dass der Rechenaufwand mit zunehmender Teilchenanzahl quadratischoder gar exponentiell ansteigt.

Die Abbildung 2.4 zeigt eine Übersicht über die zur Simulation von Flüssig-keiten verwendbaren Methoden. Ihre Ordnung spiegelt die bei der Wahl einerSimulationsmethode für ein hydrodynamisches Problem konkurrierenden Fakto-ren wieder. So muss die zur Darstellung eines Problems notwendige räumliche undzeitliche Auflösung gegen den Rechenaufwand abgewogen werden. Die Knudsen-Zahl ist hier wiederum ein Indikator für die Gültigkeit der Annahme eines Konti-nuums und damit der klassischen hydrodynamischen Gleichungen.

Um Systeme zu beschreiben, deren globale Eigenschaften nicht etwa direktsondern statistisch vom Zustand einzelner Teilchen abhängen (wie z.B. Flüssig-keiten), kann es daher sinnvoll sein dessen Erwartungswert einem sog. Pseudo-teilchen zuzuordnen. In diesem Zusammenhang spricht man von coarse-graining,also der Vergröberung der Auflösung des Modells. Zwischen dem mikroskopischenAnsatz und der direkten Lösung der makroskopischen Bewegungsgleichungen wiezum Beispiel der Navier-Stokes-Gleichungen können Ansätze gefunden werden,welche zunächst einzelne Zustandsgrößen mitteln. Diese werden als mesoskopischbezeichnet.

Wiederum sind hier Modelle zu unterscheiden. Es gibt solche, welche alleFreiheitsgrade der Bewegung der Pseudoteilchen abbilden, wie sog. Monte-Carlo-

Page 24: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

20 Grundlagen

Simulationen, das sind auf Stochastik beruhende Methoden, und solche, welchedie Bewegungsrichtungen unter Erhaltung der bedeutenden Symmetrien des Sy-stems auf ein Gitter einschränken, wie die hier verwendete Gitter-Boltzmann-Methode.

Die Monte Carlo-Methode der direkten Simulation (engl. Direct simulationMonte Carlo, DSMC ) beruht auf der Entkopplung der molekularen Bewegung,welche deterministisch erfolgt, und einem statistischen Stoßprozess. Dieser wirdanalog der kinetischen Theorie unter Annahme von molekularem Chaos und ei-nem verdünnten Gas als Medium modelliert. Indem eine große Menge realerMoleküle einem Pseudoteilchen zugeordnet werden, kann die Recheneffizienz ge-genüber molekulardynamischen Methoden stark erhöht werden. Es wird dadurchallerdings auch ein statistischer Fehler von der Ordnung der Wurzel der Teilchen-anzahl N erzeugt. Die große Stärke der DSMC-Methode liegt darin, dass auchStrömungen mit Knudsen-Zahlen der Ordnung O(10) sehr Effizient berechnetwerden können [48].

Eine weitere mesoskopische Simulationsmethode ist die dissipative Teilchen-dynamik (engl. Dissipative particle dynamics, DPD) [49]. Hier werden Pseudo-partikel mit kontinuierlicher Position im Raum und kontinuierlichem Impuls indiskretisierten Zeitschritten bewegt. Impulsänderungen werden durch konserva-tive Kräfte zwischen den Teilchen, eine dissipative Reibungskraft und eine Zu-fallskraft zur Erzeugung von Fluktuation bedingt, wobei diese impulserhaltend

Rec

hen

effizi

enz

Gra

dder

Deta

illierung

Knudsen-Zahl

Systemgroße

Mol.dyn.

Disspt. Teilchendyn.Direkte Monte Carlo-Simulation

Gitter-Gas- undGitter-Boltzmann-Automaten

Kontinuums-simulation

Abbildung 2.4: Übersicht der Eigenschaften verschiedener Simulationsmethoden(nach [47]).

Page 25: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

2.3 Numerische Simulation 21

gewählt werden. Auch hier kann die Recheneffizienz gegenüber molekulardynami-schen Ansätzen stark erhöht werden. Wegen der Kontinuität von Ort und Impulsist die DPD jedoch deutlich aufwändiger als der Gitter-Boltzmann-Algorithmus inwelchem diese Größen ebenfalls diskretisiert sind. Der Vorteil gegenüber Gitter-Boltzmann-Methoden liegt in der einfacheren Erweiterbarkeit des Modells.

2.3.2 Die Gitter-Boltzmann-Methode

Am Beginn der Entwicklung der Gitter-Boltzmann- (LB, Lattice Boltzmann),bzw. Gitter-Bhatnagar-Gross-Krook-Methode (LBGK) stehen die sog. zellula-ren Gitter-Gas-Automaten (LGA, Lattice Gas Automata). Frisch, Hasslacher undPomeau formulierten dabei erstmals 1986 einen der kinetischen Theorie folgen-den, numerischen Ansatz zur Lösung der hydrodynamischen Gleichungen, nämlichdurch die Simulation von Teilchenstößen auf einem Gitter [50, 51].

Die sich auf dem Gitter bewegenden Pseudoteilchen wurden dabei zunächstdurch einzelne Bits repräsentiert. Dies ermöglichte die Verwendung von binärerAlgebra und damit sehr elegante, maschinennahe Implementierung. Da zu dieserZeit die Leistungsfähigkeit der heute vorherrschenden universellen Prozessorennoch vergleichsweise gering war, wurden sogar spezielle Gitter-Gas-Rechenma-schinen wie der RAP1 [52] gebaut.

Durch theoretische Behandlung wurden diese Systeme weiter verbessert. Sieerlaubten bereits die Beobachtung interessanter Strömungsphänomene, wie z.B.Turbulenz (von Karman-Strasse) oder Mehrphasentrömungen [53]. Auch konntenwegen der Gitterstruktur und der kurzen Reichweite der Wechselwirkungen (nurzwischen nächsten- und zweitnächsten Nachbarn) komplexe Randbedingungensehr einfach implementiert werden [51]. Ebenso ermöglichen diese eine ausge-sprochen effiziente Parallelisierung der Algorithmen [54].

Neben diesen positiven Ergebnissen wurden allerdings auch Probleme derMethode ausgemacht. So litten die Ergebnisse der Simulationen durch die dis-krete Natur der Pseudoteilchen unter großem statistischen Rauschen, so dass dieRechnungen zur Erhöhung der Informationsdichte mehrfach wiederholt werdenmussten. Außerdem wurde durch eine Geschwindigkeitsabhängigkeit der Viskosi-tät die Galilei-Invarianz verletzt [51].

Das Problem des statistischen Rauschens konnte durch Verwendung einerkontinuierlichen Besetzungsdichte der diskreten Geschwindigkeitsrichtungen, alsoPseudoteilchen verschiedener Dichte, behoben werden. An Stelle der direktenBetrachtung der Stöße trat nun eine in Raum und Zeit diskretisierte, linearisierteBoltzmann-Gleichung, womit der Begriff der Boltzmann-Methode aufkam [55].

Mit diesem Ansatz konnte die Recheneffizienz stark verbessert werden, weitereProbleme waren und sind Gegenstand der Forschung zur weiteren Verbesserung

Page 26: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

22 Grundlagen

der Methode. Beispielsweise die Implementierung von Energieerhaltung auch fürnichtisotherme Systeme zur Modellierung thermischer Prozesse [56].

Heute finden Gitter-Boltzmann-Implementierungen breite Anwendung in derSimulation von Strömungen in der Hydrodynamik und Magnetohydrodynamikaber auch Verkehrströmungen [57, 58] oder in Hybridsystemen in Verbindungmit anderen Simulationsmethoden, wo sie bspw. in molekulardynamischen Simu-lationen eine effizientere Berechnung von advektiven Strömungen erlauben [54].

Die Gitter-Boltzmann-Gleichung

An dieser Stelle soll nun ausgehend von der BGK -Gleichung (2.17)

(∂

∂t+ ∇v

)

f(x,v, t) = −1

τ(f(x,v, t) − f l(x,v, t))

eine kurze Einführung in den Gitter-Boltzmann-Formalismus gegeben werden.Für eine ausführliche Abhandlung der Entwicklung sei wiederum auf die Fachli-teratur [59, 60] verwiesen. Ein zentraler Punkt ist die Diskretisierung der lokalenMaxwell-Verteilung f l (s. Gleichung (2.9)). Zunächst ist ohne Beschränkung derAllgemeinheit eine Masse von m = 1 zu wählen, so dass die Teilchenzahl näquivalent der Dichte ρ = n ·m wird. Der Vorfaktor der Exponentialfunktion istdamit nur noch von der Temperatur abhängig. Diese soll durch eine isothermeSchallgeschwindigkeit c2

s = kBT beschrieben werden. Das hier verwendete Gitter-Boltzmann-Modell ist damit ebenfalls isotherm. Mit diesen Annahmen wird fürdie lokale Maxwell-Verteilung

f l(x,v, t) = ρ(x, t)

(1

2πc2S

)3/2

exp

[

−(v − u(x, t))2

2c2S

]

(2.33)

erhalten.

Die Diskretisierung der Boltzmann-Gleichung: Indem k Geschwindigkei-ten ck fester Richtung und Betrages definiert werden, wird das System in Raumund Zeit diskretisiert. Für das so gegebene Gitter werden dabei verschiedene For-men verwendet. Gebräuchlich war hier bei den Gitter-Gas-Automaten zunächstein hexagonales Gitter. Für die Gitter-Boltzmann-Methode hat sich jedoch dieVerwendung von kartesischen Gittern durchgesetzt. Die Nomenklatur hat dieForm DdQq, für ein Gitter in d Dimensionenen mit q Geschwindigkeitsrichtun-gen. Von diesen finden vor allem die Formen D1Q3, D1Q5, D2Q9, D3Q15 undD3Q19 (siehe Abbildung 2.5) Anwendung. Letztere auch in der für diese Arbeiteingesetzten Implementierung LB3D.

Page 27: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

2.3 Numerische Simulation 23

Abbildung 2.5: Das in der Gitter-Boltzmann-Implementierung LB3D[61] verwen-dete dreidimensionale Gitter mit 19 Geschwindigkeiten (Bewegung in 18 Raum-richtungen und Zustand der Ruhe), auch als D3Q19-Gitter bezeichnet.

Page 28: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

24 Grundlagen

Der Strömungsterm bewegt nun die Besetzung des Zustands der Geschwin-digkeit ck vom Raum-, bzw. Gitterpunkt x auf den Gitterpunkt x′ = x + ck∆t.Die Größe ∆x = x′ − x entspricht dann der mittleren freien Weglänge derPseudoteilchen. Zur Modellierung eines Kontinuums muss für das Verhältnis vonGitterabstand und Systemgröße H

Kn =∆x

H≪ 1 (2.34)

gelten. In den hier simulierten Systemen ist die Knudsen-Zahl dabei von der Ord-nung O(10−2), bzw. O(10−3). Auch die für schwach kompressible Strömungengestellte Bedingung kleiner Mach-Zahlen ist bei der Diskretisierung zu beachten.Mit der isothermen Schallgeschwindigkeit cS und typischen Strömungsgeschwin-digkeiten ui in den i Raumrichtungen muss hier gelten:

Ma =ui

cS

≪ 1 (2.35)

Ferner sind die Gittergeschwidigkeiten ci von der Größenordnung der Schallge-schwindigkeit. Damit ist eine Entwicklung der lokalen Maxwell-Verteilung nachkleinen Mach-Zahlen möglich.

Der Exponent der Exponentialfunktion der lokalen Maxwell-Verteilung lautetausmultipliziert, mit den für das diskretisierte System eingeführten Größen undder auch im Folgenden gültigen Einsteinschen Summenkonvention,

−(ci − ui)2

2c2S

= − c2i

2c2S

+uici

c2S

− uiui

2c2S

. (2.36)

Eingesetzt ergibt sich für die Gleichgewichtsverteilung zunächst

f l(xi, ci, t) = ρ

(1

2πc2S

)3/2

exp

(

− c2i

2c2S

)

︸ ︷︷ ︸

=wg

· exp

(uici

c2S

− uiui

2c2S

)

. (2.37)

Hier können die von der Schallgeschwindigkeit cS, sowie den Gittergeschwindig-keiten ci abhängigen Terme zu einem Wichtungskoeffizienten wg zusammenge-fasst werden. Der Index g bezeichnet den Betrag des gitterabhängigen, normierten

Geschwindigkeitsquadrates g =(

ci

c0

)2

, mit der Gittereinheitslänge c0. Die verblei-

bende, von der lokalen Geschwindigkeit ui abhängige Exponentialfunktion wirdbis zur zweiten Ordnung in eine Reihe entwickelt, wobei wegen der Bedingungkleiner Mach-Zahlen Terme höher zweiter Ordnung in u vernachlässigt werdenkönnen. Insgesamt erhält man für die Gleichgewichtsverteilung der disretisiertenBGK-Gleichung (LBGK)

f l(xi, ci, t) = ρwg

[

1 +uici

c2S

− uiuj

2c2S

(cicj

2c2S

− δij

)]

, (2.38)

Page 29: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

2.3 Numerische Simulation 25

mit den Raumrichtungen i = 1, 2, 3 und j = 1, 2, 3.Die Bestimmung der Wichtungskoeffizienten erfolgt mit Hilfe der diskretisier-

ten Gleichungen der Momente unter Ausnutzung der Symmetrieeigenschaften derverwendeten Gitter. Hier werden die Raumrichtungen i,j,l und m nit den k dis-kreten Richtungen in Beziehung gesetzt. Zunächst sind die erhaltenen GrößenDichte

ρ =∑

k

fk(x, t) =∑

k

f lk(x, t) (2.39)

und Impulsρui =

k

fk(x, t)ci,k =∑

k

f lk(x, t)ci,k (2.40)

von Interesse. Wegen der Annahme einer isothermen Strömung (siehe oben) wirddie Energie hier nicht berücksichtigt, vielmehr ist für die (annähernd) inkompres-sible Flüssigkeit der Impulsflußtensor

ρuiuj + pδij + σij =∑

k

ci,kcj,kfk (2.41)

von Bedeutung. Worin p der skalare Druck und σij der Spannungstensor sind.Letzterer verschwindet im Gleichgewicht. Damit gilt dort

ρuiuj + pδij =∑

k

ci,kcj,kflk (2.42)

und für die Reibspannung ergibt sich σij =∑

k ci,kcj,k(flk − fk). Setzt man die

Gleichgewichtsverteilung 2.38 in die Momentengleichungen ein, so werden für dieWichtungskoeffizienten die allgemeinen Symmetriebeziehungen

k

wg = 1,

k

wgci,kcj,k = c2Sδij,

k

wgci,kcj,kcl,kcm,k = c4S (δijδlm + δilδjm + δimδjl) (2.43)

erhalten. Für das hier verwendete D3Q19-Gitter ergibt die weitere Auswertungeine Schallgeschwindigkeit von cS = c0/

√3 und Wichtungskoeffizienten w0 =

12/36, w1 = 2/36, sowie w2 = 1/36.Aus dem Impulsflußtensor ergibt sich der Druck im LBGK-Modell zu

p =∑

k

f lkc

2S = ρc2

S = ρkBT. (2.44)

Page 30: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

26 Grundlagen

Mit der angenommenen Einheitsmasse entspricht dies der intensiven Formulie-rung der thermischen Zustandgsleichung eines idealen Gases. Um das Verhalten,bzw. die Zustandsgleichung eines realen (van der Waals-) Gases zu erhalten, gibtes verschiedene Ansätze (siehe Abschnitt 2.3.2)

Die Relaxationszeit τ der LBGK-Gleichung wird in Abhängigkeit von derkinematischen Viskosität ν gewählt. Diese kann durch eine Chapman-Enskog-Entwicklung (siehe Abschnitt 2.1.1) bestimmt werden. Es ergibt sich der Zusam-menhang

ν = c2S

(

τ − ∆t

2

)

. (2.45)

Zusammenhang von Simulations- und realen Größen: Um die gewonne-nen Simulationsergebnisse mit experimentellen Befunden zu vergleichen, müssendie Gittereinheiten in SI-Einheiten umgerechnet werden.

Die Umrechnungsfaktoren ergeben sich dabei durch die folgenden Relationen:Umrechnungsfaktor der Länge ist

dx =H

N, (2.46)

mit der Länge H in Metern und der entsprechenden Anzahl der GitterpunkteN . Da die Schallgeschwindigkeit auf dem Gitter bis auf einen konstanten Faktorfestgelegt ist, ergibt sich dann für die Zeit

dt =

(cS,LBGK

cS,SI

)

dx. (2.47)

Analog kann die Massendifferenz

dm =

(ρSI

ρLBGK

)

dx3 (2.48)

aus dem Verhältnis der Dichten ermittelt werden. Alle zusammengesetzten Grö-ßen werden dann durch Multiplikation mit obigen Faktoren in der entsprechendenOrdnung bestimmt.

Simulation von Mehrphasenströmungen

Das bisher betrachtete Gerüst der Gitter-Boltzmann-Methode ist dabei immer aufdie Simulationen idealer Gase beschränkt. Jedoch existieren verschiedene Ansätzeum auch mehrphasige Systeme simulieren zu können.

Page 31: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

2.3 Numerische Simulation 27

Das Oxford-Modell: Während das im Rahmen dieser Arbeit verwendete Shan-Chen-Modell (siehe Abschn. 2.3.2), sich ausgezeichnet dazu eignet isothermeProzesse zu beschreiben, liegt eine Schwäche darin, dass infolge der Modifika-tion des Geschwindigkeitsterms durch das Teilchen-Teilchen-Pseudopotential ei-ne Energieerhaltungsrelation nur unter großen Schwierigkeiten formuliert werdenkann [1, 62]. Im Gegensatz dazu, wird der Van-der-Waals-Charakter der thermo-dynamischen Zustandsgleichung des Oxford-Modells [63] durch Definition einesFreie-Energie-Parameters als Teil der Gleichgewichts-Zustandsgleichung erreicht.Damit ist beispielsweise die Oberflächenspannung direkt festzulegen.

Das freie Energie-Funktional Ψ der Dichte und Dichteänderung ist dabeigegeben durch

Ψ(ρ) =

[ψ(T, ρ) + W (∇ρ)]dV.

Mit einer temperaturabhängigen freien Energie des Volumens ψ und einem freieEnergiebeitrag der Dichtegradienten eines inhomogenen Systems W . Eine ent-sprechende Zustandsgleichung lautet dann [47, 54]

p = ρdψ(T, ρ)

dρ− ψ(T, ρ) = P0 − kBρ∇2ρ2 − 1

2kB|∇ρ|2.

Damit eine solche Vorgehensweise physikalische Ergebnisse liefert, muss großerWert auf die Wahl und Dimensionierung des freie Energie-Terms gelegt wer-den [47]. Der Charakter des Phasenübergangs und damit auch des Van-der-Waals-Terms wird dabei durch Anwendung der Ginzburg-Landau-Theorie derPhasenübergänge im Kontinuum bestimmt [3, 54].

Das Colour-Field-Modell: Bereits vor Entstehung des Gitter-Boltzmann-Modells bestand die Idee, dass mit den damals in der Entwicklung befindlichenGitter-Gas-Automaten nichtmischbare Flüssigkeiten und ihre Dynamik effizient si-muliert werden können. Als ersten Ansatz zur Modellierung nichtmischbarer Flüs-sigkeiten veröffentlichten Rothman und Keller 1989 ein Gitter-Gas-Modell in demzwei Komponenten durch ein Farbattribut (rot oder blau) unterschieden wurden[53]. Abstoßende Wechselwirkung zwischen den Spezies wurde durch Auswertungeines Farbgradienten zusätzlich zur globalen Impulserhaltung erreicht. Mit dieserVorgehensweise können Grenzflächen scharf abgebildet werden. 1991 wurde die-ses Vorgehen von Gunstensen et al. [64] auf ein Gitter-Boltzmann-Modell nach[55] übertragen, welches zudem einen linearen Stoßoperator nach [65] beinhaltet.Seine derzeit Anwendung [66, 67, 68] findende Form erhielt das Modell mit Ein-führung eines BGK-Stoßoperators durch Grunau et al. [69]. Ein weiterer Zweigder Entwicklung verbesserte durch Einführung einer vereinfachten Evolutionsglei-chung der Einteilchenverteilung die Recheneffizienz des Modells [70]. In neueren

Page 32: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

28 Grundlagen

Arbeiten verwenden Halliday und Care dieses Modell u.a. zur mesoskopischenSimulation des Blutflusses [71].

Das Shan-Chen-Modell: Zentraler Punkt des Gitter-Boltzmann-Ansatzes vonShan und Chen [1, 72] ist die Definition eines sog. Teilchen-Teilchen-Pseudopo-tentials der Form V (x,x′) = −gαα(x,x′)ψαψα. Hierin ist gαα(x,x′) im all-gemeinsten Falle eine Greensche Funktion, meistens gewählt als ein konstanterParameter der Kopplung der Komponenten α und α, welcher auch als Tem-peraturmaß verstanden werden kann. Die Funktion der Dichteverteilung, bzw.Besetzung der Komponente α

ψα(x) = ψ0(1 − e−ρα/ρ0) (2.49)

beschreibt ein mean-field -Potential am Ort x. ψ0 und ρ0 sind Normierungsfak-toren und im Rahmen dieser Arbeit stets gleich 1. Es läßt sich zeigen, dass dieseWahl der Besetzungsfunktion notwendig ist um thermodynamisch konsistenteZustandsgleichungen zu erhalten [1, 72]. Mit x′ = x + ck wird ein nächsterNachbar von x auf dem Gitter bezeichnet. Die hierdurch hervorgerufene Krafthat für die Komponente α die Form

dpα

dt(x) = −ψα(x)

α∑

gαα

b∑

k=0

ψα(x′)ck, (2.50)

Mit b + 1 Geschwindigkeitsrichtungen ck. Sie bedingt in der thermischen Zu-standsgleichung (Gasgleichung, s.a. Abschn.2.1.1) des Systems einen nichtidea-len Term

ρα(x)uα(x) = ρα(x)u(x) + ταdpα

dt(x), (2.51)

mit ρα(x) = mαnα(x), der Masse mα und der Besetzungszahl nα und der Rela-xationszeit τα der Komponente α. Über die mittlere Geschwindigkeit

uα =1

α

mα∑

k

gknαk

︸ ︷︷ ︸

ρ

α

mα∑

k

cknαk (2.52)

werden dabei die Gleichgewichtsverteilungen (2.38) und damit die Entwicklungdes Systems modifiziert. Anstatt der von der normierten Gittergeschwindigkeitabhängigen Wichtungskoeffizienten wg wird dabei im folgenden die Wichtungdurch den richtungsabhängigen Parameter gk angegeben, da dies konsistent mitder Implementierung in LB3D ist. Der Vorteil dieser Vorgehensweise liegt darin,dass der mikroskopische Hintergrund der simulierten Wechselwirkungen erhalten

Page 33: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

2.3 Numerische Simulation 29

bleibt. Dies ist bei Freie Energie-Ansätzen anders: Makroskopische Größen wieetwa die Oberflächenspannung werden dem System quasi diktiert, während siesich beim Shan-Chen-Ansatz eben aus der rein lokalen Wechselwirkung ergeben.Dies macht die Untersuchung der Dynamik auch solcher Größen möglich. Aller-dings verursacht dieser Ansatz auch Probleme, wenn eine genaue Kenntnis derOberflächenspannung gewünscht ist, wie sich in Abschnitt 3.2 zeigen wird.

Obwohl die lokale Impulserhaltung in Gleichung 2.51 aufgehoben wird, kannman mit Hilfe der Chapman-Enskog-Entwicklung zeigen, dass globale Impulser-haltung weiterhin gegeben ist [72]. Das Shan-Chen-Modell ist nach verschiedenenGesichtspunkten weiter zu untergliedern, nämlich der Art und Anzahl der Kom-ponenten und Wechselwirkungen [73]:

Einkomponentig, mehrphasige (SCMP:Single Component Multi Phase)

Es liegt eine Komponente vor, zwischen deren Teilchen attraktive Wech-selwirkung herrscht. Diese wird durch eine Kraft der Form

F = gααψα(x)ψα(x′)

beschrieben. Für eine Kopplungsstärke größer einem kritischen Wert gcrit

erfolgt die Ausbildung zweier Phasen verschiedener Dichte.

Mehrkomponentig, einphasig (MCSP:Multi Component Single Phase)

Es liegt ein System mehrerer Komponenten vor, zwischen deren Teilchenrepulsive Wechselwirkung herrscht. Diese wird durch eine Kraft der Form

F = −gααψα(x)ψα(x′)

beschrieben. Für eine Kopplungsstärke größer einem kritischen Wert gcrit

erfolgt die Entmischung der Komponenten.

Mehrkomponentig, mehrphasig (MCMP:Multi Component Multi Phase)

Es liegt ein System mehrerer Komponenten vor, deren Teilchen mit gleich-artigen attraktiv und mit andersartigen repulsiv wechselwirken. Somit sindsowohl Phasenübergänge als auch Entmischung beobachtbar.

Ferner sind Modelle mit mehreren Komponenten nach der Anzahl der verschie-denen, in die Berechnung eingehenden Komponentenklassen zu unterscheiden.Wobei das Shan-Chen-Modell prinzipiell die Simulation beliebig vieler Kompo-nenten und Phasen erlaubt. Von besonderer Bedeutung sind hier vor allem:

Binäre Systeme Es liegen zwei nicht mischbare Komponententypen vor.

Page 34: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

30 Grundlagen

Ternäre Systeme Es liegen zwei nicht mischbare Komponententypen, sowieLösungsmittel -Komponenten, also mit anderen Komponententypen sowohlattraktiv, als auch repulsiv wechselwirkende Komponententypen, vor [74].

Das in dieser Arbeit vorwiegend verwendete Modell simuliert zwei nicht misch-bare Flüssigkeitskomponenten, sowie eine Wandkomponente mit Hilfe einer zwi-schen diesen definierten wechselseitigen, repulsiven Kraft

Fα = −ψα(x)∑

k

α

gkgααψα(x + ck∆t, t)ck , mit α 6= α, (2.53)

proportional einem Kopplungsparameter gαα. In der oben beschriebenen Systema-tik handelt es sich um ein binäres MCSP-Modell. Die Kraft leistet einen Beitragzur mittleren Geschwindigkeit

u =1

ρ(x)

[∑

α

k

ckραk (x) − τψα

α

k

gkgααψα(x + ck∆t, t)ck

]

(2.54)

und bedingt damit eine Verschiebung der Gleichgewichtsverteilung. Die lokaleImpulserhaltung ist dann aufgehoben. Für den Impulsflußtensor ergibt sich

Π =∑

α

k

ραkckck −

α

1

2ψα(x)

α

k

gkgααψα(x + ck∆t, t)ckck. (2.55)

Der entprechende Drucktensor kann mit der in Abschnitt 2.3.2 umrissenen Vor-gehensweise bestimmt werden. Hier kommt eine abweichende Notation der Wich-tungskoeffizienten vor, wie sie von Shan und Chen verwendet wurde. Hierin sindd0 ein weiterer Parameter der Temperatur, in den vorgenommenen Simulationstets 0 und D die Anzahl der Dimensionen des Modells und gk wiederum dieWichtung der Richtung k. Der volle Ausdruck lautet

p =∑

α

[

1−d0

Dc2Sρα

+c2S

P

k gk

2Dψα

α gααψα

+c4S

P

k gk

4D(D+2)ψα

α gαα∇2ψα

]

I

+c4S

P

k gk

2D(D+2)ψα

α gαα∇∇ψα

+(

12− τα

)2 c4S(P

k gk)2

D2ρα ψα2∑

α g2αα∇ψα∇ψα

.

(2.56)

Page 35: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

2.3 Numerische Simulation 31

Je nach Art des betrachteten Problems können hier Terme zweiter Ordnung inden Ableitungen vernachlässigt werden. Die Shan-Chen-Kraft im zweiten Termdes Drucktensors wirkt dann analog einem Van-der-Waals-Term der Zustands-gleichung.

Randbedingungen: Wie bereits erwähnt liegt eine große Stärke der Gitter-Boltzmann-Methode in der einfachen Implementierung auch komplexer Randbe-dingungen. Wegen der rein lokalen Wechselwirkung ist es ausreichend einen Git-terpunkt als Wandkomponente zu kennzeichnen. In dem verwendeten ProgrammLB3D werden an diesem Gitterpunkt dann sogenannte Reflexionsbedingungen(engl. bounce-back) in den Transportschritt miteinbezogen. Hier werden die Be-setzungen der auf einen Wandpunkt zeigenden diskreten Geschwindigkeiten aufeine von der Wand weisende Geschwindigkeitsrichtung umgelegt. Zu unterschei-den sind dabei zwei Fälle, nämlich die Gleitrandbedingung, bei der lediglich dieNormalkomponente der Geschwindigkeit reflektiert wird, sowie die Haftrandbe-dingung, bei der sowohl Normal- als auch Tangentialanteil der Geschwindigkeitreflektiert werden.

Es läßt sich rechnerisch zeigen, dass durch diese Vorgehensweise auf der Mit-tellinie zwischen Wand- und Fluidgitterpunkt Geschwindigkeit und Druckgradientverschwinden.

Die Implementierung der Wandkomponente erfolgt in LB3D als Flüssigkeitmit ausschließlicher Besetzung der Nullgeschwindigkeit. Je nach (Pseudo-) Dich-te ηwall der Wandkomponente kann dann durch die Shan-Chen-Kraft die Benet-zungseigenschaft der Wand eingestellt werden.

Modelle mit multiplen Relaxationszeiten Die bisher diskutierten Gitter-Boltzmann-Modelle beruhen auf der BGK-Gleichung, welche nur eine Relaxati-onszeit für die Annäherung der Geschwindigkeitsverteilung an das Gleichgewichtenthält (siehe Abschnitt 2.1.1). Neben diesen existiert ein Ansatz in welchem dieRelaxation verschiedener Moden mit verschiedenen Relaxationszeiten modelliertwird. Die Entwicklung dieser multi-relaxation-time-lattice-Boltzmann-equation(MRT-LBE) erfolgte zeitgleich mit der der LBGK-Gleichung 1992.

Der große Vorteil der MRT-Gitter-Boltzmann-Gleichung liegt in der durchdie unabhängige Justierung der Relaxationszeiten erzielbaren höheren numeri-schen Stabilität des Modells. Die Erhöhung der Rechenzeit gegenüber einemLBGK-Modell beträgt dabei bei guter Optimierung gerade 15%. Der größere Pa-rameterraum beseitigt einige physikalische Einschränkungen des LBGK, wie z.B.die auf Pr = 1 festgelegte Prandtl-Zahl und die Abhängigkeit von Scher- undVolumenviskosität [75, 76].

Mit multiplen Relaxationszeiten nimmt die Gitter-Boltzmann-Gleichung die

Page 36: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

32 Grundlagen

folgende Form an:

|f(x + ck∆t, t + ∆t)〉 − |f(x, t)〉 = −S[|f(x, t)〉 − |f l(x, t)〉

]. (2.57)

Hier wurde neben der Diracschen Notation für Zeilen- 〈·| und Spaltenvektoren|·〉 die Kollisionsmatrix S eingeführt. Der Advektionsprozess findet im Raum derGeschwindigkeiten statt, der Kollisionsprozess im von den Eigenvektoren der Kol-lisionsmatrix aufgespannten Raum.

Für eine gegebene Anzahl k diskreter Geschwindigkeitsrichtungen ck und zu-gehöriger Verteilungen fk können k Momente mk der Komponenten der Vertei-lungsfunktion erhalten werden.

mk ≡ 〈φk|f〉 = 〈f |φk〉 (2.58)

Die Menge |φk〉 ist eine orthogonale, duale Basis. Sie wird mit Hilfe einer Gram-Schmidt-Othogonalisierung gewonnen. Bei der Betrachtung des Kontinuums fin-det sie ihre Entsprechung in den Hermite-Polynomen [7]. Gegenüber diesen gehenjedoch durch die Diskretisierung Symmetrieeigenschaften verloren.

Da die Momente Linearkombinationen der Geschwindigkeitsverteilungen sind,können beide durch eine lineare Abbildung M, bzw. deren Inverse, ineinanderüberführt werden:

|m〉 = M|f〉 , |f〉 = M−1 |m〉 (2.59)

Nun wird die Kollisionsmatrix so gewählt, dass |φk〉 die Menge ihrer Eigen-vektoren ist: S = M · S ·M. Der Kollisionsprozess findet dann im Raum derMomente und also der durch sie repräsentierten Moden statt. Damit ergibt sichfür die Bewegungsgleichung

|f(x + ck∆t, t + ∆t)〉−|f(x, t)〉 = −M−1 S︸︷︷︸

M·S·M−1

[|m(x, t)〉 − |m(eq)(x, t)〉

].

(2.60)In dieser können erhaltenen (hydrodynamischen) und nichterhaltenen (kine-

tischen) Moden unabhängige Relaxationszeiten zugewiesen werden.Die Implementierung des MRT-Ansatzes für das verwendete Programm LB3D

erfolgte analog der oben kurz wiedergegebenen Darstellung von D’Humiéres [76],zunächst für ein einkomponentiges System auf einem D3Q19-Gitter. Für die Un-tersuchung von Mehrphasensystemen im Abschnitt 3.4 wurde es ferner um eineattraktive Shan-Chen-Kraft erweitert.

Page 37: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

Kapitel 3

Ergebnisse

Im folgenden sind die durchgeführten Simulationen und daraus erhaltenen Er-gebnisse zusammengestellt. Den Anfang machen hier einfache Tests des physi-kalischen Verhaltens der Simulationsmethode. So wird zum Beispiel analog derursprünglichen Arbeit von Shan und Chen das Laplace-Gesetz reproduziert. ImAnschluss werden verschiedene Methoden zur Kontaktwinkelbestimmung einesTropfens auf einer Oberfläche mit Benetzungseigenschaften angewendet undverglichen. Anhand der phänomenologischen, geometrischen Bestimmung desKontaktwinkels wird hier auch die Parameterabhängigkeit des Kontaktwinkelsfür das Simulationsmodell untersucht. Im dritten Abschnitt wird mit der Lucas-Washburn-Gleichung ein die Dynamik von kapillaren Systemen beschreibendesGesetz reproduziert. Hier werden die Parameterabhängigkeit, sowie inertiale Ef-fekte untersucht. An der Grenzfläche treten unphysikalische Effekte im Geschwin-digkeitsfeld auf. Diese sind Gegenstand des letzten Abschnitts. Hier wird einModell mit mehrfachen Relaxationszeiten in Hinblick auf Reduktion der unphy-sikalischen Strömungen untersucht.

3.1 Systemeigenschaften

Für das Gros der durchgeführten Simulationen wurde ein Shan-Chen-Modell mitzwei einphasigen, nichtmischbaren Komponenten verwendet. In diesem die Si-mulationsergebnisse einleitenden Teil soll das Modell und seine Implementierungin dem Programm LB3D anhand einfacher Versuche auf physikalisch richtigesqualitatives Verhalten überprüft werden. Dies geschieht hier zunächst anhandder Laplace-Gleichung, welche einen linearen Zusammenhang der Differenz ∆Pzwischen Innen- und Außendruck einer Grenzfläche mit ihrer Krümmung 1

Rvor-

aussagt. Im zweiten Teil wird dann die (Ent-)Mischung der beiden Komponentenin Abhängigkeit von der Kopplungsstärke der Shan-Chen-Kraft untersucht.

Page 38: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

34 Ergebnisse

Die Wechselwirkungen im System werden ausschließlich lokal durch die Be-setzungen der Geschwindigkeitsvektoren eines Gitterpunktes und seiner nächstenNachbarn bedingt. Eine Kraftwirkung längerer Reichweite äußert sich daher, in-dem sich über mehrere Gitterpunkte ein Dichtegradient einstellt. Parameter, wel-che diesen Dichtegradient beeinflussen können, sind hier äußere Kräfte, die mitt-leren Dichten der Komponenten ρα,α

0 , die kinematischen Viskositäten να,α, diemittlere Gesamtgeschwindigkeit u und der Kopplungsparameter gαα. Wird weitereine Wandkomponente eingeführt, so treten die (Pseudo-)Dichte der Wand ηwall

sowie die Geometrie der Wandfläche hinzu.Als direkte Messgrößen stehen in der Simulation die räumliche Dichte- und

Geschwindigkeitsverteilung zur Verfügung. Wird für die Komponenten Einheits-masse angenommen, so entsprechen diese den makroskopischen Erhaltungsgrö-ßen Masse und Impuls. In Abhängigkeit von diesen kann außerdem der Druckals dynamischer Anteil des Impulsflußtensors berechnet werden. Für ein Systemnichtmischbarer Komponenten ist ferner der Ordnungsparameter φ = ρα − ρα

von Interesse. Zwischen den Domänen zweier Komponenten hat dieser einen Null-durchgang. Somit ist die Definition von Grenzflächen in den eigentlich diffusenÜbergängen der Komponenten möglich.

Im Folgenden werden die Indices α und α wie bisher für beliebige ungleicheKomponenten verwendet wurden, während für die konkreten Flüssigkeitskompo-nenten A und B und für die Wandkomponente W als Index verwendet werden.

Young-Laplace-Gleichung

Für einen kugelförmigen Tropfen mit Radius R nimmt die Laplace-Gleichung dieeinfache Form ∆P = γ 2

Ran. γ bezeichnet hier die Oberflächenspannung. In

einem 3D-System mit einer Kantenlänge von 128 Gittereinheiten (GE) wurdenTropfen mit Radien von R ≈ 19, 25, 32, 38, 44 und 51 GE simuliert.

Die daraus erhaltenen Werte sind zusammen mit einer durch lineare Regressi-on aus ihnen berechneten Gerade in Abbildung 3.1 aufgetragen. Letztere hat dieGleichung f(x) = 0, 31144 ·x+1, 701 ·10−5, was sehr gut mit der erwarteten Ur-sprungsgerade übereinstimmt. Der Betrag der Oberflächenspannung ergibt sichzu γ = 0, 15572. Für die im Bereich großerer Krümmungen zunehmende Abwei-chung der Werte sind Effekte der finiten Systemgröße verantwortlich.

Koexistenzkurve

Die Nichtmischbarkeit der beiden Komponenten des Systems beruht auf dem überdie Shan-Chen-Kraft zwischen ihnen vermittelten abstossenden Pseudopotential.Wie in Abschnitt 2.3.2 besprochen, ist der Betrag der Shan-Chen-Kraft dabei ne-ben den lokalen Dichteverteilungen der Komponenten vom Kopplungsparameter

Page 39: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.1 Systemeigenschaften 35O

ber

fläc

hen

span

nung

γ

Krümmung [1/GE]

Messwerte

Lineare Regression

Abbildung 3.1: Reproduktion der Laplace-Gleichung. Neben den Messwerten isteine durch lineare Regression bestimmte Gerade aufgetragen. Hier ergibt sich inguter Näherung die erwartete Ursprungsgerade.

gAB abhängig.Die Untersuchung der Entmischungseigenschaften des Systems fand rück-

wärts statt. Ein System der Größe 8 × 8 × 128 wurde je zur Hälfte mit einerreinen Komponente der Dichte ρA,B = 0, 7 initialisiert. Nach 10.000 Zeitschrit-ten (ZS) ist das System ins Gleichgewicht relaxiert. Über das gesamte Systemwurden Dichteminimum und -Maximum der Komponenten bestimmt.

In Abbildung 3.2 (oben) ist die Dichte in Abhängigkeit des Kopplungspara-meters gAB dargestellt. Für (partielle) Entmischung gibt die Kurve ρmax dabeidie Dichte der jeweiligen Majorität, die Kurve ρmin die Dichte der Minorität in ei-nem grenzfernen Bereich an. Diese Koexistenzkurve der Komponenten zeigt einenscharfen Phasenübergang für eine Kopplung von gAB ≈ 0, 065. An denselben Si-mulationen erfolgte auch die Messung von Oberflächenspannungen zur Ableitungdes Kontaktwinkels (Abb. 3.2 (unten), s. a. Abschn. 3.2.3). Beide Kurven zeigenqualitativ das erwartete physikalische Verhalten mit dem Kopplungsparameter alseiner temperaturähnlichen Größe (vgl. Abschn. 2.3.2).

Page 40: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

36 Ergebnisse

Ober

fläch

ensp

annung

γ

Kopplungsparameter gAB

Bes

etzu

ngsd

ichte

ρ

Kopplungsparameter gAB

ρmax

ρmin

Abbildung 3.2: Dichten der Majorität und Minorität eines Systems mit zwei nicht-mischbaren Flüssigkeitskomponenten (oben) und Oberflächenspannung an ihrerGrenzfläche (unten) in Abhängigkeit von der Kopplungsstärke. Gemessen in ei-nem System der Größe 8 × 8 × 128, je zur Hälfte mit einer Komponente derDichte ρ = 0, 7 initialisiert.

Page 41: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.2 Kontaktwinkel 37

3.2 Kontaktwinkel

Abbildung 3.3: Kontaktwinkel von θ ≈ 110. Links: Querschnitt durch das Dich-tefeld einer Tropfensimulation mit gαα = 0, 16; ηwall = 0, 1 und initialem Volumenvon 2.808.116 Gitterpunkten. Rechts: Aufnahme eines Wassertropfens auf einerFlourpolymerfolie[77]

Wie in 2.2 ausgeführt, sind zur Klassifizierung und Modellierung von Mikro-und Nanoströmungssystemen Oberflächeneffekte von herausragender Bedeutung.Als grundlegende Untersuchung des verwendeten SC-MCSP-LBGK-Modells wur-de daher die Parameterabhängigkeit der Oberflächenspannungen, bzw. des durchdiese eingeschlossenen Kontaktwinkels (2.27), untersucht. Neben dieser werdenin diesem Abschnitt unterschiedliche Methoden zur Bestimmung des Kontaktwin-kels in Hinblick auf ihre Eignung für das gewählte Modell, ihre Gültigkeitsbereicheund die Möglichkeit theoretischer Vorhersagen untersucht. Letztere ist hier vonbesonderem Interesse, da die Oberflächenspannungen und damit der Kontakt-winkel sich nur indirekt aus der Wirkung der SC-Kraft ergeben 2.3.2 und nicht,wie etwa in Freie-Energie-Ansätzen 2.3.2 unmittelbar eingestellt werden können.

Zur Bestimmung der Parameterabhängigkeit des Kontaktwinkels wurden Si-mulationen für verschiedene Tropfengrößen, Wandbenetzbarkeiten ηwall und Kopp-lungsparameter gαα durchgeführt. Das System wurde dabei mit einem Kugelab-schnitt reiner Komponente A der Dichte ρA = 0, 7 auf einer ebenen Wand,umgeben von reiner Komponente B der Dichte ρB = 0, 7 initialisiert. Die Wandsetzt sich dabei aus einer Gitterschicht der Pseudodichte ηwall, sowie einer Gitter-schicht der Pseudodichte 0 zusammen um die Wirkung der (nicht-) benetzbarenWand über die periodischen Randbedingungen abzuschirmen. Die Verwendung

Page 42: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

38 Ergebnisse

eines Kugelabschnitts dient dabei der schnelleren Relaxation des Systems.Mit dem Start der Simulation setzen vor allem zwei Prozesse ein, welche die

Konfiguration im Gleichgewicht bestimmen. An der Tripellinie der Komponen-ten A, B und Wand stellt sich bereits nach einigen hundert Zeitschritten derstatische Kontaktwinkel ein. Zum anderen beginnen die Komponenten A und Bim allgemeinen an ihrer Grenzfläche ineinander zu diffundieren. Die Diffusion istdabei vor allem vom Grad der Kopplung, der Kontaktwinkel von Kopplung undWandbenetzbarkeit abhängig.

Als Referenz für die Kontaktwinkelbestimmung nach den verschiedenen An-sätzen dient die rein phänomenologische Messung der Geometrie des auf derOberfläche relaxierten Tropfens.

Der erste Ansatz sieht die Bestimmung der Oberflächenspannungen γαα ge-mäß ihrer mechanischen Definition (2.25) an einer planaren Grenzfläche zwischenjeweils zwei der Komponenten vor. Aus diesen wird dann mit Hilfe der Young-Formel (2.27) der Kontaktwinkel berechnet. Da die so gefundenen Ergebnissestark von den geometrisch ermittelten Werten abweichen, wurde das Prinzip imnächsten Schritt auf eine Messung im System des Tropfens übertragen.

Außerdem wurde die Übertragbarkeit von Methoden der Kontaktwinkelbe-stimmung bzw. -Vorhersage für andere, ähnliche Modelle auf das Modell mehrerereinphasiger Komponenten untersucht. Zum einen eine, für mehrere mehrphasi-ge Komponenten eingeführte Abschätzung von Huang et al. [78]. Zum anderenwurde der Versuch unternommen, einen analytischen Ansatz für mehrphasigeeinkomponentige Systeme von Benzi et al. [79] zu adaptieren.

Im einzelnen wurden folgende Simulationen zur Evaluierung der verschiedenenAnsätze durchgeführt:

• Für ein initiales Tropfenvolumen von 4.908 Gitterpunkten in einem Systemeiner Größe von 323 Gitterpunkten wurde

– ηwall in Schritten von 0, 05 zwischen −0, 05 und −0, 45 variiert.

– gαα in Schritten von 0, 02 zwischen 0, 10 und 0, 18 variiert.

• Für ein initiales Tropfenvolumen von 41.896 Gitterpunkten in einem Systemeiner Größe von 643 Gitterpunkten wurde

– ηwall in Schritten von 0, 10 zwischen −0, 10 und −0, 50 variiert.

– gαα in Schritten von 0, 02 zwischen 0, 08 und 0, 18 variiert.

• Für ein initiales Tropfenvolumen von 345.996 Gitterpunkten in einem Sy-stem einer Größe von 1283 Gitterpunkten wurde

– ηwall in Schritten von 0, 10 zwischen −0, 10 und −0, 50 variiert.

Page 43: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.2 Kontaktwinkel 39

– gαα in Schritten von 0, 02 zwischen 0, 10 und 0, 18 variiert.

• Für ein initiales Tropfenvolumen von 2.808.116 Gitterpunkten in einemSystem einer Größe von 2563 Gitterpunkten wurde, für ein gαα von 0, 16,ηwall in Schritten von 0, 05 zwischen −0, 05 und −0, 40 variiert.

Mit den Benetzungsparametern ηwall wird dabei stets nichtbenetzendes Ver-halten der Tropfenkomponente, also Kontaktwinkel größer als 90 erreicht. Diesist dem Rechenaufwand geschuldet: In einem System mit (stark) benetzbarerWand zerfließt der Tropfen. Daher muss bei gleicher Tropfengröße wegen derperiodischen Randbedingungen die gleiche Höhe, aber eine wesentlich größereGrundfläche zur Verfügung stehen. Mit einzelnen Simulationen konnte jedochdie Punktsymmetrie der Kurve der Kontaktwinkel in Abhängigkeit von der Pseu-dowanddichte gezeigt werden.

3.2.1 Geometrische Bestimmung

Auch ohne Kenntnis der zugrunde liegenden Phänomene kann die Benetzbarkeiteiner Oberfläche für eine gegebene Flüssigkeit durch Anschauung des Kontakt-winkels eines Tröpfchens quantifiziert werden. Daher wird der geometrisch ausder Simulation eines Tröpfchen-Oberfläche-Systems ermittelte Kontaktwinkel alsVergleichswert dienen.

b

h

rh − r

b/2

θ

Abbildung 3.4: Zu der geometrischen Bestimmung des Kontaktwinkels.

Den von der Oberfläche eines Kugelabschnitts mit der Schnittfläche einge-schlossenen Winkel θ erhält man bei Kenntnis der Basis b und der Höhe h sowiedes Kugelradius R (s. Abb. 3.4) aus der Formel

θ = arctanb/2

R − h. (3.1)

Page 44: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

40 Ergebnisse

Durch Messung der Nulldurchgänge des Ordnungsparameters werden Basis undHöhe des Tröpfchens bestimmt. Der Radius beträgt dann R = 4h2+b2

8h.

In unmittelbarer Nähe der Wand kommt die Unschärfe der Grenzflächen zutragen, da aus der Wechselwirkung mit der Wand ein Dichtegradient resultiert.An der Tripellinie, an welcher die Tropfengrenze bestimmt werden soll, überlagertsich außerdem die Flüssig-flüssig-Grenzfläche. Daher ist es zur Bestimmung derBasis günstig, zunächst eine Schnittfläche außerhalb dieses Bereichs zu wählen.Für die hier gegebenen Werte sind das 5 GE über der Wand. Mit entsprechendverminderter Höhe kann dann der Radius erhalten und schließlich die Basis ander Wand extrapoliert werden.

Die im Folgenden für die geometrisch bestimmten Kontaktwinkel angegebe-nen Fehlerbalken beziehen sich stets auf an den Isoflächen ρ = ρmax/2 gemesseneGeometrien. Sie geben damit die durch die endliche Dicke der Grenzschicht be-dingte Unsicherheit wieder.

3.2.2 Parameterabhängigkeit des Kontaktwinkels

Abhängigkeit des Kontaktwinkels von der Systemgröße

Die Größe des simulierten Systems ist für die zu erwartende Genauigkeit der Er-gebnisse von entscheidender Bedeutung. So stellt sich die als Kreis angenommeneQuerschnittstruktur eines Tropfens bei zu kleinem Volumen aufgrund der Gitter-struktur des Systems eher als Treppe dar. Rechnungen, in denen die Krümmungeiner Oberfläche von Bedeutung ist können große Abweichungen erfahren. Eben-so kann die Näherung eines Ausschnitts der Kugeloberfläche als Ebene versagen.

Weiterhin stellt sich, wie oben erwähnt, durch eine Wechselwirkung ein Dich-tegradient ein. Ist hier z.B. eine Laminarschicht von zu geringer Breite, so reichtdie Anzahl der Gitterpunkte nicht aus um den vollständigen Verlauf des Gradien-ten abzubilden. Zwischen zwei diffusen Grenzbereichen liegt dann im Gleichge-wicht ein Dichtemaximum welches der maximal mit den gegebenen Gradientenüber die halbe Lamellenbreite erreichbaren Dichte entspricht, dieses ist jedochgeringer als es die Simulation mit einem System ausreichender Größe ergäbe.

Um die Abhängigkeit der gefundenen Ergebnisse von der Systemgröße zuüberprüfen wurden Simulationen mit ansonsten gleichen Parametersätzen in Sy-stemen der Größe 323, 643, 1283 und 2563 Gitterpunkten durchgeführt. Die ent-sprechenden Initialen Volumina der Tropfen sind ca. 173, 353, 703 und 1413 Git-terpunkte. In der Abbildung 3.5 ist die Abhängigkeit des bei einer Kopplung vongαα = 0, 16 gemessenen Kontaktwinkels für verschiedene Benetzbarkeiten darge-stellt. Die Konvergenz der Ergebnisse für zunehmende Tropfengröße ist für denFall einer Pseudodichte ηwall = 0, 1 evident. Für stärkere Wandwechselwirkungenist sie jedoch auch bei einer Systemgröße von 2563 Gitterpunkten noch nicht

Page 45: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.2 Kontaktwinkel 41K

onta

ktw

inke

Initiales Tropfenvolumen [GE3]

ηwall = 0, 3

ηwall = 0, 2

ηwall = 0, 1

Abbildung 3.5: Die Änderung des Kontaktwinkels für zunehmende Tropfengröße,ermittelt für verschiedene ηwall mit einer Kopplung von gαα = 0, 16.

vollständig. Da jedoch auch hier die Differenzen der erhaltenen Kontaktwinkel-werte mit zunehmender Systemgröße deutlich abnehmen und mit einer erhöhtenPseudowanddichte keine qualitativ neuen Effekte zu erwarten sind, wurde wegendes mit der Systemgröße steigenden Rechenaufwands auf weitere Simulationenverzichtet.

Abhängigkeit des Kontaktwinkels von der Pseudowanddichte ηwall

Die Abbildung 3.6 zeigt die Abhängigkeit der geometrisch ermittelten Kontakt-winkel von der Pseudowanddichte ηwall, dem Parameter der Benetzbarkeit. Diequalitative Arkuskosinusgestalt der Kurve ist ein Indiz für die Dichteabhängigkeitder in die Young-Gleichung (2.27) einfließenden Oberflächenspannungen γαα, dasich der Kontaktwinkel aus der Young-Gleichung als Arkuskosinus ergibt. Bis zueinem Kontaktwinkel von ca. 160 ist die ηwall-Abhängigkeit dabei in guter Nähe-rung linear. Die gepunktet gezeichnete Linie entspricht dabei der ersten Ordnungder Taylorentwicklung eines Arkuskosinus:

f(x) = arccos(3.45 · x) ≈ π

2− 3.45 · x −O(2) (3.2)

Page 46: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

42 Ergebnisse

Kon

takt

win

kelθ

Benetzbarkeitsparameter ηwall

Abbildung 3.6: Kontaktwinkel aufgetragen über der Pseudowanddichte und linea-rer Fit an die Kurve (siehe Gl. 3.2). Bestimmt durch Messung der Geometrie einesTropfens mit initialem Volumen von etwa 1413 Gitterpunken bei einer Kopplungvon gαα = 0, 16. Die Fehlerbalken zeigen Werte, welche mit um ρmax

2variierten

Isooberflächen des Ordnungsparameterfeldes ermittelt wurden.

Die Grundlage der Gültigkeit dieser als Fit gefundenen Näherung ist dabei unklar.Mögliche Ansatzpunkte für weitere Untersuchungen sind:

• Die Untersuchung des Verhaltens für erheblich längere Laufzeiten. Zwar än-dert sich der geometrisch bestimmte Wert des Kontaktwinkels bei der Simu-lation mit Anfangstropfenvolumen von ca. 1413 Gitterpunkten im Zeitraumvon 15000 ZS bis 20000 ZS nur noch um weniger als 1 Prozent, es ist abernoch eine Schwingung des Tropfens erkennbar. Im Rahmen dieser Arbeitwurde darauf wiederum wegen des hohen Rechenaufwands verzichtet.

• Die separate Variation der Kopplung der Flüssigkeitskomponenten unter-einander und ihrer Kopplung mit der Wandkomponente. Diese ist bislangin der Implementierung LB3D nicht vorgesehen. Deswegen und wegen desgroßen zu untersuchenden Parameterraums wurde hier darauf verzichtet.

Page 47: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.2 Kontaktwinkel 43

Abhängigkeit vom Kopplungsparameter gαα

Kon

takt

win

kelθ

Kopplungsparameter gαα

ηwall = 0, 4

ηwall = 0, 3

ηwall = 0, 2

ηwall = 0, 1

Abbildung 3.7: Kontaktwinkel aufgetragen über dem Kopplungsparameter gαα.Gemessen in einem System der Größe 1283 Gitterpunkten für verschiedene ηwall.Für ηwall = 0, 4 ist für die Kopplungen 0, 16 und 0, 18 ein Fall eingetreten, in wel-chen der Tropfen teilweise bereits über der Wand schwebt. Weitere Erläuterungim Text.

.

Abbildung 3.7 zeigt den gemessenen Kontaktwinkel in Abhängigkeit von Kopp-lungsparameter gαα für verschiedene Pseudowanddichten ηwall, gemessen in Syste-men einer Größe von 1283 Gitterpunkten. Ihr ist zu entnehmen, das der Einfluß derKopplung auf den Kontaktwinkel proportional der Pseudowanddichte zunimmt.Dies ist auf die Form der Shan-Chen-Kraft zurückzuführen, in die Kopplungspa-rameter und Dichten der wechselwirkenden Komponenten eingehen (s. Abschnitt2.3.2).

Die Kopplungsstärke beeinflußt dabei sowohl die Grenzschichtdicke, als auchdie Stärke der repulsiven Wandwechselwirkung. Dies führt bei einer Änderungdes Kopplungsparameters zu sich überlagernden Effekten:

• Für geringe Werte von gαα, nahe dem kritischen Punkt der Entmischung (s.

Page 48: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

44 Ergebnisse

Abschnitt 3.1), ist der diffuse Grenzbereich stark ausgedehnt. Gleichzeitigist die von der Wand ausgehende Kraft kleiner.

• Wird die Kopplung erhöht, so verringert sich die Dicke der Grenzschicht bisauf ein Minimum. Gleichzeitig wird die Abstoßung durch die Wand erhöht.

Da in der Simulation keinerlei externe Kräfte wirken, sind die Tropfen schwe-relos. Wird die abstoßende Wechselwirkung mit der Wand stark genug, bzw. zugroß, so schwebt der Tropfen über ihr.

3.2.3 Messung der mechanisch definierten Oberflächen-spannung

Ist ein System im thermodynamischen Gleichgewicht, so ist der skalare Betragdes Druckes im gesamten System gleich. Enthält das System mehr als eine Phase,führt dies an der Grenzfläche dazu, dass sich ein anisotroper Drucktensor einstellt,welcher die Oberflächenspannung bedingt. Dieser sog. mechanischen Definitionder Oberflächenspannung γ nach, ist sie gleich der Differenz des Normal- undTangentialteils des Drucktensors P integriert über eine Strecke s normal zurGrenzfläche, also:

γ =

∫∞

−∞

(PN − PT )ds (3.3)

Mit der Berechnung des Drucktensors aus den Simulationsdaten ist also auch dieBerechnung von Oberflächenspannungen und damit des Kontaktwinkels möglich.Im folgenden werden verschiedene Simulationsansätze und die aus ihnen gewon-nenen Werte diskutiert.

Bestimmung des Kontaktwinkels aus an einer planaren Oberfläche ge-

messenen mechanischen Oberflächenspannungen

Die Messung der Oberflächenspannung an einer ebenen Grenzfläche kann mitsehr geringem Rechenaufwand durchgeführt werden. Die Grenzfläche zwischenden Komponenten ist hier die einzige Anisotropie. Ein Einfluss der Systemgrößeauf das Ergebnis ist daher nur in der Raumrichtung Normal zur Grenzfläche zuerwarten. Aus der Arbeit [80] folgt eine Schichtdicke von 64 GE in der Vorzugs-richtung als ausreichende Systemgröße. Dieses Ergebnis wurde nachvollzogen unddie Produktionsläufe in Systemen mit periodischen Randbedingungen in der Grö-ße 8 × 8 × 128 GE3 durchgeführt. Zur Bestimmung der OberflächenspannungγAB zwischen den Flüssigkeitskomponenten A und B wurde das System dabei jezur Hälfte mit einer Komponente der Dichte ρA = ρB = 0, 7 initialisiert und dieKopplung gAB = gAW zwischen 0, 0 und 0, 2 in Schritten von 0, 02 variiert.

Page 49: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.2 Kontaktwinkel 45

Zur Bestimmung der Oberflächenspannungen γAW und γBW zwischen denFlüssigkeits- und der Wandkomponente wurde das System zu einer Hälfte mitje einer Komponente der Dichte ρA,B = 0, 7, zur anderen Hälfte mit Wand-komponente variabler Pseudodichte initialisiert. Der Parameter ηwall wurde dabeizwischen 0, 0 und 0, 6 in Schritten von 0, 02 variiert, gAB = gAW wiederum von0, 0 bis 0, 2 in Schritten von 0, 02.

Kon

takt

win

kelθ

Benetzbarkeitsparameter ηwall

gαα = 0, 08

gαα = 0, 10

gαα = 0, 18

gαα = 0, 2

Abbildung 3.8: Zur Illustration der Konvergenz für große Kopplungsstärken. Dar-gestellt ist die Abhängigkeit des aus der Messung der Oberflächenspannung aneiner planaren Grenzfläche abgeleiteten Kontaktwinkels von der Wandbenetzbar-keit für Kopplungen nahe der kritischen Werte für Entmischung bei gAB ≈ 0, 065und numerischer Stabilität bei gAB ≈ 0, 20. Die Konvergenz der Ergebnisse fürstarke Kopplungen wird an Tropfen nicht beobachtet.

.

Durch Einsetzen in die Young-Formel wurde aus den so erhaltenen Oberflä-chenspannungen der jeweilige Kontaktwinkel berechnet. Die gefundenen Kontakt-winkel konvergieren mit Kopplungsparametern nahe der Grenze der numerischenInstabilität bei gAB ≈ 0, 20, also für geringe Grenzschichtdicken. Dies ist derAbbildung 3.8 zu entnehmen in welcher der Kontaktwinkel θ als Funktion der

Page 50: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

46 Ergebnisse

Pro

zentu

ale

Abw

eich

ung

von

θ geo

met

r.

Benetzbarkeitsparameter ηwall

gαα = 0, 10

gαα = 0, 12

gαα = 0, 14

gαα = 0, 16

gαα = 0, 18Kontaktwinkel bereits bei 180

⋆ ⋆⋆⋆ ⋆⋆⋆⋆⋆

Abbildung 3.9: Prozentuale Abweichung der unter Verwendung der mechanischendefinierten Oberflächenspannungen an planaren Grenzflächen, aus der Young-Formel berechneten Kontaktwinkel von geometrisch an Tropfen eines initialenVolumens von ca. 703 Gitterpunkten gemessenen. Für jede Benetzbarkeit sindErgebnisse für fünf Kopplungen aufgetragen.

.

Wandbenetzbarkeit ηwall für verschiedene Kopplungsstärken dargestellt ist.Abbildung 3.9 zeigt die prozentuale Abweichung der Kontaktwinkelwerte zu

den geometrisch bestimmten. Hier fällt auf, dass die Abweichungen sämtlichpositiv sind. Auch ist die Abhängigkeit von der Kopplung deutlich größer alsdie an Tropfen beobachtete. So ist für gAB = 0, 10 bereits vor einem ηwall von0, 2 der Kontaktwinkel gleich 180, während für gAB = 0, 18 dieser Wert auchbei ηwall = 0, 3 noch nicht erreicht ist. Bis ηwall = 0, 4 haben schließlich dieRechnungen für alle Kopplungen θ = 180 ergeben, während dies am Tropfenfür gAB = 0, 14 noch nicht der Fall ist.

Für diese signifikanten Abweichungen kommen verschiedene Ursachen in Fra-ge:

• Die Berechnung des Drucks ist fehlerbehaftet. Da dieser eine Dichteab-

Page 51: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.2 Kontaktwinkel 47

hängige Komponente besitzt, kann bei nicht vollständig abgeschlossenerRelaxation ins Gleichgewicht diese einen Beitrag zu den an der Grenzflächegemessenen Werten liefern.

• Darüberhinaus können in Gitter-Boltzmann-Systemen allgemein an Pha-sengrenzen sog. unbegründete Strömungen (engl. spurious currents) [81].Diese sind Folge der in Shan Chen Modellen aufgehobenen lokalen Impul-serhaltung. Sie stellen zwar vor allem in mehrphasigen Einkomponenten-modellen ein Problem dar, verschwinden jedoch auch in Mehrkomponen-tenmodellen nicht vollständig.

• Ferner entspricht die Integration der Druckdifferenzen im Fall der maxi-mal scharfen Grenzfläche einer gewichteten Addition von hier etwa sie-ben relevanten Zahlenwerten an denen eine signifikante DruckdifferenzO(∆P ) > 10−6 auftritt.

• Auch ist das System der Tropfen dreikomponentig, während bei dieser Me-thode die Oberflächenspannungen nur zwischen jeweils zwei der Kompo-nenten bestimmt wurden. Dem Ansatz lag dabei die Annahme zugrunde,dass der Einfluss der Diffusion der Komponenten untereinander, wie sie imTropfensystem mit ρmax/ρmin ≈ 30 auftritt, vernachlässigbar ist.

• Weiterhin wurde hier die Krümmung der Tropfenoberfläche vernachlässigt.Damit diese Näherung zulässig ist, muss der Radius des Tropfens gegen un-endlich gehen. Prinzipiell sollte also die Messung am größten betrachtetenSystem den geringsten Fehler verursachen. Hier tritt jedoch die für Wand-benetzbarkeiten ηwall größer 0, 1 unvollständige Konvergenz als Fehlerquellehinzu.

• Schließlich sind die durch die Simulationsmethode modellierten Flüssigkei-ten geringfügig kompressibel. Daraus ergibt sich ein Unterschied in den er-haltenen Maximal- und Minimaldichten in dem vollständig symmetrischenSystem der Oberflächenspannungsmessung an der planaren Grenzflächeund dem System des Tropfens.

Bestimmung des Kontaktwinkels aus an einem Tropfen gemessenen

mechanischen Oberflächenspannungen

Um den resultierenden Fehler der bei der Messung der Oberflächenspannungan einer planaren Oberfläche gemachten Annahmen zu evaluieren, wurde dieMessmethode für das Tropfensystem implementiert. Hier wurde eine für radiale

Page 52: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

48 Ergebnisse

Grenzflächen angepasste Form der Gleichung 3.3, nämlich

γ =

∫∞

0

(r

Rs

)2

(PN − PT )dr. (3.4)

zur Berechnung der Oberflächenspannungen verwendet [12]. Rs ist dabei derRadius der Grenzfläche. Die Integration erfolgt vom Tropfenmittelpunkt r = 0bis an den Rand des Systems, hier bis 5 GE unterhalb der oberen Systemgrenzeum den durch die periodischen Randbedingungen vorhandenen Einflußbereich derWandunterseite auszugrenzen. Um zu verhindern, dass die Benetzungseigenschaf-ten der Wand über den periodischen Rand die Systemeigenschaften beeinflussen,wurde unterhalb der Wand variabler Pseudodichte ηwall bei z = 1 stets eineSchicht Wandkomponente mit ηwall = 0 bei z = 0 in der Simulation erzeugt. Ab-bildung 3.10 zeigt ein Beispiel des Dichteprofils der den Tropfen konstituierendenKomponente A in der Tropfenmitte. Bei z ≈ 62 ist ein minimaler Anstieg derDichte auszumachen, da an der Fläche mit θ = 90 etwas der im Gleichgewichtin das System diffundierten Tropfenkomponente kondensiert.

Durch die quadratische Skalierung mit dem Radius der Oberfläche wird diegrößere Wirkfläche der Druckdifferenzen auf äußeren Kugelschalen berücksich-tigt.

Die so gefundenen Werte für den Kontaktwinkel liegen insgesamt unterhalbden geometrisch bestimmten - (siehe Abb. 3.11). Vor allem für mittlere Wand-benetzbarkeiten sind höhere Abweichungen zu beobachten. Das Verhältnis derAbweichungen stimmt hier qualitativ gut mit der in Abschnitt 3.2.2 beschrie-benen Kopplungsabhängigkeit des Kontaktwinkels überein. Unter Einbeziehungder Unsicherheit gilt dies auch für das Erreichen des Grenzbereichs: Der Feh-ler gegen die geometrische Bestimmung nimmt hier ab. Bei gαα von 0, 10, 0, 16und 0, 18 wird zumindest übereinstimmend der Definitionsbereich der Lösung derYoung-Laplace-Gleichung verlassen.

Der nahezu lineare Anstieg des Kontaktwinkels mit der Wandbenetzbarkeit,wie er in den geometrischen Messungen beobachtet wurde, kann hier nicht nach-vollzogen werden.

Die qualitative Übereinstimmung der Abweichung mit der Kopplungsparame-terabhängigkeit des Kontaktwinkels legt nahe, ihre Ursache in der Implementie-rung der Kopplung zu suchen. Zur Verbesesserung der Ergebnisse kommt ins-besondere die Einführung unabhängiger Parameter für Flüssigkeits- und Wand-kopplung in Betracht.

Page 53: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.2 Kontaktwinkel 49D

ichte

ρA

z-Achse

Abbildung 3.10: Dichteprofil in der Tropfenmitte. Auch wenn der untere Teilder Wand neutral ist, lagert sich etwas von der Tropfenkomponente an ihr an(θ = 90).

3.2.4 Abschätzung des Kontaktwinkels nach Huang et

al.

In der Veröffentlichung [78] postulieren Huang et al. für das mehrphasige, mehr-komponentige Shan-Chen-Modell eine, für ein festes Verhältnis von Dichte derKomponenten und ihrer Kopplung gültige Abschätzung des Kontaktwinkels. Grund-lage ist die Überlegung, dass die Oberflächenspannungen an den Wandflächen vorallem durch die lokale Wechselwirkung und damit durch Dichtegradienten undKopplung bestimmt werden. Je nach Güte der Näherung bietet dieser Ansatz alsotheoretisch die Möglichkeit den bei der Berechnung aus geschwindigkeitsabhän-gigen Größen gemachten Fehler abzuschätzen.

Die auf die Komponente α wirkende Kraft setzt sich mit einer Wand mitBenetzungseigenschaften als Randbedingung zusammen aus:

Fα = Fc,α︸︷︷︸

Kohäsionskraft (flüssig/flüssig)

+ Fads,α︸ ︷︷ ︸

Adhäsionskraft (fest/flüssig)

Page 54: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

50 Ergebnisse

Pro

zentu

ale

Abw

eich

ung

von

θ geo

met

r.

Benetzbarkeitsparameter ηwall

gαα = 0, 10

gαα = 0, 12

gαα = 0, 14

gαα = 0, 16

gαα = 0, 18

Keine Werte: θ = arccos(> 1)

⋆ ⋆⋆

Abbildung 3.11: Prozentuale Abweichung der unter Verwendung der mechani-schen definierten Oberflächenspannungen für radiale Grenzflächen im Tropfen-system, aus der Young-Formel berechneten Kontaktwinkel von geometrisch anTropfen eines initialen Volumens von ca. 703 GE3 gemessenen. Für jede Benetz-barkeit sind Werte für fünf Kopplungen aufgetragen.

.

Für die Komponenten gilt dabei:

Fc,α(x, t) = −gααρα(x, t)∑

k

gkρα(x + ck∆t, t)ck,

Fads,α(x, t) = −gααρα(x, t)∑

k

gks(x + ck∆t, t)ck

mit s = 1, falls in der Geschwindigkeitsrichtung Wandkomponente liegt und 0sonst.

Proportional zu diesen Kräften werden die Oberflächenspannungen in Abhän-gigkeit vom Dichtegradienten als arithmetisches Mittel aus Minimal- und Maxi-maldichte der Flüssigkeitskomponenten und den Kopplungen gebildet.

γAB = gαα [(ρA − ρB)/2]

Page 55: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.2 Kontaktwinkel 51Pro

zentu

ale

Abw

eich

ung

von

θ geo

met

r.

Benetzbarkeitsparameter ηwall

gαα = 0, 10

gαα = 0, 12

gαα = 0, 14

gαα = 0, 16

gαα = 0, 18

Keine Werte: θ = arccos(> 1)

⋆⋆

Abbildung 3.12: Prozentuale Abweichung des nach der von Huang et al. postu-lierten Näherung bestimmten Kontaktwinkels von dem geometrisch bestimmtenWert. Bestimmt an Tropfen eines initialen Volumens von ca. 70 GE3. Für jedeBenetzbarkeit sind Werte für fünf Kopplungen aufgetragen.

.

γαW = gαα · ηwall

Es folgt das Young-Laplace-Gesetz:

cos θ =γBW − γAW

γAB

(3.5)

Für die verwendete einheitliche Kopplung von Flüssigkeiten und Wand ist dieseGleichung explizit nur noch vom Gradient der extremalen Flüssigkeitsdichten undder Wanddichte abhängig. Eine Kopplungsabhängigkeit ist jedoch implizit durchdie gαα-Abhängigkeit der Entmischung gegeben.

Die Berechnung erfolgte wiederum anhand von in den Tropfensimulationenerhaltenen Werten. Abbildung 3.12 zeigt die prozentuale Abweichung von dengeometrischen Kontaktwinkelmessungen für Systeme mit initialen Tropfenvolu-men von ≈ 703 Gitterpunkten.

Page 56: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

52 Ergebnisse

Die Struktur der ηwall-Abhängigkeit des Fehlers legt auch hier einen ausge-prägteren Arkuskosinuscharakter der berechneten Funktion gegenüber dem geo-metrisch gefundenen linearen Zusammenhang nahe. Die Abweichung ist hier pro-portional zum Betrag der Kopplung und nimmt für niedrige gαα bereits ab einerPseudowanddichte von 0, 2 ab, was einen Zusammenhang mit der Grenzschicht-dicke vermuten lässt.

Insgesamt ist die Abweichung hier groß, jedoch wird die Gültigkeit des Ansat-zes nur für einen festen Wert gαα ·ρα = const. postuliert. Wegen der nur indirek-ten Kopplungsabhängigkeit ist davon auszugehen, das für die initialen Dichtenein Wert gefunden werden kann, für welchen die Näherung hält. Wegen des be-reits großen untersuchten Parameterraums und der eingeschränkten allgemeinenGültigkeit des Ansatzes wurde hier darauf verzichtet.

3.2.5 Analytische Rechnung nach Benzi et al.

Für mehrphasige Einkomponentensysteme wurde 2006 von Benzi et al. die Her-leitung eines analytischen Ausdrucks für den Kontaktwinkel veröffentlicht. Hierwurde eine Übertragung des Rechenansatzes auf das einphasige mehrkomponen-tige System versucht.

Ausgehend vom in 2.3.2 abgeleiteten Ausdruck für den Drucktensor kann einAusdruck für den Kontaktwinkel gewonnenen werden. Hierzu nötige Forderungensind:

• Die allgemeine Gleichgewichtsbedingung an den Drucktensor P :

∇P (x) = 0

• Die Dichte ρα,α der Komponenten strebt im Bereich fern der Grenzflächegegen einen Grenzwert:

ρα(−∞) = ρmax , ρα(+∞) = ρmin

Wählt man Koordinaten mit Ursprung in - und einer Achse normal zu derGrenzfläche, z.B. ρ = ρα

max−ραmin/2 als Ursprung der z-Achse, so wird ρ = ρ(z),

∂ρ∂x

= ∂ρ∂x

= 0 und damit der Drucktensor diagonal:

P (x) = Pxx

(z)exex + Pyy

(z)eyey + Pzz

(z)ezez (3.6)

Aufgrund der Symmetrie gilt dabei für die transversalen Komponenten Pxx

(z) =P

yy(z) = P

T(z). Wegen der mechanischen Gleichgewichtsbedingung ∇ · P = 0

gilt für die Normalkomponente: Pzz

(z) = PN

(z) = p0 = const.

Page 57: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.2 Kontaktwinkel 53

Ziel ist die Gewinnung eines Ausdrucks, welcher nur von den Besetzungsdich-ten abhängt.

mit den Ableitungen der Besetzungsfunktion ψ, ψ′ = dψdρ

und ψ′′ = d2ψdρ2 ,

berechnet durch Auflösen des Ausdrucks ∇2zψ(ρ(z)) mit Hilfe der Kettenregel

ddz

[ddz

[ψ(ρ(z))]]

= ddz

[dψdρ

dρdz

]

=(

ddz

dψdρ

)dρdz

+ dψdρ

(ddz

dρdz

)

=(

d2ψdρ2

dρdz

)dρdz

+ dψdρ

(d2ρdz2

)

,

erhält man für die Normalkomponente des Drucktensors (2.56) der Flüssig-keitskomponente α

pα0 = 1−d0

Dc2sρ

α +c2s

P

k gk

2Dψα

α gααψα

+3c4s

P

k gk

4D(D+2)ψα

α gαα

[

ψ′′α(

dρα

dz

)2

+ ψ′α d2ρα

dz2

](3.7)

Fern der Grenzfläche wird die Änderung der Besetzung mit dem Ort verschwin-den. p0 erfüllt daher dort die Gleichungen

pα0 = 1−d0

Dc2sρ

αmin +

c2sP

k gk

2Dψα(ρα

min)∑

α gααψα(ραmax)

= 1−d0

Dc2sρ

αmax +

c2sP

k gk

2Dψα(ρα

max)∑

α gααψα(ραmin)

(3.8)

Die Lösung der Gleichung 3.7 mit 3.8 ergibt das gesuchte Besetzungsprofil ρ(z).Als Randbedingung geht hier weiterhin dρ/dz = 0 : z → ±∞ ein. Mit derSubstitution (dρα

dz)2 = bα unter Beachtung der Relation d2ρα

dz2 = 12

dbα

dρ,

ψα

[

d2ψα

dρα2

(dρα

dz

)2

+ dψα

dnα

d2ρα

dz2

]

= ψα[

d2ψα

dnα2 bα + dψα

dρα12

dbα

dρα

]

| · 2 ψα

dρα | · 12

dρα

ψα

= ψα

[

2 ψα

dρα

d2ψα

dρα2 bα +(

dψα

dρα

)2dbα

dρα

]

12

dρα

ψα

= ddρ

((dψα

dρα bα))

12

dρα

ψα

,

Page 58: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

54 Ergebnisse

erhält man aus Gleichung 3.7 ein gekoppeltes System aus je einer Differenti-algleichung erster Ordnung pro Flüssigkeitskomponente.

Die Differentialgleichung von bα (für die Komponente α) lautet damit:

pα0 − 1−d0

Dc2sρ

α − c2sP

k gk

2Dψα

α gααψα =3c4s

P

k gk

8D(D+2)ψα

α gαα1

ψ′αd

dρα (bαψ′α2)(3.9)

Direkte Integration der Gleichung 3.9 liefert

bα(ρα) = 8D(D+2)3c4s

P

k gk

α1

gααψ′α2×

×∫

(p0 − 1−d0

Dc2sρ

α − c2sP

k gk

2Dψα

α gααψα)dψα

ψα .(3.10)

Da im grenzfernen Bereich die Funktion bα ∼ dρdz

verschwindet, kann zur Erfüllungdieser Randbedingung

∫ ραmax

ραmin

(

p0 − 1−d0

Dc2sρ

α − c2sP

k gk

2Dψα

α gααψα)

ψ′α

ψα dρα = 0 (3.11)

gefordert werden. Für ψ = ψ0 exp(−ρ/ρ0) entspricht dies der Koexistenzkurvezweier Phasen eines isothermen Prozesses der Thermodynamik.

Um das gesuchte Profil der Dichteverteilung zu erhalten, müssen zunächstfür einen festen Wert von 1−d0

gααdie Integrationsgrenzen der Funktion (3.11) mit

Hilfe des Gleichungssystems (3.8) für gegebenes p0 bestimmt werden. Danachkönnen aus (3.11) p0, ρ

αmin und ρα

max bestimmt und damit durch Integration vonGleichung (3.9) die Funktion bα(nα) ausgerechnet werden.

Das Dichteprofil ρα(z) folgt dann aus bα =(

dρα

dz

)2:

∫ ρα

(ραmin+ρα

max)/2

bα(ρα)−1/2dρα = z (3.12)

Letztere Gleichung ist nur für einige spezielle Formen von ψ(ρ) in elementarenFunktionen darstellbar. Vergleich mit der Thermodynamik bedingt die Wahl vonψ(ρ) = ψ0 · e−ρ/ρ0 . Diese wird in der Implementierung LB3D auf 1 bezogenverwendet, d.h. hier gilt: ψ(ρ) = ψ0 · (1 − e−ρ/ρ0)

Aus dem Dichteprofil kann nun der Drucktensor (2.56) berechnet werden.Eine Projektion des Tensors auf Normal- bzw. Transversalrichtung der Grenz-fläche liefert seine Komponenten PN und PT . Die Integration ihrer Differenznormal zur Grenzfläche ergibt dann, nach der mechanischen Definition (2.25),die Oberflächenspannungen γ und schließlich den Kontaktwinkel.

Für das vorliegende mehrkomponentige System ergeben sich gekoppelte Diffe-rentialgleichungen, welche im zeitlichen Rahmen dieser Arbeit nicht gelöst werdenkonnten.

Page 59: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.2 Kontaktwinkel 55

Chen und Doolen [62] fanden bei einer ähnlichen Untersuchung von Mehr-komponentensystemen nichtlineares Diffusionsverhalten und führten die Lösungauf eine störungstheoretische Betrachtung der Dichteverteilungen zurück. IhrerAussage nach ist mit diesem Ansatz eine analytische Berechnung des Dichtepro-fils an Grenzflächen eines Mehrkomponentensystems möglich.

3.2.6 Diskussion der Ergebnisse

Die bisherigen Ergebnisse zur Kontaktwinkelbestimmung nach verschiedenen Me-thoden zusammenfassend muss bedauerlicherweise zunächst festgehalten werden,dass kein zuverlässiges Mittel zur Vorhersage der Benetzungseigenschaften voneinphasigen, mehrkomponentigen Shan-Chen-Systemen gefunden werden konnte.

Für eine a posteriori Kontaktwinkelbestimmung, oder die problemangepas-ste Bestimmung von Benetzungseigenschaften unmittelbar im Simulationssystemscheint die geometrische Bestimmung zunächst am besten geeignet.

Mit Hilfe dieser Methode konnte daher auch die Parameterabhängigkeit derKontaktwinkel von Systemgröße, Kopplung und Pseudowanddichte untersuchtwerden.

Der Einfluß der Systemgröße auf die gefundenen Ergebnisse nimmt, wie für einGitter-Boltzmann-System allgemein erwartet, mit zunehmender Größe ab. Ver-antwortlich hierfür sind die Wirkungen langreichweitiger Krafte. Da diese durchlokale Dichtegradienten im System vermittelt werden, ist eine minimale Aus-dehnung von Domänen für das erreichen der richtigen Gleichgewichtsmaximal-und Minimalwerte der Dichten erforderlich. Dies erklärt auch, warum die zurKonvergenz der Simulation notwendige Systemgröße mit der stärke der Wechsel-wirkungen zunimmt. So liegt die relative Änderung des gemessenenen Kontakt-winkels bei ungefährer Verdopplung des initialen Tropfenvolumens von ≈ 703 auf≈ 1413 Gitterpunkte für eine Pseudowanddichte von ηwall = 0, 1 bei etwa 0, 21%,ηwall = 0, 2 bei etwa 0, 56% und ηwall = 0, 3 bei etwa 1, 2%.

Die Pseudowanddichte ηwall ist als spezieller Parameter der Wandbenetzbar-keit in das Modell eingeführt worden [82]. Dementsprechend konnte sie als denKontaktwinkel hauptsächlich bestimmende Einflußgröße identifiziert werden. FürKontaktwinkel fern der Extremalwerte von 0, bzw. 180 ist die θ-Abhängigkeitvon ηwall| dabei in guter Näherung linear. Dieser Effekt hängt vermutlich mitder zweiten Einflußgröße für die Wechselwirkungen, nämlich der Kopplung gαα

zusammen. Da diese sowohl für die Wechselwirkungen der Flüssigkeitskomponen-ten untereinander, als auch der Flüssigkeitskomponenten mit der Wand gleich ist,kürzt sie sich in der Young-Laplace-Gleichung heraus.

Dennoch hat der Kopplungsparameter einen indirekten Einfluß auf die Dich-tegradienten im System und damit auch auf den Kontaktwinkel. Hier konnten vorallem zwei sich überlagernde Effekte unterschieden werden. Für geringe Kopp-

Page 60: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

56 Ergebnisse

lungswerte ist dies die erhöhte Diffusivität der Komponenten und damit eine hö-here Unschärfe der Grenzflächen. Für hohe Kopplungswerte ist es die proportionalder Pseudowanddichte erhöhte abstossende Wechselwirkung. Beiträge beider Ef-fekte treten dabei mit Erreichen des Kontaktwinkelgrenzbereichs | cos θ| → 1gegenüber der Wandwechselwirkung in den Vordergrund.

Ein erster Ansatz zur allgemeinen Bestimmung des Kontaktwinkels eines ein-phasigen Mehrkomponentenmodells aus einem einfachen Modellsystem ist die Be-stimmung der Oberflächenspannung an einer planaren Grenzfläche jeweils zweierder drei beteiligten Komponenten. Der Vorteil liegt hier in der nur geringen not-wendigen Größe des Simulationssystems, da aufgrund der periodischen Randbe-dingungen lediglich die Ausdehnung des Systems normal zur Grenzfläche einenEinfluß auf die Genauigkeit der Ergebnisse hat [80]. Die Oberflächenspannungwird dann mechanisch durch Integration der Differenz von Normal- und Tan-gerntialkomponente des Drucktensors entlang der Normalen der Grenzfläche er-rechnet.

Ein Vergleich der mit Hilfe der Laplace-Young-Gleichung aus den so gefun-denen Oberflächenspannungswerten berechneten Kontaktwinkel mit den geome-trisch an Tropfen bestimmten zeigte jedoch große Unterschiede. Hier ist zunächstdie Kopplung, bzw. die durch sie bestimmte Grenzschichtdicke der bestimmen-de Parameter. Für Kopplungen nahe des Grenzbereiches numerischer Stabilitätist Konvergenz zu beobachten. Die berechneten Kontaktwinkel liegen dabei aberstets deutlich höher als am Tropfen beobachtet.

Um die Einflüsse der gegen dem Tropfensystem gemachten Näherungen, dassind vor allem die Vernachlässigung der zweiten Flüssigkeitskomponente bei derWechselwirkung mit der Wand und die Krümmung der Tropfenoberfläche, abzu-schätzen, wurde die Methode auf Messungen im Tropfensystem übertragen.

Hier wurde zwar dem Definitionsbereich des Kontaktwinkels deutlich besserentsprochen, jedoch liegen die gefundenen Werte stets einige, bis maximal 18Prozent unter den geometrisch ermittelten. Einfluß auf die Genauigkeit habenhier die Berechnung des Drucktensors und die relativ geringe Anzahl der für dieIntegration relevanten Werte. Relevante Druckdifferenzen konnten nur an denGitterpunkten des Grenzbereichs gemessen werden, so dass für die Integrationnur etwa sieben Werte zur Verfügung standen. Ferner können auch unphysika-lischen Strömungen einen Erklärungsansatz bieten. Auch ist eine Abhängigkeitdes Fehlers von den oben besprochenen Effekten der Kopplung zu beobachten,so dass auch hier auf eine Verbesserung der Methode durch Verwendung eineszusätzlichen Kopplungsparameters geschlossen werden kann.

Um Fehler, welche durch die Berechnung des Drucks bedingt sind auszu-schließen, sowie um allgemein einen weiteren Bestimmungsansatz für den Kon-taktwinkel zu evaluieren wurde eine Näherungsmethode von Huang et al. auf dasverwendete Modell übertragen.

Page 61: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.2 Kontaktwinkel 57

Hier zeigten sich in Bezug auf die Abhängigkeit von der Wandbenetzbarkeitähnliche Abweichungen des berechneten Kontaktwinkels wie bei der Bestimmungaus den Oberflächenspannungen am Tropfen. Während für den Definitionsbereichrecht gute Übereinstimmung herrscht, weichen die Werte stets einige, bis hieretwa 15 Prozent ab. Da die Näherung allerdings für ein festes Verhältnis der Pa-rameter Dichte und Kopplung postuliert wurde, kann für andere Parameteräumevermutlich bessere Übereinstimmung erzielt werden.

Schließlich wurde versucht den analytischen Ansatz von Benzi et al. zur Be-rechnung des Kontaktwinkels für das verwendete Modell zu adaptieren, was leiderim zur Verfügung stehenden Zeitrahmen nicht gelang.

Im Rahmen dieser Arbeit konnte kein zufriedenstellendes Vorhersagemodellfür Kontaktwinkel eines einphasigen Mehrkomponenten-Shan-Chen-Modells ge-funden werden.

Untersucht wurden dabei die Abhängigkeiten von Systemgröße, Kopplungspa-rameter und Pseudowanddichte. Nicht betrachtet wurde die Wirkung von varia-blen Dichte und Viskositätsverhältnissen der beteiligten Flüssigkeitskomponen-ten. Globale Einschränkungen in der Genauigkeit sind bedingt durch die end-liche Anzahl simulierter Zeitschritte, die gefundenen Kontaktwinkelwerte oszil-lieren noch etwas, sowie die endliche simulierbare Größe. Auch stellt der ver-wendete gemeinsame Kopplungsparameter für Wand-Flüssigkeit und Flüssigkeits-Flüssigkeitskopplung eine Näherung dar. Hat die Wand für eine Flüssigkeitskom-ponente eine Benetzbarkeit, so ist ihr Kontaktwinkel mit der zweiten Komponentestets 90, bzw. findet hier gar keine über die Randbedingungen hinausgehendeWechselwirkung statt.

Zur weiteren Untersuchung von, auch dynamischen, Oberflächeneffekten wirddaher stets eine Simulation zur Voruntersuchung des statischen Kontaktwinkelsvorgenommen werden.

Page 62: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

58 Ergebnisse

3.3 Das Lucas-Washburn-Gesetz

Im letzten Kapitel wurde die Untersuchung der Kontaktwinkels eines Tropfen ineinem System im Gleichgewicht vorgenommen. Hier wird nun die Dynamik einesmikrofluidischen Systems betrachtet. Das Lucas-Washburn-Gesetz beschreibt,wie in Abschnitt 2.2.3 ausführlicher betrachtet, die Geschwindigkeit der Grenz-fläche eines in einem kapillaren System aufsteigenden Mediums.

Die Gültigkeit der Lucas-Washburn-Gleichung für verschiedene Kombinatio-nen von strömenden Medien und durchströmten Geometrien, wie bspw. für dasEindringen von Flüssigkeit in gas- oder flüssigkeitsgefüllte Röhrchen oder poröseMedien macht ihre Reproduktion zu einem guten Test für die Gültigkeit der miteiner Simulationsmethode zu ermittelnden Ergebnisse.

Molekulardynamische- und Gitter-Boltzmann-Simulationen kamen dabei zuvergleichbaren Resultaten, so dass die recheneffizientere Gitter-Boltzmann-Methodehier geeigneter erscheint.

A B

l

d

x

y

z

Abbildung 3.13: Aufbau der Simulationen zum Lucas-Washburn-Gesetz. Es liegenperiodische Randbedingungen vor. In z-Richtung werden zusätzlich alle die Ebenez = zmin erreichenden Besetzungen der Komponente A-, alle die Ebene z =zmax erreichenden Besetzungen der Komponente B zugeordnet. Zur Modellierungeines Reservoirs bzw. offenen Endes ist die Wand nicht durchgängig, es wurde1/8 ausgespart. Insgesamt entspricht der Aufbau dem Modell zweier unendlichausgedehnter Platten der Länge l und des Abstands d.

Im Sommer 2008 wurde von Chibarro et al. ein Beitrag zur Untersuchung desLucas-Washburn-Gesetzes mit einem zweikomponentigen SC-Gitter-Boltzmann-Modell in zwei Dimensionen veröffentlicht [18]. Hier wird von einem vergleich-

Page 63: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.3 Das Lucas-Washburn-Gesetz 59

baren pseudozweidimensionalen Aufbau ausgegangen, was einen Vergleich derArbeiten ermöglicht. Es sei hier schon erwähnt, dass die gefundenen Ergebnis-se, bzw. ihre Interpretation in dieser Arbeit in einigen Punkten abweichen. Diesbetrifft insbesondere die Wahl der Oberflächenspannung zwischen den Flüssig-keitskomponenten anstelle des Kontaktwinkels als freiem Parameter für die theo-retische Vergleichsrechnung.

Der für die Simulation verwendeten Aufbau ist in Abbildung 3.13 dargestellt.Zur Interpretation der Grafik sind dabei vor allem die periodischen Randbedin-gungen wichtig. Die nur in der Ebene x = 0 initialisierte Wand wirkt hier auchin der Ebene x = xmax + 1. Die Ausdehnung des Systems in y-Richtung beträgtlediglich 4 GE, insgesamt ergibt sich jedoch ein System zwischen zwei unendlichlangen Platten.

Bei Überschreiten der Systemgrenze in Fließrichtung, also entlang der z-Achse, wird zusätzlich zur Periodizität der Komponententyp geändert. Dies er-laubt es durch Aussparung eines Achtels der Systemhöhe vom Wandbereich einenformal unendliches Reservoir zu modellieren. Der Dichteerhalt ist dabei noch fürdie Summe der Komponentendichten ρA + ρB gegeben.

Die Simulationen wurden mit einer Kanallänge von l = 488 GE in einemSystem von 512 GE Länge mit durchgeführt. Die Kanalbreite d ergibt sich ausder Systembreite von x GE vermindert um eine Gitterschicht für die Wandkom-ponente bei x = 0 vermindert um zwei halbe Gitterschichten um die effekti-ve Wandpositionen gemäß der Reflexionsrandbedingungen zu berücksichtigen.Die Initialisierung der Komponenten erfolgt mit einer scharfen Grenzfläche beiz = 32 GE. Die kinematische Viskosiät beider fluider Komponenten wird stetsmit νA = νB = 0, 1667 eingestellt. Das Dichteverhältnis der Anfangsbedingungist 1, es gilt also ρA = ρB.

Entscheidend für die Beobachtung des Kapillareffekts im System ist einepositive Benetzbarkeit der Wandkomponente für eine der beiden Flüssigkeits-komponenten, hier Komponente A. Da in dem zunächst Anwendung findendenMCSP-SC-LBGK-Modell ausschließlich abstoßende Wechselwirkung implemen-tiert ist, wird die positive Benetzbarkeit indirekt, nämlich durch Abstoßung derKomponente B erreicht. Anders ist Abschnitt 3.3.4: Im dort verwendeten SCMP-SC-LBGK-Modell sind nur attraktive Wechselwirkungen definiert und die positiveBenetzbarkeit beruht direkt auf der Anziehung der Flüssigkeits- durch die Wand-komponente.

Abbildung 3.14 zeigt einen Schnitt durch das Profil des Ordnungsparametersφ = ρA − ρB einer Simulation mit der Kanalbreite d = 254 GE nach 40000 ZS.Der Kopplungsparameter beträgt gαα = 0, 16. Hier sind weitere Eigenschaftendes Systems abzulesen. Die abstoßende Wechselwirkung zwischen KomponentenB und Wandkomponente mit ηwall = 0, 2 bei x = 0 führt zu einer Verringe-rung von ρB bei x = 1. Im Bereich von etwa 40 GE vor der Grenzfläche in

Page 64: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

60 Ergebnisse

den Gitterschichten x = 1, 2 ist dieser Verarmung ein weiterer Effekt überlagert,nämlich ein erhöhter Wert von ρA, welcher durch einen vorauseilenden Film (engl.precursor) bedingt ist. Dieser verhältnismäßig geringe Effekt ist Folge von mi-kroskopischen Wechselwirkungen [22], welche offenbar zumindest qualitativ auchdurch den SC-Ansatz wiedergegeben werden.

An dem Schnitt bei x = 127 ist die endliche Grenzschichtdicke ∆z ≈ 6 GEgut zu erkennen. Der Kontaktwinkel wird dabei in der Ebene φ = 0 bestimmt.

Page 65: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.3 Das Lucas-Washburn-Gesetz 61

20 40 60 80 100 120 20 40 60 80 100 120 140

-0.7-0.6-0.5-0.4-0.3-0.2-0.1

00.10.20.30.40.50.60.7

x-Achsez-Achse

Ord

nungsp

aram

eter

φ

Abbildung 3.14: Profil des Ordnungsparameters φ = ρA −ρB zum Zeitpunkt t =40000 ZS. Simulationsdaten für die Parameter Pseudowanddichte ηwall = 0, 2,Wandabstand d = 254 GE und Kopplung gαα = 0, 14. Eine Grenzschichtdicke∆x von etwa 6 GE ist abzulesen. Die Kontaktwinkelbestimmung erfolgte in derEbene φ = 0. Nahe der Wand bei x = 0 überlagern sich zwei Effekte: Der beix = 1 erhöhte Wert beruht vor allem auf der Abstoßung der Komponente Bdurch die Wand. Weiterhin existiert ein, der Grenzschicht φ = 0 vorauseilender,sog. Precursor, dessen vorhandensein vor allem bei x = 2 erkennbar ist. Zurquantitativen Vermessung des Effekts reicht die Auflösung in der maximalengewählten Systemgröße noch nicht aus.

Page 66: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

62 Ergebnisse

3.3.1 Parameterabhängigkeit

Die Überprüfung der Gültigkeit des Lucas-Washburn-Gesetzes für die betrachte-ten Simulationsmodelle erfolgt anhand des Vergleichs der Simulationsdaten mitden theoretisch vorhergesagten Kurven. Höhe und Breite der Kapillare sowie dieViskosität der beteiligten Komponenten werden unmittelbar als Parameter der Si-mulation festgelegt. Die sich einstellenden Dichten sind, ebenso wie im Rahmender Meßgenauigkeit der Kontaktwinkel, unmittelbar abzulesen. Die Oberflächen-spannung zwischen den Komponenten unterliegt hier, wie sich im vorhergehendenKapitel gezeigt hat, der größten Unsicherheit, sie wird daher als freier Parametergewählt.

Desweiteren wird im Folgenden die Abhängigkeit der Ergebnisse von den Pa-rametern Kanalbreite d, Dichte ρ, Wandbenetzbarkeit ηwall und Kopplungspara-meter gαα untersucht und diskutiert. Dazu wurden die folgenden Simulationendurchgeführt (Zum Aufbau siehe auch den dieses Kapitel einleitenden Abschnittund Abb. 3.13):

• Variation der Kanalbreite d jeweils gesetzt zu 14, 30, 62, 126 und 254 GEfür Anfangsdichten von ρA = ρB = 0, 7; 1, 0 und fester Kopplung vongαα = 0, 14, sowie Viskositäten von νA = νB = 0, 1667.

• Variation der Wandbenetzbarkeit ηwall zwischen 0, 05 und 0, 30 in Schrittenvon 0, 05 bei fester Kanalbreite d = 126 GE und fester Kopplung vongαα = 0, 12, sowie Viskositäten von νA = νB = 0, 1667.

Die Änderung der Kopplung zur Beobachtung der Wandbenetzbarkeit wurde da-bei Vorgenommen um die Steighöhe auch für große Wandbenetzbarkeiten imBereich der Kanallänge zu halten. Es stellte sich jedoch heraus, dass sie auchEinfluß auf die Güte der Übereinstimmung mit der Theorie hat (siehe unten).

Das Ergebnis der Simulation des kapillaren Füllens benetzbarer Kanäle varia-bler Breite d ist in den Abbildungen 3.15 und 3.16 für Dichten von ρA = ρB = 0, 7bzw. ρA = ρB = 1, 0 dargestellt. Qualitativ ist in Übereinstimmung mit derTheorie eine Erhöhung der Steiggeschwindigkeit mit zunehmender Kanalbreitezu beobachten.

Bemerkenswert ist, dass trotz der zu erwartenden Effekte finiter Systemgrößein einem Kanal der Breite d = 14 GE eine sehr gute Übereinstimmung mit demErgebnis der Gleichung 2.32 gewonnen werden konnte.

Dagegen nimmt hier die Güte der Fits für Systeme größerer Breite ab. Füreine Breite d = 126 GE ist dabei ein anfangs langsamerer Anstieg zu erkennen,welcher auf eine höhere Kapillarzahl Ca zurückzuführen ist. Diese beschreibt hierdas Verhältnis von Einströmgeschwindigkeit zur, durch die Viskosität bedingten,endlichen Ausbreitungsgeschwindigkeit der Wirkung der Oberflächenspannung in

Page 67: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.3 Das Lucas-Washburn-Gesetz 63

einem System größerer Breite. Wird die Breite nochmals auf d = 254 GE erhöht,so nimmt die Stärke dieses Effekts noch zu. Hier wurde zugunsten der Übersicht-lichkeit des Graphen auf eine Darstellung verzichtet. Darüber hinaus ist in derKanalmitte sogar eine Rückwärtsbewegung der Grenzfläche zu beobachten. Eswurde festgestellt, das dieser Effekt nicht durch den Einfluß der Viskosität, son-dern vielmehr durch Eigenheiten der Simulation bedingt ist. In Abschnitt 3.3.2wird auf diese sog. inertialen Effekte detaillierter eingegangen.

z-Pos

itio

nG

renzfl

aech

e[G

E]

Zeit [ZS]

d = 128 GE

d = 64 GE

d = 32 GE

d = 16 GE

Abbildung 3.15: Position der Grenzfläche über der Simulationszeit in Zeitschrit-ten. Gemessen für verschiedene Wandabstände d in der Kanalmitte x = d/2.Weitere Parameter: Pseudowanddichte ηwall = 0, 2, Kopplung gαα = 0, 14 undAnfangsdichte der Komponenten ρA = ρB = 0, 7. Die durchgezogenenen Linienentsprechen dem Ergebnis der Gleichung (2.32) mit der OberflächenspannungγAB als Fitparameter. Mit zunehmendem Kanaldurchmesser steigt die Geschwin-digkeit. Gleichzeitig nimmt die Übereinstimmung des Fits ab.

Die Simulation des Systems mit verschiedenen Dichten bei gleichem Dich-teverhältnis verspricht zunächst keinen großen Erkenntnisgewinn. Durchgeführtwurde sie zur Überprüfung der Auswirkungen der Dämpfung der Kraftwirkungenfür Dichten ρ ≥ 1, 0, die durch die Form des Potentials ψ = ψ0(1− eρ/ρ0) gege-ben ist. In den Tabellen 3.1 und 3.2 sind die für die als freien Parameter gewähl-

Page 68: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

64 Ergebnisse

d [GE] 14 30 62 126 254θ [] 20, 8 22, 9 17, 8 18, 0 13, 8γAB 0, 065 0, 055 0, 044 0, 033 0, 029

Tabelle 3.1: Variablen der Fit-Kurven des Lucas-Washburn-Gesetzes an die Si-mulationen mit Kanallänge l = 448, Anfangsdichten ρA = ρB = 0, 7, Kopplunggαα = 0, 14, Viskosität ν = 0, 1667, Pseudowanddichte ηwall = 0, 2.

te Oberflächenspannung zwischen den Flüssigkeitskomponenten γAB gefundenenWerte mit dem gemessenen Kontaktwinkel für die verschiedenen Kanalbreitenaufgestellt. Tatsächlich gilt hier für das Verhältnis der Oberflächenspannungen

γAB,ρ=0,7

γAB,ρ=1,0

≈ 0, 7.

Lediglich für d = 254 GE gilt dies nicht (s. 3.3.2).

d [GE] 14 30 62 126 254θ [] 16, 6 19, 0 17, 9 14, 3 13, 8γAB 0, 093 0, 078 0, 063 0, 048 0, 037

Tabelle 3.2: Variablen der Fit-Kurven des Lucas-Washburn-Gesetzes an die Si-mulationen mit Kanallänge l = 448, Anfangsdichten ρA = ρB = 1, 0, Kopplunggαα = 0, 14, Viskosität ν = 0, 1667, Pseudowanddichte ηwall = 0, 2.

Schließlich sind in Abbildung 3.17 und Tabelle 3.3 die Ergebnisse der Simu-lationen mit variierter Wandbenetzbarkeit zusammengestellt. Wiederum ist dasqualitative Ergebnis erhöhter Geschwindigkeit mit zunehmender Benetzbarkeitdas theoretisch zu erwartetende.

ηwall 0, 05 0, 10 0, 15 0, 20 0, 25 0, 30θ [] 7, 9 10, 9 14, 6 18, 0 20, 6 22, 5γAB 0, 0065 0, 0125 0, 0180 0, 0232 0, 0278 0, 0317

Tabelle 3.3: Variablen der Fit-Kurven des Lucas-Washburn-Gesetzes an die Simu-lationen mit Kanallänge l = 448 GE, Anfangsdichten ρA = ρB = 0, 7, Kopplunggαα = 0, 12, Viskosität ν = 0, 1667.

Interessant ist hier, dass trotz einer hohen Kanalbreite von d = 126 GEdie Übereinstimmung mit den theoretisch ermittelten Werten ausgezeichnet ist.

Page 69: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.3 Das Lucas-Washburn-Gesetz 65z-

Pos

itio

nG

renzfl

aech

e[G

E]

Zeit [ZS]

d = 128GE

d = 64GE

d = 32GE

d = 16GE

Abbildung 3.16: Position der Grenzfläche über der Simulationszeit in Zeitschrit-ten. Gemessen für verschiedene Wandabstände d in der Kanalmitte x = d/2.Weitere Parameter: Pseudowanddichte ηwall = 0, 2 und Kopplung gαα = 0, 14und Anfangsdichte der Komponenten ρA = ρB = 1, 0. Die durchgezogenenenLinien entsprechen dem Ergebnis der Gleichung (2.32) mit der Oberflächenspan-nung γAB als Fitparameter. Mit zunehmendem Kanaldurchmesser steigt die Ge-schwindigkeit. Gleichzeitig nimmt die Übereinstimmung des Fits ab.

Page 70: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

66 Ergebnisse

z-Pos

itio

nG

renzfl

aech

e[G

E]

Zeit [ZS]

ηwall = 0, 30

ηwall = 0, 25

ηwall = 0, 20

ηwall = 0, 15

ηwall = 0, 10

ηwall = 0, 05

Abbildung 3.17: Position der Grenzfläche über der Simulationszeit in Zeitschrit-ten. Gemessen für verschiedene Wandbenetzbarkeiten ηwall. Weitere Parameter:Wandabstand d = 126 GE und Kopplung gαα = 0.12. Die durchgezogenenenLinien entsprechen dem Ergebnis der Gleichung (2.32) mit der Oberflächenspan-nung γAB als Fitparameter. Mit zunehmender Wandbenetzbarkeit steigt die Ge-schwindigkeit. Durch die geringere Kopplungsstärke ist der durch den Einschwing-vorgang verursachte Fehler deutlich geringer.

Page 71: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.3 Das Lucas-Washburn-Gesetz 67

Einziger für diese Verbesserung in Frage kommender Parameter ist die Kopp-lungsstärke gαα = 0, 12. Diese wurde hier urprünglich nur zur Anpassung derSteighöhe geändert. Durch die geringere Kopplung ist der Effekt des inertialenÜberschwingens, welcher unter anderem Gegenstand des nächsten Abschnitts ist,verringert.

3.3.2 Dynamik in breiten Kapillarkanälen

Mit zunehmender Kanalbreite d nimmt der inertiale Einfluß der Viskosität derFlüssigkeiten im Kanal zu. Dies wurde bereits im vorangehenden Abschnitt be-leuchtet. Eine Kennziffer zur Quantifizierung dieses Effekts ist die KapillarzahlCa = u ν

γ.

Nimmt man für die Flüssigkeitsgeschwindigkeit u die extrapolierte Endge-schwindigkeit nach 40000 ZS an, so ergeben sich mit der stets gleich gewähltenViskosität ν = 1

6und den in der Anpassung der Kurven gefunden Werten für die

Oberflächenspannungen γAB in den Tabellen 3.1 - 3.3 Kapillarzahlen zwischenCa ≈ 0, 005 für d = 14 und Ca ≈ 0, 057 für d = 254 GE.

Hoffman fand in den 70er Jahren des zwanzigsten Jh. einen Zusammenhangzwischen Kapillarzahl und dynamischem Kontaktwinkel θd, sowie statischem Kon-taktwinkel θs bei teilweiser Benetzung [19]:

Ca = F (θd) − F (θs) (3.13)

Im Limes geringer Geschwindigkeiten Ca → 0 nimmt die Funktion eine FormF (θd) = C · θm

d , mit systemabhängigen Parametern C und m an. Indem inGleichung 2.31 die Wirkung des viskosen Widerstands berücksichtigt wird, isthier eine solche Korrektur nicht mehr notwendig. Die Ursache für die Abweichungdes Systems von der Theorie ist also an anderer Stelle zu suchen.

Ein Effekt der durch das theoretische Modell nicht abgebildet wird, ist diebeobachtete inertiale negative Geschwindigkeit in der Kanalmitte. Diese ist wiefolgt erklärbar. Aufgrund der rein lokalen Wechselwirkung im Gitter-Boltzmann-System verhält sich das System an den Tripellinien zu Beginn der Simulationzunächst so, als wäre eine einzelne Platte in das System eingebracht worden. Diedurch diese Störung verursachte Dynamik breitet sich mit der endlichen Schallge-schwindigkeit cs =

1/3, bzw. mit einem Zeitschritt zum nächsten Gitterpunktaus. Das Voranschreiten der Komponente A in Wandnähe verdrängt dabei dieKomponente B, welche also entgegen der Strömungsrichtung der Komponente Aausweicht und die Grenzfläche zunächst nach unten verschiebt. Das so verursach-te Ausschwingen der Grenzfläche wird für eine Kanalbreite d = 254 GE nach etwa5000 Zeitschritten maximal. Die Geometrie der Grenzfläche ist dann deutlich voneinem Kugelabschnitt verschieden und es stellt sich ein dynamischer Kontaktwin-kel ein. Der der Lucas-Washburn-Gleichung zugrunde gelegte Laplace-Druck an

Page 72: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

68 Ergebnisse

der Oberfläche kann nicht mehr gültig sein, da hier die Krümmung einer Sphäreeingeht.

Im Anschluß an die inertiale Phase relaxiert die Grenzfläche in ihre sphärischeForm. Die zeitliche Entwicklung für eine Kanalbreite von d = 254 GE zeigt Abbil-dung 3.3.2. Wie man sieht ist die Relaxation der durch die Auslenkung erzeugtenSchwingung hier auch nach 40000 ZS noch nicht abgeschlossen. Dagegen ist siebei einer Kanalbreite von d = 14 GE bereits nach 200 ZS vollständig.

203040506070

140 160 180 200 220 240

203040506070

140 160 180 200 220 240

203040506070

140 160 180 200 220 240

203040506070

140 160 180 200 220 240

405060708090

100

140 160 180 200 220 240

170180190200210220

140 160 180 200 220 240

280290300310320330

140 160 180 200 220 240

410420430440450460

140 160 180 200 220 240

t = 1000

t = 2000

t = 4000

t = 6000

t = 10000

t = 20000

t = 30000

t = 40000

Abbildung 3.18: Illustration des Einschwingvorgangs der Grenzfläche. Simula-tionsdaten für die Parameter Pseudowanddichte ηwall = 0, 2, Wandabstandd = 254 GE und Kopplung gαα = 0, 12. Links: Die Wechselwirkung mit derWand breitet sich von beiden Seiten mit endlicher Geschwindigkeit aus. Im Zen-trum verstärken sich die Effekte und es kommt zu einem Überschwingen derGrenzfläche, dessen Maximum bei etwa 3500 Zeitschritten erreicht wird. Rechts:Der Abklingvorgang benötigt bei diesem Wandabstand einige zehntausend Zeit-schritte. siehe auch Abb. 3.3.2.

Die Abbildung 3.19 zeigt die zeitliche Entwicklung des Ergebnisses ϑ derzur geometrischen Berechnung des Kontaktwinkels θ verwendeten Formel. Ist

Page 73: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.3 Das Lucas-Washburn-Gesetz 69

die Geometrie der Grenzfläche nicht sphärisch, so ist der gefundene Wert dabeinatürlich ohne physikalische Bedeutung. Hier ist klar der Abklingvorgang der iner-tialen Entrundung der Grenzfläche zu erkennen, dessen Dauer mit zunehmenderKanalbreite zunimmt. Ferner sind Oszillationen des Endzustands auszumachen,deren Intensität mit zunehmender Kanalbreite abnimmt. Diese sind wiederum Ef-fekte der finiten Systemgröße, also auf die diskrete Natur des Simulationsmodellszurückzuführen.

Par

amet

erϑ

Zeit [ZS]

d = 256GE

d = 128GE

d = 64GE

d = 32GE

d = 16GE

Abbildung 3.19: Ergebnis ϑ der Gleichung 3.1 zur Berechnung des Kontaktwin-kels θ eines Kreisabschnitts aufgetragen über der Simulationszeit in Zeitschrit-ten für verschiedene Wandabstände d. Weitere Parameter: Pseudowanddichteηwall = 0, 2 und Kopplung gαα = 0, 14. Bedingt durch das inertiale Überschwin-gen ist die Annahme einer kreisausschnittförmigen Grenzfläche zu Beginn verletzt.Im Gleichgewicht entspricht das Ergebnis dem Kontaktwinkel. Für geringe Wan-dabstände beobachtete Oszillationen sind auf Effekte der finiten Größe zurück-zuführen. Für große Wandabstände ist die notwendige Simulationszeit deutlichlänger.

Page 74: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

70 Ergebnisse

3.3.3 Das Geschwindigkeitsfeld an der Grenzfläche

Bisher wurde die Dynamik des simulierten Systems insgesamt betrachtet. DasVerhalten des Gitter-Boltzmann-Modells hängt jedoch ausschließlich von lokalenWechselwirkungen ab, wobei eine entscheidende simulierte Größe die Geschwin-digkeitsverteilung ist. In diesem Abschnitt wird daher das vektorielle Geschwindig-keitsfeld für die zu unterscheidenden Fälle vor-, in- und hinter dem Grenzbereichuntersucht.

Das Geschwindigkeitsfeld an der Grenzfläche in einem Mehrkompo-

nentensystem

Die qualitative Struktur des Geschwindigkeitsfeldes im Bereich der Grenzfläche,die Vektorlänge ist auf das 300-fache des Vektorbetrags skaliert, zeigt die Abbil-dung 3.20. Hier sind einige Charakteristika des Simulationsmodells wiederzufin-den. Im Wandbereich vor der Grenzfläche existieren erhöhte Geschwindigkeitenmit Hauptrichtung normal zur Wandkomponente. Diese sind durch die abstoßen-de Wechselwirkung der Wandkomponente mit der rückweichenden KomponenteB bedingt, durch welche hier die Benetzungseigenschaften, proportional der Pa-rameter ρB, ηwall und gαα gesteuert werden.

Auch die Nichtmischbarkeit der Komponenten A und B wird durch abstos-sende Wechselwirkung proportional den Parametern ρA, ρB und gαα bedingt.Diese äußert sich hier durch die hinter der Grenzfläche vorhandene Geschwin-digkeit entgegen der Gesamtströmungsrichtung. Ebenso wie in dem gegenüberdem grenzfernen Bereich um den Faktor ≈ 3, 5 erhöhten Betrag der auftretendenGeschwindigkeiten.

Mit der gewählten Skalierung liest man eine Ausdehnung der Grenzschicht von∆z = 4 GE ab. Der Wechsel im Vorzeichen der Geschwindigkeitsrichtung erlaubtdabei dennoch eine klare Zuordnung der Grenzlinie. Deren Treppenstruktur, vorallem zur Kanalmitte hin weist hier auch och für eine Kanalbreite von 126 GEauf Effekte der endlichen Systemgröße hin.

Im Bereich der Tripellinie sind ferner rotierende, unphysikalische Strömungen(engl. spurious currents) geringen Betrages zu erkennen. Diese sind bedingt durchSymmetrieverluste bei der Diskretisierung des Phasenraums [81].

Das charakteristische Verhalten des Geschwindigkeitsprofils in verschiedenenBereichen des Kanals in der Umgebung und fern der Grenzfläche zeigt Abbildung3.21 in Form von Schnitten entlang der x-Achse, also normal zur Fließrichtung.Der Zeitpunkt der Auswertung 27000 ZS nach Simulationsbeginn wurde dabeigewählt, da die Grenzflächenposition hier ungefähr die halbe Kanalhöhe erreichthat. Der Nulldurchgang des Ordnungsparameters ϕ in der Kanalmitte bei x = 63GE befindet sich hier bei z ≈ 251 GE.

Page 75: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.3 Das Lucas-Washburn-Gesetz 71

0,0 0,01 0,02 0,03 0,04 0,05 0,06

z-Ach

se

x-Achse

Geschwindigkeit |u|

Abbildung 3.20: Illustration der Geschwindigkeitsverteilung an der Grenzfläche.Simulationsdaten für die Parameter Pseudowanddichte ηwall = 0, 2, Wandabstandd = 126 GE und Kopplung gαα = 0.14. Die Geschwindigkeitsbeträge wurden hierum einen Faktor 300 hochskaliert. Die an den Kontaktstellen mit der Wand hoheGeschwindigkeit wandert mit endlicher (Schall-)Geschwindigkeit ins Zentrum desKanals. Unmittelbar an der Grenzfläche der Flüssigkeitskomponenten entstehenaufgrund ihrer abstoßenden Wechselwirkung weitere, auch negative, Geschwin-digkeitsanteile normal zur Grenzfläche. Im grenzfernen Bereich ergibt sich einPoiseuille-Fluß von deutlich geringerer Maximalgeschwindigkeit. Siehe auch Ab-bildung 3.21.

Page 76: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

72 Ergebnisse

Etwa 10 − 11 GE in Fließrichtung davor hat die positive Geschwindigkeits-komponente in Wandnähe den Maximalwert von u ≈ 0, 065 GE

ZS angenommen,aufgetragen ist das Profil an der Stelle z = 241.

Die zu beobachtenden Rückströmungen in Teilen dieses Bereichs sind, wiebereits oben erwähnt, Folge der Modellierung der Flüssigkeitskomponenten undder diskreten lokalen Wechselwirkung. Sie klingen allerdings schnell ab, wie dieProfile an den Positionen z = 231 und z = 261 zeigen. Die endliche Geschwin-digkeit unmittelbar an der Wand bei x = 127 vor der Grenzfläche (z = 231) zeigthier die Existenz von Wandschlupf an. Dieser ist dabei durch die Hydrophobizitätder Wandkomponente für Komponente B bedingt [82].

Fern der Grenzfläche sind parabolische (Poiseuille-) Strömungsprofile zu be-obachten (Abb. 3.21 unten), wie es ja auch schon die Übereinstimmung der Ge-schwindigkeitsentwicklung mit dem Lucas-Washburn-Gesetz erwarten läßt, wel-ches ja von der Hagen-Poiseuille-Gleichung ausgeht (s. Abschn. 2.2.3). Auchhier ist die abweichende Form des Geschwindigkeitsprofils im Bereich der rück-weichenden Komponente durch eine endliche Schlupflänge zu erklären.

Page 77: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.3 Das Lucas-Washburn-Gesetz 73

Ges

chw

indig

keit

u

x-Achse

z = 41

z = 231

z = 241

z = 251

z = 261

z = 469

Ges

chw

indig

keit

u

x-Achse

z = 41

z = 231

z = 241

z = 251

z = 261

z = 469

Abbildung 3.21: Geschwindigkeitsprofile für x-Schnitte an verschiedenenen z-Punkten nach 27000 ZS. Simulationsdaten für die Parameter Pseudowanddichteηwall = 0, 2, Wandabstand d = 126 GE und Kopplung gαα = 0.14. Unten: Re-skalierter Ausschnitt. Der Tiefpunkt der Grenzfläche befindet sich bei z = 251.Bei z = 241 ist die Grenzfläche in Wandnähe. z = 231 und z = 261 zeigenden Übergang zum Poiseuille-Fluss. Dieser ist fern der Grenzfläche ausgebildet(z = 41, z = 469). Die benetzenden Eigenschaften der Komponente A (eindrin-gend) werden durch Abstossung der Komponente B simuliert. Diese zeigt daherSchlupf.

Page 78: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

74 Ergebnisse

3.3.4 Untersuchung eines Mehrphasensystems in Hin-blick auf Änderungen im Geschwindigkeitsfeld

Die im vorangegangenen Abschnitt gefundenen unphysikalischen Strömungen,also die im Grenzbereich stark erhöhten Geschwindigkeitsbeträge und Rückströ-mungen, ebenso wie die indirekte Modellierung einer hydrophilen Oberflächedurch Hydrophobizität für die verdrängte Komponente sind insgesamt auf dieVerwendung einer abstossenden Volumenkraft zurückzuführen.

Daher wurde im Rahmen der Diplomarbeit ein Single Component Multi Phase-(SCMP-) Shan-Chen-Modell implementiert, in welchem attraktive Wechselwir-kung einer Komponente mit sich selbst zu einer Phasentrennung führt (s. Ab-schnitt 2.3.2).

Mit diesem Modell durchgeführte Simulationen des kapillaren Füllens sol-len hier zum Vergleich der Geschwindigkeitsprofile herangezogen werden. Dabeiwird überprüft ob und in welchem Maß die oben beschriebenen Artefakte abwei-chen. Zur Gültigkeit des Lucas-Washburn-Gesetzes existieren auch hier bereitsUntersuchungen in zwei Dimensionen, mit welchen die gefundenen Ergebnisse zuvergleichen sind [43, 44].

t = 12000ZS

t = 50000ZS

Abbildung 3.22: Illustration der Kanalsimulation im SCMP-Modell. Da die Initiali-sierung einer einzelnen Komponente mit verschiedenen Dichtebereichen zunächsteinen Zustand im Ungleichgewicht erzeugt, wurde das System zunächst 12000ZS ohne Wandkomponente simuliert. Die Dichtegradienten an den Grenzflächensind zu diesem Zeitpunkt relaxiert, allerdings unterliegt die Grenzschichtpositionnoch einer Schwingung um etwa 5 GE, welche sehr langlebig ist. (Ein Versuchzeigte, dass die Schwingung auch nach 100000 ZS nur wenig abgenommen hat).Nach einbringen einer Wand stellt sich ein Kontaktwinkel von θ ≈ 82 ein unddie Grenzfläche beginnt sich zu verschieben. Da hier eine Anpassung der Kom-ponente als Randbedingung nicht möglich ist, musste das System entsprechendmit doppelter Länge, also l = 1024, dimensioniert werden.

Bei der Initialisierung des Systems ergeben sich im Gegensatz zum Mehrkom-ponentenmodell einige Schwierigkeiten, welche allerdings hauptsächlich aus derImplementierung von Anfangs- und Randbedingungen für mehrphasige Systemeresultieren.

Page 79: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.3 Das Lucas-Washburn-Gesetz 75

Zum einen war es nicht möglich eine der Komponentenänderung bei Über-gang über den periodischen Rand analoge Anpassung der Dichte vorzunehmen,ohne damit einen Druckgradienten zu erzeugen. Daher musste das Reservoirvollständig mitsimuliert werden. Zum anderen ist die Initialisierung des Systemsmit Dichtegradienten nicht implementiert. Das System wurde also mit zwei dengefundenen Gleichgewichtsdichten entsprechenden, scharf abgegrenzten Dichte-bereichen aufgesetzt und zunächst ohne Wandkomponente relaxiert. Nachdemsich an den Grenzflächen ein stabiler Dichtegradient eingestellt hatte, wurdenach 15000 ZS die Wandkomponente eingebracht und die eigentliche Simulationgestartet (siehe Abbildung 3.22).

Bei dieser Vorgehensweise trat ein weiteres Problem auf. Nämlich wurde beider initialen Relaxation eine sehr langlebige (ein Versuch zeigte auch nach 100000ZS nur minimale Abnahme) longitudinale Schwingung des Majoritätsbereichs umbis zu einigen 10 GE ausgelöst. Diese konnte ohne Implementierung von An-fangsbedigungen mit Dichtegradienten, auf die in Hinblick auf die zur Verfügungstehende Zeit verzichtet wurde, nicht vollständig ausgeräumt werden.

Im Folgenden wurden Lamellen von 509 GE höhe der Dichte ρg = 0, 15 und523 GE höhe der Dichte ρl = 1, 98 zur Initialisierung des Systems verwendetwas zu der minimal gefundendenen Schwingung des Systems um etwa 5 GEführte. Dieser Effekt ist in Abbildung 3.23 im Zeitbereich vor 15000 ZS deutlicherkennbar. Im Unterschied zu [43] wurde hier nicht der Fall der vollständigenBenetzbarkeit der Kapillarwand θ = 0 sondern ein Fall im Grenzbereich zurminimalen Benetzung θ ≈ 82 untersucht. Diese Wahl wurde aufgrund der, wiesich zeigen wird, hohen an der Grenzfläche auftretenden Geschwindigkeitsbeträgegetroffen. Sie liegen bereits für diesen Fall im Grenzbereich der numerischenStabilität der Gitter-Boltzmann-Methode.

Abbildung 3.23 zeigt, in qualitativer Übereinstimmung mit Referenz [43],die Verschiebung der Grenzfläche als Wurzelfunktion der Zeit. Da zwischen denPhasen eine Dichtedifferenz besteht, muss hier eine andere Form der Lucas-Washburn-Gleichung zum Vergleich herangezogen werden. Ihre semi-analytischeLösung wird in [43] beschrieben. Dort zeigt sich, das der hier erreichte Dichte-kontrast von ρl/ρg = 14, ebenso wie die Kanalbreite von d = 31 GE für einequantitative Übereinstimmung mit der Theorie nicht ausreichend sind. Ohnehinsollen die hier durchgeführten Simulationen lediglich einer ersten Untersuchungdes Geschwindigkeitsfeldes dienen.

Abbildung 3.24 zeigt die qualitative Gestalt des Geschwindigkeitsfeldes an derGrenzfläche. Die lokale Geschwindigkeit in der Grenzschicht ist ihrer insgesam-ten Bewegung entgegengerichtet. Dieser Effekt ist Folge eines in der Grenzre-gion herrschenden ständigen Wechselspiels von Kondensation und Verdunstung.Dabei ist die Geschwindigkeit im Bereich der Grenzfläche etwa zwei Größenord-nungen (!) höher als im grenzfernen Bereich der Strömung. Wie auch für die

Page 80: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

76 Ergebnisse

Pos

itio

nder

Gre

nzs

chic

ht

z(t)

Zeit t

Abbildung 3.23: Verschiebung der Grenzschicht. in einem Kanal der Breite d = 30charakterisiert durch die Isofläche ρ = ρmax−ρmin/2 = 0, 9. Simulation mit demSCMP-SRT-Modell mit einer Kopplung von gαα = 0, 14. Der Dichtekontrastzwischen flüssig- und gasphase ρl/ρg beträgt hier etwa 14, der Kontaktwinkelθ ≈ 82. Vor Einbringen der Wandkomponente nach 15000 ZS sind Oszillationender Grenzflächenposition zu erkennen. Diese sind durch Schwierigkeiten bei derInitialisierung bedingt (siehe Text).

Page 81: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.3 Das Lucas-Washburn-Gesetz 77

0,0 0,035 0,07 0,105 0,14

z-Ach

se

x-Achse

Geschwindigkeit |u|

Abbildung 3.24: Geschwindigkeitsverteilung an der Grenzfläche. Gemessen in ei-nem SCMP-SRT-System einer Breite von 31 GE nach 45000 ZS. Der Dichte-kontrast zwischen Flüssig- und Gasphase ρl/ρg beträgt hier etwa 14. Es ist eineRückströmung in den Bereich höherer Dichte zu beobachten. Ferner exisitierenunmittelbar vor der Grenze Bereiche rotierendender, unphysikalischer Strömun-gen. Zur Gestalt der Profile in einzelnen Ebenen siehe auch Abb. 3.25.

Page 82: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

78 Ergebnisse

direkt abstossende Wechselwirkung im Mehrkomponentensystem, sind in Wand-nähe höhere Geschwindigkeiten normal zur Wand auszumachen. Diese sind be-dingt durch die Haftrandbedingung in Kombination mit der Anziehung durch dieWand. Weiterhin ist zu erkennen, dass die Fließrichtung der Gasphase entgegender Fließrichtung der Flüssigkeitsphase gerichtet ist.

In der Nähe der Tripellinien vor der Grenzfläche sowie von der Kanalmitteausgehend hinter der Grenzfläche sind rotierende, unphysikalische Strömungenzu beobachten.

Aufgrund der geringen Benetzbarkeit der Wandkomponente ist die Krümmungder Grenzfläche deutlich geringer als in den im vorigen Abschnitt betrachtetenSystemen. Dies lässt sich auch den Graphen in Abbildung 3.25 entnehmen. Siezeigen das Profil der Geschwindigkeit u über der x-Achse für verschiedene z-Werte. Da in einem einkomponentigen System der Ordnungsparameter φ nichtdefiniert ist, wurde die Grenzfläche durch die Dichte ρGF = (ρmax − ρmin)/2definiert. Diese Phasengrenze liegt in der Kanalmitte bei z = 692 bereits inder Ebene einen Gitterpunkt in Fließrichtung liegen die Maxima des Betrags derGeschwindigkeit nur noch etwa 6 GE von der Wand entfernt.

An der Wand ist hier starker Schlupf zu beobachten, die Größenordnung derGeschwindigkeit liegt hier im Bereich des Maximums der Geschwindigkeit imMehrkomponentensystem. Die hohen Geschwindigkeiten im Bereich der Grenz-fläche setzen sich dabei nur wenig in das System fort. Nur 5 GE hinter demPhasenübergangsbereich bei z = 697 ist der Betrag der Geschwindigkeit umzwei Größenordnungen geringer. Im Wandnähe stimmt das Profil bereits mitdem des im grenzfernen Bereich gemessenen Poiseuille-Fluß (bei z = 600) nahe-zu überein. Im Bereich der Gasphase ist bei z = 800 noch eine Rückströmung zuerkennen, welche durch die anziehende Wechselwirkung mit dem Bereich hoherDichte getrieben wird.

Page 83: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.3 Das Lucas-Washburn-Gesetz 79

Ges

chw

indig

keit

u

x-Achse

z = 600

z = 687

z = 692

z = 693

z = 697

z = 800

Ges

chw

indig

keit

u

x-Achse

z = 600

z = 687

z = 697

z = 800

Abbildung 3.25: Geschwindigkeitsprofile für x-Schnitte an verschiedenenen z-Punkten nach 47000 ZS. Simulationsdaten für die Parameter Pseudowanddichteηwall = 0, 9, Wandabstand d = 30 und Kopplung gαα = 0.14. Der Tiefpunktder Grenzfläche befindet sich bei z = 692. z = 697 zeigt den Übergang zumPoiseuille-Fluss. Dieser ist fern der Grenzfläche in der dichteren Phase ausgebil-det (z = 800). Im Bereich vor der Grenzfläche, bei z = 600, 687 ist ein Rückflussder verdünnten Phase zu beobachten.Unten: Reskalierter Ausschnitt.

Page 84: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

80 Ergebnisse

3.3.5 Diskussion der Ergebnisse

Die Dynamik einer durch Benetzung getriebenen Strömung in einem pseudozwei-dimensionalen Mehrkomponentensystem wurde simuliert und die Ergebnisse miteiner erweiterten Lucas-Washburn-Gleichung verglichen. Die Oberflächenspan-nung γAB diente, aufgrund der hohen Unsicherheit ihrer Bestimmung welchesich im vorigen Kapitel gezeigt hat, als freier Parameter der Gleichung.

Weitere Variablen sind für die Flüssigkeitskomponenten A und B Dichte ρund kinematische Viskosität ν, für die Randbedingungen Kanalhöhe d und -längel. Kopplungsparameter gαα und Benetzungsparameter ηwall wirken dagegen nurindirekt über den Kontaktwinkel θ und die Oberflächenspannung γAB.

Der Kontaktwinkel wurde unmittelbar in den simulierten Systemen geome-trisch bestimmt. Hier zeigt sich, dass durch inertiale Effekte die Grenzflächevon einem Kreisabschnitt abweicht und ein dynamischer Kontaktwinkel auftritt,welcher aperiodisch zum statischen Kontaktwinkel übergeht. Die Dauer des Ab-schwingens hängt dabei von der Kanalbreite ab und nimmt mit ihr exponentiellzu. Bei einer Kanalbreite von d = 14 GE beträgt sie etwa 200 ZS, bei einerKanalbreite von d = 254 GE ist sie > 40000 ZS. Effekt der finiten Systemgrößeist eine Oszillation um den Grenzwert des Kontaktwinkels, deren Amplitude mitabnehmender Kanalbreite zunimmt.

Auch der statische Kontaktwinkel ist dabei von der Kanalbreite abhängig, hierkonnte allerdings keine Gesetzmässigkeit gefunden werden.

Für Kanalbreiten von d = 14 GE bis d = 126 GE wurden Systeme mit,bis auf geringe Oszillation, konvergierten Kontaktwinkeln mit der Theorie ver-glichen. Die Lucas-Washburn-Gleichung in ihrer erweiterten Form konnte dabeigut reproduziert werden. Mit zunehmender Kanalbreite steigt auch die (End-)-Geschwindigkeit der Grenzfläche. Gleichzeitig spielen aber auch inertiale Effekteder viskosen Reibung eine größere Rolle, so dass die Anfangsgeschwindigkeit fürSysteme mit d ≥ 126 GE zunächst deutlich abnimmt.

Neben diesem auch in der Theorie modellierten inertialen Effekt existiert hiernoch ein weiterer. Aufgrund der anfänglich unabhängigen Wechselwirkungen, diesich ausgehend von der Wand zur Kanalmitte ausbreiten, wird die Grenzflächezunächst gegen die Fließrichtung ausgelenkt. Dieses Phänomen wird durch dieTheorie nicht abgebildet und ist vermutlich nicht physikalischer Natur, sonderneben im Charakter des Simulationsmodells begründet. Durch eine Verminderungdes Kopplungsparameters gαα von 0, 14 auf 0, 12 kann die Güte der gefundenenÜbereinstimmung deutlich verbessert werden.

Die gefundenen Ergebnisse sind von einer Änderung der Flüssigkeitsdichtenbei gleichbleibendem Dichteverhältnis linear abhängig. Für eine Dichte von ρA =ρB = 1, 0 ist die Dämpfung der Shan-Chen-Wechselwirkung durch die effektiveMasse ψ also vernachlässigbar.

Page 85: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.3 Das Lucas-Washburn-Gesetz 81

Die Abhängigkeit von der Wandbenetzbarkeit ist wie zu erwarten, d.h. mitzunehmender Benetzbarkeit nimmt die Grenzflächengeschwindigkeit zu. Für diehöchste hier eingestellte Benetzbarkeit von ηwall = 0, 30 stellt sich mit der Kopp-lungsstärke gαα ein statischer Kontaktwinkel von θs ≈ 22 ein. Auch hier ist mitzunehmender Volumenkraftwechselwirkung eine stärkere negative Auslenkung iminertialen Bereich der Simulation zu beobachten.

Eine Untersuchung des Geschwindigkeitsfeldes zeigte eine in der Grenzschichtetwa viermal größere lokale Geschwindigkeit als im grenzfernen Bereich. Fernertraten hier aufgrund der abstossenden Wechselwirkungen der beteiligten Kompo-nenten sogar Strömungen entgegen der Fließrichtung auf. Die benetzende Eigen-schaft der Wand für die aufsteigende Komponente A wurde durch abstossendeWechselwirkung mit der rückweichenden Komponente B erreicht. Dies erzeug-te in der Grenzschicht der Komponente B zur Wand eine gegenüber der Strö-mungsgeschwindigkeit deutlich erhöhte Geschwindigkeitskomponente normal zurWand. Im Bereich der Tripellinie sind darüberhinaus rotierende, unphysikalischeStrömungen auszumachen.

Letzterer Effekt ist dabei durch die Diskretisierung, die übrigen durch die reinabstossend definierte Volumen-Shan-Chen-Kraft des Multikomponentensystemsbedingt. Um zu Überprüfen ob mit anziehenden Wechselwirkungen eine Verbes-serung dieser Artefakte erzielt werden kann und um einen Vergleich der Eignungdes MCSP-Modells mit anderen Modellen zu erhalten wurde der Simulationsauf-bau auf ein SCMP-Modell übertragen.

Bei der Schaffung geeigneter Anfangsbedingungen traten einige Probleme auf.Diese konnten bis auf eine longitudinale Oszillation um 5 GE der Phase hoherDichte ausgeräumt werden. Es wurde eine Simulation zur qualitativen Überprü-fung des Geschwindigkeitsfeldes durchgeführt. Es zeigte sich, dass an der Grenz-fläche ungleich höhere Geschwindigkeitsdifferenzen, ungefähr vom Faktor 100gegenüber dem grenzfernen Bereich auftreten. Auch ist die lokale Geschwindig-keit der Grenzschicht der Gesamtbewegung vollständig entgegengerichtet. Diesist auf die große Anziehung der verdünnten- durch die dichtere Phase zurückzu-führen. Durch diese wurde in einem Bereich von etwa 150 GE vor der Grenzfläheaußerdem eine Rückströmung mit einer Geschwindigkeit von der Größenordnungder Grenzflächengeschwindigkeit erzeugt. Dennoch war im grenzfernen Bereichhinter der Grenzfläche die Ausbildung einer Poiseuille-Strömung zu beobachten.Auch die Entwicklung der Grenzflächengeschwindigkeit stimmt qualitativ mit denErgebnissen der Referenz [44] überein.

Weiterhin traten hier im Vergleich zum mehrkomponentigen Modell vermehrtBereiche rotierender Strömungen, den sog. spurious currents (siehe auch Ab-schnitt 3.4) auf. Diese entstehen hier nicht nur im Bereich der Tripellinie, son-dern unmittelbar vor und hinter der Grenzfläche über die gesamte Kanalbreite.Ihre Untersuchung und die Implementierung eines Gitter-Boltzmann-Modells mit

Page 86: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

82 Ergebnisse

multiplen Relaxationszeiten, welches eine Reduktion der unphysikalischen Strö-mungen verspricht, sind Gegenstand des Abschnitts 3.4.

Der Mehrkomponentenansatz liefert somit, trotz der teilweise indirekt erzeug-ten Wechselwirkungen, deutlich geringer gestörte Ergebnisse.

Der Vergleich mit der Arbeit [18] erbrachte einige deutliche Unterschiede.So ist, wie Eingangs erwähnt der Kontaktwinkel nicht als freier Parameter beifester Oberflächenspannung geeignet. Eine vereinfachte Begründung liefert hierdie Laplace-Gleichung, mit einem Kreisbogen der Krümmung 1/R als Grenzliniesetzt sie die Oberflächenspannung explizit in Abhängigkeit von der Kanalbreite d.Zwar ist die Laplace-Gleichung ausdrücklich nur im Gleichgewicht gültig, jedocherschließt sich nicht, warum die Oberflächenspannung einer bewegten Grenzflä-che von der Kanalbreite unabhängig sein soll. Die in der Referenz angegebenenKontaktwinkel schwanken dabei in Abhängigkeit von der Kanalbreite zwischen0 und 45. Hier wurde hingegen für d = 14 GE der Kontaktwinkel zu θ ≈ 14,für d = 126 GE zu θ ≈ 22 bestimmt. Nach Wahl der OberflächenspannungγAB als freiem Parameter, die ebenso durch die wesentlich größere Unsicherheitin der Bestimmung von γAB begründet werden kann, konnte dabei auch für diegeringe Kanalbreite d = 14 GE gute Übereinstimmung mit der Theorie gefundenwerden. Ferner ist die in [18] angegebene Korrektur des Kontaktwinkels für großeKapillarzahlen aufgrund der Einbeziehung der viskosen Reibung in die erweiterteLucas-Washburn-Gleichung unnötig.

Die Reproduktion des Lucas-Washburn-Gesetzes mit der Oberflächenspan-nung als nur einem freien physikalischen Parameter war unter Verwendung desSC-MCSP-Modell mit guter bis sehr guter Übereinstimmung möglich.

Page 87: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.4 Multiple Relaxationszeiten und unphysikalische Strömungen 83

3.4 Multiple Relaxationszeiten und unphysi-

kalische Strömungen

Sowohl bei der Untersuchung des MCSP-SC-LBGK-, als auch des SCMP-SC-LBGK-Modells wurden sogenannte unphysikalische Strömungen beobachtet. Ne-ben der höheren numerischen Stabilität verspricht ein Modell mit multiplen Re-laxationszeiten auch eine Verbesserung in Hinblick auf dieses Phänomen. Daherwurde ein am Institut implementiertes Modell mit multiplen Relaxationszeitenum Shan-Chen-Kräfte auf ein SCMP-MRT-Modell erweitert. Dabei wurden, umdie Auswirkung der multiplen Relaxationszeiten auf die Simulationsergebnisse zuuntersuchen, zunächst einfache freie Tropfen untersucht. Zur weiteren Evalua-tion des SCMP-MRT-Modells wurde dann die in Abschnitt 3.3.4 durchgeführ-te Simulation zum Lucas-Washburn-Gesetz unter gleichen Anfangsbedingungenwiederholt.

Wiederum stellte sich das Problem geeignete Anfangsbedingungen zu finden.Für die Lucas-Washburn-Simulation wurde trotz der Einschränkung der Oszilla-tionen die bisherige Vorgehensweise übernommen.

Bei der direkten Initialisierung der Tropfen traten mit dem MRT-Modell al-lerdings Schwierigkeiten mit der numerischen Stabilität auf. Ein Umstand dergerade hier nicht erwartet wurde (s. Abschnitte 2.3.2). Für Erklärungsansätzehierzu sei auf Abschnitt 3.4.3 verwiesen.

Die Tropfen wurden daher durch Kondensation erzeugt. Hierzu wurde eindreidimensionales System einer Kantenlänge von 64 GE mit einer geringfügignormalverteilt gestörten mittleren Dichte von ρ = 0, 7 und einer Kopplung vongαα = 0, 14 initialisiert. Die Wahl der Parameter war hier für beide Modelleidentisch.

In dem System kondensiert ein Tropfen vom Radius R ≈ 16 GE, welchersich nach etwa 20000 ZS im Gleichgewichtszustand befindet. Der Quotient vonMaximal- und Minimaldichte beträgt dabei im LBGK-Modell etwa 14, im MRT-LBE etwa 13.

3.4.1 Beobachtungen an freien Tropfen

Die Abbildungen 3.26 und 3.27 zeigen das Geschwindigkeitsfeld eines zentralenSchnittes durch die im SCMP-SC-LBGK-, bzw. SCMP-SC-MRT-Modell entstan-denen Tropfen. An der Grenzschicht finden sich Geschwindigkeitsbeträge, welcheübereinstimmend für beide Modelle etwa um den Faktor 100 über denen desgrenzfernen Bereiches liegen. Die Geschwindigkeiten liegen dabei tangetial zurTropfenoberfläche, zeigen also aus der Papierebene hinaus bzw. hinein. In denBereichen zwischen den Hauptachsen der Ebene sind spurious currents erkennbar.

Page 88: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

84 Ergebnisse

Die sie treibenden Strömungen liegen in den Hauptachsen. Die Geschwindigkeits-felder der beiden Simulationsmodelle stimmen weitgehend überein, der maximaleBetrag der Geschwindigkeiten in der SCMP-MRT-Simulation ist sogar um etwa0, 02GE

ZS höher. In dieser Form ist also das SCMP-MRT-Modell nicht dazu geeig-net die unphysikalischen Strömungen zu reduzieren. Ihr Geschwindigkeitsbetragwird gar noch erhöht.

0,0 0,035 0,07 0,105 0,14

z-Ach

se

x-Achse

Geschwindigkeit |u|

Abbildung 3.26: Illustration der spurious currents. Dargestellt sind die Geschwin-digkeitsvektoren in einer zentralen Ebene eines Tropfens des Volumens V ≈ 363

Gitterpunkten nach 20000 ZS. Die Simulation erfolgte mit dem SCMP-SRT-Modell mit einer Kopplung von gαα = 0, 14. Die Vektorkomponenten wurdenmit dem Programm gnuplot um den Faktor 100 skaliert.

Page 89: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.4 Multiple Relaxationszeiten und unphysikalische Strömungen 85

0,0 0,035 0,07 0,105 0,14

z-Ach

se

x-Achse

Geschwindigkeit |u|

Abbildung 3.27: Illustration der spurious currents. Dargestellt sind die Geschwin-digkeitsvektoren in einer zentralen Ebene eines Tropfens des Volumens V ≈ 363

Gitterpunkten nach 20000 ZS. Die Simulation erfolgte mit dem SCMP-MRT-Modell mit einer Kopplung von gαα = 0, 14. Die Vektorkomponenten wurdenmit dem Programm gnuplot um den Faktor 100 skaliert.

Page 90: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

86 Ergebnisse

3.4.2 Lucas-Washburn-Gesetz und SCMP-MRT-Modell

Die qualitative Gestalt der meisten Größen ist auch hier nur wenig von den Be-obachtungen im SCMP-SRT-Modell verschieden. Analog zur Vorgehensweise inAbschnitt 3.3.3 wurden zunächst durch eine Simulation des Systems ohne WandMinimal- und Maximaldichte bestimmt. Mit den so gefundenen Werten wur-de das System mit scharfen Grenzen initialisiert. Die Ausbildung eines stabilenDichtegradienten an den Grenzflächen benötigte zunächst etwa 17000 ZS. Füreinen Kopplungsparameter von gαα = 0, 14 beträgt der Dichtekontrast zwischenFlüssig- und Gasphase ρl/ρg etwa 13. Dabei trat auch hier wieder die longitudi-nale Schwingung der Grenzflächen um etwa 5 GE auf (siehe Abbildung 3.28). ImAnschluß wurde eine Wand mit Benetzungsparameter ηwall = 0, 9 einem Kontakt-winkel von θ ≈ 82 etnsprechend, in das System eingebracht und die Simulationder kapillaren Füllung über weitere 33000 ZS durchgeführt. Die beobachtete Ver-schiebung der Grenzfläche ist in Abbildung 3.29 dargestellt. Auch hier zeigt sichqualitativ die in den Arbeiten zu 2D-SCMP-SC-Systemen [43] gefundene Gestalt.

Der Betrag der lokalen Geschwindigkeit in der Grenzschicht ist im SCMP-MRT-Modell auch hier geringfügig höher als im SCMP-SRT-Modell, wie einVergleich der Abbildungen 3.29 und 3.24, sowie 3.30 und 3.25 zeigt. Der Effektder Rückströmung im Bereich der verdünnten Phase vor der Grenzfläche trittauf (Abb. 3.30 unten), ebenso wie rotierende Strömungen im Bereich hinter derGrenzschicht. Ein interessanter Unterschied ist jedoch der höhere Gradient desGeschwindigkeitsprofils (vgl. Abbildungen 3.25 3.30).

3.4.3 Diskussion der Ergebnisse

Ein Vergleich der SCMP-Modelle mit einfachen und multiplen Relaxationszeitenergab keine Reduktion der spurious currents. Entgegen den Erwartungen traten imSystem mit multiplen Relaxationszeiten sogar höhere Geschwindigkeiten an denGrenzflächen auf. Dieses Ergebnis könnte durch verschiedene Zusammenhängeerklärbar sein:

• Die hier verwendeten Werte der Relaxationszeiten wurden für ein einpha-siges Modell durch lineare Stabilitätsanalyse gewonnen [76]. Hier kann un-ter Umständen die Anwendung der Shan-Chen-Kraft deutlich abweichendeWerte bedingen. Dieser Sachverhalt ist noch zu untersuchen.

• Die erste Analyse zu unphysikalischen Strömungen [81] stellte einen Zu-sammenhang dieses Phänomens mit der Ordnung der Näherung der Gleich-gewichtsverteilung her. Tatsächlich ist die Gleichgewichtsverteilung derLBGK-Simulationen von dritter, die der MRT-Implementierung lediglichvon zweiter Ordnung. Jedoch konnte auch eine Reduktion der Ordnung

Page 91: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.4 Multiple Relaxationszeiten und unphysikalische Strömungen 87Pos

itio

nder

Gre

nzs

chic

ht

z(t)

Zeit t

Abbildung 3.28: Verschiebung der Grenzschicht. in einem Kanal der Breite d = 30GE charakterisiert durch die Isofläche ρ = (ρmax − ρmin)/2 = 0, 9. Simulationmit dem SCMP-MRT-Modell mit einer Kopplung von gαα = 0, 14. Der Dichte-kontrast zwischen Flüssig- und Gasphase ρl/ρg beträgt hier etwa 13, der Kon-taktwinkel θ ≈ 82.

der Näherung der Gleichgewichtsverteilung für die Simulation eines Trop-fens keine signifikanten Vorteile der MRT-Implementierung belegen.

• Da die Tropfen durch Kondensation hergestellt wurden, könnte durch indiesem Prozess auftretende, kurzfristig hohe Geschwindigkeiten ein akusti-scher Effekt auftreten. Diese Rayleigh-Strömung [20] kann auch bei gerin-gen Reynoldszahlen zu quasistationären rotierenden Strömungen führen.Da dieser Effekt allerdings auch für oszillierende Tropfen auftritt, ein Phä-nomen unter dem ja gerade die direkte initialisierung des Mehrphasenmo-dells gerade noch krankt, konnte dies nicht verifiziert werden. Allerdingssind die Änderungen- zumindest der Geschwindigkeitsbeträge, ja auch beiSimulation der kapillaren Füllung zu beobachten. Damit könnte dieser Ef-fekt hier lediglich stärkere unphysikalische Strömungen erzeugen als sie ineinem statisch initialisierten System auftreten würden, oder aber vorhan-dene verstärken.

Page 92: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

88 Ergebnisse

0,0 0,035 0,07 0,105 0,14

z-Ach

se

x-Achse

Geschwindigkeit |u|

Abbildung 3.29: Geschwindigkeitsverteilung an der Grenzfläche. Gemessen in ei-nem SCMP-MRT-System einer Breite von d = 30 GE nach 45000 ZS. DerDichtekontrast zwischen Flüssig- und Gasphase ρl/ρg beträgt hier etwa 13. Hiersind wie in Abb. 3.24 Rückströmungen und Drehungen zu beobachten.

• Wie auch für Näherungen der Gleichgewichtsverteilungen der OrdnungO > 2 könnte erst eine höhere Gittersymmetrie die theoretisch erwart-baren Vorteile der multiplen Relaxationszeiten entfalten [83]. Dies konntemit dem vorhandenen Programm nicht überprüft werden.

Die prinzipiell gute qualitative Übereinstimmung der gefundenen Simulations-ergebnisse kann, trotz der unerwartet hohen Störungen, als ein erster erfolgreicherTest der MRT-Implementierung gewertet werden.

Page 93: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

3.4 Multiple Relaxationszeiten und unphysikalische Strömungen 89

Ges

chw

indig

keit

u

x-Achse

z = 550

z = 643

z = 649

z = 650

z = 653

z = 900

Ges

chw

indig

keit

u

x-Achse

z = 550

z = 643

z = 850

Abbildung 3.30: Geschwindigkeitsverteilung an der Grenzfläche. Gemessen in ei-nem SCMP-MRT-System einer Breite von d = 30 GE nach 45000 ZS. Der Dich-tekontrast zwischen flüssig- und gasphase ρl/ρg beträgt hier etwa 13. Es ist eineRückströmung in den Bereich höherer Dichte zu beobachten. Ferner exisitierenunmittelbar vor der Grenze Bereiche rotierender unphysikalischer Strömungen.Zur Gestalt der Profile in einzelnen Ebenen siehe auch Abb. 3.30.

Page 94: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

90 Ergebnisse

Page 95: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

Kapitel 4

Zusammenfassung und

Ausblick

Diese Arbeit einleitend wurden Grundlagen der Gitter-Boltzmann-Methode undmikrofluider Systeme, sowie eine Übersicht über deren Anwendungen erarbei-tet. Ziel war es ein Mehrkomponenten-Einphasen-Shan-Chen-Gitter-Boltzmann-Modell mit einfacher Relaxationszeit, wie es in dem Programm LB3D bereitsvorlag, für die Simulation von Systemen mit Mehrphasenströmungen im Bereichder Mikrofluidik zu evaluieren.

Durch die Reproduktion des Laplace-Gesetzes und Beobachtung des Entmi-schungsverhaltens konnte zunächst das physikalische Verhalten des Modells er-folgreich überprüft werden. Unter Verwendung einer Pseudowanddichte als Benet-zungsparameter war es möglich Tropfen auf einer Wandfläche mit Kontaktwinkelnvon 0 bis 180 zu simulieren. Verschiedene Methoden zur Kontakwinkelbestim-mung wurden verglichen. Hier stellte sich die direkte geometrische Messung alspräziseste heraus. Daher wurde mit dieser die Parameterabhängigkeit des Kon-taktwinkels vermessen. Eine analytische Berechnung des Kontaktwinkels konnteim zeitlichen Rahmen dieser Arbeit nicht abgeschlossen werden. Es exisitiert je-doch ein vielversprechender Ansatz, welcher künftig eine Bestimmung des Kon-taktwinkels a priori erlauben könnte. Auch die Untersuchung von dynamischenKontaktwinkeln, bedingt durch heterogene Benetzbarkeit, Oberflächenrauhigkeitoder Strömung ist für weitere Forschungen interessant.

Anhand der Simulation des kapillaren Füllens konnte ein einfaches dynami-sches Modellsystem der Mikrofluidik untersucht werden. Das Lucas-Washburn-Gesetz beschreibt hier die Geschwindigkeit der Grenzfläche einer, in einem ka-pillaren System aufsteigenden, Flüssigkeit. Bis auf geringe Abweichungen durcheinen unphysikalischen inertialen Effekt wurde, mit der Oberflächenspannung alsfreiem Parameter, sehr gute Übereinstimmung mit der Theorie erzielt. Die Un-tersuchung beschränkte sich hier, wegen des ohnehin großen Parameterraums,

Page 96: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

92 Zusammenfassung und Ausblick

auf zwei Komponenten gleicher Dichte und Viskosität. Die Evaluierung der Si-mulation von Systemen mit Dichte- und Viskositätsgradienten bietet sich damitals ein Gegenstand weiterer Forschung an.

Die Betrachtung des lokalen Geschwindigkeitsfeldes zeigte im Bereich derGrenzfläche unphysikalische Geschwindigkeiten, welche aus den rein repulsivenWechselwirkungen, sowie der Diskretisierung des Modells resultieren. Es wurdeüberprüft inwieweit diese Artefakte mit denen eines weniger rechenaufwändi-gen, Mehrphasen-Shan-Chen-Modells mit nur einer Komponente und attraktivenWechselwirkungen vergleichbar sind. Dazu wurde ein solches Modell in das Pro-gramm LB3D integriert und damit die Simulation des kapillaren Füllens wieder-holt. Wie sich zeigt sind in einem solchen System aufgrund ständiger Diffusionund Kondensation an der Grenzfläche die unphysikalischen Effekte gut eine Grö-ßenordnung höher.

Weiterhin wurde ein einkomponentiges Mehrphasen-Shan-Chen-Modell mitmehrfachen Relaxationszeiten implementiert. Neben höherer numerischer Stabi-lität wurde hier auch eine Reduktion der unphysikalischen Strömungen erwartet.Der Vergleich führte jedoch im Gegenteil zu einer geringfügigen Erhöhung derGeschwindigkeiten im Grenzbereich. Dieses ist sehr wahrscheinlich auf nicht op-timierte Relaxationszeiten zurückzuführen.

Von den hier betrachteten System konnten mit dem Mehrkomponenten-Einphasen-Shan-Chen-Gitter-Boltzmann-Modell die am geringsten gestörten Er-gebnisse erzielt werden. Eine Erweiterung des Modells auf mehrfache Relaxations-zeiten, mit, durch lineare Stabilitätsanalyse, optimierten Parametern, versprichteine weitere Verbesserung der Methode.

Auch die Verwendung separater Kopplungen für die Wandwechselwirkungenkann die Qualität der Ergebnisse unter Umständen verbessern. Dies muss jedochgegen die Zunahme der Komplexität mit der Einführung weiterer freier Parameterabgewägt werden.

Mit der Untersuchung komplexerer Systeme bietet sich schlielich ein weitesFeld zukünftiger Forschung. Nachdem das Lucas-Washburn-Gesetz gut reprodu-ziert werden konnte und von Lucas auch an Filtrierpapier überprüft wurde, bietetsich die Simulation von Mehrphasenströmungen in porösen Medien hier als einnächster Schritt an.

Page 97: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

Literaturverzeichnis

[1] Lattice Boltzmann model for simulating flows with multiple phases andcomponents, X. Shan and H. Chen, Phys. Rev. E 47, 1815 (1993).

[2] L. Boltzmann, Vorlesungen über Gastheorie (Akademische Druck-, u. Ver-lagsanstalt, Graz, 1981).

[3] F. Schwabl, Statistitsche Mechanik (Springer Berlin Heidelberg, 2006).

[4] S. Harris, An Introduction to the Theory of The Boltzmann Equation (Holt,Rinehart and Winston, inc., 1971).

[5] L. D. Landau and E. M. Lifshitz, Mechanics, Course of Theoretical PhysicsVol. I (Butterworth Heinemann, 1982).

[6] Begründung der kinetischen Gastheorie, D. Hilbert, Math. Ann. 72, 562(1912).

[7] On the kinetic theory of rarefied gases, H. Grad, Communications on Pureand Applied Mathmatics 2, 331 (1949).

[8] F. Kuypers, Klassische Mechanik (Wiley-VCH, 2003).

[9] S. Chapman and T. G. Cowling, The mathematical theory of non-uniformgases (Cambridge University Press, 1970).

[10] A model for collision processes in gases. i. small amplitude processes incharged and neutral one-component systems, P. L. Bhatnagar, E. P. Gross,and M. Krook, Phys. Rev. 94, 511 (1954).

[11] An essay on the cohesion of fluids, T. Young, Phil. Trans.: Phys. Sci. Eng.95, 65 (1805).

[12] J. S. Rowlinson and B. Widom, Molecular Theory of Capillarity (OxfordUniversity Press, 1982).

Page 98: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

94 LITERATURVERZEICHNIS

[13] A gas chromatographic air analyzer fabricated on a silicon wafer, S. C. Terry,J. H. Jerman, and J. B. Angell, Electron Devices, IEEE Transactions on 26,1880 (1979).

[14] Ink jet printing nozzle arrays etched in silicon, E. Bassous, H. H. Taub, andL. Kuhn, Applied Physics Letters 31, 135 (1977).

[15] Microfluidic fuel cell based on laminar flow, E. R. Choban, L. J. Markoski,A. Wieckowski, and P. J. A. Kenis, Journal of Power Sources 128, 54(2004).

[16] Integrated microfluidic devices, D. Erickson and D. Li, Analytica ChimicaActa 507, 11 (2004).

[17] Wetting: statics and dynamics, P. G. de Gennes, Rev. Mod. Phys. 57, 827(1985).

[18] Capillary filling using lattice Boltzmann equations: the case of multi-component fluids, S. Chibbaro, L. Biferale, F. Diotallevi, and S. Succi,(2008), http://www.citebase.org/abstract?id=oai:arXiv.org:0801.4225.

[19] A study of the advancing interface. I. interface shape in liquid—gas systems,R. Hoffman, J. Colloid Int. Sci. 50, 228 (1975).

[20] Microfluidics: Fluid physics at the nanoliter scale, T. Squires, Rev. Mod.Phys. 77 (2005).

[21] Transport phenomena in nanofluidics, R. B. Schoch, J. Han, and P. Renaud,Rev. Mod. Phys. 80, 839 (2008).

[22] P.-G. de Gennes, F. Brochard-Wyart, and D. Quéré, Capillarity and WettingPhenomena (Springer Science+Business Media LLC, 2004).

[23] G. Karniadakis, A. Beskok, and N. Aluru, Microflows and Nanoflows (Sprin-ger Science+Business Media Inc., 2000).

[24] Surface roughness and contact angle., R. N. Wenzel, J. Phys. Chem. 53,1466 (1949).

[25] Wettability of porous surfaces, A. B. D. Cassie, Transactions of the FaradaySociety 40, 546 (1944).

[26] Slip flow over structured surfaces with entrapped microbubbles, J. Hyväluo-ma and J. Harting, Phys. Rev. Lett. 100, 246001 (2008).

Page 99: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

LITERATURVERZEICHNIS 95

[27] Contact angle hysteresis on regular pillar-like hydrophobic surfaces, K.-Y.Yeh, Langmuir 24, 245 (2008).

[28] Condensation and wetting transitions on microstructured ultrahydrophobicsurfaces, C. Dorrer, Langmuir 23, 3820 (2007).

[29] Multiple time scale dynamics in the breakdown of superhydrophobicity,C. Pirat, Europhys. Lett. 81, 66002 (2008).

[30] The collapse transition on superhydrophobic surfaces, H. Kusumaatmaja,Europhys. Lett. 81, 36003 (2008).

[31] A microscopic view on contact angle selection, J. H. Snoeijer and B. An-dreotti, (2008),http://www.citebase.org/abstract?id=oai:arXiv.org:0801.4464.

[32] Nanonails: A simple geometrical approach to electrically tunable superly-ophobic surfaces, A. Ahuja, Langmuir 24, 9 (2008).

[33] Conformal mapping on rough boundaries.mi. applications to harmonic pro-blems, D. Vandembroucq, Phys. Rev. E 55, 6171 (1997).

[34] From hygrophilic to superhygrophobic: Theoretical conditions for makinghigh-contact-angle surfaces from low-contact-angle materials, A. Marmur,Langmuir 24, 7573 (2008).

[35] Progess in superhydrophobic surface development, P. Roach, Soft Matter4, 224 (2008).

[36] Nanofluidics in the Debye layer at hydrophilic and hydrophobic surfaces,C. I. Bouzigues, Phys. Rev. Lett. 101, 114503 (2008).

[37] Roughness induced apparent boundary slip in microchannel flows, C. Kunertand J. Harting, Phys. Rev. Lett. 99, 176001 (2007).

[38] Über das Zeitgesetz des kapillaren Aufstiegs von Flüssigkeiten, R. Lucas,Kolloid-Z. 23, 15 (1918).

[39] The dynamics of capillary flow, E. W. Washburn, Phys. Rev. 17, 273 (1921).

[40] The marching velocity of the capillary meniscus in a microchannel, L.-J.Yang, Journal of Micromechanics and Microengineering 14, 220 (2004).

[41] Rheology of liquids in nanopores: A study on the capillary rise of water, n-hexadecane and n-tetracosane in mesoporous silica, P. Huber, The EuropeanPhysical Journal Special Topics 141, 101 (2007).

Page 100: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

96 LITERATURVERZEICHNIS

[42] Capillary rise in nanopores: Molecular dynamics evidence for the lucas-washburn equation, D. I. Dimitrov, A. Milchev, and K. Binder, PhysicalReview Letters 99, 054501 (2007).

[43] Capillary filling using lattice Boltzmann equations: the case of multi-phaseflows, F. Diotallevi et al., (2007),http://www.citebase.org/abstract?id=oai:arXiv.org:0707.0945.

[44] Lattice Boltzmann simulations of capillary filling: finite vapour density ef-fects, F. Diotallevi et al., (2008),http://www.citebase.org/abstract?id=oai:arXiv.org:0801.4223.

[45] Inertial capillarity, D. Quéré, Europhys. Lett. 39, 533 (1997).

[46] The rate of capillary penetration and the applicability of the washburn equa-tion, J. Szekely, A. W. Neumann, and Y. K. Chuang, J. Colloid Int. Sci.35, 273 (1971).

[47] Overview of the lattice Boltzmann method for nano- and microscale fluiddynamics in materials science and engineering, D. Raabe, Modelling Simul.Mater. Sci. Eng. 12, (2004).

[48] Direct simulation monte carlo: Recent advances and applications, E. Oran,Annu. Rev. Fluid Mech. 30, 403 (1998).

[49] Simulating microscopic hydrodynamic phenomena with dissipative particledynamics, P. J. Hoogerbrugge, Europhys. Lett. 19, 155 (1992).

[50] Lattice-gas automata for the Navier-Stokes equation, U. Frisch, B. Hassla-cher, and Y. Pomeau, Phys. Rev. Lett. 56, 1505 (1986).

[51] G. D. Doolen, U. Frisch, B. Hasslacher, S. Orszag, and S. Wolfram, editors,Lattice Gas Methods for Partial Differential Equations, Proceedings in theSanta Fe Institute Studies in the Science of Complexity Vol. IV (Addison-Wesley Publishing Company, 1990).

[52] A. Clouqueur and D. d’Humiéres, Lattice gas methods for partial differentialequations, in Santa Fe Institute Studies in the Science of Complexity, editedby G. D. Doolen, U. Frisch, B. Hasslacher, S. Orszag, and S. Wolfram, ,Santa Fe Institute Studies in the Science of Complexity Vol. IV, Addison-Wesley Publishing Company, 1990.

[53] Immiscible cellular-automaton fluids, D. H. Rothman and J. M. Keller, J.Stat. Phys. 52, 1119 (1988).

Page 101: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

LITERATURVERZEICHNIS 97

[54] Lattice Boltzmann method for fluid flows, S. Chen and G. D. Doolen, Annu.Rev. Fluid Mech. 30, 329 (1998).

[55] Use of the Boltzmann equation to simulate lattice-gas automata, G. R.McNamara and G. Zanetti, Phys. Rev. Lett. 61, 2332 (1988).

[56] Theory of the lattice Boltzmann method: Acoustic and thermal propertiesin two and three dimensions, P. Lallemand and L.-S. Luo, Phys. Rev. E 68,036706 (2003).

[57] Modeling of urban traffic networks with lattice Boltzmann model, J.-P.Meng, Y.-H. Qian, and S.-Q. Dai, Europhys. Lett. 81, 44003 (2008).

[58] Lattice Boltzmann model for traffic flow, J. Meng, Y. Qian, X. Li, andS. Dai, Phys. Rev. E 77, 036108 (2008).

[59] S. Succi, The Lattice Boltzmann Equation for Fluid Dynamics and Beyond(Oxford University Press, 2001).

[60] D. Hänel, Molekulare Gasdynamik (Springer-Verlag Berlin Heidelberg,2004).

[61] J. Chin et al., LB3D V5.0: A Parallel Implementation of the Lattice-Boltzmann Method for Simulation of Interacting Amphiphilic Fluids, 2007.

[62] Multicomponent lattice Boltzmann model with interparticle interaction,X. Shan and G. Doolen, J. Stat. Phys. 81, 379 (1995).

[63] Lattice Boltzmann simulations of liquid-gas and binary fluid systems, M. R.Swift, E. Orlandini, W. R. Osborn, and J. M. Yeomans, Phys. Rev. E 54,5041 (1996).

[64] Lattice Boltzmann model of immiscible fluids, A. K. Gunstensen, D. H.Rothman, S. Zaleski, and G. Zanetti, Phys. Rev. A 43, 4320 (1991).

[65] Boltzmann approach to lattice gas simulations, F. J. Higuera and J. Jiménez,Europhys. Lett. 9, 663 (1989).

[66] Diffusion properties of gradient-based lattice Boltzmann models of immis-cible fluids, M. Latva-Kokko and D. H. Rothman, Phys. Rev. E 71, 056702(2005).

[67] Static contact angle in lattice Boltzmann models of immiscible fluids,M. Latva-Kokko and D. H. Rothman, Phys. Rev. E 72, 046701 (2005).

Page 102: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

98 LITERATURVERZEICHNIS

[68] Scaling of dynamic contact angles in a lattice-Boltzmann model, M. Latva-Kokko and D. H. Rothman, Phys. Rev. Lett. 98, 254503 (2007).

[69] A lattice Boltzmann model for multiphase fluid flows, D. Grunau, S. Chen,and K. Eggert, Phys. Fluids A 5, 2557 (1993).

[70] Lattice BGK models for Navier-Stokes equation, Y. H. Qian, D. d’Humieres,and P. Lallemand, Europhys. Lett. 17, 479 (1992).

[71] Multi-component lattice Boltzmann equation for mesoscale blood flow,M. M. Dupin, J. Phys. C. 36, 8517 (2003).

[72] Simulation of nonideal gases and liquid-gas phase transitions by the latticeBoltzmann equation, X. Shan and H. Chen, Phys. Rev. E 49, 2941 (1994).

[73] M. C. Sukop and D. T. Thorne, Lattice Boltzmann Modelling - An intro-duction for geoscientists and engineers (Springer Berlin Heidelberg, 2007).

[74] A ternary lattice Boltzmann model for amphiphilic fluids, H. Chen, B. M.Boghosian, P. V. Coveney, and M. Nekovee, Proc. R. Soc. Lond. A 456,2043 (2000).

[75] Bulk viscosity of liquids, N. Hirai, Journal of Applied Physics 29, 810 (1958).

[76] Multiple-relaxation-time lattice Boltzmann models in three dimensions.,D. D’Humières, I. Ginzburg, M. Krafczyk, P. Lallemand, and L.-S. Luo,Phil. Trans. R. Soc. Lond. A 360, 437 (2002).

[77] Fraunhofer Institut Grenzflächen und Bioverfahrenstechnik, Grenflächen-technik, 2001,http://www.igb.fraunhofer.de/WWW/GF//GrenzflMem/gf-physik/dt/GFphys-KontWinkel-Obfl.html.

[78] Proposed approximation for contact angles in Shan-and-Chen-type multi-component multiphase lattice Boltzmann models, H. Huang, T. Thorne,M. G. Schaap, and M. C. Sukop, Phys. Rev. E 76, 066701.

[79] Mesoscopic modelling of a two-phase flow in the presence of boundaries: Thecontact angle, R. Benzi, L. Biferale, M. Sbragaglia, S. Succi, and F. Toschi,Phys. Rev. E 74, 021509.

[80] Coarsening dynamics of ternary amphiphilic fluids and the self-assemblyof the gyroid and sponge mesophases: lattice-Boltzmann simulations,N. González-Segredo and P. V. Coveney, Phys. Rev. E 69, 061501 (2004).

Page 103: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

LITERATURVERZEICHNIS 99

[81] Analysis and reduction of the spurious current in a class of multiphase latticeBoltzmann models, X. Shan, Phys. Rev. E 73, 047701 (2006).

[82] Lattice Boltzmann simulations of apparent slip in hydrophobic microchan-nels, J. Harting, C. Kunert, and H. J. Herrmann, Europhys. Lett. 75, 328(2006).

[83] Theory of the lattice Boltzmann method: Symmetry properties of discretevelocity sets, R. Rubinstein and L.-S. Luo, Phys. Rev. E 77, 036302 (2008).

Page 104: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

100 LITERATURVERZEICHNIS

Page 105: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

Danke

an Hartmut Bantelmann, Marta Bantelmann, Fabian Dörfler, Florian Doster,Jens Harting, Martin Hecht, Gregor Hehl, Jari Hyväluoma, Frank Huber, BadrKaoui, Christian Kunert, Florian Janoscheck, Frank Raischel, Aniruddha Sarkar,Jochen Schäfer, Wita Schmieschek, Christine Schoch, Scientific SupercomputingCenter (SSC Karlsruhe), Udo Seifert, David Sinz, John von Neumann-Institut fürComputing (NIC), Thomas Zauner und hier vergessene,für verschiedene Mengen von Anteilnahme, Diskussion, Freundlichkeit, Freund-schaft, Geduld, Geld, Hilfestellung, Motivation, Leben, Rechenzeit, Zeit, Zunei-gung und den ganzen Rest!

Page 106: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

102 LITERATURVERZEICHNIS

Page 107: Gitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in ...mtp.phys.tue.nl/publications/2008/Sch08/thesis.pdfGitter-Boltzmann-Simulation von Mehrphasenstr¨omungen in der Mikrofluidik

Erklärung

Hiermit erkläre ich die Arbeit selbständig verfaßt und keine anderen als die an-gegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt zu haben.

Stuttgart, den 21. Oktober 2009