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Genetischer Beratungsleitfaden
Beratung bei familiär gehäuftem oder Verdacht auf genetisch bedingten Brust- und Eierstockkrebs
Peter Dubsky, Sheila Unger, Stefan Aebi, Salome Riniker
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs2
ÆÆ Welche Erwartungen haben Sie an das Gespräch? ÆÆ Was sind Ihre konkreten Ziele für dieses Gespräch? ÆÆ Gibt es konkrete Fragestellungen, bei denen wir helfen können?
Motivation und Ziele
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs3
HintergrundÆÆ Familiäre Krebserkrankungen – erblich?ÆÆ Grundlagen der Genetik und der Vererbung
Erhebung des StammbaumesÆÆ Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Genveränderung?
Genetische TestungÆÆ Ablauf einer genetischen TestungÆÆ Gesetzliche Grundlagen
Persönliche Konsequenzen aus TestergebnissenÆÆ Mögliche TestergebnisseÆÆ Was tun bei erhöhtem Krebsrisiko?
Gesprächsinhalte
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs4
Brustkrebs ca. 5-10 % 1:20
Anteil erblich bedingter Brustkrebserkrankungen
Anteil erblich bedingter Eierstockkrebserkrankungen
Eierstockkrebs ca. 20 % 1:5
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs5
TP53 Li Fraumeni Syndrom
PTEN Cowden Syndrom
MLH1, MSH2, MSH6, PMS2 Lynch Syndrom (HNPCC)
STK11 Peutz-Jeghers-Syndrom
Ursachen für erblich bedingten Brustkrebs
70-80 % zufällig
BRCA1 und BRCA2
> 50 %
unbekannt
Weitere Gene
20-30 %*
5-20 % familiär
5-10 % erblich
* Beispiele für andere Gen veränderungen, welche zu erblich bedingten Krebserkrankungen führen:
CDH1 hereditäres Magenkarzinom
CHEK2 hereditäres Mamma- / Prostatakarzinom
ATM, PALB2 Mammakarzinome
RAD50, RAD51C, RAD51D Mamma- und Ovarialkarzinome
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Wann wird eine erbliche Ursache vermutet?
ÆÆ mehrere an Brustkrebs erkrankte Frauen (<50 Jahre) in einem Familienzweig
ÆÆ Vorkommen von Brustkrebs und Eierstockkrebs
ÆÆ junges Erkrankungsalter Brustkrebs <40 Jahre
ÆÆ beidseitiger Brustkrebs
ÆÆ spezielle Biologie (TNBC, medullär) ÆÆ Brustkrebs bei Männern
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs7
Grundlagen der Genetik
A
T
G
C
A
T
T
A
C
G
G
C
Chromosom GenZelle
Basenpaare DNA (Doppelstrang)
Kern
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs8
Gene als Bauanleitung für Proteine
A
A
GT
T T
TC A
AG G
C
C
Basenpaare / Nukleotide Zutaten
Gen Rezept
Eiweiss / Protein Kuchen
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs9
Folgen einer Genveränderung
A
A
GT
T T
T
C
A
A
C
Mutation MutationFalsche Zutat
GG
C
AC AA
A
GG
GT
T T
T
C
A
A
AC
Fehlende Zutat
G C
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs10
ÆÆ sind unter anderem für die Reparatur von DNA in Zellen zuständig ÆÆ fehlende Reparatur fördert die Entstehung von Krebs
BReast CAncer Gene 1 + 2
Chromosom 17Chromosom 13
BRCA2 Gen
BRCA1 Gen
1 2 3 4 5
6 7 8 9 10 11
12 13 14 15 16 17
18 19 20 21 22 Y X
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs11
ÆÆ selten!ÆÆ ca. 0,3 % der Bevölkerung in der Schweiz sind Träger einer BRCA1- oder BRCA2-MutationÆÆ 3 % der Ashkenazim Bevölkerung
Vorkommen von BRCA1- und BRCA2-Mutationen in der Bevölkerung
BRCA 1 1:500BRCA1 1:500 BRCA2 1:700
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Die BRCA1/2 Mutation vererbt sich mit einer 50% Wahrscheinlichkeit auf die nächste Generation
Verändertes Gen
Nicht verändertes Gen
Mutationsträger Mutationsträgerin
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Nicht verändertes Gen
Verändertes Gen
Die BRCA1/2 Mutation vererbt sich mit einer 50% Wahrscheinlichkeit auf die nächste Generation
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Stammbaum
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs15
ÆÆ Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass in meiner Familie eine genetische Veränderung vorliegt?
ÆÆ Ist eine genetische Abklärung aus ärztlicher Sicht angezeigt?
ÆÆ Würde die Krankenkasse die Kosten für eine genetische Abklärung übernehmen?
ÆÆ Wünsche ich eine genetische Abklärung?
Risikoberechnung – Testindikation?
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Lebenszeitrisiken für Krebserkrankungen bei Trägerinnen einer BRCA-Mutation
Brustkrebs bei der Frau
BRCA-Mutation
Brustkrebs bis 50 Jahre
BRCA-Mutation
Brustkrebs der GegenseiteBRCA-Mutation
Eierstockkrebs
BRCA-Mutation
BevölkerungBevölkerung
Bevölkerung
Bevölkerung
40 %
2%
12 %
60-80 % 20-40 %
60 %
11 %
ca.1 %
ÆÆ Das Risiko für Melanom oder Bauchspeicheldrüsenkrebs ist ebenfalls leicht erhöht
Referenzen: Kuchenbaecker et al. , JAMA 2017;317(23):2402-2416Schweizerischer Krebsbericht 2015
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Lebenszeitrisiken für Krebserkrankungen bei Trägern einer BRCA-Mutation
Brustkrebs beim MannBRCA-Mutation
Prostatakrebs
BRCA-Mutation *
BevölkerungBevölkerung
20 %
16 %0.05 %
8 %
ÆÆ Das Risiko für Melanom oder Bauchspeicheldrüsenkrebs ist ebenfalls leicht erhöht
Referenzen: Kuchenbaecker et al. , JAMA 2017;317(23):2402-2416Schweizerischer Krebsbericht 2015
* Die Anfälligkeit für Prostatakrebs kann sehr stark variieren je nach BRCA1 oder 2 Mutation und familiärer Vorgeschichte.
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Genetische Testung BRCA-Mutations-Analyse
Blutentnahme Gen-Analyse Resultatbesprechung im Rahmen
einer genetischen Beratung
ÆÆ Pflichtleistung der Krankenkasse, wenn die Schweizerischen Richtlinien für die genetische Abklärung erfüllt sind.ÆÆ Vor der Testung sollte eine Kostengutsprache bei der Krankenkasse eingeholt werden
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs19
Was bedeutet mein Testresultat?
Das Krebsrisiko richtet sich nach der persönlichen
Krankheitsgeschichte/Familiengeschichte
Das Krebsrisiko ist erhöht
Früherkennung und Vorbeugung sollte anhand des mutierten Gens
diskutiert werden
Früherkennung und Vorbeugung richtet sich nach der persönlichen
Krankheitsgeschichte/Familiengeschichte
Früherkennung und Vorbeugung richtet sich nach der persönlichen
Krankheitsgeschichte/Familiengeschichte
Das Krebsrisiko richtet sich nach der persönlichen
Krankheitsgeschichte/Familiengeschichte
Familienmitgliedersollten gezielt getestet werden
Familienmitgliedermüssen nicht getestet werden
Familienmitgliedermüssen nicht getestet werden
Eine Mutation wurde gefunden
Eine Veränderung mit unbekannter Bedeutung (VUS)
wurde gefunden
Keine Mutation wurde gefunden
â â â
âââ
â â â
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs20
Brustkrebs: Persönliches Krebsrisiko ist altersabhängig
Kre
bsri
siko
in %
Alter
Lebenszeitrisiko
BRCA1-MutationBrustkrebs ca. 70 %
BRCA2-MutationBrustkrebs ca. 70 %
Brustkrebs Gegenseiteca. 60 %
Durchschnittliches
Brustkrebsrisiko ca.12 %
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
020 30 40 50 60 70 80
Referenz: Kuchenbaecker et al. , JAMA 2017;317(23):2402-2416
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs21
Eierstockkrebs:Persönliches Krebsrisiko ist altersabhängig
Lebenszeitrisiko
BRCA1-MutationEierstockkrebs ca. 40 %
BRCA2-MutationEierstockkrebs ca. 20 %
Durchschnittliches
Eierstockkrebsrisiko <1 %
Kre
bsri
siko
in %
Alter
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
020 30 40 50 60 70 80
Referenz: Kuchenbaecker et al. , JAMA 2017;317(23):2402-2416
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs22
Massnahmen bei Vorliegen einer BRCA1- oder BRCA2-Mutation
Medikamente mit vorbeugender Wirkung
Spezielle Medikamente in der Krebstherapie
Früherkennung Gesunder Lebensstil
Vorbeugende Operationen
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs23
Brustkrebs: Früherkennung für BRCA1- und BRCA2-Mutationsträgerinnen
Selbstuntersuchung Klinische Untersuchung
alle 6 bis 12 Monate ab ca. 25 Jahren
MRI
jährlich, ab ca. 25 JahrenMammografie
jährlich, ab ca. 30 Jahren
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs24
Vorbeugende Operationen bei BRCA1– oder BRCA2-Mutation
ÆÆ Vorbeugende Entfernung des Brustgewebes ÆÆ Vorbeugende Entfernung der Eierstöcke und Eileiter
Vorbeugende Operation
5%1%
70% Brustkrebs
40% Eierstockkrebs
100
90
80
70
60
50
40
30
20
10
0
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs25
Möglichkeiten der Brustrekonstruktion
Rekonstruktion
mit Eigengewebe
Rekonstruktion
mit Silikon-Implantat
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs26
Eierstockkrebsrisiko bei BRCA1- oder BRCA2-Mutationsträgerinnen: Früherkennung und Vorbeugung
Entfernung
beider Eileiter und Eierstöcke
empfohlen ab ca. 40 Jahren,nach abgeschlossener Familienplanung
Früherkennung
Es gibt keine wirksame Methoden
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs27
ÆÆ Anti-hormonelle Therapien senken das Brustkrebsrisiko (Tamoxifen, Aromatasehemmer) – z.B bei nicht erkrankten Frauen (Vorbeugung) – z.B bei Frauen mit hormonabhängigem Brustkrebs (Senkung des Rückfallrisikos und Vorbeugung eines Zweitkarzinoms)
ÆÆ Nutzen und Risiko der anti-hormonellen Medikamente sind abhängig von der Art der Mutation und dem Alter. Auch eine vorangegangene Entfernung der Gebärmutter oder der Eierstöcke und begleitenden Erkrankungen spielen eine Rolle. Natürlich ist auch die individuelle Verträglichkeit zu berücksichtigen.
Brustkrebs: Vorbeugung mit Medikamenten
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs28
Bundesgesetz für genetische Untersuchungen beim Menschen GUMG
Art. 10 Genetische Untersuchungen bei Personen Genetische Untersuchungen dürfen bei Personen nur durchgeführt werden, wenn sie einem medizinischen Zweck dienen und das Selbstbestimmungsrecht nach Artikel 18 gewahrt wird.
Art. 14 Genetische Beratung im Allgemeinen Präsymptomatische und pränatale genetische Untersuchungen sowie Untersuchungen zur Familienplanung müssen vor und nach ihrer Durchführung von einer nichtdirektiven, fachkundigen genetischen Beratung begleitet sein. Das Beratungsgespräch ist zu dokumentieren.
Art. 26 Untersuchungsverbot Versicherungseinrichtungen dürfen als Voraussetzung für die Begründung eines Versicherungsverhältnisses weder präsymptomatische noch pränatale genetische Untersuchungen verlangen.
§
Leitfaden genetische Beratung bei erblich bedingtem Brust- und Eierstockkrebs29
Art. 27 Nachforschungsverbot Versicherungseinrichtungen dürfen von der antragstellenden Person bei folgenden Versicherungen weder die Offenlegung von Ergebnissen aus früheren präsymptomatischen oder pränatalen genetischen Untersuchungen oder Untersuchungen zur Familienplanung verlangen noch solche Ergebnisse verwerten:
a. Versicherungen, auf die das Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts ganz oder teilweise anwendbar ist; b. berufliche Vorsorge im obligatorischen und im überobligatorischen Bereich; c. Versicherungen betreffend die Lohnfortzahlungspflicht im Krankheitsfall oder bei Mutterschaft; d. Lebensversicherungen mit einer Versicherungssumme von höchstens 400 000 Franken; e. freiwillige Invaliditätsversicherungen mit einer Jahresrente von höchstens 40 000 Franken.
ÆÆ Krankenkassen-Zusatzversicherungen sind davon ausgenommen (Art. 28)
Impressum
Autorinnen / Autoren: PD Dr. med. Peter Dubsky, Brustzentrum Hirslanden Klinik St. Anna, Luzern
PD Dr. med. Sheila Unger, Medizinische Genetik, Centre Hospitalier Universitaire Vaudois, Lausanne
Prof. Dr. med. Stefan Aebi, Tumorzentrum, Luzerner Kantonsspital
Dr. med. Salome Riniker, Brustzentrum St. Gallen, Kantonsspital St. Gallen
Gestaltung / Illustrationen:Rahel Meyer, meyer-grafik.ch
Kontakt:SAKK
Effingerstrasse 33
CH-3008 Bern
Telefon +41 31 389 91 91
E-Mail: [email protected]
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