"freizeitforschung" – eine realität an Österreichs universitätskliniken

3
editorial 665 „Freizeitforschung“ – eine Realität an Österreichs Universitätskliniken wkw 21–22/2009 Wien Klin Wochenschr (2009) 121: 665–667 DOI 10.1007/s00508-009-1276-6 Printed in Austria © Springer-Verlag 2009 Wiener klinische Wochenschrift The Middle European Journal of Medicine „Freizeitforschung“ – eine Realität an Österreichs Universitätskliniken Der moderne Alltag in der Spitalsmedizin ist gekenn- zeichnet durch hohe Anforderungen in der Patienten- versorgung bei gleichzeitig zunehmender Vereinnah- mung durch Verwaltungsaufgaben. Darüber hinaus wird noch Engagement für auszubildende Kolleginnen und Kollegen erwartet. In akademisch orientierten Spi- tälern, wie z.B. Lehrkrankenhäusern, und vor allem in Universitätskliniken kommen zu diesem nicht gerade kleinen Aufgabenbereich noch die Forschung und stu- dentische Lehre hinzu. Im Sinne eines effizienten Ein- satzes der Ressourcen wäre zwar zu wünschen, dass die Verteilung der eigenen Arbeitszeit auf diese vielfältigen Aufgaben durch persönliche Neigung und Fähigkeiten beeinflusst werden kann, die Realität scheint jedoch eine andere zu sein. Hochwertige und den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechende Patientenversorgung wird als selbstver- ständlich vorausgesetzt. Die Karriere von Ärzten/innen an Universitätskliniken wird jedoch nicht durch klini- sche Leistung sondern fast ausschließlich anhand der wesentlich leichter zu messenden wissenschaftlichen Ergebnisse, sprich Publikationen und eingeworbene Drittmittel, bewertet. Der zeitliche Aufwand für Patien- tenversorgung und studentische Lehre sind durch äuße- re Faktoren vorgegeben und daher von der bzw. dem Einzelnen auch an Universitätskliniken kaum beein- flussbar. Als einzig zur Verfügung stehender Puffer bleibt somit die „Forschungszeit“. In dieser Konstellati- on sind eigentlich nur zwei Szenarien denkbar, entwe- der ein Verzicht auf jegliche wissenschaftliche Betäti- gung oder Forschung auf Kosten der Freizeit (also nach der klinischen Routine und an Wochenenden). Dies ist kein ausschließlich österreichisches Problem, und eine international festzustellende Abnahme des Interesses an der akademischen Medizin führte schließlich zur In- ternational Campaign to revitalize Academic Medicine, die von 40 internationalen medizinischen Journalen mitgetragen wurde [1]. Zumindest in Österreich dürfte diese Kampagne er- folglos verpufft sein, betrachtet man die Ergebnisse der Arbeit von Steger und Mitarbeitern in der aktuellen Aus- gabe der Wiener klinischen Wochenschrift [2]. In einer Querschnittsuntersuchung an Ärztinnen und Ärzten zweier Universitätskliniken wurde versucht, einen Zu- sammenhang zwischen Forschungsleistung – gemessen an Publikationen – und aufgebrachter Arbeitszeit pro Woche sowie deren Aufteilung auf die einzelnen Aufga- bengebiete herzustellen. Befragt wurde ein Kollektiv von angestellten Ärz- tinnen und Ärzten der Salzburger und Tiroler Landes- kliniken, die beide auch als Universitätskliniken mit medizinischen Universitäten assoziiert sind. Von den 590 beantworteten Fragebögen konnten ca. 70% ausge- wertet werden, so dass insgesamt 393 in die Analyse einflossen. Die Kolleginnen und Kollegen wurden nach Anzahl der Publikationen in drei Gruppen eingeteilt: Die Gruppe A mit 6 und mehr Publikationen, Gruppe B mit 1 bis 6 Publikationen und Gruppe C ohne Publikati- onen innerhalb von zwei Jahren. Insgesamt publizierten die Ärztinnen und Ärzte der Gruppe A ca. 11,5 Arbeiten/Jahr, verglichen zu 2,4 Arbei- ten in der Gruppe B. Nicht ganz unerwartet unterschied sich auch die wöchentliche Arbeitszeit in diesen drei Gruppen: Die wissenschaftlich aktivste Gruppe brachte es auf eine wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit von 73 Stunden, gefolgt von 62,8 Stunden der Gruppe B. Selbst die Gruppe C arbeitet immerhin „noch“ durch- schnittlich 58,5 Stunden pro Woche. Dies reflektiert ei- nerseits den allgemeinen Trend zu zunehmenden Pati- entenzahlen bei gleichzeitig verkürzter Liegedauer, was zu einer erhöhten Anzahl von behandelten Patienten pro Bett und pro Ärztin/Arzt führt. Andererseits reflek- tiert dies aber auch eine bedrohliche Fehlentwicklung an den österreichischen Universitätskliniken. Wie kürz- lich berichtet [3] werden in Österreich an den Universi- tätskliniken zwischen 130 und 210 Patienten pro Ärztin/ Arzt und Jahr betreut, das sind fast gleich viele wie an Schwerpunktkrankenhäusern ohne akademischen Auf- trag, wo durchschnittlich 235 Patienten pro Ärztin/Arzt pro Jahr behandelt werden. In Deutschland und der Schweiz sind es an den Universitätskliniken lediglich 60 bzw. 96 Patienten pro Ärztin/Arzt. Für den ambulan- ten Bereich liegen ähnliche Zahlen vor. Der Anteil der an Universitäten tätigen Kollegen und Kolleginnen be- trägt in Österreich 25,6/100.000 Einwohner, in Deutsch- land hingegen sind es immerhin 32/100000 Einwohner. Diese Zahlen reflektieren auch eine vermehrte Verwen- dung von Universitätsärzten/innen in Österreich pri- mär für die Routine. In der Studie von Steger und Mitarbeitern [2] brach- te es die Gruppe mit 6 und mehr Publikation auf immer- hin 73 Wochenstunden, 10% der Befragten gaben sogar über 80 Stunden Arbeitszeit pro Woche an. Erwartungs- gemäß wurde von diesen erhöhten Wochenarbeitszei- ten relativ gesehen mehr in die Forschung investiert, nämlich 13% im Vergleich zu lediglich 1,8% in der Grup- Korrespondenz: Prof. Dr. Michael Joannidis, Department of Internal Medicine, Medical Intensive Care Unit, Medical University of Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria, E-mail: [email protected]

Upload: michael-joannidis

Post on 14-Jul-2016

213 views

Category:

Documents


1 download

TRANSCRIPT

editorial

665„Freizeitforschung“ – eine Realität an Österreichs Universitätsklinikenwkw 21–22/2009

Wien Klin Wochenschr (2009) 121: 665–667DOI 10.1007/s00508-009-1276-6Printed in Austria© Springer-Verlag 2009

Wiener klinische WochenschriftThe Middle European Journal of Medicine

„Freizeitforschung“ – eine Realität an Österreichs Universitätskliniken

Der moderne Alltag in der Spitalsmedizin ist gekenn-zeichnet durch hohe Anforderungen in der Patienten-versorgung bei gleichzeitig zunehmender Vereinnah-mung durch Verwaltungsaufgaben. Darüber hinaus wird noch Engagement für auszubildende Kolleginnen und Kollegen erwartet. In akademisch orientierten Spi-tälern, wie z.B. Lehrkrankenhäusern, und vor allem in Universitätskliniken kommen zu diesem nicht gerade kleinen Aufgabenbereich noch die Forschung und stu-dentische Lehre hinzu. Im Sinne eines effizienten Ein-satzes der Ressourcen wäre zwar zu wünschen, dass die Verteilung der eigenen Arbeitszeit auf diese vielfältigen Aufgaben durch persönliche Neigung und Fähigkeiten beeinflusst werden kann, die Realität scheint jedoch eine andere zu sein.

Hochwertige und den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechende Patientenversorgung wird als selbstver-ständlich vorausgesetzt. Die Karriere von Ärzten/innen an Universitätskliniken wird jedoch nicht durch klini-sche Leistung sondern fast ausschließlich anhand der wesentlich leichter zu messenden wissenschaftlichen Ergebnisse, sprich Publikationen und eingeworbene Drittmittel, bewertet. Der zeitliche Aufwand für Patien-tenversorgung und studentische Lehre sind durch äuße-re Faktoren vorgegeben und daher von der bzw. dem Einzelnen auch an Universitätskliniken kaum beein-flussbar. Als einzig zur Verfügung stehender Puffer bleibt somit die „Forschungszeit“. In dieser Konstellati-on sind eigentlich nur zwei Szenarien denkbar, entwe-der ein Verzicht auf jegliche wissenschaftliche Betäti-gung oder Forschung auf Kosten der Freizeit (also nach der klinischen Routine und an Wochenenden). Dies ist kein ausschließlich österreichisches Problem, und eine international festzustellende Abnahme des Interesses an der akademischen Medizin führte schließlich zur In-ternational Campaign to revitalize Academic Medicine, die von 40 internationalen medizinischen Journalen mitgetragen wurde [1].

Zumindest in Österreich dürfte diese Kampagne er-folglos verpufft sein, betrachtet man die Ergebnisse der Arbeit von Steger und Mitarbeitern in der aktuellen Aus-gabe der Wiener klinischen Wochenschrift [2]. In einer Querschnittsuntersuchung an Ärztinnen und Ärzten zweier Universitätskliniken wurde versucht, einen Zu-sammenhang zwischen Forschungsleistung – gemessen an Publikationen – und aufgebrachter Arbeitszeit pro

Woche sowie deren Aufteilung auf die einzelnen Aufga-bengebiete herzustellen.

Befragt wurde ein Kollektiv von angestellten Ärz-tinnen und Ärzten der Salzburger und Tiroler Landes-kliniken, die beide auch als Universitätskliniken mit medizinischen Universitäten assoziiert sind. Von den 590 beantworteten Fragebögen konnten ca. 70% ausge-wertet werden, so dass insgesamt 393 in die Analyse einflossen. Die Kolleginnen und Kollegen wurden nach Anzahl der Publikationen in drei Gruppen eingeteilt: Die Gruppe A mit 6 und mehr Publikationen, Gruppe B mit 1 bis 6 Publikationen und Gruppe C ohne Publikati-onen innerhalb von zwei Jahren.

Insgesamt publizierten die Ärztinnen und Ärzte der Gruppe A ca. 11,5 Arbeiten/Jahr, verglichen zu 2,4 Arbei-ten in der Gruppe B. Nicht ganz unerwartet unterschied sich auch die wöchentliche Arbeitszeit in diesen drei Gruppen: Die wissenschaftlich aktivste Gruppe brachte es auf eine wöchentliche Durchschnittsarbeitszeit von 73 Stunden, gefolgt von 62,8 Stunden der Gruppe B. Selbst die Gruppe C arbeitet immerhin „noch“ durch-schnittlich 58,5 Stunden pro Woche. Dies reflektiert ei-nerseits den allgemeinen Trend zu zunehmenden Pati-entenzahlen bei gleichzeitig verkürzter Liegedauer, was zu einer erhöhten Anzahl von behandelten Patienten pro Bett und pro Ärztin/Arzt führt. Andererseits reflek-tiert dies aber auch eine bedrohliche Fehlentwicklung an den österreichischen Universitätskliniken. Wie kürz-lich berichtet [3] werden in Österreich an den Universi-tätskliniken zwischen 130 und 210 Patienten pro Ärztin/Arzt und Jahr betreut, das sind fast gleich viele wie an Schwerpunktkrankenhäusern ohne akademischen Auf-trag, wo durchschnittlich 235 Patienten pro Ärztin/Arzt pro Jahr behandelt werden. In Deutschland und der Schweiz sind es an den Universitätskliniken lediglich 60 bzw. 96 Patienten pro Ärztin/Arzt. Für den ambulan-ten Bereich liegen ähnliche Zahlen vor. Der Anteil der an Universitäten tätigen Kollegen und Kolleginnen be-trägt in Österreich 25,6/100.000 Einwohner, in Deutsch-land hingegen sind es immerhin 32/100000 Einwohner. Diese Zahlen reflektieren auch eine vermehrte Verwen-dung von Universitätsärzten/innen in Österreich pri-mär für die Routine.

In der Studie von Steger und Mitarbeitern [2] brach-te es die Gruppe mit 6 und mehr Publikation auf immer-hin 73 Wochenstunden, 10% der Befragten gaben sogar über 80 Stunden Arbeitszeit pro Woche an. Erwartungs-gemäß wurde von diesen erhöhten Wochenarbeitszei-ten relativ gesehen mehr in die Forschung investiert, nämlich 13% im Vergleich zu lediglich 1,8% in der Grup-

Korrespondenz: Prof. Dr. Michael Joannidis, Department of Internal Medicine, Medical Intensive Care Unit, Medical University of Innsbruck, Anichstrasse 35, 6020 Innsbruck, Austria, E-mail: [email protected]

editorial

666 Springer-Verlag 21–22/2009 wkw„Freizeitforschung“ – eine Realität an Österreichs Universitätskliniken

pe ohne Publikationen. Bei vermehrter wissenschaftli-cher Aktivität reduzierte sich dementsprechend auch der relative Anteil in der Patientenversorgung und vor allem aber in der Administration. Interessanterweise waren aber in der wissenschaftlich erfolgreichsten Gruppe nicht nur die Forschungsleistung sondern auch der Anteil der Lehrleistung erhöht.

Möchte man daraus schließen, dass wissenschaft-lich sehr erfolgreiche Ärztinnen und Ärzte absolut ge-sehen weniger Zeit am Krankenbett verbringen, so zeichnen die erhobenen Daten dieser Studie ein völlig anderes Bild. Während Kolleginnen und Kollegen ohne relevanten wissenschaftlichen Output durchschnittlich 42 Stunden pro Woche am Patientenbett verbrachten, stieg dieser Anteil trotz erhöhter wissenschaftlicher Ak-tivität auf insgesamt 50 Stunden pro Woche in der Gruppe A an. Ebenso verdoppelte sich der wöchent-liche Zeitaufwand in der studentischen Lehre von 1,5 auf 3,7 Stunden. Lediglich der absolute Stundenauf-wand in der Administration nahm von der Gruppe C zu Gruppe A um ca. 3 Stunden pro Woche ab. Bemerkens-wert erscheint auch die Tatsache, dass der überwiegen-de Teil (60%) der an der Universitätsklinik tätigen Kol-leginnen und Kollegen innerhalb von zwei Jahren keine Publikation aufwiesen und lediglich 12% zur wissen-schaftlichen Spitzengruppe zählten. Zudem fiel eine unterschiedliche Verteilung der Geschlechter auf. Wäh-rend in der Gruppe C Männer und Frauen ungefähr gleich stark vertreten waren, so zeigte die Gruppe A mit lediglich 25% eine deutliche Unterrepräsentation von Frauen.

Was charakterisiert nun die Kolleginnen und Kolle-gen in der Gruppe A? Ihre wöchentliche Arbeitszeit ist deutlich höher, der Mehraufwand an Arbeitszeit wird jedoch nicht ausschließlich für Forschung, sondern auch für die Patientenbetreuung und Lehre aufgebracht. Die Vermutung liegt nahe, dass hier ein spezielles Per-sönlichkeitsprofil vorliegt, wo erhöhte intrinsische Mo-tivation und Leistungsbereitschaft sich nicht nur auf die Forschung beschränken, sondern auch die anderen Bereiche Patientenversorgung und Lehre einschließen. Dieses Phänomen konnte in einer rezente Untersuchung an der Zagreb University School of Medicine, Kroatien, bestätigt werden [4].

Die Studie von Steger und Mitarbeitern [2] ist nicht frei von Limitationen. Es handelt sich um eine Fragebo-genstudie, die Rücklaufquote wurde nicht angegeben und von den eingegangenen Fragebögen waren nur 70% verwertbar. Auch wenn wir davon ausgehen, dass hier ein repräsentativer Querschnitt vorliegt, ist ein Selekti-onsbias nicht ausgeschlossen. Dieser könnte u.a. da-durch entstanden sein, dass primär diejenigen Kolle-ginnen und Kollegen den Fragebogen beantwortet ha-ben, die auf Grund hoher Arbeitsbelastung und damit verbundener Frustration auch ein verstärktes Bedürfnis hatten, die Mühen der Beantwortung eines ausführli-chen Fragebogens im Sinne einer Artikulation auf sich zu nehmen. Darüber hinaus konnte die Beantwortung der Fragen keiner objektiven Evaluierung im Hinblick auf die effektive Anzahl der Publikation oder der Arbeitsstunden unterzogen werden.

Trotz dieser Einschränkungen vermittelt das Ergeb-nis dieser Arbeit das Bild eines Systems, in dem erhöhte Leistungsbereitschaft und wissenschaftlicher Erfolg nur auf Kosten des Lebensstils unter erheblichen Ein-bußen der persönlichen Freizeit umgesetzt werden kön-nen [5]. Die Forschung in der akademischen Medizin erfolgt offensichtlich ausschließlich in der Freizeit, wo-bei der überwiegende Anteil dieser Gruppe sogar auf über 80 Stunden pro Woche kommt. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass unter solchen Bedingungen lediglich 10% der an Universitätskliniken beschäftigten Kolleginnen und Kollegen bereit sind, diese erhebliche Mehrbelastung auf sich zu nehmen, zumal das Univer-sitätsgesetz 2002 auf klare Laufbahnmodelle „verges-sen“ hat. Hinzu kommen schlechte bis moderate Ent-lohnung in den Universitätskliniken im Verhältnis zu Bezirkskrankenhäusern und der hohe Karrieredruck. Derartige Rahmenbedingungen sind die Grundlage für mangelnde Entwicklungsperspektive von wissenschaft-lich aktivem Nachwuchs im medizinisch-akademischen Bereich [1, 6–8]. Darüber hinaus verhindern sie auch die adäquate Repräsentation von Frauen in der wissen-schaftlich aktiven Gruppe A, deren Karriereplanung sich auch in zunehmendem Ausmaß am Faktor „kont-rollierbarer Lebensstil“ orientiert [5]. Unter dem Aspekt, dass der Frauenanteil in der Medizin absehbar 50% überschreiten wird, zeichnet sich ein massives Nach-wuchsproblem für die akademische Medizin an Univer-sitätskliniken ab.

Die diskutierte Studie [2] deutet möglicherweise auch auf eine gesundheitliche Dimension der Arbeits-weise auf Universitätskliniken hin. In einer kontrollier-ten Studie an Kolleginnen und Kollegen konnten wir feststellen, dass die Beschäftigung in einem Nacht-dienst zu einer Erhöhung des kardiovaskulären Risiko-profils führt [9]. Umso wichtiger wäre es, dass in dieser Berufsgruppe ausreichend Freizeit zur Verfügung steht, um die Risikofaktoren zu minimieren (z.B. durch kör-perliche Betätigung, Kontrastprogramme zur Arbeit). Das Verhalten der Gruppe mit der hohen Anzahl von Publikationen ist jedoch damit kaum vereinbar: Es wer-den weitere 15 Stunden der Freizeit für wissenschaftli-ches Arbeiten eingeräumt. Es bleibt nachzuweisen, ob ein solches Verhalten letztendlich nicht auch gesund-heitliche Risiken nach sich zieht.

Es scheint somit höchst an der Zeit, an den Univer-sitätskliniken adäquate Rahmenbedingungen für wis-senschaftliche Tätigkeit und studentische Lehre zu schaffen [10]. Garantierte Forschungsblöcke innerhalb der regulären Arbeitszeit, möglicherweise auch eine Trennung in einen eigenen Karriereweg für Wissen-schaft und für Lehre, scheinen unumgänglich, will sich die universitäre Medizin in den nächsten Jahren nicht mit fatalen Nachwuchsproblemen konfrontiert sehen [1, 6, 11]. Letztendlich ist auch die Frage zu stellen, wie es um die Qualität der klinischen Forschung bestellt sein muss, wenn diese lediglich nach der regulären Arbeitszeit am Patienten oder an Wochenenden statt-findet. Beispiele für moderne und flexible Karrierewege gibt es im anglo-amerikanischen Raum, wo zumindest nach Beendigung der Grundausbildung Forschungszei-

editorial

667wkw 21–22/2009 Springer-Verlag „Freizeitforschung“ – eine Realität an Österreichs Universitätskliniken

ten und Anteil der klinischen Arbeit definiert werden können [10].

Michael Joannidis

InteressenskonfliktEs besteht kein Interessenskonflikt.

References

1. Tugwell P (2004) Campaign to revitalise academic medi-cine kicks off. BMJ 328: 597

2. Steger B, Colcin HP, Rider J (2009) Scientific activity and working hours of physicians in university hospitals: results from the Innsbruck and Salzburg physician lifestyle as-sessment (TISPLA). Wien Klin Wochenschr 121: 685–689

3. Pichlbauer EG: Arme Universitäten – ehrlich. 2009 Wiener Zeitung (Dienstag, 4. August 2009). Ref Type: Magazine Article

4. Cvek M, Hren D, Sambunjak D, Planinc M, Mackovic M, Marusic A, Marusic M (2009) Medical teachers‘ attitudes towards science and motivational orientation for medical research. Wien Klin Wochenschr 121: 256–261

5. Dorsey ER, Jarjoura D, Rutecki GW (2005) The influence of controllable lifestyle and sex on the specialty choices of graduating U.S. medical students, 1996-2003. Acad Med 80: 791–796

6. Buckley CD (2007) Careers in clinical academic medicine: new opportunities or old threats? Clin Med 7: 79–81

7. Clark J, Tugwell P (2004) Who cares about academic med-icine? BMJ 329: 751–752

8. Zemlo TR, Garrison HH, Partridge NC, Ley TJ (2000) The physician-scientist: career issues and challenges at the year 2000. FASEB J 14: 221–230

9. Rauchenzauner M, Ernst F, Hintringer F, Ulmer H, Eben-bichler CF, Kasseroler MT, Joannidis M (2009) Arrhyth-mias and increased neuro-endocrine stress response dur-ing physicians’ night shifts: a randomized cross-over trial. Eur Heart J 30: 2606–2613

10. Ley TJ, Rosenberg LE (2005) The physician-scientist ca-reer pipeline in 2005: build it, and they will come. JAMA 294: 1343–1351

11. Marusic B (2004) Academic medicine: one job or three? Croat Med J 45: 243–244