forschung und praxisprojekte zum musikalischen umgang mit apps an der universität der künste...

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 Forschungsstelle Appmusik Forschung und Praxisprojekte zum musikalischen Umgang mit Apps an der Universität der Künste Berlin 36  Bericht Laut JIM-Studie 2014 besitzen 90 Prozent der Jugendlichen ein eigenes Smartphone. In der Schule jedoch müssen die Geräte in der Regel in der Tasche bleiben. Dabei könnten die darauf installierten Apps auf vielfältige Weise als Hilfsmittel für den Unterricht fun- gieren sowie Übeprozesse unterstützen. Apps, die das Smartphone oder Tablet in eine um- fangreiche Notenbibliothek, ein Metronom und Aufnahmegerät verwandeln, begleiten heute schon viele MusikpädagogInnen und MusikschülerInnen. In den App-Stores existiert mittlerweile eine unüberschaubare Menge an Apps in der Ka- tegorie „Musik & Audio“. Sich dort zurecht- zufinden wird zu einer echten Herausforde- rung. Mit der wachsenden Anzahl an Apps sind auch die kreativen Gestaltungspotenzia- le gestiegen. Seit Einführung von Mobilgerä- ten mit Touchbedienung werden Apps nicht allein zum rezeptiven Umgang von Musik, sondern immer mehr für aktiv-gestalterische Prozesse genutzt. Neben YouTube-Videos von Profi- oder Hobby-MusikerI nnen und ein- zelnen Präsentationen an Hochschulen ver- deutlichen auch prominente Beispiele wie das auf iPads produzierte Album The Fall (2010) der Comic-Band Gorillas, Björks Album Bio-  philia (2011) als App und Paul McCartneys unlängst erschienen e 3D-App (2014), dass es hier um mehr geht als einen vorübergehen- den Hype. Die vielfältigen Möglichkeiten sich mit Musik kreativ zu betätigen sprechen neue Zielgruppen an und bieten NutzerInnen mit wenigen musikpraktischen Erfahrungen einen Rahmen für musikalisches T un. Um dieses sich rasant entwickelnde Phäno- men aufzuarbeiten, wurde die „Forschungs- stelle Appmusik Formen musikal ischer Pra-  xis mit Apps“ (FAM) von Matthias Krebs und Marc Godau gegründet. Angesiedelt am Ber- lin Career College der Universität der Künste Berlin ist es Ziel dieser Einrichtung, den Ge- genstandsbereich zu systematisieren und gleichsam ein Netzwerk für Akteure und Inte- ressierte aufzubauen. Fragen nach neuen Formen des musikbezo- genen Umgangs, dem Einfluss auf das Mu- siklernen oder die Ästhetik stehen aktuell im Fokus. Damit soll die Entwicklung musikpä- dagogischer Methoden und Konzepte voran- getrieben werden. Dabei ist die Forschungs- stelle als eine offene Plattform für Wissen- schaftlerInnen aus diversen Wissenschafts- bereichen gedacht. Gleichzeitig spielt auch die Entwicklung von Synergien zwischen un- terschiedlichen AkteurInnen aus der Praxis eine wichtige Rolle. MusikerInnen und Mu- sikpädagogInnen sollen Möglichkeiten des Erfahrungsaustauschs über die Spezifik künstlerischer Angebote mit Musikapps ge- boten werden. Einbezogen sind zugleich Ver- treter aus der Technologieentwicklung, Poli- tik und Wirtschaft. Um ein transparentes Vorgehen zu realisie- ren, orientiert sich die FAM an den Prinzipien     ©      M    a    t    t     h     i    a    s     K    r    e     b    s

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Laut JIM-Studie 2014 besitzen 90 Prozent der Jugendlichen ein eigenes Smartphone. In der Schule jedoch müssen die Geräte in der Regel in der Tasche bleiben. Dabei könnten die darauf installierten Apps auf vielfältige Weise als Hilfsmittel für den Unterricht fungieren sowie Übeprozesse unterstützen. Apps, die das Smartphone oder Tablet in eine umfangreiche Notenbibliothek, ein Metronom und Aufnahmegerät verwandeln, begleiten heute schon viele Musikpädagog_innen und Musikschüler_innen.

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  • Forschungsstelle Appmusik

    Forschung und Praxisprojekte zum musikalischenUmgang mit Apps an der Universitt der Knste Berlin

    36 Bericht

    Laut JIM-Studie 2014 besitzen 90 Prozentder Jugendlichen ein eigenes Smartphone. Inder Schule jedoch mssen die Gerte in derRegel in der Tasche bleiben. Dabei knntendie darauf installierten Apps auf vielfltigeWeise als Hilfsmittel fr den Unterricht fun-gieren sowie beprozesse untersttzen. Apps,die das Smartphone oder Tablet in eine um-fangreiche Notenbibliothek, ein Metronomund Aufnahmegert verwandeln, begleitenheute schon viele MusikpdagogInnen undMusikschlerInnen.In den App-Stores existiert mittlerweile eineunberschaubare Menge an Apps in der Ka-tegorie Musik & Audio. Sich dort zurecht-zufinden wird zu einer echten Herausforde-rung. Mit der wachsenden Anzahl an Appssind auch die kreativen Gestaltungspotenzia-le gestiegen. Seit Einfhrung von Mobilger-ten mit Touchbedienung werden Apps nichtallein zum rezeptiven Umgang von Musik,sondern immer mehr fr aktiv-gestalterische

    Prozesse genutzt. Neben YouTube-Videosvon Profi- oder Hobby-MusikerInnen und ein-zelnen Prsentationen an Hochschulen ver-deutlichen auch prominente Beispiele wie dasauf iPads produzierte Album The Fall (2010)der Comic-Band Gorillas, Bjrks Album Bio-philia (2011) als App und Paul McCartneysunlngst erschienene 3D-App (2014), dass eshier um mehr geht als einen vorbergehen-den Hype. Die vielfltigen Mglichkeiten sichmit Musik kreativ zu bettigen sprechenneue Zielgruppen an und bieten NutzerInnenmit wenigen musikpraktischen Erfahrungeneinen Rahmen fr musikalisches Tun.Um dieses sich rasant entwickelnde Phno-men aufzuarbeiten, wurde die Forschungs-stelle Appmusik Formen musikalischer Pra-xis mit Apps (FAM) von Matthias Krebs undMarc Godau gegrndet. Angesiedelt am Ber-lin Career College der Universitt der KnsteBerlin ist es Ziel dieser Einrichtung, den Ge-genstandsbereich zu systematisieren und

    gleichsam ein Netzwerk fr Akteure und Inte-ressierte aufzubauen. Fragen nach neuen Formen des musikbezo-genen Umgangs, dem Einfluss auf das Mu-siklernen oder die sthetik stehen aktuell imFokus. Damit soll die Entwicklung musikp-dagogischer Methoden und Konzepte voran-getrieben werden. Dabei ist die Forschungs-stelle als eine offene Plattform fr Wissen-schaftlerInnen aus diversen Wissenschafts-bereichen gedacht. Gleichzeitig spielt auchdie Entwicklung von Synergien zwischen un-terschiedlichen AkteurInnen aus der Praxiseine wichtige Rolle. MusikerInnen und Mu-sikpdagogInnen sollen Mglichkeiten desErfahrungsaustauschs ber die Spezifikknstlerischer Angebote mit Musikapps ge-boten werden. Einbezogen sind zugleich Ver-treter aus der Technologieentwicklung, Poli-tik und Wirtschaft.Um ein transparentes Vorgehen zu realisie-ren, orientiert sich die FAM an den Prinzipien

    Matthias Krebs

  • Bericht 37&musizieren 1 15ben

    von Open Science. Damit verbindet sich derAnspruch, Wissenschaftsinhalte breiter zukommunizieren, Forschungsprozesse fr In-teressierte verstndlich zu machen und siedaran teilhaben zu lassen. Einerseits werdenFragestellungen, Daten, Ergebnisse sowieentwickelte Methoden und Materialien einerbreiten ffentlichkeit zugnglich gemacht.Andererseits werden Anregungen mit demAnspruch einer kollaborativen Wissenschafteinbezogen.Ein erstes greres Projekt ist app2music Appmusik-AGs an Berliner Schulen, dem imNovember 2014 der Dieter-Baacke-Preis inder Kategorie Projekte von und mit Jugendli-chen verliehen wurde. Dieses Projekt stelltinsgesamt ein prototypisches Format musik-pdagogischer Praxis mit Apps dar, dasdurch ein Studium zahlreicher Appmusikpro-jekte vorbereitet wurde. Bei app2musicwerden seit Anfang 2014 an einer Reihe vonSchulen Musik-AGs angeboten, in denen Kin-der und Jugendliche unterschiedlicher Her-kunft und Klassenstufen gemeinsam auf Tab-lets und Smartphones Musik machen kn-nen. Zentral sind zwei Sulen: Die erste be-schreibt das kollaborative Musiklernen aufGrundlage individueller Musikprferenzen inForm des Nachspielens von Popsongs in En-sembles, Experimentierens mit Klangcolla-gen, Improvisierens oder Erstellens vonGruppenkompositionen. Die SchlerInnenbringen eigene Vorschlge ein, diskutierendiese und treffen als Gemeinschaft Entschei-dungen ber das weitere musikalische Han-deln. So steht nicht einzig das Spielen derLieblingsmusik im Fokus, sondern genausodie Begegnung mit sthetischen und kultu-rellen Unterschieden der anderen.Begnstigt wird das gemeinsame Musikma-chen mit Apps durch die Mglichkeiten derAnpassung an die eigenen Fhigkeiten, dieintuitive Bedienung, die unvoreingenomme-ne Auseinandersetzung mit einem kulturellnicht vorbelasteten Musikinstrumentarium,das Vergngen sich mit Technik zu beschfti-gen und das schnelle Sichtbarwerden von Er-folgen. Einzige Voraussetzung ist das Inte-resse am gemeinsamen Musikmachen. Undgemacht wird das, worauf sich die Gruppeneinigen knnen. Die mitwirkenden Pdago-gInnen sind in der Rolle des ermglichendenMitglieds. Sie helfen, die Ideen der Kinderund Jugendlichen mit ihnen gemeinsam um-zusetzen.Die zweite Sule ist die Dokumentation undReflexion der in den AGs gesammelten Erfah-rungen auf einem Blog: www.app2music.de.

    In Artikeln samt eingebundener Videos undFotos werden Fortschritte im Projekt fr einebreite Zielgruppe aufbereitet. Aber auch dieKinder und Jugendlichen selbst knnen sichso ber den Stand der anderen Gruppen in-formieren und als Anregung fr die eigeneAG nutzen. Zu den Themen des Blogs geh-ren Prozessverlufe, methodisch-didaktischeberlegungen, gruppendynamische Entwick-lungen, Vorstellung verwendeter Apps sowiedie kritische Auseinandersetzung mit den ei-genen Projektzielen. Auerdem werden Aus-schnitte aus Schulkonzerten und Ergebnis-prsentationen der AGs gezeigt.Neben der Weiterentwicklung von app2mu-sic konzentriert sich die derzeitige Arbeitder Forschungsstelle auf Entwicklung und Er-probung eines Weiterbildungsangebots frMusikerInnen mit dem Titel Touch:Music,das vom Bundesministerium fr Bildung undForschung (BMBF) gefrdert wird. Als drei-jhriges Verbundprojekt der Bundesakade-mie fr Kulturelle Bildung Wolfenbttel undder Forschungsstelle Appmusik wird ein Zer-tifikatskurs konzipiert, der unter dem NamentAPP bereits ab August 2015 in einem ers-ten (Erprobungs-)Durchgang stattfinden soll.Interessierte Musikerinnen und Musiker allerGenres knnen sich ab Anfang 2015 bewer-ben. Mit diesem Qualifizierungsangebot wer-den MusikerInnen befhigt, musikalischeKulturprojekte mit Apps im Nachmittagsbe-reich der Schulen und an auerschulischenBildungsorten zu initiieren. Teilweise werden Vorwrfe laut, dass tradier-te Unterrichtsmodelle durch den Einbezugmobiler Digitaltechnologien verdrngt wer-den sollen. Insgesamt darf die grtenteilsgeleistete Pionierarbeit auf diesem Gebietnicht als Missionierungsarbeit verkannt wer-den. Der Umfang des Einsatzes in Lehr-Lern-Kontexten ist zu variabel und vielfltig, alsdass er sich auf eine Praxis beschrnken liee.

    Marc Godau und Matthias Krebs

    www.forschungsstelle.appmusik.de/blog

    Auf dem Blog der Forschungsstelle werdenregelmig Artikel zum SchwerpunktMusiklernen und -lehren mit mobilenDigitalgerten verffentlicht. Wir mchtenSie einladen, uns Ihre Erfahrungen mitMusikapps mitzuteilen. Schreiben Sie unsHinweise, Fragen, Probleme per Mail oderkommentieren Sie unseren Blog.

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