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www.ameos.eu Folgen von Drogenmissbrauch während der Schwangerschaft Dr. med. Birgit Moldenhauer Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Aschersleben

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Folgen von Drogenmissbrauch während der

Schwangerschaft

Dr. med. Birgit Moldenhauer

Chefärztin der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in

Aschersleben

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Neonatales Abstinenzsyndrom

- Verursacht durch mütterliches Drogenkonsum

(Alkohol, Nikotin, Drogen)

- Hohe Dunkelziffer, keine genaue Zahlen

- Nach Schätzungen jährlich 2000 Kinder

drogenabhängiger Mütter geboren

- Inzidenz ca. 1 : 3000 Lebendgeborenen

- Schädigung der Kinder durch intrauterine

Alkoholexposition : jährlich 6500 Kinder,

- Inzidenz 1 : 1000

13.01.2016 Dr. med. B. Moldenhauer] 2

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Drogenmissbrauch in der Schwangerschaft

• Die Folgen für den Embryo, den Feten oder das Neugeborene sind

• abhängig von

• Dauer des Konsums , Höhe des Alkoholspiegels, der täglichen

Zigarettenmenge,

• Bei Drogen nicht sicher bekannt, unterschiedliche Studien

13.01.2016 [Autor] 3

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Folgen intrauteriner Drogenexposition

(Embryo- und Fetotoxizität)

• Alkohol: Fetales Alkoholsyndrom

• fetale Alkoholdefekte

• Wachstumsretardierung

• Gesichtsdysmorphie (Abflachung des

• Mittelgesichtes, schmales und

• eingezogenes Lippenrot, tiefe Ohren )

• Mikrozephalie (Kopf zu klein)

• Fehlbildungen

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Folgen intrauteriner Drogenexposition

(Embryo- und Fetotoxizität)

• Nikotin: intrauterine

• Wachstumsretardierung

• erhöhtes SIDS (plötzlicher

• Kindstod) Risiko

• Fehlbildungen, u.a. Lippen-

• Kiefer-Gaumenspalte

13.01.2016 [Autor]

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Folgen intrauteriner Drogenexposition

(Embryo- und Fetotoxizität)

• Kokain: Wachstumsretardierung

• Fehlbildungen

• Mikrozephalie

• Cannabis/Marihuana : intrauterine Wachstumsretardierung

• Opiate: Folgen nicht nachgewiesen

• Amphetamine: Wachstumsretardierung

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Schwangerschaftsverlauf und neonatale

Schädigung

• Frühgeburtsrisiko auch bei konsequenter Vorsorge in Spezialambulanzen auf 15 bis 20 % erhöht

• Jedes 4. Kind ist hypotroph (Gewicht < 10 .P., Länge normal)

• 15 % der Neugeborenen weisen eine isolierte Mikrocephalie auf.

• Sowohl das Frühgeburtsrisiko als auch die intrauterine Mangelernährung werden maßgeblich durch das Beigebrauchsmuster beeinflusst (zusätzlicher Konsum von Nikotin, Alkohol)

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Neonatales Abstinenzsyndrom

• 65-85 % der Neugeborenen opiatabhängiger Mütter entwickeln

zwischen dem 2. und 7. Lebenstag Drogenentzugssymptome:

• Magen-Darm-Trakt: Erbrechen, Trinkschwäche, durchfällige Stühle,

• ZNS: Krampfanfälle, gesteigerter Muskeltonus, Myoklonien (kleinste

Zuckungen),Ruhetremor (Zittrigkeit)

• Vegetative Symptome: Schwitzen, Fieber, vermehrtes Gähnen,

marmorierte Haut

• Häufiges/ständiges, schrilles

Schreien, verkürzte Schlafphasen,

große Unruhe,

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Neonatales Entzugssyndrom

• Auftreten der Entzugssymptome in der Regel 40 bis 60

Stunden nach der Geburt, maximaler Entzugsscore nach 92

Stunden

• Symptome:

• Trinkschwierigkeiten, Erbrechen, Durchfall

• Schnelle Atmung, Schwitzen, Niesen

• Schrilles Schreien, kurze Schlafphasen, Zittrigkeit,

muskuläre Hypertonie (gesteigerter Muskeltonus)

• Unruhe, Hyperaktivität, Fieber, Krämpfe

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Neonatales Entzugssyndrom

• Ob Stärke und Dauer des mütterlichen Drogensyndroms korreliert mit der Ausprägung auf das neonatale Drogenentzugssyndrom ist nicht bekannt, widersprüchliche Angaben

• Weitere Probleme beim Neugeborenen:

• Erhöhte Mortalität (Sterberate) im ersten Lebensjahr, wird mit 5 % angegeben

• Prävention:

• Gute medizinische Betreuung und Überwachung der drogenabhängigen Schwangeren sowie die Durchführung der Substitutionstherapie ab 32. SSW scheinen die Rate von Frühgeboren und die Mortalität der Neugeborenen zu senken

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Neonatales Entzugssyndrom

• Weitere Probleme:

• Infektionen (HIV, Hepatitis B, Hepatitis C)

• Die Überprüfung, ob ein Kind einen Entzug

entwickelt, erfolgt idealerweise des

Finneganscore: • Dreimal in 24 Stunden wird der Score gemacht

• (zweimal durch die Kinderkrankenschwester, einmal durch

den Arzt)

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Finnegan-Score zur Diagnose und Quantifizierung des

neontalen Drogenentzugssyndroms

Klinisches Kriterium 1 2 4 5

Schreien häufig,s

chrill

Schlafen nach dem Füttern <3

Std. <2 Std.

Moro-Reflex verstärkt

Tremor bei Störung leicht mäßig

Tremor in Ruhe mäßig

Hautabschürfungen ja

Myokloni

Krampfanfälle ja

Schwitzen ja

Fieber 37,2-

38,2°C

>38,2°C

Häufiges Gähnen ja

Marmorierte Haut ja

Verstopfte Nase ja

Niesen ja

Übermäßiges Saugen ja

Trinkschwäche ja

Erbrechen Regurgit

ation

Stühle dünn Tabelle

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Tabelle

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Medikamentöse Therapie des neonatalen

Abstinenzsyndroms • individuelle klinische Indikationsstellung bei einem Finnegan-

Score > 10 bis 12 Punkten

• Primäres Ziel: schnell und suffizient die Entzugssymptomatik auf

ein für das Kind erträgliches Maß zu reduzieren und eine

stoffliche Entwöhnung herbeizuführen

• Medikamente: orale Morphinhydrochloridlösung über 8 bis 28

Tage, Phenobarbital und Benzodiazepine auch möglich,

(schlechtere Ergebnisse)

• Unterstützende zuwendungsintensive Pflege: reizarme

Umgebung, eine haltgebende , begrenzende Lagerung, häufigere

Mahlzeiten, im Wachzustand vermehrter Körperkontakt

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Neonatales Entzugssyndrom

• Dauer:

• Heroin-Entzugssyndrom:

• in der Regel 4 – 8 Wochen,

• kann allerdings bis zu 3 bis 6 Monaten fortbestehen

• Methadonentzug:

• Schweregrad des neonatalen Methadonentzuges korreliert

mit der maternalen (mütterlichen) Methadondosis

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Medizinisches Langzeit-Outcome

• Von Kindern nach neonatalem Drogenentzug ist insgesamt gut

• Allerdings Störungen wie:

• Schlafstörungen

• Hyperaktivität

• Heftiges schrilles Schreien

• Muskulärer Hypertonus

• Verzögerung der kognitiven vor allem der Sprachverzögerung

• Verhaltensauffälligkeiten und Konzentrationsdefizite

sind möglich

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Mortalitität:

• Das Risiko für einen plötzlichen Kindstod ist 5 bis

10fach erhöht, trifft auch für Kinder mit

mütterlichem Nikotin- und Alkoholabusus zu

• Gewalterfahrung, Vernachlässigung,

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Diagnosesicherung

• Geburtshelfer, Krankenschwestern, Hebammen und auch niedergelassene Kinderärzte sollten mit der Symptomatik vertraut sein.

• Genaue Anamnese wichtig

• toxikologische Untersuchung des Mekoniums: Drogennachweis im Mekonium informiert über den mütterlichen Drogenkonsum im letzten Trimenon

• aus Haaren und Nabelschnurgewebe auch Drogenanalyse möglich

• Mütterlicher Harn, wenn die kurzfristig zurückliegenden Konsumgewohnheiten der Mutter dokumentiert werden sollen

• ,

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Therapieziele in der Schwangerschaft

• Drogenabhängige Frauen stellen sich häufig erst weit nach dem 1. Schwangerschaftstrimenon vor.

• Neben der geburtshilflichen Betreuung sind eine angemessene suchtmedizinische Begleitung mit einer situationsbezogenen Substitutionstherapie sowie eine intensive psychosoziale Begleitung zur Klärung der Lebenssituation mit entsprechenden Interventionen nötig

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Folgende Ziele müssen vordringlich verfolgt werden:

• Wahrnehmung von Schwangerenvorsorgeuntersuchungen

• Eingliederung in ein Opiatsubstitutionsprogramm

• Beendigung bzw. Minimierung des Beikonsums legaler und illegaler Drogen

• Diagnostik und Therapie von mit Drogenkonsum assoziierten Infektionskrankheiten (HIV, Hepatitis B und C)

• Stabilisierung der schließlich Wohnung, Einkommen, gegebenenfalls Aufenthaltsstatus

• Vorbereitung auf die Mutterolle

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Erreichen dieser Ziele:

• Interdisziplinäre Kompetenz

• Gute Kooperation mit den lokalen

Drogenhilfeinstitutionen

• Ärzte, die die erforderliche Substitutionstherapie

einleiten , kommen in eine ethisch und juristische

problematische Situation, da auch die

Substitutionstherapie einer Schwangeren das

Risiko einer iatrogenen Schädigung des Feten

beinhaltet.

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Wichtig:

• Vermeidung von Rückfällen hat absoluten

Vorrang vor den Versuchen einer

Dosisreduktion

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Wie reagiert die Mutter?

• Da das Neugeborene den körperlichen

Entzug durchleidet, ist für die Mütter

eine große emotionale Belastung

• Schuldgefühle werden dadurch

verursacht

• Entwicklung einer natürlichen Mutter-

Kind-Beziehung wird nachhaltig gestört

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Probleme im Umgang mit suchtkranken Eltern

• Vorurteile des Pflegeteams:

- unterschiedliche Erfahrungen und Einstellungen zu Drogen

- Zweifel an elterlichen Kompetenzen

- Beschützerinstinkte

Gefühle der Eltern:

Selbstunsicherheit, schlechtes Gewissen ,

aggressives Verhalten

Schuldzuweisung

Gefühl der Bevormundung

Mißtrauen gegenüber dem Pflegeteam

Konsequenz: unregelmäßige Anwesenheit der Eltern beim Kind

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Wichtig für Aufbau der Eltern-Kind-Beziehung

• Einbeziehen der Eltern in die Versorgung des Kindes

• Herausforderungen für Kinderkrankenpflege:

- Gelassene Pflege anstrengender Kinder

- Vermittlung von Sicherheit durch koordinierten und

konsistenten Umgang mit den Eltern

. Herausforderungen für Sozialarbeit:

- ein gut funktionierendes klinikinternes und externes

Netzwerk für die nachstationäre Betreuung der suchtkranken

Familien

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Klinische Sozialarbeit

• Beratung und Betreuung der Mütter zu allen sozialen und

finanziellen Fragen

• Herstellung von Kindeswohl und präventivem Kinderschutz

• Ganz wichtig: Situationsbeschreibung der Mutter:

- soziale Situation

- ihre Lebensumstände, ihre Biographie

- ihr Umgang mit der eigenen Sucht

- ihre Reaktion auf Stress

- ihr Umgang mit dem Kind

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Erstellung eines Hilfeplanes

• Festlegung:

• Wer ist für Familie nach der Entlassung zuständig?

• Wer bietet weitere Fachberatung und Unterstützung im

Alltag?

• Wie findet die Anbindung an die Hilfeangebote statt?

• Wer führt das Case Management? (Ablaufschema)

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Mütterliche Faktoren, die die Erstellung eines

Hilfeplanes erschweren

• Verleugnung oder Verschweigen ihrer realen

Lebensbedingungen

• Realitätsferne Zukunftsvorstellungen

• Unkenntnis oder gestörte Wahrnehmung der alltäglichen

Kindsbedürfnisse

• Hohe Erwartungen an ihr Kind

• Realitätsferne Einschätzung ihrer sozialen Umgebung

• Unzuverlässigkeit

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Forderungen an die Zusammenarbeit

verschiedener professioneller Instanzen

• Enger Austausch durch regelmäßiges Treffen

• Erstellung von Standards innerhalb der Fachgruppen

• Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Beurteilung der Familien

• Klientenbezogener Datenaustausch

• Zusammenfluss der Daten in den Zentralen des Netzwerkes

• Zusammengetragene Daten dienen als Grundlage der gemeinsamen Beratungen

• Aufgaben und Struktur des Netzwerkes müssen schriftlich definiert sein.

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Gesetzliche Grundlagen zu Kindeswohl und

Kinderschutz in Deutschland

• Grundgesetz Artikel 6: Ehe und Familie

• Bürgerliches Gesetzbuch: BGB:

§ 1626: Elterliche Sorge, Grundsätze

§ 1631: Inhalt und Grenzen der Personensorge

§ 1666 : Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des

Kindeswohls

§ 1666a: Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Vorrang

öffentlicher Hilfen

. 8. Sozialgesetzbuch SGB VIII:

§ 8a: Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung

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Neuere Drogentrends

• In den letzten Jahren verzeichnen Rechts- und

Verkehrsmediziner sowie Toxikologen 81 neue Drogentypen

(2013)

• Neue Begriffe: Designerdrogen, Legal Highs,

• Diese Substanzen werden von den Konsumenten geraucht,

geschluckt, geschnieft oder gespritzt,

• Mit dem Begriff Legal Highs soll suggeriert werden, dass

Handel, Besitz und Konsum nicht gegen einschlägige

Gesetze (Betäubungsmittelgesetz, Arzneimittelgesetz und

Straßenverkehrsgesetz) verstoßen

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2 wichtigste Substanzgruppen: Spice und

Badesalze

• Spice: schwere Intoxikationen, Todesfälle, sind

synthetische Cannabinoide,( mittlerweile 300 Arten

bekannt)

• Symptome: ausgeprägte Tachykardien, starkes

Erbrechen, ausgeprägte Sedierung, Panikattacken,

Halluzinatinen, sonstige psychotische Symptome

• Todesfälle bedingt durch Atemdepression,

Krampfanfälle oder indirekt durch psychotische

Störungen

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Designerdroge „Badesalz“

• In Deutschland seit 2011 große Bedeutung

• Synthetische Substanzen, die Rauschzustände

auslösen, z. B. Cathinonderivate

• Cathinon ist psychoaktiver Hauptwirkstoff von Kath

• Wirkung ähnlich wie Kokain, Amphetamin

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Neue Drogen

• Crack: ist eine neue Handelsform von Kokain

• Herstellung: handelsübliches Kokain + Wasser + Backpulver, 8 Minuten

aufkochen lassen, durch Aufkochen wird die Wirkung des Kokains

verstärkt

• Crack ist eine der gefährlichsten Drogen unserer Zeit.

• Crystal: Methamphetamin

• Droge PEP: kommt aus dem Englischen (Schwung) : Amphetamin

(Speed)

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