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Finanzkrisen und ihre Auswirkungen auf das Bankensystem und seine Mitarbeiter im Spiegel ihrer Berichterstattung. Eine historisch vergleichende und inhaltsanalytische Untersuchung Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Geschichts- und Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt vorgelegt von Matthias E. Lollert, MBA (Wales) Schönefeld 2015 Referent: Prof. Dr. Frank E. W. Zschaler Korreferentin: Prof. Dr. Dr. Sabine Meck Datum der mündlichen Prüfung: 4. Mai 2016

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Finanzkrisen und ihre Auswirkungen auf das Bankensystem

und seine Mitarbeiter im Spiegel ihrer Berichterstattung. Eine historisch vergleichende und inhaltsanalytische Untersuchung

Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades

der Geschichts- und Gesellschaftswissenschaftlichen

Fakultät der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt

vorgelegt von

Matthias E. Lollert, MBA (Wales)

Schönefeld

2015

Referent: Prof. Dr. Frank E. W. Zschaler

Korreferentin: Prof. Dr. Dr. Sabine Meck

Datum der mündlichen Prüfung: 4. Mai 2016

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DANK

Entschliesst man sich für das Projekt einer Doktorarbeit, nimmt man dieses bewusst als große

Herausforderung für sich selbst an, um den bisherigen akademischen Werdegang mit einem

kleinen „Lebenswerk“ zu krönen. Man begibt sich auf einen einerseits entbehrungsreichen

Weg, ohne genaue Kenntnis, wann und ob man an sein Ende gelangen wird; in dessen Verlauf

werden aber derartig viele neue Erfahrungen, Einsichten und Kenntnisse gewonnen, daß

hieraus eine Bereicherung für die eigene Persönlichkeit bleibt. Die Meriten gebühren jedoch

nicht nur allein dem Doktoranden, sondern seinen vielen aktiven und passiven Weggefährten

und Unterstützern, ohne die ein Erreichen des hohen Zieles oftmals kaum möglich gewesen

wäre und denen ich für meine Arbeit hiermit von Herzen danke.

Ganz besonders danke ich meiner lieben Frau Carli, die mit ihrer Fürsprache, ihrem Vertrauen

in meine Fähigkeiten, ihrer Geduld und Toleranz die Aufnahme und Umsetzung der

Doktorarbeit überhaupt erst möglich gemacht hat. Ohne ihren Verzicht auf gemeinsamen

Urlaub, auf viele Tage und Wochen gemeinsamer Freizeit hätte ich angesichts meiner

hauptberuflichen Verpflichtungen keine realistische Chance für intensive Recherchen bzw.

zur konzentrierten Ausarbeitung des Gesamtwerkes in seiner hier vorliegenden Form gehabt.

Ein weiterer besonderer Dank geht an meine Eltern und Schwiegereltern, die mich nach

besten Kräften über den gesamten Verlauf der Dissertation oftmals schon allein durch ihr

Interesse am Arbeitsfortschritt und -inhalt bei meinem Vorhaben unterstützten.

Mit Dank herauszuheben ist auch Jasmin König, die mir als Praktikantin am Steinbeis-Institut

wertvolle Hilfe bei der technischen Bewältigung des umfangreichen Materials geleistet hat.

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HINWEIS ZUM SPRACHGEBRAUCH:

Alle Personen- und Funktionsbezeichnungen in dieser Dissertation gelten vor dem

Hintergrund der Gleichberechtigung von Mann und Frau für Frauen und Männer in gleicher

Weise.

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INHALTSVERZEICHNIS Seite

TABELLENVERZEICHNIS 007

ABBILDUNGSVERZEICHNIS 008

KAPITEL

1 Einführung 010

1.1 Zielsetzung 010

1.2 Gegenstand & Begriffe 010

1.3 Einleitung 013

1.3.1 Ausgangslage 013

1.3.2 Abschreibungen und strukturelle Veränderungen

im Bankensektor 014

1.3.3 Auswirkungen der strukturellen Veränderungen im

Bankensektor auf den Personalbereich 018

1.3.4 Ausgangslage - Vorgehensweise und Methodik 022

2 Historischer Hintergrund 024

2.1 Historischer Teil - Methodik 024

2.2 Exemplarische historische Analyse 026

2.2.1 Historische Finanzkrise 1873 026

2.2.2 Historische Finanzkrise 1929 / 1931 043

3 Aktuelle Finanzkrise ab 2007 055

3.1 Inhaltsanalyse nach Mayring (2000) 055

3.2 Finanzkrise ab 2007 064

4 Folgen der Finanzkrise(n) 087

4.1 Bankmitarbeiter im Umfeld von Finanzkrise und Kostensenkung 087

4.2 Vertrauensverlust (in) der Finanzbranche 094

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KAPITEL Seite

4.2.1 Vertrauensverlust der Finanzbranche und der Kreditinstitute 097

4.2.2 Vertrauensverlust der Bankmitarbeiter 111

4.3 Stellenabbau als Reaktion auf Bankenkrise und Ertragsrückgänge 128

4.4 Erosion des Berufsprestiges als Folge von Bankenkrise(n) und

Vertrauensverlust 137

4.5 Multiple Belastungsfaktoren bei Bankmitarbeitern 142

5 Gesundheitliche Folgen von krisenbedingten Belastungsfaktoren für

Bankmitarbeiter 146

5.1 Stress, Arbeitsplatzunsicherheit und Gesundheit -

Überblick über Stresstheorien und Forschungsstand 146

5.2 Stressor Arbeitsplatzunsicherheit 150

5.2.1 Phänomen des Präsentismus 154

5.3 Stressor Verhalten: Unsicherheiten und Ängste von Bankkunden

in der Finanzkrise 156

5.4 Gratifikationskrise und Impliziter Psychologischer Vertrag 165

5.5 Übernahmen, Fusionen, Rettung - Stressor Umstrukturierung 167

5.6 Stress im belasteten Arbeitsumfeld und gesundheitliche Folgern 175

5.7 Reaktionen auf Stress - Allostase und Allostatic Load 187

5.8 Exkurs: Gesteigertes kardiovaskuläres Risiko durch psychosoziales

Umfeld 200

5.9 Steigende Anzahl Krankmeldungen im Finanzsektor ab 2007 205

6 Fazit 211

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LITERATURVERZEICHNIS I a 217

LITERATURVERZEICHNIS I b - Internetquellen 228

LITERATURVERZEICHNIS II 235

Handelsblatt - Übersicht von in der Dissertation verwendeten Artikeln

ANHANG I 238

Themenrelevante historische Beiträge u.a. aus folgenden Publikationen:

Berliner Börsen-Zeitung / Geschäftsbericht der Direction der Deutschen Bank / Die Bank /

Der Angestellte im Bankgewerbe GDA / Monatshefte für die Beamten der Deutschen Bank

und Discontogesellschaft (DD-Bank) / Der Kaufmann im Bankgewerbe,

Bankbeamten=Zeitung / Geschäftsbericht der Dresdner Bank

ANHANG II 287

Verzeichnis: Handelsblatt - Grafiken Juli 2007 - Dezember 2012

- visuell-indikativer Verlauf der aktuellen Finanzkrise -

(Grafiken auf externer Datenträger-CD)

ANHANG III 300

Inhaltsanalyse nach Mayring von themenrelevanten Handelsblatt-Artikeln

07/2007-12/2012

Ergebnisse gem. Kodierleitfaden

Wissenschaftliches Programm: MAXQDA, incl. Basisleitfaden zur Programmnutzung

(Programm mit Inhaltsanalyse auf externer Datenträger-CD)

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TABELLENVERZEICHNIS Seite

01 Deutlicher Einbruch der Gewinnerwartungen bei US-Banken 017

02 Ausgewählte historische Publikationen 025

03 Dividendenzahlungen deutscher Banken 1872 029

04 Neugründungen Banken 1871-72 031

05 Anzahl der Bankenkonkurse in den Vereinigten Staaten von Amerika 037

06 Gesamtkurswerte und Emissionsvolumen in der Gründerzeit 040

07 Anzahl Banken und Bankauflösungen in den USA 1929-1934 053

08 Kodierleitfaden 060

09 Quantitativer Überblick der Kodierungen aus den Analyseeinheiten 063

10 Failed Bank List (FDIC 2009) 073

11 Job cuts at banks Oct. 2007 - Oct. 2008 083

12 Entwicklung der Kundenbeschwerden beim Ombudsmann 116

13 Zahl der erfassten Selbstmorde 1890 - 1893 177

14 Übersicht multipler Stressoren 186

15 Mögliche Reaktionen auf Stress 196

16 Entwicklung von Befindlichkeitsstörungen zu Erkrankungen 197

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS Seite

01 Abschreibungen auf Subprimekredite 016

02 Eingangstor Weltausstellung Wien 1873 032

03 Die Börsenkatastrophe in Wien am 9. Mai 1873 033

04 Kursentwicklung deutscher Aktien ab 1871 041

05 Andrang von Kunden vor der Sparkasse der Stadt Berlin am 13. Juli 1931 047

06 Titelseite der Tageszeitung „Vorwärts“ vom 13.Juli 1931 047

07 Filiale der Darmstädter und Nationalbank 1931 048

08 Anzahl relevanter HB-Artikel auf Monatsbasis 07/2007-12/2012 056

09 Das Handelsblatt weiterhin deutlich vor Welt und FTD 057

10 Handelsblatt dominierend bei Entscheidern 058

11 Kursverfall bei internationalen Bankaktien 067

12 Entwicklung der Marktkapitalisierung internationaler Banken 068

13 Börsen in Rezessionen 070

14 Kein Ende des Bankensterbens in den USA in Sicht 076

15 Credit Default Swaps Europäischer Banken 2006-2012 098

16 Credit Default Swaps US-Banken 2006-2012 099

17 Deregulierung des Bankensektors 105

18 Auswirkungen strengerer Finanzregulierung 109

19 Auswirkungen regulatorischer Anforderungen 123

20 Handelsblatt-Frax. Der Jobmarkt-Index Banking & Finance 130

21 Neue Entlassungswelle schockiert Londons Banker 131

22 Stellenabbau in der Bankenbranche weltweit 133

23 Allensbacher Berufsprestigeskala 2013 138

24 Anteil der Beschäftigten mit Gratifikationskrise 169

25 Folgen von Gratifikationskrisen 170

26 Zwei Gruppen von Stressoren 185

27 Allostasis und Allostatic Load 189

28 Allostasis und Allostatic Load - stressbedingte physiologische Veränderungen 190

29 Die vier Typen der Allostatic Load 192

30 Chronischer Stress - Stressreaktionsmodell nach Selye 193

31 Alarm im Gehirn - Neuronale Veränderungen durch chronischen Stress 199

32 Kardiovaskuläre Risikofaktoren 201

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS Seite

33 Zusammenhang von Stress und Herzinfarkt 202

34 Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei chronischem Stress und Depression 203

35 Chronischer Stress und weitere Faktoren 204

36 Krankschreibungen in der Finanzbranche 2006 - 2012 206

37 Fehltage wegen psychischer Erkrankungen 207

38 AU-Tage und AU-Fälle aufgrund psychischer Erkrankungen 208

39 Stressoren in der Bankenkrise 212

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1 EINFÜHRUNG

1.1 ZIELSETZUNG

Mit dieser Arbeit soll der Zusammenhang zwischen Finanzkrisen und erhöhter

Gesundheitsgefährdung von Bankmitarbeitern dargestellt werden. Wenngleich in der

Forschung inzwischen umfangreiche allgemeine Literatur zum Zusammenhang zwischen

Belastungen und Konditionen am Arbeitsplatz sowie (befürchteter) Arbeitslosigkeit und ihren

gesundheitlichen Folgen existiert, sind branchenspezifische Untersuchungen des

Finanzsektors unter Einbindung ihrer spezifischen gesundheitsbeeinflussenden Merkmale

eher selten anzutreffen. Calnan, Wadsworth, May, Smith und Wainwright (2004, S.84f.)

fanden in einer Vergleichsuntersuchung zu arbeitspsychologischen Modellen

berufsgruppenspezifisch enge Zusammenhänge mit Stressmerkmalen. Dies deutet darauf hin,

dass hinsichtlich dieses Vergleichs vermehrt berufsgruppenspezifische Untersuchungen

vorgenommen werden sollten (Ulich/Wülser 2008). Das gilt umso mehr, wenn ein Bezug zu

branchenspezifischen, hier finanzwirtschaftlichen Sondersituationen hergestellt wird, in denen

Kreditinstituten und damit ihren Mitarbeitern eine tragende Rolle zukommt. Mit dieser

Dissertation wird ein Versuch unternommen, markante Belastungssteigerungen von

Bankangestellten in derartigen Krisen- bzw. Marktszenarien herauszuarbeiten und hieraus

einen Zusammenhang mit der Auslösung von Gesundheitsschädigungen bei dieser

Arbeitnehmergruppe herzuleiten. Im Zentrum dieser Arbeit steht also die Validierung der

folgenden Hypothese:

Es besteht eine positive Korrelation zwischen dem Auftreten von Bankenkrisen, ihrer

Effekte und Intensität mit der gesundheitlichen Belastung von Bankmitarbeitern.

1.2 GEGENSTAND & BEGRIFFE

Begünstigt durch den Aufschwung des Industriekapitalismus und den stark zunehmenden

Nah- und Fernhandel entstanden ab Anfang des 19. Jahrhunderts große Bank- und

Handelshäuser, die sich einerseits auf die Finanzierung von Handel und Export, andererseits

auf die Finanzierung von Fabriken spezialisierten. So bildete sich nach und nach eine enge

Verknüpfung zwischen der zunehmend an Bedeutung gewinnenden gewerblichen Produktion

sowie dem Warenhandel und der Kreditwirtschaft heraus. „Diese Verknüpfung trug von

Anfang an spekulative Züge, da alle Marktteilnehmer von steigenden Preisen und Gewinnen

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ausgingen [...] Damit trat auch die seit längerem bekannte Arbitrage, also die spekulative

Ausnutzung von Preisunterschieden an den Finanzmärkten in eine neue Phase ein, da diese

nun nicht mehr ein ökonomisches Randphänomen war, sondern in das Herz des

gesamtwirtschaftlichen Prozesses vordrang.“ So verbanden und verbinden sich Phänomene

der Spekulation mit gesamtwirtschaftlichen „Störungen“ geradezu zwangsläufig zu

Hauptfaktoren von Wirtschaftskrisen. Diesen Zusammenhang geben die Konjunkturzyklen

wider, „indem sich in ihnen die kumulativen Effekte von Produktionsausweitung,

Kreditwirtschaft und Spekulation jeweils krisenhaft niederschlagen.“ (Plumpe 2011, S. 43f.)

Mit der rasanten Entwicklung des internationalen Welthandels ab dem 19. Jahrhundert ging

die Ausprägung von derartigen Konjunkturzyklen einher, in denen die großen

Wirtschaftskrisen jeweils „einen scharfen Einschnitt bildeten“. Bereits in dieser Epoche war

wesentliches Merkmal von Wirtschaftskrisen, „dass sie als Rückschlag gegen eine

vorangegangene spekulative Haussebewegung und zu rasche Ausweitung des

Wirtschaftskörpers nicht partiell, sondern als Kombination verschiedenartiger Krisentypen,

als Geld-, Kredit-, Kapital-, Handels-, Industrie- und Agrarkrisen vereint aufgetreten sind und,

wenn auch von Land zu Land [...] in verschiedenen Erscheinungsformen und in

verschiedenem Ausmaß, auf sämtliche Bereiche des wirtschaftlichen Lebens unmittelbar oder

mittelbar eingewirkt haben. Es sind allgemeine Wirtschaftskrisen auch insofern, als sie den

Rahmen der nationalen Volkswirtschaften sprengen und die aus der extensiven Ausweitung

und zunehmenden inneren Verflechtung des zwischenstaatlichen Verkehrs [...] entstandene

Weltwirtschaft in ihren Bann ziehen.“ (Rosenberg, 1934, S. 5) Bereits seit dem Ende des 18.

Jahrhunderts waren Wirtschaftskrisen stets international ausgeprägt, „spätestens seit den

1850er Jahren handelte es sich jeweils potentiell um Weltwirtschaftskrisen, [...].

Wirtschaftskrisen zählen zu den wiederkehrenden, prägenden Ereignissen der Geschichte;

ihre Bedeutung war und ist häufig so groß, daß sie weit über das wirtschaftliche Geschehen

hinaus ausstrahlen und ernsthafte politische und soziale Probleme auslösen.“ (Plumpe 2011,

S. 7, S. 13)

Zur Definition von Finanzkrisen erklären Budzinski, Jasper und Michler (2005):

„1. Begriff: Meist innerhalb kurzer Zeit auftretende gravierende und nicht-temporäre

Verschlechterungen in den Ausprägungen von wesentlichen Finanzmarktindikatoren

(Wertpapier- und Wechselkurse, Zinsen, Bonitätsbewertungen etc.), die massive und

andauernde realwirtschaftliche Folgen nach sich ziehen können. Das Phänomen der

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Finanzkrisen ist außerordentlich vielgestaltig und begrifflich schwer zu fassen. Finanzkrisen

sind ein historisch immer wieder auftretendes Phänomen.

2. Arten: (Hinsichtlich des Grades der in ihnen zum Ausdruck kommenden Marktanomalie):

a) Informationskrise: Oftmals liegt lediglich eine (evtl. aufgestaute) Verschlechterung der

Fundamentalwerte einer Finanzkrise zugrunde, die eine Wertkorrektur der entsprechenden

Wertschriften zur Folge hat. Durch zunächst korrigierende Eingriffe oder unzureichende

Informationsdiffusion kann es zu Verzögerungen der Anpassungen (Hysterese) kommen, die

sich schließlich bei Versagen der Korrektur oder Eintreffen der Information krisenartig

entladen, wobei Überschießungseffekte auftreten können. Diese Form der Krise hat im

Wesentlichen langfristig stabilisierenden Charakter und kann nicht als Marktanomalie

bezeichnet werden, wenngleich hiermit oftmals schmerzliche Auswirkungen für die

Betroffenen verbunden sind.

b) Spekulationskrise: Anders verhält es sich dann, wenn die Dispositionen der

Finanzmarktakteure sich nicht an Fundamentaldaten ausrichten, sondern durch die allgemeine

Marktentwicklung oder das Verhalten anderer Marktteilnehmer bedingt sind. In diesem Fall

ist oftmals eine irrationale spekulationsorientierte Sozialdynamik mit einem hohen Ausmaß

an Mitläuferspekulation zu beobachten, die zu einer im Wege einer positiven Rückkopplung

immer weiter zunehmenden Divergenz zwischen Fundamental- und Finanzmarktwerten führt.

Auf diese Weise kommt es zum Entstehen einer sog. 'spekulative Blase', deren Zerplatzen

krisenhafte Erscheinungen nach sich zieht.

3. Ausbreitung: Die Gefahr der Ausbreitung einer zunächst einzelwirtschaftlich oder lokal

begrenzten Finanzkrise auf die gesamtwirtschaftliche Ebene wird als Systemrisiko bezeichnet.

Neben der Intensität und dem Gewicht der Initialkrise tragen der Grad der Verflechtung der

Finanzmärkte, die Bedeutung der Mitläuferspekulation, die Marktüblichkeit bestimmter

Finanzinstrumente (Derivate) sowie marktstrukturelle Gegebenheiten (Anteil fungibler

Portfolioinvestitionen im Verhältnis zu Direktinvestitionen) zum Systemrisiko bei.“

Somit kann der Begriff „Finanzkrise“ als Oberbegriff für verschiedene Erscheinungsarten wie

Banken-, Währungs-, Liquiditäts- und Finanzsystemkrisen gelten, die sich gegenseitig

bedingen und überlagern bzw. gegenseitig auslösen und bis zu Wirtschaftskrisen verstärken

können, wodurch eine klare Unterscheidung nicht immer problemlos möglich ist. Daher wird

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in dieser Dissertationsschrift für die im Mittelpunkt stehende Bankenkrise im Verlauf der

Begriff „Finanzkrise“ synonym verwendet.

Ein maßgebliches Charakteristikum von Bankenkrisen ist der Verfall der Stabilität der

agierenden Schlüsselinstitutionen des Finanzsystems. Hierzu stellt Crockett (1996, S.531)

fest:

„Stability requires (1.) that the key institutions in the financial system are stable, in that there

is a high degree of confidence that they can continue to meet their contractual obligations

without interruption or outside assistance;[…].“ So definieren Rürup, Gruescu und Hummel

(2009) Bankenkrisen als „krisenhaften Zustand des Geld- und Kreditwesens eines Landes, der

gekennzeichnet ist durch Illiquidität und Vertrauensverlust in Kreditinstitute.“ Dies

korrespondiert mit Jacob Goldschmidt, 1931 Generaldirektor des zweitgrößten deutschen

Finanzinstituts, der Danatbank (Darmstädter und Nationalbank), der seinerzeit erkannte, dass

die damals grassierende Bankenkrise „zu einem großen Teil auch ihre psychologischen

Wurzeln hat, und dass es darum gilt, eine neue Vertrauensbasis zu schaffen.“ (Priester 1932,

S. 66)

Damals wie heute standen und stehen insbesondere Banken in ihrer originären Aufgabe und

Geschäftstätigkeit als Medium zur Transformation und Weiterreichung von Anlagekapital zu

Finanzierungen im Zentrum volkswirtschaftlicher Aktivitäten. Führen Ungleichgewichte und

Überbewertungen wie z.B. Spekulationsblasen und deren Zerplatzen zu außerordentlichen

Marktbewegungen, sind Finanzinstitute und damit ihre Mitarbeiter regelmäßig direkt oder

indirekt involviert und betroffen.

1.3 EINLEITUNG

1.3.1 AUSGANGSLAGE

Die von den Finanzmärkten durch das Platzen der US-Immobilienblase seit Mitte des Jahres

2007 ausgehenden Turbulenzen, die sich zu einer weltweiten Banken-, Finanz- und

Wirtschaftskrise ausgeweitet haben, schlagen seither in den die Finanzkrise auslösenden

Finanzsektor zurück. So sind in der aktuellen Krise seit 2008 Bankschließungen und

-übernahmen vor dem Hintergrund hoher Verluste durch Abschreibungen auf

bonitätsschwache, verbriefte Immobilienkredite, sog. „Subprime“- Positionen, gefolgt von

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zunehmenden staatlichen Regulierungsmaßnahmen zu beobachten. Diese veranlassen bzw.

zwingen das Management betroffener Geldinstitute zu strukturellen Maßnahmen mit dem Ziel

der Stabilisierung bzw. Rückkehr in die Gewinnzone, um den langfristigen Bestand des

Unternehmens zu sichern, wie u.a. die nachfolgende Zitate aus der Finanzwelt belegen. In der

Ausgangslage sollen so zunächst die strukturellen Veränderungen des internationalen Finanz-

bzw. Bankensektors betrachtet werden, gefolgt von den daraus resultierenden Effekten für den

branchenspezifischen Personalkörper in der Perspektive der internationalen Finanzzentren.

1.3.2 ABSCHREIBUNGEN UND STRUKTURELLE VERÄNDERUNGEN IM

BANKENSEKTOR1

Bereits in 2007 im Umfeld der Subprimekrise verdichteten sich die Zeichen für einen

bevorstehenden und grundlegenden strukturellen Wandel der globalen Bankenbranche als

Vorbote eines jahrelang währenden Belastungsszenarios, der in einem Artikel aus dem

Handelsblatt2 zusammenfassend beschrieben wird:

„Der Finanzbranche steht im kommenden Jahrzehnt eine Konsolidierungswelle rund um den

Globus bevor. Vor allem grenzüberschreitende Fusionen werden nach Einschätzung der

Wirtschaftsberatungsfirma Boston Consulting Group (BCG) an Bedeutung gewinnen. Der

Grund: Banken und Finanzdienstleister in reifen Märkten leiden unter dünnen Margen und

hohen Kosten. Mit dem Sprung ins Ausland schaffen sie sich Zugang zu stark wachsenden

Märkten - etwa in Osteuropa. 'Wir gehen davon aus, dass es weltweit im Finanzsektor zu

deutlich mehr Übernahmen kommen wird', sagt Reinhold Leichtfuss, Senior Partner bei BCG.

'Wir werden in den kommenden Jahren weitaus globaler aufgestellte Banken sehen',

prophezeit auch Dirk Notheis, Ko-Chef des deutschen Investment-Bankings von Morgan

Stanley.

Weltweit kam es nach Zahlen von BCG seit 2002 in der Branche zu mehr als 3 000

Übernahmen und Beteiligungen. In Summe entspreche dies einem Volumen von über einer

Bill. Dollar. Dabei handelte es sich in erster Linie um größere und mittlere Häuser, die sich

etwa in Teilsegmenten verstärkten oder kleinere Rivalen kauften. BCG geht davon aus, dass

künftig größere Transaktionen häufiger werden und damit auch grenzüberschreitende

1 vgl. auch diverse wirtschaftshistorische Beiträge in ANHANG I, z.B. Berliner Börsen-Zeitung vom 24.

September 1873, S. 3: S. 244 2 Dieser Artikel ist Bestandteil der Inhaltsanalyse mittels MAXQDA, der hier umfassend präsentiert wird, da er

die Situation treffend wiedergibt.

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Fusionen.

Ein Beleg für diese These ist die Übernahme der Münchener Großbank HVB durch Unicredit

für rund 20 Mrd. Euro vor gut zwei Jahren. Das Reizvolle für die Italiener dabei: der Zugang

zum wachstumsträchtigen Osteuropageschäft der HVB-Tochter Bank Austria. [...]

Doch nicht nur der Zwang zur Globalisierung dürfte künftig dafür sorgen, dass sich das

Fusionskarussell in der Finanzbranche schneller dreht. BCG erwartet, dass Banken und

Versicherer künftig häufiger ins Visier von Hedge-Fonds und Private-Equity-Häusern

geraten. Damit werden auch Aufspaltungen - wie zuletzt bei ABN Amro - häufiger auf der

Tagesordnung stehen. Die Niederländer waren nach einem monatelangen Bieterwettstreit für

die Rekordsumme von 72 Mrd. Euro von einem Dreierkonsortium übernommen worden. Die

neuen Eigentümer, Royal Bank of Scotland, Santander aus Spanien sowie der Benelux-

Konzern Fortis, teilen nun das Traditionshaus unter sich auf. 'Diese Zerschlagung hat eine

neue Form der Übernahme gezeigt, die das Heben größerer Synergien erlaubt', sagt

Bankenexperte Leichtfuss. Damit drohten Großbanken künftig neue Gefahren. [...].“

(HB, 15.11.07, S. 28: Privatkundengeschäft: Der Konkurrenzkampf der Banken wird härter.

Übernahmewelle steht bevor, Hans G. Nagl, Frankfurt/Main)

Auch die internationale Wirtschaftssozietät Bain erwartete eine Zunahme der Fusionen und

Aufspaltungen. „Die Krise wird sich ausweiten und besonders kleine und mittlere Banken in

ihrer Existenz bedrohen“, so ein Experte des Unternehmens. Deshalb erwarte Bain „eine

stärkere Konsolidierung. “ (HB, 4.2.08, S. 21: Landesbanken droht Stellenabbau, Peter

Köhler, Frankfurt/Main)

Wesentlicher Auslöser und Treiber dieser strukturellen Veränderungen sind die hohen

Abschreibungen bei internationalen Banken, die sie in Folge des Einbruchs des US-

Immobilienmarktes auf ihre Subprime-Positionen vornehmen mussten, wie in der

nachfolgenden Grafik (Abb.1)3 dargestellt.

3 Diese Grafik ist Bestandteil der Inhaltsanalyse mittels MAXQDA und wird komplett wiedergegeben, da sie die

Situation treffend visualisiert.

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Abb. 1: Abschreibungen bei internationalen Banken in Folge der Subprimekrise

Quelle: HB, 31.01.2008, S. 01, Wer am härtesten betroffen ist.

Ein weiterer Hinweis hierzu findet sich im nachfolgenden Zitat aus dem Handelsblatt4:

„55 Prozent der Verluste seien bei US-Instituten angefallen, schätzt die japanische

Finanzaufsicht FSA. Europa rangiert dahinter mit Verlusten von 78,5 Mrd. Dollar. In Asien

und Kanada mussten die Finanzinstitute hingegen zusammen nur knapp 14 Mrd. US-Dollar

abschreiben, sagte FSA-Chef Takafumi Sato am Montag in Tokio. Es ist die weltweit erste

offizielle Schätzung der bereits aufgelaufenen Verluste. Hoffnungen, die Finanzkrise werde

sich mit der Vorlage der testierten Jahresabschlüsse beruhigen, sind endgültig vom Tisch.

Angesichts weiterer Preisrückgänge für strukturierte Wertpapiere stufen Analysten die

Ertragsaussichten der Banken weiter nach unten. So senkten die Analysten von Morgan

Stanley gestern ihre Gewinnprognosen für die größten US-Banken um insgesamt 8,8 Mrd.

Dollar. “ (HB, 11.03.08, S. 1: Banken im Abwärtsstrudel. Bereits 215 Mrd. Dollar Schaden

aus der Kreditkrise bei Instituten aufgelaufen, Frankfurt/Main)

4 Dieser Artikel ist Bestandteil der Inhaltsanalyse mittels MAXQDA, der hier umfassend präsentiert wird, da er

die Situation treffend wiedergibt.

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Tab. 1: Deutlicher Einbruch der Gewinnerwartungen bei US-Banken

Quelle: HB, 27.02.08, Düstere Aussichten5

Auch nach dem „Private Banking Survey“ von McKinsey brachen die Gewinnmargen im

Privatbankensektor im zweiten Krisenjahr 2009 auf 20 Basispunkte ein, vor der Krise lagen

sie bei 35 Basispunkten. (mckinsey.com, 2011)

Im selben Jahr 2011 findet sich im Handelsblatt6 folgendes allgemeineres Zitat:

„Die Zeit des Schönredens ist vorbei - zumindest bei den Banken. Keine andere Branche

spricht in diesen Tagen derart offen über ihre Befindlichkeit wie das Geldgewerbe. 'Das

Banking befindet sich mitten im größten Veränderungsprozess seit Generationen', sagt Urs

Rohner, Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse. “ (HB, 9.9.2011, S. 1: Das große

Bankenbeben, Nicole Bastian, Jens Münchrath, Düsseldorf/ Frankfurt/Main)

5 Diese Grafik ist Bestandteil der Inhaltsanalyse mittels MAXQDA und wird komplett wiedergegeben, da sie die

Situation treffend visualisiert.

6 Auszug aus der Inhaltsanalyse des Handelsblattes

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1.3.3 AUSWIRKUNGEN DER STRUKTURELLEN VERÄNDERUNGEN IM

BANKENSEKTOR AUF DEN PERSONALBEREICH

„Die Veränderungen im Bankgewerbe vor dem Hintergrund der aktuellen Krise sind für alle

Beteiligten deutlich zu spüren: Erheblicher Kosten- und Vertriebsdruck, große und zahlreiche

kleine Bankenfusionen.“ (Bremer 2010)

Den Entwicklungen von deutlichen Gewinnrückgängen und -einbrüchen zu begegnen, werden

insbesondere Aktivitäten zur Kostensenkung und Rentabilitätssteigerung initiiert, hierbei

setzen die Unternehmenslenker in erster Linie die Instrumente des Arbeitsplatzabbaus in

seinen verschiedenen Varianten wie z.B. Kündigungen, Vorruhestand und

Vertragsaufhebungen sowie Kürzungen der Bezüge ein. Zudem werden die internen

Leistungsziele für Mitarbeiter erhöht, das Arbeitsvolumen freigesetzter Mitarbeiter auf die

verbliebene Belegschaft verteilt, was wiederum zu Verunsicherung dieser „Survivor“

hinsichtlich ihrer Chance zur Erfüllung der gestiegenen Anforderungen führt. (Burke/Nelson

1998, S.22 /Hartley et al. 1991)

Zum Thema „Personalpolitik in konjunkturschwachen Zeiten“ identifizierte bereits in 2003

eine branchenübergreifende Umfrage des Fraunhofer Institutes für Arbeitswirtschaft und

Organisation (IAO) unter Geschäftsführern und Personalverantwortlichen von 3500

Unternehmen als wichtigstes strategisches Ziel mit 46% die „unternehmensweite

Kostenreduzierung“, wohingegen das Ziel „Erhalt des Humankapitals“ mit 11% weit

abgeschlagen hinter weiteren prioritären Zielen zurückblieb. Hinsichtlich der Maßnahmen zur

Erreichung des zentralen Kostensenkungsziels nannten die Befragten die Rückführung von

Personalkosten mit 66% am häufigsten. (Buck 2003, S.25ff.) Bereits zu Beginn der aktuellen

Krise kündigte die Bank of America an, 4000 Stellen zu streichen, um 800 Millionen Dollar

einzusparen. (HB, 27.9.07, S. 22: Bank of America streicht 4000 Stellen, New York)

Mit Blick auf diese Maßnahmen sah ein Experte der internationalen Wirtschaftsberatung Bain

bereits Anfang 2008 deutliche Veränderungen bei allen Banken voraus: „Personal und IT

sind die größten Kostenblöcke. Die Auslagerung von ganzen Betriebseinheiten wird in

Zukunft noch intensiver diskutiert werden."(HB, 4.2.08, S. 21: Landesbanken droht

Stellenabbau. Peter Köhler, Frankfurt.)

Aus der Sicht des Harvardprofessors Jeffrey Pfeffer (1998/2007), die er in

populärwissenschaftlichen Büchern zusammengefasst hat, ist die Fokussierung auf die

Reduzierung direkter Kosten durch Unternehmensführungen nicht weit genug gedacht. Zwar

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mag der Kostenschnitt kurzfristig zu einer Stabilisierung der betroffenen Unternehmen

führen, es werden aber zwei wesentliche Aspekte nicht (ausreichend) berücksichtigt, die den

Erfolg der Maßnahmen durch die mögliche mittelfristige Auslösung indirekter Kosten in

Frage stellen:

1) Im Umfeld von Arbeitsplatzabbau und Kürzung von Bezügen steigt die Bereitschaft von

Mitarbeitern, das Unternehmen von sich aus zu verlassen. Meistens verliert das Unternehmen

auf diesem Wege zuerst die besten Mitarbeiter, die von Wettbewerbern gesucht werden.

2) Die Motivation verbleibender Mitarbeiter wird deutlich beschädigt, ihr Engagement lässt

erheblich nach, die Einstellung/Corporate Identity gegenüber dem Unternehmen

verschlechtert sich, was in Extremfällen bis zur Sabotage führen kann.

Demgegenüber kommentiert Hans G. Nagel 2008 im Handelsblatt die durch die Bankenkrise

angetriebene Bankenkonsolidierung mit den Worten: „Es muß wehtun. Das Wort

Konsolidierung wird häufig verwendet, wenn es um Banken geht. Was es bedeutet, kümmert

aber kaum jemanden. Der Duden spricht von der Sicherung des Bestandes. Doch dafür ist

einiges an Veränderungen nötig - in erster Linie der Abbau von Überkapazitäten und

ineffizienten Strukturen. Denn nach wie vor gibt es in Deutschland zu viele Banken und

Filialen. Wenn selbst in kleineren Orten vier Institute im Abstand von 50 Metern vertreten

sind, spricht das Bände. Nicht zufällig sind heimische Banken unrentabler als etwa britische.

Will man also in Deutschland eine starke, international wettbewerbsfähige Finanzbranche,

wird man um nationale Zusammenschlüsse kaum herumkommen.

Doch bereits hier ist es mit der Einigkeit vorbei. Da sind an erster Stelle die Gewerkschaften.

Noch bevor sich überhaupt eine konkrete Konstellation abzeichnet, haben sie sich positioniert.

Inländische Zusammenschlüsse sind in ihren Augen Teufelswerk. Kein Wunder: Glaubt man

Bankern, dürften bei einer Fusion zehn bis 25 Prozent der Arbeitsplätze wegfallen - im

Extremfall also einige Zehntausend Stellen. Ergo setzen Verdi und Co. auf

Zusammenschlüsse mit ausländischen Mitbewerbern. Die Hoffnung: Diese verzichten auf

Personalabbau.

Ein Irrglaube, wie das Beispiel der von Unicredit übernommenen Münchener HVB belegt.

Hier wurde die Bank zerlegt. Abwicklungsprozesse wurden nach Osteuropa verlagert oder

ausgegliedert, Leitungsfunktionen nach Mailand verschoben. Auch die Belegschaft wurde

reduziert - wenn vielleicht auch nicht in gleichem Maße wie bei einer inländischen Fusion.

Tatsache ist: Es geht gar nicht ohne Personalabbau. Und die Unterschiede zwischen

inländischen und grenzüberschreitenden Fusionen werden Stück für Stück verschwinden.

Denn Europa wächst zusammen, das gilt auch für seine Finanzmärkte. Wer die

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länderübergreifenden Synergiepotenziale nicht nutzt, wird abgestraft. Im schlimmsten Fall mit

der eigenen Übernahme oder Zerschlagung - siehe ABN Amro. Deshalb wird die

Gewerkschaft Verdi mit ihrer Forderung, betriebsbedingte Kündigungen auf Jahre

auszuschließen, auf Granit beißen. Kein Management kann sich seine Handlungsoptionen in

einer Phase tiefgreifender Umwälzungen so beschneiden lassen. [...]

Eines aber muss allen klar sein: Konsolidierung wird Einschnitte und Arbeitsplatzverluste

bedeuten. Alternativen gibt es nicht. Es sei denn, man will die deutsche Finanzwirtschaft auf

längere Sicht in ihrem Bestand gefährden. “ (HB, 12.6.08, S. 8: Bankenkonsolidierung: Es

muß wehtun. Hans G. Nagel)

Auch in einem weiteren Handelsblatt-Artikel wird darauf hingewiesen, daß

Arbeitsplatzverluste im Bankgewerbe aufgrund der strukturellen Veränderungen

unvermeidbar seien:

„Auch die Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD) hält bei einer Konsolidierungswelle

Arbeitsplatzverluste im Bankgewerbe für unvermeidbar. 'Es ist klar, dass das Abschöpfen der

Effizienzpotenziale auch mit einem kurzfristigen Beschäftigungsabbau einhergeht', sagte

Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise, der die IFD vertritt, gestern. Deutschlands Banken

seien international zurückgefallen. Zusammenschlüsse seien nötig, um langfristig wieder

starke Spieler und damit neue Stellen zu schaffen.

Heise wollte sich nicht dazu äußern, wie hoch die Arbeitsplatzverluste ausfallen könnten.

Derzeit steht unter anderem das Citibank-Privatkundengeschäft hierzulande zum Verkauf,

zudem gilt die Abspaltung der Postbank aus dem Post-Konzern als wahrscheinlich. Und

schließlich verhandeln Finanzkreisen zufolge Dresdner Bank und Commerzbank über einen

Zusammenschluss. Der Gewerkschaft Verdi zufolge könnten Zehntausende von Stellen auf

der Kippe stehen. Deutschlandweit sind rund 580 000 Mitarbeiter im Finanzsektor

beschäftigt. [...] Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Turbulenzen an den Märkten dämpfte

die IFD. 'Die Kreditkrise und ihre Auswirkungen werden auch im Jahr 2008 das

beherrschende Thema an den Finanzmärkten sein', hieß es.“ (HB, 3.7.08, S. 22: Banken

erwarten Jobabbau, Frankfurt)

Stefan Frank, Partner bei Bain in Deutschland, prognostizierte Ende 2008 mit ähnlichem

Tenor: „Nicht 2009, sondern 2010 wird operativ das schwierigste Jahr für die Banken“. Um

den Ergebnisrückgang aufzufangen, seien vor allem „personalwirtschaftliche Maßnahmen“

notwendig. Dabei könnten bis 2012 schätzungsweise 150 000 bis 180 000 Arbeitsplätze

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verlorengehen, und es würden noch maximal 530 000 Jobs verbleiben. (HB, 17.12.08, S. 26:

Aufs Glatteis geraten, Peter Köhler/Robert Landgraf/Hans G.Nagl, Frankfurt)

In dieses Bild fügte sich in 2009 die Mitteilung des seinerzeit neuen Vorstandsvorsitzenden

des global tätigen Schweizer Bankkonzerns UBS Oswald Grübel nach der Neubesetzung

nahezu aller wichtigen Managementpositionen auf der Generalversammlung, dass als

Reaktion auf weitere Milliardenverluste seines Unternehmens aus der Subprimekrise im

ersten Quartal des Jahres ein harter Restrukturierungskurs mit erheblichem Stellenabbau

unausweichlich sei. Mit dem geplanten Abbau von 8.700 Stellen war jeder achte Mitarbeiter

des Geldinstitutes betroffen. Dieser Teil eines einschneidenden Sparprogramms sollte eine

Kostensenkung von 3,5 bis 4 Mrd. Schweizer Franken im Vergleich zu 2008 erbringen.

(Financial Times Deutschland: Milliardenverlust- UBS setzt auf massiven Stellenabbau,

15.4.2009).

Nach einer im Dezember 2009 veröffentlichten Studie der International Labour Organization

ILO (UN) waren im Verlauf der aktuellen Wirtschaftskrise seit März 2008 weltweit

branchenübergreifend bereits 20 Millionen Arbeitsplätze verlorengegangen. Den Höhepunkt

dieser Entwicklung erwartete die ILO in 2010, der Stand vor der Krise sollte erst in 2013

erreicht werden. (Torres 2009)

Auf krisenbedingte hohe Abschreibungen und eingebrochene Gewinne reagierte ein in die

Bankenkrise involviertes internationales Kreditinstitut exemplarisch, indem es sich bereits in

2008 ein Restrukturierungsprogramm verschrieb, das das bisherige Geschäftsmodell durch ein

neues ersetzen sollte. Erklärte Ziele des neuen Geschäftsmodells: Klarere

Verantwortlichkeiten, neue Indikatoren zur Leistungsmessung, „Redimensionierung“

einzelner Unternehmensteile, höhere Flexibilität und Effizienz sowie gesteigertes

Kostenbewusstsein. Zur anstehenden Reorganisation des Institutes erklärte der Leiter des

Programms u.a.: „Im aktuellen Umfeld ist Sparsamkeit ein weiteres Muss. Gewinne werden

schwieriger zu erzielen sein, und der Faktor, den wir direkt am einfachsten beeinflussen

können, sind die Kosten. [...] Die Umgestaltung eines Dienstleistungsunternehmens wirkt sich

in erster Linie auf die Menschen aus, und es wird nicht nur Gewinner geben.“ (vertrauliche

Quelle)

In die gleiche Richtung deutet der folgende Handelsblattartikel:

„Die fetten Jahre sind erkennbar vorbei: Stuart Gulliver, der Chef der größten europäischen

Bank HSBC, kündigte kürzlich an, die Kosten um bis zu 3,5 Milliarden Dollar zu senken.

Jeder zehnte Beschäftigte verliert seinen Arbeitsplatz. Auch in Deutschland könnte es bald

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ungemütlich werden.“ (HB, 9.9.11, S. 1: Das große Bankenbeben, Nicole Bastian/Jens

Münchrath, Düsseldorf/Frankfurt)

Im Verlauf der anhaltenden Finanzkrise setzte sich der Personalabbau im internationalen

Finanzsektor fort, so wurden z.B. bei der Schweizer UBS in 2011 weitere 3.500 Mitarbeiter

entlassen (HB, 24.08.11, S. 34: UBS streicht Tausende Stellen, Holger Alich/Michael Maisch,

Zürich/London); bis Ende 2013 führte die Bank ihren Mitarbeiterbestand weiter von

ursprünglich 82.000 (2007) auf 60.000 zurück.(ubs.com 4.4.14: Über unsere Mitarbeiter)

1.3.4 AUSGANGSLAGE - VORGEHENSWEISE UND METHODIK

Mit Blick auf die Ausgangslage, in der verstärkt Meinungen und Zitate aufgeführt wurden,

um die aktuelle Situation plastisch darzustellen, wird im Folgenden die weitere

Vorgehensweise innerhalb dieser Studie beschrieben:

Basierend auf den Forschungsergebnissen dieser Arbeit soll folgende Hypothese

wissenschaftlich bestätigt werden:

HYPOTHESE

Es besteht eine positive Korrelation zwischen dem Auftreten von Bankenkrisen, ihrer

Effekte und Intensität mit der gesundheitlichen Belastung von Bankmitarbeitern.

Verifiziert werden soll dieser Zusammenhang

1.) mittels einer Inhaltsanalyse als Methode der empirischen Sozialforschung und einem

zentralen Teil dieser Arbeit.

(Die Methodik wird detailliert in Kapitel 3.1 (S.55ff.) beschrieben, die umfassende Erhebung

und Datenbank ist dieser Arbeit in Anhang III, S. 303 beigefügt.)

2.) anhand der angenommenen negativen Korrelation von Kursverläufen von Aktien des

Bankensektors in einer Bankenkrise mit den Zahlen des Arbeitsplatzabbaus in der Branche.

3.) durch vorliegende Studien aus dem Gesundheitswesen im Betrachtungszeitraum sowie

4.) durch die Analyse historischer Finanzkrisen zur Bestätigung von wiederkehrenden

krisenbedingten Belastungen von Bankmitarbeitern.

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Da sich bereits in der Wirtschaftsgeschichte markante Vorgänger der aktuellen Wirtschafts-

und Bankenkrise finden, soll neben der Betrachtung der aktuellen Finanzkrise zunächst

einleitend anhand von historischen Beispielen insbesondere mit Blick auf den Aspekt

krisenbedingt drohender bzw. eingetretener Arbeitslosigkeit der wiederkehrende Charakter

der stressauslösenden bzw. stressverstärkenden und schließlich gesundheitsbelastenden

Wirkung derartiger volkswirtschaftlicher Situationen dargestellt werden. Insbesondere wird

die Wiederkehr und Gleichartigkeit der Syptome von Finanzkrisen und ihren

Auswirkungen unabhängig vom Zeitpunkt ihres Auftretens im weiteren Verlauf dieser

Studie anhand von Querverweisen, einschlägigen Quellen sowie Berichten und Zitaten aus

historischen Finanzkrisen herausgestellt, wodurch schließlich die Kernaussage dieser Arbeit

bestätigt werden soll. In diesem Zusammenhang werden ausgewählte, besonders

eindrückliche Handelsblatt-Artikel aus der Inhaltsanalyse komplett und ungekürzt

wiedergegeben, um den theoretischen Kontext sowie den Zeitgeist anhand dieser Dokumente

zu illustrieren bzw. zu unterlegen (s. Literaturverzeichnis II).

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2 HISTORISCHER HINTERGRUND

In seiner Arbeit beleuchtet der Verfasser somit zunächst drei Banken- und Finanzkrisen im

historischen Rückblick und stellt sie vergleichend nebeneinander, um sukzessive die

angenommenen Parallelen in deren Ursachen, Charakter, Verlauf und Auswirkungen auf

Bankmitarbeiter herauszuarbeiten.

Vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen internationalen Tragweite und der epochal

unterschiedlichen Historien wurden die Krisen von 1873, 1929 und 2007 ausgewählt.

Damit werden die maßgeblichen Krisen aus drei aufeinanderfolgenden Jahrhunderten

analysiert und herausgestellt. Hierbei handelt es sich um die jeweils schwersten

Verwerfungen ihrer Epoche in Anbetracht ihrer länderübergreifenden Auswirkungen.

2.1 METHODIK HISTORISCHER TEIL

Für die Vorgänge um 1873 und 1929 wurde vom Verfasser stichprobenartig historische

Literatur zum Themenbereich herangezogen. Originale wurden an der Staatsbibliothek zu

Berlin und an der Österreichischen Nationalbibliothek Wien studiert.

Hierzu zählen u.a. detaillierte Analysen der historischen Jahresabschlüsse und

Geschäftsberichte ausgewählter deutscher Banken (u.a. Deutsche Bank, Dresdner Bank,

Commerzbank) mit ihren Kommentaren und dem jeweiligen Zahlenwerk. So wurden vom

Verfasser die Jahrgänge von 1929 bis 1932 komplett gesichtet.

Insbesondere über die Position der Personalkosten (in den ersten Dekaden enthalten in der

Position „Unkosten“) versuchte der Verfasser, mittels Zahlenreihen seit der Gründerzeit 1871

bis zur Weltwirtschaftskrise um 1929 einen Einblick in die Entwicklung des jeweiligen

Personalbestandes des betrachteten Kreditinstitutes vor dem Hintergrund der historischen

wirtschaftspolitischen Entwicklungen zu erlangen. Die Begleittexte aller Jahresabschlüsse des

Betrachtungszeitraumes wurden gezielt auf Hinweise zum Personalbestand analysiert.

Wesentliche inhaltliche Quellen bilden zudem zeitgenössische Magazine und Gazetten von

Arbeitgebern, Gewerkschaften und Mitarbeitern aus der Bankenbranche. So wurden vom

Verfasser die jeweiligen kompletten Jahrgänge fachspezifischer Publikationen des

fokussierten Betrachtungszeitraums 1929-1932 nach für diese Arbeit relevanten Inhalten

insbesondere zu den Themen „Bankmitarbeiter, Personalbestand, Arbeitsplatz“ durchsucht.

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In die Analyse eingeflossen sind Berichte und Artikel aus den folgenden zeitgenössischen

Publikationen:

Tab. 2: Ausgewählte historische Publikationen

QUELLE ZEITRAUM

GESCHÄFTSBERICHTE DER DIRECTION DER DEUTSCHEN BANK

Sechster Geschäftsbericht der Direction der Deutschen Bank 1875

Neunter Geschäftsbericht der Direction der Deutschen Bank 1878

DER ANGESTELLTE IM BANKGEWERBE GDA

Monatshefte - laufende Ausgaben 1929-1932

DIE BANK - MONATSHEFTE FÜR FINANZ- UND BANKWESEN

Monatshefte - laufende Ausgaben 1929-1932

MONATSHEFTE FÜR DIE BEAMTEN DER DEUTSCHEN BANK UND

DISCONTO-GESELLSCHAFT (DD-BANK)

Monatshefte - laufende Ausgaben 1927-1932

DER KAUFMANN IM BANKGEWERBE

Monatshefte - laufende Ausgaben 1929-1932

GESCHÄFTSBERICHT DER DRESDNER BANK

Jahrgänge 1929-1932

BANKBEAMTEN=ZEITUNG

Monatshefte - laufende Ausgaben 1929-1933

GESCHÄFTSBERICHT DER COMMERZ- UND PRIVATBANK

Jahrgänge 1929-1932

Besonders aussagekräftige Texte und Beiträge wurden extrahiert und im Anhang I als

eindrückliche Dokumentation der in den Wirtschaftskrisen um 1873 und 1929 für

Bankmitarbeiter herrschenden Gemenge- und Stimmungslage herausgestellt.

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Hieraus ergaben sich bemerkenswerte Parallelen zur aktuellen Bankenkrise, die eine wichtige

Basis zur Bildung, Prüfung und Validierung der Hypothese dieser Arbeit darstellen. Die so

abgeleiteten Annahmen führten zu ihrer Formulierung:

Es besteht eine positive Korrelation zwischen Bankenkrisen, ihrer Effekte und Intensität

mit der gesundheitlichen Belastung von Bankmitarbeitern.

Diese Aussage gilt unabhängig vom Zeitpunkt des Auftretens der jeweiligen Krise.

Je länger die Krise anhält, umso mehr Bankmitarbeiter sind betroffen.

Zur Validierung der Hypothese betreibt der Verfasser den Aufbau einer

branchenfokussierten Kausalitätskette „Bankenkrise - Strukturveränderungen im

Bankensektor - Stellenabbau - erhöhte gesundheitliche Belastungen für

Bankmitarbeiter“ auf der Basis von Forschungsergebnissen, in der das branchenspezifische

berufliche Umfeld als Gefährdungskulisse für die individuelle Gesundheit identifiziert wurde,

sowie zeitgenössischer Literatur und Berichterstattung.

In der nachfolgenden exemplarischen Analyse wird so zunächst anhand historischer

Krisenszenarien um 1873 und 1929 die historische Basis der Hypothese aufgezeigt.

Im weiteren Verlauf der Arbeit wird zur Validierung der Hypothese situativ ein Rückbezug

auf Parallelen der aktuellen Ereignisse zu vergleichbaren Vorgängen in der

Wirtschaftsgeschichte genommen.

2.2 EXEMPLARISCHE HISTORISCHE ANALYSE

2.2.1 HISTORISCHE FINANZKRISE 1873

Von allen Krisen des 19. Jahrhunderts war die Krise von 1873 die tiefgreifendste und

verheerendste. Keine der vorausgegangenen Krisen war derart international ausgeprägt. Die

Hauptschauplätze waren Deutschland, Österreich-Ungarn und die Vereinigten Staaten sowie

Frankreich, England und weitere Länder:

Nach der siegreichen Beendigung des 1870/71 ausgetragenen Krieges gegen Frankreich und

der Reichsgründung setzten sich in Deutschland die dynamischen wirtschaftlichen

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Entwicklungen und Aktivitäten einer bereits seit 1867 währenden Hochkonjunktur fort

(vgl.Wehler 1995, S. 96). Die hemmenden Schranken der Kleinstaaterei waren gefallen,

zudem war 1870 in Preußen die Konzessionspflicht für Aktiengesellschaften aufgehoben

worden (Oelßner 1949, S. 244f.), nachdem im Finanzsektor die Gründung von Aktienbanken

noch bis 1870 ausgeschlossen war, „da man in Berlin dieses Geschäftsmodell nicht für seriös

hielt. Bereits 1855 ging die Preußische Regierung gegen Aktien- und

Warenterminspekulanten vor; ihre Abwehr von Aktienbanken war z.T. auch eine Folge der

Beobachtung einer sich aufbauenden spekulativen Blase.“ (Plumpe 2011, S. 57) Das

Publikum aber glaubte an die Allmacht der „Assoziierung des Kapitals“, wofür sich das

Instrument der Aktiengesellschaft hervorragend eignete. Es kam erstmalig zu einem

Zusammenwirken größerer Geldinstitute, die sich zu bestimmten Zwecken zu Syndikaten

zusammenschlossen, um nach vollbrachten Projekten wieder auseinanderzugehen (Hübener

1905, S. 94). In Deutschland, aber auch in Amerika und Österreich setzte ein Gründungsboom

ein, neue Unternehmen schossen wie Pilze aus dem Boden. Im Deutschen Reich kam es

zwischen 1869 und 1873 zur Gründung von 186 Banken (Thamm 2006, S. 28) bzw. zwischen

1871 und 1873 zur Gründung von mehr als 900 neuen Aktiengesellschaften (Plumpe 2011,

S.63). Die meisten wurden in Berlin gegründet und fast alle an der Berliner Börse eingeführt.

In Österreich-Ungarn betrug die Zahl der Neuemissionen in 1871/72 vierhundert. Zum

Vergleich: In den gesamten achtzig Jahren von 1790 bis 1870 entstanden in Preußen

insgesamt nur ca. 300 derartiger Gesellschaften (Glagau 1875).

Unterstützt wurde diese Entwicklung durch die 5 Milliarden Goldfrancs Kriegsentschädigung,

die das Deutsche Reich im Versailler Friedensvertrag ausgehandelt hatte. Diesen

Liquiditätsschub setzte die deutsche Regierung zeitnah zur Tilgung von Kriegsanleihen ein,

wodurch diese Kontributionszahlungen neben der Vergabe von Staatsaufträgen über den

Kapitalmarkt in die deutsche Wirtschaft flossen, insbesondere in die Bau- und

Schwerindustrie. (vgl. Oelßner, 1949, S. 244ff.) Dies führte zu gewaltigen Investitionsströmen

und Güterbewegungen, maßgeblich der Eisenbahnbau schob die Nachfrage massiv an:

„Von 1867 bis 1873 wuchs das Streckennetz um 8.060 Kilometer, allein von 1870 aber um

5.053 auf 23.853 Kilometer an. Die Nettoinvestitionen hatten von 1866 bis 1869 854

Millionen Mark betragen, verdoppelten sich indes fast von 1870 bis 1873 um 708 Millionen

auf 1.562 Millionen Mark. [...] Dank der Rückkoppelungseffekte schnellte gleichzeitig die

Roheisenproduktion um 62% von 1,39 auf 2,22 Millionen Tonnen, der Stahlausstoß um mehr

als 50% von 1,04 auf 1, 58 Millionen Tonnen, die Steinkohlenerzeugung um 38% von 26,4

auf 36,4 Millionen Tonnen. Die Baukonjunktur nahm wegen der beschleunigten

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Urbanisierung ein Ausmaß an, das erst nach 1949 in Westdeutschland übertroffen wurde."

(Wehler 1995, S. 99)

Ähnliche Entwicklungen waren in England und den Vereinigten Staaten zu verzeichnen. (vgl.

auch Weltmontanstatistik 1929, S. 84f.) Die Börsen reagierten entsprechend, die Aktienkurse

zogen deutlich an und mündeten in ungezügelten Spekulationen insbesondere in

Anteilscheinen junger Unternehmen. Das Spekulationsfieber machten sich zunehmend

unlautere Kreise zunutze, indem sie neue Aktiengesellschaften gründeten, oft nur mit

kurzfristigen Darlehen finanziert und ohne irgendeinen tatsächlichen Substanzwert bzw. ohne

Ziel, diesen zu schaffen. Es wurde vielfach einzig auf steigende Aktienkurse fokussiert. (vgl.

Oelßner 1949, S. 252). „Die Agiotage blühte, Privatleute und Bankiers widmeten sich ihr. Sie

traten bei Gründungen als erste Aktionäre auf, trieben dann auf alle Weise das betreffende

Effekt in die Höhe, schlugen es los und kümmerten sich meist nicht mehr um dasselbe.

Manche vornehme Banken legten allerdings Wert darauf, nicht an der Emission wirklich

schlechter Werte beteiligt zu sein. Das Schicksal der neuen Gründungen war der Mehrheit der

Gründer ziemlich gleichgültig. Sie wollten nur an den Kursdifferenzen verdienen.“

(Hübener 1905, S. 89)

Der Aktienindex kletterte von 1870 = 96,4 auf 1872 = 193,1 Punkte. Dieser Indexstand wurde

erst in 1910 wieder erreicht. Mit dieser Entwicklung gingen inflationäre Tendenzen einher. So

sei der Roheisenpreis als wichtiger Indikator von 1870 (=100) bis 1873 um 108,7 Punkte

gestiegen, auch Großhandelspreise und Lebenshaltungskosten hätten deutliche Steigerungen

gezeigt. (Wehler 1995, S. 99) Nationalökonom Gustav Schmoller beschrieb dieses Umfeld

wie folgt: „Der Eisenbahnbau, die Bankgründungen, der Ausbau der Großstädte, die

Fortschritte im Bergwesen, in der Eisen- und Maschinenindustrie, im ganzen Welthandel

führten zu einer durch Aktiengründung, Effektenspekulation, Schwindel und Betrug

beispiellos gesteigerten wirtschaftlichen Fieberhitze.“ (Schmoller 1904, S. 478). Und der

Wirtschaftspolitiker Alfred Schäffle veranschaulichte das Szenario wie folgt: „Bank- und

Industriegesellschaften wurden in wildester Hast ins Leben gerufen. Der Born der

Konzessionen war unerschöpflich, die Konzessionsbehörde ließ denselben bald stärker, bald

schwächer fließen; infolgedessen entstand ein Konzessionsschacher, gegen den der berühmte

Tulpenzwiebelhandel Hollands als eine wahre Lappalie erscheint.“ (Schäffle 1886, S. 79)

„Börsenkontors schossen zahlreich aus der Erde, die jüngsten Bankgehilfen eröffneten einen

Laden, lösten eine Börsenkarte und handelten für das Publikum Effekten. Der Zudrang des

grossen Publikums zur Börsenpekulation war in den Jahren 1870-73 ein ganz ungeheurer. Die

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vielen neuen Effekten zogen die Kapitalisten an die Börse, die Banken erleichterten ihnen ihr

Geschäft an der Börse.“ (Hübener 1905, S. 67, 89)

In dieser Periode kam es zur Gründung von über 100 Aktienbanken (Wehler 1995, S. 99) und

mit ihr zur Einstellung einer Vielzahl neuer Bankmitarbeiter. Dabei erhöhten die bestehenden

Banken ihr Kapital und gründeten, zu Konsortien zusammengetreten, neue Banken an allen

grösseren Plätzen, „die neugegründeten Banken gründeten wieder neue.“ (Hübener 1905, S.

63) Häufig war die Gründung von Tochtergesellschaften auch zur Abwälzung von Verlusten

ein probates Mittel. Waren es zunächst klassische Kreditbanken, die entstanden, blieb man

mit den folgenden Neugründungen nicht lange bei diesem Zweige des Geschäfts: Junge

Banken, „die zu ganz anderen Zwecken gegründet waren, betrieben Handels- und

Spekulationsgeschäfte, also die Gründung neuer Aktiengesellschaften, die Umwandlung

bestehender Unternehmen in Aktiengesellschaften,“ (Hübener 1905, S. 63) die Emissionen

von Anleihen und Obligationen sowie den Aktienhandel für eigene und fremde Rechnung.

„Schaffung immer neuer Werte und Begünstigung des spekulativen Handels mit ihnen, das

waren bald die ausschließlichen Ziele der Politik fast aller Banken. Nur wenige Banken

hielten sich frei von dem neuen wagemutigen Geiste, die bestehenden Effektenbanken

huldigten ihm sämtlich, ebenso die Privatbankiers [...] Da war auch für Gewerbe- und

Hypothekenbanken die Versuchung groß, vom soliden Geschäfte abzugehen.“ (Hübener

1905, S. 63f.) Dank der florierenden Geschäfte sahen sich die Finanzinstitute in der Lage, von

1871 bis 1873 außergewöhnlich hohe Dividenden auszuschütten, so. z.B.:

Tab. 3: Dividendenzahlungen deutscher Banken 1872

Berliner Maklerbank 25,2%

Disconto-Gesellschaft 20,0%

Berliner Bankverein 16,0%

Berliner Handelsgesellschaft 12,5%

Schaaffhausenscher Bankverein 12,5%

Quelle: Wehler 1995, S. 99

In diesem Umfeld entwickelten sich außergewöhnliche Unternehmenskonstrukte, vor allem in

Berlin und Wien. „So wurden selbst Bauunternehmungen in Form von Baubanken gegründet,

um leichter mit ihnen die Spekulation betreiben zu können.“ (Hübener 1905, S. 89) Häufig

spekulierten sie unter dem Etikett der Bekämpfung der Wohnungsnot in Immobilien und

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Liegenschaften. „Nicht weniger als in Grundstücken wurde in Eisenbahnen spekuliert. In

Deutschland, Österreich-Ungarn und den Vereinigten Staaten waren die Eisenbahnaktien

wiederum das Hauptobjekt des Börsenspiels. Fast alle Gesellschaftsschichten nahmen an der

Spekulation teil.“ (Hübener 1905, S. 89) Durch neuartige Maklerbanken (Investmentbanken)

– anfänglich zur Rückdeckung von Zahlungsausfällen bei Spekulantenkrediten eingerichtet –

entstand durch die illegitime Aufnahme verbotener Spekulationsgeschäfte auf eigene

Rechnung ein weiterer Typ von Spekulationsbanken, der sich von Berlin aus rasch über alle

Börsenstädte Deutschlands und Österreichs ausbreitete (Hübener 1905, S. 89). „Durch diese

Banken wurde die Spekulation bis in die Reihen des Mittelstandes und sogar der

Minderbemittelten getragen.“ (Oelßner 1949, S. 252) Insbesondere die neueingeführten

Aktien von Eisenbahngesellschaften wurden dem Publikum angeboten. Waren es zunächst

vor allem „amerikanische Prioritäten, debütierte die Börse in Folge mit

Eisenbahnaktienaktien, von deren Existenz bisher Niemand in Deutschland eine Ahnung

gehabt hatte, wie Lüttich-Limburg oder Schweizer Union. Schon der Einführungscours ließ

auf den eigentlichen Werth der Waare schließen; aber eben dieser niedrige Cours verführte

zum Kaufen. 'Das Effect ist so billig, dass es steigen muß' , ließen die betheiligten Bankhäuser

austrompeten, woraufhin selbst der kleine Mann seine Sparpfennige hergab.“ (Glagau 1875)

„Auch Spekulanten kleinster Kapitalskraft konnten hohe Engagements eingehen, weil ihnen

der Kredit der Banken offenstand. Durch Zulassung von ratenweiser Bezahlung gelang es,

auch den kleinsten Besitzern, Knechten etc., Aktien aufzunötigen.“ Durch diese

Bereitstellungen im Report- und Lombardgeschäft heizten die Finanzinstitute die Spekulation

weiter an. (Hübener 1905, S. 89)

Eine besondere Rolle unter den Gründungsbanken spielte die „Quistorpsche Vereinsbank" in

Berlin. Dieses Institut emittierte an der Berliner Börse die Aktien zahlreicher Industrie-, Bau-

und Transportgesellschaften und besorgte deren finanzielle Geschäfte. Zahlreiche ähnliche

Banken entstanden in Wien. (Oelßner 1949, S. 252ff.)

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Tabelle 4: Neugründungen Banken 1871-72

Quelle: Wirth 1874, S. 489

Im Herbst / Winter 1872 kam es zu den ersten Anzeichen eines Nachlassens des Booms als

Folge deutlicher Überproduktion und der Ansammlung unverkäuflicher Waren. Die

Warnsignale mehrten sich, bis schließlich Ende April / Anfang Mai 1873 in Wien die erste

Panik ausbrach. Somit ging diese Krise zunächst von Österreich, mit einem zweiten Schub

von den Vereinigten Staaten aus. In Österreich hatten ebenfalls der Eisenbahnbau, exzessive

Immobilienpreise sowie die euphorischen Erwartungen an die Weltausstellung Anfang Mai

1873 unbeachtet der Warnsignale zu einer fast grenzenlosen Hausse geführt. In einem Umfeld

höchster Anspannung des Geldmarktes und weitgespannter Wechselreiterei vermochte die

Weltausstellung die Überproduktion nicht abzubauen. Bereits mit den ersten Insolvenzen

Ende April machte sich die Ahnung einer bevorstehen Katastrophe in Wien breit (Wehler

1995, S. 100).

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Abb. 2: Eingangstor Weltausstellung Wien 1873

Quelle: Michael Frankenstein, Wiener Photographen-Association, 1873

Am 1. Mai 1873 wurde die Weltausstellung eröffnet, am 5. Mai gab es einen ersten

Paukenschlag, als die „Franko-Ungarische Bank“ in Pest, die zwei Wochen zuvor eine

Dividende von 12,5% in Aussicht gestellt hatte, plötzlich von ihren Aktionären die

Einzahlung ausstehenden Kapitals einforderte. Als am 9. Mai das an sich unbedeutende

Wiener Bankhaus Mayersberg & Russow Insolvenz verkündete, zerbrach das schon

angeschlagene Vertrauen der Marktteilnehmer nun gänzlich (SPD PD 1931, S.21): Am 9. Mai

1873, dem „Schwarzen Freitag“, brach in Wien die Börsenkrise aus, zudem platzte die

Immobilienblase. Negative politische Nachrichten aus Frankreich und Vermutungen über eine

anstehende Börsenpanik in Paris hatten die Österreichische Kreditanstalt veranlasst, alle

Börsendepots zu kündigen, Kontokorrentkredite massiv einzuschränken und ad hoc ein

erhebliches Volumen von 20 Mio. Gulden in Wertpapieren zu verkaufen. Dem folgten

kurzerhand Zahlungseinstellungen weiterer Finanzinstitute. Unter dem Publikum brach

endgültig Panik aus, als auch das als solide geltende Kommissionshaus Petschek am 9. Mai

1873 seine Zahlungsunfähigkeit erklärte (Leitner 2008, S. 5). „Die eben noch so erfolgreichen

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Bankiers und Börsenhändler fürchteten um Freiheit und Leben.“ (Plumpe 2011, S. 7) Einem

Bericht einer Wiener Zeitung zufolge „fingierten einige Börsenhändler Selbstmord, indem sie

ihre alten Kleider an einer Brücke niederlegten und in neuen das Weite suchten.“ (Plumpe

2009) Unzählige Bankmitarbeiter verloren ihre Anstellung, bangten um ihr Vermögen und

ihren Arbeitsplatz. Zeitgenosse Joseph Neuwirth beschreibt die Situation:

„Am 9. Mai sistierte die Wiener Börse ohne weiteres ihren Verkehr und damit auch sich

selber. Die Börsenräume waren offen, aber nicht als ein Markt, sondern als ein Tummelplatz

der wildesten Leidenschaften. Nur pro forma und um der Reputation willen erschien ein mit

Gedankenstrichen statt mit Preisnotierungen ausgestatteter Kurszettel. All die kolossalen

Engagements, welche dem Ausbruch der Krisis vorangegangen waren, schwebten von da ab

förmlich in der Luft. Die Selbsthilfe, welche die Börse übte, bestand einfach darin, daß sie

sich, über Vernunft und Moral kühn sich hinwegsetzend, [...] der Erfüllung eingegangener

Verbindlichkeiten einfach entschlug. Das war der folgenschwere Ausgangspunkt jenes

Misstrauens, welches sich von da ab immer tiefer einfraß.“ (Neuwirth 1874, S. 251)

Dem folgten panikgetriebene Aktienverkäufe, in deren Verlauf die Kurswerte der

österreichischen Industrieaktien von Ende März bis Ende Oktober um durchschnittlich 50%

eingebrochen waren. Aktienkurse von Finanzinstituten traf es noch härter, so brach z.B. die

Notierung des Bankvereins im Betrachtungszeitraum um 90% ein. (Schäffle 1886, S. 75)

Abb. 3: Die Börsenkatastrophe in Wien am 9. Mai 1873

Quelle: Illustrirte Zeitung Nr.1564, Leipzig, 21. Juni 1873

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Diese Vorgänge wurden auch in der Finanzwelt in Deutschland interessiert verfolgt und

registriert. So kommentiert die „Berliner Börsen-Zeitung“ in ihrer Ausgabe vom 15. Mai 1873

(S.3):

„Das Misstrauen gehört entschieden zu den Krankheiten, welche epidemisch wirken; es zieht,

sich künstlich durch sich selbst vermehrend, schliesslich auch Vieles in seinen Kreis, was

dazu wenig Veranlassung giebt. Es wäre ja thöricht, leugnen zu wollen, dass die jetzige

Börsenkrisis in den thatsächlichen Verhältnissen vielfach begründet sei; allein man darf ohne

Weiteres behaupten, dass man die hiesige Börse nicht nach dem gleichen Maassstab wie die

Wiener beurtheilen darf. Es ist bei den hiesigen Gründungen auch manches Schlechte

untergelaufen, es ist namentlich sehr Vieles durch die Art der Umwandlung in Actien-

Unternehmen sehr beträchtlich vertheuert worden, allein jene grosse Menge lediglich fictiver

Werthe ohne jede reelle Basis, wie sie in Wien geschaffen sind, fehlt hier. Bei der Solidarität

der Börsen müssen ja die Wiener Vorgänge auch hier zurückwirken, allein zu dieser geradezu

verheerenden Wirkung, wie sie dort durch eine absolute Entwerthung mancher Papiere

auftritt, die man bis dahin mit Agio bezahlt hatte, liegt bei uns kein Grund vor. Misstrauen

wird vor Allem dadurch gebannt, daß man den Dingen klar und ruhig ins Auge sieht und nicht

durch irgend welche aussergewöhnliche Maassnahmen denselben neue Nahrung giebt. Wenn

man deshalb auch an der hiesigen Börse Vorschläge verschiedener Art machte, welche als

eine Ausgeburt des generellen Misstrauens anzusehen sind,[...] so möchten wir hiermit

entschieden vor allen derartigen Schritten warnen; dieselben könnten nur schlimm wirken und

den Eintritt einer wirklichen Crisis beschleunigen. Der trotz der grossen Verluste, welche zur

Zeit Jeder erleidet, noch immer gesunde Zustand unserer hiesigen Börse documentiert sich

vor Allem auch darin, dass das Misstrauen, wie gross es auch sei, noch immer gegen keinerlei

bestimmte Personen oder Namen richtet. Hauptsächlich grosse Verluste leiden ja bei der

Unrealisirbarkeit der meisten neuen Papiere gerade die grossen, soliden Commissionshäuser

und diejenigen Banken, welche für einen grossen Kundenkreis Papiere in Depot haben; von

diesen sind aber die ersteren in sich solide fundirt und die letzteren haben die vergangenen

günstigen Zeitverhältnisse zu so beträchtlichen Capital-Vermehrungen benutzt, dass für ihre

Solvenz nirgends Besorgnisse zu hegen sind. Wie gesagt - wir warnen vor

aussergewöhnlichen Maassnahmen und glauben, dass in ruhiger Beurtheilung der Sachlage

und in möglichster Coulanz unter einander das sicherste Mittel zu finden sein wird, über die

jetzigen schwierigen Verhältnisse hinwegzukommen.“

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Zu den von der Berliner Börsen-Zeitung angedeuteten „aussergewöhnlichen Maassnahmen“

in Wien zählte u.a. die per Kaiserlicher Verordnung vom 13. Mai 1873 erlassene zeitweise

Aussetzung der der Österreichischen Nationalbank vorgegebenen Beschränkung des

Notenumlaufs von 1872, mit der die „Bankakte7" von 1862 derart modifiziert worden war,

daß Noten bis zu einer Höchstgrenze von 200 Mio. Gulden ausgegeben werden durften; jede

weitere Emission bedurfte einer vollständigen Deckung in Silber oder Gold. (oenb.at) Diese

von der österreichischen Regierung veranlasste Verodnung wurde der Direction der

Nationalbank, die ihrerseits gar nicht um diese Maßnahme nachgesucht hatte, mit folgender

Note des österreichischen Finanzministers von Pretis zur Kenntnis gegeben:

„Es ist Eurer Excellenz wohl bekannt, daß die Regierung der gegenwärtigen anormalen Lage

des Geldmarktes ihre volle Aufmerksamkeit zugewendet hat und darauf bedacht war, im Falle

des wirklichen Bedürfnisses die erforderlichen außerordentlichen Mittel zu ergreifen, damit

die herrschende Krisis, welche bisher ausschließlich auf die Kreise der Börse beschränkt

blieb, sich nicht zu einer nachhaltigen Gefährdung des Handels und der Industrie steigere. Um

die nunmehr drohende Gefahr haben S. Majestät auf den [...] gestellten Antrag des

Ministerrathes die aus der Anlage ersichtliche allerhöchste Verordnung zu erlassen geruht,

mittelst welcher die Nationalbank ermächtigt wird, Wechsel zu escomptiren oder Effecten

statutenmäßig zu belehnen, ohne hinsichtlich der dafür ausgegebenen Notensummen an den

im zweiten Absatze des §14 des Gesetzes vom 18. März 1872 festgesetzten Betrag gebunden

zu sein. Indem ich mich beehre, Eure Excellenz hiervon in Kenntniß zu setzen, muß ich

ausdrücklich betonen, daß die Absicht der Regierung lediglich dahin gerichtet ist, durch diese

außerordentliche und selbstverständlich nur auf die Dauer der äußersten Nothwendigkeit

beschränkte Maßregel der Erschütterung des Vertrauens in den zahlungs- und creditfähigen

Kreisen vorzubeugen und größere Calamitäten abzuwenden. Ich darf mich wohl der sicheren

Erwartung hingeben, daß die Nationalbank von dem ihr hiermit eingeräumten Rechte nur

insoweit Gebrauch machen wird, als nothwendig ist, ernsten Verwicklungen vorzubeugen.“

(Wirth 1890, S.522)

Mit Blick auf diese Vorgänge schreibt die Berliner Börsen-Zeitung in ihrer Ausgabe vom 15.

Mai 1873 (S.3) hierzu:

„Alle heute aus Wien abgehenden Nachrichten stimmen darin überein, dass bisher weder

durch die Suspension der Bankacta noch durch das Zusammenschiessen des Garantiefonds

7 Mit Gesetz vom 27. Dezember 1862 wurde die direkte Kontingentierung des Notenumlaufes nach dem System

der Peelschen Bankakte eingeführt. Demnach musste der das fixe Kontingent von 200 Millionen Gulden

überschreitende Notenumlauf in Silber gedeckt sein. Das Gesetzeswerk nannte man in Analogie zu dem

englischen Peel’s Act von 1844 „Die Plenersche Bankakte“. (vgl. oenb.at / Wirth 1890, S.523)

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irgendeine reelle Besserung erzielt worden dei. Ja es wird ziemlich allgemein die Annahme

ausgesprochen, dass diese Besserung auch durch die erwähnten Maassnahmen schwerlich

werde herbeigeführt werden. Die wirklich nothleidenden Papiere, namentlich die der vielen

Emissions- und Bau-Banken werden doch keine Beleihung finden und die übernommenen

Verpflichtungen werden dadurch schwerlich geringer werden. Es steht sonach fast eine noch

weitere Verschlimmerung der Zustände in Wien zu erwarten. Kann dies auch für die übrigen

Börsenplätze nicht ganz ohne Wirkung bleiben, so haben wir doch schon in der

vorhergehenden Darlegung versucht, dass es uns als unberechtigt erscheint, wenn nach und

nach das Misstrauen auch hier epidemisch zu werden anfängt.

Aus Wien schreibt man uns unter dem 13. Mai: Bis heute Mittag war die Situation trostlos,

und schien es fast, als ob die gestern bereits signalisirte Insolvenz mehrerer Banken

unausbleiblich geworden sei. Das Vertrauen hatte gänzlich aufgehört, und wusste man nicht,

wer heute noch solvent sei, oder wer morgen die letzter Tage gekauften Effecten zu

übernehmen im Stande sein werde.

Die Depeschen von heute vormittag aus Wien meldeten, dass heute daselbst 65 Insolvenzen,

darunter die mehrerer Börsenmakler ersten Ranges sowie des Börsencomptoirs von Meyer

junior eingetreten seien. Die Börsenversammlung selber war in Folge davon sehr gelichtet

und die Stimmung ausserordentlich gedrückt; zu wirklichen Geschäftsabschlüssen kam es so

gut wie gar nicht. Wir nehmen Abstand, die Namen weiterer Firmen, die uns als insolvent

gemeldet werden, für jetzt zu nennen, da es in vielen Fällen sich doch doch wohl nur um

vorübergehende Stockungen handeln dürfte.“

In Deutschland wurde die Intensität des Einbruchs an der Wiener Börse also zunächst noch

als Österreich-spezifisches Problem abgetan und eher mit Verwunderung aufgenommen, als

als Warnsignal verstanden. Bereits im Juni war dann aber auch an der Berliner Börse eine

nachlassende Dynamik zu erkennen. „Ende Juli kam es zu Zahlungseinstellungen

angeschlagener deutscher Firmen. Daraufhin wurde auch für die reichsdeutsche Wirtschaft

ganz offen die Prognose einer unmittelbar bevorstehenden Krise gestellt. Der August verging

noch in trügerischer Ruhe, mancher atmete auf.“ (Wehler 1995, S. 100) Blieb die Krise also

zunächst noch auf Österreich beschränkt, brachen mit dem plötzlichen Sturz des

renommierten New Yorker Bankhauses Jay, Cooke & Co. am 18. September aufgrund seines

erheblichen Engagements im kaum mehr umsetzbaren Projekt der Northern Pacific Railroad

auch in den Vereinigten Staaten Bankenkrise und Panik aus, woraufhin die NYSE (New York

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Stock Exchange) für zehn Tage geschlossen wurde. (Augenzeugenbericht s. Anhang I, S. 250:

Berliner Börsen-Zeitung vom 4. Oktober1873, S. 3)

Tab. 5: Anzahl der Bankenkonkurse in den Vereinigten Staaten von Amerika

Jahr Anzahl

1871 2915

1872 4069

1873 5183

Quelle: Wirth 1874, S. 653

Die Berliner Börsen-Zeitung berichtet in ihrer Ausgabe vom 20. September 1873 (S. 1f.):

„London, 20. September, morgens: Aus New York wird dem 'Reuterschen Bureau' gemeldet:

Das Bankhaus Fisk & Hatch hat seine Zahlungen eingestellt, was indessen auf die

Obligationen der Central-Pacificbahn keinen erheblichen Einfluss gehabt haben soll. Vierzehn

andere Bankhäuser sind gefallen. An die Banken in Washington und Philadelphia werden

dringende Geldanforderungen gestellt. An der Börse herrscht grosse Aufregung. Der

Finanzminister hat angekündigt, dass er alle auf die Regierung laufenden Tratten bezahlen

werde.

London, 20. September, Vormittags: Reuter´s Bureau veröffentlicht folgendes Telegramm:

Der Finanzminister hat verfügt, heute zehn Millionen Dollars Bonds für die Staatskasse

anzukaufen. Die Banken in Philadelphia und Washington haben heute zum Theil ihre Bureaux

geschlossen.

Die Börse stand auch heute unter dem Einfluss der grossen Amerikanischen

Zahlungseinstellungen, welche gestern und heute telegraphisch gemeldet wurden. Es fehlen

zur Zeit noch alle genauen Angaben über die Tragweite und Ursachen dieser Stockungen,

selbst über die Aktiva und Passiva, wie sie in den einzelnen Fällen liegen, fehlen noch alle

Details. [...] Mit einem Wort, die Widersprüche sind im Augenblick so gross, dass man sich

noch gar nicht ein Urtheil darüber bilden kann, inwieweit die Europäischen Plätze wesentlich

ins Interesse gezogen erscheinen. Die Häuser, um deren Zahlungseinstellung es sich handelt,

verdanken ihre Grösse und Bedeutung wesentlich einer sehr ausgedehnten und, wie sich

nunmehr erweist, sehr waghalsigen Speculation , [...].“

Weitere relevante zeitgenössische Pressebeiträge im Anhang I, S. 241 ff. - d.Verf.

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„Das Finanzsystem stand am Abgrund. Sein Zusammenbruch konnte nur durch einen

gemeinsamen Rettungsakt der Banken und der New Yorker Handelsfirmen verhindert

werden: Man verabredete untereinander, kein Geld aus den Depots über einen bestimmten

Betrag hinaus abzuziehen. Höhere Summen wurden von den Banken nur quittiert und dann

einer neueingerichteten Clearing-Stelle des Finanzsektors vorgelegt. Die übergeordnete

Instanz sollte eine Gefährdung des Gesamtsystems verhindern. Dieses Clearing-System hatte

Erfolg.“ (Plumpe, 2009)

Auch die Zahl der Bankrotte in der amerikanischen Wirtschaft, die bereits seit 1871 deutlich

anstieg, dynamisierte sich nochmals deutlich. Diese Ereignisse schlugen sofort auch nach

England und Deutschland durch, zumal seit dem Bürgerkrieg 1865 ein Drittel des

amerikanischen Eisenbahnkapitals aus Europa mit einem erheblichen Anteil aus Deutschland

in die Vereinigten Staaten geflossen war. (Oelßner 1949, S. 256f.) So waren sukzessive die

Papiere von sechsundzwanzig amerikanischen Eisenbahngesellschaften wie z.B. Alabama-

Chattanooga, Pensinsular, Port Royal etc. an deutschen Börsen eingeführt worden. Dabei

handelte es sich um Papiere, die in Amerika selber häufig keine „Nehmer“ mehr fanden, aber

doch einen Zinsgenuß von acht bis zwölf Procent versprachen. Weil sie aber fast alle keine

Zinsen mehr zahlten, waren sie auf einen Bruchteil ihres Einführungskurses eingebrochen

bzw. wurden „viele gar nicht mehr notirt, da sie völlig unverkäuflich sind, denn die

betreffenden Bahnen haben Bankerott gemacht, oder sie liegen unvollendet in Ruinen da.“

(Glagau 1875)

Vor diesem Hintergrund begann das Fanal in Berlin mit dem Zusammenbruch der

Quistorpschen Vereinsbank (s.o.). Hatte sie als klassische Gründerbank 1872 noch 19%

Dividende ausgeschüttet (Oelßner 1949, S. 257, Glagau 1875), zog sie nun die

zweiundzwanzig mit ihr verbundenen Unternehmen mit in den Abgrund (Wehler 1995, S.

101). Denn alle von der „Vereinsbank“ mitgegründeten Gesellschaften waren mit ihr

verknüpft worden, „indem man ihren Actionären immer ein Bezugsrecht auf die neue

Emission einräumte und solches von ihnen auch stets benutzt ward [...] Die Börse glaubte an

Heinrich Quistorp, die Quistorpschen Werthe fanden ein ganz besonderes Ansehen, eine

außerordentliche Zugkraft; sie wurden von den Banquiers in der besten Absicht ihren

solidesten Kunden als hochfeine Capitalanlage empfohlen [...] Selbst nach dem Großen Krach

behaupteten sie noch eine Zeitlang ihren Nimbus, und als endlich auch die Vereinsbank fiel,

glaubte man in gewissen Kreisen, das Ende der Welt sei gekommen.“ (Glagau 1875)

Bereits im Vorfeld kamen Unsicherheiten hinsichtlich einer für unmöglich gehaltenen

Schieflage dieses Finanzhauses auf, die die Berliner Börsen-Zeitung am 24. September 1873

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auf ihrer Titelseite mit folgender, sich der sensiblen Situation bewussten Einschätzung

aufnahm:

„Wir dürfen ein Gerücht nicht ganz ignoriren, das schon seit Tagen hier circulirt und auch

einen wesentlichen Einfluss auf die Börse ausübte, namentlich für die Haltung derselben

heute entschieden bestimmend wirkte: wir meinen das Gerücht von Schwierigkeiten, welche

hinsichtlich der prompten Erfüllung der fälligen Verpflichtungen seitens der hiesigen

Quistorp´schen Vereinsbank und in Verbindung damit verschiedener von dieser Stelle aus

begründeten Unternehmen bestehen sollen. Es hat etwas sehr Peinliches, über derartige

Verhältnisse zu sprechen, wenn nicht ganz greifbare Thatsachen vorliegen, schon weil in

Zeiten des Misstrauens selbst fundirte Firmen und Institute unter der Erwähnung derartiger

Gerüchte nachhaltig leiden können. In diesem Falle müssen wir aber von unserem

Grundsatze, durch voreilige Besprechungen nicht störend einzuwirken, abgehen, theils weil

das Gerücht ganz allgemein verbreitet ist, theils aber auch, weil das Gerücht in seiner vaguen

Form entschieden übertreibt und deshalb doppelt nachtheilig wirkt. Wir erwähnen deshalb

vorweg als Thatsache, dass als die Börsenkrisis hereinbrach und viele Werthe dadurch

unrealisirbar wurden, die Quistorp´sche Bank in einem vergrösserten Maasstabe an andere

grosse Institute wegen Beschaffung liquider Mittel herantreten musste. In der Erkenntnis, dass

durch eine Zahlungseinstellung in diesem Falle ganz ausserordentlich weite Kreise in

Mitleidenschaft gezogen werden würden, wurde deshalb durch Eröffnung eines grossen

Credites zu Gunsten der in Rede stehenden Bank soweit intervenirt, als Garantien für die

Sicherheit der so discontirten Wechsel geboten werden konnten. Man hatte geglaubt, dass

dadurch schon damals alle Schwierigkeiten bleibend beseitigt sein würden. Diese Annahme

hat sich als unrichtig erwiesen, denn es trat in den jüngsten Tagen allerdings ein neuer starker

Geldbedarf von der angedeuteten Seite hervor. Nachdem es nunmehr aber gelungen ist, nicht

blos verstärkte Garantien für Gewährung eines weiteren Credites zu beschaffen, sondern auch

Einrichtungen zu treffen, welche eine Sicherheit gegen etwaige weitere Verlegenheiten und

für eine allmälige Liquidation und Abwicklung aller schwebenden Verbindlichkeiten

gewähren, darf nunmehr als feststehend angenommen werden, dass die Gründe für eine

fortdauernde Beunruhigung des Geldmarktes aus den in Rede stehenden Verhältnissen heraus,

bleibend beseitigt sind.“

Diese Hoffnungen wurden von der Realität jäh enttäuscht; dem unvermeidlichen Konkurs der

Quistorpschen Vereinsbank folgten weitere Zusammenbrüche anderer von Gründerbanken

wie der Mamrothschen Zentralbank für Bauten und der Preußischen Bodenkredit-Anstalt ins

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Leben gerufenen Aktienunternehmen. Die Entwicklungen dokumentieren sich in

zeitgenössischen Berechnungen des Preußischen Statistischen Büros unter Ernst Engel:

Tab. 6: Gesamtkurswerte und Emissionsvolumen in der Gründerzeit

Gesamtkurswerte von 44 Aktiengesellschaften:

Ende 1872 4,53 Mrd. Mark

Ende 1874 2,44 Mrd. Mark

Volumen Aktienemissionen in Mio. Mark

1872 1.480

1873 544

1874 106

1878 13

Quelle: Wehler 1995, S. 101

Kreditbanken

1873/74: Von 139 Banken mit einem Kapital von 1.130 Mio. Mark gingen 73 Banken mit

einem Kapital von 473 Mio. Mark in die Liquidation.

Neugegründete Aktienbanken seit 1869

1873/74: Von 186 Banken wurden 71 Banken liquidiert.

(Wehler 1995, S. 101)

In Reaktion auf die massiven Kurseinbrüche und Liquidationen sah sich die „Berliner Börsen-

Zeitung" in ihrer Ausgabe vom 15. Oktober 1873, S. 2, zu progressiven bzw. provokativen

Vorschlägen aufgerufen, die zwischen den Zeilen die Forderung nach einer Regulierung der

zur Börse zuzulassenden Unternehmen enthalten:

„Der Berliner Courszettel ist unstreitig einer der ausgedehntesten, welchen der Europäische

und Aussereuropäische Geldmarkt aufzuweisen hat, er ist mit der Börse, oder diese ist mit

ihm gewachsen. Leider ist dieses Wachsthum, wie man heute nicht mehr bestreiten kann,

ganz und gar nicht gesund gewesen und in immer weiteren Kreisen bricht die Erkenntnis sich

Bahn, dass nicht die Ausdehnung des Geschäfts auf möglichst viele Papiere es ist, welche

einen Börsenplatz stark macht, sondern die Solidität der gesammten Transactionen und das

Innehalten bestimmter, durch die eigene Kraft gezogener Grenzen. Ist man erst von dem

Irrthume zurückgekommen, der in der ersterwähnten Annahme liegt, so ist es auch nicht

schwer, die Consequenzen daraus zu ziehen, die einzig und allein dahin gehen können, das

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Geschäft an der Berliner Börse auf diejenigen Papiere zu beschränken, welche hier am Platz

ihren natürlichen Markt haben und es nicht dadurch zu zersplittern, dass man zahlreiche

Effekten in den Verkehrskreis hineinzieht, die ihrem Herkommen und ihrer Natur nach auf

bestimmte andere Börsen angewiesen sind. Es kann uns selbstverständlich nicht in den Sinn

kommen, die Papiere grosser Deutscher oder Ausserdeutscher Unternehmungen von der

Berliner Börse fortweisen zu wollen, [...] wohl aber erachten wir es nach den gemachten

Erfahrungen für schädlich, dass jedes locale Unternehmen, sei es auch noch so unbedeutend,

[...] prätendirt, seine Papiere an der Berliner Börse gehandelt zu sehen und im Verkehr zu

wissen; eine Prätension, die in Wahrheit oft nur auf eine gewisse Eitelkeit zurückzuführen ist.

In dem Courszettel der Berliner Börse sind gewiss mehr als hundert Actien von Eisenbahn-,

Bank- und anderen Unternehmungen aufgeführt, die in keiner Weise hierher gehören, und die

muss man ausschliessen. [...] Es wird so der Berliner Börse eine wesentliche Erleichterung

geschaffen, ohne dass man ihre Bedeutung auch nur um ein Haar schmälert, das Geschäft

wird concentrirt, erhält mehr Übersichtlichkeit und Lenkbarkeit [...] und dem Privatpublikum

wird die Anlage seiner Gelder erleichtert, ja sogar gefahrloser gemacht. [...] Wir werden ein

Verzeichnis derjenigen Papiere geben, welche mit Recht und ohne Schaden für die eine oder

andere Partei von der Berliner Börse entfernt werden könnten. “

Abb. 4: Kursentwicklung deutscher Aktien ab 1871

Quelle: NBER, Vierteljahreshefte für Konjunkturforschung, in: Spiegel Geschichte 04/2009:

Lehren aus dem Gründerkrach

„Die Berliner Bankrotte lösten eine ganze Kette von Zusammenbrüchen in Deutschland aus,

die zwei Monate lang ununterbrochen fortdauerten“. (Oelßner 1949, S. 258) In Deutschland

wurde am schwersten die Eisenproduktion betroffen, allgemein mussten Handel und Industrie

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schwere Einbußen hinnehmen. Gleiche Effekte zeigten sich in England, dessen

Wirtschaftsabschwung sich mit steigenden Konkurszahlen über sechs Jahre bis 1879 hinzog.

Die Krise verbreitete sich mit ähnlichen Auswirkungen zudem u.a. in Italien, Schweden,

Holland und Spanien. Auch in Ägypten und Argentinien brachen Bankenkrisen aus.

Frankreich blieb aufgrund des verlorenen Krieges vom Spekulationsfieber und einer

Börsenkrise verschont. (Oelßner 1949, S. 259) Der Krise folgte eine sechsjährige

Depressionsphase mit deflationärer Ausprägung. „Misstrauen blieb die Losung im

Börsenleben der nächsten Jahre. Für lange Jahre war der Verkehr gelähmt, der Kapitalsvorrat

zerstört, die Industrie in ihrer Entwicklung gehemmt.“(Hübener 1905, S. 100) So heisst es im

Sechsten Geschäftsbericht der Direction der Deutschen Bank (1875, S. 1) :

„Der Handel litt unter dem Darniederliegen der Speculationslust. Mißtrauen und

Geschäftslosigkeit beherrschten mehr als vorher den Markt[…]. Dieser Zustand wirkt

gegenwärtig nachtheilig auf die Erträge derjenigen Institute, welche ihren Gewinn in der

vorübergehenden zinsbaren Anlage ihrer Capitalien sowie in der Vermittlung der

verschiedenartigen Verkehrsgebiete und Beziehungen zu suchen haben. Denn Mißtrauen

erschwert nutzbringende Geldanlagen und hält den Zinsfuß niedrig, Geschäftslosigkeit

beeinträchtigt den Gewinn auf den provisionspflichtigen Konten.

Die gegenwärtige Lage der Dinge, welche namentlich die jüngeren Banken hart betrifft, hat

manche derselben theils zur Reduction ihres Capitals, theils zur Liquidation veranlaßt. “

Einen weiteren Hinweis gibt der Bericht des gleichen Hauses drei Jahre später:

„Das Jahr 1878 hatte noch immer an den Nachwehen der Überspeculation früherer Jahre zu

leiden, in dessen Folge noch manche größere und verlustreiche Zusammenbrüche eintraten. “

(Neunter Geschäftsbericht der Direction der Deutschen Bank, 1878, S. 3)

Von den über 900 nach 1870 in Deutschland neugegründeten Unternehmen waren binnen

weniger Jahre 700 zahlungsunfähig (Plumpe 2011, S. 65), eine langsame Erholung setzte erst

am Ende des Jahrzehnts ein (Plumpe, 2009).

Zurückblickend beschreibt J. Conrad 1905 die Auswirkungen dieser Gründerkrise mit ihrer

tiefen Verflechtung von Banken, Unternehmen und Spekulation sowie dem übermäßigen

Ausbau der Kapazitäten und der daraus resultierenden Überproduktion:

„Der Kursverlust in Österreich und Deutschland [...] riß nicht nur sofort eine große Zahl von

Börsenspekulanten und neuaufgetauchten Banken zu Boden, sondern auch eine bedeutende

Zahl von Aktiengesellschaften und soliden Firmen in den verschiedenen Branchen. [...] War

zur Zeit des Aufschwungs eine allgemeine Nachfrage nach Arbeitskräften vorhanden

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gewesen, die durch die Inaussichtstellung bisher nicht gekannter Löhne massenhaft vom

Lande in die Städte gezogen wurden, so nahm jetzt die Arbeitslosigkeit gewaltige

Dimensionen an und brachte bittere Not in weite Kreise der unteren Schichten der

Bevölkerung.“ (Conrad 1905, S. 262f.)

Auch im Hochadel und in der breiten Mittelschicht, im Bürgertum, die sich an den

Spekulationen beteiligt hatten, richtete die Krise erhebliche Vermögensschäden an. Die

sozialen Folgen dieser Krise waren erheblicher als die vorangegangener Krisen. Nie zuvor

hatten die Arbeitslosigkeit und die Selbstmordrate solchen Umfang angenommen wie in

dieser Krise. (Oelßner 1949, S. 262)

2.2.2 HISTORISCHE FINANZKRISE 1929 / 1931

Der deflationäre Zusammenbruch der Volkswirtschaften aller Industrienationen wurde durch

den Kurssturz in Folge des spekulativ überbewerteten Aktienmarktes am „Schwarzen

Donnerstag“ an der New Yorker Börse ausgelöst, nachdem die weltweit führende

amerikanische Wirtschaft erste Wachstumsschwächen zeigte. War der schnelle wirtschaftliche

Wiederaufbau Deutschlands nach der Inflation durch einen Strom von Auslandsanleihen

finanziert worden, so sahen sich nun amerikanische Unternehmen und Anleger gezwungen,

dieses investierte Kapital aus Europa incl. dem durch Reparationszahlungen ohnehin

wirtschaftlich geschwächten Land abzuziehen. Verstärkt wurde dieser Trend in den

Folgejahren aufgrund der politischen Entwicklung: „An dem Sturmlauf im Innern gegen das

System der Reparationen nahmen immer breitere Kreise teil, je mehr die Arbeitslosigkeit und

der Rückgang der Konjunktur offenkundig wurde.“ (Priester, 1932, S.9)

Vorausgegangen war in Deutschland die ungehemmte Kreditaufnahme privater Unternehmen

im Ausland. Während im öffentlichen Sektor die Verwendung von aufgenommenen

Auslandsgeldern genau kontrolliert wurde, traf dies nicht auf Kreditaufnahmen der privaten

Unternehmen zu. „Jeder hat geglaubt, daß die private Wirtschaft besser kalkuliere als die

öffentliche“ (Priester, 1932, S. 5). Hierzu schrieb der für die Überwachung der deutschen

Reparationszahlungen zuständige amerikanische „Wirtschaftsweise“ und Anwalt Parker

Gilbert 1927 in seinem Bericht (S.105) :

„Seitens der öffentlichen Stellen oder der Reichsbank sind keinerlei Schritte unternommen

worden, um das Herantreten der privaten Wirtschaft Deutschlands an die Auslandsgeldmärkte

zu kontrollieren [...] Im allgemeinen kann man annehmen, dass bei der Wirtschaft die

üblichen Sicherungen gegen überreichliche Ausgaben und Darlehensaufnahme ausreichend

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vorhanden sind und dass die Privatunternehmungen Darlehen nicht aufnehmen werden, wenn

sie nicht den Gewinn aus neuen Mitteln klar erkennen können oder wenn sie nicht durch die

Notwendigkeit dazu getrieben werden; und in solchem Falle darf man erwarten, dass sich der

Geldgeber seinerseits sein eigenes Urteil bilden und entsprechend handeln wird. Aus diesen

Gründen besteht eine natürliche Grenze für die Kreditaufnahme seitens der privaten

Wirtschaft; und man kann sich darauf verlassen, dass sie im Falle ungesunder oder zu weit

gehender Darlehensaufnahme schnell genug ihre eigene Strafe nach sich zieht.“

So wurde die massive Kreditexpansion fortgeführt, und als die Platzierungsmöglichkeit

langfristiger Auslandsanleihen nachließ, schwenkte man auf kurzfristige Darlehen um. Hier

engagierten sich nun verstärkt die deutschen Banken mit ihrer guten Reputation im Ausland,

denen die kurzfristigen Gelder förmlich aufgedrängt wurden. Die Brisanz dieser

Finanzierungspolitik lag darin, dass diese kurzfristigen Gelder durch langfristige Investitionen

in Liegenschaften und Maschinen immobilisiert wurden. Besorgnisse über mögliche

Rückforderungen der Kredite kamen zu dieser Zeit nicht auf. Zwar erkannte die Reichsbank

frühzeitig die Gefahr dieser hohen kurzfristigen Auslandsverschuldung, doch ihr Präsident

Schacht drang nicht durch, ein regulierender Eingriff fand nicht statt. Zur Verschärfung der

Situation trug der hart ausgetragene Konkurrenzkampf deutscher Banken bei, der letztlich zu

einer Diskreditierung der Institute bei ihren Geldgebern im Ausland führte: Ausländischen

Bankiers wurden Informationen gegeben, wonach eigene Verluste als gering, die der

Wettbewerber aber als extrem groß dargestellt wurden, wodurch das Vertrauen in deutsche

Institute schmolz. Zudem stellte der Reichsbankpräsident vor befreundeten Auslandsbankiers

die wirtschaftliche Lage Deutschlands aufgrund der Reparationen als äußerst bedrohlich dar,

um eine Revision der auferlegten Zahlungsverpflichtungen zu erzielen. Jedoch wurde

hierdurch die Vertrauenskrise nur noch gesteigert. Sie kulminierte schließlich in der Zollunion

Deutschlands und Österreichs und dem Straucheln der renommierten Bank der Rothschilds,

der Österreichischen Credit-Anstalt. Diese musste bereits zuvor im Oktober 1929 mit der

ehemaligen Bank des Kaiserhauses, der Boden-Credit-Anstalt (BCA), praktisch über Nacht

fusionieren, um eine Krise des österreichischen Finanzsystems zu verhindern. Das Vertrauen

des Auslandes zu den mitteleuropäischen Banken habe einen schweren Stoß erlitten.“

(Priester, 1932, S .6ff.) 8

8 „Unzweifelhaft hatte die BCA in den 1920er Jahren - ähnlich der Danatbank in Deutschland - die expansivste

Bankpolitik betrieben und sich nicht nur verschiedene Provinzbanken angegliedert, sondern auch im

industriellen Bereich stärker Fuß gefasst als vor 1918. Nichts könnte den Status der BCA im Herbst 1929 besser

charakterisieren als die Tatsache, daß allein die Außenstände des Steyr-Konzerns rund 106 Mio. öS oder beinahe

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Im Zusammenhang mit ihren hohen Fremdkapitalquoten und Aussenständen sowie dem

geschilderten Vertrauensverlust (vgl. oben: Def. „Bankenkrise“) drohte daher deutschen

Banken und Unternehmen die Zahlungsunfähigkeit, als 1929 starke Rückziehungen von

Auslandsgeldern einsetzten. Die Geldinstitute reagierten mit restriktiver Kreditvergabe und

erstickten damit die ohnehin schwache Konjunktur. So schlug die Krise auch auf das deutsche

Finanzwesen durch und brachte für Bankmitarbeiter Situationen von Kundenanstürmen und

für viele schließlich die Arbeitslosigkeit. Selbst als solide geltende Beamtenbanken gerieten

in den Strudel der Ereignisse:

„Die Krise in der bankmäßigen Betätigung der deutschen Beamtenbanken kam zum

Durchbruch, als am 31. Oktober 1929 die Bank für deutsche Beamte e.G.m.b.H. in Berlin mit

mehr als 15.000 Genossen und etwa gegen 4 Mill. RM fremden Geldern ihre Zahlungen

einstellte, so daß Tausende von Beamten das von den Behörden für den neuen Monat bereits

überwiesene Gehalt nicht mehr abheben konnten. Vorausgegangen war bereits eine ganze

Reihe kleinerer Zahlungseinstellungen (Berliner Beamtenvereinigung, Mannheimer

Beamtenbank u.a.), die jedoch nicht so sehr Wunder nahmen, weil auch viele

Privatbankfirmen der Ungunst des Jahres 1929 zum Opfer gefallen waren. Der

Zusammenbruch dieses Berliner Bankinstitutes, dessen Bedeutung wesentlich größer war,

erschütterte jedoch die gesamte Beamtengeldwirtschaft auf das Schwerste. [...]

Hervorgehoben werden muß, daß der Zusammenbruch der Bank durch die Beunruhigung, die

durch die bereits erfolgten Zahlungseinstellungen anderer Beamteneinrichtungen

hervorgerufen worden war, beschleunigt wurde; denn jetzt setzten in besonders starkem Maße

Abhebungen ein.

Neben einer Reihe kleinerer Kreditgenossenschaften stellte schließlich am 9. November 1929

eine weitere Beamtenbank ihre Zahlungen ein, und zwar die Reichsbundbank A.G.; Berlin,

Vermögensverwaltungsstelle des Reichsbundes der höheren Beamten." (Schütz 1932, S. 19 ff.)

In diesem Umfeld berichtete das Göttinger Tageblatt in seiner Ausgabe vom 30. November

1929:

„Ein Ende der Kursstürze an der Börse und auch der Insolvenzen im Bankgewerbe ist noch

lange nicht da. In Berlin beginnt jetzt die Beunruhigung der Einleger und Kunden der

Privatbanken. Ein Massenansturm hat an den Schaltern eingesetzt. Hieraus erklärt sich auch,

120% des gesamten Eigenkapitals der Bank ausmachten.“ (Weber 2005, S. 180) Dies sollte anderthalb Jahre

später nach der zwangsweisen Fusion dem Fusionspartner Credit-Anstalt zum Verhängnis werden.

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dass die Börse immer neue Namen von Privatbanken nennt, die sich in Schwierigkeiten

befinden. Kennzeichnend für die ganze Wirtschaftslage ist, dass z.B. eine einzige

Depositenkasse in Berlin-Moabit heute früh für fast 100.000 RM Aktienverkäufe tätigen

sollte, denen nicht einmal für 2.000 RM Ankäufe gegenüberstanden.“

Zeitgenosse und Schriftsteller Hans Fallada beschreibt seine Sichtweise der wirtschaftlichen

Lage in Deutschland in einem Brief im September 1930: „Ob es besser wird, wer weiß. Es

sieht trübe aus, und alle Bekannten, Angestellte wie ich, zittern vor jedem Kündigungstag.

Gottlob brauche ich das nicht mehr, aber heute sind ja selbst die sichersten Firmen nicht mehr

sicher. “ (dradio.de: Der Kanzler der Notverordnungen, 2010)

Im Juli 1931 wurde schließlich die Danatbank als zweitgrößtes deutsches Finanzinstitut

zahlungsunfähig; die Dresdner Bank stand ebenfalls kurz davor, was zu einem Sturm der

Anleger auf die Bankschalter führte, denn „in den Kreisen des Publikums wirkte der

Schalterschluß [...] alarmierend. Trotz aller Gerüchte hatte man nie geglaubt, dass die

zweitgrößte deutsche Bank jemals in eine solche Situation kommen könnte. [...] Eine wilde

Panik erfasste die Menschen. Das Vertrauen zu allen Banken war erschüttert. Das Publikum

glaubte, dass auch die anderen Banken in Kürze denselben Weg gehen müssten. In Massen

strebten die Einleger zu Banken und Sparkassen, um ihre Guthaben abzuholen. [...] Banken

und Sparkassen waren dem Ansturm nicht gewachsen. Die Leiter der Banken [...] mussten

unter der Wucht der Tatsachen bekennen, dass sie nur geringe Prozentsätze der Einlagen

zurückzahlen konnten.“ (Priester 1932, S. 77)

Nachfolgende Fotos illustrieren die Situation:

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Abb. 5: Andrang von Kunden vor der Sparkasse der Stadt Berlin am Mühlendamm nach dem

Zusammenbruch der Darmstädter und Nationalbank am 13. Juli 1931

Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-12023

Abb. 6: Titelseite der Tageszeitung „Vorwärts" vom 13. Juli 1931

Quelle: www.wdr.de

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Abb. 7: Filiale der Darmstädter und Nationalbank 1931

Quelle: Bähr / Rudolph 2011, S.13

In Österreich, dem benachbarten europäischen Finanzzentrum, setzte die Bankenkrise bereits

in den 1920er Jahren ein. „Erst waren es die in der Inflation neu gegründeten Banken, dann

kamen jene an die Reihe, welche in die Hände von Kriegs- und Inflationsgewinnern geraten

waren. Dann kamen alte, auf eine erfolgreiche Vergangenheit zurückblickende Banken an die

Reihe. Wien zählte vor dem Krieg zehn bedeutende Banken, 1930 waren es noch fünf. Mit

der Enthüllung der Lage der Österreichischen Credit-Anstalt 1931 ist die Weltkrise in eine

neue Phase eingetreten.“ (Federn, 1932, S. 403ff.)

Nach dem Ersten Weltkrieg waren die Wiener Großbanken zum Erhalt ihrer zentralen

mitteleuropäischen Bedeutung zunächst auf Expansion und Ausweitung der Geschäftstätigkeit

ausgerichtet - im wesentlichen getragen durch ausländische Kredite. Diese Zielsetzung führte

zu einem „starken personellen Ausbau, der in der Inflationszeit seinen Höhepunkt erreichte.

Die planwirtschaftlichen Lenkungsmaßnahmen der Kriegswirtschaft, die

Devisenbewirtschaftung, die Verkomplizierung der Geschäftsbeziehungen durch die neuen

Grenzen und die immer komplexer werdenden Rechen- und Manipulationsprozesse bei einer

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sich schubweise beschleunigenden Inflation brachten eine starke Zunahme der

Verbürokratisierung des Bankgeschäftes mit sich. Dem wurde überwiegend durch die

einfache Methode der Personalerhöhung begegnet, schon allein deswegen, weil die

Personalkosten in der Zeit rascher Geldentwertung leicht überwälzt werden konnten und nicht

sonderlich zu Buche schlugen. Das änderte sich aber mit der Stabilisierung des Geldwertes

und mit dem Beginn der Bankenfusionierungen. Sozusagen als Erbe der Inflation blieb den

Wiener Banken ein Personal- und Personalkostenproblem. Denn die Bankbeamten erfreuten

sich in dieser Zeit bereits einer recht privilegierten Stellung mit gutem Einkommen,

Abfertigungen und mit Pensionen, die etwa zwei Drittel der Aktivbezüge erreichten und durch

die Bank selbst zu tragen waren. So stiegen die Personalausgaben der Credit-Anstalt von 24%

des Rohgewinns 1913 auf 56% im Jahr 1929, “ (Stiefel, 1989, S. 109) obgleich sich der

Personalbestand von 1922 bis 1929 bereits um über 11% reduziert hatte. (Stiefel 1989, S. 109)

Mit dem Zahlungsausfall der Credit-Anstalt in 1931 – bereits kurz vor den Geschehnissen um

die Danatbank in Deutschland – kam es zum größten Insolvenzfall der österreichischen

Geschichte. „Bei keinem anderen Unternehmen stand man letztlich vor Verlusten, welche in

ihrer Größenordnung etwa die Hälfte eines Staatsbudgets ausmachten. Die Krise der Credit-

Anstalt 1931 war das letzte Mal, daß Österreich in der Weltwirtschaft eine bedeutende Rolle

spielte. Sie war letztlich der Beginn der allgemeinen Bankenkrise, die in den folgenden Jahren

über Europa und Nordamerika hinwegrollte und das zentrale Ereignis für den Niedergang des

Wiener Finanzkapitals. Wurden die Schwierigkeiten der Credit-Anstalt 1931 zunächst noch

als Krise einer einzelnen Bank angesehen, wusste man ein Jahr später, daß es sich um eine

Systemkrise des europäischen und amerikanischen Finanzsystems handelte.

Etwa die Hälfte des Aktienkapitals der Credit-Anstalt und ebenso die Hälfte ihrer (zumeist

kurzfristigen) aushaftenden Kredite stammte aus dem Ausland. Die Liste der ausländischen

Gläubiger las sich wie das 'Who is Who' der internationalen Finanzwelt. “ (Stiefel 2005, S.

197) Am 8. Mai 1931 gestand die Direktion der Credit-Anstalt gegenüber der Nationalbank

einen Verlust von 140 Mio. Schilling ein. „Damit waren nicht nur die offenen Reserven

aufgezehrt, sondern auch mehr als die Hälfte des Aktienkapitals verloren und die Bank wäre

nach dem Gesetz gezwungen gewesen, die Schalter zu schließen.“ (Stiefel 2005, S. 197) „Die

Schließung der Bank - ob nun provisorisch, bis man einen verläßlichen Überblick über ihre

Lage erhalten hätte, oder dauernd -, die Verhängung eines Moratoriums über die Bank hätte

wahrscheinlich sehr rasch zum allgemeinen Moratorium geführt, denn das geschreckte

Publikum hätte auch die anderen Banken und Sparkassen bestürmt, zumal es bekannt war, daß

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viele Sparkassen ihre flüssigen Gelder bei der Credit-Anstalt eingelegt hatten. Was sollte man

tun ? Es war nicht mehr möglich, das so oft versuchte Spiel zu wiederholen und den

Zusammenbruch der Bank durch Vereinigung mit einer anderen abzuwehren. Keine einzelne

und auch nicht die Gesamtheit der Banken wäre imstande gewesen, diesen Brocken zu

verdauen.“ (Federn, 1932, S. 421)

„Nun war der 8. Mai ein Freitag und der darauffolgende Montag ein Feiertag, so daß sich ein

natürliches Zeitfenster von drei Tagen ergab.“ (Stiefel 1989, S. 117) Am 11. Mai 1931

meldete das Institut Insolvenz an, am 12. Mai konnte nach dem verlängerten Wochenende von

Bundeskanzler Ender mit der Bekanntgabe der schlechten Nachricht auch gleich ein

Sanierungsplan vorgelegt werden. Mit den enthaltenen Maßnahmen – u.a. übernahm die

öffentliche Hand 40% der Verluste und 43% der Kapitalanteile des Instituts – gewann man

die Überzeugung, daß die Bank nun intakt bzw. gestärkt wäre.

„Tatsächlich betrugen die Verluste jedoch nicht 140 Mio., sondern 900 Mio.öS. Obwohl die

Geschäftsführung im Mai 1931 selbst (u.a. aufgrund erheblicher organisatorischer Mißstände

des Hauses, Stiefel 1989, S. 117) noch nicht das ganze Ausmaß der Katastrophe kannte, hätte

sie doch voraussehen können, daß die Verluste mehr als 140 Mio. Schilling betragen würden.

Die österreichischen Politiker sprachen später davon, daß sie von der Bankleitung belogen

und getäuscht worden waren. Dennoch schien eine rasche Sanierung der Credit-Anstalt

unumgänglich, da angeblich drei Viertel der österreichischen Industrie von ihr abhängig war.“

(Stiefel 2005, S. 198) Mit ihrem möglichen Zusammenbruch wurde daher ein Zusammenbruch

der gesamten österreichischen Wirtschaft befürchtet. „So wurden von Anfang an wichtige

Entscheidungen unter Zeitdruck getroffen, ohne vorherige sorgfältige Analyse.“ (Stiefel 2005,

S. 198) Ein Moratorium der Bank sollte vermieden werden, um den zu erwartenden

Vertrauensverlust der Kunden mit der Folge eines Runs auf alle Banken zu verhindern. Trotz

des Sanierungsplans verhielten sich Bankkunden mißtrauisch angesichts der Verluste der

Credit-Anstalt (Stiefel 2005, S. 198).

„Es kam zwar zu keiner Panik, aber in ebenso disziplinierter wie konsequenter Weise wurden

die Einlagen von der Bank abgezogen. die traditionelle Bankphilosophie hatte in solchen

Fällen nur eine Antwort: 'Es ist eine alte Regel, daß dem Ansturm der für ihr Geld

fürchtenden Gläubiger nur auf eine Weise begegnet werden kann, nämlich indem die

bedrohten Banken bereitwilligst fällige und nichtfällige Forderungen zurückzahlen.' Und der

Economist schrieb: 'In solchen Tagen ist der beste Panzer einer Bank oder einer Sparstelle die

gefüllte Kasse. Abhebungen der Einleger kommen am schnellsten zum Stillstand, wenn die

Rückzahlungen prompt geleistet werden.' Um daher zu zeigen, wie unbegründet die

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Abhebungen waren, zahlte die Bank nicht nur fällige, sondern auch langfristig gebundene

Gelder freiwillig aus, und die Credit-Anstalt-Beamten hatten in allen Filialen alle Hände voll

zu tun:

'Der Parteienverkehr im Schalterraum der Credit-Anstalt war heute vormittag ungewöhnlich

lebhaft. Schon vor 8 Uhr waren die ersten Einleger erschienen und ihre Zahl wuchs gegen 10

Uhr auf mehrere hundert. Besonders die Schalter für Spareinlagen und Giroverkehr sowie für

Kassenscheine in fremden Valuten waren bis 1 Uhr in Anspruch genommen. Die Einleger

konnten sich aber bald überzeugen, daß ihre Guthaben in der gewünschten Höhe anstandslos

ausgezahlt worden sind. Wie es sich zeigte, waren hauptsächlich die Besitzer kleinerer und

mittlerer Guthaben ängstlich und forderten zum Teil die ganzen, zum Teil nur einen gewissen

Betrag ihrer Einlagen zurück. Aber noch im Laufe des Vormittags erschienen einzelne

wieder, um einen Teil ihres Geldes der Bank wieder zurückzustellen. Andere machten nur

Stichproben, ob das Geld anstandslos ausbezahlt werde und begnügten sich mit der Abhebung

kleinerer Beträge. Alle Beträge wurden am Schalter in Barem und Valuta in Schecks

ausbezahlt. Die normalen Bureaustunden, die von 9 bis halb 3 Uhr dauern, werden heute

verlängert, um alle Rückzahlungen leisten zu können' “ (Stiefel 1989, S. 27f.)

„Insgesamt wurden in den ersten vier Tagen ein Viertel und innerhalb von drei Wochen etwa

die Hälfte der Spareinlagen zurückbezahlt. Auch die anderen Geldinstitute blieben von diesen

Ereignissen nicht unberührt. Die Sparkassen verloren 18% und die übrigen österreichischen

Banken etwa die Hälfte ihrer Spareinlagen.“ Zudem kam es ab Mai 1931 in den folgenden

drei Monaten zu einem massiven Rückzug von 40% der kurzfristigen ausländischen Kredite.

Angesichts der anhaltenden Verunsicherung der Einleger, der Demissionierung der

österreichischen Regierung am 16. Juni und des Drucks aus dem Ausland sah sich die neue

Regierung unter Bundeskanzler Buresch am 29. Juni 1931 gezwungen, eine Generalgarantie

für sämtliche Einlagen bei der Credit-Anstalt auszusprechen. Mit Veränderungen in der

Direktion begannen nun Reorganisationsmaßnahmen, die jedoch zunächst derart schleppend

verliefen, daß Kanzler Buresch vor dem Hintergrund zunehmender Kritik eine demonstrative

Maßnahme ergriff, indem er am 18. Oktober 1931 die Entlassung sämtlicher Direktoren außer

den neu eingetretenen sowie weiterer 131 Angestellter und darüber hinausgehende

Kostenreduktionen verkündete. Dennoch hielt der Druck auf die Regierung an, nachdem sie

im November 1931 mittels einer 'Denkschrift' von den ausländischen Gläubigern aufgefordert

wurde, „endlich alle notwendigen gesetzlichen Schritte zu setzen, um die Personalkosten zu

senken.“ (Stiefel 2005, S. 199f.)

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Auch in dieser internationalen Wirtschafts- und Bankenkrise verloren Tausende ihren

Arbeitsplatz, ganze Volksschichten rutschten in die Armut ab. Die Deflationspolitik der

Reichsregierung Brüning in Deutschland war gekennzeichnet von markantem Sozialabbau

und hatte die Stabilisierung des Geldwertes zum Ziel, nicht aber den Abbau der

Arbeitslosigkeit. (uni-protokolle.de) Infolge der Brüningschen Notverordnungen von 1931 (s.

Anhang I, S. 289) mussten die Bankangestellten dramatische Gehaltskürzungen hinnehmen,

die laufenden Tarifverträge wurden zum 30. April 1932 gekündigt und auf das Entgeltniveau

vom 10. Januar 1927 zurückgeführt. (Thamm 2006, S. 244; s. dazu auch: Anhang I, S. 289:

Die Kabinette Brüning, Besprechung vom 26.Mai 1931)

Die Industrieproduktion fiel auf den Stand von 1904 zurück. Von Juli 1927 stieg die Zahl der

Arbeitslosen in Deutschland von 1,3 Mio. auf 5,6 Millionen in Februar 1932. (Statistisches

Jahrbuch des Dt. Reiches StJbDR 1939/40, S. 372ff.) Hiermit war jeder dritte Erwerbsfähige

in Deutschland von Arbeitslosigkeit betroffen. (uni-protokolle.de)

Die Bankmitarbeiter fanden sich 1933 auf dem Höhepunkt eines stetigen Abbaus, der bereits

1923 begann.

„Deutsche wie Commerzbank bemühten sich, neue Stellen für Entlassene zu suchen. Auch

wenn das oft erfolgreich gewesen sein mag, fanden sich aber tausende auf einem

überschwemmten Arbeitsmarkt ohne Aussicht auf Anstellung. Im Dezember 1932 berichtete

eine Berliner Tageszeitung: 'Ein junger Mann fällt mir auf, der besonders unterernährt und

übermüdet aussieht. Ich erfahre, daß er Bankbeamter ist, schon seit Jahr und Tag abgebaut.

Da die Erwerbslosenunterstützung fürs Sattessen und anständige Kleidung nicht ausreicht,

zieht er letzteres vor, denn ´vielleicht finde ich doch noch einmal etwas´. Er glaubt kaum

selbst daran. Ein kleines Zimmer kann er nur von acht Uhr abends bis sieben Uhr morgens

bewohnen, tagsüber ist es an einen Nachtarbeiter vermietet. Was er tagsüber mache?´Zuerst

gehe ich in die Zeitungsfilialen und sehe die ´Kleinen Anzeigen´durch. Wieviele Wege bin ich

vergebens gegangen, wieviele Briefe habe ich verschrieben. Wenn Hunderte schon vor mir da

sind, wie soll da die Wahl auf mich fallen?´[Hervorhebung d.V.]. Die verheerenden

Massenentlassungen im Bankensektor durch 'Stabilisierungsmaßnahmen' nach der

Inflationszeit, durch Fusionen, Mechanisierung und Weltwirtschaftskrise zeigt sich besonders

eindrücklich am Beispiel der Deutschen Bank, die den Mitarbeiterstand von 1923 bis Ende

1932 um über 70% von 57.460 auf 16.614 senkte.“ (Weihe 2006, S. 78f.)

In den USA traf die Krise den Bankensektor besonders hart, wie in der folgenden Tabelle

(Tab. 7) dargestellt: In der linken Spalte wird die Zahl der Banken des jeweiligen Jahres

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gezeigt, rechts die Zahl ihrer Schließungen. Hierbei ist festzuhalten, dass „Schließung“ im

jeweiligen Jahr temporär sein konnte und nicht immer gleichzusetzen ist mit Konkurs.

Dennoch wird veranschaulicht, dass sich die Zahl der Banken innerhalb von 5 Jahren um ein

Drittel reduzierte, sei es durch Fusionen, Insolvenzen oder Geschäftsaufgaben. (Dieser Trend

wurde erst 1934 durch Maßnahmen des neuen Präsidenten Roosevelt drastisch gestoppt,

beginnend mit einer zwangsverordneten Urlaubswoche für Banken im März 1934.)

Tab. 7: Anzahl Banken und Bankauflösungen in den USA 1929-1934

Numbers of Banks and Bank Suspensions

Year Number as of 12-31 Suspensions

1929 24,633 659

1930 22,773 1350

1931 19,970 2293

1932 18,397 1453

1933 15,015 4000

1934 16,096 57

Data are from Table V 20-30 in Historical Statistics of

The United States: Colonial Times to 1970, 1975, p.

912.

Quelle: Colonial Times zu 1970, 1975, S. 912 in Historical Statistics of The United States,

Table V20-30

Die drohende Arbeitslosigkeit und die damit verbundene Angst vor sozialem Abstieg, die sich

neben der Bankenbranche nahezu durch die gesamte Wirtschaft zog, beschrieb US-

Wirtschaftsprofessor Robert E. Schenk mit dem Ausspruch: „ The high unemployment rates

of the 1930s made those who had jobs both: thankful that they had jobs and fearful that they

could lose them.“ (Schenk, A Case of Unemployment, www)

Robert Schenk zeigt in seiner Untersuchung der Probleme von Familien, die in den 1930er

Jahren in stark von Arbeitslosigkeit belasteten Regionen in England lebten, dass die mentale

Stimmung der Betroffenen zwischen Optimismus, einen neuen Arbeitsplatz zu finden und

Pessimismus bis hin zu Selbstmordgedanken schwankte. Nach Stevenson (1984, S. 286f.)

belegen die Home Office Statistics von 1930 den Freitod von zwei Arbeitslosen pro Tag.

Hierbei wird darauf hingewiesen, dass Arbeitslosigkeit ein Faktor, aber nicht der alleinige

Auslöser zur Suizidentscheidung war.

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Soweit die Darstellung der historischen Krisen 1873 bzw. 1929/1931 auf der Basis

zeitgenössischer Quellen. Weitere einschlägige Berichte der Pressehistorie sind im Anhang I

zusammengetragen. Im Folgenden wird die große Finanzkrise des aktuellen Jahrhunderts

zunächst mittels einer empirischen Inhaltsanalyse nach Mayring mit Blick auf die Hypothese

dieser Arbeit detaillert untersucht. Nachfolgend wird ihr Verlauf mit dem Fokus auf den

Mitarbeitern im Bankensektor unter Rückgriff auf ausgewählte Handelsblatt-Artikel aus der

Inhaltsanalyse sowie auf weitere zeitgenössischen Quellen betrachtet.

Page 55: Finanzkrisen und ihre Auswirkungen auf das Bankensystem ... · ANHANG II 287 Verzeichnis: Handelsblatt - Grafiken Juli 2007 - Dezember 2012 - visuell-indikativer Verlauf der aktuellen

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3 AKTUELLE FINANZKRISE AB 2007

3.1 INHALTSANALYSE NACH MAYRING (2000)

Diese umfassende Inhaltsanalyse nach Mayring der Presseberichterstattung zur letzten

Finanzkrise ab Juli 2007 mit ihrem Andauern bis in die Gegenwart Ende 2012 stellt den

empirischen Schwerpunkt der vorliegenden Dissertation dar; die gesamte empirische

Erhebung incl. Datenbank ist dieser Arbeit im Anhang III (S. 303) beigefügt.

1)Festlegung und formale Charakterisierung des Materials

Ausgewertet wurde die führende täglich erscheinende Wirtschaftszeitung, das

„Handelsblatt“.

Methodisch bilden alle Artikel aller Printausgaben des Handelsblattes des

Betrachtungszeitraumes die grundlegende Basis der Inhaltsanalyse. Diese umfassen insgesamt

175.691 Artikel.

Da die anfänglich angedachte gründliche manuelle Prüfung jeder einzelnen Printausgabe des

Handelsblattes sich als extrem zeitaufwendig herausstellte, suchte der Verfasser den Weg

über das virtuelle „Handelsblatt-Archiv“. Mittels eines selbsterstellten Filters wurde es so

möglich, auf sämtliche Print-Artikel des Blattes zuzugreifen und weitere in der Datenbank

enthaltenen Artikel von „handelsblatt-online“ und „Wirtschaftswoche“ auszuschließen. Der

Filter umfasste die Stichwörter: „handelsblatt“ und „nr.“. Durch die Erweiterung des Filters

um das Stichwort „bank" konnten für den Betrachtungszeitraum schließlich 34.847 Print-

Artikel identifiziert werden, in denen diese Keywords enthalten sind:

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Abb. 8: Anzahl relevanter HB-Artikel (linke Achse, auf Monatsbasis) 07/2007-12/2012

Finanzkrise 2007: In der Phase höchster Anspannung in der aktuellen Finanzkrise schnellt

auch die Anzahl finanzmarktspezifischer Beiträge im Handelsblatt in die Höhe (Spitzenwerte

um September 2008, Insolvenz Lehman Brothers), mit ihrem Abklingen bzw. mit dem

„Gewöhnungsfaktor “ des Publikums reduziert sich ihre Anzahl. Vice versa kann hier allein

die Quantität der relevanten Artikel als Indikator für die jeweilige Phase bzw. Intensität des

Krisenverlaufs herangezogen werden.

Im stichprobenmäßigen Vergleich mit dem anfänglichen manuellen Selektionsverfahren

stellte sich heraus, dass dieses Verfahren über das Handelsblatt Archiv gleichermaßen alle

relevanten Artikel ohne Verluste erfasst.

Das so vorselektierte Datenmaterial von 34.847 Artikeln wurde vom Verfasser unter

Berücksichtung der Themenstellung und Relevanz dieser Arbeit nahezu komplett gesichtet.

Hieraus ergab sich eine Essenz von 2.317 themenrelevanten Artikeln, die auf der

elektronischen Handelsblatt-Archiv-Plattform chronologisch gespeichert wurden und nun die

Materialbasis für die Inhaltsanalyse bilden.

Einzelne, besonders markante Artikel dieser Selektion werden im weiteren Verlauf dieser

Arbeit gezielt zitiert und wiedergegeben, um wesentliche theoretische Aussagen mit

praxisrelevanten Berichten dokumentativ zu unterlegen. Diese ausgewählten Artikel sind

chronologisch im Literaturverzeichnis II (S. 238 ff.) aufgeführt und zeichnen bereits per se in

Schlaglichtern ein eindrückliches Bild vom Verlauf der aktuellen Finanzkrise.

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2)Analyse der Entstehungssituation

Das Handelsblatt richtet sich an Leser mit Interesse für aktuelle wirtschaftliche und

wirtschaftspolitische Themen.

Nach einer Marktforschungsstudie des „Leseranalyse Entscheidungsträger e.V.“ und von „iq

media“ unter dem Titel „Handelsblatt in der LAE 2012“ nimmt das „Handelsblatt“ eine

führende Position unter den täglich erscheinenden Wirtschaftszeitungen ein *(iqm.de, lae.de):

„Das Handelsblatt ist die größte Wirtschafts- und Finanzzeitung in deutscher Sprache. Rund

150 Redakteure und Korrespondenten weltweit stehen für einen kritisch-analytischen

Journalismus, der nationale und globale Berichte exklusiv und aktuell recherchiert und

analysiert. Es unterhält mit über 30 Korrespondenten weltweit eines der größten Netzwerke

unter den deutschen Tageszeitungen. Als Leitmedium der Wirtschaftselite erreicht es die Top-

Entscheider (262.000 Führungskräfte / 9,8% laut LAE 2012) in Deutschland. Davon sind

67,3% Selbstständige und leitende Angestellte der 1. und 2. Führungsebene. Keine andere

Zeitung hat in diesem wichtigen Kernsegment eine höhere Reichweite.“

Abb. 9: Das Handelsblatt weiterhin deutlich vor Welt und FTD

Quelle: iqm.de, S. 3

Auch bei der relevanten Zielgruppe der Leserschaft belegt das Handelsblatt den ersten Platz:

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Abb. 10: Handelsblatt dominierend bei Entscheidern

Quelle: iqm.de, S. 16

* Wie bei anderen jährlich erscheinenden Markt-Media-Studien wird auch bei der LAE ein rollierendes

Verfahren (hier Zusammenfassen von 2 Erhebungswellen) eingesetzt. Mit ca. 8.200 Befragten sind daher auch

spitze Zielgruppen analysierbar. Mit der aktuellen LAE ist der Übergang zur rollierenden Erhebung

abgeschlossen. Die Grundgesamtheit hat sich im Vergleich zur Vorgängerstudie leicht verändert. Dies ist zum

einen auf die veränderten Größenordnungen, die der Mikrozensus für die unterschiedlichen Berufsgruppen

ermittelt, und zum anderen auf eine modifizierte Definition der leitenden Angestellten (Anhebung der Mindest-

Einkommensgrenze auf 3.000€ persönliches Monatsnettoeinkommen) zurückzuführen. Der Berichtsband mit

ausführlicher Methodenbeschreibung, Basis-Tabellen und Codeplan steht am 18. Juni 2012 ab 12.00 Uhr ebenso

wie ein interaktives Auswertungs-Tool unter www.lae.de zur Verfügung. Die LAE kann ab dann mit den

gängigen Mediaplanungstools und über den Service der beteiligten Medienhäuser ausgewertet werden. (lae.de)

3)Festlegung der Analyserichtung

Die Analyse richtet sich auf die themenrelevanten Kernaspekte dieser Dissertation und ihre

thematische Wiedergabe in den Artikeln des Handelsblattes. Ziel ist die Validierung der

Hypothese vor dem Hintergrund der Kausalitätskette „Bankenkrise - verschärftes

Streßszenario für Bankmitarbeiter - erhöhte Gesundheitsgefährdung in der Bankenbranche“.

4)Theoretische Differenzierung der Fragestellung

Diese Arbeit beschäftigt sich in Ihrem Kern mit der Frage, ob Bankmitarbeiter in

Bankenkrisen außergewöhnlichen Belastungen ausgesetzt sind, die eine erhöhte

Gesundheitsbeeinträchtigung nach sich ziehen. Hierzu sollen die aktuellen

Berichterstattungen des Handelsblattes Aufschluß darüber geben, ob in der Finanzkrise

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vermehrt Stressoren wie z.B. Arbeitsplatzunsicherheit, Vertrauens- und Arbeitsplatzverlust,

erhöhter Druck am Arbeitsplatz auftreten; ob beispielsweise Kriterien für Gratifikationskrisen

(nach Siegerist) oder für eine Allostatic Load (nach McEwen) vorliegen oder sogar konkrete

Artikel zu einer erhöhten Gesundheitsgefährdung von Bankmitarbeitern im

Betrachtungszeitraum zu finden sind.

5)Bestimmung der Analysetechnik

Die „Themenrelevanz“ der 2.317 nun zu analysierenden Handelsblatt-Artikel wurde vorab

festgelegt durch themenrelevante Stichwörter, die sich mit zunehmendem Fortschritt der

Materialsichtung induktiv zu den folgenden Kategorien herausbildeten und verdichteten:

Kat.1): Arbeitsplatzunsicherheit und Existenzangst

Unterkategorien 1): a)Stellen- und Leistungsabbau b)Konkurs c)Zerfall, Auflösung, Rückzug

d)Fusion, Übernahme, Rettung

Kat.2): Vertrauensverlust

Unterkategorien 2): a)Vertrauens- und Bonitätsverlust auf Unternehmensebene

b)Vertrauensverlust gegenüber Bankmitarbeitern und Kundenängste c)Regulierung

Kat.3): Gesundheitliche Auswirkungen

Zur qualitativen Analyse und inhaltlichen Strukturierung der 2.317 selektierten Artikel wurde

das Programm „MAXQDA“ eingesetzt. Alle Artikel wurden hierzu technisch bearbeitet und

in das passende vom Programm lesbare Format konvertiert.

6)Definition der Analyseeinheit

Jeder einzelne der 2.317 Artikel bildet mit seinem jeweiligen Inhalt eine Analyseeinheit, die

zu überprüfen ist. Hierbei wird die Analyse an den oben vorgestellten Kategorien

ausgerichtet, die jede für sich effektive Auswirkungen in direkter oder indirekter Form auf

den Bankmitarbeiter und sein Tätigkeitsfeld in einer Banken- und Finanzkrise auslösen kann.

Diese Auswirkungen stehen mit der Forschungsfrage / Hypothese dahingehend im

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Zusammenhang, als daß sie allein durch ihre Existenz auf unterschiedliche Art und mit

unterschiedlicher Intensität zu einem erweiterten und gesundheitsgefährdenden Streßszenario

für Bankmitarbeiter führen können.

Die selektierten Artikel werden nun anhand ihres jeweiligen Inhaltes im deduktiven Verfahren

nach Mayring den induktiv gebildeten Kategorien zugeordnet. Zuordnungen eines Artikels zu

mehreren Kategorien sind möglich. Hierbei kommt der folgende „Kodierleitfaden“ zur

Anwendung:

Tab. 8: Kodierleitfaden

Kategorie Definition Ankerbeispiele Kodierregeln

Kat.1)

Arbeitsplatzunsicherh

eit und Existenzangst

Kat.1a)

Stellen- und

Leistungsabbau

Reduzierung der

Personalstärke /

Mitarbeiterzahl /

Leistungen des

Arbeitgebers sowie

Erhöhung der

Anforderungen am

Arbeitsplatz

US-Bank Wells

Fargo will bis zu

3800

Arbeitsplätze

streichen

(HB/9.7.10/S.32),

Banker zittern vor

Sparwelle

(HB/14.6.12/32),

BHF-Bank spart

bei Abfindungen

(HB/28.12.11,S.3

2)

Stellen- und/oder

Leistungsabbau bzw.

Anforderung an

Bankmitarbeiter ist

inhaltlicher Kernaspekt

des Artikels

Kat.1b)

Konkurs

Wirtschaftlich

bedingte Beendigung

der

Unternehmensexisten

z

American Home

meldet Konkurs

an

(HB/7.8.07/S.22),

Neue

Bankenpleite in

Dänemark

(HB/28.6.11/41)

Plötzliche Beendigung

der

Unternehmensexistenz

als zentrales Thema.

Keywords z.B.

Konkurs,

Zusammenbruch,

Pleite

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Kat.1c)

Zerfall, Auflösung,

Rückzug, Reduktion

Sukzessive

Auflösung und

Verkleinerung der

bisherigen

Unternehmensstruktu

r, Rückzug aus

bisherigen

Geschäftsfeldern

ABN-Zerlegung

rückt näher

(HB/19.9.07/S.24)

,

Intesa schließt bis

zu 1000 Filialen

(HB 29.5.12/S.32)

Der langsame

Abschied der

WestLB

(HB/20.3.12/S.30)

Unternehmensauflösun

g/ -verkleinerung im

Zeitablauf, intern oder

extern gesteuerter

Rückzug als

Kernthema; ansonsten

Zuordnung zur

Kategorie "Konkurs"

bei unerwartetem,

ungesteuertem Ereignis

Kat.1d)

Fusion, Übernahme,

Rettung

Verschmelzung,

Verlust, Abgabe von

ursprünglichen

Unternehmensteilen

oder des gesamten

Unternehmens an

Wettbewerber /

Übernahme durch

den Staat

Übernahme von

Sallie Mae droht

zu scheitern

(HB/21.9.07/S.33)

,

Problembank

ÖVAG wird

teilverstaatlicht

(HB/28.2.12/36)

Aufgehen von

Unternehmen bzw.

Unternehmensteilen in

anderen Unternehmen

oder in Staatsbesitz als

Hauptfokus des

Artikels

Kategorie Definition Ankerbeispiele Kodierregeln

Kat.2)

Vertrauensverlust

Kat.2a)

Vertrauens- und

Bonitätsverlust

auf

Unternehmens-

ebene

Offenlegung von

Vertrauens- bzw.

Bonitätsverlust z.B.

durch

Ratingherabstufungen,

CDS-Steigerungen,

Verlust der bisherigen

wirtschaftlichen Stärke

Moody´s stuft die

Bonität von

Italiens Banken

herab

(HB/28.7.12/S.28)

Kernthemen sind

Unternehmensrating und

-bonität, Kapitalstärke

und -ausstattung,

Ergebnisrückgang, CDS

sowie

Interbankengeschäft

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Kat.2b)

Vertrauensverlust

von

Bankmitarbeitern

und

Kundenängste

-Prestigeverlust

-zunehmendes

Kundenmisstrauen

-Vorwurf unseriöser

Geschäftspraktiken

Vertrauen in

Banken

schwindet-

Verunsicherung

der Kunden hat in

den vergangenen

Monaten

zugenommen

(HB/26.6.12/S.34),

Immer Stress mit

dem Bankberater

(HB,19.9.12/S.30)

Im Fokus des Artikels

stehen Berufsstatus und

Prestige des Bankers

sowie Kundenängste,

Misstrauen und

Missgunst ggü.

Bankmitarbeitern

Kat.2c)

Regulierung

Schaffung neuer

regulierender/präventiv

wirkender Vorgaben

für den Finanzsektor

und seine Mitarbeiter

in Folge der Krise

Globalen

Instituten drohen

strengere Auflagen

für ihr

Eigenkapital

(HB/13.6.12/S.32)

Hauptthemen: Als Folge

der Krise ausgelöste

Regulierungsmaßnahmen

für Banken, deren

Bedeutung und Folgen

für Finanzinstitute wie

z.B. verschärfte EK-

Anforderungen

Kategorie Definition Ankerbeispiele Kodierregeln

Kat.3)

Gesundheitliche

Auswirkungen

Verschlechterung des

Gesundheitszustandes

von Bankmitarbeitern

in Folge der

Finanzkrise

Der traurige Tribut

an die Krise - in der

Londoner City

häufen sich die

Selbstmorde

(HB/11.9.12/S.10)

Betrachtung von

möglichen

Krisenauswirkungen

auf die Gesundheit

von

Bankmitarbeitern als

Fokus des Artikels

Die Umsetzung / das Ergebnis der Inhaltsanalyse der Arbeit ist im Anhang III auf

externem Datenträger beigefügt.

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Im Kern bestätigt die Analyse der Artikel des Handelsblattes für den fokussierten

Betrachtungszeitraum, in dem die aktuelle Finanzkrise Ihre Höhepunkte erreichte, die zur

Validierung der Hypothese dieser Arbeit führende Kausalitätskette. Hiernach führen die

massiven Verwerfungen der Finanzmärkte zu erheblichen strukturellen Veränderungen des

Bankensektors, die mit multiplen Belastungsfaktoren für Bankbeschäftigte wie Stellenabbau

und Vertrauensverlust einhergehen und für diese Arbeitnehmergruppe so

gesundheitsgefährdende Angst- und Streßszenarien auslösen.

Mit Hilfe der hier vorgenommenen Inhaltsanalyse kann zum einen der Verlauf der aktuellen

Finanzkrise mit Fokus auf den Bankensektor lückenlos dokumentiert werden, zum anderen

geben die Kodierungen mittels der dahinterliegenden zeitgenössischen Artikel einen gezielten

Einblick in die einzelnen relevanten Faktoren, die sich in Krisen zur vermuteten Stresskulisse

für Bankmitarbeiter verdichten. Im quantitativen Überblick zeigt sich, wieviele Artikel,

Beiträge und Textpassagen in der betrachteten Finanzkrise vom Handelsblatt zu den einzelnen

Kategorien bzw. Unterkategorien gem. Kodierleitfaden inhaltlich zugeordnet wurden

(Mehrfachzurdnungen möglich):

Tab. 9: Quantitativer Überblick der Kodierungen aus den Analyseeinheiten (2.317 HB-

Artikel)

KATEGORIE / UNTERKATEGORIE ANZAHL KODIERUNGEN

1)Arbeitsplatzunsicherheit und Existenzangst 1892

1a)Stellen- und Leistungsabbau 486

1b)Konkurs 239

1c)Zerfall, Auflösung, Rückzug, Reduktion 464

1d)Fusion, Übernahme, Rettung 703

2)Vertrauensverlust 1749

2a)Unternehmen: Vertrauens- und Bonitätsverlust,

Ergebnisrückgang

1128

2b)Kundenängste, Vertrauensverlust von Bankmitarbeitern 221

2c)Regulierung 400

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3)Gesundheitliche Auswirkungen 54

gesamt 3695

Quelle: Inhaltsanalyse MAXQDA

Beschreiben die Kodierungen der Kategorien 1) und 2) eindrücklich die Situation und

Vorgänge im Rahmen der betrachteten Finanzkrise, geben die Kodierungen der Kategorie 3)

Indikationen und Hinweise auf die in diesem Umfeld auftretenden gesundheitlichen

Auswirkungen für das Bankpersonal. Dies ist insoweit bemerkenswert, als daß es sich beim

Handelsblatt wie beschrieben um die führende deutsche Tageszeitung der Wirtschaft, nicht

aber um ein Fachblatt der Arbeitsmedizin handelt. Aus Sicht des Verfassers ergibt sich bereits

hieraus eine Evidenz zur Hypothese und Kausalitätskette dieser Arbeit.

Über die vorgenommenen Kodierungen hinaus wurden während der Analyse der einzelnen

Artikel besonders prägnante Beiträge und Textpassagen, die wesentlich zur Validierung der

Hypothese beitragen, mit einer Übergewichtung (Standard 50, Übergewichtungen 75 und

100) versehen. Auf diese Artikel greift der Verfasser wie bereits eingangs auch im weiteren

Verlauf dieser Arbeit an passender Stelle in Form von Zitaten zurück, um die eigenen

Darstellungen mit Fakten aus der Praxis evident zu unterlegen und die jeweilige Situation zu

veranschaulichen.

Parallel zur Inhaltsanalyse extrahierte der Verfasser sämtliche ihren Artikeln vom

Handelsblatt beigefügten Grafiken und Tabellen des Betrachtungszeitraumes und führte diese

chronologisch im Anhang II zusammen. Der Anhang II stellt somit einen nahezu

tagesaktuellen illustrierten Verlauf der aktuellen Finanzkrise dar und trägt ebenfalls

maßgeblich zur Validierung der Hypothese und ihrer Kausalitätskette bei.

3.2 FINANZKRISE AB 2007

Wie mit der Inhaltsanalyse des Handelsblattes dokumentiert, sind Banken im Rahmen der

„Subprime“-Krise nach dem jahrelangen Aufwärtstrend am US-Immobilienmarkt und dem

nun erfolgten Preiseinbruch global gezwungen, eigene Bestände in als Wertpapieren

verbrieften, nun größtenteils nicht mehr einbringlichen Hypotheken auf ihren Marktwert

abzuschreiben. Da sich an den Börsenmärkten in dieser Situation hierfür jedoch keine

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Abnehmer finden, müssen nahezu hundertprozentige Abschreibungen über hunderte

Milliarden US$ vorgenommen werden, was selbst die Bilanzen von bis dahin über jeden

Bonitätszweifel erhabenen internationalen Großbanken derart belastet, dass

Zahlungsunfähigkeit droht. So meldet die ,,Financial Times Deutschland“ auf ihrer Titelseite

am 12./13. September 2008: ,,Finanzmärkte in Aufruhr - Die Angst vor einer globalen

Rezession und die Sorge um die US-Bankenbranche haben am Donnerstag die Finanzmärkte

in Atem gehalten. [...] Die Aktien der Bausparkasse Washington Mutual, die schon am

Mittwoch um 30 Prozent gefallen waren, sanken im frühen Handel um weitere 19 Prozent.

Investoren beziffern die Bankrottgefahr auf 85 Prozent.“ Eine Woche später gab das

Handelsblatt mit folgendem Situationsbericht einen weiteren Einblick in den angeschlagenen

Finanzsektor (HB, 19.9.08, S.32: Bangen und Hoffen, Rolf Benders, New York)9 :

„Es ist die penetrant lange klingelnde Eröffnungsglocke, untermalt von einem ebenso

penetrant künstlich wirkenden Applaus, der die Parketthändler an der New Yorker Börse

jeden Morgen kurz aus ihren Gedanken reißt. Gedanken, die sich derzeit nur um ein Thema

drehen: Angst. Angst, nach den Finanzmarktlegenden Merrill Lynch und Lehman Brothers

am Wochenende sowie dem Versicherungsgiganten AIG am Mittwoch könnte bald das

nächste Wall-Street-Flagschiff von der Krise aufgefressen werden. Manchmal, wenn der Dow

Jones zur Eröffnung 300 Punkte fällt, kommt auch Panik auf, es könnte wieder ein Tag voller

Unfassbarkeiten sein.

'Niemand weiß, welche Institution bei welchem Pleitier wie stark engagiert ist', sagt Gordon

Charlop von Rosenblatt Securities. Das mache die Unsicherheit so groß. 'Egal was die Banken

und die Aufsichtsbehörden sagen, die Angst ist riesig. Vielleicht haben wir bisher nur die

Spitze des Eisbergs gesehen', sagt er zu den Abschreibungen von mehr als 500 Milliarden

Dollar weltweit.“

Das, was Charlop dem Handelsblatt zufolge meine und seine Kollegen auf dem schmutzig

braunen Parkett umtriebe, sei vor allem die Angst der Banker selbst. Die Angst in den

Kreditinstituten, die sich seit dem Kollaps der Investmentbank Bear Stearns im März kein

Geld mehr liehen. Zu groß sei die Furcht vor einer Zahlungsunfähigkeit der Geschäftspartner.

Dies könne dann - wie bei AIG geschehen - auch grundsolide Firmen wegen kurzfristiger

Liquiditätsnöte an den Rand des Ruins treiben, so das Handelsblatt weiter. Charlop meine

auch die Angst der Anleger, die Bankenaktien verkaufen. Nachdem sich allein durch den

Kollaps von Lehman Brothers binnen eines Jahres ein Börsenwert von 45 Milliarden Dollar in

Luft aufgelöst hat, stiegen viele aus. Abrutschende Kurse verschärften das Misstrauen der

Institute untereinander.

„Die perfekte Abwärtsspirale. Auf dem Parkett sieht man in diesen Tagen auch immer

häufiger Händler mit Boulevardsblättern in der Hand. Nicht, um die Footballergebnisse

nachzuschauen. Hier wird der Puls der Straße gefühlt. Denn seit auch die Massenmedien die

Finanzkrise als Thema entdeckt und mit riesigen Überschriften bedenken, wächst in der

Finanzszene die Angst vor der Panik der Verbraucher. 'Die große Sorge ist, dass die

Verunsicherung von den Märkten auf die Verbraucher überspringt. Wenn die anfangen, sich

über die Sicherheit ihrer Konten sorgen zu machen, wird es wirklich brenzlig', sagt Arthur

9 Auszug aus der Inhaltsanalyse des Handelsblattes

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Chin, UBS-Händler auf dem New Yorker Parkett - und wendet sich mit einem

entschuldigenden Blick wieder den fallenden Kursen zu. Es ist die Horrorvorstellung

schlechthin: In Panik geratene Kunden stehen in langen Schlangen vor den Bankschaltern und

räumen ihre Konten leer: der sichere Tod einer Bank.

Während die Angst auf dem Parkett anhand der fallenden Kurse messbar ist, ist sie

anderenorts in der Finanzmetropole New York nur indirekt spürbar. Mitten im

Amüsierbetrieb um den Times Square, umgeben von Broadway-Shows und 'Gentlemen

Clubs' liegen der Ausgangs- und der mögliche Endpunkt dieser Horrorwoche.

Amüsierwillige Touristen und New Yorker umströmen die Hauptquartiere von Lehman

Brothers und Morgan Stanley.

Auch Tage nach dem Konkursantrag stehen noch Übertragungswagen der großen TV-Sender

vor dem Lehman-Hauptquartier. Dazwischen - passend zu der absehbaren Entlassungswelle -

bittet ein Bus des New Yorker Blutspendedienstes zum Aderlass. 'Jetzt habe ich Zeit und mal

etwas Gutes tun', sagt ein auf den Bus zustrebender Lehman-Banker schon fast etwas

fatalistisch. Neben der Pleitebank hocken drei junge, augenscheinlich bislang

erfolgsverwöhnte Banker im schicken Restaurant 'Hawaiin Tropic' und beraten über ihre

Zukunft. 'Vielleicht sollten wir es machen, wie ein schon entlassenen Kollege: Ab nach

Kalifornien und da die Krise überstehen', meint der Wortführer der Gruppe. Von den gut 26

000 Lehman-Mitarbeitern dürften Schätzungen zufolge bis zu 10 000 ihre Stelle verlieren.

Und selbst die, die bleiben, sehen sich plötzlich leeren Konten gegenüber. Ein Großteil des

Verdiensts wurde in Lehman-Aktien gezahlt; rund 30 Prozent der Firma gehörte den

Angestellten. Bei einem Kurs von zuletzt 20 Cent ist davon praktisch nichts mehr übrig.

Den Kursverfall der Lehman-Aktie bekommt der Juwelier 'Martinqiue' gegenüber der Bank

bereits seit zwei Monaten zu spüren. 'Es kamen einige Lehman-Angestellte und kauften etwa

eine Kette zum Geburtstag der Ehefrau. Einige brachte sie aber wieder zurück, nachdem sie

daheim gehört hatten, dass man das Geld wohl bald besser brauchen könne', sagt Eigentümer

Alan Tobias.

Nur einen Steinwurf von Lehman entfernt liegt das Hauptgebäude von Morgan Stanley, einer

der beiden letzten - noch - unabhängigen US-Investmentbanken. Davor eine lange Schlange

von Touristen, die für einen Platz in einem offenen Doppeldecker anstehen. 'Wollen wir

hoffen, dass solche Schlangen demnächst nicht vor den großen Banken stehen', sagt ein

Morgan-Banker. 'Es ist beängstigend', meint ein anderer zum Kursverfall der Aktie von 30

Prozent an einem Tag: 'Jetzt erfasst die Angst am Markt auch uns.'

Ein anderer Bankangestellter fügt hinzu: 'Ich wünsche, wir hätten schon alles hinter uns, aber

ich fürchte, wir sind noch mitten drin.' Von Entwarnung ist also noch nichts zu spüren. Die

Händler am Parkett dürften auch heute wieder angstvoll auf die Glocke warten.“

(HB, 19.09.08, S.32: Bangen und Hoffen, Rolf Benders, New York)

Die Situation entwickelte sich somit zur Vertrauenskrise insbesondere unter den Banken, was

den internationalen Liquiditätsfluß kurzzeitig nahezu zum Erliegen bringt. Nachdem in den

USA bereits mehrere namhafte (Hypotheken)Banken insolvent geworden waren, fand die

Krise ihren Höhepunkt im Konkurs der bislang international renommierten Investmentbank

Lehman Brothers (25.000 Mitarbeiter), die nicht wie andere namhafte Häuser die Chance zu

einer Übernahme durch Wettbewerber bzw. Staatsgarantien erhielt. Der darauffolgende

komplette Vertrauensverlust ließ den Zusammenbruch weiter Teile des weltweiten

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Finanzsystems unmittelbar bevorstehen und spiegelt sich eindrucksvoll am seit 2007 in der

Spitze ca. 80%igen Kursverfall der Aktien börsennotierter Bankinstitute wider (dargestellt

anhand des 41 internationale Großbanken umfassenden Bankenbranchenindex FTSE Global

Banks):

Abb. 11: Kursverfall bei internationalen Bankaktien

Quelle: onvista.de: FTSE Global Banks

Spiegelbildlich stellt sich die Bankenkrise auch anhand des Zusammenbruchs der

Marktkapitalisierung namhafter Finanzinstitute dar (JP Morgan/Bloomberg, 2009)

(s. auch Anhang II, S.97/2 und S.101/1) :

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Abb. 12: Entwicklung der Marktkapitalisierung internationaler Banken

Quelle: Bloomberg, 20.01.2009, Zugriff für autorisierte Bloomberg-Nutzer

Zum Vergleich: In der Weltwirtschaftskrise ab 1929 hatte der branchenübergreifende Dow

Jones Index nach einem Zeitraum von drei Jahren 90% seines Wertes eingebüßt.

Nur durch konzertierte Aktionen internationaler Regierungen und ihrer Notenbanken sowie

Übernahmen von gefährdeten Banken durch stärkere Institute konnte buchstäblich in letzter

Sekunde das Schlimmste verhindert werden. Die aktuelle Krise veranlasste auch die

Tagespresse, nach Vergleichen zu suchen, wie der der Inhaltsanalyse entnommene Artikel

eindrücklich zeigt:

„Börsen spiegeln die Wirtschaft wider. Stimmt der Leitspruch, dann findet sich für die

derzeitige Rezession nur ein Abbild: die Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er-Jahre. [...]

Die Dramatik und große Parallele zu 1929 offenbart sich in der Halbierung des Kapitals in nur

14 Monaten zwischen Januar 2008 und März 2009. Die 30 Dax-Konzerne verloren 500 Mrd.

Euro an Wert. Damals wie heute verpuffen Zwischenerholungen sofort.

Ob sich auch die jüngste Sieben-Prozent-Kursrally in nur zwei Tagen wieder in Luft auflöst,

zeigt sich, wenn neue Hiobsbotschaften die Märkte belasten. Strategen mit jahrzehntelanger

Erfahrung wie Albert Edwards und James Montier von der französischen Großbank Société

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Générale gehen davon aus, dass in einer solch ausgeprägten Baisse wie jetzt, erst noch die

'letzten Aufrechten' kapitulieren müssen, damit die Talfahrt stoppt. Erst dann sei der Markt

gegenüber schlechten Nachrichten immun und für einen Neuanfang bereit.“ (HB, 12.3.09, S.

29: Erschreckende Parallelen - So rasant wie diesmal fielen die Kurse nur zu Beginn der

Weltwirtschaftskrise vor 80 Jahren, Ulf Sommer, Düsseldorf)

Mehrmonatige 'Bärenmarkt-Rallys', in der die Kurse inmitten einer Baisse steigen, gäbe es

diesmal bislang nicht, so das Handelsblatt weiter. Während der Talfahrt von 2000 bis 2003

hätten Aktien zeitweise um 50 Prozent zugelegt. Doch wenn die Börse wirklich ein Abbild

der Realwirtschaft sei, dann überrasche die aktuelle Einbahnstraße nach unten wohl kaum.

Denn nie zuvor in der Nachkriegsgeschichte wäre die Wirtschaft so rasant und global

abgestürzt wie jetzt, stellt die Wirtschaftszeitung fest. „Hinzu kommt, dass Großanleger wie

Versicherungen und Pensionskassen nicht in dieselbe Falle tappen wollen wie noch vor neun

Jahren, als sie mehrfach zu früh einstiegen, weil die Kurse doch wieder auf neue Tiefs fielen.

'Investoren haben aus dem großen Absturz nach dem Platzen der Technologieblase gelernt',

sagte BHF-Bank-Chefstratege Kai Franke bereits zu Beginn der Talfahrt im Januar 2008.

Daran hat sich bis heute nichts geändert: Weil niemand ins fallende Messer greifen möchte,

fallen die Kurse fast ohne Gegenwehr.

Setzen sich die Parallelen zwischen 1929 und 2009 fort - Banken- und Weltwirtschaftskrise -,

dann droht den Börsen noch ein langer Verfall. Bis 1932 verlor der amerikanische Dow Jones

89 Prozent. Das entspräche heute einem Niveau von 1 500 Punkten. Der Dow hätte noch

einen weiten Weg vor sich.

In Deutschland fielen vor 80 Jahren die Verluste mit 68 Prozent zwar deutlich geringer aus.

Doch vom einst maßgeblichen Berliner Aktienindex ist nur ein Durchschnittskurs pro Monat

überliefert. Darüber hinaus war die Börse oft geschlossen, durchgehend zwischen Oktober

1931 und März 1932.

Dass die an sich günstige Bewertung von Aktien diesmal aber nicht vor schweren Verlusten

schützt, hat zwei Ursachen: Erstens trifft die Finanzkrise mit Bank- und Versicherungsaktien

ausgerechnet jene Branche ins Mark, deren Gewicht in den maßgeblichen Börsenindizes am

stärksten ist. Entsprechend heftig brechen die Börsen jetzt ein, wenn Bankaktien abstürzen.

Darüber hinaus lässt die ungewöhnlich rasch einbrechende Rezession die Gewinne beinahe

aller Firmen rasant sinken. Von der einst günstigen Bewertung - langfristig immer

Haupttreiber für Hausse und Baisse - ist also nichts geblieben.“

(HB, 12.3.09, S. 29: Erschreckende Parallelen - So rasant wie diesmal fielen die Kurse nur zu

Beginn der Weltwirtschaftskrise vor 80 Jahren, Ulf Sommer, Düsseldorf)

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70

Die Aussagen des Artikels werden mittels der beigestellten Grafik verdeutlicht:

Abb. 13: Börsen in Rezessionen

Quelle: HB, 12.03.2009, S.29, Erschreckende Parallelen, Ulf Sommer / Düsseldorf

Nach Stuart Sweeney, Investmentbanker und Professor für Wirtschaftsgeschichte, „lassen

wirtschaftshistorische Studien darauf schließen, daß der Verlauf der (aktuellen) Finanzkrise

nichts spektakulär Neues war. Einzig den exzessiven Einsatz von Fremdkapital kannte man

bisher nicht. Viele der komplexen Produkte, die als Auslöser für die Krise verantwortlich

gemacht wurden, bestanden in der einen oder anderen Form bereits im 19. Jahrhundert.

Derivatähnliche Produkte spielten bereits in früheren Jahrhunderten eine wichtige Rolle bei

Finanzblasen.“ (Sweeney 2012)

Parallelen zwischen der aktuellen Krise und der Krise von 1929/30 erkennt auch der

österreichische Ökonom Stephan Schulmeister und stellt sie in seinem Vergleich wie folgt

heraus (Schulmeister, 2009, S. 24f.) :

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„Der 'Aufbau' des Potentials der neuen Weltwirtschaftskrise sowie die erste Phase ihrer

Ausbreitung weist mehrere Ähnlichkeiten mit den 1920er und 1930er Jahren auf (siehe dazu

auch League of Nations, 1945; Kindleberger, 1973; Galbraith, 1954; Bernanke, 1983):

- Die Jahre der schwersten Depression (1929 bis 1933) wurden durch den gleichzeitigen

Verfall von Aktienkursen, Immobilienpreisen und Rohstoffpreisen geprägt ([...] auf Basis von

Tagesdaten haben die Aktienkurse in den USA zwischen dem Höchststand in Oktober 1929

und dem Tiefststand Mitte 1932 etwa 90% an Wert verloren).

- Diesem Entwertungsprozess ging ein spektakulärer Aktienboom voraus. Auch in den

('goldenen') 1920er Jahren breitete sich in wachsendem Maß – besonders in den USA – ein

'Spekulationsfieber' aus nach dem Motto 'Lassen wir unser Geld an der Börse arbeiten'

(zwischen Mitte 1922 und Oktober 1929 stiegen die Aktienkurse in den USA auf das

annähernd Sechsfache, am stärksten war der Boom ab Beginn des Jahres 1927).

- Die im Zuge des dreifachen Entwertungsprozesses einsetzende Kontraktion der

Realwirtschaft wurde 'vorangetrieben' durch einen massiven Einbruch des Wohnbaus, gefolgt

von dem Rückgang der Investitionen der Unternehmen und schließlich der Nachfrage nach

dauerhaften Konsumgütern (bei weitem am stärksten brach die Nachfrage nach Automobilen

ein).“

Schulmeister verweist weiterhin auf Unterschiede der beiden Krisen, kommt jedoch zu dem

Schluß, daß auch im Rahmen der aktuellen Krise ein deutlicher Anstieg von

Arbeitsplatzverlusten zu erwarten und dabei u.a. der Bankensektor betroffen sein wird

(Schulmeister 2009, S. 25):

„-Die Systeme der sozialen Sicherheit sind – trotz ihrer Schwächung in den letzten 15 Jahren

– derzeit in kaum vergleichbarem Ausmaß besser ausgebaut als Ende der 1920er Jahre.

- Die Wirtschaftspolitik reagiert auf die derzeitige Krise mit einer massiven Unterstützung des

Bankensektors und mit umfangreichen 'Konjunkturpaketen' – ganz im Gegensatz zu den

Jahren 1929 bis 1933.

- Das Realeinkommensniveau ist um ein Vielfaches höher als vor 80 Jahren.

- Die Welthandelsorganisation (WTO) kann heute protektionistischen Tendenzen Grenzen

setzen.

- Spezifische Probleme, die nach 1929 zur Verschärfung der Krise beigetragen haben wie

etwa die Last der deutschen Reparationsschulden, existieren derzeit nicht.“

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Dieser Punkt bezieht sich auf den Stand 2009. Heute, in 2013, sieht sich Deutschland

aufgrund der Verschuldungskrise einiger Euro-Staaten mit enormen Aufwendungen zur

Stützung konfrontiert, was im Ernstfall ähnlich wie die Reparationszahlungen der Jahre nach

dem Ersten Weltkrieg zu erheblichen Belastungen des deutschen Staatshaushaltes führen

kann.

„Aus diesen Gründen ist es 'common sense', dass die derzeitige Krise nicht das Ausmaß der

Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre erreichen werde (Aiginger, 2009A und 2009B;

Mooslechner; 2008). Dem ist zuzustimmen in dem Sinn, dass eine Verelendung breiter

Bevölkerungsschichten wie in der großen Depression auszuschließen ist. Nicht

ausgeschlossen werden kann aber eine mehrjährige Krise, in der die Produktion in den

Industrieländern zunächst markant sinkt und in der Folge (bestenfalls) stagniert, verbunden

mit einem massiven Anstieg der Arbeitslosigkeit. (Heraushebung d. Verf.) Mehrere

Faktoren sprechen sogar für ein größeres 'Kontraktionspotential' als nach 1929 (wenn auch

von einem viel höheren Niveau aus):

- Das Tempo des Entwertungsprozesses von Aktien, Immobilien und Rohstoffpreisen ist

höher als nach 1929 [...] .

- Vom Verfall der Aktienkurse sind viel mehr Einzelpersonen, Unternehmen und Banken

direkt und noch mehr indirekt betroffen (via Pensionsfonds, Investmentfonds, Tilgungsträger,

etc.) als 1929. Dies ist Folge der vorangegangenen finanzkapitalistischen Entwicklung. [...]"

(Schulmeister 2009, S.25)

Nach Schulmeister ist also die aktuelle Finanzkrise vergleichbar mit den großen Krisen der

Vergangenheit ; wobei in wesentlichen Punkten wie Kursstürzen an den Börsen nach

erheblichen Marktübertreibungen, Schieflagen von Kreditinstituten und massivem

Stellenabbau wiederholt gleichartige Entwicklungen, Phänomene und Effekte festzustellen

sind.

Die erwähnte Betroffenheit von Banken zeigt sich nicht nur im Einbruch der Aktienkurse und

der Marktkapitalisierung, sondern auch in strukturellen bzw. existenzbedrohenden Folgen für

den Finanzsektor.

Anhand einer Auflistung des Einlagensicherungsfonds der USA „FDIC“ (Federal Deposit

Insurance Corporation ) der angeschlagenen nationalen Banken, die wegen (bevorstehenden)

Konkurses von dieser staatlichen Institution übernommen bzw. geschlossen wurden, wird der

strukturelle Umbruch des amerikanischen Finanzsystems und seine prekäre Situation in ihren

Ausmaßen durch die Häufung in den Krisenjahren 2008/2009 verdeutlicht:

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Tab. 10: Failed Bank List (FDIC 2009)

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Quelle: Federal Deposit Insurance Corporation FDIC, 12.05.2009

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Hierbei stellt die Übersicht „nur“ die von den Maßnahmen der FDIC betroffenen Geldhäuser

dar. Ein erweiterter Blick ergibt sich, wenn auch die Geldinstitute einbezogen werden, die

aufgrund ihrer Finanzprobleme von anderen Instituten übernommen wurden. Allein im Jahr

2009 gingen in den USA 140 Banken in die Insolvenz. Da sich die Krise ausgehend von den

USA global ausweitete, gerieten auch europäische Banken in Notlagen, die zur Stabilisierung

des Finanzsystems ähnliche Übernahme-/Beteiligungsmaßnahmen notwendig werden ließen.

In diesem Kontext sind exemplarisch für Deutschland die Bayerische Landesbank, die

Westdeutsche Landesbank, die Landesbank Sachsen, die Hypo Real Estate HRE und die

Industriekreditbank IKB zu nennen. (s. auch diverse Handelsblatt-Grafiken im Anhang II,

z.B. „Filetierung einer Bank“ [5.10.07, S. 2] oder „Bear Stearns: Chronologie einer Fast-

Pleite“ [17.3.08, S. 1] )

Dieser Trend von Bankenkonkursen setzte sich auch in den Folgejahren fort, was auf ein

Andauern der Krise hindeutet. Wie die „tagesschau“ im August des Jahres 2010 meldete,

steuerte man hierbei in den USA auf einen Negativrekord hin: Nach Mitteilung der FDIC

wurden seit Januar bereits 103 Finanzinstitute geschlossen, im vergleichbaren Zeitraum des

Vorjahres waren es „lediglich“ 64, im gesamten Jahr 2009 140 Banken. Ende März 2010

kämpften 775 amerikanische Kreditinstitute um ihr Überleben (tagesschau.de: Mehr als 100

Pleiten von US-Banken seit Jahresbeginn).

Das Handelsblatt widmet der anhaltenden Bankenkrise in seiner Ausgabe vom 3. Januar 2012

auf Seite 35 den folgenden Statusbericht, der zur Veranschaulichung der bedrohlichen Lage

im Original abgebildet wird:

Abb. 14: Kein Ende des Bankensterbens in den USA in Sicht

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Quelle: HB, 3.1.12, S.35: Kein Ende des Bankensterbens in den USA in Sicht, Rolf Benders /

New York

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Die im Verlauf und aufgrund der Krise seit Mitte 2007 zunehmend durchgeführten Analysen

und Neubewertungen der Risikopositionen der Finanzinstitute und die durch die immensen

Abschreibungen eingebrochenen Ergebnisse internationaler Banken führten zu

(Not)Maßnahmenpaketen, die deutliche Kosteneinschnitte zur Stabilisierung bzw. Rückkehr

in die Gewinnzone mit sich bringen. Hiervon zuerst betroffen ist wie in den vorangegangenen

Wirtschaftskrisen der Personalbestand, wie in folgenden herausgegriffenen Berichten der

Inaltsanalyse des Handelsblattes verdeutlicht wird. Mittels dieser weiteren ausgewählten

Artikel soll exemplarisch die angespannte Lage und der herrschende Zeitgeist vermittelt

werden:

„Die ausufernde Hypotheken- und Kreditkrise schlägt sich in den USA inzwischen deutlich

auf die Beschäftigung in der Finanzbranche nieder. Nach mehr als 70

Firmenzusammenbrüchen im Hypothekenbereich sorgt die Branche fast im Tagesrhythmus

für neue Hiobsbotschaften. Betroffen waren bisher in erster Linie kleinere Unternehmen, die

im Zuge der Kreditklemme in akute Liquiditätsnot geraten sind. Die Zahl der

Schwergewichte, die mit der aktuellen Situation kaum mehr zurechtkommen, steigt jedoch

rasant.“ (HB, 21.8.07, S. 24: US-Hypothekenkrise: Immer mehr Unternehmen erschüttern die

Finanzbranche mit neuen Hiobsbotschaften. Den kleinen Instituten folgen inzwischen auch

große Gesellschaften. US-Banker bangen um ihre Jobs, Matthias Eberle, New York) So habe

dem Handelsblatt zufolge der in Tucson, Arizona, ansässige Hypothekenfinanzierer First

Magnus Financial mitgeteilt, dass er mehr als 300 Niederlassungen schließen und wegen der

verheerenden Geschäftssituation rund 6 000 Mitarbeiter entlassen muss. First Magnus sei der

zweitgrößte private Anbieter von US-Hypotheken. Die Firma habe im vergangenen Jahr noch

Hypotheken im Volumen von 30 Mrd. Dollar ausgestellt und würde nun von Analysten als

konkursgefährdet eingestuft. Seit dem 15. August nähme der Anbieter keine neuen

Hypothekenanträge mehr entgegen. Weiter berichtet die führende deutsche

Wirtschaftszeitung, die kleinere börsennotierte Hypothekenfirma Novastar Financial sähe sich

ebenfalls gezwungen, insgesamt 500 Mitarbeiter, das seien mehr als ein Drittel der

Angestellten, zu entlassen. Das Unternehmen aus Kansas City spräche von 'extremer

Unsicherheit und Störungen' insbesondere im Geschäft mit Subprime-Krediten, die Kunden

mit schwacher Bonität betreffen. Novastar sei gerade in diesem Geschäftsfeld tätig. Auch

Marktführer Countrywide Financial, der bis zuletzt versichert hätte, von der Krise zu

profitieren und neue Mitarbeiter von Pleitefirmen einzustellen, wähle nun den anderen Weg.

„Das 'Wall Street Journal' berichtet von einer E-Mail an Mitarbeiter, in der erste Entlassungen

in der 'Full Spectrum'- Sparte angekündigt wurden. Dort arbeitet eine Verkaufstruppe von 6

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800 Mitarbeitern, die in erster Linie Hypotheken unterhalb des Prime-Segments vertreibt. Das

sind Baudarlehen von Hauskäufern, die die Höhe ihrer Einkommen nicht dokumentieren

müssen. Angesichts der Kreditklemme musste Countrywide in der Vorwoche bei 40 Banken

seine gesamten Kreditlinien von 11,5 Mrd. Dollar in Anspruch nehmen. Das Unternehmen

aus Calabasas in Kalifornien ist mit mehr als elf Mrd. Dollar Umsatz ein Schwergewicht,

dessen weiterer Geschäftsverlauf von Analysten mit Argusaugen verfolgt wird. Ein Analyst

von Bear Stearns hatte Investoren und Kunden in der Vorwoche mit der Einschätzung

aufgeschreckt, dass auch dem Marktführer der Konkurs drohen könnte. Das hatte unter

anderem einen Ansturm auf die Einlagen zur Folge, denn die Tochterfirma Countrywide Bank

betreibt 105 Bankfilialen in den USA und verfügt über mehr als 100 Mrd. Dollar an Einlagen.

Countrywide betonte, das Kapital sei bei der Federal Deposit Insurance Corporation

versichert.

Die aktuellen Marktkonditionen seien schlechter als während der Finanzkrisen 1994 und

1998, sagte Larry Goldstone, Präsident der Hypothekenfirma Thornburg Mortgage. Der

Anbieter aus Santa Fe, New Mexico, verkaufte gestern mehr als ein Drittel seiner Assets im

Volumen von 20,5 Mrd. Dollar, um liquide zu bleiben. Der Notverkauf werde im dritten

Quartal zu einem Verlust von rund 930 Mill. Dollar führen, teilte Thornburg Mortgage mit.“

(HB, 21.8.07, S. 24: US-Hypothekenkrise: Immer mehr Unternehmen erschüttern die

Finanzbranche mit neuen Hiobsbotschaften. Den kleinen Instituten folgen inzwischen auch

große Gesellschaften. US-Banker bangen um ihre Jobs, Matthias Eberle, New York)

Das Handelsblatt berichtet weiter, die achtgrößte US-Bank Sun Trust habe gestern ebenfalls

bekanntgegeben, 2 400 Jobs bis Ende 2008 abzubauen. Das Kreditinstitut aus Atlanta sähe die

Aktion im Zusammenhang mit einem Restrukturierungsplan, der bereits im Januar verkündet

worden sei. Die aktuelle Lage schüre an der Wall Street Ängste, dass die Krise bald

überschwappen könne, so das Presseorgan weiter. Experten seien überzeugt, dass die Pleiten

vieler Hypothekenfirmen sowie die Ausfälle diverser Hedge-Fonds auf das Ergebnis der

Kreditgeber im Hintergrund durchschlagen würden. Zudem sei das Geschäft mit Übernahmen

und Fusionen, von dem die Branche zuletzt prächtig gelebt hätte, fast zum Erliegen

gekommen. „ 'Das mache es schwer für Investmentbanken, in den nächsten Monaten Geld zu

verdienen', sagte ein Wall-Street-Banker, der ungenannt bleiben wollte.

Einen Hinweis auf die zusehends prekäre Lage gibt die jüngste Mitteilung von Bear Stearns.

Das Wall-Street-Haus gab in der Vorwoche bekannt, dass man angesichts der anhaltenden

Immobilienkrise rund 240 Arbeitsplätze im Subprime-Bereich abbauen werde. Bear Stearns

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hatte im Juli einräumen müssen, dass sich das Institut mit zwei seiner Hedge-Fonds massiv

verspekulierte und dabei Milliardenwerte vernichtete. Seitdem kommt die Finanzbranche in

den USA nicht mehr zur Ruhe.“ (HB, 21.8.07, S. 24: US-Hypothekenkrise: Immer mehr

Unternehmen erschüttern die Finanzbranche mit neuen Hiobsbotschaften. Den kleinen

Instituten folgen inzwischen auch große Gesellschaften. US-Banker bangen um ihre Jobs,

Matthias Eberle, New York)

Ein halbes Jahr später scheinen die Befürchtungen einer anhaltenden Krise mit weiteren

radikalen Personaleinschnitten eingetroffen zu sein und eine Entspannung der Lage nicht in

Sicht, wie der folgende Handelsblatt-Beitrag erkennen lässt:

„Den europäischen Investmentbankern wird nur wenig Zeit bleiben, ihre Boni zu feiern. Für

2007 schütten die Geldhäuser zwar trotz Kreditkrise noch einmal Rekordsummen aus. Doch

glaubt man Analysten, dann bereiten die Institute gleichzeitig die nächste große

Entlassungswelle vor. Damit würde den Finanzzentren in Europa ein ähnliches Schicksal

drohen wie der Wall Street, wo die Großbanken bereits massiv Stellen streichen. Auch bei der

Deutschen Bank könnten laut einer neuen Studie von JP Morgan deutlich mehr Jobs auf dem

Spiel stehen als bislang bekannt. Die Experten des US-Hauses glauben, dass die europäischen

Großbanken wegen der Kreditkrise in diesem Jahr rund zwölf Prozent ihrer Stellen im

Investment-Banking streichen müssen. Bei der Deutschen Bank sieht Analyst Kian

Abouhossein 26 000 Stellen auf der Kippe. Bislang hat das Frankfurter Institut lediglich den

Abbau von rund 300 Arbeitsplätzen angekündigt. Für die Schweizer Großbank UBS sagt JP

Morgan 2 500 Arbeitsplätze weniger voraus, und bei der von einem milliardenschweren

Handelsskandal erschütterten Société Générale müssten 1 650 Mitarbeiter um ihren Job

fürchten. Die düsteren Prognosen begründet JP Morgan mit einer 'Minirezession' im

Investment-Banking. Die Schnitte seien nötig, um den Kollaps des Marktes für strukturierte

Kreditprodukte und Finanzierungen sowie einen Einbruch der Einnahmen im

Beratungsgeschäft vor allem bei der Betreuung von Fusionen und Börsengängen

auszugleichen. Die internationalen Investmentbanken haben einen vier Jahre langen Boom

hinter sich, mit einer Flut von Rekorden quer durch alle Geschäftsbereiche. Auch 2007 war

für die meisten Sektoren noch einmal ein Rekordjahr. Allerdings sorgte der Ausbruch der

Kreditkrise im vergangenen Sommer bei einigen Instituten für eine schmerzliche

Vollbremsung. So musste die Schweizer Großbank UBS zwölf Mrd. Euro für Subprime-

Verluste abschreiben und für 2007 ein Minus in der Bilanz von 2,7 Mrd. Euro verkraften.“

(HB, 7.2.08, S.21: Die Entlassungswelle rollt. Europas Investmentbanken stehen vor einem

schmerzlichen Arbeitsplatzabbau. Michael Maisch, London)

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Weil eine ganze Reihe von Märkten nach den Verwerfungen noch immer schwer

angeschlagen sei , so die Finanzzeitung weiter, bedrohe die Krise aber auch Institute wie die

Deutsche Bank, die in puncto Subprime-Abschreibungen bislang glimpflich davongekommen

ist. 'Es ist klar, dass der Boom im Investment-Banking erst einmal vorbei ist und dass die

Zeichen auf Stellenabbau stehen', meine ein zitierter Londoner Personalberater. Ihm zufolge

würden als Erstes Jobs im Anleihe- und Kreditgeschäft wegfallen, in jenen Sektoren, die im

Zentrum der Subprime-Krise stehen. Sollten sich die Märkte aber nicht bald beruhigen,

stünden auch in anderen Geschäftsbereichen Stellen auf dem Spiel, warne der Berater.

„Im Januar brach das lange Zeit lukrative Geschäft mit Kreditverbriefungen im Vergleich

zum Vorjahr um über 80 Prozent ein. Gleichzeitig fiel das Geschäft mit Fusionen und

Übernahmen auf den tiefsten Stand seit vier Jahren. Außerdem mussten die Banken den Daten

des Informationsdienstes Thomson Financial zufolge 21 geplante Börsengänge im Wert von

sechs Mrd. Dollar absagen. Besonders hart droht der Stellenabbau in Europa den Finanzplatz

London zu treffen. Der Informationsdienst Experian warnt, dass in diesem Jahr bis zu 20 000

Angestellte in der City wegen der Finanzkrise ihren Job verlieren könnten. Sollten die

Experian-Experten recht behalten, würde die Kreditkrise die City ähnlich hart treffen wie das

Platzen der Internetblase Anfang des Jahrzehnts. Damals gingen ebenfalls rund 20 000

Stellen verloren. Noch drastischer war die Wirkung der letzten großen Rezession in

Großbritannien Anfang der 90er-Jahre. Damals fielen der Wirtschaftskrise 40 000 City-Jobs

zum Opfer. Zuletzt bot das Finanzviertel der Rekordzahl von 350 000 Menschen einen

Arbeitsplatz.“ (HB, 7.2.08, S.21: Die Entlassungswelle rollt. Europas Investmentbanken

stehen vor einem schmerzlichen Arbeitsplatzabbau. Michael Maisch, London)

Die weitere Eskalation für Beschäftigte im Finanzbereich als Folge angespannter

Bankbilanzen verdeutlicht der folgende Beitrag:

„Die von Hypothekenverlusten und Abschreibungen geplagten Banken an der Wall Street

haben in den vergangenen neun Monaten fast 35 000 Stellen gestrichen. Einen so starken

Jobabbau hat es im Finanzsektor nicht mehr gegeben, seit 2001 die Internet-Blase geplatzt ist.

Damals waren innerhalb von neun Monaten 39 800 Stellen in der Branche weggefallen. Nach

weiteren zwei Jahren waren insgesamt 90 000 Jobs verloren, wie Daten des

Branchenverbandes Securities Industry and Financial Markets Association (SIFMA) zeigen.

Durch den Zusammenbruch des Marktes für Hypothekenkredite an bonitätsschwache

Schuldner und die resultierende Lähmung des allgemeinen Kreditmarktes mussten die großen

Finanzinstitute der Welt bislang Abschreibungen und Verluste über mehr als 200 Mrd. Dollar

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(130 Mrd. Euro) hinnehmen. Die tiefsten Einschnitte gab es bisher bei Lehman Brothers: Das

viertgrößte US-Wertpapierhaus hat die Zahl seiner Stellen bereits um 18 Prozent reduziert.

Das zahlenmäßig größte Personalabbauprogramm wird in den nächsten Wochen vom Banken-

Riesen Citigroup erwartet, der zurzeit noch mehr als 370 000 Beschäftigte weltweit hat, davon

allein 27 000 in New York. Citi-Aktionär Bill Smith, Chef von Smith Asset Management, hält

eine Verschlankung um rund 45 000 Stellen für notwendig. Citi sei 'aufgebläht', kritisierte

Smith.

Wie kritisch die Lage geworden ist, zeigen auch die jüngsten Spekulationen um Goldman

Sachs: Informationen der 'New York Post' zufolge könnte selbst die führende und bisher so

erfolgreiche US-Investmentbank 6 400 Jobs streichen und damit bis zu 15 Prozent ihrer

Belegschaft nach Hause schicken. 'Die Krise ist wesentlich schlimmer als 2001 - und wir

wissen nicht, wie lange sie dauern wird', erklärt Jo Bennet, Partner bei Battalia Winston

International, einem Personalspezialisten, der sich auf Führungskräfte spezialisiert hat.

Innerhalb einiger Jahre könnte es mehr als 100 000 Stellenstreichungen geben, erwartet

Bennet.

Banken begannen bereits im Juli 2007, Positionen im Hypothekenbereich aufzulösen. Sie

reagierten auf die steigende Zahl von Zahlungsproblemen bei Eigenheimkrediten, die zu

einem Wertverfall bei Hypothekenanleihen führte. Zwischen Juli und Dezember haben die

Wall-Street-Banken fast 17 000 Stellen abgebaut - im Handel mit festverzinslichen

Wertpapieren ebenso wie in den Bereichen Verbriefung, Vermögensverwaltung und

Investment-Banking. Auch in der Verwaltung und im Technologiebereich wurden Stellen

abgebaut. ... Das wahre Ausmaß der Entlassungswelle ist laut Jeanne Branthover, Direktorin

bei Boyden Global, noch nicht zu erkennen.“ (HB, 25.3.08, S. 22 Die Entlassungswelle rollt.

US-Banken haben wegen der Krise bereits 35000 Mitarbeiter gefeuert, New York)

„'Profumo ist knallhart.'

Das bestätigte sich gestern beim jüngsten Strategieschwenk des Unicredit-Chefs: Rund 9000

Arbeitsplätze in Westeuropa will er abbauen, mehr als 2000 bei der deutschen Unicredit-

Tochter HVB. Im Gegenzug sollen Filialen und neue Jobs in Osteuropa entstehen, verkündete

Profumo am Donnerstag. Wo Kapazitäten bei der Münchener HVB gekürzt werden können,

sagte er dagegen nicht. Dies sei noch völlig offen, meinte ein HVB-Aufsichtsrat. 'Es wird

auch gemunkelt, dass Filialen geschlossen werden könnten.'

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Die Arbeitnehmer jedenfalls schäumen: 'Wir werden um jeden Arbeitsplatz kämpfen', sagte

HVB-Aufsichtsrat Klaus Grünewald von der Gewerkschaft Verdi dem Handelsblatt. Die

Personaldecke der Bank sei jetzt schon dünn, die Arbeitsbelastung der Beschäftigten hoch.

'Mit jeder Maßnahme, die man jetzt noch draufsetzt, betreibt man Ertragsabbau.' Pure

Kostenreduzierung sei ein 'Akt der Ideenlosigkeit'.“ (HB, 27.6.08, S.2: Mailänder

Salamitaktik, Axel Höpner/München, Katharina Kort/Mailand) Dem Handelsblatt nach

kämen die Kürzungen für viele HVB-Beschäftigte überraschend. Für ein Mitglied des

Aufsichtsrats seien sie dagegen 'absehbar' gewesen. Ihmzufolge seinen schließlich in den

Fusionsverträgen vereinbart worden, dass die Lage nach Ablauf von drei Jahren überprüft

wird. Arbeitnehmervertreter befürchteten nun, so die Wirtschaftszeitung weiter, dass die neue

Sparrunde das Geschäft ausbluten liesse. Im Umfeld des Konzerns würde dagegen betont,

man wolle sich nur stärker auf die attraktiven Bereiche des Privatkundengeschäfts

konzentrieren. „ 'Klasse statt Masse' laute die Devise. Das Geschäft mit den einfachen

Kunden solle dabei nicht aufgegeben werden, wie auch Unicredit-Vorstand Roberto Nicastro

gestern betonte. Wachstum suche die HVB aber in Nischen wie dem Wealth-Management

und im Firmenkundengeschäft. Aber auch das sind aus Sicht der Mailänder Zentrale nur

Nuancen. Die neuen Abbaupläne zeigen, wo für Unicredit künftig die Musik spielt: in

Osteuropa. Hier sind die Margen und die Wachstumsraten höher. “ (HB, 27.6.08, S.2:

Mailänder Salamitaktik, Axel Höpner/München, Katharina Kort/Mailand)

Mit diesen Situationsberichten wird die seinerzeit hochgradig angespannte Lage

internationaler Kreditinstitute aufgrund der z.T. selbstverursachten Krise wiedergegeben und

der daraus unmittelbar folgende Reflex der Bankführungen zur Kostensenkung mittels

Personalabbau eindrücklich dargestellt. Sind also bereits in der ersten Phase der Krise

insbesondere in den USA durch Konkurse kleinerer Regionalbanken Arbeitsplätze

verlorengegangen, zeigen sich nun im gesamten globalen Bankensegment und auch bei den

größten Kreditinstituten die Folgen der Übernahmen, Fusionen und Stellenabbaupläne für die

Bankangestellten in den internationalen Finanzzentren, von denen hier einige exemplarisch

herausgestellt werden:

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Tab. 11: Job cuts at banks Oct. 2007 - Oct. 2008

Job cuts at banks Oct. 2007 - Oct. 2008

Company Jobs cut Percentage of headcount

Citigroup 23,500 6.3

Lehman Brothers 13,390 46.8

Bank of America 11,150 5.3

Bear Stearns 9,159 64.7

UBS 9,000 10.8

Commerzbank

9,000 24.5

Wachovia 8,393 6.9

Royal Bank of Scotland 7,200 3.2

Merrill Lynch 5,220 8.1

Morgan Stanley 4,440 9.2

Washington Mutual 4,200 NA

JPMorgan 4,100 2.3

Other US banks 2,914 NA

IndyMac 2,800 28.3

HSBC 2,780 0.9

Other European banks 2,370 NA

Credit Suisse 1,565 3.3

West LB 1,530 24.9

Goldman Sachs 1,500 4.9

National City 900 2.8

Total 125,111

Source: Bloomberg, October

9 2008

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Quelle: Bloomberg, 9.10.2008: Job Cuts at Banks, Oct.2007 - Oct.2008

Die Zahlen korrespondieren mit Angaben des Handelsblattes, das in seiner Ausgabe am

2.10.2008 berichtete:

„Das Streichkonzert - jeder dritte Banker hat durch die Finanzkrise seinen Job verloren.

Insgesamt wurden weltweit mehr als 130 000 Stellen gestrichen, fast jede dritte bei einer

europäischen Bank. “ (HB, 2.10.08, S.24: Das Streichkonzert, Marc Neller/Düsseldorf,

Torsten Riecke/Zürich, Sonia Shinde/Frankfurt). Wenige Monate später hatte die Krise mit

entsprechenden Konsequenzen für den Personalbestand im Bankenbereich auch Osteuropa

erfasst, wie folgender Artikel aus dem Handelsblatt verdeutlicht10

:

„Die Finanzkrise wirkt sich jetzt auch in Osteuropa unmittelbar auf die Beschäftigten des

Bankensektors aus: Die ersten Kreditinstitute haben in der Region mit einem radikalen

Personalschnitt begonnen. Mindestens 3 000 Menschen werden in den nächsten Wochen ihren

Arbeitsplatz verlieren. Die Aussichten für die folgenden Monate bleiben düster. Nach

Expertenmeinung könnten bis Sommer mehr als 10 000 Bankbeschäftigte ihren Arbeitsplatz

verlieren.

Die Rezession hat inzwischen auch die meisten osteuropäischen Staaten erreicht. Statt hoher

Wachstumsraten wie in den Vorjahren müssen sich die meisten Länder 2009 auf

schrumpfende Volkswirtschaften einstellen. Und für die Banken heißt das schlichtweg:

weniger Geschäft. Bei zunehmender Zahl von Firmenpleiten und privaten Insolvenzen können

sie nicht mehr so viele Kredite und Hypotheken wie in der Vergangenheit vergeben. Die

Personalkürzungen treffen im Moment an erster Stelle die Ukraine und Ungarn - die beiden

osteuropäischen Staaten, die wegen der Angst um einen Staatsbankrott bereits

milliardenschwere Hilfsprogramme vom Internationalen Währungsfonds (IWF) bekommen

hatten. Gestern hatte die Ratingagentur Moody's angekündigt, die Bonitätsnote der Ukraine

auf 'Watch' zu setzen.

Die härtesten Einschnitte plant derzeit die österreichische Raiffeisen International (RI) bei

ihren Tochtergesellschaften in der Ukraine und in Ungarn. Bei der ukrainischen RI-Tochter

Aval hat der Stellenabbau bereits begonnen, bestätigte am Dienstag ein Raiffeisen-Sprecher.

Danach geht bei der Aval bis zum Sommer jeder zehnte Arbeitsplatz verloren: 1 800 von etwa

18 000. Wie der Raiffeisen-Sprecher weiter sagte, seien die Personalschnitte bereits im

vergangenen Jahr geplant worden. Die aktuelle Finanzkrise habe den Stellenabbau aber

10

Auszug aus der Inhaltsanalyse

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zusätzlich beschleunigt. Von den Einsparungen seien alle Sparten der ukrainischen Tochter

betroffen. Die Hälfte des geplanten Stellenabbaues bei der Aval-Bank sei bereits

abgeschlossen.

Doch nicht nur in der Ukraine hat sich die Wiener Bank für radikale Einschnitte entschieden.

In Relation zur Gesamtzahl der Beschäftigten sind die Kürzungen auch bei der ungarischen

RI-Tochter beträchtlich, wie der Banksprecher bestätigte. Mehr als 300 von insgesamt etwa 3

900 Beschäftigten müssen dort gehen, das sind rund acht Prozent.

Die massiven Folgen der Wirtschaftskrise zwingen auch die meisten anderen ungarischen

Banken oder Tochtergesellschaften westlicher Kreditinstitute zu erheblichem Personalabbau.

So will die Budapester OTP, die größte nationale und eigenständige Bank des Landes, in

Ungarn auf etwa 500 Mitarbeiter verzichten. Bei der ukrainischen OTP-Tochter sollen noch

einmal weitere 100 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz verlieren. Im gesamten Konzern streicht

die OTP damit mehr als sieben Prozent ihrer Stellen. Ein Arbeitsplatzabbau steht auch bei der

CIB-Bank in Ungarn ins Haus, dem Vernehmen nach sollen dort mehr als 200 Arbeitsplätze

gestrichen werden. Die CIB ist eine Tochtergesellschaft des italienischen Bankkonzerns

Intesa Sanpaolo. Außer den österreichischen Banken sind die italienischen Kreditinstitute am

stärksten in den osteuropäischen Staaten engagiert.

Es wird wahrscheinlich nicht bei dem aktuellen Stellenabbau bei osteuropäischen Banken

bleiben. 'Ich nehme auch an, dass da noch Einiges kommen wird', unterstreicht Marion

Swoboda-Brachvogel, Bankanalystin beim Brokerhaus Cheuvreux in Wien. Sie rechnet

damit, dass sich der Stellenabbau im Laufe des Jahres noch weiter beschleunigen wird. Da die

Zahl der Bankbeschäftigten in Osteuropa in die Hunderttausende geht, werden bis zur

Jahresmitte wahrscheinlich mehr als 10 000 Bankmitarbeiter in der Region ihren Arbeitsplatz

verlieren.“ (HB, 25.2.09, S. 25: Der große Aderlass / Osteuropa: Das Geschäft der

Geldhäuser gerät unter Druck. Der Stellenabbau beginnt. Stefan Menzel/Wien)

Die beschriebene Ausbreitung der Subprime- und Bankenkrise zu einer internationalen

Finanz- und Staatsverschuldungskrise ließ den Bankenbereich auch in den Folgejahren nicht

zur Ruhe kommen; im Gegenteil: Die mancherseits erwartete Konsolidierungswelle hielt

ausgehend von den USA u.a. auch den Finanzsektor in Europa fest im Griff (Auszug aus der

Inhaltsanalyse):

„Die Konsolidierung im Bankensektor in Europa setzt sich fort. Im vergangenen Jahr ging

die Zahl der Finanzinstitute im Euro-Raum um 211 Banken oder 2,6 Prozent auf nur noch 7

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865 zurück. Das teilt die Europäische Zentralbank (EZB) mit. Durch den Beitritt Estlands

zum Jahresbeginn seien 37 Banken hinzugekommen. In der Europäischen Union (EU) hat die

EZB Anfang des Jahres 9 921 Finanzinstitute gezählt, 271 weniger als ein Jahr zuvor.

Gründe für Schrumpfung des Bankensektors nennt die EZB nicht. Zu denken ist aber etwa an

Fusionen, Schließungen und Zusammenbrüche. Besonders ausgeprägt war der Rückgang in

Frankreich und in Griechenland mit 7,1 und 6,7 Prozent. In absoluten Zahlen gerechnet verlor

Frankreich 92 Banken, Irland 31, Luxemburg 28 und Italien 25. Diese Länder trugen damit

den Löwenanteil zum Rückgang im vergangenen Jahr bei.“ (HB, 17.1.11, S.36: Zahl der

Banken in Europa schrumpft. Frankfurt)

Mit diesen Schilderungen der Ereignisse wird der Zusammenhang von Finanzkrisen, damit

verbundenen Bankenkonkursen bzw. erheblichen Gewinneinbrüchen mit der massiven

Auswirkung auf den Personalkörper evident. Je stärker und nachhaltiger die volks- und

betriebswirtschaftliche Intensität dieser Verwerfungen in der Branche, umso heftiger ist auch

der einzelne Bankbeschäftigte von der Krise betroffen. Die Anzahl der Betroffenen steigt mit

dem Andauern der Krisensituation an. Wirken zunächst krisenbedingte Zusammenbrüche von

Finanzinstituten sowie Kostensenkungs- und Neustrukturierungsmaßnahmen der

Unternehmensführungen zur Rettung des jeweiligen Kreditinstitutes direkt auf

Bankmitarbeiter ein, ergeben sich vielfältige weitere Effekte für die Beschäftigten aufgrund

und in Folge einer Bankenkrise:

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4 FOLGEN DER FINANZKRISE(N)

4.1 BANKMITARBEITER IM UMFELD VON FINANZKRISE UND KOSTENSENKUNG

Wie in historischen Finanzkrisen verbinden sich auch mit der derzeitigen Finanzkrise seit

2008/2009 extreme Kursbewegungen an den Weltbörsen und Kapitalmärkten sowie

erhebliche Verwerfungen in der globalen Struktur des Bankensektors. Wie beschrieben sind

Marktteilnehmer und Investoren sowohl in ihrer Position als Kunden der Bankinstitute als

auch als ihre Mitarbeiter hiervon betroffen. So erscheint in der Wahrnehmung von

Arbeitnehmern „nichts mehr sicher: von der Existenz der Europäischen Union bis zur

Hoffnung, auch morgen noch in diesem Unternehmen auf diesem Arbeitsplatz zu sein, haben

die Gewissheiten abgenommen.“ (Sprenger 2013, S. 28)

Wie sich schon in den vorangestellten Berichten andeutete, entstehen hieraus bei den

Bankangestellten vielfach Ängste um den Arbeitsplatz, damit verbunden um die soziale

Stellung und Kontakte sowie um regelmäßiges Einkommen, um

Weiterentwicklungsmöglichkeiten, um ein strukturiertes Leben (Ferrie et al., 2001, S. 1030)

als auch um das eigene Vermögen. „Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat die Arbeitswelt

nachhaltig beeinflusst, gerade im Bankensektor. Geringe Wachstumsraten und sinkende

Margen, gestiegene Preissensibilität bei Kunden, strengerere Verbraucherschutzmaßnahmen

und verschärfter Wettbewerb bestimmen die Tagesordnung. Die Auswirkungen machen sich

in der Praxis auf unterschiedlichste Art und Weise bemerkbar.“ (Schmidt 2011, S. 26)

Viele Berater in Banken und Sparkassen sind verunsichert, gestresster und gereizter. Der

folgende umfassende Beitrag aus der Inhaltsanalyse zeichnet ein entsprechendes Bild der

Situation von Bankmitarbeitern vor dem Hintergrund der aktuellen Finanzkrise. Hierbei liegt

der Fokus auf dem bislang hochbonifizierten Investmentbanker, nicht jedoch auf dem

Bankangestellten an der Basis, in der „Filiale um die Ecke“, wenngleich die einwirkenden

Effekte ähnlich sind. Dieser Beitrag aus dem Handelsblatt wird nahezu komplett

wiedergegeben, da er ein eindrückliches Bild von der angespannten Lage für

Investmentbanker in der Londoner City zeichnet:

„Der Angst - ihr kann sich keiner entziehen. Auch wenn er abgezockter ist als die meisten

anderen Arbeitnehmer. Berufsbedingt. 'Selbst starke Charaktere knicken ein und verlieren ihr

Selbstbewusstsein', sagt Jonathan Zneimer. Früher beriet der gelernte Sportpsychologe für die

Beratungsfirma Lane 4 den Londoner Fußballclub Arsenal. Nun hat er eine Aufgabe, um die

ihn kaum einer beneidet. Zneimers Job ist es, gestresste Investmentbanker, die in der großen

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Krise den Glauben an sich und ihre Bank verloren haben, wieder aufzurichten.

Massenentlassungen, Sparprogramme, Milliardenverluste, Börsenbaisse: Die Liste der

jüngsten Schrecken für Investmentbanker ist lang, und die psychologischen Folgen sind

drastisch - für die Gefeuerten ebenso wie für die, die bisher übrigblieben. 'Die

Verunsicherung kann eine ganze Organisation erfassen und aus dem Gleichgewicht bringen',

sagt der Berater Zneimer. Einst arbeitete er selbst als Terminhändler in der Londoner City.

Groß wie selten zuvor ist die Angst der Banker, von der Karriereleiter zu purzeln. Ein Gefühl

der Ohnmacht angesichts der Gewalt der Finanzkrise macht sich breit. Doch eine Schwäche

zeigen? Das ist Tabu in der Haifischbranche. 'Wir versuchen, unseren Kunden zu zeigen,

dass ihre Kollegen mit den gleichen Problemen zu kämpfen haben wie sie, und wir versuchen,

ihnen ihr Selbstbewusstsein zurückzugeben, den Glauben, dass sie die Situation kontrollieren

können', erläutert Psychologe Zneimer. Das ist ziemlich schwierig. Denn diese Bankenkrise

ist anders als andere Bankenkrisen. Das Beben erschüttert die Branche nicht nur, es hinterlässt

tiefe Rissen im Fundament des Systems. Weniger Risiko, geringere Boni, mehr Auflagen: Die

Welt der Investmentbanker schrumpft, sie müssen bescheidener werden. Die unsichtbare

Hand des Marktes nimmt ihnen nun vieles wieder weg, was sie ihnen einst gab - oder was sie

sich genommen hatten. “ (HB, 18.7.08, S.10: Auto weg, Haus weg, Yacht weg.

Milliardenverluste und Kreditkrise, Entlassungen und Spardiktate: In der Welt der

Investmentbanker ist nichts mehr, wie es war. Vieles spricht dafür, dass ihre neue Welt viel

kleiner sein wird als zuvor - und viel langweiliger. Die unsichtbare Hand holt sich zurück,

was sie einst gab. Eine Spurensuche in der Londoner City. Michael Maisch/ London)

Nach Beobachtungen des Handelsblattes müssten die Banker nun die Macht teilen: Dieses

Mal zeigten sich Politiker wie US-Finanzminister Hank Paulson oder sein britischer

Amtskollege Alistair Darling wild entschlossen, die Spielregeln der Cowboybranche ein für

alle Mal zu ändern. Dass es sich dabei nicht um Lippenbekenntnisse zur Wählerberuhigung

handelte, dürfe man den Ministern ruhig glauben, so die Wirtschaftszeitung weiter. Zu nahe

habe die Kreditkrise das Weltfinanzsystem an den Rand des Kollapses gebracht. Nun wagten

sich die Finanzaufseher auch an Tabus wie die üppigen Bonuszahlungen. Ihre Reformen

sollten die Adrenalinjunkies in den Investmentbanken wieder 'clean' werden lassen. Wie das

handelsblatt erwartet, könnte das Geschäft mit dem großen Geld in Zukunft deutlich

langweiliger werden - dafür aber stabiler, denn die Finanzprofis wüssten, dass es ernst wird.

Um dem schlimmsten Zorn der Regulatoren zu entgehen, seien sie zu Zugeständnissen bereit,

die noch vor einem Jahr als Science-Fiction gegolten hätte. Den Beweis dafür hätte gestern

der internationale Bankenverband Institute of International Finance (IIF) geliefert, der gestern

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in Washington sein Reformprogramm vorgelegt habe. „Neu ist nicht der Zyklus, neu ist der

Ausschlag der Fieberkurve. Die Krisen der Branche folgten schon immer dem

Krankheitsbild der manischen Depression: Auf Schübe übersteigerter Euphorie folgten

stets Phasen tiefer Trauer. (Hervorhebung d.Verf.) Investmentbanker schienen nur zwei

Zustände zu kennen: Vollgas oder Vollbremsung. Der ewige Kreislauf aus Gier und Angst

ließ auf jeden Boom die Übertreibung und dann den Absturz folgen. Als die Internetblase

Anfang des Jahrzehnts platzte, kostete das 20 000 Jobs in der Londoner City, die letzte

Rezession Anfang der 90er-Jahre in Großbritannien machte sogar 40 000 Banker arbeitslos.

Dieses Mal könnte es noch schlimmer kommen. Die Berater der Boston Consulting Group

warnen, dass die Geldhäuser in New York, Frankfurt, London und anderswo bis zu 200 000

Jobs streichen müssen - das wären 30 Prozent aller Stellen.

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) hat ausgerechnet, dass allein die

weltweit 20 führenden Geschäftsbanken bis Mitte Mai 2008 knapp 200 Milliarden Dollar für

Verluste aus der Subprime-Krise abschreiben mussten. Diese Abschreibungen fraßen über

ein Fünftel des Eigenkapitals auf. Um die Löcher in ihren Bilanzen zu stopfen, mussten die

Banken ihre Aktionäre um 170 Milliarden Dollar frisches Geld bitten. Zahlen, die für die

schwerste Finanzkrise seit den 30er-Jahren stehen.

'Es wird mindestens drei bis vier Jahre dauern, bis die Branche die Tiefschläge verkraftet hat',

sagt Stuart Fraser. Der 62-Jährige müsste es wissen, immerhin ist er seit 1963 im Geschäft

und leitet heute als eine Art Vorstandschef die Geschicke der Corporation of London. Die ist

für die City verantwortlich, für jene Quadratmeile in Londons Innenstadt, in der sich so viel

Finanzmacht ballt wie sonst nirgends in Europa. 'Wir haben es mit einer wirklich ernsten

Situation zu tun, aber irgendwann wird die Erholung kommen', ist sich Fraser sicher. Doch

selbst wenn der City-Veteran recht behält: Die Branche wird nicht mehr dieselbe sein.

Der 37-jährige Peter gehört zu den ersten Opfern der großen Krise. Erwischt hat es ihn bereits

Ende vergangenen Jahres. Fünf Jahre lang hat er Finanzierungen für große Übernahmen durch

Beteiligungsgesellschaften strukturiert. Ein Boomgeschäft - bis die Krise zuschlug. 'Im

vergangenen Sommer ging uns plötzlich die Arbeit aus', erzählt Peter. 'Am Anfang war das

eine nette Abwechselung zum permanenten Stress.'

Aber dann kamen die ersten Gerüchte über Entlassungen auf - und wurden schnell

Gewissheit: 'Eigentlich war es klar, dass es uns treffen würde. Das Geschäft war tiefgefroren,

und statt satter Gewinne waren wir plötzlich für hohe Verluste verantwortlich.' Der Anruf von

der Personalabteilung war dennoch ein Schock für Peter. 'Bevor man weiß, wie einem

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geschieht, steht man buchstäblich auf der Straße.'

Eine halbe Stunde reichte, um eine hoffnungsvolle Bankerkarriere vorläufig zu beenden. Die

Fahrt mit dem Aufzug in die Konferenzetage, ein kurzes Gespräch mit dem

herumdrucksenden Chef und einer kühlen Dame von der Personalabteilung über Abfindung

und Formalien. Dann führte der Sicherheitsdienst Peter aus dem Gebäude, in dem er jahrelang

ein- und ausging. Die persönlichen Habseligkeiten aus dem Schreibtisch bekam er ein paar

Tage später - via Kurierdienst nach Hause.

'Man versucht, die positive Seite zu sehen', sagt Peter. Tapfer sein. Genug Geld habe er ja erst

mal verdient, und ein wenig Zeit zum Reisen sei nicht schlecht nach drei Jahren mit maximal

einer Woche Urlaub am Stück. 'Aber wenn man ganz ehrlich ist, vermisst man den Kick und

den Stress höllisch.' Der einzige Trost für Peter: 'Nach der Krise wird die Branche nicht mehr

dieselbe sein, und wahrscheinlich nur noch halb so viel Spaß machen.' Sollen sich doch die

Kollegen, die mehr Glück hatten als er, nur schön langweilen. [...]“ (HB, 18.7.08, S.10: Auto

weg, Haus weg, Yacht weg. Milliardenverluste und Kreditkrise, Entlassungen und

Spardiktate: In der Welt der Investmentbanker ist nichts mehr, wie es war. Vieles spricht

dafür, dass ihre neue Welt viel kleiner sein wird als zuvor - und viel langweiliger. Die

unsichtbare Hand holt sich zurück, was sie einst gab. Eine Spurensuche in der Londoner City.

Michael Maisch/ London)

Streßszenarien wie beschrieben werden durch das tägliche Arbeitsumfeld von

Bankbeschäftigten noch verstärkt: Insbesondere Mitarbeiter im kundennahen Bereich wie

etwa der Vermögensberatung (Private Banking, Wealth Management) unterliegen aufgrund

ihres Tätigkeitsfeldes multiplen streßfördernden Einflüssen, da nicht nur die eigene Situation,

sondern auch die Auseinandersetzung mit gleichermaßen von der Finanzkrise betroffenen

unsicheren, irrational und prozyklisch agierenden Kunden hinzukommt. Diese Faktoren lassen

sich in der Stress-Definition der EU-Kommission wiederfinden: „Arbeitsbedingter Stress lässt

sich definieren als Gesamtheit emotionaler, kognitiver, verhaltensmäßiger und

physiologischer Reaktionen auf widrige und schädliche Aspekte des Arbeitsinhalts, der

Arbeitsorganisation und der Arbeitsumgebung. Dieser Zustand ist durch starke Erregung und

starkes Unbehagen, oft auch durch ein Gefühl des Überfordertseins charakterisiert“.

(eironline.eu: European Industrial Relations Observatory 2002)

Bereits 1931 skizziert Wirtschaftsjournalist Hans E. Priester angesichts der

Weltwirtschaftskrise sein Bild des Banken-Berufszweiges und der „ganz eigenartigen Psyche

des Bankiers“ wie folgt: „Überall in der Welt nehmen die Bankiers gegenüber den

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Tagesereignissen eine Sonderstellung ein. Sie suchen die Wirkungen aller Vorgänge

abzuschätzen. Sie lassen meist nicht die Ereignisse sprechen, sondern werten sie aus, [...]

entsprechend der optimistischen oder pessimistischen Einstellung der einzelnen

Persönlichkeit. Das ist eine Berufskrankheit, möchte man fast sagen, geboren aus der engen

Verknüpfung der Bankiers mit der Institution der Börse. Diese erzieht sie dazu, sich mit den

voraussichtlichen Auswirkungen aller Vorgänge zu beschäftigen. [...] Kein (anderer)

Berufszweig [...] ist so dazu gezwungen, alle Vorgänge in Wirtschaft und Politik auf das

Sorgfältigste zu beobachten und ihre möglichen Reaktionen schon im Keim zu erkennen.“

(Priester, 1932, S. 14)

Hiermit erweitert sich der Fokus dieser Arbeit hinein in den Bereich der

Risikowahrnehmensforschung, da insbesondere in Finanzkrisen nicht allein die

Arbeitsplatzunsicherheit, der Arbeitsplatzverlust und seine Antizipation an sich

gesundheitliche Beeinträchtigungen bei Bankmitarbeitern auslösen können, sondern auch die

aus dem Erwerbsverlust resultierenden und ein Risiko für den Einzelnen darstellenden

wirtschaftlichen Folgen. In diesem Kontext wird versucht, mit den Erkenntnissen der

Behavioral Economics / Behavioral Finance und der eigenen empirischen Erhebung

Zusammenhänge zwischen Risikowahrnehmung / Anlegerverhalten in aufgrund von

Wirtschafts- und Finanzkrisen angespannten Börsenmärkten und möglichen gesundheitlichen

Konsequenzen aus hieraus resultierenden Streßsituationen für Mitarbeiter von

Finanzinstituten zu identifizieren und zu beschreiben.

Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Anlegerverhalten (Behavioral Finance / Behavioral

Economics) sollen verknüpft werden mit der Situation der Bankangestellten: Ängste vor

(unwiederbringlichem) Vermögensverlust, insbesondere in Phasen starker

Marktschwankungen, werden mit dem jeweils für das Kundenportfolio zuständigen

Bankberater in häufig langwierigen Gesprächen mindestens geteilt, wenn nicht vorgehalten.

Wissenschaftlich nachgewiesene Panikphasen (bis hin zu „Bank Runs“ -

auszahlungsfordernde Kundenschlangen am Bankschalter, z. B. bei Northern Rock) führen

häufig zur Ausübung von Druck auf den jeweiligen Bankberater, wodurch bei diesem

wiederum Stress und ggf. Ängste ausgelöst werden. Dies vor dem kommunikativen,

zwischenmenschlichen Hintergrund, aber auch im Zusammenhang mit den Zielvorgaben, die

mindestens Bestandskundenerhalt, wenn nicht Aufbau von betreuten Anlagevolumina durch

Neukundenakquisition fordern.

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Zur Vertiefung dieser Betrachtungen sollen u.a. die Forschungsergebnisse der Behavioural

Economics / Behavioural Finance herangezogen und zugrundegelegt werden. Im Kern

bestätigen sie, dass Anleger nicht rational zur Generierung des maximalen Nutzens agieren,

sondern vom persönlichen „Bauchgefühl“ dominiert werden. Hieraus können in Phasen

heftiger Marktbewegungen die o.a. Panikreaktionen entstehen, mit denen der Anleger seinen

Bankberater häufig direkt konfrontiert.

Auch die Art der Kompensation / Gratifikation von Mitarbeitern -zumeist im mittleren /

höheren Management- kann zur Verstärkung von gesundheitsbelastenden Stressfaktoren

führen: Wurde ein Teil der Bonifikation in Anteilen am arbeitgebenden Kreditinstitut gezahlt,

meist in Form von Aktien(optionen), kommt zur Angst vor sofortigem Arbeitsplatzverlust und

sozialem Abstieg auch noch die Verlustgefahr von erheblichen Anteilen der über Jahre

aufgebauten Altersvorsorge hinzu, wenn die Bewertungen der Anteilscheine im Rahmen

starker Kursschwankungen deutlich zurückfallen. Für viele Bankmitarbeiter hat sich hier also

ein zusätzliches „Klumpenrisiko" aufgebaut, dessen negative Auswirkungen erst mit der

Bankenkrise zutage traten: Einerseits die Abhängigkeit vom Arbeitgeber hinsichtlich des

eigenen Arbeitsplatzes, andererseits der oft nicht unerhebliche Anteil des eigenen Vermögens

in Anteilscheinen des arbeitgebenden Finanzinstitutes. Gerät dieses in eine wirtschaftliche

Schieflage, wirkt sich dies doppelt auf den Bankangestellten aus, wie z.B. im Fall des

bevorstehenden Konkurses der Investmentbank Lehman Brothers:

„Die 24 000 Beschäftigten, die zu einem wesentlichen Teil mit Aktien und Optionen bezahlt

werden, haben damit einen geschätzten Buchverlust von rund zehn Mrd. Dollar erlitten. Im

Zuge einer Übernahme droht ihnen darüber hinaus der Verlust des Jobs. Als JP Morgan den

Pleitekandidaten Bear Stearns im März übernahm, wurden mehr als 7 000 der 14 000 Stellen

gestrichen. Inzwischen ist klar: Es war nur der spektakuläre Beginn des Großreinemachens an

der Wall Street - und nicht der Höhepunkt.“ (HB, 15.9.08, S. 26: Das Aufräumen geht weiter.

US-Investmentbank Lehman Brothers vor dem Aus - Dramatische Rettungsversuche. Matthias

Eberle/New York)

Ein weiterer maßgeblicher Einflussfaktor auf das Befinden von Bankangestellten ist der mit

der Angst vor einem Arbeitsplatzverlust zusammenhängende Druck seitens des Arbeitgebers:

Gerade in Zeiten rezessiver Tendenzen erodieren wie dargestellt in Kreditinstituten

zunehmend die Gewinnmargen. Diesem Trend wird vom Management mit erhöhten

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Zielsetzungen gegenüber den Mitarbeitern begegnet, wodurch zusätzlicher psychischer Druck

entsteht.

Nach einer Umfrage der Gewerkschaft ver.di unter 3500 Mitarbeitern in der

Finanzdienstleistungsbranche im Zeitraum zwischen Sept. 2007 und Ende Februar 2008 ist im

Zusammenhang mit dem deutlichen Stellenabbau der vergangenen Jahre (80.000 Stellen

zwischen 2000-2005) die Arbeitsbelastung der verbliebenen Mitarbeiter („Survivors“)

deutlich gestiegen. So klagten 80% der Bankmitarbeiter über zuviel Streß, 44% gaben an,

unter gesundheitlichen Problemen, ausgelöst durch ihre Tätigkeit, zu leiden. ( 71,4% der

Befragten waren nicht Mitglied einer Gewerkschaft). (banken.verdi.de) Muß sich z.B. ein

nachgeordneter Mitarbeiter mit einer überforderten Führungskraft arrangieren, die vor dem

Hintergrund des zunehmenden Drucks selbst ständig am Limit ihrer Leistungsfähigkeit

arbeitet, kann sich der Streß für ihn noch potenzieren. (Sprenger 2013, S. 28f.)

So dominieren bezüglich der internen Organisationsstrukturen in Banken nach wie vor

Zielsetzungen in bezug auf eine Steigerung der Effizienz in den Leistungsprozessen, wie 92%

der 410 befragten Bankmitarbeiter in der IAO/Fraunhofer-Studie „Bank & Zukunft 2010“

angaben. Die neue strategische Ausrichtung einer stärkeren Kundenfokussierung und die

damit verbundene Sicherstellung einer hohen Performance stellt dabei für viele Teilnehmer

die größte Herausforderung dar, (Spath (Hsg.), Praeg, Vocke, Engstler, 2010) insbesondere,

da die wesentliche Geschäftsgrundlage für das Bankgeschäft – das Vertrauen der Kunden

und Stakeholder- aufgrund des Bankensterbens in der „hausgemachten“ Bankenkrise

erheblichen Schaden nimmt und in langwierigen Prozessen zunächst zurückgewonnen werden

muß.

So werden in den nächsten Abschnitten von den angedeuteten Stressoren für Bankmitarbeiter

neben Vertrauensverlust folgende krisenbedingten Belastungsfaktoren detaillierter

beleuchtet:

-Stellenabbau - Angst vor Arbeitsplatzverlust

-Verfall Berufsprestige

-strukturelle Veränderungen

-Bankenregulierung

-Erhöhter Leistungsdruck und Gratifikationskrise.

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4.2 VERTRAUENSVERLUST (IN) DER FINANZBRANCHE

Zur Definition des Begriffes „Vertrauen“:

Nach Suchanek / Lin-Hi ist Vertrauen die Erwartung, nicht durch das Handeln anderer

benachteiligt zu werden; als solches stellt es die unverzichtbare Grundlage jeder Kooperation

dar. Man kann zwischen Vertrauen in Personen und Vertrauen in Systeme unterscheiden. In

Interaktionssituationen steht Vertrauen stets im Zusammenhang mit Verantwortung; Akteure,

denen Vertrauen geschenkt wird, haben die Verantwortung, dieses zu honorieren.

(Suchanek / Lin-Hi in: Wirtschaftslexikon Gabler)

Daß „Vertrauen“ das essentielle Fundament des Bankgeschäftes darstellt, offenbart sich nicht

nur in der Bezeichnung „Kredit" (lat. „credere“ = Vertrauen), sondern stellte schon in

früheren Generationen des Finanzwesens eine wesentliche Erkenntnis dar:

„Die Basis einer Creditanstalt ist eben der öffentliche Credit, das allgemeine Vertrauen. Dies

kann nicht decretirt und erzwungen, es muß erworben werden.“ (Hein 1857, S. 62)

Daß es sich hierbei um kein leichtes Unterfangen handelt, gestand der CEO der WestLB,

Stuhlmann, angesichts der Belastungen seines Hauses aus der Subprimekrise ein, indem er

einräumte, daß das Neugeschäft bei den Firmenkunden wegen der unsicheren Zukunft der

Bank derzeit „schwierig“ sei. „Sich einer neuen Bank zuzuwenden, heißt ja auch immer für

den Kunden, einen Vertrauensvorschuß zu geben. Und den bekommen wir jetzt oft nicht, das

spüren wir.“ (HB, 14.11.07, S. 1: WestLB muss mehr sparen. Vorstandschef Stuhlmann will

das Kostensenkungsprogramm verschärfen. Frankfurt)

In diesem Tenor reflektiert auch der Vorstand der ING DiBa Deutschland in einem

Handelsblatt-Beitrag (Auszug aus der Inhaltsanalyse), der hier aufgrund seiner Aussagekraft

komplett widergegeben wird, selbstkritisch den krisenbedingten Zustand seiner Branche:

„Zu den erstaunlichen Phänomenen der Finanzkrise gehört es, dass seit deren Beginn die

Statements von führenden Akteuren der Finanzwelt oft so defensiv und bescheiden

daherkommen, wie es vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Von verlorenem

Vertrauen ist die Rede. Von Demut und von einer Rückbesinnung auf Werte wie

Bescheidenheit und Integrität. Richtig so! Angesichts der tiefgreifenden Probleme in unserer

Branche stehen uns Selbstkritik und Reflexion gut zu Gesicht. Zudem ist die Erkenntnis der

eigenen Unzulänglichkeit eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sich die falschen

Entscheidungen der Vergangenheit nicht wiederholen. Ehrlichkeit, Ernsthaftigkeit und

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Konsequenz sind dabei gefordert. Nur publikumswirksam Asche auf unsere Häupter zu

streuen, während wir darauf hoffen, uns an den wahren Existenzfragen unserer Branche

vorbeimogeln zu können, wird uns zwangsläufig in die nächste Sackgasse führen.“ (HB,

4.9.2012, S. 8: Vertrauen zurückgewinnen)

Dem DiBa-Vorstand zufolge gehöre die Zukunft der Finanzbranche vor allem denen, die auf

die drängenden Fragen ihrer Kunden die richtigen Antworten hätten. „Müssen strauchelnde

Banken oder Staaten um jeden Preis gerettet werden? Verdienen Bankmanager, was sie

verdienen? Meine Antworten: Wir brauchen ein europäisches Insolvenzrecht für Banken, mit

dem angeschlagene Geldhäuser im Zweifel auch geordnet abgewickelt werden können.

Andernfalls droht eine Überforderung der Staatshaushalte. Und Bonuszahlungen müssen sich

viel stärker wieder an langfristigen Erfolgen orientieren. Auch in diesem Sinne müssen

Bankmanager wieder eine Vorbildfunktion übernehmen. 'Für ein Schiff ohne Steuermann ist

jeder Wind Gegenwind', sagt eine holländische Redensart. Dies bringt auf den Punkt, was

jetzt gefragt ist: eine klare Führung, die sich an Werten wie Fairness, Transparenz und

Solidität orientiert. Dazu gehört für mich auch eine Bescheidenheit bei den Gewinnzielen.

Für alle Kreditinstitute, egal ob Privatbanken, Sparkassen oder Genossenschaftsbanken, muss

gelten: Was gut für unsere Kunden ist, ist langfristig auch gut für uns. Die Zufriedenheit der

Kunden – das gilt für Banken ganz besonders – muss im Zentrum unserer Überlegungen

stehen. Denn sie ist die Basis für das gegenseitige Vertrauen und eine für beide Seiten

auskömmliche Geschäftsverbindung. Diese Basis darf nicht durch kurzsichtige Aktivitäten

zur eigenen Gewinnmaximierung aufs Spiel gesetzt werden. “ (HB, 4.9.2012, S. 8: Vertrauen

zurückgewinnen)

Banken, die sich nicht um Offenheit und Verlässlichkeit im Umgang mit ihren Kunden

bemühen, gefährdeten ihre eigene Geschäftsgrundlage, so der Manager weiter. Denn vor

allem im hart umkämpften Retailmarkt gäbe es für enttäuschte Kunden viele schnell

verfügbare Alternativen. Zudem fiele der Verzicht auf den klassischen Bankberater heute

angesichts der Informationsmöglichkeiten in Verbraucherportalen und Finanzforen im

Internet leichter denn je. Vor allem dann, wenn der Kunde erkenne, dass die

Beratungsempfehlungen mehr durch das Verdienstinteresse der Bank und des Beraters selbst

als von seinen eigenen Interessen geprägt sind. „So haben uns die in der jüngeren

Vergangenheit zutage getretenen Skandale eine wichtige Erkenntnis neu vor Augen geführt:

Auch in der Finanzbranche entspricht auf Dauer nur das moralisch Richtige auch dem

kaufmännisch Gebotenen. Es rechnet sich, anständig und verantwortungsvoll zu sein.

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Die Banken der Zukunft müssen mit ihrem Geschäftsmodell auf den Gewinn der langfristigen

Loyalität ihrer Kunden abzielen und nicht auf den schnellen Profit. Darüber hinaus brauchen

die Banken der Zukunft Produkte und Dienstleistungen, die transparent und verständlich sind

und sich konsequent an den Bedürfnissen der Kunden orientieren. Auf

spekulationsgetriebenen Eigenhandel sollten die Banken künftig verzichten.“ (HB, 4.9.2012,

S. 8: Vertrauen zurückgewinnen)

Dem DiBa-Vorstand zufolge müssten die Banken diese Anforderungen auch erfüllen, um eine

neue, solide Vertrauensbasis mit der Politik zu schaffen. Hier sei das Misstrauen gegenüber

der Branche weiterhin groß. Nicht nur deshalb gehöre es heute für viele Politiker zum guten –

und natürlich auch öffentlichkeitswirksamen – Ton, sich als Bankenkritiker zu profilieren.

Doch es brauche die Zusammenarbeit zwischen Politik und Finanzbranche, um die Zukunft so

zu gestalten, dass Krisensituationen wie heute nicht mehr eintreten könnten und die Banken

ausreichende Spielräume hätten, um innerhalb notwendiger Leitplanken wirtschaftlich solide

agieren zu können. Dazu gehöre, so der Manager weiter, eine offene, sachliche Diskussion

über wichtige Themen, wie die Trennung des Kundengeschäfts vom Eigenhandel, die

Schaffung einer europäischen Bankenunion und die Gestaltung der Anreizsysteme innerhalb

der Institute. „Die Zukunft der Banken entscheidet sich heute. Dabei müssen wir uns wieder

auf das besinnen, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, lange Zeit aber nicht

mehr selbstverständlich war: Die Bank der Zukunft ist eine Bank der Kunden.“ (HB,

4.9.2012, S. 8: Vertrauen zurückgewinnen)

Um also überhaupt erst einmal mit Kunden auf eine Gesprächsebene zu gelangen, die es

zulässt, über mögliche Geschäftansätze zu sprechen, muß der Bankangestellte während einer

Bankenkrise zuallererst die meist medial geprägten und verstärkten Unsicherheiten und

Vorbehalte des Kunden gegenüber der Bankenbranche bzw. ggü. seinem arbeitgebenden

Institut ausräumen, was für ihn eine erhebliche zusätzliche Belastung und Hürde darstellen

kann. Schließlich können derartige Verunsicherungen - unabhängig davon, ob berechtigt oder

unberechtigt - bei Kunden schnell dazu führen, daß sie gar nicht mehr zu Geschäften bereit

sind und sogar eher die Geschäftsverbindung auflösen wollen, weil kein Vertrauen mehr

gegeben ist. Eine Auswirkung dieses Vertrauensverlustes zeigt sich zudem in dem oben

beschriebenen Prestigeverlust des Berufsstandes der Banker, wobei hier in der Regel eher die

Verallgemeinerung des Berufsstandes gemeint ist, als der einzelne langjährige Bankberater,

der auch in der Krise zunächst noch einen Vertrauensbonus besitzt, der sich aber schneller

aufzehrt, je stärker das entsprechende Finanzinstitut von der Krise betroffen ist. Somit muß an

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97

dieser Stelle differenziert werden zwischen dem Vertrauensverlust gegenüber der Branche

bzw. dem Bankinstitut und dem Vertrauensverlust des einzelnen Bankmitarbeiters:

4.2.1 VERTRAUENSVERLUST DER FINANZBRANCHE UND DER

KREDITINSTITUTE

Wie bereits aus der Definition von Bankenkrisen hervorgeht, sind diese u.a. gekennzeichnet

durch Vertrauensverlust in Kreditinstitute (s. S. 9f.).

Schwerpunkt der nachfolgenden Betrachtung ist der Bonitätsverfall diverser Kreditinstitute,

ausgelöst durch hohe Abschreibungen und Ertragserosion aus der Subprimekrise. Der

Bonitätsverfall drückt sich in Form erhöhter Refinanzierungskosten diverser Banken aus.

Diese werden anhand sog. Kreditausfallversicherungen - Credit Default Swaps CDS -

bemessen und dargestellt. Somit ist die Entwicklung von CDS-Spreads einen wesentlichen

Indikator für die Vertrauenswürdigkeit einzelner Kreditinstitute bzw. der gesamten

Finanzbranche. Ein wesentlicher Teil dieses Abschnittes besteht aus längeren Zitaten, die

sinngemäß ineinandergreifen und die wichtigsten Aspekte der zu beschreibenden Situation

wiedergeben, sich somit zu einem Gesamtbild zusammenfügen, das keiner weiteren

Kommentierung bedarf.

Schon mit der Schieflage einer einzelnen Großbank keimt Argwohn unter den

Marktteilnehmern auf, der sich schnell zu einer allgemeinen Vertrauenskrise der

Kreditwirtschaft steigern kann. Dies ist der internationalen Vernetzung und geschäftlichen

Verbindung der Finanzmärkte und Geldhäuser geschuldet, die sich allein schon aus

Konkurrenzdruck häufig in den gleichen – vermeintlich lukrativen – Geschäftsfeldern

bewegen. Bricht nun eines dieser Kreditinstitute zusammen, kann dies schnell zu einer

Infizierung der gesamten Branche führen, wie bereits in historischen Bankenkrisen zu

beobachten war. Es kommt zu Situationen, in denen sich Banken untereinander das Vertrauen

entziehen und sowohl die öffentliche Hand als auch institutionelle und private Kunden den

Glauben in die Stabilität des einzelnen Institutes, in die Banken eines Landes oder gar in das

globale Finanzsystem verlieren mit verheerenden Folgen für die betroffenen Kreditinstitute.

Unicredit-Chef Federico Ghizzoni warnt im Handelsblatt-Interview die Branche:

„Institutionelle Geldgeber aus den USA kappen Linien oder frieren Gelder ein.“ (HB, 9.9.11,

S. 1: Das große Bankenbeben, Nicole Bastian, Jens Münchrath, Düsseldorf/Frankfurt)

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Als Indikator für das verlorene Vertrauen an den Kapitalmärkten werden „Credit Default

Swaps CDS“ – Risikoprämien für den potentiellen Kreditausfall einer Bankadresse –

herangezogen. So ist der Vertrauensverlust im Verlauf der aktuellen Krise an den

explosionsartig gestiegenen CDS namhafter Banken deutlich erkennbar :

Abb. 15: Credit Default Swaps Europäischer Banken 2006-2012

Quelle: Bloomberg - CDS Europäische Banken 2006-2012

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Abb. 16: Credit Default Swaps US-Banken 2006-2012

Quelle: Bloomberg - CDS US-Banken 2006-2012

Die sprunghaften Veränderungen dieser „Vertrauens-Indikatoren“ vor dem Hintergrund eines

stark angeschlagenen Finanzsektors, gefolgt von sprunghaftem Refinanzierungskostenanstieg

diverser Banken greift das „Handelsblatt“ (Auszug aus der Inhaltsanalyse) mit folgendem

Beitrag auf:

„Die Geldspritze der Notenbanken und die sich verdichtenden Spekulationen über

Übernahmen der US-Investmentbank Morgan Stanley und der Bausparkassengruppe

Washington Mutual haben gestern an den Kreditmärkten für etwas Erleichterung gesorgt.

Dennoch spiegeln die Risikoaufschläge gerade der US-Investmentbanken wahre

Horrorszenarien wider. 'Die Investoren fragen sich, warum es Investmentbanken wie Morgan

Stanley und Goldman Sachs besser gehen sollte als Lehman Brothers', sagt Jeroen van den

Broek, Kreditstratege bei der niederländischen ING. Im Zentrum stehe dabei die Frage, wie

sich die Institute über den Kapitalmarkt refinanzieren können.

Besonders gut ablesen lässt sich die Doomsday-Stimmung an den Credit Default Swaps

(CDS). Mit CDS sichern sich professionelle Anleger gehen den Zahlungsausfall von

Forderungen ab. Dafür zahlen sie eine Prämie an die Investoren – Banken, Hedge-Fonds,

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100

Asset Manager und Versicherer – die den Ausfallschatz anbieten. Diese Prämien sind seit

dem Insolvenzantrag von Lehman Brothers Anfang der Woche dramatisch in die Höhe

geschnellt. Um sich gegen einen Zahlungsausfall von Forderungen gegen Morgan Stanley zu

versichern, zahlten Investoren gestern am späten Nachmittag 930 Basispunkte, das entspricht

bei einer Absicherung von zehn Mill. Dollar 930 000 Dollar. Binnen einer Woche haben sich

die Risikoprämien mehr als verdreifacht. Die Kosten für die Absicherung von Goldman-

Sachs-Risiken sind um fast das Dreifache auf 590 Basispunkte in die Höhe geschnellt. Vor

einem Jahr mussten Investoren für die Absicherung von zehn Mill. Dollar bei beiden Häusern

jeweils nur um die 50 000 Dollar zahlen.

Die gestiegenen Risikoprämien bedeuten, dass sich Banken nur noch sehr teuer über den

Kapitalmarkt refinanzieren können. 'Mittelfristig hätten sie mit diesen hohen Prämien keine

Überlebenschance', urteilt Tim Brunne, Kreditstratege bei Unicredit. Dabei seien die

Risikoprämien ein Ausdruck immenser Unsicherheit. 'Insgesamt gehen die Investoren an den

Kreditmärkten davon aus, dass die gravierenden Umwälzungen an den Finanzmärkten einen

drastischen Konjunktureinbruch, eine Kreditklemme und in der Folge auch steigende

Zahlungsausfälle bei den Unternehmen abseits der Finanzbranche nach sich ziehen werden',

sagt Brunne. Dabei zeichneten die Kreditmärkte ein wesentlich düsteres Bild als die

Aktienmärkte. Die hohen Risikoprämien seien kein gutes Signal für die Aktienmärkte.

In Europa ist die Lage nicht ganz so dramatisch. Die CDS-Prämien sind zwar ebenfalls

gestiegen, liegen aber gemessen am i-Traxx-Financial-Index für Kreditrisiken von 25

europäischen Banken und Versicherern deutlich unter den US-Niveaus. Die Absicherung

eines zehn Mill. Euro Portfolios auf den i-Traxx-Financial kostete gestern 131 000 Euro und

damit 37 000 Euro mehr als Ende vergangener Woche. 'Die gestiegenen

Refinanzierungskosten sind aber für alle Finanzinstitute und auch andere Unternehmen ein

Problem', warnt ING-Mann van den Broek.

Die Umsätze in CDS-Kontrakten sind laut Händlern gering. Nur wenige Investoren seien

angesichts der Risikofurcht bereit, Versicherungsschutz mittels CDS anzubieten. Die Lage

wird dadurch verschärft, dass die Sicherungskontrakte, die Investoren mit Lehman Brothers

abgeschlossen haben, wertlos sind. Entsprechend werden neue Anbieter gesucht.“ (HB,

19.9.2008, S. 30: Hohe Refinanzierungkosten bedrohen US-Banken. Absicherungsprämien

auf Ausfallrisiken von Morgan Stanley und Goldman Sachs verdreifachen sich. Andrea

Cünnen/Frankfurt)

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Im Verlauf der Finanzkrise kommt es auch nach Jahren zu immer wieder neuen

Mißtrauenswellen im Finanzsektor und gegen einzelne Bankinstitute, selbst untereinander

kommt der gegenseitige Geldverleih nahezu zum Erliegen, wie das Handelsblatt berichtet:

„Jürgen Stark ist Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank. Er weiß um die Macht des

Wortes. Er weiß aber auch um die Macht des Unausgesprochenen und die Angst vor dem

Vermuteten. Deshalb formulierte Stark im Handelsblatt-Gespräch so offen wie möglich und

so undeutlich wie nötig. 'Banken in bestimmten Regionen des Euro-Gebiets bevorzugen es,

ihre überschüssige Liquidität bei der EZB zu deponieren, anstatt sie an andere Banken

auszuleihen. Dieses Signal nehmen wir ernst', sagte er.

Diese Worte rufen Erinnerungen an den September 2008 wach, als die Investmentbank

Lehman Brothers pleiteging und der sogenannte Interbankenmarkt, an dem sich die

Geldhäuser untereinander Geld leihen, in Schockstarre verfiel. Nur dank staatlicher

Geldinfusion wurde der Zusammenbruch des Weltfinanzsystems verhindert. Jetzt stehen die

Banken erneut vor großen Problemen: Nicht nur die peripheren Staaten der Euro-Zone leiden

an Überschuldung. Mit Italien und jetzt auch Frankreich rücken Kernländer ins Visier der

Märkte. Und die Schulden dieser Länder liegen in Form von Staatsanleihen zum Großteil bei

Banken. Verlieren sie an Wert, belastet das deren Bilanzen. Und im Ernstfall taucht erneut die

Frage auf: Wer rettet die Banken? Der Retter von gestern jedenfalls - die Staaten - sind heute

in deutlich schlechterem Zustand als damals.

Das alles versetzt die Märkte in Alarmstimmung. Bankaktien verlieren dramatisch an Wert.

Innerhalb von vier Wochen verlor der europäische Aktienindex Stoxx-Europe-600- Banks fast

30 Prozent. 'Zurzeit werden die Banken gemieden, die besonders viele Anleihen aus Portugal,

Irland, Italien, Griechenland und Spanien halten', sagt Thomas Mayer, Chefvolkswirt der

Deutschen Bank.

Viel bedrohlicher als die Kursverluste allerdings ist der drohende Liquiditätsengpass - die

sensibelste Stelle im Bankensystem. Die Banken, die die Lage ihrer eigenen Branche am

besten beurteilen können, misstrauen einander. Als Alarmsignal gilt der sogenannte Euribor-

Overnight-Index-Swap-Spread, der den Zinsunterschied zwischen einem Übernachtkredit und

dem Dreimonatskredit abbildet. Seit Anfang Juli hat sich dieser Index auf einen Wert von 0,7

verdreifacht. Er liegt jetzt auf dem Niveau vom Frühjahr 2009, als die Schockwellen nach der

Lehman-Krise gerade abebbten. Auf dem Höhepunkt der Krise lag dieser Wert bei 2,0.

'Refinanzierung und Liquidität sind derzeit ein Riesenthema', sagt Thomas Stögner,

Bankanalyst von Macquarie Securities.“ (HB, 22.8.11, S. 1: Das Banken-Beben. Unruhe in

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der Geldindustrie: Alle Indikatoren, insbesondere die sogenannten

Kreditausfallversicherungen, belegen das große Misstrauen gegenüber der Branche.Selbst

die Finanzinstitute leihen sich untereinander kaum noch Geld. Die Furcht vor einer

Bankpleite wächst, H. Alich, A. Dörner, R. Landgraf, P. Köhler, M. Kurm-Engels, M. Maisch,

J. Münchrath, Y. Osman)

Wie kritisch die Lage sei, zeigten dem Handelsblatt nach auch die

Kreditausfallversicherungen, im Branchenjargon Credit Default Swaps (CDS) genannt. Mit

CDS sichern sich Investoren gegen eine Bankpleite ab. Derzeit müssten sie für eine solche

Versicherung rekordverdächtige Summen zahlen. Die Absicherung eines zehn Millionen Euro

großen Portfolios aus europäischen Bankanleihen über fünf Jahre kostete derzeit 237 000

Euro jährlich. Selbst drei Tage nach der Lehman-Pleite hätte die Absicherung nur 144 000

Euro gekostet.

Andrew Haldane von der britischen Notenbank spräche bereits offen vom 'Angst-Faktor' an

den Märkten. Sichtbares Zeichen für die Skepsis der Investoren gegenüber der Finanzbranche:

Das IT-Unternehmen Apple sei jetzt mit 340 Milliarden Dollar so viel wert wie die 32 größten

europäischen Banken zusammen. Als Fazit konstatiert das Wirtschaftsorgan, daß die

Zahlungsunfähigkeit einer der Problembanken angesichts der Wachsamkeit der Staaten und

der EZB nicht wahrscheinlich sei. Aber sie sei auch nicht mehr auszuschließen.

In welchem Maße sich die Banken untereinander misstrauten, zeige auch die Tatsache, dass

sie über Nacht überschüssige Liquidität bei der EZB parkten, anstatt sie anderen Banken

gegen Zinsen zu leihen. Allein zwischen vergangenem Donnerstag und Freitag hätten die

Banken nach Aussage von Chefvolkswirt Jürgen Stark 90,5 Milliarden Euro bei der EZB

eingelagert. Die Lage sei noch nicht vergleichbar mit der Situation im Herbst 2008. Damals

hätten zeitweise 200 Milliarden Euro im EZB-Depot gelegen. Doch für die Branche sei das

ein alarmierendes Signal.

„Nach Auffassung von Thomas Stögner, Bankanalyst von Macquarie Securities, achten die

Investoren bei den Banken derzeit vor allem auf die 'kurzfristige Finanzierung'. Und das mit

gutem Grund: Banken finanzieren einen Großteil ihrer Aktivitäten auf Pump. Die Analysten

der Royal Bank of Scotland haben ausgerechnet, dass Banken ihr Geschäft im Durchschnitt

zu 40 Prozent mit kurzfristigen Krediten vom Geldmarkt finanzieren. Nur vier Prozent des

Geschäfts finanzieren sie mit Eigenkapital. Deshalb sind Engpässe am Geldmarkt, an dem

sich Banken von anderen Banken oder von Geldmarktfonds Mittel leihen können, so

gefährlich. Auch am Finanzplatz London wächst die Furcht, dass die Finanzierungsprobleme

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der europäischen Banken zum Auslöser der nächsten Bankenkrise werden könnten. 'Die

Kreditkonditionen verschlechtern sich zusehends, die Situation im Bankensystem ist auf jeden

Fall angespannt, wenn nicht schlimmer', warnen die Experten des britischen Brokers Shore

Capital.“ (HB, 22.8.11, S. 1: Das Banken-Beben)

Amerikanische Geldmarktfonds hätten bereits angefangen, sich aus europäischen Banken

zurückzuziehen, wie das Handelsblatt weiter zu berichten weiß. Im Juli hätten sie ihre Bonds

aus der Euro-Zone um rund zehn Prozent auf 340 Milliarden Dollar reduziert, wie

Berechnungen von JP Morgan zeigten. Einem Bericht des 'Wall Street Journal' zufolge sorge

sich auch die regionale Notenbank aus New York um die Refinanzierungsbedingungen

europäischer Banken, die Ableger in den USA haben. In den vergangenen Tagen hätten

mehrere Gespräche stattgefunden, zitiert das Handelsblatt. Die Amerikaner hätten sich

vergewissern wollen, ob die Banken verlässliche Finanzierungsmöglichkeiten hätten. „Ein

Sprecher der regionalen Notenbank wollte sich nicht dazu äußern. Er verwies auf Äußerungen

des New Yorker Fed-Präsidenten William Dudley. Der sagte, dass die Fed europäische und

amerikanische Banken täglich und gleichermaßen beobachte. Auch die Deutsche Bank

beschwichtigt. 'Die Wahrscheinlichkeit, dass es eine waschechte Liquiditätskrise wie 2008

gibt, ist relativ gering', schreibt Matt Spick, Analyst der Deutschen Bank, in einer Studie.

Schließlich seien die Zentralbanken besser darauf vorbereitet, den Banken Notfallkredite zur

Verfügung zu stellen. Aber auch er warnt: 'Wir sehen eine sich langsamer entwickelnde, aber

dennoch toxische Refinanzierungskrise.'

Tatsächlich haben die Notenbanken nach der Lehman-Pleite eine ganze Reihe von

Instrumenten geschaffen. Ein Teil dieser Notmaßnahmen sind bis heute in Kraft, weil viele

Banken aus den Krisenstaaten anders gar nicht mehr überleben könnten. Eine der wichtigsten

Maßnahmen: Die Banken können sich regelmäßig für bis zu drei Monate so viel Geld von der

EZB leihen, wie sie wollen, und das zu einem festen Zinssatz. Vor der Lehman-Pleite legte

die EZB einen bestimmten Betrag fest und verteilte diesen an die Banken, die am meisten

boten. Eigentlich sollten die Maßnahmen im Herbst auslaufen. Doch zumindest einwöchige

Kredite werden noch 'so lange wie nötig' nach diesem System vergeben. Außerdem

verlängerte die EZB erst im Juni ein Abkommen mit der US-Notenbank, das ihr erlaubt,

einwöchige Dollar-Kredite an die Banken der Euro-Zone zu vergeben.

Das Problem: Der Gang zur Notenbank ist ein Stigma. Kein Institut gibt freiwillig zu, dass es

von anderen Banken keinen Kredit erhält. [...]“ (HB, 22.8.11, S. 1: Das Banken-Beben.

Unruhe in der Geldindustrie: Alle Indikatoren, insbesondere die sogenannten

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Kreditausfallversicherungen, belegen das große Misstrauen gegenüber der Branche.Selbst

die Finanzinstitute leihen sich untereinander kaum noch Geld. Die Furcht vor einer

Bankpleite wächst, H. Alich, A. Dörner, R. Landgraf, P. Köhler, M. Kurm-Engels, M. Maisch,

J. Münchrath, Y. Osman)

„Nichts illustriert die kritische Lage der Banken besser als der Interbankenmarkt, auf dem

sich die Institute gegenseitig Geld leihen. Die Banken ziehen es vor, überschüssige Liquidität

über Nacht - zuletzt lag der Wert bei 166 Milliarden Euro - bei der EZB zu parken, anstatt sie

anderen Banken gegen Zinsen zur Verfügung zu stellen. Im November 2008 erreichte das

Volumen dieser geparkten Gelder 300 Milliarden Euro.

Der Regulierungseifer der Politiker kommt hinzu. Durch strengere Eigenkapitalvorschriften

sollten die Banken stabiler werden. Aber jetzt gefährdet das Durcheinander der verschiedenen

Regeln, die von unterschiedlichen Regulierern stammen, die Profitabilität. Es herrscht keine

neue Ordnung, nur eine neue Verunsicherung.“ (HB, 9.9.11, S.1: Das große Bankenbeben,

Nicole Bastian, Jens Münchrath, Düsseldorf/Frankfurt)

So stellt das Maß des Eingriffs des Staates in das Bankenwesen als Reaktion auf die sich

ausweitenden Probleme der Bankenbranche nach der Subprimekrise einen weiteren

wesentlichen Faktor zum Vertrauensverlust der Kreditinstitute dar:

„Für einige prominente Politiker ist die Finanzwelt der Feind, der 'erobert' werden muss. Aus

Brüssel und aus anderen Hauptstädten kommen immer neue Regulierungswellen, die der

Finanzindustrie Schwierigkeiten bereiten, liquide zu bleiben. Berlin und Paris versuchen

weiterhin, eine Transaktionssteuer einzuführen. Das sind Symptome für das Grundproblem,

das die europäische Finanzindustrie und die Teilnehmer des Kapitalmarktes haben: der große

und andauernde Vertrauensverlust. Der Ruf aller Institutionen hat gelitten, seit die Krise 2008

ausbrach. Investmentbanken und Ratingagenturen waren betroffen, am meisten aber die

Bankindustrie. Und es gibt Anzeichen dafür, dass es noch schlimmer wird.“ (HB, 10.02.2012,

S.64: Banken auf der Suche nach Vertrauen, Simon Lewis/London)

Die Regierungen der betroffenen Staaten konnten und wollten diesen Zustand nicht weiter

akzeptieren. Nachdem die ersten Schockwellen verdaut waren, folgten genauere Analysen zu

den Faktoren, die die Krise ausgelöst hatten.

„Es ist bereits offensichtlich, daß der Staat in Wirtschaftsangelegenheiten eine viel größere

Rolle als zuvor einnehmen wird. Selbst nach einer Stabilisierung der Wirtschaft wird er

diesen erhöhten Einfluss kaum sobald aufgeben.“ (UBS research focus, 3/2009, S.5) Sahen

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sich Staaten angesichts der seit 2007 ausufernden Finanzkrise gezwungen, zu reagieren und

strauchelnde Banken zu stützen, um einen Kollaps des gesamten Finanzsystems zu

verhindern, übernahmen sie in der Folge die Initiative und stellten neue Regularien auf, mit

deren Hilfe derartige Krisensituationen zukünftig verhindert werden sollen. Eine

eigenverantwortliche Restrukturierung ihrer Branche wurde den Banken nicht (mehr)

zugestanden bzw. zugetraut. Standen die letzten beiden Dekaden vor der Krise im Zeichen

weitreichender internationaler staatlicher Deregulierung (s. folgende Grafik), so ist das Pendel

mittlerweile in das gegenteilige Extrem von erheblichen staatlichen Eingriffen und

Regulierung der Kapital- und Finanzmärkte sowie des Bankwesens geschwenkt.

Abb. 17: Deregulierung des Bankensektors

Quelle: UBS research focus, März 2009, S.49

Der nach der Deregulierung nunmehr verstärkte Eingriff von Staaten in die Finanzbranche als

Reaktion auf die Bankenkrise wurde schon in einem frühen Stadium des Krisenverlaufs

befürchtet bzw. erwartet und vorhergesehen, wie dem folgenden Handelsblatt-Beitrag zu

entnehmen ist:

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„Das Platzen der Blase am US-Hypothekenmarkt, an deren Entstehung Banken und

Finanzdienstleister über Jahre gut verdient haben, wird die Branche teuer zu stehen kommen.

Während die Institute noch nicht wissen, ob Wertberichtigungen von weltweit rund 260 Mrd.

Euro und fast 83 000 gestrichene Stellen zur Krisenbewältigung ausreichen, zeichnet sich

eines ganz klar ab: Ihre Freiheiten werden beschnitten. Die Aufsichtsbehörden in den

wichtigsten Märkten trommeln für eine strengere Regulierung. Der eine lauter, der andere

leiser, aber in der Stoßrichtung sind sie sich einig. So wird es in Zukunft schwerer werden,

bedenkenlos Kredite zu vergeben, mit minimalem Eigenkapital und hoher Verschuldung zu

operieren oder als Investmentbank in den USA außerhalb der regulären Bankenaufsicht

aufzutreten. Versuche verschiedener Bankenverbände, den Aufsehern und Gesetzgebern mit

'Selbstregulierung' zuvorzukommen, scheinen unnütz. Selbst der sonst so

wirtschaftsfreundliche EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy lehnt solche

Selbstverpflichtungen als 'zahnlose Tiger' ab. Das 'Monster', als das Bundespräsident Horst

Köhler die Branche zuletzt beschimpfte, soll gezähmt und an die Kette gelegt werden.

In den USA bastelt Finanzminister Henry Paulson an einer Art 'Superaufsichtsbehörde'. Die

Notenbank Fed soll zu Lasten der Finanzmarktaufsicht SEC an Macht gewinnen und zum

'Market Stability Regulator' aufsteigen. Am härtesten dürfte es die Investmentbanken treffen,

die bislang als 'Broker' gegenüber den Geschäftsbanken privilegiert und von der SEC

beaufsichtigt waren. Nun fallen sie unter das Regime der Fed. Sie zahlen so den Preis dafür,

dass sie in der Krise erstmals Zugang zu den Kreditlinien der Fed erhielten. Zudem soll die

Wurzel allen Übels, die Kreditvergabe an mittellose Verbraucher, angegangen werden. Ihre

Rechte sollen so gestärkt werden, dass es sich nicht lohnt, sie über den Tisch zu ziehen.“ (HB,

24.6.2008, S.28: Die Folgen der Finanzkrise: Banken und Finanzdienstleister müssen sich

weltweit auf strengere Auflagen der Regulierungsbehörden einstellen: Die Zähmung des

Monsters. Frankfurt)

In Europa gebe Großbritannien den Ton an, wie das Handelsblatt weiter beobachtet, und das

nicht von ungefähr: Die britische Finanzmarktaufsicht FSA hätte unter dem Schlagwort 'Light

Touch' für ein besonders liberales Klima in der City und damit für massive

Wettbewerbsvorteile etwa gegenüber der Wall Street gesorgt. Nun dränge die FSA hinter den

Kulissen massiv auf eine höhere Eigenkapitalquote der Banken und einen Abbau des

Verschuldungsgrades - mit Erfolg. Die Royal Bank of Scotland habe gerade erst mit zwölf

Mrd. Pfund die größte Kapitalerhöhung in der europäischen Finanzgeschichte abgeschlossen.

Die Großbanken HBOS und Barclays seien gerade dabei, ihre Kapitalbasis zu stärken.

„Die Behörde mischt sich sogar in Bereiche ein, die bislang als Tabu galten, zum Beispiel die

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milliardenschweren Bonuszahlungen an Europas größtem Finanzplatz. 'Die Institute müssen

erkennen, dass Vergütungen, die Mitarbeiter für kurzfristigen Erfolg belohnen, aber keine

Konsequenzen bei späteren Verlusten nach sich ziehen, ein Risiko für die Aktionäre

darstellen', warnte zuletzt FSA-Chef Hector Sants. Die FSA setzt hier auf 'sanften' Druck

hinter den Kulissen. 'Wir können den Banken natürlich nicht die exakte Höhe der Boni

vorschreiben. Aber wir können die Konsequenzen auf die Geschäftspolitik und die Risiken

zum Thema machen', heißt es beinahe drohend in Kreisen der FSA. Mit anderen Worten: Die

Banken sollen spuren, sonst macht ihnen die Behörde das Leben schwer.

Am Finanzplatz Zürich ruft das Debakel von 40 Mrd. Dollar Abschreibungen bei der

Großbank UBS die Schweizer Nationalbank (SNB) auf den Plan: 'Die Auswirkungen eines

Zusammenbruchs einer Großbank wären für die Schweiz immens', sagt der SNB-

Vizepräsident Philipp Hildebrand. Daher müsse die Widerstandsfähigkeit der Großbanken für

die Zukunft sichergestellt werden. Die in Zürich beheimatete SNB und die

Bankenkommission feilen daher gemeinsam an neuen Regeln für UBS und Credit Suisse.

Diese sollen ihre Eigenmittelausstattung deutlich erhöhen. Was das genau bedeutet, ist noch

Teil des Gefeilsches mit den Instituten. Zudem wird eine Beschränkung für den in den

Boomjahren deutlich gestiegenen Verschuldungsgrad gefordert. Kamen Mitte der 90er Jahren

auf zehn Franken Eigenkapital 90 Franken fremdes Geld, arbeiten die Institute nach

Behördenangaben jetzt mit drei Franken eigenen Mitteln auf 100 Franken eingesetztes Geld.

In Deutschland setzt Chef-Aufseher Jochen Sanio unter anderem auf eine Regulierung der

Ratingagenturen. Diesen komme eine 'Schlüsselstellung' in der Krise zu, so der Präsident der

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Offensichtlich hätten sie den Verfall der

Kreditvergabe-Standards, der sich vor ihren Augen abspielte, nicht bemerkt. Denn sonst

hätten sie nicht mit der 'Gießkanne' Bestnoten für eigentlich minderwertige Kredite vergeben.

Diese müssen nun von den Banken wertberichtigt werden. Konkret spricht sich Sanio für

einen rigiden Verhaltenskodex für Ratingagenturen aus, in dem Standards für die Bewertung

festgeschrieben sein sollen. Zudem: Nur eine unabhängige Instanz könne die Einhaltung der

verschärften Anforderungen an die Ratingagenturen überwachen und Prüfungsrechte

wahrnehmen.“ (HB, 24.6.2008, S.28: Die Folgen der Finanzkrise: Banken und

Finanzdienstleister müssen sich weltweit auf strengere Auflagen der Regulierungsbehörden

einstellen: Die Zähmung des Monsters. Frankfurt)

Den zunehmenden staatlichen Eingriff in den Finanzsektor sah die Schweizer Großbank UBS

bereits frühzeitig voraus:

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,,Die Finanzkrise wird eine verschärfte Regulierung und Aufsicht nach sich ziehen. Zwar

würden allzu scharfe Eingriffe in den Finanzsektor die Bemühungen untergraben, die Märkte

wieder voll funktionsfähig zu machen und die Kreditvergabe zu fördern. Insgesamt gehen wir

jedoch nach der Krise von einer deutlich verschärften Regulierung der Finanzbranche in den

Industrieländern aus und damit von eingeschränkteren Wachstumsmöglichkeiten, [...] da

insbesondere margen- und wachstumsträchtige Produkte aufgrund veränderter

Marktgegebenheiten, verringerter Risikobereitschaft der Anleger und verschärfter

Regulierung an Boden verlieren dürften.“ (UBS research focus, 3/2009, S. 7)

Mit der staatlichen Regulierung des Finanzsektors verbinden sich Einschränkungen

wachstumsträchtiger Geschäftsfelder und vielfältige Maßnahmen wie z.B.

die Erhöhung der Eigenmittelanforderungen für das Bankensystem als Ganzes: „Regulierte

Institute müssen durch Gewinnrückbehalt und andere Methoden Kapitaldecken aufbauen, um

in schwierigen Zeiten ein dickeres Eigenmittelpolster zu haben. Darüber hinaus werden in

guten Zeiten die allgemeinen Rückstellungen aufgestockt, die in schweren Zeiten als Schutz

gegen Kreditverluste dienen. Große, systemisch bedeutende Bankinstitute werden gründlicher

überprüft. Angesichts der enormen Belastung, die deren Rettung für die Staatsfinanzen

darstellt, dürften für größere Finanzinstitute künftig höhere Eigenmittelanforderungen als für

kleinere gelten.“ (UBS research focus 3/2009, S. 35)

Daß diese anstehenden staatlichen Vorgaben im Umfeld der ohnehin angespannten Lage des

Finanzsektors nicht ohne Reaktion auf Seite der Bankleitungen bleiben würden, war

abzusehen: „Die Branche reagiert auf die neue Krise so, wie sie bislang auf jeden Abschwung

reagiert hat: mit Massenentlassungen. Bei Goldman Sachs, UBS, Credit Suisse oder Barclays

stehen im Investment-Banking inzwischen Zehntausende von Jobs auf der Kippe. Seit gestern

ist klar, dass auch die Deutsche Bank noch einmal 500 Stellen im Investment-Banking

streichen will. Einen entscheidenden Unterschied gibt es allerdings doch im Vergleich zu

früheren Krisen: Londoner Personalberater fürchten, dass die Jobs, die in dieser Runde

verlorengehen, nicht wiederkommen werden, unabhängig vom Schicksal der Weltkonjunktur

und dem Ausgang der Euro-Krise. Schuld an dieser düsteren Prognose sind vor allem die

neuen, deutlich härteren Regeln für Eigenkapitalpuffer und Liquiditätsausstattung, die es den

Banken deutlich schwerer machen werden, Geld zu verdienen. Bob Diamond, Chef der

britischen Großbank Barclays, hat bereits eingeräumt, dass Eigenkapitalrenditen von über 20

Prozent der Vergangenheit angehören. Für sein Haus hält er nur noch 13 Prozent für

realistisch. “ (HB, 5.10.11, S. 32: Krise holt die Investmentbanken ein. An der Wall Street und

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in der Londoner City fürchten sich die Banker vor der nächsten Finanzkrise.Die Gewinne

brechen ein, die Entlassungswelle rollt. R. Benders, M. Maisch, New York/London)

Abb. 18: Auswirkungen strengerer Finanzregulierung

Quelle: UBS research focus, März 2009, S. 36

Die Bankenregulierung als Folge der Finanz- und Vertrauenskrise setzt zunächst auf der

Ebene des Finanzsystems und der Kreditinstitute an, bricht sich aber bis hinunter auf die

Ebene des einzelnen Bankmitarbeiters, der abgesehen von den ertragsmindernden

Auswirkungen der Regulierung von den neuen Vorgaben direkt und/oder indirekt betroffen

ist. So wurden im Laufe der aktuellen Finanzkrise eine Vielzahl von Gesetzen und Erlassen

aufgestellt bzw. bestehende verschärft wie z.B.

-Basel III: verschärfte Vorschriften und Anforderungen zu Bankenkapital und -liquidität

(in den 90er Jahren bestanden die Basel-I-Eigenkapitalregeln aus 24 Seiten, bis sie von Basel

II mit 250 Seiten abgelöst wurden. Basel III umfässt ohne zugehörige Verordnungen und

Kommentare nunmehr ca. 2500 Seiten ! (Burgmaier 2014))

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-Neufassung der CRD (Capital Requirements Directive IV) der EU

-CRR I: Capital Requirements Regulation - direkte Anwendung von EU-

Aufsichtsanordnungen ohne Umsetzung in nationales Recht

-MiFID II: Verstärkung von Anlegerschutz und Transparenz der Finanzmärkte

-Änderung des WpHG (Wertpapierhandelsgesetz): Kontrolle von Wertpapierhändlern,

Verschärfung der Vorgaben zur Anlageberatung und deren Dokumentation

-Einführung von ,,Bankenstresstests“: Internal Capital Adequacy Assessment Process ICAAP

„Seit der Lehman-Insolvenz 2008 sind mehr als 50 internationale und nationale Gesetze und

Regulierungen erlassen worden. Allein das Arbeitsprogramm der Europäischen

Bankenaufsicht EBA sieht bis 2018 mindestens 84 Regulierungs- und

Durchführungsaktivitäten vor, um die neuen Eigenkapitalvorschriften und die

Krisenmanagement-Richtlinie zu konkretisieren. Angesichts dieses Running Change ist die

Regulatorik in den Banken heute selbst zur Risikokategorie geworden. Risiken einer

Nichteinhaltung können beispielsweise Verfahrensstrafen, Zinseinbußen, Rückabwicklungen

oder Schadensersatzleistungen sein. “ (Hirschmann 2014, S.3) „Die Komplexität der

Bankenregulierung ergibt sich dabei nicht nur aus der einzelnen Regulierungsmaßnahme,

sondern vor allem aus der großen Anzahl und Vielschichtigkeit der vielen neuen

regulatorischen Bestimmungen,“ wie Jürgen Fitschen, CEO der Deutschen Bank feststellt.

„Außerdem ist im Zuge der Regulierungswelle eine Tendenz hin zu Detailregulierungen zu

beobachten. Dies wiederum führt immer häufiger zu sich überlappenden und bisweilen

widersprüchlichen Anforderungen. Als Folge ergeben sich widersprüchliche

Steuerungsimpulse für die Kreditinstitute, die das Management einer Bank erheblich

erschweren und letztlich ungewollt zu einer Schwächung des Finanzsystems führen können.“

(Fitschen 2014, S.10f.).

Weitere staatliche Eingriffe in den Bankensektor gehen weit über das bloße Aufstellen neuer

Regularien hinaus: Durch die verschärfte Gangart von Politikern gegenüber der Branche und

direkte Einflussnahme des Staates oder Multinationaler Organisationen werden Strukturen

einzelner Kreditinstitute verändert bis hin zur finalen Zerschlagung ganzer Finanzkonzerne,

wie z.B. die WestLB schmerzvoll erfahren musste (s. Anhang II, S.203/II). „Ging es in der

ersten Phase der Finanzmarktkrise um das schiere Überleben der Institute, so ist die zweite

Phase durch neue Geschäftsmodelle geprägt. Nicht jedes Institut hat dabei das Privileg, sich

aus freien Stücken auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Teilweise zwingt die EU die

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Institute über Auflagen – sofern sie staatliche Mittel nutzen – Prioritäten zu setzen. In der

deutschen Bankenlandschaft wird jedenfalls kein Stein auf dem anderen bleiben. Die

Vorgaben der Brüsseler EU-Kommission für die Banken haben es in sich. Allein für die

öffentlich-rechtlichen Institute WestLB und BayernLB verlangt Brüssel, dass sie ihre

Bilanzsummen um rund 50 Prozent reduzieren müssen.“ (HB, 25.5.2009, S. 22: Banken zu

kaufen: Im Dutzend billiger - deutsche Banken müssen sich von umfangreichen Beteiligungen

lösen. Frankfurt)

Auch international wird der Bankensektor in ähnlicher Form von der Politik „aufs Korn

genommen“, z.B. in Frankreich:

„Frankreichs Banken müssen derzeit echte Steherqualitäten beweisen: Nachdem sie gerade

erst mühsam den Vorstoß von Präsident Nicolas Sarkozy für eine Transaktionssteuer pariert

haben, legt dessen Kontrahent François Hollande nach: Für ihn ist die ganze 'Finanzwelt der

eigentliche Gegner'. Den Kreditinstituten droht er mit der Aufspaltung in Investment- und

Geschäftsbanken. [...] BNP Paribas-Chef Baudouin Prot reagierte: Ihn 'ermüden' die ewigen

Angriffe auf die Branche, sagte er bei einer Konferenz. [...] Besorgt sind die Banken nicht

nur wegen des aggressiven Tons der Politiker, sondern auch weil sie sich Fragen über den

wirtschaftlichen Sachverstand stellen.“ (HB, 25.01.2012, S. 34 Frankreichs Geldhäuser im

Dauerfeuer. Politiker überbieten sich in Paris mit Vorschlägen zur Bändigung des

Finanzsektors. Thomas Hanke/ Paris)

4.2.2 VERTRAUENSVERLUST DER BANKMITARBEITER

„In Zeiten wie diesen, in denen Kunden ihren Beratern selbst Prügel androhen, ist das

Vertrauen mancher Klienten tiefer gesunken als die Aktienkurse.“

(HB, 16.4.09, S. 26: Bankberatung: Rezepte gegen die Wut, Annina Reimann/Frankfurt)

„Die Finanzkrise hat das Vertrauen der Kunden in die Bankenbranche offenbar nachhaltig

erschüttert. Nach einer Umfrage der Strategieberatung Vivaldi Partners geben 46 Prozent der

Kunden an, überhaupt keinem Anbieter von Finanzdienstleistungen mehr zu vertrauen. Dabei

schneiden die Filialbanken zwar deutlich besser ab als die reinen Onlinebanken. Allerdings

gelinge es selbst renommierten Anbietern wie etwa der Deutschen Bank oder den Sparkassen

nicht, den Vertrauensvorschuss auszunutzen und ihr Potenzial auszuschöpfen.

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Viele Kunden der Filialbanken hätten erst jetzt endgültig verstanden, dass sie aufgrund von

Produktbindung und Incentivierung der Berater nicht unabhängig bedient werden, sagt

Markus Pfeiffer, Europa-Chef von Vivaldi Partners. Viele Bankkunden seien in Wartestellung

und schauten sich nach neuen Anbietern um. 'Um die Glaubwürdigkeit wieder zu erhöhen ist

beispielsweise vorstellbar, dass Beraterboni auch von der Erreichung langfristiger

Kundenziele abhängig werden', meint Pfeiffer. Dann können die echten Kundenbedürfnisse

wieder verstärkt in den Beratungsfokus rücken.

Die Experten von MP Marketing Partner hatten aktuell ermittelt, dass sich aus Sicht der

Kunden nur 23 Prozent der Finanzinstitute aktiv um ihr Vertrauen bemühen, über die Hälfte

der Anbieter mache derzeit nur sehr wenig oder überhaupt nichts. Neben besseren

Konditionen erwarteten die Befragten auch mehr Kundennähe. Für die Filialbanken werde es

zukünftig entscheidend sein, dass sie den persönlichen Kontakt zum Kunden wieder mehr in

den Mittelpunkt stellen, sagt Pfeiffer von Vivaldi Partners. Falls dies nicht gelinge, könnten

zum Beispiel Online-Finanzportale immens an Bedeutung gewinnen.“ (HB, 7.9.2009, S. 25:

Banken kämpfen um Vertrauen, Frankfurt)

Das Vertrauen von Kunden gegenüber Banken sei durch die Krise nachhaltig zerstört worden,

sagt etwa Rainer Neske, der das Privatkundengeschäft der Deutschen Bank leitet. „Es geht

jetzt darum, dass wir um die Wiedergewinnung des Kundenvertrauens kämpfen." Franz-Josef

Nick, Vorstandschef der deutschen Citibank, sagt, die Kernfrage laute: „Wo holen wir diese

verunsicherten Kunden wieder ab?“ (HB, 11.3.2009, S. 24: Das zerstörte Verhältnis zum

Kunden, Nicole Bastian/Mainz)

„Auch wenn die Krise nicht ursächlich von den Anlageberatern verursacht worden ist, stellt

sich die Frage, wie sie das Vertrauen der Kunden wieder zurückgewinnen können. Die

derzeitigen Anforderungen an qualifizierte Anlageberater sind vor diesem Hintergrund

so hoch wie noch nie (Herverhebung d.Verf.) : Einerseits verlangt der Gesetzgeber seit

Anfang des Jahres eine verschärfte Dokumentation, die für viele Anlageberater eine

administrative Herausforderung darstellt. Andererseits fordert der Kunde individuelle

Produktlösungen, auf die er ausnahmslos vertrauen kann. Laut einer aktuellen Studie des

IMWF Institut für Management- und Wirtschaftsforschung werden für die Vertrauensbildung

insbesondere weiche Faktoren von den Kunden geschätzt. In wirtschaftlich schwierigen

Zeiten ist es daher nur zu verständlich, dass vor allem Freundlichkeit und Sympathie, die

zuverlässige Einhaltung von Zusagen, der gute Ruf und der engagierte Einsatz für die Belange

des Kunden einen signifikanten Einfluss auf das Kundenvertrauen haben.“ (HB, 30.4.2010,

S.48: Finanzdienstleister-massiver Vertrauensverlust, Carmen Mausbach, Niederkassel) Mit

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dieser Erkenntnis betrachtet das Handelsblatt den Zustand der Branche vor dem Hintergrund

der anhaltenden Krise auf Ebene ihrer Mitarbeiter:

„Mark Twain hatte keine besonders hohe Achtung vor Bankern: 'Banker sind Menschen, die

dir bei gutem Wetter einen Regenschirm leihen, ihn aber zurückfordern, sobald es zu regnen

beginnt', sagte der Schriftsteller einmal. Zum Ausklang 2012 – dem Jahr sechs der

Finanzkrise – ist es um das Image der Banker kaum besser bestellt. In einer Forsa-Umfrage

rangiert der Beruf im Ansehen im untersten Drittel der Skala. Skandale wie die Manipulation

des Referenzzinssatzes Libor, Geldwäschevorwürfe oder unkontrollierte Milliardenwetten

sind dafür der Grund.

Inzwischen steht fast jeder bekannte Banker für eine Verfehlung. Unser Banker des Jahres

heißt deshalb nicht Jamie Dimon von JP Morgan, Stuart Gulliver von HSBC, Anshu Jain oder

Jürgen Fitschen von der Deutschen Bank. Unsere Banker des Jahres heißen Paula Ahlers und

Hubert Bindels, Markus Hölzler und Denise Lehmann.

Ihre Namen sind unbekannt, denn über diese vier Banker wird viel zu wenig geschrieben.

Ebenso wie über ihre Kollegen, für die sie stellvertretend stehen - all die Banker in den knapp

38 000 Filialen, die private Banken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen in Deutschland

betreiben. Sie sind für die Kunden das Gesicht einer Bank. Sie sind die Blitzableiter für den

Frust, die Beichtväter für Verfehlungen in Geldangelegenheiten und die Ratgeber bei

Fragen. (Hervorhebung d.Verf.)

Wenn in den Vorstandsetagen der Banktürme dieser Tage von Kulturwandel die Rede ist,

dann sind es Ahlers und Bindels, Hölzler und Lehmann, die solche Ansprüche umsetzen. Sie

und ihre Kollegen sind Zehntausende von Botschaftern. Eine ihrer Missionen: die

angeschlagenen diplomatischen Beziehungen zwischen Banken und der Öffentlichkeit

verbessern.

Marcus Hölzler ist so ein Botschafter. 'Die Banken müssen es wieder schaffen, deutlich mehr

Vertrauen zu gewinnen. Und dieses Imageproblem lösen wir nur, wenn alle Banken

gemeinsam dabei mitmachen', sagt der 39-Jährige. Er leitet bei der Hannoverschen Volksbank

die Filiale für Unternehmenskunden. 400 Firmenkunden betreuen er und seine zehn Kollegen.

Genossenschaftsbanken und Sparkassen stehen nicht im Zentrum der Bankerschelte, aber sie

sind von der Finanzkrise betroffen. Das Wohlfühlgefühl, wenn man im privaten Umfeld den

eigenen Beruf erklärt, ist weg', sagt Hölzler.

Botschafterin ist auch Paula Ahlers, 34 Jahre alt, seit 15 Jahren bei der Deutschen Bank und

seit eineinhalb Jahren Leiterin einer Filiale in Ratingen mit 14 000 Kunden. Ihr Arbeitgeber

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ist das größte Kreditinstitut Deutschlands. 'Sicher werden wir von Kunden angesprochen,

wenn die Deutsche Bank einmal mit unerfreulichen Nachrichten in der Presse ist. Aber wenn

ich dann konkret frage, ob sie etwas in der Filiale stört, dann ist da nichts, sie sind zufrieden.'

Umfragen belegen diese Kluft zwischen dem allgemein schlechten Image und den weit

besseren Beurteilungen über den eigenen Bankberater. Sie sind eine Bestätigung für die

Arbeit der Banker an der Basis. 'Je länger die Beziehung mit dem Kunden, desto höher ist die

Kundenzufriedenheit', sagt Ahlers. Das bestätigt auch Denise Lehmann von der

Commerzbank, seit Anfang des Jahres Leiterin der Filiale in Albstadt-Ebingen mit zwölf

Beschäftigten: 'Einige Kundenbetreuer hier arbeiten seit mehr als 20 Jahre in der Filiale. Eine

solche Stetigkeit zahlt sich aus.'

So ist die Auszeichnung der Basisbanker auch ein Plädoyer für mehr Stetigkeit. Für die

Stetigkeit, die der Finanzbranche in den Jahren des 'Anything goes' verlorenging. Nicht nur in

den Banken, auch bei den Kunden. So mancher Kunde hat auf der Suche nach dem

Zehntelprozentpunkt mehr Rendite die Bank gewechselt - und die langjährigen Beziehungen

zum Bankberater erkalten lassen. 'Viele Kunden erkennen erst sehr spät, dass mit dem

Wechsel der Bankverbindung ein verlässlicher Ansprechpartner verlorengeht. Aber die

Menschen brauchen Orientierung ', sagt Hubert Bindels. Der 42-Jährige arbeitet seit einem

Vierteljahrhundert in der Sparkassenwelt und leitet seit drei Jahren eine der größten

Geschäftsstellen der Aachener Sparkasse mit zehn Beschäftigten und 7 000 Kunden.

Gerade in diesem Jahr sei das Bedürfnis nach Beratung enorm gestiegen, sagt Lehmann, die

Privat- und Geschäftskunden berät. Und mittelständische Firmenkunden, sagt Volksbanker

Hölzler, sehen den Bankangestellten intensiver als Sparringspartner. 'Wir werden seit drei,

vier Jahren viel stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden.'

Dabei müssen die Banker zwei Anforderungen gerecht werden: Sie sind Berater ihrer

Kunden, müssen aber in der Zentrale Vertriebszahlen vorlegen, die überzeugen. 'Über

vernünftige und ehrliche Beratung stellt sich der Vertriebserfolg im Ganzen ein', sagt Bindels.

Nicht bei jedem einzelnen Produkt vielleicht, aber insgesamt.

Bei vielen Privatkunden sitzt das Misstrauen aus der Finanzkrise aber noch tief. Und mit

Notenbankinterventionen weltweit, deren Folgen komplex sind, ist es für die Basisbanker

noch anspruchsvoller, die Finanzwelt zu erläutern. 'Wir bieten unseren Kunden daher

ausschließlich Produkte an, die wir verstehen und vernünftig erklären können', sagt Bindels.

'Da müssen wir als Berater unsere Grenzen kennen und den Kunden offen sagen, wo diese

liegen.' Diese Ehrlichkeit kann kein Beratungsprotokoll leisten. Sie erfordert Mut und

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Menschlichkeit.

Die Auszeichnung der vier Basisbanker ist deshalb auch als ein Plädoyer für die

Menschlichkeit in einer Branche zu verstehen, in der Zahlen immer zentral waren und die

derzeit vor allem mit zusätzlichen Paragrafen, Protokollen und Vorgaben gemaßregelt wird.

Denn letztlich wird die Persönlichkeit über den langfristigen Geschäftserfolg und das

Ansehen entscheiden - ob an der Basis oder an der Spitze.“ (Handelsblatt, 21.12.2012, S. 26:

Die Vertrauensleute des Geldgewerbes. Die Banker an der Basis - nicht die Top-Banker -

haben sich verdient gemacht. Nicole Bastian)

Mit dem Vertrauensverlust der Bank als Institution folgt - häufig nachgelagert und mit

Verzögerung- auch der Verlust des Vertrauens bzw. die Bindung von Geschäftspartnern in /

zu den einzelnen Bankangestellten. Die Bindungs- und Vertrauenserosion setzt jedoch bei

langjährigen Geschäftsbeziehungen erst mit andauernder Krisensituation der Branche bzw.

der betroffenen Bank ein. Handelt es sich dagegen um eine eher junge Geschäftsverbindung,

konnte noch keine nachhaltige persönliche Beziehung zwischen Bankberater und Kunde

aufgebaut werden - die Geschäftsbeziehung ist damit in Krisen anfälliger und zerbrechlicher.

So wird die häufig auf Fehlentscheidungen des Managements basierende Schieflage des

einzelnen Institutes von Medien und Kunden verallgemeinert und schließlich auf den

einzelnen Bankmitarbeiter projeziert, völlig unabhängig davon, ob der im Rampenlicht

stehende Bankmitarbeiter überhaupt in geschäftspolitische und strategische Entscheidungen

des Finanzunternehmens einbezogen war. Es heisst dann „die Banker“ und „die Banken“, eine

Differenzierung wird nicht mehr vorgenommen. Zudem werden vor dem Hintergrund der

Analyse, wie es zur Schieflage der Bank kommen konnte, welche geschäftspolitischen,

taktischen und strategischen Entscheidungen zu den Belastungen geführt haben, nunmehr

auch abgeschlossene Geschäfte der Vergangenheit kritischer betrachtet und hinterfragt:

„Waren die Empfehlungen meines Beraters tatsächlich so gut, wie ich immer angenommen

hatte ?“ In der Folge ist im Umfeld allgemein negativer Stimmung des Publikums gegenüber

Banken ein deutlicher Anstieg von Beschwerden und Klagen von Bankkunden gegen ihr

beratendes Kreditinstitut festzustellen, was in letzter Konsequenz bedeutet, daß der einzelne

beratende Bankangestellte erklären und verantworten muß, unter welchen Umständen die

jeweiligen Geschäfte zustande gekommen sind.

„Ihre Unzufriedenheit zeigen die Kunden auch mit der hohen Zahl an Beschwerden bei den

Ombudsmännern der Banken. Um einen juristischen Streit zu vermeiden, können sich

Kunden an die Ombudsmänner wenden, die bei Auseinandersetzungen schlichten.

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Eine Handelsblatt-Umfrage zeigt: Die Zahl der Beschwerden geht rasant nach oben. Bei den

Landes- und Förderbanken stieg sie seit 2007 um mehr als 13 Prozent, bei den Volks- und

Raiffeisenbanken um 26 Prozent. Bei den Privatbanken betrug der Anstieg in den

vergangenen zwei Jahren sogar mehr als 80 Prozent. 6514 Kunden wendeten sich 2009 an die

Ombudsmänner, fast 5300 Beschwerden wurden zugelassen. Vor allem im

Wertpapiergeschäft lief während der vergangenen zwei Jahre einiges schief. Bei den Volks-

und Raiffeisenbanken kommt fast jede dritte Beschwerde aus diesem Bereich.

Vor allem die Privatbanken patzen.

Auch hier patzen vor allem die großen Privatbanken. Fast jede zweite Beschwerde hat

Probleme mit Wertpapieren als Ursache. 2009 gab es 3098 Beschwerden aus diesem Bereich,

2007 waren es nur 796. 'Vor allem wegen der Lehman-Pleite häufen sich die Beschwerden',

sagt ein Sprecher des Bundesverbands deutscher Banken. Gehe Geld verloren, suchten die

Betroffenen eben nach Möglichkeiten, den Schaden zu mindern.“ (HB, 24.2.2010, S. 43:

Massive Beschwerden: Kunden laufen Sturm gegen Banken, Jens Hagen/Düsseldorf )

Tab. 12: Entwicklung der Kundenbeschwerden beim Ombudsmann

Quelle: HB, 24.2.2010, S.43

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„Immer mehr Anleger klagen gegen Banken. Am Landgericht Frankfurt wurden im

vergangenen Jahr insgesamt 2649 solcher zivilrechtlichen Klagen eingereicht. Ein Jahr zuvor

waren es noch 1200 Klagen. Gegenstand der Verfahren sind etwa Vorwürfe, die Banken

hätten nicht ausreichend über die mit den verkauften Papieren verbundenen Risiken informiert

oder der Anleger sei nicht auf Provisionen hingewiesen worden, die die Bank von den

Emittenten der Anlage erhalten habe. Aufgrund der Finanzkrise und der Zahl der in Frankfurt

vertretenen Banken hatte das Gericht bereits 2009 sechs Bankenkammern eingerichtet, in

denen die Richter auf Klagen gegen Kreditinstitute spezialisiert sind. 2010 kam eine weitere

Kammer hinzu. Wegen dieser Expertise werden in Frankfurt auch Klagen gegen Banken

eingereicht, die ihren Sitz außerhalb von Frankfurt haben.“ (HB, 22.6.11, S. 35: Zahl der

Klagen von Anlegern gegen Banken mehr als verdoppelt)

Mit der Schieflage der Bank wird der Vertrauensbonus des Beraters, der über Jahre aufgebaut

wurde, sukzessive aufgezehrt. Der Bankmitarbeiter gerät somit zunehmend unter Druck und

es wird für ihn zunehmend schwieriger, einerseits die krisenbedingt höheren Anforderungen

seines Arbeitgebers zu erfüllen, andererseits aber zunächst überhaupt erst einmal die Basis

seines Geschäftes – den Kunden- und Einlagenbestand – zu halten. Dies hat in der Krise aber

oberste Priorität und kann nur durch stärkste Anstrengungen des Bankangestellten, zunächst

um Vertrauen zu werben, erreicht werden. Während also der Bestandserhalt primäres Ziel

sein muß, rückt das gleichermaßen wichtige Ziel der Ertragsgenerierung an die zweite Stelle.

In diesem Dilemma zeigt sich auf der Mikroebene die Problematik der gesamten Branche

während einer Bankenkrise: Wird das Vertrauen seitens der Kundschaft entzogen, bedeutet

das in der Regel Mittelabfluß und Kundenabgänge. Dies löst eine Spirale von

Ertragseinbrüchen und weiterem Vertrauensverlust aus. Durch vermehrte Mittelabflüsse

verschlechtern sich betriebswirtschaftliche Kennzahlen des Bankinstitutes bzw. seiner

Refinanzierung, wodurch weitere Stakeholder zunehmend verunsichert werden. So berichtet

das Handelsblatt am Beispiel der Schieflage griechischer Geldhäuser:

„Vertrauen ist gerade in der Schuldenkrise zu einem Schlüsselwort für die griechischen

Banken geworden. Denn immer mehr Kunden sind verunsichert – und ziehen ihre Guthaben

ab. Nach Angaben von Zentralbankchef Giorgos Provopoulos sind die Einlagen der

griechischen Geschäftsbanken in den Monaten September und Oktober um 14 Milliarden

Euro geschrumpft. Damit hat sich der seit zwei Jahren andauernde Kapitalabfluss erheblich

beschleunigt. Allein im Oktober dürften 8,6 Milliarden abgeflossen sein. Mitte November

habe eine Stabilisierung eingesetzt, erklärte der Zentralbankchef. 'Man könnte sagen, dass

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diese zwei, zweieinhalb Monate mit Blick auf die Kundeneinlagen die schlimmsten seit dem

Start der Krise waren', sagte Provopoulos. Seit Jahresbeginn haben die griechischen Banken

Kundengelder von 33,1 Milliarden Euro verloren. Das entspricht 15,3 Prozent der Einlagen.“

(HB, 1.12.11, S. 33: Griechische Geldhäuser rutschen tief in die Verlustzone, Gerd

Höhler/Athen)

Neben den gestiegenen internen Vorgaben und Anforderungen kommen ausgelöst durch die

aktuelle Bankenkrise mit der oben beschriebenen Bankenregulierung weitere

Belastungsfaktoren für den einzelnen Bankmitarbeiter hinzu. (Vermeintliche) Mißstände im

Bankgeschäft, die im Rahmen der Ursachenanalyse der Bankenkrise zutage treten bzw.

herausgearbeitet wurden, ziehen nun auch verschärfte Reglementierungen für das

Tagesgeschäft des einzelnen Bankberaters nach sich. Dies ist z.B. als Folge eines von

Produktverkauf geprägten Umfeldes in der Anlageberatung diverser Filialbanken zu

erkennen. Der massive Eingriff der Bankenaufsicht und -Legislative in nahezu alle

Geschäftsfelder der Kreditinstitute mittels neuer Vorgaben sowie detaillierter Normierung und

Codierung von bislang als selbstverständlich geltenden Bankdienstleistungen bis herab auf die

unterste Ebene ist ein Ausdruck des Vertrauensentzuges in die Selbstverantwortlichkeit der

Banken zur Umsetzung eines seriösen Bankgeschäftes als Folge der aktuellen Krise. Die

damit unumgängliche Einhaltung diverser neuer Vorschriften sind für den Bankangestellten

mittlerweile bzw. im Verlauf der Krise zunehmend zu elementaren und täglich spürbaren

Faktoren seines Berufslebens geworden (Mißachtungen können im Einzelfall mit Geldstrafen

für die Bank über 50.000,-€ bzw. mit Berufsverbot für den Bankmitarbeiter geahndet

werden), was zu zusätzlichen Belastungen führt und am Beispiel der neueren Regulierung und

Kontrolle der Anlageberatung in Deutschland deutlich wird:

Rechtliche Grundlage:

„Anlageberatung ist formal definiert die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden,

die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen. Diese Empfehlung muß

auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet

dargestellt werden und darf nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder

für die Öffentlichkeit bekannt gegeben werden.“

(§1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1a Kreditwesengesetz)

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Neue, erweiternde Richtlinien, Codierungen und Vorgaben im Rahmen der verschärften

Bankenregulierung greifen mit direktem Effekt in das Tätigkeitsfeld jedes einzelnen

Bankberaters ein:

,,Um Anlageberatung handelt es sich, wenn dem Anleger zu einer bestimmten Handlung als in

seinem Interesse liegend geraten wird, nicht aber bei einer bloßen Information des Kunden.

Es muss sich bei der Empfehlung um eine auf den Kunden zugeschnittene Beratung

bezüglich eines konkreten Finanzinstruments handeln bzw. die Beratung muss zumindest

den Anschein erwecken, die persönlichen Umstände des Kunden zu berücksichtigen. Eine

bloße Empfehlung an einen nicht individuell bestimmbaren Personenkreis, beispielsweise

über eine Zeitung oder ähnliches, reicht nicht aus.“

(Deutsche Bundesbank, 04/2013)

Um zumindest ansatzweise zu verdeutlichen, in welchem Umfang der Regulierer nun bis auf

die Mikroebene in das operative Bankgeschäft eingreift, werden einige konkrete Erlasse der

Bankenaufsicht im Folgenden ungekürzt wiedergegeben. In der Praxis sind Kreditinstitute

durch die neuen Vorgaben gezwungen, zu ihrer Bewältigung erhebliche zusätzliche

Personalkapazitäten in den Bereichen IT und Controlling anzuwerben und bereitzustellen.

Diese neuen Anweisungen befinden sich auch nach ihrer Herausgabe permanent in

Erweiterung und Verfeinerung durch die Aufsichtsbehörden, wie die folgende von erheblicher

Tragweite und Konsequenz für das Bankwesen geprägte Veröffentlichung der BaFin

Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 16. Juli 2013:

„Anfang 2010 führte der Gesetzgeber die Pflicht für Wertpapierdienstleistungsunternehmen

ein, ein Beratungsprotokoll zu erstellen. Im November 2012 trat zudem die gesetzliche

Grundlage für das Mitarbeiter- und Beschwerderegister in Kraft. Beide Regelungen

beinhalten Instrumente, die sich für die Praxis der Aufsichtstätigkeit als bedeutsam erwiesen

haben.

Beratungsprotokoll

Seit dem 1. Januar 2010 müssen Wertpapierdienstleistungsunternehmen über jede

Anlageberatung für Privatkunden ein schriftliches Protokoll anfertigen (§ 34 Absatz 2a

Wertpapierhandelsgesetz – WpHG). Als Anlageberatung definiert das WpHG die Abgabe von

persönlichen Empfehlungen, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten

beziehen, an Kunden, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des

Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird.

Das Beratungsprotokoll muss grundsätzlich Informationen über den Anlass der Beratung, die

Dauer des Beratungsgesprächs, die persönliche Situation des Kunden, dessen

Anlageinteressen sowie die Empfehlungen des Bankberaters und deren Gründe enthalten.

Nach dem Gespräch muss der Berater das Protokoll unterzeichnen und dem Kunden

unverzüglich aushändigen.

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Beweismittel und Aufsichtsinstrument

Die Einführung des Beratungsprotokolls hatte zum Ziel, die Rechte des Bankkunden zu

stärken. Zuvor stand in streitigen Fällen die Aussage des Kunden gegen die Aussage des

Anlageberaters. Nun liegt dem Kunden eine schriftliche Darstellung des Beratungsgesprächs

vor. Sie kann ein Beweismittel sein, wenn er einen Anspruch auf Schadensersatz wegen

Falschberatung auf zivilrechtlichem Wege durchsetzen möchte, denn die Beweislast liegt in

der Regel beim Bankkunden.

Außerdem erleichtert das Protokoll der BaFin die Aufsicht über Beratungsgespräche. Es ist

zu einer unverzichtbaren Informationsquelle geworden. Seine Bedeutung hat noch weiter

zugenommen, seit im Mitarbeiter- und Beschwerderegister Beschwerden zu einzelnen

Anlageberatern gesammelt werden: Die BaFin erhält dank der Beratungsprotokolle

Informationen auch zu den Beratungsgesprächen, die den Beschwerden zugrundeliegen.

Fehlerhafte Protokolle

Die Umsetzung der neuen Anforderungen bereitete einigen

Wertpapierdienstleistungsunternehmen zu Beginn Schwierigkeiten. Die BaFin stieß bei

Untersuchungen beispielsweise auf mangelhafte Vorlagen, mangelnde IT-Unterstützung und

fehlerhaft ausgefüllte Vorlagen. Auch fehlten mitunter Freitextfelder. Die BaFin hat aufgrund

der Verstöße bisher vier Bußgeldbescheide in Höhe von jeweils 10.000 Euro erlassen. Derzeit

sind noch 30 Verfahren nach dem Gesetz für Ordnungswidrigkeiten anhängig.

In Reaktion auf die Ergebnisse der Untersuchungen hat die BaFin im Juni 2011 ein Modul in

das Rundschreiben zu den Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die

weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für

Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) aufgenommen. Das Modul legt die

Anforderungen an das Beratungsprotokoll aus und soll so Unsicherheiten am Markt

hinsichtlich des Inhalts der Dokumentation beheben.

Inzwischen hat sich die Qualität der Beratungsprotokolle zwar verbessert. Noch immer treten

jedoch Probleme auf. Einzelne Banken verwenden etwa standardisierte Textbausteine; einige

Berater nutzen die Freitextfelder noch nicht ausreichend. Dadurch lässt sich oft nur

unzureichend nachvollziehen, was tatsächlich bei der Anlageberatung geschehen ist. Die

BaFin wirkt diesen Problemen entgegen. So untersucht sie bei Vor-Ort-Besuchen regelmäßig

die Qualität von Beratungsprotokollen. Bestellte Prüfer kontrollieren bei Regelprüfungen

zudem, ob die Unternehmen organisatorische Vorkehrungen getroffen haben, um

Beratungsprotokolle ordnungsgemäß erstellen und zur Verfügung stellen zu können. Ergeben

sich wesentliche Unregelmäßigkeiten, schreitet die BaFin mit Verwaltungsmaßnahmen ein –

notfalls erlässt sie auch Bußgeldbescheide.

Kunden müssen mitwirken

Um die Qualität von Beratungsprotokollen dauerhaft zu verbessern, ist jedoch auch der

Anleger gefordert. Denn das Beratungsprotokoll kann seinen Zweck nur erfüllen, wenn der

Kunde das Protokoll prüft. Nur wenn die Inhalte des Gesprächs, das meist ohne Zeugen

stattfindet, ausreichend wiedergegeben sind, erhöht dies die Chance des Kunden, seine

Ansprüche durchzusetzen. Stellt er fest, dass Inhalte fehlen oder falsch wiedergegeben

wurden, sollte er vom Berater verlangen, das Protokoll zu ändern beziehungsweise zu

ergänzen.

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Weitere Hinweise zum Thema Anlageberatung finden Bankkunden im Flyer „Anlageberatung

– Was Sie als Kunde beachten sollten“, den die BaFin auf ihrer Internetseite veröffentlicht

hat.

Mitarbeiter- und Beschwerderegister

Anlageberatung kann nur funktionieren, wenn die Kunden Vertrauen haben. Die Finanzkrise

hat dieses Vertrauen jedoch erschüttert, da sie Schwächen in der Anlageberatung offenbart

hat. Als wesentliche Ursachen hat der Gesetzgeber Defizite in der Qualifikation der

Mitarbeiter und den nachteiligen Einfluss von Vertriebsinteressen identifiziert.

Er reagierte mit der Einführung des § 34d WpHG, der zum 1. November 2012 in Kraft

getreten ist. Wertpapierdienstleistungsunternehmen sind nun verpflichtet, für bestimmte

Aufgaben nur noch Mitarbeiter mit einer einheitlichen Mindestqualifikation einzusetzen.

Diese Mitarbeiter müssen zudem an eine Datenbank – das Mitarbeiter- und

Beschwerderegister – gemeldet werden. Geht es um Anlageberater, müssen außerdem

Beschwerden von Privatkunden angezeigt werden, die sich auf die Tätigkeit der Berater

beziehen.

Anlageberater, Vertriebs- und Compliance-Beauftragte

Von dem neuen Aufsichtsregime über die Anlageberatung sind neben Anlageberatern weitere

Mitarbeitergruppen betroffen, nämlich Vertriebsbeauftragte und Compliance-Beauftragte. Es

handelt es sich dabei um Mitarbeiter, denen der Gesetzgeber maßgeblichen Einfluss auf die

Qualität der Anlageberatung beimisst. An der Auswahl der betroffenen Personen wird

deutlich, dass der Gesetzgeber vermutet, dass Missstände in der Anlageberatung nicht

ausschließlich in der Person des Anlageberaters zu verorten sind. Stattdessen bringt er zum

Ausdruck, dass der Grund für Mängel in der Anlageberatung auch betriebliche Schwächen

der Vertriebsorganisation sein können. Insbesondere die Einführung des Begriffs

„Vertriebsbeauftragter“, der im Gesetz bislang nicht vorkam, verdeutlicht diesen

regulatorischen Ansatz. Damit dürfte die häufig geäußerte Besorgnis, das Fehlverhalten eines

Wertpapierdienstleistungsunternehmens könne auf einen einzelnen Anlageberater abgewälzt

werden, weiterhin unbegründet sein.

Die BaFin hat sich intensiv auf die neue Aufgabe vorbereitet. Der Schwerpunkt lag dabei auf

der Einrichtung der technischen Infrastruktur, ein weiterer auf der Fortbildung der

zuständigen Beschäftigten. Sie werden in einem anerkannten Weiterbildungsprogramm für

Anlageberater zum Financial Planner ausgebildet. Institute und Anlageberater werden somit

auf Seiten der BaFin auf Aufseher treffen, die mit den Einzelheiten der Anlageberatung gut

vertraut sind.

BaFin geht Häufungen von Beschwerden nach

Die BaFin prüft die eingetroffenen Anzeigen auf Auffälligkeiten. Dabei stehen ungewöhnliche

Häufungen von Beschwerdeanzeigen im Fokus. Sind weitere Nachforschungen erforderlich,

untersucht die BaFin den Sachverhalt. Dazu besuchen Aufseher zum Beispiel Filialen und

führen Gespräche mit Beratern. Seit dem Start des Registers am 1. November 2012 wurden

institutsgruppenübergreifend bereits rund 80 Filialen besucht.

Dadurch sammelt die BaFin kontinuierlich Eindrücke aus der Beratungspraxis. So hat sich

beispielweise aus den ersten Besuchsreihen ergeben, dass sich Anlageempfehlungen in

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Einzelfällen noch immer deutlich an Vertriebsvorgaben orientieren. Vor diesem Hintergrund

ist der Kundennutzen einzelner Anlageempfehlungen in einzelnen Fällen erklärungsbedürftig.

Die BaFin verfolgt dies weiter. Anlageberater und Vertriebsbeauftragte werden daher auch

künftig damit zu rechnen haben, dass die BaFin Empfehlungen oder Vertriebsentscheidungen

mit Blick auf den Kundennutzen hinterfragt.

Von ihren neuen Instrumenten der Aufsicht über die Anlageberatung hat die BaFin bislang

noch keinen Gebrauch gemacht. Neben Bußgeldern sieht das WpHG unter anderem eine

Verwarnung des Instituts und des Mitarbeiters oder sogar die Untersagung des

Mitarbeitereinsatzes für bis zu zwei Jahre vor.

Weitere Regulierung zu erwarten

Unstreitig ist die Beratung von Privatanlegern aufwändiger geworden. Allerdings werden

nicht nur an den Anlageberater, sondern auch an den Kunden höhere Anforderungen gestellt.

Dieser ist nun aufgefordert, das Protokoll aufmerksam zu überprüfen und sich so gut zu

informieren, dass er sein Recht auf gute Beratung tatsächlich einfordern und von der

Sachkunde seines Beraters profitieren kann.

Die Einführung des Beratungsprotokolls und das Inkrafttreten der Vorschriften zur

Mitarbeiterqualifikation und Anzeigepflicht dürften nur vorläufige Höhepunkte in der

Regulierung der Anlageberatung gewesen sein. Die Umrisse weiterer Regulierungsprojekte

zeichnen sich bereits deutlich am Horizont ab,.... “

(BaFin, 16. Juli 2013)

Nach einer kürzlich von KPMG veröffentlichten Studie zu den Auswirkungen neuer

regulatorischer Anforderungen hat deren Implementierung für die befragten Banken heute

größeren Einfluß auf den Unternehmenserfolg als Wettbewerber, Margendruck oder

Kundenverhalten. Stand im Zeitraum von 2010 bis 2012 jeder vierte Euro, der für bankinterne

Projekte aufgewendet wurde, im Zusammenhang mit neuen Regularien, wird es für 2013 bis

2015 jeder dritte Euro sein (KPMG 2013). „Die Implementierung der neuen Regeln ist längst

die größte Herausforderung der Finanzbranche geworden“ (Kühner/Terliesner 2014, S.12f.) :

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Abb. 19: Auswirkungen regulatorischer Anforderungen

Quelle: bankmagazin 04/2014, S. 14: KPMG-Studie "Auswirkungen regulatorischer

Anforderungen" 2013

„Das Bankgeschäft der Zukunft wird nicht nur deutlich komplexer, sondern auch weniger

profitabel sein als in der Vergangenheit. Das liegt nicht nur an den aus der neuen Regulierung

erwachsenden Kosten, die die KPMG-Studie mit rund 9 Mrd. € pro Jahr für die Kreditinstitute

in Deutschland beziffert. Durch regulatorisch bedingte Eingriffe in die

Geschäftsmöglichkeiten werden auch die Erlös-Chancen der Banken an zahlreichen Stellen

negativ beeinflusst. Man schaue sich nur die Auswirkungen der neuen bürokratischen

Anforderungen in der Wertpapierberatung von Privatkunden auf die Umsätze und

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Provisionserträge der Kreditinstitute an. Diese sind seit Einführung von Beratungsprotokollen

u.ä. erheblich zurückgegangen" (Fitschen 2014, S.10f.). „Die Beratung in der Filiale ist

demnach äußerst kostenintensiv, vor allem für Kunden mit einem geringen Anlagevermögen.

Die Durchführung einer für das Kreditinstitut profitablen Anlageberatung wird deshalb

zunehmend schwieriger. Hinzu kommt ein deutlich geschwundenes Vertrauen vieler Anleger

in die Beratungsleistung von Banken. Ungeeignete oder mit hohen Provisionen verbundene

Produkte sorgen dafür, daß Bankkunden sich von der klassischen Beratung in der Filiale eher

abwenden.“ (Früchtl / Peters 2014, S.31) „Wer künftig nicht in einer bestimmten

Größenordnung investiert, erhält einfach nicht mehr jedes Angebot“, sagt Stefan Schüller vom

Bankhaus Lampe. Anderes ließen die immer neuen Vorschriften im Sinne des

Anlegerschutzes kaum noch zu. „Die ganzen Regelungen gehen der Lebenswirklichkeit

vorbei, aus dem Private Banking wird eine Papierfabrik. “ (Die Welt: Revolution der

Anlageberatung, 27.09.12, S. 1)

Die mit den neuen Vorgaben verbundenen Problematiken griff das „Handelsblatt“ bereits in

seiner Ausgabe vom 3.5.2011 unter dem Titel „Aigner verängstigt die Berater“ auf: So

führten schärfere Vorschriften in der Praxis dazu, „daß die Experten weniger Empfehlungen

für Aktien geben. Leidtragende sind oft die Kunden. ´Zugespitzt stellen wir fest, daß die

Anlageberater alles tun, um keine Anlageberatung mehr zu machen´, so Andreas Beck, Leiter

eines unabhängigen Vermögensverwalters. Hierzu räumt Herbert Jütten, Geschäftsführer

beim privaten Bankenverband ein: ´Mich wundert nicht, daß sich Bankberater anders

verhalten als vor anderthalb Jahren. Schließlich hat der Gesetzgeber als Konsequenz aus der

Finanzkrise den Berater in den Mittelpunkt der Regulierung gestellt. Entsprechend lässt er

Vorsicht walten.´[...]Vermögensverwalter Beck:´Die Mitarbeiter sind auf jeden Fall

verunsichert und empfehlen eher sichere, aber renditeschwache Produkte.´ Doch damit könne

nach Beck nicht kostendeckend bzw. ertragbringend gearbeitet werden. Jedoch bestätigt auch

Bankenberater Christoph Pape:´In der aktuellen Gemengelage heißt die Devise für viele

Berater, keine unnötigen Risiken einzugehen. Prompt werden etwa konkrete Tips im

Wertpapiergeschäft bei der Anlageberatung vermieden.´ “ (HB, 3.5.2011, S.32: Aigner

verängstigt die Berater) „Kundenberater in einer Bank können sich vor Risikohinweisen und

Dokumentierungspflichten kaum retten.“ (Burgmaier 2014, S.3) „Immer mehr Bankvorstände

und -mitarbeiter legen ihre Zurückhaltung ab und klagen öffentlich über die Flut an

Regulierungsvorschriften, die über ihre Häuser hereinbricht. [...] Produktinformationsblatt,

Beratungsprotokoll und Beraterregister sind zu einem Synonym für Überregulierung

geworden. Kein Mensch kann die neuen Vorgaben noch überblicken oder deren Wirkungen

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berechnen. Nach dem Vorstandssprecher der Hamburger Volksbank Brüggestrat musste der

Anteil kundenorientierter Arbeit im Backoffice zurückgefahren werden, um

Dokumentationspflichten nachzukommen. Als Nebeneffekt führten die eigentlich dem

Verbraucherschutz dienenden Regulierungen dazu, daß Banken und Vermögensmanager

vorrangig solche Produkte verkaufen, bei denen sie juristisch am wenigsten angreifbar sind,

nicht unbedingt solche, die der Kunde wirklich benötige. Dies sind Gründe, weshalb auch

Anlegerschützer kein gutes Haar an diesem Teil der Regulierung lassen. Marc Tüngler,

Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) betont:

´Heute befindet sich die Anlageberatung in einem solchen starken Korsett, daß der Anleger

vor Fehlentscheidungen dadurch geschützt wird, daß eine Beratung und damit auch eine

Anlage in Wertpapieren nicht mehr stattfindet.´ Dies gelte zumindest für Kunden mit einem

kleinen Vermögen, für die sich eine Anlageberatung nicht mehr lohne.

Nach dem Vertriebsleiter der Targobank Kämmner müssten die Bankberater nach einer

Beratung die Pflicht-Dokumentationen teilweise quasi aufzwingen. ´Die Kunden haben kein

Interesse an diesem Papierwust und signalisieren dies deutlich. Das hat Einfluß auf die

Stimmung während des Gesprächs.´

Für die Bankmitarbeiter sind die neuen gesetzlichen Vorgaben herausfordernd (bzw.

belastend, d. Verf.). Sie müssen ´viel lesen und viel lernen´, betont Ralf Lange, Bereichsleiter

Privatkunden bei der Hamburger Volksbank. Kollege Kämmner bestätigt: ´Die Komplexität

der Beratertätigkeit hat sich enorm erhöht.´ Wegen der geforderten Formalien sind laut Lange

viele Mitarbeiter verunsichert. Es bestehe eine Tendenz, sich aus dem Marktbereich

wegzubewerben und lieber im Hintergrund arbeiten zu wollen. Der Generalverdacht, daß bei

wiederholter und schwerwiegender Falschberatung Berufsverbot folgen kann, belaste: ´Unter

diesem Damoklesschwert ist man nicht mehr frei,´sagt Lange.“ (Kühner/Terliesner 2014)

So lässt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ“ unter dem Titel „Die Kapitulation eines

Bankberaters“ in ihrer Ausgabe vom 19. August 2013 einen Anlageberater zu Wort kommen,

der stellvertretend für seine Berufsgruppe berichtet, warum er sich in diesem Umfeld mit

neunzehnjähriger Berufserfahrung und Volkswirtschaftstudium aus dem Bereich der

Kundenberatung in ein Aufgabenfeld ohne Kundenkontakt zurückgezogen hat. Hiermit wird

verdeutlicht, wie die regulativen Maßnahmen der Bankenaufsicht in weiten Teilen der

deutschen Bankberaterschaft, bezeichnenderweise aber auch von den vermeintlichen

Profiteuren dieser Auflagen -den Bankkunden, die ihnen häufig mit ungläubigem Staunen bis

hin zu Unverständnis begegnen- empfunden werden:

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„Die unter dem Etikett des Schutzes privater Kleinanleger von Verbraucherschutzministerin

Ilse Aigner am 1. Januar 2010 erlassene Protokollpflicht für die Wertpapierberatung in

Banken hat sich in das Gegenteil verkehrt: Denn die Haftung wird von der Bank nun durch

die beweisbare, weil dokumentierte Aufklärung vor Risiken auf den Kunden abgewälzt. Im

Gegenzug erhalten die Verbraucher seitenweise bedrucktes Papier. [...] Das eigentliche

Beratungsgespräch steht nicht mehr im Vordergrund. Es geht hauptsächlich darum, wie der

Berater die Dokumentation unfallfrei (also formvollendet und gesetzeskonform) in die

Computersysteme bekommen kann. Dazu werden einfache Depot- und Anlagevorschläge

gewählt, die erst gar nicht zu Komplikationen oder fehlerhaften Darstellungen führen

könnten. Den Bankkunden gehen so über die Monate und Jahre tonnenweise Papierstapel zu.

Sie rücken auch den aufgeklärten Anleger pauschal in die Ecke des unmündigen

Verbrauchers. [...] Ich gebe die Hoffnung auf, daß sich durch die Dokumentation die

Anlageberatung in ihrer Qualität verändern und verbessern wird. Auch wird es keine besseren

Produkte geben. Mit ihrer Regulierungswut sorgt die Politik allein dafür, daß gutausgebildete

Berater mit vielen Jahren Berufserfahrung faktisch ihrer Qualifikation enteignet werden. Sie

sorgt dafür, daß der Bürger als nicht aufgeklärt dasteht. [...] Mein Studium der

Volkswirtschaftslehre und meine neunzehnjährige Berufserfahrung als Anlageberater

befähigen mich nach der aktuellen Gesetzeslage nicht mehr dazu, eine Aktie aus dem DAX zu

empfehlen, ohne ein siebenseitiges Anlageprotokoll mit zwei Seiten Anhang, dem

sogenannten Produktinformationsblatt, zu erstellen. [...] Meine Ausbildung hat aus der Sicht

des Staates, um es klar zu sagen, keinen Wert mehr: Einerseits werde ich entmündigt,

andererseits muß ich einen Protokollaufwand in unangemessener Dimension produzieren. In

der Kombination ist auch das zum Nachteil der Kunden. Denn was sich langfristig für die

Bank nicht rechnet, wird nicht angeboten: Anlageberater werden entlassen, Geschäftsfelder

eingeschränkt oder nicht mehr bedient, Kunden müssen höhere Entgelte entrichten. [...]

Kunden einer Bank, die zu ihrem Anlageberater noch immer ein gutes Vertrauensverhältnis

pflegen, sollten ihren Berater deshalb aber gerade nicht zur aktiven Verletzung von

Gesetzesauflagen ermuntern, indem sie ihn immer wieder auffordern, auf eine Erstellung der

Protokolle zu verzichten, weil sie keine Aktenordner für den ganzen Papierkram vorhalten

könnten oder wollten. Denn Bankberater sind mit Strafandrohung konfrontiert, wenn sie ein

derartiges Protokoll nicht erstellen.“ (Knop 2013)

Exkurs: Ein weiterer Aspekt des Vertrauensverlustes gegenüber der Bankenbranche im

Allgemeinen, hier speziell der Vertrauensverlust der Führungsebene, zeigt sich in der

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Zurückhaltung von Versicherungsunternehmen, wenn es um die Haftpflichtversicherung für

Bankmanager („D&O“) geht:

„Nach zahlreichen Erschütterungen und Skandalen in der Finanzbranche sind Bankmanager

kaum noch zu versichern. Die Versicherer verlangen drastisch höhere Prämien für die

Managerhaftpflicht, sogenannte D+O-Verträge. Gleichzeitig haben die Anbieter die

Versicherungsbedingungen erheblich verschärft.

In nur wenigen Monaten stiegen die Prämien um 20 bis 40 Prozent, berichten Branchenkenner

und Makler. Teilweise verdoppelten sich die Preise für die Managerhaftpflicht und für den

Rechtsschutz in Prozessen. Von steigenden Prämien sind neben den Banken auch die

Versicherungswirtschaft und Vermögensverwalter betroffen.

Alle Anbieter agieren deutlich vorsichtiger. Manche Versicherer haben sich aus dem

besonders riskanten Geschäft mit den Banken ganz zurückgezogen, andere halten die Prämien

nach wie vor für zu niedrig. Selbst große Versicherer wie die Allianz hätten ihre

Gesamtkapazität in der Managerhaftpflicht reduziert, um ihr Verlustrisiko zu begrenzen,

berichtet Alexander Mahnke vom Versicherungsmakler Aon, Jauch und Hübener.

Viele schauen auch beim Kleingedruckten genauer hin. 'Die Versicherer durchforsten die

Bedingungswerke', sagte Georg Klinkhammer vom DVS Deutscher Versicherungs-

Schutzverband, einem Interessenvertreter der Kunden: 'Es ist zu erwarten, dass in den

nächsten Vertragserneuerungsrunden härter um Vertragsinhalte gerungen wird.'

Die Versicherer haften in Deutschland bei einer Sparkasse mit fünf bis 15 Mio. Euro, bei

einer großen Bank kann die Deckungssumme bis zu eine halbe Milliarde Euro erreichen.

Davon fällt ein Prozent oder mehr als Versicherungsprämie an. Dax-Unternehmen zahlen

also oft mehrere Millionen Euro Prämie, um sich gegen Fehlleistungen ihrer Manager zu

schützen.“ (HB, 19.5.2009, S. 1: Versicherer scheuen Verträge mit Bankern, Thomas Schmitt

/ Düsseldorf)

Vor dem Hintergrund dieses in der Bankenkrise erheblich belasteten Arbeitsumfeldes mit

erschwerten Marktbedingungen und Vertrauensentzug diverser Geschäftspartner scheinen

gerade Mitarbeiter im Bankensektor insbesondere in den kundennahen Bereichen starken

Belastungen und Streßsituationen in Wirtschafts- und Finanzkrisen ausgesetzt zu sein.

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4.3 STELLENABBAU ALS REAKTION AUF BANKENKRISE UND

ERTRAGSRÜCKGÄNGE

Zur Vermeidung zukünftiger Bankenzusammenbrüche und -schieflagen aufgrund exzessiver

Ausnutzung von Geschäftsmöglichkeiten gefolgt von einschneidenden Marktverferwerfungen

setzen Regierungen betroffener Staaten wie beschrieben auf verschärfte Regulierung des

Finanzsektors und Vorgabe höherer Eigenkapitalquoten für Banken. Die hiermit

einhergehende Ergebnisbelastung der Kreditinstitute führt zu einer Fortsetzung von

Entlassungen und weiteren Personalabbaumaßnahmen bis in die heutigen Tage.

Somit unterliegen eine Vielzahl von Mitarbeitern internationaler Kreditinstitute seit

Jahren einer permanenten, in der Zeit vor der Krise nicht gekannten Angst um ihren

Arbeitsplatz, was mit der Hypothese dieser Arbeit korrespondiert.

Auch in den Berichten des HB wird die angespannte Situation für Bankangestellte fokussiert:

„Mark Unger erlebt jeden Tag, wie düster die Gemütslage von Bankern derzeit ist: 'Die Krise

der Finanzindustrie dauert länger, als viele gehofft haben', sagt der Partner der

Personalberatung Russell Reynolds. 'Ganze Geschäftsbereiche der Banken stehen auf dem

Prüfstand oder brechen weg. Die Branche muss sich neu erfinden. Da überlegt natürlich jeder

Mitarbeiter, ob es seinen Job morgen noch geben wird.' Diese Stimmung bleibt für Ungers

Geschäft nicht ohne Folgen: Seit dem Beginn der Subprime-Krise wollen sich immer mehr

Banker mit ihm über einen neuen Job unterhalten. 'Wir bekommen so viele Lebensläufe

unaufgefordert zugeschickt wie selten zuvor', sagt der Headhunter.

Die Banker haben gute Gründe für ihren Pessimismus. Weltweit hat die Finanzkrise die

Branche erschüttert.“ (HB, 29.8.08, S. p15: Düstere Gemütslage. Viele Banker fürchten um

ihren Job).

Daß die Angst der Bankangestellten nicht unbegründet war, verdeutlichen die folgenden

Darstellungen sowie die Artikel des Handelsblattes vom 28./29.November 2011 und Anfang

2012, vier Jahre nach Beginn der weltweiten Finanzkrise, was die langanhaltende

krisenbedingte Belastungsphase für die Beschäftigten in Banken verdeutlicht (Auszug aus der

Inhaltsanalyse, Artikel und Grafik):

„Maue Zeiten am Arbeitsmarkt für Banker und Finanzexperten: Die Zahl der offenen Stellen

in der Branche ist im vergangenen Jahr in Deutschland im Durchschnitt um ein Fünftel

gesunken. Der Handelsblatt-Frax, der Arbeitsmarktindex für Banking & Finance, den das

Handelsblatt in Kooperation mit der Frankfurt School of Finance and Management monatlich

ermittelt, sackte im Dezember auf 67,7 und damit fast auf seinen niedrigsten Stand [siehe

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Grafik Nr. 20, d.V.]. Aktuell gebe es gerade mal ein paar Tausend offene Stellen, schätzt Dirk

Rudolph, Wissenschaftler der Frankfurt School of Finance.

Die Entwicklung für 2009 verdeutlicht seiner Ansicht nach die „schweren Spuren", die die

Bankenkrise auf dem Arbeitsmarkt des Sektors hinterlassen hat. Seit Mai 2008 ist die Zahl

der offenen Stellen um mehr als ein Drittel zurückgegangen. Zwar gab es eine leichte,

vermutlich saisonal bedingte Erholung im Herbst, die den Frax steigen ließ. Doch seit

Oktober haben die offenen Stellen wieder um mehr als ein Zehntel abgenommen.

Konjunkturelle Verbesserungen sind hier laut Rudolph bislang nicht zu erkennen. Gespannt

wartet er auf die Januar-Zahlen. Wenn die übliche saisonale Erholung ausbleibe, deute dies

auf eine sich weiter verschlimmernde Stellenlage hin, meint er.

Weitere Kostensenkungen geplant: Der Frax misst die Veränderung der freien Stellen für die

rund 750000 Beschäftigten der deutschen Finanzbranche. Monatlich werden die Stellen

ausgewertet, die in Jobbörsen und Internetsuchmaschinen zu finden sind. Die Entwicklung

wird in dem Index abgebildet, der im Juli 2007 zu Beginn der Auswertung auf 100 gestellt

wurde. Die Entwicklung des Frax deckt sich mit der jüngsten Umfrage des Beratungshauses

Ernst & Young unter 120 Banken. Demnach führen drei Viertel der befragten Institute aktuell

Maßnahmen zur Kostensenkung durch, jede vierte Bank will die Zahl der Mitarbeiter

verringern.“ (HB, 14.01.10, S.41: Weniger offene Stellen bei Banken. Handelsblatt-Frax-

Index: Krise schlägt voll auf den Arbeitsmarkt durch, Anke Rezmer, Frankfurt)

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Abb. 20: Handelsblatt-Frax. Der Jobmarkt-Index Banking & Finance

Quelle: (HB, 14.01.10, S.41: Weniger offene Stellen bei Banken. Handelsblatt-Frax-Index:

Krise schlägt voll auf den Arbeitsmarkt durch, Anke Rezmer, Frankfurt)

Wie sich der Stellenabbau fortsetzt, wird in den folgenden Artikeln eindrücklich verdeutlicht.

Um die Anspannung und Brisanz der seinerzeitigen Situation zu veranschaulichen, wird hier

ein Originalartikel abgebildet:

Abb. 21: Neue Entlassungswelle schockiert Londons Banker

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Quelle: HB, 28./29.10.2011, S.36: Neue Entlassungswelle schockiert Londons Banker,

Michael Maisch / London

Wie der Beitrag belegt, ist auch vier Jahre nach Beginn der Marktverwerfungen -zunächst in

Form der Subprimekrise, dann in Mutation zur Banken-, Staatsschulden- und Eurokrise- im

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Bankensektor noch längst keine Ruhe eingekehrt, vielmehr setzt sich die angespannte Lage im

Zeitablauf fort und mündet in erneuten Entlassungswellen, wodurch die Unsicherheit der

Mitarbeiter in der Branche ungemindert anhält. Dabei sind ihre andauenden Ängste vor

Arbeitsplatzverlust sicher nicht unbegründet, stehen doch wie dargestellt bereits weitere

Massenentlassungen im Überlebenskampf bzw. Kampf um Rentabilität vieler Banken an. Die

neue stringente Gangart der internationalen Bankenaufsichten mit nun verschärften und

immer neuen Vorgaben des Regulators in Reaktion auf die Krise und nach der vormals

äußerst liberalen Finanzsektorpolitik geben ihr Übriges dazu.

„Rund 100000 Arbeitsplätze wollen die internationalen Finanzkonzerne in ihren Investment-

Banking-Abteilungen streichen. Möglicherweise werden es sogar noch mehr. Besonders eifrig

wird bei den französischen Banken gekürzt, aber auch in Großbritannien. In der

Finanzmetropole London dürften einer Prognose des Forschungsinstituts CRBS zufolge allein

in diesem und im nächsten Jahr rund 27000 Stellen wegfallen. Die Sparte werde zwar fester

Bestandteil einer Bank bleiben, sagt Stefanie Schulz von der internationalen Personalberatung

Michael Page, 'die Boomjahre im Investment-Banking allerdings sind vorbei.' “ (HB, 6.1.12,

S.43: Die neue Banker-Generation, Christian Panster/Frankfurt)

Bis 2012 wurden schließlich die schlimmsten Erwartungen seit Beginn der Abbaumaßnahmen

in 2008 übertroffen, wie die folgende Grafik eindrücklich dokumentiert (Auszug aus der

Inhaltsanalyse). Ein Ende der Entlassungen ist jedoch nicht abzusehen.

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Abb. 22: Stellenabbau in der Bankenbranche weltweit

Quelle: HB, 20.09.12, S.29

Arbeitsplatzverlust gefolgt vom Überschreiten der Schwelle zum sozialen Abstieg kann auch

in der aktuellen Finanzkrise insbesondere Bankmitarbeiter unerwartet und hart treffen. „Für

die betroffenen Banker ist der berufliche Absturz zunächst ein Schock" (HB, 20.4.09, S.26:

Absturz in ein neues Leben, Andrea Auler/Frankfurt). Zählten in der jüngeren Vergangenheit

Anstellungen insbesondere bei Großbanken und Sparkassen zu den (gefühlt) sicheren

Arbeitsplätzen, ist in dem laufenden Umfeld von Bankkonkursen, wirtschaftlichen

Schieflagen und Fusionen die Arbeitsplatzunsicherheit in der Finanzbranche auf einem

einstweiligen Höhepunkt angelangt. Die Entlassungswellen in einem Umfeld einer

Neuausrichtung des gesamten Bereiches der Kreditwirtschaft erzeugen eine Schwemme von

arbeitssuchenden Bankern aller Gehalts- und Funktionsstufen, die gerade in der jetzigen

wirtschaftspolitischen Situation nicht kurzfristig vom Arbeitsmarkt wieder platziert und

absorbiert werden kann. So kann es bei entlassenen Bankmitarbeitern nach erfolgloser Suche

und sukzessive rückläufigem bzw. zeitlich begrenztem Arbeitslosengeld zu Frustration und

Depression kommen. Diesem latenten Druck im Zusammenhang mit dem potentiellen

Arbeitsplatzverlust und der verminderten Wiedereinstellungschance sehen sich

Bankmitarbeiter insbesondere in der aktuellen Situation der Friktion und Bereinigung des

Finanzsektors ausgesetzt, was u.a. zu einer Verstärkung des Präsentismusphänomens führt

(s.u.). Erfolg oder Misserfolg von Arbeitsplatzerhalt bzw. -suche hängen zudem neben dem

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wirtschaftlichen Umfeld von einer Reihe von individuellen Faktoren wie z.B. Alter,

Berufserfahrung, Qualifikation, Beurteilungen, Gesundheitszustand, Gehalts- und

Positionsvorstellungen, Motivation, Flexibilität und Teamfähigkeit ab. Während z.B. gut

qualifizierte Mitarbeiter mit großem Kundennetz eher gesucht werden und somit höhere

Chancen auf Wiedereinstellung bzw. Arbeitsplatzerhalt haben, reduzieren sich die

Möglichkeiten für die Vielzahl von „ungelernten“ oder erst kurzzeitig beschäftigten

Bankmitarbeitern. Als weiterer Faktor ist das Lebensalter zu berücksichtigen: Einhergehend

mit dem Stellenabbau bei Kreditinstituten wird auch vom Instrument der

Vorruhestandsregelung Gebrauch gemacht, die Belegschaft insgesamt „verjüngt“. Dies

erschwert die Wiedereinstellungssuche bzw. erhöht die Arbeitsplatzunsicherheit ansteigend

mit höherem Alter der (potentiell) Betroffenen. Aus diesen Blickwinkeln lässt sich ableiten,

dass unterschiedliche Gruppen unterschiedlich stark von Arbeitsplatzverlust betroffen sind

und sich hiermit Streßszenarien von unterschiedlicher Intensität und Qualität ergeben.

Nahezu identische Belastungsphasen für Bankmitarbeiter lassen sich in der

Wirtschaftsgeschichte finden, auf die nachfolgend zur Veranschaulichung detaillierter

eingegangen werden soll:

Waren die Bankangestellten während der Kaiserzeit vom Phänomen „Arbeitslosigkeit" kaum

betroffen und die Lebensstellung „Bankbeamter“ für Bankleitungen und -angestellte

gleichermaßen das Ideal, verkehrte sich diese Position nach der Inflationskrise ab 1925

geradezu in das Gegenteil: „Neben den Angestellten des öffentlichen Dienstes waren die

Bankangestellten die Berufsgruppe, die unter allen Büroangestellten am stärksten von den

Entlassungen betroffen war. Da in den benachbarten kaufmännischen Branchen ebenfalls

Mitarbeiter entlassen wurden und die Kreditinstitute den Personalabbau unter den Vorzeichen

von Rationalisierung und Fusionen fortführten, fiel den Bankangestellten der berufliche

Wiedereinstieg schwer. Erstmals wurden sie mit der Möglichkeit konfrontiert, dauerhaft

erwerbslos zu bleiben.“ (Thamm 2006, S. 166)

Schon in den Jahren zwischen Erstem Weltkrieg und Weltwirtschaftskrise gelangten für

Bankangestellte belastende „Entwicklungen zum Durchbruch, die bereits in den

Vorkriegsjahren angelegt waren. Daß die Gehälter in der Finanzbranche stagnierten, für

Berufsanfänger sogar sanken, daß es schwieriger wurde, die Stelle zu wechseln, und

beruflicher Aufstieg zunehmend unerreichbar erschien, daß immer mehr ungelernte Kräfte –

auch Frauen – in den Banken Arbeit fanden und auch ausgebildete Bankangestellte – die

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Bankbeamten – Tätigkeiten ausführten, für die eine vertiefte Qualifikation kaum notwendig

erschien, all dies wurde schon seit der Jahrhundertwende immer wieder beklagt; die Kritik der

Bankangestellten blieb gleichwohl zunächst verhalten. Es bedurfte des Krieges, der neuen

Gesellschaftsordnung seit 1918 und der wirtschaftlichen, insbesondere auch für das

Kreditwesen relevanten Umwälzungen und Einschnitte der Nachkriegszeit, um ihnen die volle

Tragweite der Veränderungen bewußt zu machen. Letztere erfassten die betriebliche und

personelle Struktur der Banken und spitzten sich mit der Inflation, den

Rationalisierungsmaßnahmen der (anschließenden) Stabilisierungszeit und den wiederholten,

Aufsehen erregenden Bankenfusionen weiter zu.“ (Thamm 2006, S. 12f.) „Den hastigen

Personaleinstellungen der Inflationsjahre, in denen zur Bewältigung der Geschäfte Tausende

von Hilfskräften mit beliebiger Qualifikation benötigt worden waren, folgten von Herbst

1923 an Massenentlassungen ungekannten Ausmaßes. [...] Die verbleibenden Angestellten

waren mit Rationalisierungsmaßnahmen konfrontiert, die ihr berufliches Selbstverständnis in

Frage stellten.“ Die Bankangestellten mussten die Erfahrung machen, auch nach vielen

Betriebsjahren die Stellung in der Bank verlieren zu können. (Thamm 2006, S. 25) So wies die

Dresdner Bank 1924 zum Abbau von inflationszeitbedingten Personalüberhängen hinsichtlich

der Entlassung von mindestens 50% der Angestellten ihre Filialen an, „auf persönliche

Verhältnisse nur in den geringsten Fällen Rücksicht“ zu nehmen. „Es ist uns klar, daß wir

auch an älteren Beamten oder solchen, die schon längere Zeit bei uns tätig sind, nicht

vorübergehen können.“ (Dresdner Bank 1924) „Der Bruch mit früheren Tabus wurde zum

Prinzip erhoben: Rücksichten auf ältere Angestellte und Oberbeamte, wegen der in den

vergangenen Jahren die Bemühungen um eine Personalkostensenkung nicht den erhofften

Erfolg gehabt hatten, sollten nun nicht mehr aufrecht erhalten werden.“ (Thamm 2006, S. 173)

Im Geschäftsbericht der Deutschen Bank für 1929 hinsichtlich der Fusion mehrerer

Geldhäuser zur „Deutschen Bank und Disconto-Gesellschaft“ angesichts der heraufziehenden

Krisis, die Ende August 1929 zur Zahlungsunfähigkeit der größten österreichischen

Finanzbank – der Bodencreditanstalt BCA – geführt hatte, heißt es:

„Die allgemeine wirtschaftliche und politische Entwicklung der letzten Jahre im Verein mit

den besonderen Verhältnissen im Bankgewerbe hat uns überzeugt, dass die Betriebskosten in

ein richtiges Verhältnis zum Erträgnis dann nicht mehr zu bringen sind, wenn einzelne Teile

des Geschäfts durch die Konjunkturentwicklung ertraglos bleiben. Nur durch großzügige

Rationalisierung kann das Unkostenverhältnis verbessert werden. Die großen Ersparnisse, die

durch Zusammenlegung von Filialen und Zusammenfassung der zentralen

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Verwaltungsbetriebe erzielt werden können, liegen klar zutage. [...] Es lässt sich bei richtiger

Organisation auch in größtem Stile ein Gefüge bilden, innerhalb dessen die Straffheit der

Geschäftsführung, die Vermeidung der Bürokratisierung und die individuelle

Kundenbedienung, die im Bankgeschäfte so wichtig ist, voll gewährleistet werden.“ (Treue

1967, S. 61f.)

Dem hielten die führenden Gewerkschaftsfunktionäre Fürstenberg und Perret in ihrem Kampf

um den Erhalt von Arbeitsplätzen auf den beschlussfassenden Generalversammlungen der

beiden Banken vergeblich entgegen, daß "sich längst auch schon das Publikum verweigere,

weil es sich angesichts der unpersönlicheren Geschäftsabläufe mit ihren Formerfordernissen

schlecht betreut fühle. Doch die Möglichkeit, Mitarbeiter zu entlassen und damit die

Betriebskosten zu senken, gehörte auch bei dieser Fusion zu den wichtigsten Beweggründen.

Noch wenige Wochen vor dem Fusionsbeschluß hatte die Disconto-Gesellschaft 300

Mitarbeitern der Berliner Zentrale gekündigt; nun waren weitere fünf- bis siebentausend

Entlassungen zu erwarten.“ (Thamm 2006, S.138)

Ein weiteres Beispiel findet sich in dem Bestreben des Generaldirektors der Deutschen Bank,

Oscar Wassermann, während der Bankenkrise 1931 als Vermittler gegenüber der

Reichsregierung zur Stabilisierung des deutschen Finanzsektors die angeschlagenen

Geldhäuser Danatbank (Darmstädter und Nationalbank) und die Dresdner Bank unter dem

Aspekt zu fusionieren, dass eine Erholung beider Institute durch die Zusammenlegung von

150 Filialen möglich wäre (Priester 1932, S. 70), womit sich ein einschneidender

Stellenabbau verbunden hätte. Kam es in den dreißiger Jahren nicht zur Fusionierung der

Dresdner Bank, so konnte sich das Institut in der aktuellen Krise dem Zusammenschluß mit

einem anderen Finanzunternehmen, der Commerzbank, nicht mehr entziehen:

„Bis 2013 sollen die jährlichen Gesamtkosten um 2,4 Mrd. Euro gesenkt werden. Die

Einmalkosten der Integration werden auf 2,5 Mrd. Euro veranschlagt – etwa durch den Abbau

von 9000 Arbeitsplätzen, die Umrüstung der Filialen oder die Entwicklung neuer Software.

Bereits 3600 Mitarbeiter haben das Haus verlassen, mit weiteren 2000 sei das Ausscheiden in

den kommenden Wochen und Monaten vereinbart worden, sagte der zuständige

Bereichsvorstand Krebber. Ab Mitte Juni 2010 soll dann auch die grüne Marke der Dresdner

Bank komplett verschwinden. Damit verfügt die Commerzbank vorübergehend im Inland

über rund 1600 'gelbe' Filialen mit neuem Logo. Mittelfristig werden davon aber etwa 400

wieder verschwinden. Betroffen sind Standorte, an denen Filialen von Dresdner und

Commerzbank in unmittelbarer Nähe liegen.“ (HB, 15.4.10, S. 34: Commerzbank sieht

Integration auf gutem Weg, Hans G. Nagel, Frankfurt)

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Zusammenfassend kann konstatiert werden, daß die Folgen der Subprime- und Bankenkrise

nun in allen relevanten Bereichen empfindlich zu spüren sind und ein Ende dieser Situation

noch längst nicht abzusehen ist, wie die zitierten Artikel eindrücklich wiedergeben. Aus

ersten Notreaktionen auf die internationale Krise sind bei vielen Banken

Kostensenkungsprogramme angestoßen worden, bei denen der größte Kostenblock - das

Personal- zuerst abgeschmolzen wird. Institute, deren Lage existentiell bedrohlich ist, stehen

als Übernahme- oder Liquidationskandidaten zur Disposition. Auch die staatlichen

Bankenaufsichten und Regierungen sind aus ihrer anfänglichen Schockstarre erwacht und

nach ersten Stützungsmaßnahmen am Anfang der Krise dazu übergegangen, den

offensichtlich aus dem Ruder gelaufenen Finanzsektor mittels neugeschaffener scharfer

Regulierung „an die Leine“ zu nehmen, was bis auf die untersten Ebenen im Bankgeschäft

durchwirkt und für jeden Beschäftigten der Branche spürbar geworden ist.

4.4 EROSION DES BERUFSPRESTIGES ALS FOLGE VON BANKENKRISE(N) UND

VERTRAUENSVERLUST

Zur Angst vor Arbeitsplatzverlust kommt im Umfeld von Bankenkrisen die Erosion des

gesellschaftlichen Status des „Bankers“, der medial häufig pauschal und ohne Differenzierung

als Verantwortlicher für unseriöse Geschäftspraktiken, Spekulation und daraus resultierende

Marktverwerfungen, Vermögensverluste und Bankrotte ausgemacht wird.

Definiert wird „Berufsprestige“ als „[...] das soziale Ansehen (die soziale Wertschätzung), das

(die) den in einer Gesellschaft vorkommenden Berufen bzw. Berufspositionen von den

Angehörigen der Gesellschaft zugeordnet wird. Es handelt sich hierbei also um ein

Werterlebnis, das sich bei Gesellschaftsmitgliedern mit bestimmten Berufen bzw.

Berufspositionen verknüpft.“ (Bernsdorf 1969, S. 103)

Das Allensbacher Institut veröffentlicht anhand eigener Studien seit den 1970er Jahren

jährlich seine „Berufsprestigeskala“, in der der jeweilige Status verschiedener Berufsgruppen

dargestellt wird. Auch noch im Jahr 2013, mehrere Jahre nach Ausbruch der 2007er

Bankenkrise, bewegt sich das Berufsprestige des Bankangestellten auf dem letzten Rang:

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Abb. 23: Allensbacher Berufsprestigeskala 2013

Quelle: Allensbacher Archiv, IfD-Umfrage 11007

Während der Höhepunkte der aktuellen Finanzkrise forderten viele Banken angesichts von

Demonstrationen gegen den internationalen Finanzkapitalismus in den Finanzzentren ihre

Mitarbeiter auf, „von zu Hause aus zu arbeiten. Die, die dennoch ins Büro kommen wollten,

sollten sich salopp anziehen und sich nicht als Bankmitarbeiter zu erkennen geben.“

(handelsblatt.com, 3.4.09: Die verräterische Bügelfalte, Michael Maisch/Matthias Thibaut,

London)

Ein ähnlicher krisenbedingter Statusverfall war bereits in der Wirtschaftsgeschichte bei der

Berufsgruppe der Bankbeamten zu verzeichnen:

Spätestens ab den Gründerjahren um 1870 habe die Arbeit in der Bank zunächst über

Jahrzehnte hinweg als außerordentlich auskömmlich, niveauvoll und sicher gegolten, und

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dieses Ansehen wirke nach, so Thamm (2006, S. 10). Noch während des Ersten Weltkrieges

und in den 20er Jahren habe man den Bankangestellten nachgerühmt, eine Elite, gleichsam

die „Offiziere" unter den kaufmännischen Angestellten zu sein. Im Bankwesen, so schien es,

habe noch das Wort vom „Glück des Tüchtigen“ gegolten; ein jeder fähige, fleißige

Bankangestellte trage den „Marschallstab im Tornister“ und könne sich ohne Ansehen seiner

Herkunft bis zu den angesehensten Positionen emporarbeiten (Thamm 2006, S. 10).

„Der Arbeitsplatz 'Bank' begünstigte zusätzlich die Aura des Seriösen und Bedeutenden, die

dem Kreditwesen anhaftete. Bankangestellte waren nicht nur in eindrucksvollen Gebäuden

tätig, sie waren selbst Teil des Repräsentationsstrebens der Banken. Dies galt insbesondere

dann, wenn sie Kundenkontakt hatten. Sie gingen mit der abstrakten Ware 'Geld' um,

versahen Geschäfte, die vom Publikum nicht vollständig verstanden wurden und deren

Zusammenhang mit der Wirtschaftsmacht der 'Finanz' Respekt einflößte. Für die Kunden

waren die örtlichen Bankangestellten diejenigen, die die Kreditfinanzierung ihrer Betriebe

und die Verwaltung ihrer Ersparnisse in der Hand hielten und dabei Einblick in Interna

nahmen, die sonst nicht offenbart wurden. Es schien geraten, ihnen gegenüber ein

Vertrauensverhältnis zu pflegen und ihnen auch im Alltag mit besonderer Achtung zu

begegnen.

Daß Bankbeamte unter allen kaufmännischen Angestellten eine Sonderstellung einnähmen,

wurde selbst von den Teilen des Bankpersonals bejaht, die an anderer Stelle erhebliche Kritik

an ihrem Beruf äußerten. Den Stolz auf ihre berufliche Tätigkeit begründeten viele von ihnen

mit der bedeutenden Rolle, welche die Banken in wirtschaftlichen Prozessen einnahmen.

Insbesondere Angestellte mittlerer Provinzbanken identifizierten sich stark mit ihrem

Unternehmen und äußerten sich stolz darüber, ´Bankbeamte´ zu sein. So wurden die

folgenden Äußerungen aus dem Jahre 1914 auch noch in den 1920er Jahren von vielen

Bankangestellten bejaht.“ (Thamm 2006, S. 238f.)

„Ein Beamter der Bank für Handel und Industrie: ´So wie sie sein sollen und es sicherlich die

Mehrzahl von ihnen auch sind, gehören sie zur Elite der Kaufmannschaft.´

Ein Angestellter der Direktion der Disconto-Gesellschaft: ´Von allen kaufmännischen

Berufen erscheint mir der Beruf des Bankbeamten als der idealste.´

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Ein Korrespondent bei Sollinger, Wasserzug & Co. in Berlin: ´Der Bankbeamtenberuf ist von

jeher angesehen als die vornehmste aller Angestelltenkategorien, darum überlaufen von allen,

was über das allgemeine Bildungsniveau herausgebildet sich kaufmännischer Tätigkeit

widmet.´

Ein Korrespondent bei H.C.Plaut in Leipzig: ´Der Bankbeamte nimmt unter allen

kaufmännischen Angestellten eine Sonderstellung ein, infolge seiner allgemeinen Bildung im

Geschäfts- sowie im Privatleben.` “ (Stillich 1917, S. 8f.)

Über den beruflichen Status seiner Berufskollegen befragt, antwortete ein Kuponkassen-

Angestellter der Deutschen Bank 1914: „Während meiner Dienstzeit sagte ein Major von den

Einjährigen: ´Ich habe gefunden, daß die besten Einjährigen sich aus Bankbeamten

rekrutieren. Diese Leute stehen im öffentlichen Leben und hören etwas und sind überhaupt

praktische Leute.´ Ich schließe mich dieser Auffassung an und möchte nur noch erwähnen,

daß wir Bankbeamte, sobald wir uns nebenher noch allgemein bilden, es getrost mit jedem

anderen Gebildeten aufnehmen können.' “ (Stillich 1917, S. 17)

Die Vorstellung, daß Ausbildung und Tätigkeitsspektrum der Bankangestellten zu den

niveauvollsten aller kaufmännischen Berufe gehört hätten, sei für viele Bankangestellte –

zumindest bis in die Weltkriegszeit hinein – eine Selbstverständlichkeit gewesen (Thamm

2006, S. 186). Angestelltenverbände, Berufsberater und Handelswissenschaftler hätten sich

dieser Wahrnehmung angeschlossen und das hohe Renommee des Bankberufs in der

Öffentlichkeit verbreitet.

Dieses traditionelle Prestige des Bankberufs, das seit den mittleren Jahrzehnten des 19.

Jahrhunderts erworben worden war, habe schließlich die Fallhöhe definiert. Hieran gemessen,

sei der Statusverlust der Bankangestellten seit der Jahrhundertwende, insbesondere aber seit

dem Weltkrieg augenfällig gewesen, die Diskrepanz zwischen Berufsverständnis und

subjektiver sozialer Wirklichkeit erheblich. [...]

Nach Thamm wären die Bankangestellten in besonderer Weise den Verwerfungen unterlegen,

denen sich – teils als Folge politischer Entwicklungen, teils durch wirtschaftliche und

innerbetriebliche Veränderungen – schon seit der Vorkriegszeit ganz ähnlich auch andere

Berufsgruppen stellen mussten und die in Ihrer Mehrheit bedrohlich wirkten: Sinkende

Qualifikationsanforderungen, eingeschränkte Aufstiegserwartungen, Rationalisierung und

immer weiter gehende Arbeitsteiligkeit, rückläufige Realeinkommen und Arbeitslosigkeit

seien für die Angestellten der 1920er Jahre sehr präsent und umso irritierender gewesen, als

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sich viele von ihnen in einer vergleichsweise sicheren Position gesehen hätten. (Thamm 2006,

S. 10)

Reziprok mit dem Statusverlust „der Banker“ ist regelmäßig auch der Prestigeverlust der

Institution der „Banken“ an sich verbunden, die in gesellschaftlichen Diskussionen schnell

verallgemeinernd als Hauptschuldtragende an der jeweiligen Finanzkrise ausgemacht werden.

Nach einer Handelsblatt-Umfrage im Herbst 2007 unter 791 deutschen Managern, „sorgten

sich die Befragten um das Ansehen der heimischen Banken in Folge der herrschenden Krise

an den internationalen Finanzmärkten.“ So stellten bereits in dem frühen Stadium der Krise

31% der Führungskräfte „starke“ Imageeinbußen mit Blick auf die Verwerfungen auf dem

amerikanischen Immobilienmarkt fest, die zu Quasi-Konkursen der Mittelstandsbank IKB

und der Landesbank SachsenLB geführt hatten. (HB, 4.9.07, S.23: Manager fürchten um

Banken-Image, Robert Landgraf, Frankfurt). Nach den Worten des seinerzeit designierten

Verwaltungsratsvorsitzenden der UBS, Peter Kurer, würde das Schweizer Institut zur

Behebung des Reputationsschadens im Gefolge des missglückten Engagements im US-

Subprime-Markt voraussichtlich zwei bis drei Jahre benötigen (HB, 17.4.08, S. 23:

UBS:Reputationsschaden erst nach Jahren behoben).

Vor dem Hintergrund dieser Imageeinbußen sah Albrecht Fürst zu Castell-Castell in seiner

Funktion als Ehrenvorsitzender der FürstlichCastell´schen Bank die Notwendigkeit zu einem

bezeichnenden Appell an die Bankenbranche:

„Etwa dreihundert Milliarden US-Dollar sind verloren. Was ist da eigentlich passiert?

Ehrenwerte, erfahrene Bankkaufleute haben Entscheidungen getroffen, die zu diesen Folgen

geführt haben. Das waren nicht nur Kreditsachbearbeiter und Direktoren, sondern

gesamtverantwortliche Bankleiter in hohen Positionen und in den Vorständen. Einfache und

klare Grundsätze für ein verantwortungsvolles Handeln wurden nicht beachtet.

Ich sehe darin ein Alarmzeichen für unseren Berufsstand. Die Eigenschaften eines

ehrenwerten Kaufmanns sollten Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Glaubwürdigkeit sein. Wird

heute noch darüber nachgedacht, wenn es um Erfolgsdenken, Gewinnmaximierung, eigenes

Einkommen - also um bessere Zahlen - geht? Es ist hohe Zeit, dass sich der Berufsstand auf

die Grundlagen seines Auftrags besinnt.“ (HB, 18.1.08, S. k04: Alarmzeichen für den

Berufsstand - Zu den Berichten über die Banken- und Finanzkrise)

Mit Blick auf die aktuellen krisenbedingten Verhältnisse, wie sie das Handelsblatt

anschaulich schildert, kann festgehalten werden, daß sich die Beschäftigten der

Finanzbranche in dieser Situation höchster Anspannung des Umfeldes nicht nur der Gefahr

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des Verlustes des eigenen Arbeitsplatzes ausgesetzt sehen, sondern viel differenzierter mit

weiteren Belastungsfaktoren wie dem Verlust von Vertrauen und Prestige konfrontiert

werden.

4.5 MULTIPLE BELASTUNGSFAKTOREN BEI BANKMITARBEITERN

In Folge der vielfältigen durch die Finanzkrise ausgelösten bzw. verstärkten

Belastungsfaktoren wie der Vertrauensverlust der Branche erhöht sich auch in der aktuellen

Anspannung der globalen Wirtschaftslage die Ungewissheit und der Druck (potentiell)

betroffener Bankangestellter hinsichtlich ihrer in Frage gestellten jeweiligen

Arbeitsplatzsicherheit. Die für den einzelnen Mitarbeiter in den Vordergrund tretende

Unsicherheit über den zukünftigen sozialen Status führt zu mentaler Belastung und Ängsten

und löst Stress aus, der sich über bis zu Jahren andauernde Zeiträume erstrecken kann.

„Convincing evidence is available from studies on adverse health effects produced by

organizational downsizing indicating that survivors of these stressful transitions are at

increased risk, in addition of those who laid off.“ (Siegrist / Theorell, 2006) Mit der

Betrachtung betrieblicher Einflußfaktoren auf den Krankenstand beschreibt der DAK

Gesundheitsreport 2008 (S. 15) die steigende Stressbelastung durch Arbeitsverdichtung:

„Viele Dienstleistungsunternehmen und immer mehr auch die öffentlichen Verwaltungen

stehen verstärkt unter Wettbewerbsdruck oder müssen Gelder einsparen. In der Folge kommt

es zu Arbeitsverdichtungen und 'Rationalisierungen' und vielfach auch zu Personalabbau.

Daraus können belastende und krank machende Arbeitsbelastungen (z. B. Stressbelastungen)

entstehen, die zu einem Anstieg des Krankenstandes führen.“

In dieses Umfeld spielen weitere mögliche Faktoren hinein, die die Druckkulisse für

Mitarbeiter im Bankensektor erhöhen können: intensive Auseinandersetzungen mit

verunsicherten Kunden, erhöhte Leistungsziele und die von der Finanzkrise in Mitleidenschaft

gezogenen eigenen Vermögenswerte können ein persönliches Streßszenario zu weiterer

Eskalation führen.

Dies wird bestätigt von Stephan Aita, Facharzt für Psychotherapeutische Medizin und

Burnout-Patienten, nach dem der Vertrauensverlust in der Branche trotz guter Arbeitsleistung

besonders frustrierend sei. Die Mitarbeiter wollten vollen Einsatz bringen, Ihnen würden aber

Ziele gesetzt, die sie gar nicht erreichen könnten. Bei dem Versuch, diesen Anforderungen

gerecht zu werden, griete bei vielen das Verhältnis von Anstrengung und Entspannung aus

dem Gleichgewicht. (Kemper 2015, S.72)

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Zudem können eigene Vermögensverluste und finanzielle bzw. materielle Nachteile von

Bankangestellten, die durch die Finanzkrise ausgelöst werden, neben psychischen auch zu

physischen gesundheitlichen Einschränkungen führen, z.B. weil Erholungsreisen, die

Inanspruchnahme von Wellness-Dienstleistungen oder auch das gebuchte Leistungspaket der

eigenen privaten Krankenkasse deutlich reduziert werden, um die private Etatrechnung zu

entlasten. Hier bietet sich ein weiterer Forschungsansatz, diese Annahmen z.B. anhand von

Umsatzzahlen in den einschlägigen Segmenten zu stützen.

Weiterhin sind nicht nur die oben geschilderten Ängste aufgrund von Arbeitsplatzunsicherheit

bzw. –verlust als Stressauslöser Gegenstand der näheren Untersuchung, sondern auch das

Verhalten von Bankkunden resp. Anlegern in turbulenten Finanzmarktsituationen als

weiterem möglichen Belastungsfaktor. Insbesondere Panikreaktionen sollen auf Basis

bestehender Forschungsergebnisse aus den Bereichen Risikowahrnehmensforschung sowie

Behavioral Finance / Behavioral Economics als mögliche Stressoren für Bankmitarbeiter in

Finanzkrisen in die Betrachtung einbezogen werden.

Im erweiterten Blickwinkel gehört zu diesem Komplex aus der Sicht des Verfassers ein

weiterer Stressfaktor für Mitarbeiter von Kreditinstituten aus der Praxis des Bankbetriebs:

Gefördert durch im Zeitablauf zunehmend anlegerfreundlichere Rechtsprechung bzw.

Regulierung werden Banken von ihren Kunden mit dem Vorwurf der Falschberatung

insbesondere in Krisenphasen, in denen durch Markt- und Börseneinbrüche für den einzelnen

Anleger hohe (Buch)Verluste entstanden sind, mit einer gesteigerten Anzahl von Klagen bzw.

in wachsendem Umfang mit externen Kontrollen durch Aufsichtsbehörden konfrontiert.

Richten sich die Klagen der Kunden zunächst formal gegen das Bankinstitut, so ist es letztlich

doch der einzelne Berater, der sich zunächst gegenüber internen Instanzen, ggf. auch nach

einer Eskalation extern vor Gericht zu verantworten hat. Da sich derartige juristisch-

prozessuale Abläufe in der Regel über längere Zeiträume erstrecken, stehen die betroffenen

Mitarbeiter zusätzlichen Gefahren für ihr Wohlbefinden am Arbeitsplatz bzw. zusätzlichen

Stressoren gegenüber.

Gleiches gilt für die deutlich zunehmende Regulierung des Bankbetriebs als Folge der

aktuellen Finanzkrise mit ihren vielfältigen Arten von Vermögensvernichtung und

verschiedenen Geschädigtengruppen. Hierdurch wird das Gefahrenpotential für Mitarbeiter,

im eigenen Aufgabenbereich Fehler in Form von oft unbewussten Verstößen gegen neue

Vorschriften zu begehen, erheblich gesteigert. Häufig werden diese Fehler qua Verordnung

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mit weitgehenden Folgen empfindlich geahndet, sowohl gegen das Finanzinstitut, als auch

gegen den Mitarbeiter selbst. So müssen Leistungsziele weiterhin erfüllt werden, wenngleich

der administrative und damit auch kostenseitige Aufwand im operativen Geschäft in

erheblichem Maße zunimmt (z.B. Beratungsprotokoll, Produktinformationsblatt).

Darüber hinaus stehen Bankangestellte im Finanzierungsgeschäft in einem besonderen

Spannungsfeld: Müssen Banken zur Restrukturierung und Stabilisierung der eigenen Situation

Maßnahmen zur Verminderung ihrer eigenen Risikopositionen ergreifen -etwa, weil sie selbst

aufgrund der Finanzkrise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind- bedeutet das in der

Praxis die Verschärfung von Kreditvergaberichtlinien sowie die Rückführung herausgelegter

Kreditengagements mit dem Ziel der Bilanzverkürzung. Die „Financial Times Deutschland"

(FTD) beschreibt diesen Sachverhalt in ihrer Ausgabe vom 29. Mai 2009 wie folgt: „Banken

schränken die Kreditvergabe ein. Schärfere Konditionen bei revolvierenden Krediten kappen

für Unternehmen oft lebenswichtige Darlehenslinien.“ (FTD, 29.5.09, S. 18: Banken laden

durch)

Hier kommt dem jeweiligen Bankmitarbeiter in seiner Funktion als Finanzierungsberater und

ggf. -entscheider die Aufgabe zu, diese neue Geschäftspolitik den jeweiligen (Privat- bzw.

Firmen)Kunden zu vermitteln und letztlich unter Androhung der Verwertung von

Sicherheiten zur Rückzahlung vergebener Darlehen aufzufordern bzw. diese erst gar nicht zu

vergeben. Dieser Vorgang lässt häufig gewachsene Strukturen wie die Langjährigkeit einer

Kundenverbindung sowie das Vertrauensverhältnis zum Bankberater außer Acht und führt in

vielen Fällen, z.B. im Firmenkundenbereich, zu einer deutlichen Verschlechterung der

wirtschaftlichen Lage der betroffenen Kunden, die im Endeffekt zu weiteren Kreditausfällen

führen können, da sich die Bonität dieser Bankkunden schlagartig dadurch verschlechtert,

dass sie aufgrund der Kreditversagung ihren laufenden Verpflichtungen nicht mehr

nachkommen können. Bankangestellte, die sich in diesem Spannungsfeld bewegen, werden

somit in einer Finanzkrise neben der Arbeitsplatzunsicherheit mit weiteren stressauslösenden

Faktoren wie z.B. der Rechtfertigungsnotwendigkeit wegen der Ausfälle der selbst

genehmigten Kredite, Auseinandersetzung mit betroffenen Kunden, Wegbrechen

gewachsener sozialer Strukturen sowie Ertragseinbruch konfrontiert.

Angesichts der vielfältigen Belastungsfaktoren, die während einer Finanzkrise auf die

Beschäftigten im Bankensektor einwirken, soll im Folgenden untersucht werden, welche

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konkreten gesundheitlichen Auswirkungen sich hieraus für diese Berufsgruppe in derartigen

Situationen ergeben können:

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5 GESUNDHEITLICHE FOLGEN VON KRISENBEDINGTEN

BELASTUNGSFAKTOREN FÜR BANKMITARBEITER

Wurden in den vorhergehenden Kapiteln die ersten Elemente der zur Validierung der

Hypothese verwendete Kausalitätskette „Bankenkrise - Strukturveränderung im

Bankensektor - Stellenabbau“ eingehend behandelt und dokumentiert, wird in diesem

Kapitel der Frage nachgegangen, ob sich aus einer Krisensituation der Branche regelmäßig

besondere gesundheitliche Implikationen für ihre Mitarbeiter ergeben. Dabei werden multiple

kriseninduzierte Belastungsfaktoren wie Stress und Angst untersucht. Im Ergebnis soll somit

das finale Element der Kausalitätskette, nämlich die erhöhte gesundheitliche Belastung von

Bankmitarbeitern in der Bankenkrise, herausgearbeitet werden, womit schließlich die

Kernaussage der Hypothese dieser Studie ihre Bestätigung finden soll.

Hierzu werden zunächst Theorien der Stressforschung als Grundlage für die sich

anschliessenden Betrachtungen dargestellt. Diesen folgt die detaillierte Untersuchung

möglicher krisenbedingter gesundheitsbeeinflussender Faktoren und ihrer Auswirkungen auf

die betroffenen Bankbeschäftigten.

Bei allen Untersuchungen wird auch in diesem Kapitel nicht versäumt, Querverweise zu

Parallelen in der Wirtschaftshistorie herzustellen, um auch hier die mit der Hypothese dieser

Arbeit postulierte Unabhängigkeit der beschriebenen Effekte vom zeitlichen Auftreten einer

Bankenkrise bzw. die regelmäßige Betroffenheit der Beschäftigten der Branche in derartigen

Situationen zu dokumentieren.

5.1 STRESS, ARBEITSPLATZUNSICHERHEIT UND GESUNDHEIT - ÜBERBLICK

ÜBER STRESSTHEORIEN UND FORSCHUNGSSTAND

Beginnend in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nahmen sich Forschung und

Wissenschaft der Untersuchung des Stressphänomens an und entwickelten Theorien und

Modelle zur Erklärung der damit verbundenen Auslöser, Vorgänge und Abläufe. Die

einflussreichsten Theorien und Modelle werden im Folgenden kurz dargestellt:

„Schon seit ungefähr den 1920ern nahmen kardiologische und psychologische

Arbeitsgruppen an, dass psychische und soziale Faktoren eine Rolle bei der Entstehung von

Herzkrankheiten spielen. Eine Arbeitsgruppe um Helen Flanders Dunbar machte

arbeitsbezogenen Stress, überlange Arbeitszeiten und fehlende Erholung als Gemeinsamkeit

zahlreicher Herzpatienten aus. In den 1920er Jahren vermuteten die Brüder Karl und William

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Menniger, dass „aggressive Tendenzen“ für die Entstehung von Herzkrankheiten von

Bedeutung sein könnten.“ (DAK Gesundheitsreport 2012, S. 81)

1932 beschrieb Walter B. Cannon als erster Wissenschaftler in seiner Stresstheorie die

Verantwortlichkeit des evolutionär ältesten menschlichen Gehirnteils, des Stammhirns, für die

Reaktion auf unerwartete bzw. neue Situationen. Diese Schaltzentrale wertet demnach in

Sekundenbruchteilen eine Situation als gefährlich und entscheidet zwischen den beiden

Möglichkeiten „Flucht“ oder „Kampf“. Die hierzu notwendigen präventiven Maßnahmen des

Organismus wie „die zentrale und kardiale Durchblutungserhöhung, die Konstriktion der

peripheren Gefäße, vermehrte Herzaktivität, Durchblutung von Muskeln und Blockierung des

Magen-Darm-Traktes (der Parasympathikus fördert die Magen-Darm-Aktivität und der

Sympathikus hemmt diese) werden nach Cannon durch Ausschüttung von Adrenalin und

Noradrenalin eingeleitet.“ (Cannon 1928, S. 258)

Weitere grundlegende Forschungsergebnisse präsentierte 1936 Hans Selye anhand seiner

„biopsychosozialen Stressmodelle“ bzw. des „Allgemeinen Adaptionssyndroms“, mit denen

insbesondere die biochemischen Prozesse beim Menschen erörtert werden. Er beschreibt

Streß als eine komplexe unspezifische Reaktion des menschlichen Organismus auf

Anforderungen und Belastungen aus der Umwelt, die eine Störung des dynamischen

Gleichgewichts des Organismus bewirken. Im Kern kommt der Wissenschaftler zu dem

Schluß, dass „das menschliche Stressempfinden eine Anpassungsreaktion des menschlichen

Körpers auf ein Ereignis darstellt“. Er betont dabei den Nutzen in Gefahrensituationen. Die

Reaktion erfolgt Selye zufolge in den drei Phasen Alarmreaktion-Anpassungs-bzw.

Widerstandsphase-Erschöpfungsphase. (managerseminare.de)

„Die erste Phase entspricht der normalen akuten Stressreaktion und dient der Mobilisierung

von Energie- und Handlungsreserven. In der zweiten Phase erfolgt eine Anpassung

(Adaption) mit Erhöhung der Widerstandsfähigkeit gegen wiederkehrenden oder chronischen

Streß. Die dritte ist die Reparations- oder Erschöpfungsphase. Bei chronisch einwirkendem

Streß ohne ausreichende Erholungsphasen können hier aufgrund einer negativen

Verschiebung des homöostatischen Gleichgewichts [...] organische Erkrankungen

(Anpassungsstörungen) die Folge sein.“ (Hartig 2004) So ist die Alarmphase in Selyes

Modell „durch eine Überaktivierung gekennzeichnet und die Widerstandsphase durch

typische psychosomatische Erkrankungen wie Asthma, Hypertonie, Ulcus usw. Die

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Erschöpfungsphase ist mit Infektanfälligkeit, frühzeitiger Alterung, depressiven Zuständen

und Ängstlichkeit assoziiert.“ (Stangl / Selye 1953)

Eine der zentralen Stresstheorien stellte Richard S. Lazarus 1974 mit dem

„Transaktionalen Stressmodell“ auf. Lazarus beschreibt Streßsituationen aus der

psychologisch-kognitiven Sichtweise als komplexe Wechselwirkungsprozesse zwischen den

Anforderungen der Situation und der handelnden Person. Dabei ist Stress von den

individuellen Einschätzungen einer Situation abhängig, nicht jedoch von den objektiven

Faktoren. So ist nicht die Beschaffenheit und Ausgestaltung der Stressoren ausschlaggebend

für die Stressreaktion des Menschen, sondern seine individuelle kognitive Bewertung und

Verarbeitung. Stressreaktionen werden nur dann ausgelöst, wenn der potentielle Stressor als

ein solcher vom Individuum klassifiziert wird. Der Bewertungsprozess läuft nach Lazarus in

drei Stufen ab:

1)Primary Appraisal (Primäre Bewertung)

Zunächst wird der Umweltreiz / die Situation wahrgenommen und hinsichtlich seiner/ihrer

Gefährlichkeit bewertet. Hierbei erfolgt eine Klassifizierung in positive, irrelevante oder

potentiell gefährliche (=stressende) Reize. Eine stressauslösende Situation kann wiederum

abgestuft als Herausforderung (challenge), als Bedrohung (threat) oder als Verlust (harm/loss)

bewertet werden.

2)Secondary Appraisal (Sekundäre Bewertung)

Hier wird die Anforderung der Streßsituation den individuellen verfügbaren Ressourcen

gegenübergestellt und dahingehend geprüft, ob sie mit ihrer Hilfe bewältigt werden kann.

Hierbei werden eine somatische Schädigung (Schmerz), psychologische Verluste

(Selbstwertverlust) und die psychosozialen Verluste (Isolation) durch den Stressor antizipiert.

Zudem werden die verfügbaren Alternativen zur Bewältigung der Situation abgewogen und

schließlich in Abhängigkeit von individuellen Situationsparametern,

Persönlichkeitsmerkmalen und kognitiven Strukturen eine Strategie entworfen und umgesetzt,

um den Stressoren zu begegnen. Diese Bewältigungsstrategien werden als „Coping“

bezeichnet und kommen in Form von Stressreaktionen wie z.B. Angriff oder Flucht,

Umsetzung von Verhaltensalternativen, Änderung der Bedingung oder Verleugnung der

Situation zum Ausdruck. Aus den Erfolgen bzw. Misserfolgen dieses Verhaltens ergibt sich

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ein Lerneffekt für das Individuum, durch den Bewältigungsstrategien im Zeitablauf selektiert

und gezielt eingesetzt werden.

3)Reappraisal (Neubewertung)

Da die aus der Primärbewertung hervorgehenden Optionen „Herausforderung“ und

„Bedrohung“ in einem wechselseitigen dynamischen Prozess stehen, in dem sich beide in das

jeweils andere verkehren können, kommt es zu einer Neubewertung der Situation aufgrund

der veränderten inneren und äußeren Bedingungen. Ausschlaggebend hierfür ist das

Vorhandensein bzw. die vorhergehende Umsetzung der jeweiligen Copingstrategie. So kann

z.B. für einen Stresspatienten der Umgang mit dem bedrohlichen Stressor zur

Herausforderung werden. Ist es ihm im Zeitablauf jedoch unmöglich, die Streßsituation zu

bewältigen, kann sich diese Herausforderung wiederum zur Bedrohung wandeln.

Lazarus unterscheidet drei Arten von Strategien zur Streßbewältigung, dem sog. „Coping“:

Problemorientiertes Coping:

Der Versuch des Individuums, hinsichtlich der Streßsituation bzw. des Streßreizes mit Hilfe

von Informationsrecherche, direktes Agieren oder auch Unterlassung von Handlungen, eine

Bewältigungsstrategie zur Anpassung oder Überwindung des Stressors zu finden.

Emotionsorientiertes Coping:

Ziel des Individuums ist es, mit Hilfe des „intrapsychischen Coping“ die aufgrund des

Stressors entstandene emotionale Erregung abzubauen, ohne sich mit der eigentlichen

Ursache befassen zu müssen.

Bewertungsorientiertes Coping

Hierbei kommt nach Lazarus neben dem Primär-/ Sekundärbewertungsprozeß inbesondere der

Neubewertung eine besondere Rolle zu, indem das Individuum eine Copingstrategie

anwendet, mit der das Verhältnis zur Umwelt und ihren Situationen kognitiv neu bewertet

wird. Durch die veränderte Bewertung einer Belastung nunmehr als Herausforderung soll ein

positiver Effekt entstehen, der Ressourcen freimacht, die eine angemessene Bewältigung

ermöglichen. Voraussetzung hierfür ist die Identifikation konkreter Wege zur Problemlösung,

was eine Vernetzung mit anderen Strategien wie hier dem Problemorientierten Coping

impliziert. (vgl. Stangl,W. / Lazarus 2006, S. 101ff.)

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150

5.2 STRESSOR ARBEITSPLATZUNSICHERHEIT

Standen in den sechziger und 70er Jahren des letzten Jahrhunderts in erster Linie Forschungen

zu den gesundheitlichen Folgen von Arbeitslosigkeit im Vordergrund und wurde

Arbeitsplatzsicherheit als Bestandteil von Arbeitszufriedenheit und damit als Motivator

identifiziert (Rosenstiel 1975, S. 29), nehmen sich Studien nun verstärkt des Themas der

Auswirkungen der Arbeitsplatzunsicherheit und des Personalabbaus für die verbliebenen

Mitarbeiter als Stressoren an. Hierbei kommt die Mehrzahl der empirischen Forschungen aus

dem angelsächsischen sowie auch dem skandinavischen, partiell dem deutschsprachigen

Raum (Fehlzeitenreport WIdO 2005, S. V / S. 62) Gemein ist allen Studien, dass es sich bei

der Arbeitsplatzunsicherheit um ein wahrgenommenes Phänomen der Arbeitsumwelt handelt.

(Hesselink / van Vuuren 1999, S. 274)

„Eine abschließende Erfassung des Wesens der Arbeitsplatzunsicherheit und einschlägig

fundierte Messinstrumente mit validen Schlussfolgerungen ihrer Auswirkungen wurden von

der Wissenschaft bislang aber noch nicht geliefert. Es existieren jedoch theoretische und

empirische Evidenz sowie konsistente Zusammenhänge zwischen der Wahrnehmung

von Arbeitsplatzunsicherheit und Reaktionen wie beispielsweise negativen

arbeitsbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen und arbeitsbedingten

Streßsymptomen. (Hervorhebung d.Verf.) Beschrieben wird Arbeitsplatzunsicherheit als

subjektiv empfundener Stressor, der aus einer Kombination aus individuellen und situativen

Faktoren entsteht." (Fehlzeitenreport WIdO 2005, S. 59, 77) So stellten z.B. sowohl Roskies

et al. (1993, S.617ff.) als auch Näswall et al. (2005, S.37ff.) hinsichtlich der individuellen

Aspekte fest, dass die Persönlichkeit des Einzelnen der wahrgenommenen

Arbeitsplatzunsicherheit als wichtigster Prädiktor für Belastungen noch vorging, was aus

Sicht des Verfassers mit den Aussagen des Transaktionalen Stressmodells nach Lazarus

korrespondiert. Zudem gibt es Hinweise, wonach Männer negativer als Frauen auf dieses

Phänomen reagieren. (Näswall et al. 2002, S. 242ff.)

Als frühe Forscher auf diesem Gebiet definierten Mitte der achtziger Jahre Greenhalgh und

Rosenblatt das Phänomen der Arbeitsplatzunsicherheit mit ihrem „Job-Insecurity-Model“ als

eine „empfundene Machtlosigkeit, in einer gefährdeten Arbeitsplatzsituation die erwünschte

Kontinuität aufrecht zu erhalten“. Zudem stellten sie fest, dass neben der Unsicherheit über

den Fortbestand des Arbeitsplatzes weitere Faktoren Unsicherheiten auslösen: „Der Verlust

von geschätzten Merkmalen des Arbeitsplatzes stellt einen bedeutenden, jedoch oft

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übersehenen Aspekt der Arbeitsplatzunsicherheit dar.“ (Greenhalgh /Rosenblatt 1984, S. 438,

441) In die gleiche Richtung zielen Hellgren et al., indem sie zwischen quantitativer

Arbeitsplatzunsicherheit (Sorgen über einen möglichen Verlust des Arbeitsplatzes an sich)

und qualitativer Arbeitsplatzunsicherheit (Sorgen über den möglichen Verlust als wichtig

empfundener Merkmale des Arbeitsplatzes) unterscheiden. (Hellgren et al. 1999, S.179ff.)

Einige Wissenschaftler definieren Arbeitsplatzunsicherheit allein über Fakten, die das

Arbeitsverhältnis betreffen. Diese „objektiven“ Kriterien können z.B. aus einem befristeten

Arbeitsverhältnis hergeleitet werden (Pearce 1998, S.33), aus der Unsicherheit über den

Fortbestand des arbeitgebenden Unternehmens (Ferrie et al. 1998, S.1030) oder aus dem

Strukturwandel ganzer Branchen, wie er sich aktuell im internationalen Bankensektor

darstellt.

Gegenüber dieser isolierten Betrachtung der „objektiven Arbeitsplatzunsicherheit“ erweitern

andere Forscher ihre Definitionen um subjektive Empfindungen der Betroffenen. So

formuliert beispielsweise Mohr vier verschiedene Arten dieses Phänomens:

1) „Arbeitsplatzunsicherheit als ein Zustand des öffentlichen Bewusstseins“ vor dem

Hintergrund einer faktisch hohen Arbeitslosenzahl;

2) „betriebliche Arbeitsplatzunsicherheit“, bezogen auf die instabile Situation in der

arbeitgebenden Organisation;

3) „akute Arbeitsplatzunsicherheit“, unter der die konkrete subjektive Empfindung einer

Gefahr des Arbeitsplatzverlustes rubriziert wird und

4) „die Antizipation des Arbeitsplatzverlustes“ in einem Umfeld, in dem der Arbeitgeber

bereits mit einem Stellenabbau durch Entlassungen begonnen hat. (Mohr 2000, S.339)

Im „Jahr Fünf" der aktuellen Finanzkrise nimmt sich das Handelsblatt eben diesen Ängsten

und Befürchtungen in der Bankenbranche an und veröffentlicht folgenden Bericht mit diesen

Überschriften:

„-- In New York und London drohen neue Entlassungen.

-- Der Druck auf die Deutsche Bank wächst.

-- Handelsgeschäft mit Anleihen und Devisen bricht ein.

Viele Investmentbanker wird in diesen Tagen ein finsteres Gefühl des Déjà-vu beschleichen.

Es ist das dritte Jahr in Folge, das hoffnungsfroh beginnt, bevor die Euro-Krise nach wenigen

Monaten die Stimmung gründlich verdirbt. So gründlich, dass in den großen Finanzzentren

die Angst vor der nächsten Entlassungswelle grassiert. Auch in der Deutschen Bank wächst

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die Angst vor einer schmerzlichen Sparrunde.

Wie 2010 und 2011 erwarten Analysten, dass die Einnahmen der Geldhäuser im laufenden

und den folgenden Quartalen massiv einbrechen. Die Experten von JP Morgan rechnen für die

Monate April bis Juni mit einem Minus von 25 Prozent und fürchten, dass die Banken bis

Jahresende bis zu zehn Prozent ihrer Stellen streichen werden. 'Das zweite Quartal war

schlicht gesagt eine Katastrophe', meint ein Londoner Investmentbanker. Die Misere trifft

auch die Deutsche Bank. Für das Investment-Banking der Frankfurter prognostiziert JP

Morgan ein Einnahmeminus von mehr als einem Viertel im zweiten Quartal im Vergleich

zum Jahresstart.“ (HB, 14.6.2012, S. 32: Banker zittern vor Sparwelle)

Anders als andere große Investmentbanken habe der deutsche Branchenprimus aber bislang

nicht im großen Stil entlassen, so das Handelsblatt weiter. Während Goldman Sachs zwischen

März 2011 und März 2012 rund 3 000 Arbeitsplätze oder 8,5 Prozent aller Stellen gestrichen

habe, fielen im Investment-Banking der Deutschen Bank im gleichen Zeitraum nur gut 500

Arbeitsplätze weg, was rund drei Prozent der Belegschaft in diesem Bereich ausmachte.

„Doch gerade die Tatsache, dass es in der Vergangenheit keine umfänglichen Entlassungen

gab, sorgt derzeit für Unruhe. In Finanzkreisen heißt es, Deutsch-Banker in Spitzenpositionen

befürchteten einen deutlichen Personalabbau. Es herrsche der Eindruck, dass die Bank für das

aktuelle Geschäft zu viel Personal im Investment-Banking beschäftige. Noch gebe es aber

keine Pläne zum Abbau. Die beiden neuen Vorstandschefs, Anshu Jain und Jürgen Fitschen,

wollten offenbar nicht gleich mit Stellenstreichungen Schlagzeilen machen. Personalberater

erwarten, dass die Deutsche Bank 600 bis 1 000 Stellen im Investment-Banking in Europa

streichen könnte. In den USA sei netto mit keinen Veränderungen zu rechnen. Und in Asien

werde der Aufbau weitergehen. Die Deutsche Bank wollte sich dazu nicht äußern.“ (HB,

14.6.2012, S. 32: Banker zittern vor Sparwelle)

Wie das Handelsblatt weiter ausführt, seien die Stellenstreichungen nicht ausgemacht, denn

sie hingen auch damit zusammen, wie die neuen Chefs die Ressourcen verteilen. Jain setze

darauf, dass sich Wettbewerber wie die Schweizer UBS oder die Royal Bank of Scotland aus

einzelnen Geschäftsbereichen zurückziehen, und wolle sich durch schnelle Entlassungen nicht

der Chance berauben, der geschwächten Konkurrenz Marktanteile abzunehmen. „Diese

Strategie halten auch Analysten durchaus für glaubhaft: Die Société Générale hat die

Deutsche Bank unter anderem wegen deren Chancen auf Marktanteilsgewinne hochgestuft.

Allerdings begründen die Franzosen den Schritt auch mit dem großen Potenzial für

Kostensenkungen. Die Frankfurter hätten bewiesen, dass sie schnell Personal abbauen

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könnten. Top-Banker bei Schweizer Konkurrenten registrieren die Strategie der Deutschen

Bank mit Verwunderung. UBS und Credit Suisse sind längst dabei, nicht nur die Kosten zu

senken, sondern auch die Bilanz zu schrumpfen, um sich auf die neuen Basel-III-Regeln

vorzubereiten. Beide Institute trennen sich daher von Geschäft vor allem im Handel mit

Anleihen, Devisen, Rohstoffen und Derivaten. Denn dafür wird künftig deutlich mehr Kapital

benötigt. Weniger Geschäft heißt aber auch, dass die Investmentbanken weniger Leute

brauchen. Die Deutsche Bank scheine, so die Beobachter, in die entgegengesetzte Richtung zu

marschieren. 'Wettbewerber wie die Deutsche Bank haben hier noch einen großen

Problemberg vor sich', so ein Schweizer Bankvorstand.[...]

'Sollten die Märkte nicht schnell wieder anspringen, dann droht 2012 ein weiteres verlorenes

Jahr für die Branche. Damit wächst der Druck, die Kosten durch Entlassungen zu senken,

auch für die Deutsche Bank', meint ein Londoner Banker.[...] 'Wenn sich die Lage nicht

bessert, wird es zu weiteren Entlassungen kommen', sagte Alan Johnson, Chef der

Beratungsfirma Johnson Associates, in einem Interview. Er rechnet mit weiteren

Entlassungen in der Größenordnung von fünf Prozent der Gesamtbeschäftigten der

Finanzbranche. Betroffen wären 40 000 der rund 800 000 Stellen der Branche.“ (HB,

14.6.2012, S. 32: Banker zittern vor Sparwelle)

Ähnlich sähe dem Handelsblatt zufolge die Lage in der Londoner City aus. Der Think-Tank

CEBR erwarte, dass im wichtigsten europäischen Finanzzentrum 2012 weitere 25 000 Stellen

gestrichen werden. Damit würde seit Ausbruch der Finanzkrise fast jeder dritte der einst

350000 Arbeitsplätze verschwunden sein. (HB, 14.6.2012, S. 32: Banker zittern vor

Sparwelle)

Das Empfinden und die Emotionen im Kontext mit der im Artikel veranschaulichten

Arbeitsplatzunsicherheit schlüsseln Hesselink und van Vuuren zum einen als subjektives

Phänomen auf, das im Zusammenhang mit der Wahrnehmung, Bewertung und Interpretation

der objektiven Arbeitsplatzunsicherheit steht. Zum anderen wird ein zukünftiges Ereignis,

nämlich der mögliche Verlust des Arbeitsplatzes fokussiert. Zudem kann diese Empfindung

überhaupt nur unter der Voraussetzung entstehen, dass der Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz

behalten möchte. (Hesselink, van Vuuren, 1999, S. 274-275 / Klandermanns, van Vuuren

1999, S. 147)

Auch Weiss und Cropanzano hatten 1996 subjektive Faktoren wie etwa Angst oder Freude in

ihre Forschungen zum Thema der Arbeitsplatzzufriedenheit einbezogen und mit der

Entwicklung ihrer grundlegenden „Affective Events Theory (AET)“ postuliert, dass

bestimmte Ereignisse oder Erlebnisse am Arbeitsplatz spezifische Emotionen auslösen.

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„Durch Personalabbaumaßnahmen werden soziale Kontakte zwischen den Mitarbeitern

zerstört, was zu Traurigkeit, Resignation, Verzweiflung und Schuldgefühlen gegenüber den

betroffenen Kollegen führen kann. Insbesondere in Phasen der allgemeinen betrieblichen bzw.

akuten individuellen Arbeitsplatzunsicherheit kommt es zu einem verstärkten

Einzelkämpfertum zwischen einzelnen Mitarbeitern oder kompletten Teams und Abteilungen

sowie speziell im Falle der multinationalen Standortkonkurrenz von ganzen Belegschaften

und Tochterunternehmen. Die Mitarbeiter versuchen, sich gegenüber anderen abzuheben, um

sich vor der Kündigung zu retten. Häufig wird dabei auch nicht vor Mobbing unter den

Mitarbeitern zurückgeschreckt. [...] Außerdem erhöht sich in der Phase der allgemeinen

Unsicherheit die Fluktuationsrate, insbesondere junge und talentierte Leistungsträger

verlassen das ,sinkende Schiff ' als Erste.“ (Schulze 2008, S.39)

5.2.1 PHÄNOMEN DES PRÄSENTISMUS

Stiegen die Krankenstände bei abnehmender Arbeitslosigkeit vor dem Hintergrund eines

positiven Konjunkturverlaufs in der Vergangenheit an, so verkehrt das Bewusstsein einer

gestiegenen Gefahr, die Anstellung zu verlieren, die Krankmeldungsbereitschaft mittlerweile

in einen konträren Effekt rückläufiger Fehlzeiten: Neben der gesundheitlichen Entwicklung

und Prävention bewegt insbesondere der Faktor Angst vor Arbeitsplatzverlust die Mitarbeiter

dazu, Krankheiten zu verdrängen und trotz z.T. erheblicher Beschwerden am Arbeitsplatz zu

erscheinen. „Sickness presenteeism was found to be relatively frequent in highly competetive

private organizations.“ (Aronsson et al. 2000, S.502) So wird von Arbeitnehmern

„Gesundheit" in Form von „Abwesenheit von Krankheit“ (Sprenger 2013, S.28) bzw.

„Anwesenheit am Arbeitsplatz“ vorgetäuscht.

In ihrer Ausgabe vom 11. April 2009 titelt die „Berliner Morgenpost“ (BM) in ihrer

Schlagzeile: „Finanzkrise: Krankenstand sinkt auf Rekordtief. Niedrigster Wert seit dem

Mauerfall – Angestellte haben Angst vor Jobverlust.“ Die häufigsten Ursachen für Fehlzeiten

seien u.a. psychische Erkrankungen, deren Anteil sich seit der Wiedervereinigung verdoppelt

habe. Arbeitsmarktexperten machten vor allem die steigende Jobangst in Zeiten der schweren

Wirtschaftskrise verantwortlich. ´In wirtschaftlichen Krisenzeiten haben die Beschäftigten

mehr Angst, ihren Job zu verlieren. Tendenziell sinken in solchen Zeiten die Krankenstände´,

sagte Joachim Möller, Direktor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).“

(BM, 11.04.09, S. 1) Zur gleichen Erkenntnis gelangt der „DAK-Gesundheitsreport 2015“

(S.4f.), indem er feststellt: „Ist die Wirtschaftslage und damit die Beschäftigungslage gut,

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steigt der Krankenstand tendenziell an. Schwächt sich die Konjunktur ab und steigt die

Arbeitslosigkeit, so sinkt in der Tendenz auch das Krankenstandsniveau.“ Dabei weist der

Report darauf hin, daß dieser Effekt nicht allein auf konjunkturelle Entwicklungen

zurückzuführen ist. Vielmehr wird er auch beeinflusst durch Faktoren wie dem„Wandel der

Beschäftigungsstruktur“ und der „Verlagerung von Arbeitsplätzen vom gewerblichen in den

Dienstleistungssektor“.

Nach einer Studie vom Frankfurter Institut für Sozialforschung (unterstützt durch die

gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung) von 2007 ist das Mitarbeiterverhalten der

„Krankheitsverleugnung“ insbesondere typisch für den Bankenbereich.(Hervorhebung

d.Verf.) Im Ergebnis stellt die Studie fest, dass das Ignorieren von Gesundheitsbelastung

durch Faktoren wie zu dünne Personaldecke, Termindruck, Teamintegration und höhere

Eigenverantwortung betriebsorganisatorisch gefördert wird. Es wird angenommen, dass

künftige Erkrankungen von Mitarbeitern aus dieser institutionellen Krankheitsverleugnung

resultieren werden. (Kocyba / Voswinckel 2007) Mit diesen Ergebnissen korrespondieren die

statistischen Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums: Aus den Pflichtmeldungen der

Krankenkassen ergibt sich für die ersten sechs Monate des Jahres 2008 mit 3,34%

Krankenstand der Sollarbeitszeit der zweitniedrigste Halbjahreswert der gesetzlich

Krankenversicherten seit Einführung der Lohnfortzahlung im Jahre 1970 (5,3%, 2000:

4,43%). (bmg.bund.de 2009)

Mit dem Phänomen des „Präsentismus“, d.h. dem eigenen Zwang zur Anwesenheit am

Arbeitsplatz trotz gefühlter Beschwerden und der daraus resultierenden reduzierten

Arbeitsleistung, beschäftigte sich auch eine Studie der Bertelsmann-Stiftung: Hiernach sind

71% der Deutschen in 2006 mindestens einmal trotz empfundener Krankheit zur Arbeit

gegangen, mehr als 46% sogar mehrfach, 30% gegen den Rat ihres Arztes. Ein derartiges

Szenario gab es bislang nur vor Einführung der Lohnfortzahlung 1970. Der Anteil der

Mitarbeiter ohne Krankmeldung stieg von 44,7% in 2000 auf 48,5% im Jahre 2006.

(bertelsmann-stiftung.de)

Dabei ergaben Studien, dass den Unternehmen aufgrund von mangelnder Leistungsfähigkeit

und verschleppten Krankheiten mit später höheren Folgeschäden wie z.B. längeren

krankheitsbedingten Abwesenheiten keine Vorteile, sondern erhebliche wirtschaftliche

Nachteile entstehen: So ist der Produktivitätsverlust durch Präsentismus 7,5mal höher als der

durch reine Fehlzeiten. (Main, C.J. et al. 2007/ The Employers Health Coalition of Tampa,

Florida, 1999, S. 381) In 2003 veröffentlichte „The Journal of the American Medical

Association JAMA“ einen vierfachen Kostenfaktor des Präsentismus gegenüber dem

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Produktionsverlust durch Fehltage und bezifferte den jährlichen volkswirtschaftlichen

Schaden der USA auf 35,7 Mrd. US$. (Zu berücksichtigen ist hierbei die üblicherweise

fehlende Lohnfortzahlung in den USA.) Bereits 1984 hatten Greenhalgh und Rosenblatt

erklärt, dass Arbeitnehmer auf Arbeitsplatzunsicherheit reagieren und diese Reaktionen

Konsequenzen für die Effektivität des Unternehmens haben (Greenhalgh/Rosenblatt 1984, S.

438)

Mittlerweile hat das Präsentismus-Phänomen indirekt Einzug in die betriebliche

Gesundheitskostenrechnung gehalten: „Die 'Stanford-Formel' dient zur Berechnung

betrieblicher Ausfallkosten, verursacht durch Minderleistung von Mitarbeitern und

Führungskräften. Die Grundannahme der Formel: Rund 20% aller Mitarbeiter eines

Unternehmens sind in ihrer Leistungsfähigkeit durch Belastungen, Sorgen, Nöte, Süchte

usw. durchschnittlich um 25% eingeschränkt.“ (filipic.at)

5.3 STRESSOR VERHALTEN: UNSICHERHEIT UND ÄNGSTE VON BANKKUNDEN

IN DER FINANZKRISE

„Kurz-und mittelfristig macht die Psychologie 90 Prozent an der Börse aus[...]“

(Kostolany 2000, S. XIVf.)

„Es stellt sich ja erst später heraus, daß auch diesmal antizyklisches Handeln das Beste

gewesen wäre. Man muß sehr trainiert, kühl und sogar zynisch sein, um sich der

Massenhysterie zu entziehen.[...] Deshalb gelingt es auch nur einer Minderheit, erfolgreich zu

spekulieren.“

(Kostolany 2001, S.165)

Mit diesen Kernaussagen aus langjähriger Praxiserfahrung und Beobachtungen im

internationalen Börsenhandel weist „Börsenaltmeister“ Andre Kostolany auf die

Emotionalität hin, denen die Mehrheit der Anleger am Aktienmarkt in positiven wie in

negativen Marktphasen unterliegt und der sich nur die wenigsten entziehen können. (s. auch

Shiller 2000, S.159f.) In der einschlägigen wirtschaftswissenschaftlichen Forschung ist man

zur Erkenntnis gelangt, daß Marktteilnehmer sich nicht wie ein „homo oeconomicus“

verhalten, sondern irrationale Entscheidungen treffen, wie sie Herbert A. Simon mit dem

Verhaltensmuster der „Bounded Rationality“ bzw. des „Satisficing“ beschreibt. (Simon 1959,

S. 253ff.) „Schon Isaac Newton soll geklagt haben, daß er zwar die Bahn der Gestirne auf

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Zentimeter und Sekunden berechnen könne, nicht aber, wohin eine verrückte Menge einen

Börsenkurs treiben kann. Und in den 1930er Jahren bemerkte der britische Ökonom John

Maynard Keynes [...]: ´Um die Zukunft einer Geldanlage abzuschätzen, müssen wir die

Nerven, Hysterien, ja sogar die Wetterfühligkeit jener Personen beachten, von deren

Handlungen diese Geldanlage weitgehend abhängt.´ “ (HB, 9.2.2012, S. 29: Anleger

schwanken zwischen Mut und Angst, Dirk Heß / Frankfurt)

So sehen sich Bankmitarbeiter im Kundenverkehr neben der Bewältigung ihrer eigenen

Arbeitsplatzunsicherheit in Phasen einbrechender Börsenkurse häufig mit den emotionalen

Streßreaktionen ihrer Kunden, die den eingetretenen Vermögensverlust nach ihrer

Anlageentscheidung als Bedrohung klassifiziert haben, konfrontiert. „Werden Verluste

betrachtet, die so hoch sind, dass schwerwiegende bzw. existenzielle Nachteile mit ihrem

Eintreten verbunden sind, werden Menschen im Verlustbereich von einem bestimmten Punkt

an risikoscheu“ (Goldberg / v.Nitzsch 2000, S.128) und versuchen häufig, sich des

stressauslösenden Faktors –den Wertpapieren- durch ihren Verkauf um jeden Preis zu

entledigen. Beispiele hierzu finden sich bereits in der frühen Finanzmarktgeschichte, wie der

folgende Bericht aus der Börsenkrise von 1857, die nach exorbitanten Kurssteigerungen

einsetzte, zeigt:

„Die Prager provisorische Börse (resp. 'Anleger und Marktteilnehmer', Anm. d. Verf.) hatte

sich mit jugendlichem Vertrauen mitten in den Strudel gestürzt, hatte lustig darauf los gekauft

und war bis über den Kopf in der Hausse engagirt. Da kam der Rückschlag und schwere

Verluste erschütterten den Wohlstand so mancher Familie bis auf den Grund. Dunkle

Gerüchte vergrößerten noch den Schaden, das allgemeine Mißtrauen erwachte, und bald galt

es gewissermaßen für eine Schande, zu den Reihen der Börsenbesucher zu gehören, denen

beigezählt zu werden man wenige Tage früher noch als eine besondere Auszeichnung ansah.

Jeder wollte seine gänzliche Nichtbetheiligung beweisen, Niemand wollte mehr etwas mit

dem Börsengeschäfte zu thun haben; so kam es, daß bald nicht nur die Käufer für die

ausgebotenen Stücke gänzlich fehlten, sondern daß man auch selbst gegen fabelhaften

Rapport die Kostnahme derselben verweigerte. [...] Man schlug also los, oder verschleuderte

um jeden Preis, die Verluste wurden dadurch nur enormer und der Widerwille gegen die

leitenden Börsenunternehmungen nur um so größer.“ (Hein 1857, S. 24)

Nach Hens führen Verluste zu Verunsicherung, Angst und Frust, wodurch die Bereitschaft

des Anlegers, Risiken zu tragen, sinkt. Er verhält sich vor dem Hintergrund seiner Emotionen

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daher irrational und prozyklisch, seine Stimmung beeinflusst sein Risikoverhalten und seine

Gefühle können im Börsenabschwung mit „Furcht“ zusammengefasst werden (Hens 2006,

S.13). Derartige extreme Situationen von Werteverfall und Angst waren wie gezeigt in den

historischen und auch wie in der aktuellen Bankenkrise zu beobachten. So berichtet z.B. das

Handelsblatt anlässlich der Schieflage der britischen Bank „Northern Rock“ :

„Peter Walsh geht es nicht schnell genug. Immer wieder stellt sich der Rentner auf die

Zehenspitzen und reckt den Kopf, aber die Schlange vor ihm bewegt sich nicht. So viel

Ungeduld gehört sich eigentlich für einen Briten nicht, aber für Walsh steht viel auf dem Spiel

- eine sechsstellige Summe, die Ersparnisse eines Berufslebens als Ingenieur.

Am vergangenen Freitag weht ein Hauch von Weltwirtschaftskrise durch Großbritannien.

Walsh gehört zu einer Gruppe von 30 bis 40 verängstigten Sparern, die sich vor einer Filiale

des Baufinanzierers Northern Rock drängeln, um ihr Geld abzuheben. Sie wollen ihr

Vermögen vor der Kreditkrise retten, deren Epizentrum am US-Immobilienmarkt liegt, die

sich aber längst zu einer ausgewachsenen Bankenkrise entwickelt hat. Am Morgen hatte

Pensionär Walsh aus dem Frühstücksfernsehen erfahren, dass die Zentralbank Northern Rock

mit einem Notkredit vor dem Kollaps retten musste. Deshalb sieht es vor allen 76 Filialen des

Baufinanzierers so aus, wie vor der Zweigstelle im Herzen von London. 1,4 Millionen

Privatkunden hat Northern Rock, und viele haben sich persönlich auf den Weg gemacht, weil

die Telefonleitungen und die Internetseite ihrer Bank völlig überlastet waren. In Sheffield und

Glasgow musste die Polizei einschreiten, um die Massen zu beruhigen. Bis Samstag Abend

haben die Kunden 1,5 Mrd. Pfund von den Konten des fünftgrößten britischen

Baufinanzierers abgeräumt.“ (HB, 17.9.07, S. 35: Ein Hauch von Weltwirtschaftskrise:

Bankenpanik in Großbritannien: Wie der Hypothekenfinanzierer Northern Rock binnen

weniger Tage in Schwierigkeiten geriet und auf den Inseln eine Schockwelle auslöste.

Michael Maisch / London)

Wie groß die Anspannung auch bei diesem Bank-Run bei der Kundschaft war, ist auch dem

folgenden Artikel zu entnehmen. Hierbei sollte der Blick auch auf die andere Seite des

Bankschalters gerichtet werden, wo der einzelne Bankangestellte unabhängig davon, daß sein

Arbeitgeber womöglich kurz vor dem Zusammenbruch steht, zunächst einmal dem

aufgebrachten Kundenansturm begegnen muß:

„So fühlt sich also eine echte Bankenkrise an. Die Schieflage des Baufinanzierers Northern

Rock produziert Szenen, die man eigentlich für unmöglich hielt. Szenen, die man nur von

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vergilbten Schwarzweißfotos aus Geschichtsbüchern über die große Depression der 30er

Jahre kannte. Menschen, die sich buchstäblich tagelang vor einer Bankfiliale anstellen, um ihr

Vermögen zu retten, und – vielleicht noch ungewöhnlicher – Engländer, die beim

Schlangestehen rempeln und sich anpöbeln. Die rüpelhafte Reaktion einiger Northern-Rock-

Sparer zeigt, dass die Nerven blank liegen. Trotz der Beruhigungsparolen der Politiker halten

Anleger inzwischen jede Katastrophe für möglich.“ (HB, 20.9.2007, S. 24: City Talk: Bloß

keine Panik)

Mit diesem Verhalten im Zusammenhang steht das Phänomen der „Sozialen Projektion“, das

bei durch anhaltende Negativmeldungen der Medien in Zeiten verunsicherter Finanz- und

Kapitalmärkte verängstigten Anlegern zu beobachten ist, die glauben, daß andere

Marktteilnehmer ähnlich fühlen, denken und handeln, wie sie selbst. Die Erwartung, daß

andere Anleger auch Angst haben und entsprechend handeln könnten, führt häufig zu

Panikreaktionen wie z.B. vorschnellen Verkäufen, die in ihrer Gesamtheit zu Kursanomalien

und schließlich zu Crashs an den Finanzmärkten führen. (Lee / Andrade 2011, S.121f.)

Marktteilnehmer resp. Bankkunden sind aufgrund der nahezu unbegrenzten Fülle von

Informationen gezwungen, komplexe Situationen zu vereinfachen und relevante Fakten zu

vernachlässigen; sie neigen dazu, bestimmte Tatsachen aufgrund von Stimmungen oder

vorgefasster Meinungen unbeachtet zu lassen oder die Aufnahme und Verarbeitung aufgrund

von menschlichen Kapazitäts- bzw. Fähigkeitsbeschränkungen oder Streß abzubrechen.

(Zimbardo 1995, S.357)

Eine wissenschaftliche Erklärung für derartiges Kunden-und Anlegerverhalten liefern

Kahneman und Tversky mit ihrer „Prospect Theory“ im Rahmen der psychologischen

Risikoforschung, wonach sich die Risikowahrnehmung von Individuen gegenüber dem

finanzmathematischen Risikomaß „Volatilität“ markant verschiebt.

Risikowahrscheinlichkeiten erhalten hiernach ein deutlich höheres Gewicht. Zudem beinhaltet

ihre Theorie, dass ein nicht realisiertes Anlageziel einem Verlust gleichkommt. Dabei

reagieren Anleger auf einen Verlust emotional doppelt so stark wie auf einen betragsmäßig

gleich hohen Gewinn. (Kahneman / Tversky 1979, S. 263ff.) In dieser emotional belasteten

Phase einbrechender Aktien- und Finanzmärkte steigt die Gesprächsfrequenz des Anlegers

mit seiner transaktionsausführenden Bank deutlich an, wobei die Gesprächsinitiative

gleichermaßen vom (verunsicherten) Kunden wie auch im Idealszenario präventiv vom

jeweiligen Berater im Rahmen seiner Aufgabenstellung „Proaktive Gespräche zur

Kundenbetreuung in unsicheren Märkten“ ausgeht. Denn nach Mieg/Fenchel/Knecht-Meier

„beruht die Kundenbindung weitgehend auf Vertrauen und dieses wiederum auf persönlicher

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Interaktion mit dem Kunden.“ (Mieg, Fenchel, Knecht-Meier 2004) Hieraus ergeben sich

emotionale Belastungsmomente für den Bankmitarbeiter, der zum einen die eigene private

Situation (Familie, eigene finanzielle Positionierung als Anleger) zu bewältigen hat, zum

anderen den Leistungsanforderungen des Arbeitgebers gerecht werden muß sowie –hiermit

verbunden- sich seiner aus Angst vor (weiteren) Vermögensverlusten verunsicherten, z.T.

panisch und emotional reagierenden Kunden und ihrer möglicherweise irrationalen

Verhaltensweisen annehmen muß. Dies veranlasste einen der führenden Ökonomen zu einem

Ausspruch, der -wenngleich sicher nicht ernst gemeint- doch einen Eindruck von der

Anspannung gibt, der sich in der aktuellen Krise kaum ein Bankmitarbeiter entziehen konnte ,

unabhängig von seiner Position:

„Norbert Walter ist bekanntlich ein Freund klarer Worte. So macht der Chefvolkswirt der

Deutschen Bank auch keinen Hehl aus seinem Unverständnis für das 'aufgeregte und

hühnerhaufenartige' Verhalten vieler Investoren in der Krise. 'Ich habe selten eine so konfuse

Wirklichkeit mit so vielen unsinnigen und inkonsistenten Hypothesen zu den Märkten erlebt

wie aktuell', sagte Walter gestern auf dem Frankfurter Investmenttag der Derivatebörse

Scoach. Die Leute fürchteten sich gleichzeitig vor Inflation und Deflation und stellten die

Bankberater damit vor eine unlösbare Aufgabe: 'Was soll ich als Berater denn mit solchen

Kunden machen?', fragte Walter - und lieferte die nicht ernst gemeinte Antwort gleich

hinterher: 'Eigentlich müsste man sie alle erschießen!' “ (HB, 18.6.09, S. 18: Off the record:

Erschießt die Kunden !)

Die psychologischen Hintergründe, die bei Investoren und Anlegern zu derartigen irrationalen

Verhaltensweisen führen können, erklären Goldberg und von Nitzsch im Rahmen ihrer

Darstellungen zur Behavioral Finance mit der Harmoniebedürftigkeit bzw. „Sehnsucht nach

Dissonanzfreiheit“. Hierbei beziehen sie sich auf die „Theorie der kognitiven Dissonanz“

von Leon Festinger von 1957. Danach geraten Menschen nach fast allen Entscheidungen, bei

denen zwischen zwei oder mehreren Alternativen gewählt werden musste, in einen Zwiespalt,

da die Alternative, für die man sich entschieden hat, häufig auch negative Eigenschaften

besitzt und andererseits die verworfene Alternative auch positive Merkmale aufweist. Somit

stehen diese Eigenschaften jedoch im Widerspruch zur Meinung des Entscheiders, der

zunächst überzeugt ist, die bestmögliche Wahl getroffen zu haben. Dieser Widerspruch lässt

sich übertragen auf die Situation eines Anlegers bei der Bewertung seiner Entscheidung, sein

Kapital (weiter) in den Aktienmarkt zu investieren oder nicht, sowie bestehende Positionen zu

halten oder zu verkaufen. Die sich hieraus für den Anleger ergebenden Widersprüche werden

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in der Psychologie als „kognitive Dissonanz“ bezeichnet, die eine physische Erregung und

innere Spannung erzeugt, unangenehme Gefühle verursacht und deshalb nach Auflösung

verlangt. Dieser Effekt verstärkt sich, je stärker in der Finanzkrise Aktienkurse sukzessive

verfallen und somit die getroffene Entscheidung zum Kauf bzw. das in einer derartig

angespannten Marktlage täglich neu entschiedene Halten („Aussitzen“) von Positionen in

Frage gestellt wird. Zudem erhöht sich die Dissonanzstärke mit der Höhe der emotionalen

Bindung an die eigene Entscheidung. Diese Art der Bindung bezeichnen Brehm und Cohen

(1962) als „Commitment“. Gemäß Festingers Theorie versucht der Mensch nun, derartige

Dissonanzen schnell zu beseitigen, indem er einzelne Kognitionen derart manipuliert, dass sie

zu den anderen passen („Konsonanz“). Die Höhe der Dissonanz im Zusammenhang mit der

Stärke des Commitments hängt neben den Faktoren „irreversible Kosten“ und

„Normabweichung“ ab von der Entscheidungsfreiheit des Anlegers und der

Verantwortung für die Entscheidung. So kann eine Dissonanz nur bei freiwilliger

Entscheidung entstehen, d.h. wenn sich der Entscheider ohne Zwang aus mindestens zwei

Alternativen eine auswählt. (Frey/Gaska 1998, S.276)

Insofern ist das Commitment an den Aktienmärkten stets sehr hoch, da Anleger ihre

Entscheidungen freiwillig treffen und gewöhnlich nicht zur jeweiligen Anlage gezwungen

werden. Die Zuschreibung der Verantwortung für die Folgen der Entscheidung Handelns ist

nur möglich, wenn die Auswirkungen des Handelns (rückblickend) vorhersehbar waren.

(Goethals/Cooper/Naficy 1979, S. 1179f.) So werden sich die meisten Anleger nur in

geringem Maße für Kursverluste verantwortlich fühlen, wenn diese z.B. durch überraschende,

unvorhersehbare politische Ereignisse entstanden sind. Waren sie dagegen bereits zu

erwarten, so wird die eigene Verantwortung heruntergespielt. Viele Anleger tendieren dann

zu einer Schuldzuweisung ihrer Misserfolge an ihre Umwelt resp. ihre depotführende

Bank mit ihren Analyseabteilungen und dem persönlichen Anlageberater. Diese finden

sich hierbei häufig in einer emotional belastenden Verteidigungssituation gegenüber ihren

Kunden wieder, da sie durch ihre Empfehlungen in die Anlageentscheidungen involviert sind,

wodurch die Entscheider ein besonders hohes Commitment eingehen. Hierin zeigt sich das

Phänomen eines fundamentalen Attributionsfehlers auf Kundenseite, der insbesondere

in Börsenphasen mit starken Kurs- bzw. Vermögensverlusten zu einem wesentlichen

Stressor für Bankberater werden kann: Er besteht darin, dass Bankkunden als Anleger

Erfolg oder Misserfolg einer Transaktion eher auf das Können oder Versagen ihres Beraters

als auf die Bedingungen und Begleitumstände seiner Empfehlungen zurückführen. So muß

der Anlageberater stets damit rechnen, dass ihm die Verantwortung für Kursverluste

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zugeschrieben wird, mindestens aber damit, dass sich in stark schwankenden Marktphasen die

Gesprächsfrequenz und –intensität mit seinen Kunden deutlich erhöht. In diesen Gesprächen

kommt häufig das Bestreben von Anlegern zum Ausdruck, möglichst keine

Fehlentscheidungen treffen zu wollen. Mit dieser „Regretaversion“ soll die spätere Reue bzw.

Enttäuschung als Folge von Entscheidungen vermieden werden. Nach Kahnemann und

Tversky (1982, S.201ff.) bedauert man eher, das Falsche getan zu haben, je leichter man sich

vorstellen kann, was der richtige Schritt gewesen wäre. Aber auch die Folgen dieses

„falschen“ Handelns werden negativer empfunden, als der Schaden, der durch Untätigkeit

entstehen könnte. Dies führt dazu, dass Menschen in von Unsicherheit geprägten

Entscheidungssituationen eher zur Passivität als zum Aktionismus neigen und sich am

liebsten auf Traditionelles verlassen. Ein Aktieninhaber, dessen Engagement in die

Verlustzone geraten ist, wird daher zunächst zögern, diesen Verlust zu realisieren, befürchtet

er doch, ausgerechnet auf dem Tiefpunkt auszusteigen. Er hätte dann nicht nur den Verlust

fixiert, sondern auch konstatiert, dass die Investitionsentscheidung falsch war. Die mentalen

Folgen für Anleger können sich noch verstärken, wenn deutlich wird, dass die

Verkaufentscheidung in Panik getroffen wurde und sich durch wieder anziehende Aktienkurse

herausstellt, dass die Investitionsentscheidung die „richtige“ war. (vgl. Festinger 1957,

S.130ff.; Goldberg / v.Nitzsch 2000, S.119ff.)

Zudem kommt für Bankkunden als Akteure an den Finanzmärkten eine wesentliche

psychologische Grundmotivation zum Tragen: das Kontrollbedürfnis. White (1959, S.

297ff.) und DeCharms (1968) gehen in der theoretischen Konzeption des Kontrollmotivs

davon aus, dass jeder Mensch das Bedürfnis hat, sich als Verursacher von Veränderungen

seiner Umwelt wahrzunehmen. Hierdurch entstehen Gefühle von Kompetenz und eigener

Wertigkeit, so dass der Selbstwert des Menschen positiv beeinflusst wird. Dagegen kann der

Verlust von Kontrolle schwerwiegende negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden haben,

gemäß der „Theorie der gelernten Hilflosigkeit“ (Seligman 1975; S.228ff.;

Abramson/Seligman/Teasdale 1978; S.49ff.) entwickeln sich als Folge einer fehlenden

Kontrollwahrnehmung und einer längeren Phase des Ausgeliefertseins bei Anlegern z.B. im

Umfeld von Vertrauensverlust in das gesamte Finanzsystem drei Beeinträchtigungen: (1) Das

Kontrollbedürfnis lässt nach, (2) die Fähigkeit nimmt ab, Wirkungszusammenhänge zu

erkennen und (3) es entsteht Furcht und Angst, die mit zunehmender Erkenntnis über die

Unbeeinflussbarkeit in Depression und Resignation übergehen kann.

(Osnabrügge/Stahlberg/Frey 1985, S. 138) Bezogen auf das Anlegerverhalten bedeutet dies,

dass sich Anleger, die die Erfahrung machen mussten, dass Börsen unkontrollierbar sind,

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zurückziehen, ihre Positionen z.T. überstürzt verkaufen und dem Aktienmarkt für eine längere

Zeit fernbleiben. (Bungard/Schulz-Gambard 1990, S.156)

Dieses Szenario des Kontrollverlustes, in dem die Bankkunden in ihrer Eigenschaft als

Marktakteure erkennen, dass sie die im Investitionszeitpunkt angenommene Kontrolle über

die ihre Wertpapiere betreffende Marktentwicklung tatsächlich nicht ausüben können,

sondern einer Kontrollillusion aufgesessen sind und deutliche Vermögenseinbussen

hinnehmen mussten, kann zu schwerer Frustration und Verunsicherung bis hin zu

existenzieller Angst, wenn nicht Panik führen. (Miller/Norman 1979, S.93 ff.; Sauer / Müller

1980, S.2ff. sowie Goldberg / v. Nitzsch 2000, S.119ff.)

Nach einer Studie von Isabelle Mansuy et al. vom Neuroscience Center an der ETH Zürich

(2008) werden Erinnerungen an traumatische Erlebnisse, wie z.B. massiver Vermögensverlust

oder Existenzangst im Zusammenhang mit Arbeitsplatzunsicherheit, gegenüber alltäglichen

Erlebnissen im Gehirn derart abgespeichert, dass sie latent vorhanden sind und das Verhalten

des Betroffenen lebenslang beeinflussen können. Nach Mansuy können traumatische

Erlebnisse zwar von positiven Erlebnissen in den Hintergrund gedrängt werden, jedoch

werden sie niemals komplett vergessen. Derart sensibilisiert, reichen einschlägige Auslöser,

um alte Ängste wiederaufleben zu lassen und Handlungsweisen zu beeinflussen. Diese „Post

Traumatic Stress Disorder PTSD“, häufig beobachtet bei Kriegsveteranen und

Unfallopfern, ist nach Malmendier und Nagel (2006) auch bei Personen anzutreffen, die einen

finanziellen Schock erlitten haben. Hiernach zeigten Investoren, die den Börsencrash 1929,

die Weltwirtschaftskrise oder die Krise der 1970er Jahre miterlebt haben, über ihren

Lebenslauf höhere Risikoaversion und geringere Investitionen in risikobehaftete Assets als

andere Anlegergruppen.

Zu den beschriebenen Anlegererfahrungen erklärt der Neurobiologe Gerald Hüther: „Massive

Verluste an der Börse hinnehmen zu müssen ist dem Verlusterleben im privaten Bereich

sehr ähnlich, zum Beispiel, wenn ein lieber Mensch Sie verlässt, Ihnen mit der Entlassung

gedroht oder Ihnen die Diagnose einer bedrohlichen Erkrankung mitgeteilt wird. Dann ändert

sich schlagartig etwas in Ihrem ganzen Körper.“ (Hüther 1997) So erzeugen massive

Kursverluste enormen Streß, der oft zu panikartigen und willenlosen Verkäufen führt. (Imhof

2001) Zur Rückgewinnung der verlorenen Kontrolle wenden sich Kunden häufig an ihren

jeweiligen Bankberater, der scheinbar bzw. erwartungsgemäß noch die Kontrolle hat, zudem

als Anleger Gleichgesinnter ist. Der Anlegerkunde ist dann nicht mehr allein, denn durch den

Meinungsaustausch zum Marktgeschehen entsteht eine „Illusion of validity“, die das

Kontrollgefühl wiederherstellen kann. Gelingt dies dem Anleger nicht, gewinnen wiederum

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die oben beschriebenen Reaktionsmuster wie Streß und Panik die Oberhand. (Goldberg /v.

Nitzsch 2000, S.119ff.)

So sehen sich Bankmitarbeiter insbesondere in extremen Marktphasen einer Vielzahl von

Anlegern und Kunden gegenüber, die durch die Marktgeschehnisse in der Finanzkrise geprägt

sind von Verunsicherung und Ängsten aufgrund kognitiver Dissonanzen, Kontrollverlust und

Verlust- bzw. Regretaversion, wie folgendes Beispiel verdeutlicht:

„Irene arbeitet in einem Risikojob. Sie ist Bankerin. In Griechenland. Das sagt eigentlich alles

in diesen Tagen. 'Was ich derzeit empfinde, kann ich mit einem einzigen Worte beschreiben:

Unsicherheit', sagt die 37-Jährige, während sie hinter dem Schreibtisch einer Athener Filiale

der zweitgrößten Bank des Landes, Alpha Bank, sitzt. 'Das geht nicht nur mir so, sondern all

meinen Kollegen – genauso wie den Kunden.'

Jeden Tag fragen Kunden Irene um Rat, weil sie nicht wissen, was sie angesichts Finanzkrise

mit ihrem Geld tun sollen. Für die Bankangestellte ist das jedes Mal ein Balanceakt: Im

Interesse ihres Arbeitgebers muss die Verunsicherte Sicherheit vermitteln – und will

andererseits auch keine falschen Ratschläge geben.“ (HB, 28.10.11, S. 64: Erstarrung: Der

schleichende Bank-Run)

Die allgemein belastete und stressauslösende Situation der Bankangestellten durch die Krise

der eigenen Branche wird somit durch die erhöhte Frequenz, Emotionalität und Intensität der

Kundengespräche noch verstärkt. Häufig führt die oben beschriebene Realisierung von

Verlusten, die zudem in Panikphasen oft auf niedrigstem Kursniveau stattfindet, bei den

Kunden zu Frustration und Folgestreß, wenn sich die Kurse wieder erholen, die eigenen

Verluste festgeschrieben sind und somit aufgrund situationsbedingter gestiegener

Risikoaversion keine Partizipation an der Erholung stattfindet. Dies kann für Bankmitarbeiter

zu einer Ausweitung der psychologischen Belastung bzw. zu einem emotionalen Zwiespalt

führen, wenn sie selbst als Anleger an der Börse engagiert und von den Kurseinbrüchen

betroffen sind, ggf. sogar in Form ihrer Altersvorsorge, die über Optionspläne in Aktien des

arbeitgebenden und nun von der Finanzkrise betroffenen Bankinstitutes aufgebaut wurde.

Zudem erschwert die emotionale Belastung die Gespräche des Bankmitarbeiters mit seinen

Kunden z.T. erheblich, wodurch wiederum die Erfüllung der vom Arbeitgeber gesetzten

Erwartungen und Ziele gleichermaßen wesentlichen Belastungen unterliegt. Bleibt der

Bankangestellte nun weit hinter den gesteckten Vorgaben zurück (Kategorisierung als sog.

„Low-Performer“), führt dies in einem von Arbeitsplatzabbau geprägten Umfeld häufig auch

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zu einer zunehmenden Gefährdung seines Arbeitsplatzes. In dieser Konstellation liegt ein

maßgebliches Dilemma und Streßszenario für Bankmitarbeiter in Bankenkrisen

begründet.

5.4 GRATIFIKATIONSKRISE UND IMPLIZITER PSYCHOLOGISCHER VERTRAG

Johannes Siegrist beschreibt in seinem Modell der „Gratifikationskrise“, dass die

Ermangelung von angemessener Belohnung für außerordentlichen Einsatz im Arbeitsumfeld,

z.B. in Form von Arbeitsplatzsicherheit, und die damit einhergehende starke psychologische

Belastung zu psychischen und psychosomatischen Erkrankungen führt. Die Folge dieser

wahrgenommenen bzw. erlebten „effort-reward-imbalance at work“ (ERI) sind die lang

anhaltenden Aktivierungen des sympathoadrenergen Systems, die sowohl die Entwicklung

von Risikofaktoren als auch strukturelle Veränderungen in Herzmuskel und

Herzkranzgefäßen beschleunigen können. (Siegrist, 1996a, S. 27ff.; s.u.: Allostase und

Allostatic Load) So gilt die Gratifikationskrise mittlerweile als „nachgewiesener und

gefährlicher Risikofaktor für koronare Herzkrankheiten und Herzinfarkt: Beschäftigte, die

von einer Gratifikationskrise betroffen sind, haben ein um den Faktor 2,15 erhöhtes Risiko,

irgendwann einen Herzinfarkt zu erleiden.“ (DAK Gesundheitsreport 2012, S. 110) „Dabei

werden berufliche Gratifikationskrisen von den Betroffenen über einen längeren Zeitraum

erfahren. Diese Tatsache begründet sich aus drei wesentlichen Aspekten:

1) Abhängigkeit

Der Beschäftigte findet auf dem Arbeitsmarkt keine Alternative und zieht ein unfaires

Beschäftigungsverhältnis dem Arbeitsplatzverlust vor.

2) Strategische Entscheidung

Der Beschäftigte akzeptiert ein Ungleichgewicht aus Verausgabung und Belohnung, um seine

zukünftigen Karrierechancen zu verbessern („antizipatorisches Investment“)

3) Übersteigerte Verausgabungsneigung

Der Beschäftigte weist ein motivationales Muster exzessiver Leistungsbereitschaft auf,

wodurch die investierte Verausgabung die erhaltene Belohnung häufig übersteigt“ (Siegrist,

2007, S.9 / 2009, S.13).

Im erweiterten Blick steht die Gratifikationskrise zudem in unmittelbarem Zusammenhang

mit der Verletzung des „Impliziten (Psychologischen) Vertrages“ zwischen Arbeitgebern

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und Arbeitnehmern z.B. durch den Abbau von Arbeitsplatzsicherheit und wahrgenommener

konditioneller Verschlechterung:

„Während der Arbeitsvertrag die vermögensrechtliche Austauschbeziehung (Arbeitsleistung

gegen Entgelt) beschreibt, beinhaltet der implizite Vertrag ein zusätzliches, implizit

wahrgenommenes Versprechen, das nicht schriftlich fixiert ist. Implizite Verträge beschreiben

unabhängig von den gegenseitigen juristischen Verpflichtungen die wechselseitigen

Erwartungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Insofern ergänzen sie den formalen

Arbeitsvertrag, der die zu erbringende Leistung zwischen den Vertragspartnern nur

unzureichend regelt.“ (Minssen/Wehling 2009)

Im Abbau von langjährigen Mitarbeitern, wie er sowohl in der aktuellen Bankenkrise, als

auch in den Krisen der 1873 und folgenden sowie der 1920er/30er Jahre anzutreffen ist,

finden sich für die Verletzung des impliziten Vertrages passende Beispiele. So müssen

Bankangestellte erkennen, daß sie insbesondere in der Bankenkrise, oft sogar trotz

jahrzehntelanger und vom Mitarbeiter mit Werten wie „Treue und Loyalität“ gegenüber dem

Arbeitgeber verbundener Arbeitsverhältnisse, u.a. wegen Spekulation, Mißmanagement bzw.

zugunsten von Kostensenkungsmaßnahmen enttäuscht werden.

In der Stabilisierung nach der Inflationskrise ab 1925 sorgten insbesondere die Entlassungen

von Bankbeamten mit Familie bzw. mit langjähriger, vereinzelt bis zu 37jähriger

Betriebszugehörigkeit (und damit in höheren Gehaltsstufen angekommen) für Aufruhr im

Publikum und bei den Gewerkschaften. „Nichts zeigte deutlicher als die Kündigung des

Stammpersonals, wie sehr die Ideale der Lebensstellung und der Betriebstreue an Wert

verloren hatten. [...] Die Kündigung altgedienter Beamter kam in den Augen vieler

Bankangestellter einem Verrat gleich.“ (Thamm 2006, S.166) Es erscheint der Umstand

besonders tragisch bzw. fatal, daß in dieser Situation emotional „viele Bankangestellte daran

festhielten, dem Staatsbeamtentum nach Rang und Bedeutung ihres Berufes nahe zu kommen,

obwohl die Entlassungen der Stabilisierungszeit am privatrechtlichen Charakter ihres

Arbeitsverhältnisses keinen Zweifel gelassen hatten.“ (Dittrich 1939, S. 12) Nahezu 20% aller

Bankmitarbeiter hatten Beamte zu Vätern, unter ihnen überproportional viele Angehörige des

gehobenen oder höheren Dienstes. Die Berufswahl der Beamtensöhne hatte sich vielfach

daran orientiert, im Bankwesen eine adäquate Stellung zu finden, die ebenso sicher und

auskömmlich war wie die des Vaters. Ihr Selbstbild als Bank-'Beamte', der Glaube an

geregelte Karrieren und die geringe Bereitschaft, Einbußen bei Status und Gehalt

hinzunehmen, waren für diese Bankangestellten Teil eines verinnerlichten Wertesystems. Ihre

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Enttäuschung über die andersartigen Erfahrungen seit Kriegsende war entsprechend tief.

(Stillich 1916, S. 403, 407f./ Janberg 1958, S. 23f.)

Diese Wahrnehmung einer Verletzung des impliziten Vertrages wurde bzw. wird von

betroffenen Mitarbeitern häufig als Betrug interpretiert und löst(e) emotionale

Stressreaktionen wie Ärger, Frustration, Motivationseinbruch und Verbitterung aus.

(Bernhard/Kruppe 2007) Mit steigender Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes entstehen

zudem Ärger und Wut gegenüber der Unternehmensleitung, wodurch auch das Vertrauen in

diese Schaden nimmt.

5.5 ÜBERNAHMEN, FUSIONEN, RETTUNGEN - STRESSOR UMSTRUKTURIERUNG

In 2007 warnte der Privatkundenchef der Hypovereinsbank Willibald Cernko davor, „Kunden

und Mitarbeiter durch permanent neue Konzepte zu verunsichern. Es dauert drei oder gar fünf

Jahre, bis eine neue Privatkundenstrategie Früchte trägt. Man muß uns auch Zeit lassen,

Konzepte umzusetzen.“ (HB, 21.11.07, S. 31: Banken drohen weitere Einsparungen,

Frankfurt)

Bereits durch den radikalen Umbau von internen Unternehmensstrukturen erhöht sich das

Risiko der Erkrankung von Mitarbeitern an Schlaflosigkeit und Depressionen, wie eine

aktuelle Studie des dänischen Ökonomen Michael Dahl, Universität Aalborg, belegt. Hierbei

verbindet Dahl drei verschiedene Datenquellen:

Die Datenbasis bildet eine Umfrage des dänischen Statistikamtes unter 1500 Leitern dänischer

Großunternehmen, die u.a. beantworteten, ob, in welchem Umfang und wie ihre Firma in

einem zweijährigen Betrachtungszeitraum umstrukturiert wurde. Diese Ergebnisse verknüpfte

Dahl mit weitreichenden anonymisierten Sozialversicherungsdaten über 93.000 Beschäftigte

der befragten Unternehmen sowie ihren Krankengeschichten aus einer Datenbank des

dänischen Gesundheitswesens. Dahl konnte sich so einen Einblick darüber verschaffen, für

welchen einzelnen der betrachteten Arbeitnehmer zwischen 1995 und 2003 Schlafmittel oder

Antidepressiva verschrieben worden sind.

Das Ergebnis der Studie zeigt, daß in Unternehmen, in denen interne Umstrukturierungen z.B.

auf Basis von Strategie- oder Zielveränderungen vorgenommen wurden, die Anzahl der

Mitarbeiter, die o.g. Medikamente einnahmen, deutlich anstieg. Dieser Effekt war umso

stärker zu beobachten, je tiefgreifender und radikaler im Unternehmen verändert wurde. Dahl

hält die Erkenntnis über diesen direkten Zusammenhang fest und erklärt, daß „grundlegender,

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breit angelegter organisatorischer Wandel deutlich negative Folgen für das Personal“ haben

kann, unabhängig von Alter, Geschlecht oder familiärer Situation. „Derartige Veränderungen

in der Unternehmensorganisation gehen einher mit der Auslösung von negativem Stress und

signifikanten Gesundheitsrisiken für die Mitarbeiter der betroffenen Unternehmen.“ (Dahl

2010)

Auch der DAK-Gesundheitsreport 2012 fokussiert auf der Suche nach möglichen

Belastungsfaktoren von Mitarbeitern Zusammenhänge zwischen Trends bzw. Veränderungen

in der Arbeitswelt und Arbeitsstress. Hierfür wurde die Verbreitung von Zielvereinbarungen,

die Häufigkeit und Schnelligkeit des Wandels, (etwa in Form der viel beklagten ständigen

Umstrukturierungen) sowie die Flexibilisierung von Arbeitszeiten und Arbeitsorten

untersucht. Ein sich mehr und mehr beschleunigender Wandel, v. a. in Form von immer

wiederkehrenden Unternehmensumstrukturierungen steht im Verdacht, Arbeitsbedingungen

ungünstig zu beeinflussen. Im Extremfall sehen sich die Beschäftigten mit fortlaufenden

Reorganisationsprozessen konfrontiert – die nächste Reform setzt bereits ein, wenn die letzte

noch nicht abgeschlossen ist. Abteilungen werden neu zugeschnitten und ganze

Unternehmensteile können zur Disposition stehen. Sind Beschäftigte hiervon im Übermaß

betroffen, kann dies als Belastung empfunden werden, weil das Bedürfnis nach Stabilität und

Zugehörigkeit nicht erfüllt wird und weil erreichte Verdienste sich nicht zu einem immer

sicherer werdenden Status im Betrieb summieren. In der DAK-Studie wurde daher nach

wesentlichen Umstrukturierungen im unmittelbaren Umfeld der Befragten in den

letzten zwei Jahren gefragt:

Knapp die Hälfte der Befragten war in den letzten zwei Jahren von wesentlichen

Umstrukturierungen betroffen. Die folgende Abbildung zeigt den Anteil der Beschäftigten mit

Gratifikationskrise, je nachdem ob sie mit Umstrukturierungen konfrontiert waren oder

nicht. Wer in den letzten zwei Jahren wesentliche Umstrukturierungen in seinem

unmittelbaren Arbeitsumfeld erlebt hat, weist doppelt so häufig eine Gratifikationskrise auf

(12 Prozent) wie jemand, der nicht von einer Umstrukturierung betroffen war (6 Prozent).

(DAK Gesundheitsreport 2012, S. 81ff.)

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Abb. 24: Anteil der Beschäftigten mit Gratifikationskrise

Quelle: DAK Gesundheitsreport 2012, S. 105

Da Bankenkrisen wie dokumentiert maßgeblich gekennzeichnet sind von Umstrukturierungen

in Form von Fusionen und Übernahmen im Finanzsektor (historische Belege hierzu finden

sich u.a. im Anhang I anhand diverser Zitate von Bankvorständen), kann somit konkludent

davon ausgegangen werden, daß insbesondere Mitarbeiter von Finanzinstituten ausgelöst

durch die Krise ihrer Branche verstärkt einer persönlichen Gratifikationskrise

ausgesetzt sind und waren, mit allen sich hieraus ergebenden Folgen und Konsequenzen.

Diese Folgen von Gratifikationskrisen stellt der DAK Gesundheitsreport 2012 wie folgt dar:

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Abb. 25: Folgen von Gratifikationskrisen

Quelle: DAK Gesundheitsreport 2012 / IGES Institut GmbH

So ist es schlüssig, daß gerade im krisengeschüttelten Finanzsektor mit seinen seit

Ausbruch der Verwerfungen in 2007, aber auch in den Krisen um 1873 und 1929 zu

beobachtenden und von Bankvorständen angekündigten Fusionen, Übernahmen und

Umstrukturierungen verstärkt Symptome wie Depressionen und Ängste unter

Bankmitarbeitern auftreten bzw. auftraten. Ein Hinweis auf diesen Effekt findet sich u.a.

in einem Beitrag von R. Luther im „Berliner Lokal-Anzeiger“ vom 24. Februar 1932 vor dem

Hintergrund der seinerzeitigen Großbankenfusionen:

„Die deutsche Bankangestelltenschaft ist in den letzten acht Jahren aus der Angst vor dem

Abbau nicht herausgekommen. Es ist schwer, einen Begriff davon zu geben, wie

ungeheuerlich sich dieser dauernde Druck auf die seelische Verfassung der Angestellten

auswirkt, die Jahrzehnte hindurch ihrem Institut treu gedient haben und nun beinahe täglich

erwarten müssen, der völligen Hoffnungslosigkeit ausgeliefert zu werden.“ (Luther 1932)

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Der gewerkschaftliche „Allgemeine Verband“ konstatierte 1931 „eine Entwicklung vom

konservativen, seßhaften, in die Pensionierung automatisch hereinwachsenden Bankbeamten

zum modernen, unsteten, flüchtigen, gehetzten und rationalisierten, durch Deflation und

Rationalisierung dezimierten Bankangestellten des vierten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts“

(Weihe 2006, S. 80f.)

In dieses Szenario erhöhter Belastungen fügen sich beispielsweise die Mitarbeiter der

Deutschen Bank und der Disconto-Gesellschaft angesichts ihrer Fusion zur „DeDi“- bzw.

„D.D.-Bank“ ein, die Ende September 1929 auf den jeweiligen Generalversammlungen

beschlossen wurde. Allein „auf betrieblicher Ebene konnte das Zusammengehen der beiden

Banken nicht harmonisch vonstatten gehen. Organisatorische Prinzipien, institutstypische

Arbeitsabläufe und eine oft erst rückblickend deutlich werdende Unternehmenskultur wurden

zu Glaubenssätzen. Die Angst, von den neuen „Kollegen“ aus dem zuvor rivalisierenden

Institut verdrängt zu werden, war nicht unbegründet.“ (Thamm 2006, S. 138f.) Das

Konfliktpotential der beiden Mitarbeiterstämme wurde durch die Fusion eher noch erhöht. Ein

Direktor berichtete: „Nach der Fusion hat sich keineswegs die Harmonie so einfach herstellen

lassen.“ Die Disconto-Leute hätten sich „als etwas Besonderes gefühlt, auf Grund ihrer

Gehälter, ihrer Pensionsansprüche und ganz anderen Arbeitsweise.“ (Weihe 2006, S. 80)

„Entsprechendes galt auch für die Fusion von Dresdner Bank und Danatbank nach der

Bankenkrise 1931. Die Danatbank hatte als straff und mit kaufmännischem Instinkt geführt

gegolten. Viele Mitarbeiter der in der Dresdner Bank aufgegangenen Bank waren schockiert

über das unrühmliche Ende der Danatbank und fühlten sich gegenüber ihren neuen Kollegen

zurückgesetzt.“ (Meyen 1992, S. 94 in: Thamm 2006, S. 139)

Schon aus zeitgenössischen Beiträgen des Jahres 1904 geht hervor, daß Übernahmen wie die

des traditionsreichen Berliner Bankhauses R. Warschauer & Co. durch die Darmstädter Bank

bei Bankangestellten ihr Ideal der Lebensstellung in Frage stellten und bei vielen die Angst

vor beruflicher Stagnation und Arbeitslosigkeit weckten. (Thamm 2006, S. 43) Derartige

Ängste und Ungewissheit der Angestellten sprechen auch aus den folgenden aktuellen

Berichten des Handelsblattes. Exemplarisch für die Branche und stellvertretend für diverse

internationale Verschmelzungen und Umstrukturierungen vor dem Hintergrund der

anhaltenden Finanzkrise wurden hier Beiträge zur WestLB, zur Postbank und zur Dresdner

Bank angesichts ihrer bevorstehenden Übernahme bzw. drohenden Zerschlagung ausgewählt.

Aus ihnen spricht die Angst und Ungewissheit der betroffenen Bankmitarbeiter, wie sie

allgemein in Bankenkrisen anzutreffen ist:

„Dann bin ich kein Kunde mehr.' Diesen Satz hat Sabine May (Name geändert) noch am Tag

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zuvor gehört - denn es ist ihr Job, sich um Anfragen und Reklamationen bei der Postbank zu

kümmern. Mit 'dann' meinte der Kunde den Verkauf der Bank. Und tatsächlich könnte Sabine

May ihm so einiges antworten. Etwa, dass auch sie sich nichts lieber wünscht, als dass die

Deutsche Post sich entscheidet, ihren Anteil an der Postbank nicht zu verkaufen. Dass sie seit

Monaten Angst um ihren Arbeitsplatz hat - wie so viele andere Kollegen um sie herum. Und

dass es lähmt, wie das Kaninchen vor der Schlange zu hocken und zu warten, bis sie zubeißt.

Stattdessen erklärt sie dem Kunden freundlich, dass ja noch nichts entschieden sei und er doch

bitte den über Jahre guten Service der Bank bedenken solle.

Seit November vergangenen Jahres denkt die Post laut darüber nach, ob sie ihre Mehrheit von

50 Prozent und einer Aktie an der Postbank verkaufen soll. Einen sogenannten Datenraum, in

dem sich potenzielle Käufer die Bücher der Postbank anschauen können, richtet sie gerade

ein. So schwindet die Hoffnung der Postbanker, im wohligen Schoß der Deutschen Post zu

bleiben, mit jedem Tag. 'Jeder rechnet mittlerweile damit, dass verkauft wird', sagt May mit

einem traurigen Lächeln. 'Und jeder denkt im Moment an sich, wie er seinen Status erhalten

kann.' Namen wie 'Drecompost' für ein Dreiergebilde aus Dresdner, Commerz- und Postbank

machen auf den Fluren der Postbank die Runde. Besonders in den Filialen ist die Unsicherheit

groß. 'Die Dresdner Bank hat viel schönere Filialen - da können unsere doch gut zugemacht

werden', heißt es hinter vorgehaltener Hand sarkastisch. Gewerkschaften und Betriebsrat

wollen vor allem eine 'Drecompost' verhindern. 'Wir sind gegen einen Verkauf, aber vor allem

sind wir gegen das drohende Dreierbündnis, das einen massiven Personalabbau bedeuten

würde', sagt der Vorsitzende des Konzernbetriebsrats, Torsten Schulte.

'Im Moment dominieren Angst und Verunsicherung in der Postbank', beschreibt der Vize-

Vorsitzende der Kommunikationsgewerkschaft DPV, Karlheinz Vernet Kosik, die Stimmung.

'Die Beschäftigten spüren vor Ort Dinge, die auf den Verkauf hinlaufen.' So ziemlich jede

Neuorganisation verbinden die Postbanker – ob gerechtfertigt oder nicht – derzeit mit dem

Verkaufsprozess. Längere Öffnungszeiten, ein stärker leistungsabhängiges Weihnachtsgeld

für Beamte oder die Ausgliederung von Abteilungen in Postbank-Töchter wie etwa zum Juli

in das Betriebscenter für Banken (BCB). Alles, um die Braut aufzuhübschen? 'Da haben wir

schon zum Teil gedacht, aha, das machen die doch, um beim Verkauf besser dazustehen',

meint May. [...] Alles beim Alten zu lassen, ist da auch keine Option. Und so ist Postbankerin

May überzeugt: 'Wir können nicht damit rechnen, dass wir bleiben.' “ (HB, 12.6.2008, S.26:

Postbank: Wie die lange Diskussion über den Verkauf die Beschäftigten verunsichert. Die

Angst vor den Aussortierern, Nicole Bastian/Bonn)

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Einer ähnlichen Konstellation mit identischen Effekten sahen sich sich die Mitarbeiter der

Dresdner Bank ausgesetzt, die ihre über Jahrzehnte mit Stolz geführte Adresse angesichts

ihrer wirtschaftlichen Schieflage nun der Übernahme durch die Commerzbank preiszugeben

hatten. Viele Dresdner-Bank-Mitarbeiter konnten sich hierbei des Gefühls, persönlicher

Verlierer zu sein, nicht erwehren; und doch hofften die meisten auf Erhalt des Arbeitsplatzes

unter „neuer Fahne“ :

„Die Beschäftigten der Dresdner Bank kämpfen um die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze im Falle

einer Fusion. Seit Wochen laufen Unternehmenskreisen zufolge Verhandlungen mit dem

Management über einen Interessenausgleich im Zuge der geplanten Abspaltung des Privat-

und Firmenkundengeschäfts. Ziel der Arbeitnehmer ist es, betriebsbedingte Kündigungen für

die nächsten vier oder fünf Jahre auszuschließen. 'Das Management will hierüber bislang gar

nicht reden', heißt es im Arbeitnehmerlager. 'Aber wir können die Aufspaltung nicht ohne

eine Sicherheitsleine begleiten.' Die Furcht ist groß, dass im Zuge einer Fusion massiv

Arbeitsplätze gestrichen werden." (HB, 11.6.2008, S.1: Dresdner-Beschäftigte fordern Job-

Sicherheit, Frankfurt a.M.)

Hofften die Mitarbeiter von Postbank und Dresdner Bank auf Arbeitsplatzerhalt beim „alten

neuen“ Institut, hatten die Angestellten der WestLB angesichts ihrer drohenden Zerschlagung

und dem Jahre währenden Disput der Bankführung mit der EU-Aufsichtsbehörde das

Schreckgespenst einer Zerschlagung ihres arbeitgebenden Finanzunternehmens vor Augen:

„Mit Szenarien zur Zukunft der Landesbanken sind die Politiker schnell zur Hand, bei den

Mitarbeitern vor Ort lösen sie aber massive Ängste bezüglich der Arbeitsplatzsicherheit aus,

wie Doris Ludwig, Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats der WestLB, im Gespräch mit dem

Handelsblatt erläutert. 'Eine Fusion wird noch einmal ein bitterer Weg für die Beschäftigten.

Allerdings ist das aus unserer Sicht das kleinere Übel, wenn man die Alternativen vergleicht',

sagte sie. Ein mögliches Zusammengehen mit der BayernLB bewerteten die Beschäftigten

'zurückhaltend positiv. Bei einem Verkauf an Dritte, etwa einen chinesischen Investor,

befürchten wir dagegen eine Zerschlagung der Bank', ergänzte Ludwig. Wie bei allen

Fusionen stehe der Erhalt der Standorte bei den Beschäftigten im Vordergrund, zumal ein

Pendeln zwischen Düsseldorf und München nahezu unmöglich sei. 'Der Standort Düsseldorf

muss bleiben, es sollten auf mittlere Sicht mindestens 3 000 Jobs aufseiten der WestLB in

Deutschland erhalten bleiben. Aktuell sind es 3 500', konkretisiert die Betriebsratschefin der

WestLB ihre Forderung.

Spielball der Politik - Die Sorgen der Mitarbeiter haben sich vor dem aktuellen Hintergrund

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der angestrebten Fusion von BayernLB und WestLB verschärft. Nachdem die großen

Landesbanken von ihren Eigentümern – den Ländern und Sparkassen – in der Finanzkrise mit

milliardenschweren Garantien und Kapitalspritzen gerettet werden mussten, hat die EU-

Kommission im Gegenzug strengere Auflagen verhängt, die auch zum Verlust von

Arbeitsplätzen führen dürften.

Hans-Peter Burghof von der Uni Hohenheim glaubt allerdings, dass ein genereller

Stellenabbau kein Allheilmittel ist für die Banken: 'Wenn eine Fusion gut läuft, muss gar

nicht so viel abgebaut werden, wenn entsprechend viel Neugeschäft kommt.' Voraussetzung

dafür sei ein funktionierendes Geschäftsmodell. Jede Belegschaft verunsichert es, wenn sie

zum Spielball der Politik wird. Die WestLB liegt im Clinch mit der EU über neuerliche

Beihilfen. Hier erwartet die Belegschaft ein Machtwort des Bundes als Verhandlungsführer.

Die Bundesregierung solle sich jetzt klar zur Zukunft der WestLB äußern, meint

Betriebsratschefin Ludwig. Außerdem müsse die Spekulation um eine Abwicklung der Bank

aufhören. 'Hier müsste der Bund klarstellen, dass das nicht infrage kommt.' Die EU verfolgt

unterdessen weiterhin ihre harte Linie. EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia sagte

am Wochenende, die WestLB müsse möglicherweise mehr von ihrem Geschäft abtreten als

im Mai 2009 vereinbart. Die EU prüft derzeit, wie hoch die indirekten staatlichen Beihilfen

im Zusammenhang mit der Ausgliederung toxischer Wertpapiere in eine Bad Bank gewesen

sind. [...]“ (HB, 18.10.2010, S.30: Bei der WestLB geht die Angst um. In Düsseldorf fordern

die Mitarbeiter vom Bund klare Aussagen zur Zukunftsperspektive der Bank: Die EU denkt

derweil über schärfere Auflagen nach. Peter Köhler /Frankfurt)

Nach dem ,,Fehlzeitenreport“ des Wissenschaftlichen Institutes der AOK (WIdO) werden

gerade erst durch die Situation am Arbeitsplatz Depressionen, Ängste und andere emotionale

Leiden ausgelöst. Insbesondere anhaltender Personalabbau in Verbindung mit

Restrukturierungen „kann zu einer tiefgreifenden Verunsicherung der verbleibenden

Arbeitnehmer führen.“ Mitarbeiter in Betrieben mit Personalabbau sind in höherem Maße

gesundheitlich betroffen. „Vor allem psychische Erkrankungen werden durch Ängste vor

Arbeitsplatzverlust begünstigt.“ (Fehlzeitenreport 2005, WIdO, S.V f.)

5.6 STRESS IM BELASTETEN ARBEITSUMFELD UND GESUNDHEITLICHE FOLGEN

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„Pressure at the workplace is unavoidable due to the demands of the contemporary work

environment. Pressure perceived as acceptable by an individual, may even keep workers alert,

motivated, able to work and learn, depending on the available resources and personal

characteristics. However, when that pressure becomes excessive or otherwise unmanageable it

leads to stress. Stress can damage an employees' health and the business performance.“

(who.int - World Health Organisation)

Eine Vielzahl von arbeitsmedizinischen Studien hinsichtlich gesundheitlicher Auswirkungen

ergab, „dass zwischen Arbeitsplatzunsicherheit und dem Wohlbefinden der Beschäftigten eine

negative Korrelation besteht. Physische Gesundheitsbeschwerden, die psychische Belastung

und Auswirkungen der Arbeit auf die Freizeit nehmen tendenziell mit dem Ausmaß der

empfundenen Arbeitsplatzunsicherheit zu;“ (Fehlzeitenreport WIdO 2005, S. 72) „oftmals ist

die depressive Erkrankung mit dem Risiko des Verlustes der Arbeitsstelle verbunden.“ (DAK

Gesundheitsreport 2005, S. 57) Die zu beobachtende Zunahme psychischer Erkrankungen

erklärten Experten im Rahmen des DAK Gesundheitsreports 2005 (S.68) u.a. mit Streß durch

steigende Arbeitsbelastung, Angst vor Arbeitslosigkeit und steigender Zukunftsangst.

Hierzu kam bereits im Jahr 2002 eine Forschergruppe der Universität Stockholm über den

Einsatz von Metaanalysen zu der Erkenntnis, dass Arbeitsplatzunsicherheit schädigende

Folgen bei Arbeitnehmern hinsichtlich ihrer Gesundheit, ihrer Arbeitseinstellung und ihrer

Einstellung und Verhaltensweisen zum Arbeitgeber hervorrufen kann. Sie beschrieb die

Erscheinung als „subjektiv empfundene Antizipation eines fundamentalen und unfreiwilligen

Ereignisses.“ (Sverke et.al. 2002, S.242ff.) Nach einer grundlegenden Aussage der

Stressforschung stellt die Antizipation eines stressbelasteten Ereignisses eine ebenso

wichtige, möglicherweise sogar bedeutendere Ursache der Angst dar als das Ereignis

selbst. Dabei sind nach den Stresstheorien die wesentlichen Stressauslöser der

Arbeitsplatzunsicherheit die Unsicherheit an sich und die Ambiguität, d.h. die ungelöste

Frage, wie der Bedrohung des Arbeitsplatzes begegnet werden kann. (Marmot et al. 1991,

S.113ff.)

Die schädigenden Folgen allein durch die empfundene Bedrohung können das gleiche

Ausmaß erreichen wie die Folgen des eigentlichen, befürchteten Ereignisses, nämlich des

Arbeitsplatzverlustes. (Sverke et al. 2002, S.242ff. ; Cobb & Kasl, 1977, S.224)

Einen nicht zu unterschätzenden Anteil an diesem Effekt tragen die Medien, die mit

einschlägiger Berichterstattung bei (potentiell) Betroffenen entsprechende Unsicherheiten

auslösen bzw. forcieren, wie ein Artikel des Handelsblattes vom 28.11.2007 zeigt: „Offen ist

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derzeit noch, wie die Branche sich auf das Ende der goldenen Zeiten einstellt. So plant der

US-Bankenriese Citibank Kostensenkungen, Spekulationen zufolge sind damit Entlassungen

gemeint. Und auch hierzulande denken Banker erstmals seit langem wieder laut über

Stellenkürzungen nach. 'Ich glaube, dass wir auf der Kostenseite noch nicht durch sind', sagte

Commerzbank-Vorstand Achim Kassow vergangene Woche mit Blick auf die Branche in

Deutschland.“ (HB, 28.11.07, S. 28: Banken fürchten um Gewinne, Frankfurt)

Die genauen Ursachen für Streßschädigungen im beschriebenen Umfeld können je nach

individueller Situation unterschiedlich ausfallen: So sind es bei Managern und Unternehmern

häufig Faktoren wie Zusammenbruch der eigenen Ideale, Ehrverlust und narzistische Aspekte,

während bei Arbeitnehmern unterhalb des Top-Segmentes eher existentielle Sorgen wie

Arbeitslosigkeit, Finanznot und Perspektivlosigkeit zu psychosomatischen Beschwerden

führen. (Martin 2009) Insofern ist nach einem der Gründer der psychosomatischen Medizin,

Thure von Uexküll, zur Analyse des Zustands eines Patienten nicht nur das Zusammenspiel

zwischen körperlicher und seelischer Verfassung zu berücksichtigen, sondern es ist zudem

auch das jeweilige soziale Umfeld in einer ganzheitlichen und integrierten Betrachtung

(„psychophysiologische Ganzheit“) einzubeziehen. (Otte 2001, S.120)

Die konkreten gesundheitlichen Auswirkungen und Reaktionen der oben beschriebenen

emotionalen Belastungen und Stressempfindungen und auch Handlungsweisen wie

Präsentismus können weitreichend sein: Depressionen, Eßstörungen, Bluthochdruck,

Allergien, Burn-Out-Syndrom, dissoziative Störungen, Missbrauch von Alkohol und Drogen,

Magen-/Darm- und Herz-/Kreislaufbeschwerden bis hin zum Suizid. Dies bestätigt auch eine

Warnmeldung der Weltgesundheitsorganisation WHO vom Oktober 2008 mit der Aussage,

dass die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise zu einer Häufung von psychischen Krisen

und Suizidfällen führen könnte.

Zur besonderen Gesundheitsgefährdung durch die aktuelle Finanzkrise führt Dr. Eva

Mückstein, Präsidentin des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie, aus, dass

ihre wirtschaftlichen Folgen insbesondere bei armutsgefährdeten bzw. armen

Bevölkerungsgruppen die Erfüllung der menschlichen Grundbedürfnisse wie soziale

Integration, existentielle Sicherheit und die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung deutlich

erschweren. Die Folgen sind eine Häufung von Depressionen, Angst, gestörtem

Selbstwertgefühl, sozialem Rückzug und von Gewalt. Verschärft wird der Druck auf die

Identität des Individuums durch die Gefahr des Verlustes des Sozialprestiges und der sozialen

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Stellung in Verbindung mit Unternehmenskonkursen, damit einhergehend dem Verlust des

Arbeitsplatzes und Schulden. Diese Faktoren können, kulminiert mit allgemeinen bereits

vorhandenen Lebensproblemen, im Extremfall bis zum Suizid führen. (Medical Tribune

08/2009, Cobb & Kasl 1977, S.224) „Das hohe Risiko einer Selbsttötung besteht bei vielen

depressiv Erkrankten: etwa 40-70% aller Suizide erfolgen im Rahmen einer Depression in

Komorbidität mit Angst- und Panikerkrankungen.“ (DAK Gesundheitsreport 2005, S. 58) Der

Effekt einer steigenden Zahl von Selbstmorden in einem Umfeld wirtschaftlicher Not und

Arbeitslosigkeit wird bereits in historischen Statistiken wie z.B. in der Betrachtung der

Depression der Jahre 1891-93 aufgegriffen:

Tab. 13: Zahl der erfassten Selbstmorde 1890-1893

Quelle: Juraschek 1896, S. CXV

1929 beschrieb der amerikanische Bankier und Zeitzeuge James P. Warburg die Geschehnisse

um den Börsenkrach und den damit einhergehenden Vermögens- und Arbeitsplatzverlust am

25. Oktober, dem „Schwarzen Freitag“ wie folgt:

„Während des Zusammenbruchs des Aktienmarktes arbeiteten wir Tag und Nacht und

versuchten, so viele Kunden wie möglich zu halten. Tag für Tag wurden weitere

Maklerfirmen zahlungsunfähig. Zweimal habe ich Männer aus Fenstern der Wall Street

springen sehen. Andere erschossen sich, hatten Nervenzusammenbrüche oder Herzattacken.“

Am 30. Oktober desselben Jahres meldeten die Gazetten den Freitod der Bankiers Julius Zinn

in Kassel wegen geschäftlicher Schwierigkeiten seines nahezu hundertjährigen

Privatbankhauses Andre und Herzog, zwei Tage später folgte ihm der Berliner Bankier Max

Cunow wegen finanzieller Probleme. (Treue 1967, S. 63f.)

Vgl. auch Anhang I, S. 270: Beilage zur Bankbeamten-Zeitung Nr.8, 1930.

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Auch die aktuelle Finanzkrise forderte bereits mehrere Opfer aus dem Bankenbereich, so

nahmen sich beispielsweise im Dezember 2008 der CEO der drittgrößten Schweizer Bank

Julius Bär und im April 2009 eine führende Analystin des gleichen Hauses kurz nach Erhalt

ihrer Kündigung das Leben (finews.ch, 30.4.09). Weitere traurige Beispiele finden sich im

Zustandsbericht des Handelsblattes zum Bankensektor in 2008/2009, inmitten der

Finanzkrise:

„Mit der Prosperität der Geldbranche ist es vorbei, genau wie mit dem Selbstvertrauen der

Banker. Die 'Meister des Universums', wie Tom Wolfe die Geldmanager in seinem Roman

'Fegefeuer der Eitelkeiten' nannte, sind bescheiden und still geworden. Statt

Vermögensberater beschäftigen viele Banker inzwischen Schuldenberater. Im Boom haben

sich viele finanziell übernommen und luxuriöse Häuser und schnelle Autos mit hohen

Krediten finanziert. Jetzt streichen die Banken die Boni radikal zusammen, und die

Großverdiener von einst müssen ihren Lebensstil ebenso radikal überdenken. Davor sind auch

die Superreichen nicht gefeit. Im September pfändeten Banken die Villa des Finanziers

Robert Bonnier. Mit elf Mill. Pfund Kaufpreis war es das teuerste Haus, das je auf der Insel

zwangsversteigert wurde. Der 38-Jährige hatte nur vier Millionen bar gezahlt. Für den Rest

hatte er eine Hypothek aufgenommen, die nun geplatzt ist.

Aber es geht längst nicht mehr nur um Geld und verschwundenen Reichtum, sondern für viele

Banker um die nackte Existenz. Rund um den Globus hat die Krise bislang etwa 150 000 Jobs

in der Finanzbranche gekostet. Volkswirte befürchten aber, dass das erst der Anfang ist. Nach

ihren Schätzungen könnten allein in London im kommenden Jahr noch einmal 40 000 Stellen

im Geldgewerbe wegfallen. Derzeit arbeiten in der City noch 340 000 Menschen. Aber nicht

nur in den Banken sind Jobs in Gefahr. In der gesamten Londoner Wirtschaft könnten durch

die Folgewirkungen der Krise mehr als 190 000 Stellen auf dem Spiel stehen.

'Das Schlimme ist, dass alle, die jetzt ihren Job verlieren, wissen, dass es extrem schwierig

wird, einen neuen zu finden', klagt ein Banker, dessen Arbeitgeber gerade eine neue

Entlassungsrunde angekündigt hat.

Für manche wird der Druck einfach zu groß. So wie für jenen jungen Banker, der Anfang des

Jahres für traurige Schlagzeilen sorgte. Der begabte Mathematiker stieg nach dem Studium als

Händler bei einer Schweizer Großbank ein, zunächst mit großem Erfolg. Doch dann begannen

die psychischen Probleme; der Aufsteiger fühlte sich plötzlich von 'Milizen' verfolgt und

wurde in eine geschlossene Abteilung eingewiesen. Einige Wochen nach der Entlassung

stürzte sich der junge Banker im Kokain-Rausch von einem Londoner Hoteldach in den Tod.

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Seine Familie glaubt, dass der Druck im Job ihn Zuflucht bei Drogen und Alkohol suchen ließ

und dass es der Stress war, der den Händler am Ende in den Wahnsinn trieb. Der 26-Jährige

sei das erste Selbstmordopfer der Kreditkrise, schrieb damals die Zeitung 'Evening Standard'.

Es sollte nicht der einzige Tote bleiben.

Vor wenigen Wochen warf sich Kirk Stephenson vor den Zug, der ihn eigentlich an seinen

Arbeitsplatz nach London bringen sollte. Sein Tod erschüttert die City. Stephenson war einer

der Vorstände des Finanzinvestors Olivant. Die Firma hatte durch Fehlinvestitionen in

Banken zuletzt dreistellige Millionenbeträge verloren. Stephenson selbst hatte keine

Schulden, nur Kummer. Die nicht abebben wollenden Entlassungswellen bedeuten für viele

Banker, die es bislang gewohnt waren, zur Elite zu gehören, einen Fall ins Bodenlose. Kein

Wunder, dass Psychologen und Therapeuten Hochkonjunktur haben. 'Der mörderische

Wettbewerbsdruck führt nicht selten zu Panikattacken mit körperlichen Symptomen wie

Schwindel, Atemnot und Schweißausbrüchen', erzählt eine Therapeutin. Die Existenzangst

raubt den Geldmanagern den Atem.“ (HB, 23.12.08, S. 15: Das Leiden fängt gerade erst an,

Dirk Heilmann, Michael Maisch / London)

Da die geschilderten Situationen und Vorgänge keine Einzelfälle darstellten, widmete das

Handelsblatt einen weiteren Beitrag über Bankmitarbeiter, die im Zusammenhang mit den

Belastungen und Unsicherheiten aus der Finanzkrise bis in den Tod getrieben wurden:

„Anjool Malde starb mit einem Glas Champagner in der Hand. Am Sonntag, dem 5. Juli zog

sich der junge Sales-Händler der Deutschen Bank seinen besten Anzug an und machte sich

auf den Weg in Richtung 'Coq d'Argent', einem der beliebtesten Restaurants im Herzen der

Londoner City. An der Bar kaufte sich Malde ein Glas Champagner, dann kletterte er über die

Balustrade der Dachterrasse und sprang in den Tod.

Ein tragischer Fall, der seit Wochen für Schlagzeilen in der britischen Presse sorgt. Malde

fürchtete offenbar, dass er seinen Job verlieren würde, wie so viele in diesen Tagen. Es wäre

der erste Rückschlag für den 24-Jährigen gewesen, der erste hässliche Kratzer einer ansonsten

so makellosen Karriere, der erste Riss in der glamourösen Fassade eines Banker-Lebens.

Maldes Lebenslauf ist typisch für so viele der ehrgeizigen jungen Erfolgsmenschen, die ihr

Glück in der City suchen, und deren Traum von Ruhm und schnellem Geld von den

Verwerfungen der Finanzkrise zerstört wurde. Mit 17 das erstklassige Abitur, mit 20 den

Studienabschluss der Eliteuni Oxford in der Tasche, mit 21 der Einstieg in den Aktienhandel.

Weil das alles noch nicht reicht, zieht Malde mit ein paar Freunden die Firma 'Alphaparties'

auf, die schicke Feiern im noblen Londoner Westend organisiert. Für seinen 25. Geburtstag

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hatte der Sohn eines Psychologen und einer Lehrerin seine Freunde bereits in die Champagner

Bar 'Amuse Bouche' im Vergnügungsviertel Soho eingeladen. Aber die Aussicht, ihnen dort

gestehen zu müssen, dass er gerade seinen Job bei der Deutschen Bank verloren hat, war

offenbar zu viel für den erfolgsverwöhnten Aufsteiger.“ (HB, 20.7.09, S.23: Finanzkrise: Eine

Serie von Selbstmorden erschüttert die Londoner Bankenszene: Die Angst, der Tod und die

City, Michael Maisch/ London)

Wie das Handelsblatt weiter herausstellt, sei die Selbstmordrate in der Finanzbranche seit

jeher hoch, und die Finanzkrise habe die Zahl der tragischen Fälle noch einmal in die Höhe

schnellen lassen. Vor allem die Angst vor dem Verlust ihrer prestigeträchtigen und lukrativen

Jobs treibe immer mehr Banker in die Verzweiflung. Zum Glück gingen die wenigsten so

weit wie der junge Händler der Deutschen Bank. Aber Psychologen und Therapeuten hätten

so viel Zulauf von Kunden aus der Finanzindustrie wie noch niemals zuvor. Viele Banken

böten Angestellten, denen die Belastung ihres Jobs über den Kopf zu wachsen droht,

Unterstützung an, berichtet das Wirtschaftsblatt weiter. Aber diese Hilfsangebote seien

freiwillig, und die Angst, Schwäche einzugestehen und von der Karriereleiter zu fallen, sei

groß. Entsprechend hoch liege die Hemmschwelle. Deshalb sähen sich viele lieber

anderweitig nach psychologischer Unterstützung um, oft käme der Antrieb dazu aus der

eigenen Familie. „'Viele Banker definieren sich fast ausschließlich über ihre Arbeit, und

berufliche Niederlagen passen bei den meisten einfach nicht ins Selbstbild', sagt eine

Therapeutin, die ihre Praxis am Rand der Londoner City betreibt. 'Je erfolgreicher die

Karriere verläuft und je höher der Bonus ausfällt, desto größer wird in der Krise bei vielen die

Angst, plötzlich alles zu verlieren.' Irgendwann lasse sich die Furcht, dass bei der nächsten

Entlassungsrunde auch der eigene Job an der Reihe ist, nicht mehr vertreiben. 'Am Ende kann

die Existenzangst zu regelrechten Panikattacken mit körperlichen Symptomen wie Schwindel,

Atemnot und Schweißausbrüchen führen', erzählt die Therapeutin. Umfragen zeigen, dass

rund 20 Prozent aller 20- bis 30-Jährigen im Finanzsektor unter Depressionen oder

Angstzuständen leiden. Für manche wird der Druck am Ende zu groß. [...]

Kaum ein Selbstmord erschütterte die City bislang so sehr wie der von Anjool Malde. Das

eigentlich tragische am Fall des jungen Händlers: Wahrscheinlich hätte er seinen Job gar nicht

verloren. Malde soll im Internet einen seiner Kunden veräppelt haben. Die Deutsche Bank

leitete daraufhin eine interne Untersuchung ein und schickte Malde am Freitagnachmittag vor

seinem Tod früher nach Hause. 'Er war weder entlassen noch suspendiert', sagt ein Sprecher

der Bank. Doch über das Wochenende müssen die Angst und die Ungewissheit so lange an

Malde genagt haben, bis er keinen Ausweg mehr sah. Wahrscheinlich wäre er mit einer

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Verwarnung davongekommen.“ (HB, 20.7.09, S.23: Finanzkrise: Eine Serie von

Selbstmorden erschüttert die Londoner Bankenszene: Die Angst, der Tod und die City,

Michael Maisch/ London)

Ein allgemeiner sprunghafter Anstieg der Selbstmordrate im Rahmen bzw. als Folge der

Finanzkrise ist nach einer aktuellen Studie von Martin McKee, Professor für Europäische

Gesundheitswissenschaften an der London School of Hygenie & Tropical Medicine

insbesondere in den Ländern zu beobachten, deren Bankensystem und Wirtschaft besonders

unter der Krise zu leiden haben. So stieg die Selbstmordrate in Griechenland in 2011 im

Vergleich zum Vorjahr um 40%. Der Anstieg steht nach McKee im unmittelbaren

Zusammenhang mit Arbeitsplatzverlust bzw. der Angst vor dem Verlust der Arbeitsstelle.

(the lancet.com)

Das Bild von der Existenz von erheblichen wahrgenommenen Belastungen und Stressoren im

Beruf, denen sich Arbeitnehmer in der anhaltenden Krise ausgesetzt sehen, wird gestützt

durch eine luxemburgische Studie über das „Wohlbefinden am Arbeitsplatz“ mit einer

Befragung von 1537 Personen unterschiedlicher Branchen zu „Arbeitsbedingten

Psychosozialen Belastungen“ aus dem Jahr 2010. Zu bemerken sind hierbei die auffälligen

Ergebnisse für den Finanzsektor, die wie folgt herausgestellt werden (Messaoudi/Margue

2010, Teil 3, S. 16ff.):

- von allen Befragten klagten 43% über Streß am Arbeitsplatz, bei Beschäftigten der

Finanzbranche lag die Quote bei 53%.

- 53% kategorisierten diese Belastung als „negativen Streß“, im Finanzwesen waren es 59%.

- über ,,zu oft auftretende und zu lang anhaltende Phasen intensiver Konzentration am

Arbeitsplatz“ klagten insgesamt 82%, bei den Beschäftigten des Finanzsektors lag der Anteil

mit 92% noch höher.

- jeder fünfte Studienteilnehmer befand sich im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit in

einer Situation völliger emotionaler Erschöpfung, fühlte sich ,,ausgebrannt“ (latent 3%,

häufig 17%).

- für 17% der Angestellten litt das Privat- und Familienleben unter dem Zeitpensum, das die

Arbeit eingenommen hatte (4% latent, 13% häufig, zudem 38% gelegentlich).

- bei 26% der befragten Mitarbeiter harmonierten die Werte ihres arbeitgebenden

Unternehmens nicht mit den eigenen Werten (7% absolut nicht, 19% überwiegend nicht), bei

den Angestellten des Finanzwesens lag die Quote mit 32% darüber.

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- 31% der Befragten hielten die Vergütung für ihre verrichtete Arbeit für nicht angemessen,

hielten sich für unterbezahlt; im Finanzsektor betrug der Anteil 43%.

- 20% bewerteten das Arbeitsumfeld mit ,,schlecht“ (3% sehr schlecht, 17% überwiegend

schlecht); die Quote für den Finanzbereich betrug 25%.

- hinsichtlich der Zufriedenheit über den Informationsfluss und -austausch im Unternehmen

zeichneten 39% der Studienteilnehmer ein negatives Bild (überhaupt nicht zufrieden 13%,

überwiegend unzufrieden 26%); der Anteil der Unzufriedenen in der Finanzbranche betrug

47%.

- 32% der Befragten bestätigten Kontakt zu suchtgefährdeten Kollegen (Alkohol /Drogen

/Medikamente).

- 16% der Studienteilnehmer waren mit Selbstmord im Kollegenkreis konfrontiert, 10% hatten

häufig (1%) bzw. gelegentlich (9%) selbst an Suizid gedacht.

- 6% hatten ihren Selbstmord bereits geplant, hiervon ist der Finanzsektor mit 9% betroffen.

Die Entstehung von Depressionen am Arbeitsplatz bestätigt auch das Ergebnis einer Studie

britischer Forscher im Rahmen einer Langzeituntersuchung in Neuseeland: Hierbei wurden

1.000 Personen im Alter von 32 Jahren untersucht. Es wurde festgestellt, dass Personen, die

starkem beruflichen Stress und Druck ausgesetzt sind, zu 45% stärker unter Angstzuständen

und Depressionen leiden als Personen, die sich beruflich nicht überfordert fühlen. Dabei wird

zwischen motivierendem, positiven und negativem Stress, der auf Dauer zu

Gesundheitsbelastungen führt, unterschieden. Als verantwortliche Faktoren wurden

unabhängig von der Branche „Zeitdruck, Überstunden und überhöhtes Arbeitspensum“

identifiziert. Die Studie ergab zudem eine Altersabhängigkeit der Gefahr psychischer

Krankheiten: Während Menschen bis zum Alter von 30 Jahren die höchste

Widerstandsfähigkeit aufwiesen, fiel ihre Stärke danach ab, es entstand die Notwendigkeit,

zunehmend in Regenerationsmaßnahmen zu investieren. Bleibt dies aus, steigt die Gefahr

depressiver Erkrankungen durch Stress. (journalmed.de 2007) Eine Langzeitstudie in 2009

ergab, daß gestiegene Anforderungen am Arbeitsplatz mit der Entwicklung von Burnout in

unmittelbarem Zusammenhang stehen. Mit Burnout-Erkrankungen gehen langanhaltende

Absentismusphasen vom Arbeitsplatz einher. Im Umkehrschluß stellen derartige

Ausfallzeiten wegen Burnout einen Indikator für den vorherrschenden Stresslevel im

Unternehmen dar. (Schaufeli, Bakker, van Rhenen 2009)

Nach einer Untersuchung in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zwischen 1990 und

2000 ist Streß aufgrund von gestiegenen Leistungsanforderungen, Zeitdruck und

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Arbeitstempo mittlerweile zu einem der größten Gesundheitsrisiken in der modernen

Arbeitswelt geworden, nach Fischer (2008, S.13) wird er innerhalb eines Jahrzehnts sogar

zum wichtigsten gesundheitlichen Risikofaktor für Unternehmen. Bereits heute ,,ist das

Stressphänomen nach Rückenschmerzen das zweithäufigste gesundheitliche Problem der

Beschäftigten in Industrieunternehmen, Banken und Behörden.“ (Dahm 2013, S.43)

Dabei kennzeichnet Streß „in erster Linie ein Ungleichgewicht zwischen

Arbeitsanforderungen und den individuellen Möglichkeiten,[...] diese zu bewältigen. Wird

dieser Widerspruch als unangenehm, bedrohlich oder gefährlich erlebt, löst das negative

Gefühle wie Angst, innere Anspannung, Hilflosigkeit aus und verändert körperliche Abläufe.

Streß ist ein Alarmzustand mit körperlichen und psychischen Anzeichen.“ (Wittig-Goetz

2009)

Der EU-Kommission zufolge lässt sich arbeitsbedingter Streß „als Gesamtheit emotionaler,

kognitiver, verhaltensmäßiger und physiologischer Reaktionen auf widrige und schädliche

Aspekte des Arbeitsinhalts, der Arbeitsorganisation und der Arbeitsumgebung definieren.

Dieser Zustand ist durch starke Erregung und starkes Unbehagen, oft auch durch ein Gefühl

des Überfordertseins charakterisiert.“ (who.int - [World Health Organisation]) In einem

Umfeld wie einer Finanzkrise, in dem in Banken durch Reduzierung des Personalbestandes

die Arbeitsanforderungen für die „Survivor“ steigen und die Zielsetzungen wegen

erodierender Gewinne noch erhöht werden, sind Bankmitarbeiter gezwungen, zusätzliche

Anstrengungen zu unternehmen, um die neuen Vorgaben zu erfüllen bzw. das

Leistungsniveau des bisherigen Personalbestandes zu erhalten. Der verstärkte Einsatz geht

einher mit psychischen und physischen Effekten wie gesteigerte Nervosität, Müdigkeit und

Reizbarkeit. Die permanente Mobilisierung von zusätzlichem Engagement am Arbeitsplatz

vermindert die Arbeitskraft der Mitarbeiter und kann zu Gesundheitsschädigungen bis zum

Burnout führen. (Hockey 1997, S.73ff. / Ursin, Murison, Knardahl 1983, S.269ff.) Um den

hohen Anforderungen am Arbeitsplatz Herr zu werden, flüchten sich schließlich manche

Bankmitarbeiter in den Mißbrauch von Medikamenten, Alkohol und Drogen. Dieses

Phänomen ist insbesondere bei der vermeintlichen Hochleistungselite der Investmentbanker

zu beobachten. Nach einer Studie der University of Southern California haben sich

mittlerweile viele der häufig jungen, zunächst motivationsgeladenen Bankmitarbeiter in

„kranke, tablettenabhängige Büroknechte“ verwandelt, „die sich und ihren Körper in

regelmäßigen 120-Stunden-Wochen selbst zugrunde richten.“ Die Autorin der Studie,

Managementprofessorin Alexandra Michel, selbst mehrere Jahre im Investmentbanking an

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der Wall Street tätig, hat beobachtet, wie diese Bankangestellten mit den enormen

Ansprüchen der Firma, der Kunden und an sich selbst zurechtzukommen versuchten. „60

Prozent der Banker richten sich und ihren Körper nach vier bis sechs Jahren schlicht selbst

zugrunde“, so Michel. Mit Alkohol oder Pillen unterdrückte chronische Leiden seien nicht

selten. Diese Gruppe sei in „ständigem Krieg“ mit ihrem Körper. „Ich wache manchmal

morgens auf, und wenn ich an den Vortag denke, wünschte ich, es wäre alles nur ein böser

Alptraum“, zitiert die Studie einen Investmentbanker anonym. (HB, 20.2.2012, S. 33: Wenn

Banker ihren Körper mißbrauchen. 120-Stunden-Wochen, zuviel Alkohol und leere

Pizzakartons unterm Schreibtisch: Investmentbanker lassen sich einer Studie zufolge

ausbeuten und leben im ständigen Krieg mit ihrem Körper.Rolf Benders)

Der beschriebenen Problematik hat sich der ,,DAK Gesundheitsreport“ mit Studien in 2009

und 2015 unter dem Titel ,,Doping am Arbeitsplatz“ angenommen. Hierbei wird auf die

Maßnahmen von Arbeitnehmern reflektiert, die diese ergreifen, um den (gestiegenen)

Belastungen ihres Arbeitsumfeldes zu begegnen und die in Fachkreisen unter dem Begriff

,,Neuroenhancement“ zusammengefasst werden. Handelt es sich -wie im vorhergehenden

HB-Artikel zu vermuten- im den Mißbrauch verscheibungspflichtiger Medikamente, wird

dies als „pharmakologisches Neuroenhancement pNH“ bezeichnet: Von der Einnahme

relevanter Medikamente verspricht sich der Betroffene z.B. die Senkung des

Schlafbedürfnisses, die Beseitigung von chronischen Erschöpfungszuständen, von

Antriebstörungen und Ängsten sowie von Depressionen und erwartet eine Verbesserung von

Wachheit, Gedächtnisleistung, Konzentration und Stimmung. Dabei warnt Prof. Jürgen Fritze

von der Universität Frankfurt /M.: „Alle für vermeintliches Neuroenhancement benutzten

Pharmaka haben Nebenwirkungen und toxikologische Risiken. Dazu gehört bei den

Stimulanzien auch die Gefahr der Addiction.“ Trotz der Nebenwirkungen gaben in einer

Umfrage unter Arbeitnehmern, die pNH verwenden, 22,5% von ihnen hinsichtlich ihres

Motives an, daß sie ohne diese Medikamente gefühlsmäßig häufig nicht in der Lage wären,

ihre Arbeit zu machen. Nach Dr. Raphael Gaßmann vom Deutsche Hauptstelle für

Suchtfragen e.V. sehen die Betroffenen keine andere Möglichkeit, als sich zu dopen, um im

Beruf besser zu funktionieren, bessere Ergebnisse abzuliefern, den Job nicht zu verlieren,

wenig zu schlafen und trotzdem viel zu leisten. Im Ergebnis zeigt die Studie u.a., daß

Erwerbstätige, die es für eher wahrscheinlich oder sogar sehr wahrscheinlich halten, gegen

ihren Willen den Arbeitsplatz zu verlieren, öfter pNE zu Hilfe nehmen als Erwerbstätige ohne

diese Erwartung. Besonders signifikante Unterschiede zeigen sich in diesem Zusammenhang

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bei der Verwendung von pNE zur Stimmungsverbesserung. (DAK Gesundheitsreport 2015, S.

39ff.)

Aus der beschriebenen Belastungskulisse im Arbeitsumfeld, die u.a. zur Verwendung von

pNE führen kann, lassen sich verschiedene Stressorenarten erkennen, die in einer Finanzkrise

auf Bankangestellte einwirken. Die folgende Darstellung stellt schematisiert die beiden

Stressorengruppen heraus, die je nach individueller Bewertung positive oder negative Effekte

bei Betroffenen auslösen:

Abb. 26: Zwei Gruppen von Stressoren

Quelle: Krakow 2011, S.2

Die Reaktionen von Menschen auf Streß fallen grundsätzlich unterschiedlich aus, da er

individuell wahrgenommen und verarbeitet wird. So kann die gleiche Situation durch

Auslösung psychischer Prozesse von dem einen als Herausforderung, von dem anderen als

hohe Belastung wahrgenommen werden (s. auch Lazarus 1975). Hierbei spielen nach den

jüngeren neurobiologischen Forschungen die persönlichen belastenden Vorerfahrungen eine

entscheidende Rolle, da auf sie in entsprechenden Situationen zurückgegriffen wird. Die

Reaktionsmuster hierauf, mit denen diesen Belastungssituationen zur Bewältigung begegnet

wird, sind maßgeblich geprägt von Erfahrungen aus dem beruflichen Alltag. Die Fähigkeit zur

Stressbewältigung hängt zum einen von persönlichen und unterstützenden Faktoren der

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Arbeitsumwelt ab, zum anderen von der Intensität, der Anzahl und Dauer der Stressreize, der

sog. „Stressoren“. Die folgende Übersicht zeigt eine Zusammenstellung möglicher Stressoren

(Wittig-Goetz 2009):

Tab. 14: Übersicht multipler Stressoren

Quelle: Wittig-Goetz 2009

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Wie dargestellt, zählt zu den sozialen Stressoren die Angst vor Arbeitsplatzverlust, die wie

beschrieben verstärkt in Wirtschafts- und Finanzkrisen anzutreffen ist. „Unsichere

Arbeitsverhältnisse und Arbeitslosigkeit zählen mit zu den stärksten Stressoren.“ (Wittig-

Goetz 2009) Hinzu treten insbesondere in turbulenten und angespannten Börsenphasen bzw.

in Finanzkrisen im Bankensegment die Angst der Mitarbeiter vor eigenen

Vermögensverlusten, konditionelle Verschlechterung, steigende Arbeitsbelastung der

verbliebenen Angestellten (Survivor) nach erfolgtem Arbeitsplatzabbau, höherer

Leistungsdruck durch Ertragserosion sowie die o.a. „emotionalen Stressoren“, denen

Bankmitarbeiter ausgesetzt sind, wie es folgender Artikel spürbar werden lässt:

„An der Wall Street grassiert die Sparwut: 'Jetzt fangen sie schon an, meine Handyrechnung

zu kontrollieren. Fahrten mit dem Taxi nach Hause sind schon lange nicht mehr drin', klagt

ein Investmentbanker, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Im Moment

ist der Banker erst einmal froh, dass er noch einen Job hat. Schließlich seien in den

vergangenen Monaten viele Schreibtische um ihn herum verwaist. [...]“ (HB, 5.10.2011, S.

32: An der Wall Street und in der Londoner City fürchten sich die Banker vor der nächsten

Finanzkrise. Die Gewinne brechen ein, die Entlassungswelle rollt. R. Benders, M. Maisch /

New York, London)

Ein weiteres Beispiel für die außerordentlichen krisenbedingten Belastungen gibt auch die

Schilderung von Hans E. Priester im Umfeld der deutschen Bankenkrise 1931 und den

Verhandlungen der Danatbankverwaltung mit der Reichsregierung zur Rettung des kurz vor

dem Zusammenbruch stehenden Finanzinstitutes: „Die Verhandlungen dauerten bis gegen 4

Uhr morgens. Es war schon rein physisch eine Tortur für diese Menschen, die schon seit

langen Tagen in der höchsten Spannung lebten, die ein Unheil heraufziehen sahen, ohne ihm

begegnen zu können. Diese physische und psychische Beanspruchung der leitenden Männer

darf überhaupt bei der Beurteilung der ganzen [...] Bankenkrise nicht außer acht gelassen

werden. Sie hat sie zermürbt und zu großen Entschlüssen, zum klaren Erkennen der

tatsächlichen Notwendigkeiten unfähig gemacht.“ (Priester 1932, S. 63)

5.7 REAKTIONEN AUF STRESS, ALLOSTASE UND ALLOSTATIC LOAD

„Ohne ein gesundes Maß an Stress kann der Mensch nicht leben. Wir brauchen psychischen

Druck, um unser Verhalten einer sich wandelnden Umwelt anzupassen und Neues zu lernen.

Stress stellt Körper und Geist darauf ein, sofort zu reagieren – damit wir akute Gefahren und

Herausforderungen bewältigen können. Das Problem ist nur: Unser biologisches Streßsystem

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ist primär für solche Situationen ausgelegt, in denen es um Leben oder Tod geht. Es ist ein

Erbe der Steinzeit, dafür konstruiert, blitzschnell auf die akute Bedrohung durch einen Angriff

zu reagieren. Weniger geeignet ist es, die Herausforderungen der modernen Welt zu meistern.

Und so gerät das Streßsystem bei Dauerbelastungen, bei denen die beiden sofortigen Ur-

Reaktionen 'Kampf' oder 'Flucht' nicht möglich sind, früher oder später in Aufruhr, der Körper

wird in permanente Alarmbereitschaft versetzt.“ (Dettmer/Shafy/Tietz 2011, S. 114ff.) Dies

geschieht über das Neuroendokrine System, das die Schnittstelle zwischen dem

Hormonsystem und dem Nervensystem eines Menschen bildet. „Bei Stress setzt das

Nebennierenmark ein erhöhtes Adrenalin und die im peripheren Nervensystem befindlichen

sympathischen Nervenfasern höhere Mengen Noradrenalin frei, die gemeinsam die Kognition

anregen, die Sensorik verbessern, die Bronchen erweitern, das Blut konzentrieren, den

Blutdruck erhöhen und die physische Energie mobilisieren.“ (Pförtner 2013, S. 42)

Wenngleich also Anforderungen am Arbeitsplatz nicht grundsätzlich negativ sind, so können

sie doch zu arbeitsbedingten Stressoren werden, wenn sich permanent und hoch leistende

Mitarbeiter nicht auch adäquat von diesen Anstrengungen erholen können. (Meijman &

Mulder 1998, S.5ff. / Sonnentag & Ziljstra 2006, S.330ff.) Starke und/oder lang anhaltende

psychische und somatische Veränderungen (Stress) in Belastungssituationen (Stressoren)

werden somit von Bankmitarbeitern nicht passiv hingenommen, sondern mit

Regulationsvorgängen (Homöostase) beantwortet, die darauf abzielen,

- die psychosomatische Ausgangslage wieder zu erreichen und/oder

- die Abweichung von der Ausgangslage zu reduzieren bzw. zu verkürzen und/oder

- einen neuen psycho-physischen Zustand herbeizuführen („Anpassung“).

Das Modell der Allostase und der allostatischen Belastung nach McEwen (Abb. 27)

Dabei koordiniert das Gehirn das Stresserleben und die notwendigen behavioralen und

physiologischen Reaktionen. Sie sind abhängig von früheren oder gegenwärtigen Erfahrungen

(z.B. Missbrauch, Vernachlässigung, Arbeitsstress), genetischen Einflüssen und dem eigenen

Verhalten. Aus der Aktivierung physiologischer und behavioraler Reaktionen des Organismus

resultiert eine Anpassung an die wahrgenommene Stresssituation („Allostasis“). Daher sind

Stressreaktionen kurzfristig schützend und funktional. Die allostatische Belastung (Allostatic

Load) ist der kumulierte Effekt allostatischer Eregnisse im Zeitablauf (McEwen 1998, S.

33ff.):

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Abb. 27: Allostasis und Allostatic Load

Quelle: Psychoneuroendokrinologie - Universität Freiburg (2010)

Diese Copingprozesse (s.o.), auch als „Streßverarbeitungs-/Stressbewältigungsweisen/-arten, -

maßnahmen oder –strategien“ bezeichnet, können in einer Situation eines erwarteten Stressors

auch antizipatorisch eingesetzt werden. Hierbei zielen Streßverarbeitungsmaßnahmen darauf

ab, erwartete Abweichungen zu vermeiden, zu verhindern oder zu mindern. Dabei können die

Maßnahmen adaptiv sein. Sie können aber auch ineffektiv oder maladaptiv wirken und so zu

einer Stressvermehrung bzw. Stressverlängerung führen, z.B. können Maladaptiv- bzw.

Negativstrategien der Stressbewältigung trotz Vorhandenseins adaptiver „positiver“

Verarbeitungsweisen zu einer „Aufschaukelung“ von Streß und zu starken lang anhaltenden

Stressreaktionen führen. Die Stressverarbeitungsweisen umfassen sowohl psychische als auch

somatische Vorgänge. (Erdmann / Janke 2008) Die durch die Stressreaktion freigesetzten

Stresshormone lösen über Rezeptoren und biochemische Abläufe in den Zellen

physiologische oder pathophysiologische Reaktionen aus (McEwen 2003 in Schedlowski

2005, S.11) :

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Abb. 28: Allostasis und Allostatic Load - stressbedingte physiologische Veränderungen

Quelle: McEwen (2003) in: Schedlowski (2005), S.11

„Den Ausgangspunkt der allostatischen Reaktion bildet die Freisetzung von sog. primären

Mediatoren, bei der die besonders wichtigen Botenstoffe, der Glukokortikoide,

Katecholamineder sowie des Dehydroepiandrosterons über die Hypothalamus-Hypophysen-

Nebenniere-Achse (HPA-Achse) und über das sympathische Nervensystem (SNS) freigesetzt

werden. Diese gelten als verantwortlich für die Aktivierung einer Vielzahl zellulärer

Ereignisse (primäre Effekte), die als sekundäres Ereignis auf die physiobiologischen Systeme

wirken und als tertiäres Ereignis eine allostatische Belastung hervorrufen können.“ (Pförtner

2013, S. 42)

Nach McEwen (2003) kann also bei Wiederholung bzw. Perpetuierung von Stressbelastungen

eine Erholung der betroffenen Person nicht mehr stattfinden, woraus eine chronische

Stressbelastung – die „ALLOSTATIC LOAD“ – mit erheblichen Auswirkungen resultiert.

Es handelt sich hierbei um die regelmäßig gefährliche Form des Stressphänomens, „denn sie

führt zu einer regelrechten Streßspirale. Betroffene Mitarbeiter haben dann den Eindruck, ihr

Leben nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Sie haben das Gefühl, ihr Leben nur noch durch

mehr Einsatz und Leistung bewältigen zu können. “ (Dahm 2013) ,,Chronischer Stress ist

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gesundheitsschädlich und führt zu körperlichen und seelischen Erkrankungen. “ (Krakow

2011, S.4)

Die vier Typen der physiologischen allostatischen Belastung (Abb. 29)

Ausgehend von der natürlichen Allostase infolge einer Belastung (obere Grafik) werden vier

Typen der physiologischen, allostatischenBelastung unterschieden. „Prolonged response“

zeigt, dass eine Wiederherstellung des Ausgangszustandes bzw. der normalenTagesrhythmik

der Hormone nicht möglich ist. „Repeated hits“ stellt den Fall der wiederholten Ausschüttung

von Stresshormonen infolge von vielen belastenden Ereignissen dar. „Lack of adaptation“

zeigt eine übermäßige, „ineffiziente“ Ausschüttung von Stresshormonen bei einem Stressor,

der wiederholt auftritt (gepunktete Verlaufskurve verdeutlicht den eigentlich erwarteten Fall

der Habituation an den Stressor). „Inadequate response“ verdeutlicht eine „unangemessene“

neuroendokrine Stressreaktion, die dazu führt, dass assoziierte physiologische Systeme

dysfunktional reagieren. (McEwen 1998, S.33ff.)

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Abb. 29: Die vier Typen der Allostatic Load

Quelle: McEwen 1998, S.33ff.

Derartige langandauernde Belastungsphasen für Bankmitarbeiter finden sich in oben

beschriebenen Banken- und Finanzkrisen, die sich mit schwankender Intensität über

Jahre hinziehen.

Für die seit 2007 andauernden Belastungen stellt das „Bankmagazin“ in seiner Dezember-

Ausgabe 2013 fest: „Die Finanzkrise ist noch immer nicht vorüber. Sie dürfte noch das

gesamte Jahrzehnt die Wirtschaftsentwicklung belasten.“ (Vielhaber 2013, S.18) Bereits ein

Jahr zuvor gab Mara Harvey, COO UBS UHNWI zu bedenken: „Banking crisis takes 5-7

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years to come out of.“ (Videokonferenz, 12.01.2012) Bei der Schieflage der WestLB

„verlieren die Mitarbeiter die Geduld: Sie fordern ein Ende der monatelangen Hängepartie

um die Zukunft der Landesbank. 'Die Mitarbeiter wollen endlich wieder eine klare

Perspektive haben, wie es mit der Bank weitergehen soll', sagte die

Gesamtbetriebsratsvorsitzende der WestLB.“ (HB, 10.3.09, S. 25: Mitarbeiter verlieren

Geduld. Peter Köhler / Frankfurt)

Die psychophysiologischen Konsequenzen für Betroffene in langen Zeiträumen hoher

Anspannung wie einer anhaltenden Finanzkrise ohne ausreichende Erholungsphasen stellt das

„Stressreaktionsmodell“ nach Selye schematisch wie folgt dar:

Abb. 30: Chronischer Stress - Stressreaktionsmodell nach Selye

Quelle: Krakow 2011, S.4

Ausgelöst durch derartige anhaltenden Allostatic-Load-Situationen werden die

psychoneuroendokrinen Systeme der betroffenen Bankangestellten dauerhaft und maximal

gefordert mit Anstieg von

• Cortisol (CRF, ACTH, EOP) und Katecholaminen

• Androgene, LH, Cytokine, Prolaktin

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• Blutdruck

• Alteration der Herzfrequenz und „heart-rate-variability“ (HRV).

„Im Gehirn schütten der alarmierte Hypothalamus und die Hypophyse Botenstoffe aus. Über

den Blutkreislauf erreichen diese die Nebennieren. Die Nebennieren setzen daufhin die

Stresshormone Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin frei. Der Mensch wird kampf- und

fluchtbereit: Blutdruck und Herzfrequenz steigen, Energiereserven werden mobilisiert.

Verdauung, Immunsystem und Sexualtrieb hingegen werden unterdrückt. Ist eine bestimmte

Konzentration von Stresshormonen im Blut erreicht, wirkt diese einer weiteren Ausschüttung

von Botenstoffen im Gehirn entgegen: Der Mensch entspannt sich wieder. Bei Dauerstress ist

dieser Regelkreis gestört - mit verheerenden Auswirkungen für die Gesundheit“ (Blech 2012,

S. 32f.): In der Folge stellen sich schrittweise psychische (Burnout-Syndrom, Neurasthenie,

CFS) und physische Erschöpfung (adrenale Insuffizienz, Immun-Insuffizienz etc.) ein.

(bioaging.de)

Gemäß Joachim E. Fischer, Direktor des Mannheim Institute for Public Health, „sind

chronische Arbeitsbelastungen assoziiert mit erhöhtem Allostatic Load, bei jungen

Erwachsenen ist niedriger sozioökonomischer Status assoziiert mit rascherer

Verschlechterung der Allostatic Load Parameter. Zudem ist der Allostatic Load score ein

Prädiktor für Mortalität, körperliche und geistige Lebensqualität und Funktion bei Älteren.“

(Fischer 2005, S. 23)

McEwen beschreibt das Paradoxon, dass Stressreaktionen in bestimmten Situationen schützen

und für den Erhalt der Gesundheit essentiell sind, in anderen Situationen jedoch zu ihrer

Schädigung führen können. Er bezeichnet die Anhäufung von Stressoren und belastenden

Faktoren als „Allostasis“. Eine moderate Allostase ist mit ihrer Ausschüttung von

Glucocorticioden und Katecholaminen zunächst gesundheitsfördernd und hilfreich bei der

Bewältigung von alltäglichen Belastungen und ihrer Adaption. Fällt die Reaktion auf

Stressoren allerdings zu heftig aus oder dauert sie zu lang an, kommt es zur

organismusschädigenden Allostatic (Over)Load wie oben beschrieben.(mentalmed.de) So ist

„die Abnutzung des Organismus im Zusammenhang mit Allostatic Load der verborgene Preis

für chronische Belastungen über längere Zeit – Allostatic Load as cost of chronic exposure to

fluctuating or heightened neural or neuroendocrine response resulting from repeated

environmental challenge.“ (Fischer 2005, S. 16 nach McEwen/Stellar 1993)

Das Stressmodell von McEwen verbindet aktuelle Erkenntnisse der Psychobiologie mit dem

Transaktionalen Stressmodell nach Lazarus und bildet eine wesentliche theoretische

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Grundlage dieser Dissertation, da die herausgestellten und über längere Zeiträume anhaltende

Belastungsszenarien insbesondere in Banken- und Finanzkrisen anzutreffen sind. Ein

eindrückliches Beispiel hierfür findet sich im Niedergang der ,,Westdeutschen Landesbank

WestLB“, der mit der Bekanntgabe eines hohen Spekulationsverlustes am Aktienmarkt am

10. April 2007 begann und sich unter verschiedenen Wendungen und Hoffnungen bis zur

endgültigen, von der EU-Wettbewerbsaufsicht forcierten Zerschlagung des Institutes am 30.

Juni 2012 über gut fünf Jahre hinzog. (s. HB-Grafiken im Anhang II, z.B. vom 20.03.12:

„Der lange Weg der WestLB: Von den Anfängen bis zur Zerschlagung" // „Aufgespalten:

Zerstückelung der West LB" sowie diverse HB-Artikel in Anhang III)

Die beschriebenen natürlichen Reaktionen des Körpers auf Stressoren existieren bereits seit

den Anfängen der menschlichen Entwicklung: Wie vor Jahrmillionen bereitet er sich in

Streßsituationen durch biochemische Prozesse auf Flucht oder Angriff vor, indem

Stresshormone ausgeschüttet und kurzfristig sämtliche Reserven des Organismus aktiviert

werden. Diese Hormone lösen die Mobilisierung von Energiespeichern wie Zucker und Fett

aus, beschleunigen die Atmung und erhöhen Blutdruck und Puls. Die Muskulatur wird auf

unmittelbaren Leistungsabruf eingestellt. Andere Funktionen wie die Immunabwehr,

Sexualfunktionen, die körpereigene Regeneration und die Verdauung werden gedrosselt.

Unter Dauerstress, wie er im Bankenbereich vor allem in anhaltenden Finanzkrisen und den

aus ihnen folgenden Phasen mit den geschilderten Mehrbelastungen für die Mitarbeiter

anzutreffen ist, wird dieser (Allostase-)Prozeß vom Organismus immer wieder aufs neue

ausgelöst. (Wittig-Goetz 2009)

In der folgenden Übersicht sind mögliche physische und psychische Effekte als Reaktionen

auf Streß zusammengestellt:

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Tab. 15: Mögliche Reaktionen auf Stress

Quelle: Sicherheitsreport 4/1994 in: Wittig-Goetz (2009)

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Mit dem Abklingen bzw. der Beendigung der Streßsituation(en) verschwinden diese

Symptome jedoch nicht schlagartig, sie bauen sich insbesondere in andauernden

Belastungsphasen mit hohem Stressfaktor nur langsam ab. Dieser Prozeß kann mehrere

Wochen andauern. Häufig wird er durch verkürzte Erholungsphasen des Mitarbeiters, z.B.

aufgrund von Präsentismus, behindert. Die dauerhafte Belastung durch Streß führt sukzessive

zur Schädigung der Gesundheit. So können sich anfängliche Befindlichkeitsstörungen zu

Erkrankungen ausbilden, wie nachfolgend anhand von typischen Beispielen dargestellt

(Wittig-Goetz 2009) :

Tab. 16: Entwicklung von Befindlichkeitsstörungen zu Erkrankungen

Quelle: Wittig-Goetz 2009

Auch nach Baum, Cohen und Hall (1993, S. 274ff.) können Reaktionen auf episodisch

wiederkehrenden Stress habituieren. Zudem können kurzzeitige, aber intensive (traumatische)

Belastungen lang andauernde Auswirkungen haben. „Es gilt als medizinisch gesichert, daß

lang andauernder Stress durch die veränderten Körperfunktionen und die erhöhten

Konzentrationen von Stresshormonen schädigend auf das Herz-Kreislaufsystem und das

Immunsystem wirkt. Adrenalin und Noradrenalin können zur Entwicklung eines dauerhaften

Bluthochdrucks beitragen. Auch auf den Verlauf von Krebserkrankungen hat Stress eine

ungünstige Auswirkung. Sogar die Funktionstüchtigkeit des Gehirns kann negativ

beeinträchtigt werden. Das Stresshormon Cortisol spielt bei Gedächtnisstörungen und der

Hemmung von Nervenwachstumsfaktoren eine Rolle.“ (Wittig-Goetz 2009) Es kommt

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insbesondere in unkontrollierten Streßsituationen wie der panischen Angst vor Vermögens-

und Arbeitsplatzverlust in Finanz- und Börsenkrisen zum Tragen und führt zu einer

„gedanklichen Leere“ bei den Betroffenen. Ihnen ist es unmöglich, einen Ausweg oder eine

Lösung aus der Situation zu finden, es kommt kein Gedanke an Flucht auf, eine Erholung

findet nicht statt. Cortisol ist Erreger von streßbedingten körperlichen Erkrankungen und zeigt

eine sensible Wirkung auf das Gehirn: „Im Streß produziertes Cortisol kann synaptische

Verbindungen, d.h. nervliche Vernetzungen, auflösen. Die gedankliche Leere entspricht damit

einem tatsächlichen Umbau von Funktionen des menschlichen Gehirns. Dieser Zustand ist

nicht nur äußerst quälend, sondern auch durch die Gefahr von Folgeerkrankungen

lebensbedrohlich. Es wächst die Gefahr für Herz-Kreislauferkrankungen und für Störungen

des Immunsystems, der Stimmungslage, wie Depressionen, bis hin zum Suizidgedanken.“

(Imhof 2001)

Für das reibungslose Funktionieren des komplexen Netzwerks im Gehirn ist es entscheidend,

daß die Nervenzellen formbar oder plastisch sind 11

. „Doch ständiger Stress stört dieses

Gefüge. Er erhöht den Spiegel von Stresshormonen und verändert die Aktivität bestimmter

Gene im Gehirn. Als Folge davon verkümmern Zellen, oder es werden keine neuen gebildet.

Dadurch sinkt der Stoffwechsel in bestimmten Arealen; das Gehirn stumpft ab, [...] das

Gedächtnis lässt nach, die Neugier erlischt - der Mensch gleitet ab in die Schwermut.

Im Kernspin können Forscher diese Veränderungen zeigen: Zum einen ist der fürs planende

Denken zuständige präfrontale Kortex bei Menschen mit Depression geschrumpft. Die

Nervenzellen sind verkleinert, viele Gliazellen, die das wichtige Stützgewebe bilden, fehlen.

Zum anderen ist der Hippocampus, der fürs Lernen von Bedeutung ist, bei Menschen mit

Depression kleiner als bei Gesunden. Im Normalfall entstehen in diesem Areal jeden Tag

Tausende frischer Nervenzellen; der Mensch braucht sie, um neue Eindrücke ins Gedächtnis

ablegen zu können. Bei Depressiven bringen die Stresshormone die Vermehrung der

Nervenzellen zum Erliegen." (Blech 2012, S. 36)

Die geschilderten neuronalen Effekte, die durch chronischen Stress ausgelöst werden, sollen

mittels der folgenden Darstellung illustriert werden:

11

nach Hüther wird unter dem Begriff der „neuronalen Plastizität" die Formbarkeit der neuronalen Netzwerke

durch Umwelteinflüsse als ein Kennzeichen der Funktionsweise des menschlichen Gehirns verstanden. (Hüther

1996, S. 107ff.)

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Abb. 31: Alarm im Gehirn - Neuronale Veränderungen durch chronischen Stress

Quelle: Spiegel Wissen 1/2012, S. 35

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Nach einer Studie von Chetty et al. von der University of California können die dargestellten

Effekte zu bleibenden Veränderungen der Hirnanatomie führen: Betroffene mit

stressbedingten Langzeitfolgen wie PTSD, Schizophrenie oder Depressionen zeigen oft eine

Zunahme einer weißen Substanz - dem von weißlichen Hüllscheiden umgebenen Faserteil der

Nervenzellen. Zur Beantwortung der Frage der Herkunft ergaben Tests mit Ratten, daß

erhöhter Stress eine Verschiebung im Gleichgewicht neuproduzierter Zellen bewirkte: Die

Zahl der neuen Hirnzellen nahm ab, dafür nahmen die Hüllzellen zu. Auch bei Menschen mit

Stresserfahrungen könnte diese stressbedingte Verschiebung sehr gut der Grund für die

anhaltenden gesundheitlichen Probleme sein. Denn der Hippocampus ist ein für Gedächtnis

und mentale Gesundheit wichtiges Zentrum unseres Gehirns. Wenn dort dauerhaft zu viele

Hüllzellen gebildet werden, könne dies die geistigen Leistungen auf zweierlei Weise stören:

Zum einen verschiebt sich das Gleichgewicht von Neuronen und Hüllzellen, zum anderen

aber wirken die Hüllzellen hemmend auf das Wachstum neuer Verknüpfungen zwischen den

Nervenzellen. Das stört das Gedächtnis und Lernen, macht aber auch anfälliger gegenüber

psychischen Erkrankungen. (Chetty et al. 2013 in: wissenschaft.de)

5.8 EXKURS: GESTEIGERTES KARDIOVASKULÄRES RISIKO DURCH

PSYCHOSOZIALES UMFELD

Wie oben ausgeführt, spielen neben den klassischen Risikofaktoren wie z.B. Bluthochdruck,

Übergewicht und Rauchen auch zunehmend psychosoziale und mit der Arbeitswelt

verknüpfte Faktoren eine Rolle bei der Entstehung von Herzkrankheiten und -infarkten, die

eine der häufigsten krankheitsbedingten Todesursachen darstellen. Dabei bilden insbesondere

Gratifikationskrisen (s.o.) einen eigenständigen und bedeutsamen Risikofaktor für das

Auftreten von Herzinfarkten als Folge von arbeitsbedingtem Stress.

„Depression, mangelnde soziale Unterstützung und arbeitsbezogener Stress sind als

Faktoren hinsichtlich ihrer Wirkung auf Entstehung und Verlauf der koronaren Herzkrankheit

und des Herzinfarkts zunehmend gut nachgewiesen, wobei die Stärke dieser Wirkung z. T.

vergleichbar mit derjenigen der klassischen Risikofaktoren ist. Neben den genannten

wurden weitere psychosoziale Faktoren geprüft [vgl. Abbildung Nr.35],

nicht zuletzt weil die klassischen Risikofaktoren nur etwa 50 Prozent des Risikos für

Kardiovaskuläre Erkrankungen erklären. Der Forschungsstand lässt sich so zusammenfassen:

So wie Rauchen oder Bluthochdruck das Risiko erhöhen, ab einem gewissen Alter einen

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Herzinfarkt zu erleiden, so tragen auch Depressionen, Stress am Arbeitsplatz und der Mangel

an sozialer Unterstützung dazu bei, das Herzinfarkt-Risiko zu erhöhen.

Abb. 32: Kardiovaskuläre Risikofaktoren

Quelle: Krakow 2011, S. 14

Der Medizinsoziologe Johannes Siegrist kommt nach Sichtung von empirischen Ergebnissen

aus epidemiologischen, klinischen und experimentellen Untersuchungen zu dem Ergebnis,

„dass mit jedem der genannten Faktoren ein relatives Risiko der koronaren Herzerkrankung

verknüpft ist, welches die gleiche Größenordnung besitzt wie dasjenige etablierter

verhaltensgebundener koronarer Risikofaktoren wie Zigarettenrauchen oder

Bewegungsarmut.“ (DAK Gesundheitsreport 2012, S. 81ff.)

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Abb. 33: Zusammenhang von Stress und Herzinfarkt

Quelle: Interheart Studie, Lancet 2004, 364:937-52 in: Fischer 2008 - Betriebliches

Gesundheitsmanagement 2020, S. 15

In der weiteren Darstellung konzentriert sich die o.g. DAK-Studie „auf wenige Faktoren, über

die es eine ausreichend überzeugende Studienlage gibt, oder die in einem

arbeitsweltbezogenen Kontext wie dem DAK Gesundheitsreport besonders von Bedeutung

sind. Fokussiert werden also die Risikofaktoren Depression, mangelnde soziale Unterstützung

und Arbeitsstress. Nach heutigem Stand der Forschung erhöhen diese nachgewiesenermaßen

maßgeblich das Herzinfarktrisiko.

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Abb. 34: Erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bei chronischem Stress und Depression

Quelle: Deuschle et al., Dt. Ärzteblatt, 6.12.2002

Weiterführend behandelt die Studie somit den Faktor Arbeitsstress vorrangig, weil dieser als

Eigenschaft des Arbeitsplatzes, der Arbeitsumgebung und des Arbeitsinhalts im Rahmen von

Interventionen in der Arbeitswelt prinzipiell gestaltbar ist. Außerdem betrifft er mehr oder

weniger alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Während nur ein vergleichsweise

geringer Anteil der Beschäftigten bestimmten Gefahrstoffen, speziellen physikalischen

Einwirkungen oder einer explosionsfähigen Atmosphäre ausgesetzt sind, sind prinzipiell alle

Beschäftigten in Gefahr, Arbeitsstress ausgesetzt zu sein. Außerdem ist das Erwerbsleben

für viele Menschen ein wichtiger Lebensbereich, dem sie einerseits viel Bedeutung zumessen,

und dem sie andererseits sehr lange ausgesetzt sind. Der Risikofaktor arbeitsbezogener Stress

ist also mit einer langen Expositionsdauer verbunden und kann ein hohes Maß an negativen

Auswirkungen haben. Im Gegensatz zu den meisten anderen psychosozialen Risikofaktoren

ist hier nicht eine individuelle Dimension angesprochen, sondern es geht um eine Eigenschaft

des Arbeitsplatzes bzw. der Arbeitsumgebung, die – im Zusammenspiel mit individuellen

Dispositionen und Bewältigungsressourcen (Coping, s.o.) – Stressreaktionen bei den

Betroffenen auslösen kann.

Die Wirkung von Arbeitsstress auf die Gesundheit, insbesondere auf Herz-

Kreislauferkrankungen einschließlich dem Herzinfarktrisiko, ist in wissenschaftlichen

Untersuchungen gut belegt. Demnach erleiden Beschäftigte, die mehr oder weniger dauerhaft

am Arbeitsplatz Stressbelastungen ausgesetzt sind, mit höherer Wahrscheinlichkeit einen

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Herzinfarkt als Beschäftigte, die nicht oder nur gelegentlich unter arbeitsbezogenem Stress

leiden.

So findet sich „permanenter Stress am Arbeitsplatz“ prominent unter den wichtigen

psychosoziale Risikofaktoren für koronare Herzerkrankungen und Herzinfarkt, wie sie die

folgende Abbildung veranschaulicht:

Abb. 35: Chronischer Stress und weitere Faktoren

Quelle: DAK Gesundheitsreport 2012, S. 83

Arbeitsstress wirkt einerseits direkt auf das Herzinfarkt-Risiko, indem er bestimmte

physiologische Eigenschaften beeinflusst. Andererseits wirkt er indirekt, denn

stressexponierte Personen neigen auch vermehrt zu gesundheitsschädlichem Verhalten wie

Rauchen, mangelnder Bewegung und ungünstiger Ernährung. Hierbei handelt es sich

wiederum um Risikofaktoren für den Herzinfarkt.

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Auch Ergebnisse aus aktuelleren Studien weisen den Zusammenhang zwischen Arbeitsstress

und kardiovaskulären Krankheiten (also vor llem koronare Herzkrankheit, Angina Pectoris,

Herzinfarkt) nach und ermitteln ein ähnlich erhöhtes Risiko für stressexponierte Beschäftigte.

Ein Überblick über die Studienlage von 2011 zeigt, dass es einen signifikanten

Zusammenhang zwischen Arbeitsstress und Herzrisiko gibt und dass das Risiko der

Stressexponierten gegenüber den nicht Stressexponierten bis zu mehr als doppelt so hoch sein

kann.

Im Ergebnis der DAK-Studie empfindet etwa jeder fünfte Befragte eine starke oder sehr

starke Belastung durch Zeitdruck aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens. Fast ebenso

verbreitet ist die Belastung durch ein stetig steigendes Arbeitsvolumen sowie durch

Unterbrechungen und Störungen. Mit jeweils knapp 10 Prozent stellen Verantwortung bei der

Arbeit und die häufige Notwendigkeit für Überstunden eine starke oder sehr starke Belastung

dar.

Auf der Seite der Verausgabung stehen also Belastungen, bei denen es sich um typische

potenziell Stress verursachende Beanspruchungen handelt, die in jüngster Zeit unter dem

Aspekt der Zunahme psychischer Belastungen am Arbeitsplatz diskutiert werden.

Die Zunahme dieser psychischen Belastungen über die letzten 15 bis 20 Jahre lässt sich

anhand wiederholt durchgeführter Erwerbstätigenbefragungen relativ gut zeigen. Sollte sich

diese Zunahme auch weiterhin fortsetzen, könnte dies erheblich zu einer Zunahme von

Gratifikationskrisen beitragen und damit das Herz-Kreislauf-Risiko von Beschäftigten

erhöhen. Im Ergebnis der DAK-Studie 2012 war bereits fast jeder Zehnte der Befragten von

einer Gratifikationskrise betroffen. Siegrist gibt an, dass das relative Risiko einer koronaren

Neuerkrankung bei Beschäftigten, die unter beruflichen Gratifikationskrisen leiden, um etwa

das 2,2-fache höher ist gegenüber nicht belasteten Beschäftigten. (DAK-Gesundheitsreport

2012, S. 81ff.)

5.9 STEIGENDE ANZAHL KRANKMELDUNGEN IM FINANZSEKTOR AB 2007

Die dargestellten Auswirkungen der aktuellen Banken- und Finanzkrise durch

Gratifikationskrisen und erhöhten arbeitsbedingten Stress auf die Gesundheitssituation von

Mitarbeitern in der Finanzbranche lassen sich so mittlerweile über den Zeitablauf der Krise

basierend auf den Daten von ca. 2,6 Mio. DAK-Mitgliedern eindeutig belegen: So stieg der

im Branchenvergleich traditionell eher geringe Anteil der Krankgeschriebenen der

Finanzbranche an der Grundgesamtheit der DAK-Versicherten seit dem Vorkrisenjahr 2006

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im Krisenverlauf bis 2011 trotz des oben beschriebenen Präsentismusphänomens von 2,5%

auf 3,0% deutlich um 20% (DAK-GR 2012, S. 5) :

Abb. 36: Krankschreibungen in der Finanzbranche 2006 - 2012

Quellen: DAK-Gesundheitsreports 2007-2012

Weiterhin kann den DAK-Studien entnommen werden, daß branchenübergreifend der Anteil

einer der wichtigsten Krankheitsarten nach Arbeitsunfähigkeitstagen - den psychischen

Erkrankungen - im Betrachtungszeitraum ebenfalls einen deutlichen Anstieg zu verzeichnen

hat: Von 10% in 2006 auf 13,4% in 2011. ,,Dabei stehen 'Depressive Episoden' an dritter

Stelle der Liste der wichtigsten Einzeldiagnosen. Vier weitere wichtige Diagnosen

aus dem Bereich der psychischen Erkrankungen, die zu den insgesamt 20 wichtigsten

Einzeldiagnosen zählen, sind 'Reaktionen auf schwere Belastungen und

Anpassungsstörungen, andere neurotische Störungen' sowie die 'Somatoformen Störungen'

und die 'Rezivierenden depressiven Störungen.' “ (DAK-GR 2012, S. 34)

Bereits in 2004 lag der Krankenstand in der Finanzbranche aufgrund psychischer

Erkrankungen über dem durchschnittlichen Krankenstand aller Branchen.

(DAK-GR 2005, S. 52 und 2015, S. 33)

Insgesamt erreicht der branchenübergreifende Krankenstand in 2011 sein höchstes Niveau seit

15 Jahren (DAK-GR 2012, S. 7), wie auch eine Grafik der Techniker-Krankenkasse bestätigt:

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Abb. 37: Fehltage wegen psychischer Erkrankungen

Quelle: Sprenger (2013) in: VBKI Spiegel, 3.Quartal 2013, S. 28

„Die WHO glaubt gemäß ihrer Studie ´Gobal Burden of Desease´, daß bis 2030 die

Depression weltweit die am häufigsten vorkommende Krankheit sein wird – vor Herz-

Kreislaufstörungen und Aids. Leistungsdruck, Konkurrenz und Tempo sind die

beherrschenden Parameter des Berufslebens in der globalisierten Welt. Die OECD erklärt den

beruflichen Stress zu ,'einer neuen Spitzenherausforderung am Arbeitsmarkt.' Einer aktuellen

OECD-Studie zufolge wird ein Drittel bis zur Hälfte aller Frührenten wegen psychischer

Erkrankungen beantragt. Wachsende Jobunsicherheit und Druck am Arbeitsplatz könnten

dazu beitragen, daß sich diese Entwicklung in den kommenden Jahren noch verschärft,“

(Dettmer/Tietz 2012; S.40ff.) was sich anhand der folgenden Abbildung zu bestätigen scheint.

Hierbei ist auf das bemerkenswerte Phänomen hinzuweisen, daß gerade mit dem Beginn der

aktuellen Finanzkrise im Jahre 2007 der Anteil der psychischen Erkrankungen der bei der

DAK Versicherten branchenübergreifend nach Stagnation in den Vorjahren sprunghaft und

im Zeitablauf permanent angestiegen ist. Dabei hat sich die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage

(AU-Tage) seit vor der Krise bis 2015 nahezu verdoppelt, wie der DAK-Gesundheitsreport

dieses Jahres verdeutlicht:

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Abb. 38: AU-Tage und AU-Fälle pro 100 Versichertenjahre aufgrund psychischer

Erkrankungen

Quelle: DAK Gesundheitsreport 2015, S.20

In dieses Bild fügt sich ein Beitrag des Handelsblattes, der sich auf dem Höhepunkt der

aktuellen Finanzkrise des Gemütszustandes der Bankmitarbeiter annimmt und die Ergebnisse

der vorgenannten Studien hinsichtlich dieser akuten Belastungssituationen eindrücklich

wiedergibt. Da der Inhalt des Artikels maßgeblich die Aussage der Hypothese dieser Arbeit

stützt, wird er hier ungekürzt und im Originalformat herausgestellt:

Abgestürzte Helden: Die Bankerkrise

Bankmitarbeiter werden gesellschaftlich geächtet, haben schlaflose Nächte, Depressionen und Panikattacken - das Finanzdebakel hat in den vergangenen Monaten tiefe Spuren in der Psyche eines ganzen Berufsstands hinterlassen.

DÜSSELDORF. Das Telefonat beginnt mit Schweigen. Sekundenlang kein Wort. Dann holt der Mann am anderen Ende der Leitung tief Luft und sagt: "Sie wollen aus erster Hand wissen, wie es Bankangestellten heute geht? Gut wäre gelogen, okay untertrieben. Und wenn ich ehrlich antworte und mein Chef das liest, wird er sagen: ,Keiner zwingt dich, hier zu arbeiten, du kannst es sein lassen.' Ich sollte also besser den Mund halten." Er wird es nicht tun. Im Gegenteil. Nachdem er die Zusage bekommt, dass sein wirklicher Name nicht in der Zeitung stehen muss, er stattdessen Markus Kramer heißen kann, wird der Mann einiges sagen - über seine Arbeit als Berater bei einer Privatbank in einer westdeutschen Großstadt und wie die Finanzkrise diese verändert hat, über den Druck seines Chefs und das Misstrauen der Kunden, über ein System, das ihm schlaflose Nächte bereitet, aus dem er aber keinen Ausweg findet.

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Es ist vor allem eine Frage, über die er seit Monaten immer wieder grübelt. Sein Sohn hat sie ihm gestellt - beim Frühstück an einem dieser Tage, an denen er die Fahrt zur Bank hinauszuzögern versuchte und fast zu spät dran war. "Papa, wenn man sich für einen Beruf entscheidet, ist das für immer? Kann man nie wechseln - auch wenn der Beruf keinen Spaß mehr macht?" Banker lebenslänglich? Das geht Kramer nicht mehr aus dem Sinn. Diese Frage hat ihm klargemacht, wie sich sein Beruf gewandelt hat. Vor knapp 20 Jahren machte er eine Banklehre, weil ihm nach dem Abitur nichts Besseres einfiel. "Ich frag' mich, wie ich diesen Job bis zur Rente machen kann." Kramer steht für einen ganzen Berufsstand, der im öffentlichen Ansehen so tief gesunken ist wie die Kurse an den Börsen. Eine Zunft, die einst zur Elite zählte, hat jeden Kredit verspielt - seitdem die Bankenwelt durch die Pleite von Lehman Brothers im Herbst 2008 ins Wanken geriet, Milliarden vernichtete und sich Abgründe auftaten, die sich kaum jemand so tief und dunkel vorzustellen vermochte. Zum Vorschein kamen Banker aus den Topetagen, die ihre Institute nur noch mit Steuergeldern in Milliardenhöhe vor der Insolvenz bewahren können, aber auf Millionen-Boni bestehen. Zum Vorschein kamen Bankberater, die das Vertrauen ihrer Kunden missbrauchen und um ihr Geld gebracht haben, weil sie sie falsch beraten haben. Zum Vorschein kam, dass diese Methode die Regel war, nicht die Ausnahme. Eine ganze Berufsgruppe ist in den Verdacht geraten, hauptsächlich aus Betrügern, Verrätern und Fälschern zu bestehen. Jetzt werden sie gesellschaftlich geächtet. Nur noch Prostituierte und Kriminelle sind Umfragen zufolge unbeliebter. "Wenn ich auf einer Party neue Leute kennenlerne, versuche ich, das Thema Arbeit zu vermeiden", erzählt ein Düsseldorfer Banker. Sein Kollege hat eine andere Strategie: "Ich sag', ich bin Betriebswirt, und hoffe, dass keine Nachfragen kommen." Im Job sind die unvermeidlich. Denn Kunden sind argwöhnischer geworden, lehnen neue Produkte ab. Das macht die Arbeit aufwendiger. Genauso wie neue Regeln, die die Bankmitarbeiter beachten sollen, um nicht wegen Falschberatung belangt zu werden. Der Druck aber, Woche für Woche eine bestimmte Anzahl an Krediten, Wertpapieren und Versicherungen zu verkaufen, hat keinesfalls nachgelassen. Die Krise, sie könnte eine Chance sein für einen Neuanfang, dafür, Missstände abzustellen, Fehler zu korrigieren. Das haben viele Bankmitarbeiter gehofft. Bislang vergeblich. Ein weißes Häuschen in einem Hinterhof in Offenbach, fünf Minuten Fußweg vom Bahnhof entfernt. Vor der Eingangstür versuchen ein paar Pflanzen die Sonnenstrahlen zu erhaschen, die sich durch die Wolken kämpfen. Werner Gross öffnet die Tür, ein eher kleiner Mann, kräftige Statur, fester Händedruck, angenehme Stimme. Auch Gross spürt die Krise. Sie bringt ihm verstärkt Kundschaft, die sonst eher selten den Weg in diesen Hinterhof findet, in seine psychologische Praxis: Bankmitarbeiter, quer durch alle Institute und Hierarchien. Berater, die kleinen Sparern Zertifikate und Fonds verkaufen, genauso wie Investmentbanker, die Unternehmen bei Übernahmen begleiten, Leiter von kleinen Filialen genauso wie solche von großen Abteilungen in den Frankfurter Banktürmen zwölf Kilometer westlich von hier. Gross hat sich mit einem Buch über die seelischen Kosten und Risiken des beruflichen Aufstiegs einen Namen gemacht. Seine Praxis in Offenbach gilt für Banker, denen die Krise zu schaffen macht, als diskrete Adresse. Kaum jemand weiß mehr über ihre Seelenlage als Werner Gross. ... Er nennt sie "abgestürzte Helden", die Menschen, die in seine Praxis kommen - oft Männer, alleinstehend, lange Zeit erfolgreich im Beruf. Plötzlich haben sie allerdings schlaflose Nächte, sind unruhig, reizbar, erschöpft, bringen nicht mehr die Leistung wie noch vor einigen Monaten oder verhalten sich irrational. So berichten Psychologen und Berater von Bankern, die in den Hochzeiten der Krise täglich zum Geldautomaten gingen, um Bargeld zu horten. Sie fürchteten, dass es bald keins mehr gibt. Oder von Brokern, deren Selbstwertgefühl rapide sinkt, seitdem die Boni kleiner ausfallen. Das alles passt nicht zu ihrem Selbstbild. Genauso wenig wie ihre Angst vor dem Abstieg, Angst davor, Fehler zu machen. "Das löst bei einigen Bankern eine Sinnkrise aus", sagt Stefanie Bathe von Maincoach. Sie arbeitet als Wirtschaftscoach in Frankfurt und berät derzeit viele Manager aus der Finanzbranche - Menschen, die damit kämpfen, dass sie ihren Ansprüchen nicht mehr gerecht werden oder ihre Lebensziele in weite Ferne rücken. "Da hat sich jemand vorgenommen, sein Haus in einigen Jahren, wenn er 50 ist, komplett abbezahlt zu haben", erzählt Bathe, "jetzt macht ihm die Finanzkrise einen Strich durch die Rechnung." Die Reaktionen darauf können extrem ausfallen. Bathe: "Das Finanzsystem hat lange funktioniert. Die Landung auf dem Boden der Tatsachen ist für die Betroffenen umso härter." Sie leiden unter Panikattacken oder Depressionen, psychosomatischen Problemen oder einer Krankheit, die sich epidemisch ausbreitet, die es aber als offizielle Diagnose gar nicht gibt: das Burn-out-Syndrom. Der deutsch-amerikanische Psychoanalytiker Herbert Freudenberger hat den Begriff Mitte der 70er-Jahre zum ersten Mal verwendet. Er hatte den psychischen Verfall von Mitarbeitern in Hilfsorganisationen beobachtet. Sie verwandeln sich oft von glühenden Idealisten in frustrierte Individuen.

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Schon lange ist klar: Nicht nur Menschen in Helferberufen können ausbrennen. Markus Kramer hat sich lange Zeit gut geschlagen in den internen Rankings, die sein Filialleiter mit einem Tastendruck aus dem Computer holen kann. Häufig lag er oben oder mindestens im oberen Mittelfeld. Hat er getrickst? Das Schnauben am anderen Ende der Leitung wird lauter: "Ich habe nie bewusst eine Falschinformation gegeben. Aber nicht alle Kunden stellen alle Fragen." ... Viele Kunden legen ihr Geld lieber zu Hause in den Tresor oder unters Kopfkissen, als es ihrer Bank anzuvertrauen. Und wenn sie Geld anlegen, dann häufig nur als Festgeld, "bei anderen Vorschlägen wollen sie eine Nacht darüber schlafen, und dann sieht man sie nicht so schnell wieder", sagt Kramer. Es braucht mehr Zeit, bis ein Vertrag unterschrieben, die Provision für die Bank sicher ist. Das kostet Kraft - Kraft, die bei Kramer schwindet. Doch das sagt er so nicht. Er sagt: "Die Krise hat Unruhe in die oberen Etagen reingebracht, man hat die Zügel etwas losgelassen. Jetzt zieht man sie wieder an, und mir fällt es nicht ganz leicht, wieder Tritt zu fassen." Er atmet schwer. Die Institute haben in den Filialen die Ziele für das laufende Jahr festgelegt. Die Debatte über die Folgen der Krise, darüber, welche Lehren die Banken daraus ziehen sollten, rückt in den Hintergrund. Öffentlich üben sich die Manager zwar noch in Demut und geloben Besserung. Intern ist aber alles beim Alten. "Als sei die Krise nur ein kleiner Ausrutscher gewesen", sagt der Personalrat einer Sparkasse. Die Bankenexperten von Verdi formulieren es dramatischer: "Die Zustände im Vertrieb sind schlimmer als jemals zuvor, Zielvorgaben wurden sogar erhöht." ... Es sind vor allem die älteren Mitarbeiter, die damit kämpfen, die noch andere Zeiten kennen, als Bankberatung den Nimbus hatte: sicher, seriös, sauber. "Die Jüngeren haben weniger Hemmungen, Teil einer Drückerkolonne zu sein", erzählt ein Betriebsrat, "die sind schon entsprechend ausgesucht worden." Die Älteren macht der Job dagegen mitunter krank. Seit Jahren nehmen psychische Erkrankungen von Bankmitarbeitern deutlich zu - ein Plus von 70 Prozent seit Mitte der 90er-Jahre meldet die AOK. Laut Studien anderer Krankenkassen kommen psychische Erkrankungen im Kreditgewerbe häufiger vor als in anderen Branchen. Die Zahlen könnten jetzt erneut steigen. Werner Gross sitzt an einem ausladenden Tisch in seiner Praxis in einem Offenbacher Hinterhofhaus. Im Zimmer nebenan steht der schwarze Sessel, wo seine Klienten sich den Frust vom Leib reden. Ein langer Weg für einen Banker, manchmal zu lang: "Sie sind äußerst effizienzorientiert", sagt Gross, "nach drei Terminen bei einem Psychologen muss alles wieder im Lot sein." Ansonsten verlieren sie die Geduld. Gross: "Dabei braucht eine positive Veränderung Zeit." Der Banker, ein schwieriger Patient. Einer, dem es sehr schwer fällt, sich psychische Probleme überhaupt einzugestehen. Es müsse schon einiges passieren, bevor sich Menschen, die sich für rational hielten und am liebsten alles in Zahlen ausdrückten, dazu durchringen könnten, räumt Gross ein. Solche extremen Zeiten erleben sie jetzt, die Psychologen und Coaches, die die Banker-Psyche reparieren sollen. Markus Kramer versucht, sich selbst zu helfen, wenn die Zweifel an ihm nagen, er nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll in seinem Job. "Meine Frau arbeitet auch bei einer Bank", erzählt er, "es tut gut, die Probleme mit ihr zu wälzen, auch wenn sie Glück hatte mit ihrem Chef, der mehr Verstand und Rückgrat aufbringt." Ansonsten helfe eine Flasche Bier, wenn er mal wieder partout nicht einschlafen könne. Doch auch Kramer kennt Kollegen, die andere Mittel brauchen. Bei denen kein Bier hilft und auch kein Jogging, kein Yoga und keine Atemübungen. Die nur mit Hilfe von Tabletten über die Runden kommen. So weit will er es nicht kommen lassen. Es gebe sie ja noch, die Banken, die ihre Berater nicht so unter Druck setzen, die ihnen mehr Zeit geben, ihre Ziele zu erreichen. "Ich schreib' gerade Bewerbungen." Es klingt, als ob er noch nicht wüsste, ob er die Kraft haben wird, sie abzuschicken.

(HB, 06.04.2009, S. 10: Abgestürzte Helden, Düsseldorf)

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6 FAZIT

Mit dieser Arbeit sollte aus gegebenem Anlass der Frage wissenschaftlich nachgegangen

werden, welche möglichen Auswirkungen sich regelmäßig aus Finanzkrisen zum einen für

das Bankensystem und damit verbunden für die Beschäftigten der Branche ergeben. Hierzu

wurden zunächst fokussiert Presseberichte aus drei verschiedenen Epochen herangezogen und

analysiert, um vergleichbare Entwicklungsmuster der jeweiligen Krisensituation

herauszuarbeiten. Die initialisierende Annahme des Verfassers wurde zur Hypothese

ausformuliert, welche die Kernaussage dieser branchenspezifischen Studie bildet:

Es besteht eine positive Korrelation zwischen dem Auftreten von Bankenkrisen, ihrer

Effekte und Intensität mit der gesundheitlichen Belastung von Bankmitarbeitern.

Zur Validierung der Hypothese sollte die Arbeit mittels einer Kausalitätskette „Bankenkrise

- Strukturveränderungen im Bankensektor - Stellenabbau - erhöhte gesundheitliche

Belastungen für Bankmitarbeiter“ als Leitfaden aufgebaut werden. Die Empirie wurde

hierbei durch eine umfassende wissenschaftliche Inhaltsanalyse des Handelsblattes nach

Mayring anlässlich der aktuellen Bankenkrise geliefert. Die einzelnen Elemente dieser

Beweisführung wurden so sukzessive im Verlauf der Arbeit herausgearbeitet und jedes

Element für sich mit entsprechenden, z.T. zeitgenössischen Dokumenten unterlegt.

Als Nebeneffekt ergibt sich aus der Inhaltsanalyse anhand der gezielt herausgefilterten

Handelsblattartikel eine eindrückliche und lückenlose Dokumentation des Verlaufs der

internationalen Finanzkrise, die die Märkte ab 2007 zunehmend in Atem gehalten hatte.

Erstaunliche Parallelen sind dann im Vergleich mit den in Anhang I selektierten Artikeln und

Beiträgen aus der zeitgenössischen Presse der Krisenzeiten um 1873 und 1929 zu erkennen.

Aus den so gewonnenen Feststellungen und Erkenntnissen sowie auf Basis einschlägiger

wissenschaftlicher Studien konnten schließlich im zweiten Teil der Arbeit maßgebliche

Beeinträchtigungen und Belastungen für Bankmitarbeiter in Krisensituationen der Branche

valide abgeleitet und dokumentiert werden. Hierbei wurden krisenspezifische

Belastungsfaktoren -die sog. Stressoren- als nachgewiesen gesundheitsschädigende Faktoren

identifiziert, beschrieben und in ihrer jeweiligen Auswirkung detailliert bewertet. Hieraus

ergab sich wiederum ein Gesamtszenario multipler auftretender Belastungsfaktoren, das sich

in der Finanzkrise zu einer besonders gefährdenden Stresskulisse für die Bankbeschäftigten

verdichtete. Diese gegenüber den jeweiligen Vorkrisenzeiten und ihren üblichen

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Anforderungen erheblich gestiegenen Belastungsparameter erstrecken sich z.T. über Jahre

währende Zeiträume und können dauerhafte gesundheitliche Schädigungen auslösen.

Abb. 39: Stressoren in der Bankenkrise

Quelle: Eigene Recherchen

Da sich anhand der Untersuchungen der verschiedenen Krisen aus drei Epochen nachweisen

ließ, daß diese Effekte in derartigen Branchenkrisen regelmäßig anzutreffen sind, konnte

schließlich die Validierung der Hypothese und das Ergebnis der Studie hergeleitet werden:

Beschäftigte der Bankenbranche sind in einer Finanzkrise besonderen Belastungen

ausgesetzt, woraus sich für sie in derartigen Situationen grundsätzlich eine erhöhte

gesundheitliche Gefährdung ergibt. Dabei sind sowohl Intensität und Dauer der Krise,

als auch das vom Mitarbeiter individuell wahrgenommene Belastungsszenario, sein

persönliches Umfeld sowie sein Copingpotential ausschlaggebend für die jeweilige

Gesundheitsbelastung.

Bankmitarbeiter stehen hiernach regelmäßig im Zwang ihrer jeweiligen beruflichen

Anforderungsprofile, die zwar durch zeitgenössische Spezifika geprägt sind, doch aber zu

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allen Zeiten schon in der Basisanforderung ambitioniert aufgestellt waren. Diese

Anforderungs- und Leistungsprofile erfahren in einer Bankenkrise eine deutliche Verstärkung

durch verändertes Kundenverhalten, durch verschärfte Rahmenbedingungen und staatliche

Eingriffe, durch Reduzierung der Personalstärke, durch strukturelle Veränderungen des

Bankensektors im allgemeinen und/oder durch die direkte Betroffenheit des eigenen Hauses.

Vergleicht man die Bankenkrisen verschiedener Epochen hinsichtlich ihrer Auswirkungen

miteinander, so ergeben sich für die Angestellten des Finanzgewerbes vergleichbare Muster

und Effekte. Wie beschrieben sehen sich Bankangestellte in dieser Situation plötzlich und

unerwartet vielfältigen Stressoren ausgesetzt, die sie in dieser Form oder Stärke bislang nicht

kannten oder überhaupt erahnten. Sie werden überrollt von einer allgemeinen Unsicherheit in

ihrer Branche, einhergehend mit massivem Vertrauens- und Prestigeverlust des Sektors und

ihres Berufsstandes. Die zeitgenössischen Medien tragen vielfach mit undifferenzierter,

teilweise tendenziöser bzw. übertrieben negativer Berichterstattung zur gesteigerten

Wahrnehmung des Verfalls des eigenen Arbeitsumfeldes bei. Allein die deutlich höhere

Berichtsfrequenz führt dem Bankangestellten den unaufhaltsamen Wandel seiner Branche

nahezu täglich und bis hinein in den Privatbereich vor Augen.

Hinzu kommen in der Krise Steigerungen der Zielvorgaben für den einzelnen Mitarbeiter bei

gleichzeitiger (konditioneller) Verschlechterungen seiner Arbeitsbedingungen. Schließlich

kulminiert das Belastungsszenario in der existenziellen Angst um den eigenen Arbeitsplatz in

einem von Stellenabbau geprägten Umfeld. So gibt es einerseits die schon konkret von

Entlassung Betroffenen; größer noch ist aber die nicht erfasste Zahl der Bankmitarbeiter, die

im direkten Umfeld der Entlassenen befürchten müssen, selbst bald an der Reihe zu sein.

Wie in der Arbeit dargestellt werden hierdurch je nach individuellem Copingpotential

vermehrt stressbedingte Gesundheitsschädigungen ausgelöst und befördert, die wegen eines

permanent erhöhten Stresspegels bzw. mangels ausreichender Erholungsphasen perpetuieren

können (vgl. Kapitel 5.7: Allostatic Load).

Für die Bankenbranche können hieraus Schlußfolgerungen im Hinblick auf präventive

Maßnahmen zur Gesundheits- und Persönlichkeitsstärkung ihrer Mitarbeiter und deren

bewusstem Umgang mit Bankenkrisen gezogen werden. Neben Übergangshilfen für vom

Abbau direkt Betroffene sollten insbesondere die Coping-Fähigkeiten zur Bewältigung

derartiger Situationen gestärkt werden. Zur Vermeidung langanhaltender Phasen von

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Unsicherheit und Ungewissheit trägt eine offene und zeitnahe Kommunikation der

Unternehmensführung gegenüber dem Personalkörper bei.

Ein besonderes Augenmerk ist auf die im Unternehmen verbleibenden Mitarbeiter - die

„Survivor“- zu nehmen, denn diese Mitarbeiter tragen einen wesentlichen Teil der

Maßnahmen zur Stabilisierung der eigenen Bank, um sie aus der Krise herauszuführen. Dies

kann nur erfolgreich gelingen, wenn unter Berücksichtigung der angespannten Lage

zusätzliche Motivationen gegeben werden, was sowohl unter herkömmliche Formen der

Anerkennung der geforderten und notwendigen Mehrleistung, aber auch durch mentale

Unterstützung der Mitarbeiter durch Bankführung und Vorgesetzte umzusetzen ist.

Jedoch ist bei aller Motivation im Zusammenhang mit dem unter Rentabilitätsaspekten

geplanten Stellenabbau zu prüfen, ob die auf die Survivor umzuverteilenden Lasten und ggf.

Neuerungen auch von diesen überhaupt im Sinne des Unternehmens erfolgreich und

realistisch bewältigt werden können. Hier kann ggf. der kurzfristige Einsparungseffekt

mittelfristig nicht den Verlust von langjähriger Mitarbeiterkompetenz ersetzen, denn

Personalkontinuität in der Kundenbetreuung stellt einen wesentlichen Erfolgsfaktor im

Bankgeschäft dar.

Darüber hinaus liegen Instrumente zur Begegnung von erhöhten Belastungen während und

nach einer Bankenkrise in den Händen des Bankmanagements sowie des Führungspersonals:

So kann Gratifikationskrisen und Arbeitsplatzunsicherheit mittels kommunizierter

persönlicher , aber auch materieller Wertschätzung vorgebeugt werden. Zur Vermeidung von

Präsentismus kann die Schaffung einer Unternehmenskultur, in der der ,,gesunde Mitarbeiter“

im Fokus steht, beitragen. Hierhinein spielte der klare Auftrag an die Beschäftigten und

Vorgesetzten, Krankheitssituationen zu erkennen und auszukurieren. In diesem

Zusammenhang wäre es für die Unternehmensführung von Vorteil, sich gerade vor dem

Hintergrund einer Krisensituation ein Bild vom Zustand des Mitarbeiterstammes zu machen,

was z.B. mit anonymen Befragungen unter Einsatz wissenschaftlich validierter Fragebögen

umgesetzt werden könnte. Der jeweilige Handlungsbedarf zur Stabilisierung des

Personalkörpers könnte so gezielter erkannt und mit entsprechenden Maßnahmen

aufgenommen werden, wozu z.B. Angebote für Programme zur Stressreduktion zählen

könnten. Zu analysieren wäre hierbei, welche direkten Folgen sich durch den aus der Krise

ergebenden Strukturwandel im Hinblick auf den einzelnen Arbeitsplatz ergeben. So ist z.B.

für Deutschland festzuhalten, daß die überbordende staatliche Reglementierung des

Bankgeschäftes unter dem Etikett des Kundenschutzes zu einem einschneidenden Wandel in

allen wichtigen Geschäftsfeldern geführt hat, der wie oben beschrieben mit erheblichem

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administrativen Aufwand für den einzelnen Bankmitarbeiter einhergeht. Unabhängig von der

Frage der Sinnhaftigkeit einer Vielzahl der neuen Vorgaben muß sich jede Bankführung

fragen, ob dieser Mehraufwand bei mindestens konstanten Zielvorgaben dauerhaft von den

Beschäftigten geleistet werden kann. Offenkundig ist hierbei die deutlich gestiegene

Belastung, denen sich die Beschäftigten der Kreditinstitute gegenüber sehen. Dieser Faktor

muß bei etwaigen Überlegungen zum Gesundheits- und Leistungszustand der Mitarbeiter mit

berücksichtigt werden, um auch hieraus rechtzeitig entsprechende Gegenmaßnahmen -intern

und ggf. auch extern- einleiten zu können.

Für die Verantwortlichen der Branche sollten diese Erkenntnisse dahingehend sensibilisieren,

daß in der Bankenkrise neben dem Erhalt des Finanzinstitutes an sich dem Personalkörper

erhöhte und besondere Aufmerksamkeit und Pflege zu schenken ist, da von seiner Motivation,

seinem Gesundheitszustand und seiner Leistungsfähigkeit maßgeblich die weitere

Entwicklung des Unternehmens abhängt. Denn nur mit Mitarbeitern, die bereit und in der

Lage sind, mit notwendiger Leistung zum Erfolg des Unternehmens beizutragen, ist es

möglich, die Zielvorgaben der Führung umzusetzen und zu erreichen. Dies gilt umso mehr in

Phasen extremer Anspannung der Branche, durch welche die Führungsmannschaft des

jeweiligen Finanzinstitutes versuchen muss, möglichst unbeschadet hindurchzusteuern.

Dies sollte umso besser gelingen, je stärker sich die Bank in ,,normalen“ Zeiten aufgestellt hat

und z.B. mittels krisenfester Eigenkapitalausstattung stabil gegen potentielle Branchenkrisen

gewappnet zu sein. Hilfreich war hierbei auch regelmäßig die Fokussierung des klassischen

Bankgeschäftes und die Vernachlässigung von intransparenten und hochspekulativen

Geschäftsfeldern sowie potentiell illiquiden Marktsegmenten.

Um zukünftig Banken- und Finanzkrisen womöglich besser voraussehen und sich darauf

vorbereiten zu können, sollten aktiv Lehren aus der Geschichte gezogen werden, die, wie in

dieser Arbeit gezeigt, ausreichend warnende Beispiele und Muster von Mißmanagement,

Spekulation, Marktübertreibungen und Blasenbildung mit darauf folgendem Kollaps

bereithält. So sollten diese Ereignisse zu einem festen Bestandteil von wirtschaftsspezifischen

Ausbildungs- und Studiengängen werden.

Dabei darf man sich nicht der Illusion hingeben, daß Finanzkrisen damit dauerhaft verhindert

werden können: Bei aller Vorausschau wird der Mensch nicht zum ,,homo oeconomicus“ ;

seine Schwächen, wie sie die ,,Behavioral Finance“ beschreibt, werden nicht abzustellen sein.

Solange sie maßgeblich das Geschehen an den Märkten mitbestimmen und beeinflussen,

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solange ,,die Gier das Hirn frisst“, solange muß mit Blasenbildungen und mit aus ihrem

Platzen folgenden Krisen und Effekten für das Finanzsystem und für die Banken als seine

Finanzintermediäre sowie für die Bankmitarbeiter gerechnet werden.

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Handelsblatt, 4.9.2007, S. 23: Manager fürchten um Banken-Image

Handelsblatt, 17.9.2007, S. 35: Ein Hauch von Weltwirtschaftskrise

Handelsblatt, 20.9.2007, S. 24: Bloß keine Panik

Handelsblatt, 27.9.2007, S. 22: Bank of America streicht 4000 Stellen

Handelsblatt, 14.11.2007, S 1: WestLB muß mehr sparen

Handelsblatt, 15.11.2007, S. 28: Übernahmewelle steht bevor

Handelsblatt, 21.11.2007, S. 31: Banken drohen weitere Einsparungen

Handelsblatt, 28.11.2007, S. 28: Banken fürchten um Gewinne

Handelsblatt, 18.1.2008, S. k04: Alarmzeichen für den Berufsstand

Handelsblatt, 4.2.2008, S. 21: Landesbanken droht Stellenabbau

Handelsblatt, 7.2.2008, S. 21: Die Entlassungswelle rollt

Handelsblatt, 11.3.2008, S.1: Banken im Abwärtsstrudel

Handelsblatt, 25.3.2008, S. 22: Die Entlassungswelle rollt

Handelsblatt, 17.4.2008, S. 23: UBS: Reputationsschaden erst nach Jahren behoben

Handelsblatt, 11.6.2008, S .1: Dresdner-Beschäftigte fordern Job-Sicherheit

Handelsblatt, 12.6.2008, S. 8: Es muß wehtun

Handelsblatt, 12.6.2008, S. 28: Die Angst vor den Aussortieren

Handelsblatt, 24.6.2008, S. 28: Die Zähmung des Monsters

Handelsblatt, 27.6.2008, S. 2: Mailänder Salamitaktik

Handelsblatt, 3.7.2008, S. 22: Banken erwarten Jobabbau

Handelsblatt, 18.7.2008, S.10: Auto weg, Haus weg, Yacht weg

Handelsblatt, 29.8.2008, S. p15: Düstere Gemütslage. Viele Banker fürchten um ihren Job. ...

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Handelsblatt, 19.9.2008, S. 32: Bangen und Hoffen

Handelsblatt, 2.10.2008, S. 24: Das Streichkonzert

Handelsblatt, 17.12.2008: S. 26: Auf Glatteis geraten

Handelsblatt, 23.12.2008, S. 15: Das Leiden fängt gerade erst an

Handelsblatt, 25.2.2009, S. 25: Der große Aderlass

Handelsblatt, 10.3.2009, S. 25: Mitarbeiter verlieren Geduld

Handelsblatt, 11.3.2009, S. 24: Das zerstörte Verhältnis zum Kunden

Handelsblatt, 12.3.2009, S. 29: Erschreckende Parallelen

Handelsblatt, 6.4.2009, S.10: Die Bankerkrise

Handelsblatt, 16.4.2099, S.26: Rezepte gegen die Wut

Handelsblatt, 20.4.2009, S. 26: Absturz in ein neues Leben - Banker ohne Job

Handelsblatt, 19.5.2009, S. 1: Versicherer scheuen Verträge mit Bankern

Handelsblatt, 18.6.2009, S. 18: Erschießt die Kunden !

Handelsblatt, 20.7.2009, S. 23: Die Angst, der Tod und die City

Handelsblatt, 7.9.2009, S. 25: Banken kämpfen um Vertrauen

Handelsblatt, 14.1.2010, S. 41: Weniger offene Stellen bei Banken

Handelsblatt, 15.4.2010, S. 34: Commerzbank sieht Integration auf gutem Weg

Handelsblatt, 30.4.2010, S 48: Vertrauen zurückgewinnen

Handelsblatt, 18.10.2010, S. 30: Bei der WestLB geht die Angst um

Handelsblatt, 17.1.2011, S. 36: Zahl der Banken in Europa schrumpft

Handelsblatt, 3.5.2011, S.36: Aigner verängstigt die Berater

Handelsblatt, 22.6.2011, S. 35: Zahl der Klagen von Anlegern gegen Banken verdoppelt

Handelsblatt, 22.8.2011, S. 1: Das Banken-Beben

Handelsblatt, 9.9.2011, S. 1: Das große Banken-Beben

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237

Handelsblatt, 5.10.2011, S. 32: Krise holt die Investmentbanken ein

Handelsblatt, 28.10.2011, S. 64: Der schleichende Bank-Run

Handelsblatt, 1.12.2011, S. 33: Griechische Geldhäuser rutschen tief in die Verlustzone

Handelsblatt, 6.1.2012, S. 43: Die neue Banker-Generation

Handelsblatt, 25.1.2012, S. 34: Frankreichs Geldhäuser im Dauerfeuer

Handelsblatt, 9.2.2012, S.29: Anleger schwanken zwischen Mut und Angst

Handelsblatt, 10.2.2012, S. 64: Banken auf der Suche nach Vertrauen

Handelsblatt, 14.6.2012, S. 32: Banker zittern vor Sparwelle

Handelsblatt, 4.9.2012, S. 8: Vertrauen zurückgewinnen

Handelsblatt, 21.12.2012, S. 26: Die Vertrauensleute des Geldgewerbes

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ANHANG I

Themenrelevante historische Beiträge u.a. aus folgenden Publikationen:

Berliner Börsen-Zeitung (Abendausgabe) / Geschäftsbericht der Direction der Deutschen

Bank / Die Bank / Der Angestellte im Bankgewerbe GDA / Monatshefte für die Beamten der

Deutschen Bank und Discontogesellschaft (DD-Bank) / Der Kaufmann im Bankgewerbe /

Bankbeamten=Zeitung / Geschäftsbericht der Dresdner Bank

* : liegt als Ablichtung des Originalbeitrags vor

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Berliner Börsen-Zeitung

I. Beilage der Berliner Börsen-Zeitung, 21. September 1873, S. 8

In der letzten Börsenkrisis würde macher sich bedeutende Verluste erspart haben, wenn er

sich rechtzeitig nach unparteiischem und sachverständigem Rath umgethan hätte. Die

bisherigen Abonnenten der Neuen Börsenzeitung in Berlin haben in dieser Hinsicht

Erfahrungen gemacht. Durch einen Abonnements=Betrag von 1 M 20 Pf. für diese Zeitung

werden Tausende erhalten, die ohne fachkundige Führung verloren gehen, und manches

kleine Vermögen hat sich verdoppelt, während es ohne diesen Rathgeber von der Krisis

verschlungen worden wäre. (Anm. d.Verf.: Werbung 1873 vor gegebenem Hintergrund)

II. Beilage der Berliner Börsen-Zeitung 21. September1873, S. 11

Anm.d.Verf.: Werbung für Börsenbrief 1873 mit Hinweis auf die jüngsten Kurseinbrüche

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22. September 1873, S. 1

Frankfurt a.M., 20. September Abends - Die hiesigen Blätter constatiren, dass durch die

Amerikanischen Fallissements, wenn dieselben auch noch keinen unmittelbaren Einfluss

ausgeübt haben, doch eine grosse Verstimmung am hiesigen Platze hervorgerufen ist; auch sei

man in hiesigen mit Amerikanischen Verhältnissen genau bekannten Kreisen nicht ganz ohne

Besorgnis. - Nach einem Privat-Telegramm der „Frankfurter Zeitung" aus London sollen die

Forderungen der Bank von England an Cooke 60.000 Pfund Sterling, diejenigen des Hauses

Rothschild 100.000 Pfund Sterling betragen. [...]

London, 20. September Abends - „Reuter´s Bureau“ meldet aus New-York von heute: Die

Rückforderungen von Einlagen aus den Banken sind äusserst zahlreich. Ausser der „National-

Trust-Company“ hat auch die „Common-Wealth-Bank“ ihre Zahlungen eingestellt. Das

Clearinghouse ist ausser Stande, die Contis seiner Mitglieder zu ordnen und hat die Checks

und Anweisungen den Eignern zurückgesandt. Wie gerüchtweise verlautet, würde der

Schatzsecretair, falls der Ankauf von 10 Mill. Bonds durch die Regierung nicht im Stande

sein sollte, die herrschende Aufregung zu beseitigen, Noten der Reserve eventuell bis zu

einem Betrage von 44 Mill.Dollars ausgeben. Eine Versammlung der hiesigen Bankvorstände

hat die sofortige Ausgabe von 10 Mill. Dollars in Anleihecertificaten beschlossen. [...]

New-York, 21. September Nachmittags - Präsident Grant und Schatzsecretair Richardson sind

hier eingetroffen und mit eingehender Prüfung der Vorschläge beschäftigt, welche von van

der Bilt und anderen grösseren Banquiers und Finanzcapacitäten zur Erleichterung der Lage

gemacht worden sind.

22. September 1873, S. 2

Es bleibt eine im Ganzen auffallende Erscheinung, dass die Nachrichten über die grossen

Amerikanischen Fallimente bisher ziemlich lückenhaft sind, und dass der Telegraph, der sonst

über alle Amerikanischen Vorkommnisse so eingehend zu berichten pflegt, in diesem Falle in

keiner Weise seine Schuldigkeit thut. Diejenigen vertraulichen Mittheilungen, die bisher hier

eingegangen sind, lassen nunmehr aber mit grosser Sicherheit erkennen, dass die Bedeutung

dieser Fallissements in ihrer wesentlichen Wirkung auf Amerika beschränkt bleibt, was ja

nicht ausschliesst, dass einzelne grosse Europäische Häuser gleichfalls sehr beträchtliche

Verluste dadurch erleiden. Die Firma Jay Cooke & Co. hatte das Londoner Filialgeschäft

McCulloch schon vor zwei Jahren mehr oder minder in der Absicht begründet, um durch

Trassirungen auf dasselbe sich Geld zu machen und durch die Manipulationen dieses

Zweighauses überhaupt den Europäischen Geldmarkt für die von dem Amerikanischen

Mutterhause patronisirten Unternehmungen zu interessiren. Es ist auch bekannt, dass in

Wirklichkeit colossale Wechselbeziehungen auf die europäischen Märkte und im Besonderen

auf den Londoner Platz durch die angedeutete Vermittlung gemacht wurden. Gerade weil dies

aber in einem so ausgedehnten Maasse geschah, erregte es die allgemeine Aufmerksamkeit

und in Folge davon verweigerte jetzt vor ungefähr 6 Monaten die Englische Bank die

Discontirung aller dieser Wechsel, weil dieselben lediglich auf Geldmachung hinausliefen.

[...]

Gerade je klarer es gegenwärtig wird, daß die große Firma Jay Cooke & Co. vorwiegend an

den bedeutenden Verpflichtungen zu Grunde gegangen ist, welche sie im Interesse des Baues

der Northern-Pacific Eisenbahn übernommen hatte, um so mehr lohnt es sich nocheinmal, an

die großen Anstrengungen zu erinnern, welche vor ungefähr zwei Jahren von der genannten

Firma gemacht wurden, die Actien und Obligationen der in Rede stehenden Bahn auch auf

den Europäischen Markt zu placiren.[...] Jedoch wurden die ganz ausserordentlich verlockend

klingenden Anerbietungen zur Übernahme dieser Northern-Pacific-Papiere andauernd

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abgelehnt und die Amerikanischen Unternehmer waren genöthigt, auf eigene Gefahr und

Kosten die übernommenen Bauten, so gut es eben ging, zur Ausführung zu bringen. Heute hat

man volle Ursache, sich dieser damaligen Enthaltsamkeit zu freuen.

22. September 1873, S. 2

In der am 20. d.M. in Görlitz angehaltenen ausserordentlichen Generalversammlung der

Actionaire der Görlitzer Vereinsbank, in welcher nahezu das gesammte Actiencapital

vertreten war, wurde der Antrag auf Auflösung der Gesellschaft nach kuerzer Debatte zum

Beschluss erhoben. Nach dem von der Verwaltung erstatteten Geschäftsbericht soll eine

innere Nothwendigkeit für diesen Schritt nicht vorgelegen haben. Derselbe findet seine

Motive lediglich in dem Bestreben, der Meinung der Börsen Rechnung zu tragen, welche auf

Liquidation der jüngeren Banken hindrängt, sofern dieselbe ohne besondere Schwierigkeit zu

ermöglichen ist.[...]

22. September 1873, S. 3

In einem Artikel über die Lage des Englischen Geldmarkts bemerkt der „Economist“, dass

[...] ein neuer Umstand eingetreten sei, [...] nämlich die von Amerika eingetroffene Nachricht

einer financiellen Panik in New-York und in Philadelphia und der Zahlungseinstellung des

Bankhauses Jay Cooke & Co. „Wir haben“, sagte das financielle Organ, „seit Kurzem mehr

als einmal auf die Eigenthümlichkeiten der Amerikanischen Finanzen, welche die

Möglichkeit einer Gefahr andeuteten, hingewiesen. Die New-Yorker Banken befanden sich

seit Monaten in einer Lage chronischen Leidens, [...]. Es ist nicht länger möglich, die früheren

aufgeblähten Course zu behaupten und daher erklären sich, wie wir glauben, die chronische

Geldklemme, die lange in den Ver. Staaten vorherrschte, und die Panik, die nun, wie es heisst,

begonnen haben soll. Es ist allerdings ganz möglich, dass die ersten Berichte übetrieben sind,

aber die Thatsache, dass in Amerika jetzt financielle Verlegenheiten ernstlicher als je drohen,

ist sicherlich ein mächtiger Grund, warum die Reserve der Bank von England eher

übermässig als unzulänglich sein sollte. [...]“

24. September 1873, S. 1

Die heute eingetroffene Nachricht über die Zahlungseinstellung der New-Yorker Firma Henry

Clews & Co. vermehrt die Zahl der grossen Amerikanischen Fallimente um ein Haus, das

bisher zu den bedeutendsten und potentesten gezählt wurde. Es walten aber nach den heute

schon vorliegenden genauen Nachrichten hierbei dieselben Gründe ob, welche bei den

bisherigen Fallissementsmaassgebend waren, und glaubt auch hiervon noch keine tiefer

einschneidende Wirkung für die Europäischen Geldmarkte befürchten zu müssen. [...] Dazu

kommt ferner, dass die Firma gerade auf dem Europäischen Continent sich keines besonden

Vertrauens erfreute und dass deshalb die Verbindungen mit derselben zum bei weiten

grössten Theile schon seit lange abgewickelt und abgebrochen sind. Man fürchtet deshalb,

wie gesagt, keine Rückwirkung davon hierher und sieht darin aber nur eine Fortsetzung einer

localisirten Amerikanischen Krisis.

24. September 1873, S. 3

Über die Situation in Wien entnehmen wir der „Presse“ folgende Mittheilungen: „Diejenigen

Fragen,“ schreibt das Blatt, ,,welche den Markt am meisten beunruhigen, die internen

Zustände der Banken und die Einzahlungen der Baubanken scheinen nunmehr doch ihrer

Entwicklung entgegenzugehen. Man wird jetzt aufhören sich mit Illusionen und Phrasen zu

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begnügen. Diejenigen Banken, welche aus dem Sturme soviel gerettet haben, dass eine

Reorganisation möglich ist, werden sofort an dieselbe schreiten, die anderen werden

liquidiren. Damit erweisen sie sich und dem Markt den besten Dienst. Was jene

Reorganisation anbelangt, so ist dabei das Zusammenlegen analoger Gesellschaften nicht

ausgeschlossen und spricht man von einer Combination: Vereinsbank, Austro - Türken und

Oesterreichische Allgemeine Bank, wobei die Vereinsbank die Führung haben soll, obschon

wir aus Erfahrung wissen, dass die Austro - Türken jede Combination scheitern lassen

möchten, ehe sie dem Standpunkte der Parität entsagen. Freilich mag man seither mürber

geworden sein. Was die Handelsbank anbelangt, so sollen die Verhandlungen wegen

Aufgehens derselben in der Schiffbank ziemlich weit gediehen sein, allein der Schwierigkeit

begegnen, dass sich die noch nicht klassirten Actien der Schiffbank im Werthe nicht taxiren

lassen, falls sie im Austausch für Handelsbank-Actien gegeben werden sollen. Wir machen

übrigens hierbei auf einen Umstand aufmerksam. Die Handelsbank ist das einzige Special-

Institut in Oesterreich, welches das Lagerhaus- und Waaren-Belehnungsgeschäft methodisch

betreibt. Es scheint nicht zweckmässig und den Interessen des eigentlichen Handelsstands

entsprechend, diesen Geschäftszweig in den Rahmen eines grossen Finanz-Instituts

hineinzuzwängen und darin gleichsam verschwimmen zu lassen. Falls die Lage der

Handelsbank eine Fortexistenz zur speciellen Pflege dieses Geschäftszweiges - unter

Auflassen des schadenbringenden Bank-Commissions-Geschäfts - ermöglicht, so sollte die

angedeutete Anschauungsweise nicht ganz unbeachtet bleiben. - Auch die Situation der

Baubanken geht einer gründlichen Klärung entgegen. Es war hohe Zeit, dass die

Oesterreichische Baugesellschaft sich zur Einzahlung ihrer Actien entschloss. Unter Hinweis

auf die Ertragsfähigkeit ihres Betriebes giebt es keinen richtigeren Weg sowohl für das

eigentliche Geschäftsinteresse als für die Börse, welche von dem unaufhörlichen Alpdruck

befreit wird. Freilich hätte dieser Schluss schon zu August-Anfang gefasst werden sollen. Die

kleinern Baugesellschaften vermögen allerdings nicht diesen Weg einzuschlagen, weil man

sonst eher die Annullirung der Actien über sich ergehen liesse, wozu es übrigens den

Bankleitungen wohl an Muth fehlen würde. Es bleibt ihnen sonach nichts übrig, als zu

fusioniren.“

25. September 1873, S. 2

Da die Gesellschafts-Vorstände der Stettiner Vereinsbank noch immer zögern, ihrerseits die

Auflösung der Bank in die Hand zu nehmen und sich in Folge der von hier gegebenen

Anregung bisher nur zu einer Reduction des Actiencapitals bereit erklärt haben, hat nunmehr

in den Kreisen der hiesigen Actionaire eine Agitation begonnen, um einen formellen, auf

Liquidation der Bank gerichteten Antrag in der vorgeschriebenen Form einzubringen und die

Einberufung einer ausserordentlichen Generalversammlung zur Beschlussfassung über diesen

Antrag zu veranlassen.

Der Aufsichtsrath der Deutschen Credit-Anstalt hierselbst beruft die Actionaire zu einer

ausserordentlichen Generalversammlung auf den 10. October , in der über den von uns schon

mitgetheilten Antrag auf Liquidation der Gesellschaft Beschluss gefasst werden soll.

25. September 1873, S. 3

Der Aufsichtsrath und die persönlich haftenden Gesellschafter der Westend-Gesellschaft H.

Quistorp & Co. machen im Hinblick auf den allerdings ganz ungerechtfertigt Cours-Stand der

Westend-Actien (dieselben waren gestern den Coursen der schlechtesten und

schwindelhaftesten Berliner Bau-Gesellschaften ziemlich nahe gerückt) darauf aufmerksam,

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dass die Gesellschaft statutengemäss befugt ist, bei Verkäufen von Terrains einen Theil des

Kaufpreises in vollgezahlten Westend-Actien zum Nominalcours anzunehmen.

25. September 1873, S. 4

New-York, 25. September. Die Bondsankäufe des Unterschatzsecretairs haben jetzt den

betrag von 12 Millionen erreicht und werden weitere Ankäufe daher einstweilen nicht

stattfinden, bis weitere Weisungen vom Präsidenten Grant eingetroffen sind. - Von Baltimore

wird gemeldet, dass ein dortiges grosses Bankhaus seine Zahlungen eingestellt hat.

26. September 1873, S. 1

New-York, 25. September, Abends. Der Schatzsecretair Richardson hat ein Gutachten des

Generaladvocaten darüber erfordert, ob die Regierung berechtigt sei, noch weitere Geldmittel

des Schatzes zum Ankauf von Bonds zu verwenden. Nach der Ansicht des Generaladvocaten

hat die Regierung nicht das Recht, auch die Schatzreservezu den Bondsankäufen

heranzuziehen. Die Regierung glaubt, die Banken hinlänglich unterstützt zu haben und wird

keine Bonds mehr ankaufen. Der Schatzsecretair hat bereits mehrere derartige Offerten

abgelehnt. Allgemeine Stimmung gedrückt.

Der Präsident Grant hat der Haltung des Schatzsecretairs Richardson seine Zustimmung

ertheilt. - Im Süden und im Westen der Union haben mehrere Banken ihre Barzahlungen

eingestellt und zahlen in courshabenden Papieren.

London, 25. September. Die erste Nationalbank in Memphis hat ihre Zahlungen eingestellt.

27. September 1873, S. 2

New-York, 27. September. Drei Banken in Charleston und zwei weitere Banken in Chicago

haben ihre Zahlungen eingestellt.

27. September 1873, S. 3

Die heute hier eingetroffene New-Yorker Handels-Zeitung, datirt vom 13. d.Mts., ist vor

Ausbruch der bekannten New-Yorker Fallimente ausgegeben und ihre Mittheilungen sind

daher durch die seitdem eingetretene Krisis überholt; gleichwohl sind dieselben nicht ohne

Interesse, da sie Verhältnisse schildern, welche als Vorläufer der später hereingebrochenen

Katastrophe anzusehen und dieselbe zum Theil mit veranlasst haben. Wir geben deshalb im

Nachstehenden auszugsweise wieder, was die genannte Zeitung über den Verlauf der New-

Yorker Börse vom 5. bis 12. September schreibt: „Die vollständige Deroute der Gold-

Clique“, so beginnt der Bericht, „ist erfolgt und dennoch ist die Börse von Fallissements

verschont geblieben. Die schwer Getroffenen und deren Anzahl muss bedeutend sein,

verheimlichen ihre Wunden, sie nehmen eine lächelnde Miene an und möchten die Welt

glauben machen, dass sie der Krach wenig oder gar nicht berührt habe. Solches ist die klügste

Politik, die sie befolgen können, denn auf Sympathie haben sie von keiner Seite zu rechnen.

Das Fiasco der Haussiers ist vielmehr als ein Sieg der öffentlichen Meinung zu betrachten, zu

welchem ein grosser Theil der Presse redlich beigetragen hat, da es ihrerseits an Denunciation

und Aufklärungen über den gemeinschädlichen Charakter der Verschwörung wahrlich nicht

gefehlt hatte. Obgleich die angestrebte Hausse des Agio´s aller gesunden Vernunft Hohn

sprach, hätten die Spieler ihre Pläne doch schwerlich aufgegeben, wenn ihnen der anständige

Theil der Geschäftswelt nicht nach und nach jegliche Unterstützung entzogen hätte.

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Diejenigen unserer Banken, denen jedes Mittel recht ist, um die Dividende ihrer Actionaire zu

vergrössern, sahen sich gezwungen, der Clique das Bündniss zu kündigen; Versuche, bei

hiesigen Bankhäusern bedeutende Summen von Goldcertifikaten zu versetzen, scheitern trotz

der hohen Zinsen, die man gern gewährt hätte, an dem Unwillen der Banquiers, [...] hilfreiche

Hand zu leisten [...]. Von allen Seiten verlassen, blieb nichts anderes übrig, als zu liquidieren

[...].

In financiellen Cirkeln gab sich anfangs dieser Woche eine Neigung zu pessimistischen

Anschauungen kund; da die Ereignisse an der Börse bis jetzt aber , ausserhalb eines engen

Kreises direct Betheiligter, ohne nachtheilige Folgen geblieben sind, hat auch eine

vertrauensvollere Stimmung wieder Platz gegriffen.“ Dass man gleichwohl auf das Eintreten

einer Katastrophe bereits vorbereitet war, beweist nachfolgender Passus: Der Charakter des

Actienmarktes war in dieser Woche äusserst fieberhaft und es hätte nur des geringsten

Anstosses bedurft, um eine ernstliche Panique herbeizuführen. [...]

Western Union, Rock Island und Union Pacific schienen zeitweise von ihren Freunden

gänzlich preisgegeben zu sein, und bis gestern schloss die Börse an jedem Tage mit der

Erwartung, dass am nächsten Morgen eine Deroute kaum ausbleiben könne.

Es lässt sich mit aller Bestimmheit behaupten, dass die Erschütterungen auf dem

Amerikanischen Geldmarkte in letzter Linie auf die im Eisenbahnwesen stattgehabte

Ueberspeculation zurückzuführen sind. [...] Anfänglich waren es die Europäischen Märkte

von London, Amsterdam, Frankurt, Berlin, welche die nöthigen Capitalien zum Bahnbau

lieferten; diese zogen sich aber bald nach mannichfachen Enttäuschungen zurück und

überliessen es den Amerikanern allein, ihre riesenhaften Eisenbahnbauten auszuführen.

Ermuthigt durch die Leichtigkeit, mit der ihnen anfänglich die Capitalien zuströmten, wurden

die bedenklichsten und unrentabelsten Linien in Angriff genommen und das System, lediglich

mit dem Gelde der Prioritäten zu bauen, auf die Spitze getrieben. Als Bespiel hierfür möge

das Factum dienen, dass die Northern Pacific-Bahn von 2000 Meilen Länge ein Actien-

Capital von 2 Millionen Dollars mit 10 Procent Einzahlung hatte. Dieses schwindelhafte

treiben musste in Wechselreiterei ausarten und zur Krisis führen. [...]

29. September 1873, S. 1

New-York, 27. September Mittags. Zwei Sparkassenbanken in Louisville sind geschlossen

worden.

New-York, 27. September Abends. Die Börse wird am nächsten Dienstag wieder geöffnet

werden, obgleich noch weitere Zahlungseinstellungen von Banken in den Provinzstädten

erfolgt sind.

29. September 1873, S. 2

Man berichtet uns heute von der bevorstehenden Auflösung von zwei der hier bestehenden

Maklerbanken. [...]

Man schreibt uns aus Wien: Die Baubankenfrage beschäftigt die Börse in hohem Grade, und

hängt von der Lösung derselben in gewisser Beziehung auch das Schicksal der Börse ab. Die

Überproduction an Baubanken, sowie die unsinnige Speculation auf die Weltausstellung

rächen sich jetzt in bitterer Weise. Die Allgemeine Oesterreichische Baubank, deren Leitung

als eine sehr solide geachtet wird, hat sich im Hinblicke auf die Weltausstellung in

Grundspeculationen engagirt, die ihre Kräfte weit überboten haben. Unter solchen Umständen

blieb ihr nun, wo der Grosse Krach alle Speculationen vereitelte, kein anderes Mittel, als

entweder an ihre Actionaire oder an den Credit zu appellieren.[...] Die Allgemeine

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Oesterreichische Baubank hat sich daher veranlasst gesehen, an ihre Actinaire zu appelliren

und die auf die Actien noch ausstehenden 8 Mill. Gulden einzufordern. Nun sind die Actien

dieser Baubank das Lieblingsspielpapier der kleinen Coulisse, die sich nach dem Grossen

Krach wieder zusammengefunden hat. Diese Sorte von Speculanten kann die Einzahlung

nicht leisten, weil sie fl. 80 per Actie in so kurzer Zeit nicht auftreiben kann. Sie hat deshalb

ihre Actien auf den Markt geworfen und dadurch alle anderen Baubanken deroutirt. Wenn den

Baubanken nicht anderweitiges Geld zugeführt wird, um ihre Bauthätigkeit fortzuführen, so

ist die Baubankencrisis und mit derselben zugleich eine Arbeitercrisis unausweichlich. Das ist

die Bedeutung der sich jetzt an der Wiener Börse abspielenden Deroute, und es ist sehr zu

bedauern, dass die Regierung sowohl, als auch die leitenden Bankkreise viel zu engherzig

sind, um die Gefahren zu würdigen, welche die Baubankenkrisis nach sich ziehen kann.

Die Erhöhung des Disconts der Bank von England von 3 auf 4 Procent findet den

unverhohlenen Beifall des „Economist“. „In Folge des Creditzusammenbruchs in New-York“,

sagt das finanzielle Englische Organ, „ist eine neue Geldnachfrage von grosser Bedeutung

entstanden, die Niemand in dem Augenblick erwartete. Früher schon ist die Beachtung auf

die kritische Lage der New-Yorker Banken gelenkt worden, aber man konnte nicht

erwarten, dass sie so schnell in so extremen Schwierigkeiten sich befinden würden. Aber

das Unerwartete der jetzigen Nachfrage macht deren Lehre werthvoller für die

Zukunft. Es zeigt klar, dass wir Vorsorge treffen müssen, nicht allein für das, an was

wir denken müssen, sondern auch für Dinge, die uns niemals beifallen würden, und zu

diesem Behufe ist eine sehr reichliche Reserve von Nöthen. [...] (Hervorhebung d.Verf.)

29. September 1873, S. 3

Die Beschwerden gegen das gewaltsame Vorgehen der hiesigen Makler bei Festsetzung der

Notirungen mehren sich jetzt wieder täglich. Man klagt, dass wenige Ordres, welche den

Maklern zum bestmöglichen Verkauf zugehen, Veranlassung sind, dass Effecten

unnöthigerweise viele Procente geworfen werden. [...] Es wäre doch endlich einmal Zeit, dass

die Aeltesten der Kaufmannschaft gegen die Missbräuche der Makler, die bei der Notiz

obwalten und die wir schon so oft erwähnt haben, energisch vorgehen; es ist dies umso

gebotener, als wir uns in einer Krisis befinden, zu der das tadelnswerthe Verfahren der Makler

viel beigetragen hat und beiträgt; man hat den Maklern so bedeutende Rechte eingeräumt, es

ist ihnen Gelegenheit zu so colossalem und zugleich leichtem Verdienst gegeben, dass jede

Unregelmässigkeit mit nachsichtsloser Strenge geahndet werden müsste.

Berlin, 30. September 1873, S. 1f.

Die Zustände unserer Börse und des Geldmarktes überhaupt sind unserer Meinung nach auf

einen Punkt gelangt, wo etwas Durchgreifendes geschehen muss, wenn nicht ein die weitesten

Kreise in Mitleidenschaft ziehender Zusammenbruch Platz greifen soll. Es scheint, dass die

Regierung nicht genügsam von dem Detail dieser Zustände unterrichtet ist, da wir bei den

grossen Mitteln, welche sie zur Zeit zu disponieren hat, andernfalls annehmen müsste, dass

nach den Vorgängen in anderen Ländern sie sich auch hier ihrerseits hülfreich einschreiten

würde. Es liegt unseren principiellen Anschauungen vollständig fern, eine Hülfe des Staates

für irgend welche Vorkommnisse direct zu beanspruchen, aber die Regierung mit ihren

grossen Geldinstituten muss wenigstens fördend in solchen Nothfällen denen zur Seite stehen,

welche eine auf Hülfe abzweckende Organisation vorsehen. Vor allen Dingen darf sie nicht

direct Schwierigkeiten bereiten, wie dies zum Theil noch gegenwärtig geschieht. Unsere

folgende Darlegung wird vielleicht etwas deutlicher erkennen lassen, was wir damit meinen.

Nicht der Mangel an Geld ist es, der gegenwärtig die traurigen Zustände der Börse hervorruft,

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sondern der Mangel am Credit, das gegen den Einzelnen wie eine grosse Zahl von Instituten

vorhandene Misstrauen und die daraus folgende Unveräusserlichkeit einer grossen Menge von

Papieren und Actien, die fast durchweg gegenwärtig in ihrem Course unendlich tiefer stehen,

als ihr reeller Werth ist, und wieder in weiterer Folge hiervon das Herabdrücken der Course

um viele Procente durch Verkäufe von relativ unbedeutenden Summen, die einmal ausgeführt

werden müssen. Namentlich durch diese letzteren Momente wird das gesammte

Privatpublicum in die empfindlichste Mitleidenschaft gezogen, ohne dass es irgendwie ein

Mittel hätte, irgend etwas dagen zu thun. Hat in den letzten Jahren eine entscheidende Über-

Production auf dem Gebiete des Actienwesens stattgefunden und ist dadurch eine ganz

enorme Summe von Geld in augenblicklich unveräusserlichen Werthen festgelegt, so giebt es

nur ein Heilmittel hiergegen, das darin besteht, so viele dieser neu entstandenen

Gesellschaften, als sich nur immer aus der Welt schaffen lassen, auch wirklich zu beseitigen

und das durch sie beanspruchte Capital wieder liquide zu machen und als wirkliches Geld

dem Publikum von Neuem zuzuführen. Es ist dies nur möglich, wenn sich eine Reihenfolge

von grösseren Instituten und Firmen zur Erreichung dieses Zweckes zu gemeinsamem

Handeln organisirt und systematisch die Auflösung und Liquidation in die Hand nimmt. Sehr

viele der kleineren Banken [...] würden sich leicht liquidiren lassen, wenn sich ein Consortium

von grösseren Banken und Firmen fände, um die Verpflichtungen der zu liquidirenden

Institute seinerseits zu übernehmen, und dann sobald sich der Status der zu liquidirenden

Gesellschaften klar übersehen lässt, eine dem wirklichen Werthe einigermaassen

nahekommende Theilzahlung den Actionairen zur Verfügung stellte und die weitetren

Ausschüttungen nach Massgabe der sich abwicklenden Geschäfte regelte. Es wird ein

derartiges Consortium mächtiger und potenter Banken und Firmen sich aber zu einem solchen

Vorgehen nur dann entschliessen können, wenn es wiederum die Staats-Geld-Institute mit

ihren grossen Geldmitteln helfend hinter sich hat.[...] Bei all den kleinen Banken, die

eigentlich von Hause aus einen andern Zweck hatten, als den, der Agiotage zu dienen, wird

fast durchweg ohne nennenswerthen Verlust die Liquidation durchzuführen sein; es ist in

diesem Augenblicke nur nicht möglich, weil es an einer mächtigen und energischen Hand

fehlt, welche die noch vorhandenen Verpflichtungen auf sich nimmt und sie allmälig

abwickelt. Wir appelliren deshalb mit diesen Zeilen an die grossen hier vorhandenen Institute

und Firmen und in zweiter Reihe an die regierung mit ihren grossen Geld-Instituten, dem

Ernste der augenblicklichen Situation ihre volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und durch ein

schleuniges und kräftiges Einschreiten noch rechtzeitig Zuständen zuvorzukommen, die,

wenn sie zu einem generellen Zusammenbruch führen sollten, Schuldige und Unschuldige

gleichmässig in den Fall hineinziehen und zu einer schweren Calamität werden dürften.[...]

Nicht zu säumen, da schnelles Einschreiten Noth thut, das ist unser dringender Mahnruf, mit

dem wir die Anregung schliessen.

30. September 1873, S. 2

Wir deuteten bereits vor einiger Zeit an, dass die Verlegenheiten, in denen sich ein Theil der

Quistorp´schen Institute (um einmal diesen generellen Titel zu brauchen) befand,

voraussichtlich in einer Weise geordnet werden würde, dass diese leidige Angelegenheit

bleibend aus der Welt geschafft sein dürfte. Die hierauf bezüglichen Verhandlungen sind

nunmehr gestern Abend auch zum formellen Abschluss gelangt und werden, wie wir hoffen,

nicht blos für die Quistorp´sche Angelegenheit selbst, sondern in umfassender Weise

wohlthätige Folgen für die Verhältnisse unseres Geldmarktes im Allgemeinen haben. Hier

beschränken wir uns zunächst nur auf die Quistorp´sche Angelegenheit allein. Die

Preussische Bank hatte schon seit Monaten, als sie in die bestehenden Verlegenheiten

eingeweiht worden war, in der Absicht, jedem Zusammenbruch zuvorzukommen, sich zur

Bewilligung eines weitreichenden Credits entschlossen (vgl. internationale Bankenrettungen

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ab 2007. Anm.d.Verf.) [...]. Als nunmehr aber in den jüngsten Tagen neue Bedürfnisse für die

in Rede stehenden Institute hervortraten, erklärte nach reiflicher Überlegung des ganzen

Sachverhalts das Directorium der Preussischen Bank seinerseits in eine noch weitere

Ausdehnung des Bankcredites nicht willigen zu können. [...]

Wichtig ist es uns heute nur, zu constatiren, dass irgend ein Falliment oder auch nur irgend

eine Stockung in der angegebenen Richtung nicht weiter mehr zu besorgen ist, da die

potentesten Firmen, welche wir überhaupt hier am Platze besitzen, für die allmälige

Abwickelung einzutreten die Absicht bekundet haben. es war bei diesem Entschluss die

Überzeugung massgebend, dass eine Zahlungsstockung bei der Quistorp´schen Bank und den

von ihr patronisirten Gesellschaften dem bereits epidemisch wirkenden Misstrauen den

weitesten Spielraum eröffnet haben würde, und so noch nicht zu übersehende unheilvolle

Folgen herbeizuführen geeignet gewesen wäre.[...]

30. September 1873, S. 3

Die eine der hiesigen Makler-Banken, auf deren bevorstehende Auflösung wir vor einigen

tagen hindeuteten, und Betreffs deren die entscheidung unmittelbar bevorsteht, ist die hiesige

Generalbank für Maklergeschäfte, an deren Spitze Herr Hugo Pringsheim steht. Es ist bei

derselben ein ausreichend unterstützter Antrag für Einberufung einer ausserordentlichen

General-Versammlung, um über die Liquidation zu beschliessen, bereits eingebracht und steht

deren Berufung also in den nächsten Tagen bevor, dass die Auflösung den Wünschen der

Actionaire und der Strömung der Zeit entspricht, unterliegt keinem Zweifel und wir haben

daher nur zu wünschen, dass der Aufsichtsrath der Bank, welcher sich bisher in einer

gewissen abwartenden und indifferenten Stellung verhält, dem antrage einfach beistimmen

und so die schleunige Durchführung der Liquidation ermögliche.

Es ist die Liquidation der hier seit ca. Jahresfrist bestehenden Deutschen Hypotheken-Bank

beantragt worden und steht die Einberufung einer ausserordentlichen General-Versammlung

zur Beschlussfassung über diesen Antrag, der übrigens von den Gesellschafts-Vorständen

selber befürwortet wird, bevor.

Einer unserer Abonnenten theilt uns ein ihm zugegangenes Schreiben der Sächsischen

Creditbank mit dem Ersuchen mit, davon Kenntnis zu nehmen, dass die Bank, wie sie selbst

erklärt, ihr Capital und ihren Reservefond völlig intact beisammen habe, wennschon sie

allerdings von Verlusten nicht verschont geblieben sei. Dass trotz dieser günstigen

Verhältnisse die Actien der Sächsischen Creditbank tief gesunken sind, ist im Uebrigen nicht

befremdend, die Bank theilt hier eben das Schicksal aller anderen gleichartigen Institute, von

denen gerade diejenigen, welche am festesten und solidesten fundirt sind, sich gefallen lassen

müssen, dass ihre Actien am tiefsten sinken. Die Berliner Disconto-Gesellschaft, die Berliner

Handels-Gesellschaft, die Darmstädter und Meininger Bank haben, was den Coursstand ihrer

Actien anlangt, grössere Verluste erlitten, als ganz obscure Banken, und diese Thatsache,

wenn sie dem Laien auch ganz unerklärlich erscheint, ist für den Sachverständigen ganz und

gar nicht befremdend, weil er weiss, dass in Zeiten der Krisis häufig Actien untergeordneten

Ranges überhaupt nicht verkäuflich und coursfähig sind, daher auch verhältnismässig hohe

Course behaupten können, während gerade die guten Papiere stark leiden, weil sie die stets

realisirbare Reserve für die Zeit der Noth bilden und gerade in solcher Zeit auf den Markt

geworfen werden.

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1. Oktober 1873, S. 1

Wien, 1.October, Vormittag. Die Capitalisten-Vereinsbank beruft zwecks Liquidation eine

Generalversammlung ein.

1. Oktober 1873, S. 3

Hamburg, 30. September. Die Zahlungseinstellung einer unserer bedeutendsten Fonds-

Makler-Firmen, S. & J. Fränkel wird nicht von der Bedeutung sein wie dies im ersten

Augenblick befürchtet wurde. Der Effecten-Liquidations-Verein überrnimmt die Abwicklung

der Ultimo-Regulirung der genannten Firma. Eine andere Firma musste gleichfalls

suspendiren, jedoch hofft man, dass noch in letzter Stunde ein Arrangement zu Stande

kommen werde. [...] Unter diesem ,,kleinen Krach“ beschränkte sich die Fondsbörse lediglich

auf Abwickelung der alten Engagements und wurden neue Verbindlichkeiten nur in ganz

beschränktem Umfange eingegangen.

2. Oktober 1873, S. 2

In den Kampf der Haussiers und Baissiers, der nun schon Monate lang in den Mauern unserer

Börse tobt, bildet, wie das nach Lage der Dinge sehr erklärlich, gerade der Cours der guten

und solide fundirten Actien ein gern gewähltes Streitobjekt. So sind Disconto-Commandit-

Antheile und Darmstädter Bank-Actien, Dortmunder Union und Laurahütten-Actien in den

Kampf verwickelt und gewaltsam auf ein Cours-Niveau herabgedrückt worden, auf dem zu

stehen sie jedenfalls, ihrer Qualität nach, nicht verdienen. Dass die interessirte Partei hierbei

in den Mitteln nicht wählerisch ist, brauchen wir nicht besonders zu erwähnen, es werden

Gerüchte der unsinnigsten Art ausgestreut, die öffentliche Meinung wird durch falsche

Berichte, die leise schlummernde Sorglosigkeit der Actionaire durch raffinirte Annoncen

aufgeschreckt, und der Capitalist steht allen diesen Machinationen gegenüber fast wehrlos da,

sofern er sich nicht ein völlig selbständiges Urtheil und eine ungetrübte Objectivität bewahrt

hat. Dass es den Fabrikanten solcher Berichte oder Annoncen, von denen wir eben sprechen,

auf Wahrheit oder Gründlichkeit wenig ankommt, brauchen wir nicht besonders zu

constatiren.

Die Solidität der Berliner Börse hat sich auch bei dem diesmaligen Ultimo glänzend bewährt.

Die Zeitverhältnisse waren in den letzten Tagen in der That so überaus schwierig, dass es

nicht gerade hätte Wunder nehmen können, wenn hier und da eine vorübergehende Stockung

eingetreten wäre. Es sind aber alle Verbindlichkeiten mit einer solchen Promptheit erfüllt

worden, dass dies wirklich ein glänzendes Zeichen für den hier herrschenden Sinn ist. Ein

Paar unbedeutende Zahlungseinstellungen, die vorgekommen sind, fallen dem generellen

Zustande gegenüber nichts ins Gewicht.

3. Oktober 1873, S. 2

Der vereidete Makler Herr Alwin Walz hat gestern abend seinem Leben freiwillig ein Ende

gemacht. Veranlassung zu dieser verzweifelten That hat allem Anschein nach die financielle

Verlegenheit gegeben, in welcher sich der Genannte, der bei der Ultimoregulirung des

vorigen Monats seine Zahlungsunfähigkeit declariren musste, befand. [...]

New-York, 19. September. Die heutige ,,New-Yorker H.-Zeitung" schreibt: Die Katastrophe

im Goldmarkte, über welche wir vor acht Tagen zu berichten hatten, ist in ihren Wirkungen

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leider nicht, wie es damals schien, auf dieses Gebiet beschränkt geblieben, hat vielmehr

indirect einen sehr übeln Einfluss nach andern Richtungen geübt. Bedeutende Suspensionen

sind im Laufe der Woche eingetreten und zwar in Kreisen, wo man dergleichen entweder gar

nicht oder doch für jetzt nicht vermuthet hatte, und wir werden es als ein grosses Glück

schätzen müssen, wenn die Erschütterung des Vertrauens nicht schliesslich auch den

Lebensnerv des ganzen Landes, den legitimen Handel afficirt. Von der zuerst eingetretenen

bedeutenden Suspension des Bankhauses Jay Cooke & Co., wie von der Zahlungseinstellung

einiger anderer minder grossen Firmen ist das nur in so fern zu befürchten, als vielen Banken

und Bankiers im Innern des Landes dadurch Verlegenheiten entstehen, deren localer Effect

auf New-York und andere Handelsplätze der Union rückwirken muss. Einstweilen hatte von

diesen Suspensionen nur die Actien-Börse den vollen Effect zu fühlen, demnächst mehrere

neue Eisenbahn-Gesellschaften, [...]. Von grösserer Tragweite ist die heute morgen erfolgte

Suspension des allgemein geachteten Bankhauses Fisk & Hatch, deren Solvenz zwar nicht

bezweifelt wird, die aber durch plötzliche Einforderung ihrer Depositen und Kündigung der

gegen Hinterlegung solider Papiere geliehenen Gelder sich zur temporären Einstellung der

Zahlungen gezwungen sahen. Wie gesagt, handelt es sich in diesem Falle, der allgemeine

Sympathie erregt, nur um eine temporäre Unterbrechung, aber nichtsdestoweniger hat

derselbe das Missttrauen, welches im Geldmarkte schon vorher Boden gefasst hatte, noch

bedeutend verstärkt und im Laufe des Tages haben mehrere andere, mit der Fonds-Börse nahe

verwandte Firmen suspendirt. [...] Sollten unsere Banken durch die Börsen-Krisis stärker

afficirt werden, als man bis jetzt zu glauben Ursache hat, sollten diese Institute, welche den

Handelsstand gerade in Zeiten wie diesen zu stützen haben, sich selbst nicht stützen können,

so würde auch dem legitimen Handel ein furchtbarer Schlag nicht erspart werden können.

Einige Banken, von welchen man glaubt, dass sie der Börse allzu nahe stehen, sind heute

von ihren Depositoren bestürmt worden, haben aber Dank der Hilfe Seitens besser situirter

Institute den Sturm ausgehalten. - Kaum hatten sich an der Fondsbörse die ersten Symptome

einer herannahenden Panique gezeigt, als auch der Geldmarkt sofort in grosse Bewegung

versetzt wurde. Banken und Privat-Banquiers forderten ihre Call Loans ein und die für neue

Belehnung geforderten hohen Raten wurden gern bezahlt, wenn sich überhaupt Geld

anschaffen liess.

4. Oktober 1873, S. 3

Von einem Freunde unserer Zeitung geht uns heute aus New-York ein Bericht zu, welcher die

Ereignisse des verhängnisvollen 18. September schildert; der Bericht [...] enthält manche

interessante Details und zeichnet sich ausserdem durch eine so lebendige Schilderung aus,

dass es immerhin interessiren dürfte, wenn wir den uns zugegangenen Brief nachfolgend zum

Abdruck bringen. Unser Correspondent schreibt:

,,Grosse Aufregung down town, Jay Cooke & Co. haben ihre Zahlungen eingestellt." Mit

diesen Worten stürzte unser Cassirer ganz erregt in das Office und brachte uns die erste

Kunde von einem Ereignis, welches der Telegraph den Europäischen Finanzmännern bereits

angezeigt hat. Rock anziehen. Hut aufsetzen und nach dem benachbarten Exchange-place

stürzen, um mit eignen Augen Zeuge des Excitement zu sein, war im Nu geschehen und bald

befand ich mich inmitten des brodelnden Hexenkessels. ,,Ist es denn möglich! Ist es wahr?

Worin ist er engagirt? Er konnte seine Northern-Pacific-Railroad-Securities nicht anbringen.

Europäische Häuser haben ihn im Stich gelassen," so schwirrten und thosten die

verschiedenartigsten Vermuthungen hin und her. Die Naussau-, Wall- und Broadstreet waren

bald so mit schreienden und lärmenden Massen vollgepfropft, dass jede Communication

gehemmt wurde. Ueber die eisernen Gitter von dem Hause, in welchem sich das Jay

Cook´sche Office befindet, kletterte die Menge hinüber, durch die Traillen schlüpften sie in

das Basement, von den Verdecken der vor der Thür stehenden Wagen suchten sie sich in die

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Parterre-Fenster zu schwingen - bis endlich ganze Schaaren von Policemen und Detectives

kamen, das Haus besetzten und jedem Unberechtigten den Eingang verwehrten. Noch toller

ging es im Goldroom und in der Stockexchange zu: seit dem grossen Feuer in Chicago und

dem berüchtigten Black Friday im Jahre 1869 [...] will man eine solche Aufregung hier nicht

wieder gesehen haben. Die Gallerien krachten unter der Last der von allen Ecken und Enden

ängstlich zusammenströmenden Menschen, wüst und regellos liefen die ,,bulls" und die

,,bears" [...] hin und her, es war in einem Augenblick, als ob überhaupt das ganze Geschäft

aufhören sollte. [...] Alle Zeitungen waren vergriffen und weithin schallten die Stimmen der

News-Paper-Boys durch die Strassen: great financial desaster in Wall Street, suspension of

Jay Cooke & Co., Depeschen wurden ausgerufen etc. etc. Das Haus in Philadelphia hat um 11

Uhr geschlossen, das Haus in Washington hat ebenfalls seine Zahlungen suspendirt, Jay

Cooke, Mc Culloch & Co. in London werden aber nicht stoppen. Und nun kommen die

Gerüchte: Richard Schell, dem vom Eisenbahnenkönig, dem alten Commodore Vanderbilt

begünstigten Stock Broker, Robimson & Suydane und der Himmel weiss wer noch, sind fallit.

Kein Mensch schien mit einem Male sicher, alle heiteren, zuversichtlichen Gesichter waren

wie die sonst so lustig in den Knopflöchern prangenden Blumen verschwunden und bleicher

Schrecken schwang seine Geissel. Wo man auch immer den Schritt hinrichtete, in allen

Hotels, in den Clubs, auf den Eisenbahnen, auf den Dampfschiffen - überall nur ein Gespräch:

Jay Cooke. Die ernsten Gesichter auch persönlich nicht bei der Katastrophe betheiligter

Männer verriethen, dass es sich nicht um den blossen Fall eines Banquiers handelte, sondern

dass es ein Schlag war, der den credit des ganzen Landes betraf. [...]"

Dem Brief selbst ist eine Nachschrift vom 20. beigefügt, welche Folgendes sagt: ,,Bis jetzt

haben etwa 40 hiesige Firmen, darunter das wohlbekannte Haus von Fisk & Hatch, ihre

Zahlungen eingestellt. Vor den Banken stehen noch in langen, langen Reihen die armen

Depositoren, die ängstlich ihre Groschen zurückziehen. [...]"

15. Oktober 1873, S. 2

Heute findet die Sitzung des Aufsichtsraths der Preussischen Credit-Anstalt statt, in welcher

nunmehr auch ihrerseits die vollständige Trennung von der Preussischen Boden-Credit-

Actienbank beschlossen werden wird. Wir betrachten diesen Beschluss ganz entschieden als

einen Vorläufer des weiteren Beschlusses einer Liquidation, halten dieselbe sowohl im

Interesse der Actionaire wie des Instituts selber für das Beste, denn die Entwicklung der

Zeitverhältnisse hat derartigen Institutionen, die mehr oder minder nur auf eine

Gründungsperiode berechnet waren, die Berechtigung entzogen und von einem kleinen

soliden Banquiergeschäft [...] ist weder für die Actionaire eine entsprechende Dividende zu

beschaffen, noch selbst der grosse Spesen-Aufwand, der mit all derartigen Instituten

verbunden ist, zu bestreiten. Wie ja aus unseren bisherigen Darlegungen bekannt, würde für

den Fall einer Liquidation die Rückzahlung des Actiencapitals zu Pari nicht möglich sein,

aber es werden immerhin noch ca. 30% mehr dabei herauskommen, als durch den jetzigen

Coursstand repräsentirt wird, und endlich wird die Gefahr beseitigt, dass nicht etwa durch

gewagte Geschäfte, in die man sich doch noch einmal wieder einlassen könnte, ein weiterer

Theil des Grundkapitals riskirt wird.

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Geschäftsberichte der Direction der Deutschen Bank

Sechster Geschäftsbericht der Direction der Deutschen Bank

1875, S.1

Der Handel litt unter dem Darniederliegen der Speculationslust. Mißtrauen und

Geschäftslosigkeit beherrschten mehr als vorher den Markt….

Dieser Zustand wirkt gegenwärtig nachtheilig auf die Erträge derjenigen Institute, welche

ihren Gewinn in der vorübergehenden zinsbaren Anlage ihrer Capitalien sowie in der

Vermittlung der verschiedenartigen Verkehrsgebiete und Beziehungen zu suchen haben.Denn

Mißtrauen erschwert nutzbringende Geldanlagen und hält den Zinsfuß niedrig,

Geschäftslosigkeit beeinträchtigt den Gewinn auf den provisionspflichtigen Konten.

Die gegenwärtige Lage der Dinge, welche namentlich die jüngeren Banken hart betrifft, hat

manche derselben theils zur Reduction ihres Capitals, theils zur Liquidation veranlaßt.

Neunter Geschäftsbericht der Direction der Deutschen Bank

1878, S. 3

Das Jahr 1878 hatte noch immer an den Nachwehen der Überspeculation früherer Jahre zu

leiden, in dessen Folge noch manche größere und verlustreiche Zusammenbrüche eintraten.

"Der Angestellte im Bankgewerbe GDA"

Nr. 1 / Jan. 1929 / S. 14

Die Verschmelzung der Commerz- und Privatbank mit der Mitteldeutschen Kreditbank hat in

die Angestellten der beiden Banken starke Beunruhigung getragen. Das unheilverratende

Wort "Abbau" steht wieder drohend vor den Angestellten. Sie müssen, wie schon so oft bei

solchen Transaktionen, die Zeche mit ihrer Stellung bezahlen.

Wie aus den Pressemitteilungen ersichtlich ist, lagen die Schwierigkeiten dieser

Verschmelzung stark auf persönlichem Gebiet, aber bei diesem "Persönlichen" handelt es sich

weniger um das Schicksal der Angestellten, als um das der leitenden Persönlichkeiten. Dieser

personellen Schwierigkeiten sind die Leitungen der beiden Banken dadurch leicht und

schmerzlos Herr geworden, daß sie einfach die Aufsichtsratsmitglieder, also die

tantiemegesegneten Herrschaften von beiden Banken "zusammengelegt" haben. Hier gibt es

also keinen Abbau, sondern eine ganz respektable Aufstockung. 62 Personen zählt jetzt der

Aufsichtsrat, wohl der umfangreichste, den wir zur Zeit in Deutschland haben. Es muß sich

um sehr "notleidende" Herren handeln, daß sie sich so an diese Posten klammern.

Unten wird voraussichtlich abgebaut werden. Die Angestellten haben wohl soviel "verdient",

daß sie ruhig privatisieren können. Bei der Commerz- und Privatbank waren Ende 1927 7617

Personen und bei der Mitteldeutschen Kreditbank 941 Personen. Es verdient besonders

hervorgehoben zu werden, daß die "Kölnische Zeitung" sich mit Entschiedenheit für die

Angestellten einsetzt. Sie schreibt:

"Da bei einer Fusion der beiden Banken natürlich auch Zusammenlegungen von Filialen

erfolgen müssen, so dürfte die Frage der Übernahme von Direktoren und Beamten keine

unerhebliche Rolle spielen. Welcher Ausgleich da auch geschaffen werden soll, Härten

werden schwerlich zu vermeiden sein. Aber diejenigen, die den Vertrag formen, sollten sich

in vollstem Maße des pflichtgerechten sozialen Empfindens auch den Beamten der

Mitteldeutschen Kreditbank gegenüber bewußt sein. Vor allem muß ein Weg gefunden

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werden, der die älteren Beamten, die heute viel schwerer in eine neue Stellung einzurücken

vermögen, vor dem schweren Schicksal der Stellenlosigkeit schützt. Daß natürlich auch von

diesen Opfer gebracht werden müssen, bedarf kaum der Erörterung."

Nr. 3 / März 1929 / S. 22

Zweifellos bringt die Rationalisierung im Bankgewerbe hinsichtlich ihrer technischen Seite

durchaus brauchbare Neuerungen und Vereinfachungen der Geschäftsabwicklung.

Bedauerlich ist und bleibt aber die Tatsache, daß übermäßigen und rücksichtslosen

Personalabbau diese Rationalisierung unsozial wirkt und sich im wesentlichen auf dem

Rücken der Angestellten abspielt, zumal man den auch in den Betrieben verbleibenden

Angestellten zum Teil unzulängliche Gehälter zahlt.

Nr. 6/7 / Juni/Juli 1929 / S. 63

Im Jahre 1928 wurden im ganzen Deutschen Reiche 6621 Konkursverfahren zum Abschluß

gebracht. Das bedeutet eine Steigerung von 35% gegenüber dem Jahre zuvor….Als letzte der

zehn bedeutendsten Wirtschaftsgruppen ist das Bankgewerbe mit 44 Konkursen beteiligt, was

immerhin in Anbetracht der nicht allzu hohen Anzahl von Bankunternehmungen eine

bedenkliche Ziffer bedeutet, weil die Banken nicht mit Unrecht als der sicherste

Wirtschaftszweig betrachtet werden, der selbst dann noch floriert, wenn die allgemeine

Wirtschaftslage schlecht ist.

Nr. 11/12 November/Dezember 1929, S. 73

Zu Rationalisierungen im Zusammenhang mit der Fusion der Deutschen Bank mit der

Disconto-Gesellschaft

Der Sinn der Rationalisierung ist es selbstverständlich, daß die Rentabilität durch Senkung

der Unkosten gesteigert wird. Zahlreiche Filialen und Depositenkassen werden verschwinden,

allein in der Provinz etwa 70 Niederlassungen. Von den 20.000 Bankangestellten, die jetzt in

beiden Banken beschäftigt werden, wird rund ein Drittel einen Kündigungsbrief erhalten. Den

im Betrieb verbleibenden Angestellten wird in noch größerem Umfang als bisher

Überstundenarbeit zugemutet werden. Es ist ganz selbstverständlich, daß sich diese neue

gewaltige Angestellten-Abschüttelung keineswegs auf die Deutsche Bank und die Disconto-

Gesellschaft beschränken wird, daß vielmehr die übrigen Banken, auch ohne Fusion, sich

gezwungen sehen werden, ihre Rentabilität gleichfalls auf Kosten der Angestellten zu

erhöhen…. Hierbei sei an die zahlreichen Entlassungen der letzten Zeit besonders in

Betrieben der Dresdner Bank erinnert.

*Nr. 2 / Jan. 1930 / S. 22

Massenkonkurse von Privatbanken

Eine Konkurswelle in einem bisher für diesen Gewerbezweig unerhörten Ausmaße geht über

die deutschen Banken. An die 70 Privatbankhäuser in Berlin und im ganzen Reiche, darunter

Firmen von altem, klangvollem Namen, haben die Zahlungen einstellen und in Konkurs

gehen müssen. Man sagt nicht zuviel, wenn man von einer Vertrauenskrise gefährlichsten

Umfanges spricht, wenngleich eine allgemeine Vertrauenskrise zu den deutschen Banken

überhaupt eine Berechtigung nicht hat.

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Die Gründe für die vielen Privatbankinsolvenzen sind unschwer zu erkennen. Viele Banken

haben durch die Inflation erhebliche Kapitalverluste erlitten, die eine Verringerung des

Geschäftes oder Fusionen hätten zur Folge haben müssen. Statt dessen sind vielfach

Ausbreitungstendenzen wirksam geworden, die weit über die tatsächlichen Kräfte

hinausgingen. Hierbei und bei den Kontokorrentkreditgeschäften ist vielfach falsch disponiert

worden. Auch die starke Einschrumpfung der Börsengeschäfte, die noch dazu wenig

ertragreich geworden sind, hat zum Rückgang der Erträge geführt, andererseits aber auch zu

übermäßig starken Kreditgeschäften Veranlassung gegeben. Da durch die schlechte

allgemeine Wirtschaftslage viele der Kredite stark gefährdet worden und z.T.

verlorengegangen sind, konnte die Rückwirkung auf die ohnedies nicht sehr kapitalkräftigen

mittleren und kleineren Banken nicht ausbleiben.

Alle diese Umstände erklären aber noch nicht ganz die Tatsache, daß mittlerweile etwa gegen

achtzig Bankfirmen entzwei gegangen sind. Einmal kommt hinzu, daß die privaten

Entnahmen in vielen Fällen sich nicht dem gesunkenen Ertrage angepaßt haben, sondern

dauernd zu groß waren. Statt auf die zurückgegangene Rentabilität Rücksicht zu nehmen, der

man freilich durch Rationalisierung auf Kosten der Angestellten beizukommen suchte, ist der

seit der Inflation übergroße Privatbedarf der Firmeninhaber derselbe geblieben. Auch die

Tatsache, daß bei den meisten Zusammenbrüchen schwere Verfehlungen wie

Depotsunterschlagungen, Spekulationen der Inhaber und Direktoren mit den Geldern des

Geschäfts oder der Kunden, jahrelanges Arbeiten mit Schuldenüberschüssen, leichtfertige und

unsachgemäße Geschäftsführung an sich und Mißbrauch zu politischen Zwecken der Grund

des Zusammenbruchs war, muß gewertet werden. Wenn man insbesondere in diesem

Zusammenhange von einer Reinigungskrise im Bankgewerbe spricht, die schon lange fällig

gewesen ist, so trifft auch das zu. Ohne die schützende und stützende Hand großer Banken

und Konzerne wären viele der nicht lebensfähigen kleineren Unternehmungen und

Winkelbankiers längst den Weg allen Fleisches gegangen. Insofern trifft die Großen ein Teil

der Schuld und vielleicht auch die berufenen Vertreter und Organisationen des Bankgewerbes

überhaupt, die zweifellos Jahre hindurch vieles vertuscht haben, was längst öffentlich

gebrandmarkt werden musste. Auch den Vorwurf kann man dem Zentralverband des

deutschen Bank- und Bankiergewerbes nicht ersparen, daß er sich mit seiner Erklärung zu den

Massenzusammenbrüchen recht viel Zeit gelassen hat. Ein entschlosseneres Handeln hätte

zweifellos zur schnelleren öffentlichen Beruhigung beigetragen; ...

...Der Untergang lebensunfähiger Bankunternehmungen wird auch von der

Angestelltenschaft, die durch das Fortfallen vieler Stellungen immer mit der Leidtragende ist,

gleichwohl nicht bedauert werden. Die Massenkonkurse sind kein Beweis für eine ernsthafte

Wirtschaftskrise (ergreifen sie doch von den rund 3000 deutschen Bankunternehmungen erst

annähernd 3 Prozent),...

Nr. 1 / Jan. 1930 / S. 39

Die Abschlüsse der Großbanken werden kaum schlechter sein als in früheren Jahren.

Erhebliche Einsparungen wurden erzielt durch die Fusionierungen und weitere

Rationalisierung der Betriebe, wobei natürlich die Angestellten bei den betreffenden Instituten

die Leidtragenden waren. Die Entlassungen von Bankangestellten war ein weiteres, sehr

trauriges Kennzeichen des Jahres 1929.

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Rationalisierungsaufgaben im deutschen Bank- und Kreditwesen

Prof. Dr. Ernst Walb, Universität Köln

Schriftenreihe der Finanzwochenschrift "Die Bank", Heft 7, S.4

Bankverlag, Berlin W30, Bamberger Str. 44

Vortrag, gehalten während der 5. Landesobmännertagung der Reichsgruppe Banken in Köln

am 6.2.1937:

Ein verbesserter Ablauf mit höheren Kosten oder gar auf Kosten der Gefolgschaft ist nicht als

Rationalisierung anzusprechen.

Die Bank, Monatshefte für Finanz- und Bankwesen

Die Bank, Monatshefte für Finanz- und Bankwesen, 11. Heft, Nov. 1929, S.1

Bankverlag Berlin W, Mansteinstr. 9, Hg. : Alfred Lansburgh

Es ist in der Tat befremdlich, wie wenig Respekt die Leitungen der Banken vor der

Individualität des ihrer Führung unterstellten Organismus haben. Nicht nur in Deutschland,

sondern international. Denn auch in England hat man ja altehrwürdige Banken solange

ineinander geschachtelt und aufeinander gestülpt, als wären es leere Kisten, bis nur noch die

"big five" (neben sechs Institutionen mittleren Umfangs) übrig geblieben sind. Und dasselbe

wiederholt sich jetzt in den Vereinigten Staaten. Es gibt eben wenig Verwaltungen, die in

ihrer Bank etwas anderes sehen, als einen Mechanismus, den man beliebig mit anderen

Mechanismen zusammenkoppeln kann.

Die Bank, Monatshefte für Finanz- und Bankwesen, 12.Heft, Dez. 1929, S.701 f.

Alfred Lansburgh: Börsenkrach und Wirtschaft

Wenn es zu einer wirtschaftlichen Reaktion kommt, die an Stärke auch nur annähernd der

Börsenderoute entspricht, so bleibt von Atlantic bis zum Pacific keine Fabrik, kein Bergwerk,

keine Bank ganz verschont...

Daher besteht in Ämtern, Banken, Industriebüros und Studienzimmern Einstimmigkeit

darüber, daß die Forderung der Stunde lautet: Keine Schwarzstimmung aufkommen lassen.

Kein Mittel der Einwirkung auf die Massenpsyche ist unversucht geblieben, um die

Börsenkrisis zu isolieren und abzuschwächen...

Der Zusammenbruch des Kursniveaus ist, so hartnäckig es auch von einzelnen Volkswirten

abgestritten wird, die selbstverständliche Reaktion auf vorangegangene Ausschreitungen der

Agiotage.

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Geschäftsbericht des Zentralverbandes des deutschen Bank - und Bankiergewerbes 1923

in: Dr.Werner Schötz: Die Banken der Beamten, Arbeiter und Angestellten In Deutschland,

C.E. Poeschel Verlag / Stuttgart 1932, S. 35

Die Öffentlichkeit und auch die politischen Kreise müssen sich an den Gedanken gewöhnen,

daß die Banken und Bankfirmen keine Wohltätigkeitsinstitute, sondern

Erwerbsunternehmungen sind.

Man sprach dann weiter von einem" Abstossen der Geschäfte ohne angemessene

Verdienstmöglichkeit".

Monatshefte für die Beamten der Deutschen Bank und Disconto-Gesellschaft (DD-Bank)

Jahrgang 1927, Dezemberheft, S.50

Arthur von Gwinner: Meine Lehrlingszeit

Bald nach meinem Eintritt in die kaufmännische Lehre hatte sich die Woge der Konjunktur,

wie es nicht anders sein konnte, gewaltsam überschlagen; zuerst und am schlimmsten in

Wien, wo man zwar nicht mitgesiegt hatte, aber trotzdem den Börsenschwindel noch toller als

in Deutschland trieb. Die Kurse brachen wie Hohleis ein, und die allermeisten

Neugründungen verkrachten. Nur das Beste blieb am Leben.

Jahrgang 1931, Februarheft, S. 85

Die Generalversammlung der DD-Bank. Oscar Wassermanns Rede

Ich kann die Versicherung geben, daß wir seit der Fusion unser Personal nicht vermehrt

haben, und daß, wenn wir es nicht abgebaut hätten, ja auch die Reduktion der Spesen nicht

recht verständlich wäre. Aber ich kann erklären…:

Der Abbau aus dem Grunde der Fusion ist bei uns beendet, aus dem Grunde der Fusion

brauchen wir nicht mehr abzubauen und werden wir nicht mehr abbauen. Es ist uns gelungen,

die Institute so zusammenzuschweißen, daß sie heute eine Einheit sind.

Bei der Zentrale wird (noch) eine Umgruppierung erfolgen müssen, die aber auch mit aller

Rücksicht und Schonung vorgenommen wird und nicht allzu viele Beamte betrifft. Aber das

ist aus organisatorischen Gründen und auch aus Ersparnisgründen absolut notwendig.

Wie sich die Dinge in der Zukunft gestalten werden, vermögen wir nicht zu sagen. Der Abbau

aus Fusionsgründen ist beendet. Wenn aber eine Schrumpfung des Bankgeschäfts zu

verzeichnen ist, müssen wir dem auch in bezug auf unser Personal Rechnung tragen. Das

werden wir pflichtgemäß tun. Wir werden keine unerträglichen und unnötigen Lasten der

Bank belassen, die vermieden werden können. Wir werden aber andererseits uns auch keine

Rücksichtslosigkeiten zuschulden kommen lassen gegenüber unserem Personal, unseren

Beamten, die wir so ausgesiebt haben, daß wir heute im allgemeinen sagen können: Jeder

einzelne ist gut. Die werden wir mit aller Rücksicht und aller Schonung behandeln.

Jahrgang 1931, Oktober/November-Heft

Ist eine Betriebskostenkalkulation im Bankgewerbe möglich ?

Die persönlichen Unkosten zerfallen in

a) feste Kosten, also die gesamten festen Bezüge und feststehenden Gratifikationen für

Direktoren, Ober- und Tarifbeamten. Diesen Kosten sind auch die sozialen Lasten und

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256

die an die früheren Beamten und deren Angehörigen zu zahlenden Pensionen

zuzurechnen, und

b) veränderliche Bezüge, die sich in Form von Tantiemen usw. mit dem

Geschäftsergebnis ändern.

Jahrgang 1932, Juli / August-Heft

Hans Rummel: Die Kalkulation im Bankbetrieb, S.58

Unkosten

Die gesamten Unkosten einer Bank setzen sich im allgemeinen wie folgt zusammen:

a)Personalkosten:

Gehälter, Haushalt- und Kinderzulagen, feste Tantiemen und Gratifikationen,

Aufwandsentschädigungen, von der Bank zu tragende soziale Lasten

(Angestelltenversicherungen, Krankenkassenbeiträge usw.), Überstundengelder

b)Pensionen

c)Wohlfahrtseinrichtungen und Unterstützungen für Beamte und Angestellte

d)Sachkosten

e)unabhängig vom Ertrag und Vermögen zu zahlende Steuern:

Grund- und Gebäudesteuern, Miet- und Hauszinssteuern, Betriebsabgaben (

Lohnsummensteuer usw.)

f)Mieten Mieten bzw. Verzinsung des in Bankgebäuden angelegten Kapitals

g)Generalunkosten

Der Kaufmann im Bankgewerbe (gewerkschaftsnah)

Nachrichtenblatt für die Fachgruppe Banken im Deutschnationalen Handlungsgehilfen-

Verband

6.Jahrgang

Nr.1, Januar 1929, S.1

Der DHV und das Bankgewerbe im Jahre 1928

Nr.10, Oktober 1929, S.73f.

Großbankfusion, Abbau und Gehaltsdruck

Nr.12, Dezember 1929, S.91f.

Uebergang !

Nr. 2, 15. Februar 1930, 7. Jhg. , S. 22

Bankangestellten-Entlassungen auch in USA

Die von den New-Yorker Maklerhäusern als Folge der Börsenkrise beschlossenen

Entlassungen waren Mitte Januar zum großen Teil durchgeführt. So hatte man bis zu diesem

Zeitpunkt etwa 15 000 Maklerangestellte entlassen; auch einige Großbanken sind teilweise in

der gleichen Weise vorgegangen.

Nr.6, 15.Juni 1930, 7. Jhg., S. 62

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Kann die Arbeitslosigkeit durch Lohnabbau gemindert werden ? (Edmund Kleinschmitt)

Das Problem der Arbeitslosigkeit regiert in Deutschland die Stunde. Überall wird nach den

Ursachen geforscht und nach Mitteln Umschau gehalten, die die Arbeitslosigkeit mildern

sollen. Einige Gelehrte und Arbeitgeber haben sich in den letzten Monaten verstiegen, die

Gehalts- und Lohnpolitik der vergangenen Jahre sei schuld an dieser großen Not. Im Chor

dieser Stimmen nimmt sich die Äußerung der D.-D.-Bank besonders gut aus. Diese

Riesenbank hatte tausende von Angestellten auf die Straße geworfen und dadurch erheblich

zur Vergrößerung der Arbeitslosigkeit beigetragen. ...

Nr.6, 15.Juni 1930, 7.Jhg., S.77f.

Abbau - Nachhilfe !

Eine neue Abbauwelle geht durch die deutschen Bankbetriebe. Die Deutsche Bank und

Disconto-Gesellschaft wird bis zum Herbst mindestens in allen größeren Plätzen hunderte von

Kündigungen aussprechen. Das ist der Wille der Leitung in Berlin. Zu einem Teil ist sie

unseres Erachtens über Arbeitsverhältnisse in ihren eigenen Betrieben und Filialen nicht

genügend unterrichtet. Denn es werden zur gleichen Zeit, wie die neue Abbauwelle zu

zahlreichen Kündigungen führt, Überstunden in großem Umfang gefordert und geleistet.

...Hier müssen die Betriebsvertretungen achtsam sein und eingreifen, sobald durch

Überstunden-Leistungen Arbeiten erledigt werden, die nur deswegen in der ruhigen Dienstzeit

nicht geschafft worden sind, weil die Abteilungen zu schwach besetzt sind.

Alle Mühen der Betriebsräte sind aber vergeblich, wenn die Kollegenschaft aus

Gedankenlosigkeit oder Gutmütigkeit durch heimliche Überstunden-Leistungen die

Betriebsleitung über bereits bestehende Schwierigkeiten hinwegtäuscht. ... Wir wehren uns

..dagegen, daß in diesen Zeiten der großen Arbeitslosigkeit Zehntausende arbeitswilliger

Menschen nur deswegen stempeln gehen, weil aus Gedankenlosigkeit und Liebedienerei zu

den Vorgesetzten in zahlreichen Betrieben heimliche Überstunden gemacht werden. ... Wir

fügen .. hinzu, daß wir der Auffassung sind, daß die wenigsten dieser Kollegen so ganz

freiwillig ihre Mehrarbeit leisten, sondern daß dazu das Bestreben, durch die Erledigung eines

besonders großen Arbeitsquantums von einer Abbaugefahr verschont zu bleiben, die

Haupttriebfeder ist.

Nr.6, 15.Juni 1930, 7.Jhg., S.80

Banken-Fusionen in den U.S.A.

Im vergangenen Jahre haben in Nordamerika insgesamt 1104 Banken infolge Liquidation

oder Zusammenschluß mit anderen Instituten ihre Geschäfte aufgegeben. Die Gesamtzahl der

selbständigen amerikanischen Banken betrug Mitte vorigen Jahres rund 25300 und wurde

Anfang April 1930 auf ungefähr 24800 geschätzt. Die Differenz ist auf Neugründungen

zurückzuführen. ...

*Nr.10, 15.Oktober 1930, 7.Jahrgang, S.109

Zwischenbilanz

Die Bankangestellten haben in ihrem Tätigkeitsgebiet besonders Gelegenheit, die

Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu beobachten und die der übertriebenen Angst- und

Mißtrauenspsychose zu verfolgen. Gerade die Bankangestellten können die verhängnisvollen

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Auswirkungen der Reparationslasten und die dadurch hervorgerufenen Kapitalwanderungen

beobachten. ...

Wer am Bankschalter mit aufmerksamen Augen steht, hat schon in den letzten 1 1/2 Jahren

stets verfolgen müssen, wie Übertreibungen im politischen und wirtschaftspolitischen

Tageskampf, Unkenntnis unserer Währungsgrundlagen und die Erinnerung an die

Inflationszeit das Publikum immer nervöser gemacht haben. Die Kapitalflucht ist nicht erst

eine Folge des 14. September. Bankkunden, die unter Verzicht auf Zinsen lieber 20-Dollar-

Goldstücke kaufen und in den Safe legen wollen, sind schon im vorigen Jahr aufgetaucht. Das

ist mit das Werk des jahrelang von den Wirtschaftsführern und nicht zuletzt auch von den

Großbanken gepredigten Zweckpessimismus, der mit seinen Folgen jetzt die Bevölkerung in

eine erneute Angstpsychose versetzt hat. Genau so wie in Zeiten wirtschaftlicher Blüte oder

bei einer Hochkonjunktur an der Börse niemand einsehen will, daß der Höhepunkt erreicht ist,

genau so will in Krisenzeiten niemand mehr glauben, daß es jemals wieder besser werden

könnte.

Somit haben die deutschen Bankangestellten die Aufgabe, überall an ihrem Arbeitsplatz und

in ihrem Bekanntenkreis jeder Verwirrung entgegenzutreten und bei voller Würdigung der

ungünstigen Lage der deutschen Wirtschaft und des ernsten Standes unserer Reichsfinanzen

wirtschaftliche Besornisse auf das richtige Maß zurückzuführen. Der starke

Kreditorenrückgang bei den deutschen Großbanken seit dem 1. Juli ist ein ernstes Zeichen.

Wir Bankangestellten haben kein Interesse daran, daß er sich weiter fortsetzt, und daß neben

den Einlage=Rückflüssen nun noch durch die allgemeine Einschrumpfung der Umsätze im

Wirtschaftsleben sich der Bankverkehr noch weiter verringert. Die zahlreichen Kündigungen

in vielen Betrieben, vornehmlich in denen der DD=Bank und der Commerz= und Privatbank,

zeigen, wie sehr alle Vorgänge im Wirtschaftsleben ihre Auswirkungen in den Bankbetrieben

finden. Der deutsche Bankangestellte lebt nun eben nicht, wie ihm die Fachvereinsideologie

immer wieder einreden will, auf der abgelegenen Insel seines Gewerbezweiges. Genau so wie

der Bankangestellte in seinen Anstellungs= und Gehaltsbedingungen schicksalsverbunden mit

dem kaufmännischen Angestellten anderer Wirtschaftszweige ist, wirken sich die

Schwierigkeiten des deutschen Wirtschaftslebens im Bankgewerbe aus.

Nr.10, 15.Oktober 1930, 7.Jahrgang, S.111

Abbau und kein Ende

Eine neue Abbauwelle geht durch die deutsche Bankwelt. Zu den zahlreichen Kündigungen

bei der DD-Bank und Commerz- und Privatbank kommen umfangreiche Kündigungen bei der

Vereinsbank in Hamburg und bei vielen anderen Instituten. ...

Wo es angängig ist, greifen unsere Geschäftsstellen mit persönlichen Verhandlungen ein. So

setzte sich unsere Geschäftsstelle Schwerin bei der Übernahme der Mecklenburgischen Bank

durch die Rostocker Bank für die Kollegen ein, weil die Mecklenburgische Bank verabsäumt

hatte, bei der Verschmelzung Abmachungen über die Übernahme der Kollegen zu treffen.

Nr. 10, 15.Oktober 1930, 7.Jahrgang, S.113

Fusionsfolgen bei der Leipziger Stadtbank

Die Schwierigkeiten bei der Verschmelzung der Stadt- und der Girobank beginnen sich erst

jetzt auszuwirken. Die unmittelbare Folge ist zunächst einmal die Inanspruchnahme der

Kollegen durch Überarbeit. ...

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Geschäftsbericht der Dresdner Bank

*1929, S.6

Auch das Bankgewerbe konnte sich unter dem Druck des ständig steigenden, die Erfolge aller

Rationalisierungsmaßnahmen stets von neuem verschlingenden Unkosten-Etats bekanntlich

dem Gang der Ereignisse nicht entziehen. Die Entwicklung führte zu Verschmelzungen, die

unter normalen Verhältnissen wahrscheinlich unterblieben wären. Auf dem Arbeitsmarkt

äußerte sich die Konzentrationsbewegung naturgemäß in einer weiteren starken Freisetzung

von Angestellten- und Arbeitermassen.

*1931, S.7f

Auch unserem Institut sind in dieser Krisis große Summen entzogen worden, und wir sahen

uns deshalb, um unseren Kunden die größte bankmäßige Sicherheit zu gewährleisten,

veranlaßt, mit der Reichsregierung ein Abkommen zu treffen, wonach unserem Institut neues

Kapital ...zur Verfügung gestellt wurde...

Im Zuge der allgemeinen Bereinigung, die infolge der Krise für das deutsche Bankwesen fast

durchweg erforderlich geworden ist, ist auch für unser Institut im Einvernehmen mit der

Reichsregierung ein Rekonstruktionsplan ... aufgestellt worden...

Zugleich schlagen wir der Generalversammlung unserer Aktionäre die Verschmelzung

unseres Instituts mit der Darmstädter und Nationalbank Kommanditgesellschaft auf Aktien in

der Weise vor, daß die letztere im Wege der Fusion unter Ausschluß der Liquidation auf die

Dresdner Bank übergeht.

Wir verfügen nunmehr über 218 Niederlassungen an 166 Plätzen im Reich; an 52 Plätzen

wird durch Zusammenfassung der Betriebe die durch das Hinzukommen der Darmstädter &

Nationalbank Kommanditgesellschaft auf Aktien im Augenblick bestehende Doppelbesetzung

beseitigt werden. Dasselbe gilt für einen Teil der 231 Stadtdepositenkassen im Reich (davon

111 in Groß-Berlin)...

Der Personalbestand ermäßigte sich von 15 364 auf 13 898 Ende 1931.

*1932, S.9

Die Fortdauer der Krise hat das Bankgewerbe im vergangenen Jahre abermals schwer

getroffen. Weiterer Umsatzrückgang und Schrumpfung der Substanz haben die Lage einer

größeren Anzahl von Kreditnehmern erneut verschlechtert, so daß die Abschreibungs- und

Rückstellungsbedürfnisse sich weiter erhöhten.

Für unser Institut ergab sich eine besondere Lage durch die im März 1932 auf Wunsch und

mit Unterstützung der Reichsregierung beschlossene Fusion mit der Darmstädter und

Nationalbank K.a.A., durch die Aufbau und Arbeitsfeld der Bank tiefgreifenden Wandlungen

unterworfen worden sind. Das abgelaufene Geschäftsjahr stand damit weitgehend unter dem

Zeichen der Anpassung von Geschäftsführung, Organisation und Verwaltungsapparat an die

veränderten Verhältnisse. Durch das verständnisvolle Zusammenwirken aller beteiligten

Kräfte und durch das Vertrauen, das uns die Kundschaft der ehemaligen Danatbank von

Anfang an entgegenbrachte, ist es jedoch gelungen, die Überleitung der Danatbank auf unser

Institut in wenigen Wochen durchzuführen, und auch die weiteren, infolge der Fusion

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notwendig gewordenen Maßnahmen im Laufe des Jahres so zu fördern, daß die

Zusammenlegung als im wesentlichen abgeschlossen betrachtet werden können.

Im Zuge der Fusion haben wir an 52 Plätzen unsere Niederlassungen mit den Filialen der

Danatbank zusammengelegt...

Bankbeamten=Zeitung

Hg.: Deutscher Bankbeamten=Verein E.V.

*Nr.1, 7.Februar 1929, 34.Jhg., S.16

Bankfusionen

*Nr.1, 7.Februar 1929, 34.Jhg., S.23f.

Die Großbanken=Fusion

Am 28. Februar fanden in Hamburg und Frankfurt am Main die Generalversammlungen statt,

in denen die Fusion der Commerz- und Privat-Bank und der Mitteldeutschen Creditbank

beschlossen wurde. In beiden Versammlungen wurden die Anträge der Verwaltung

einstimmig genehmigt; mit diesen Beschlüssen hat die im Jahre 1856 gegründete

Mitteldeutsche Creditbank ihr Eigenleben beendet. Da die Verschmelzung so großer Institute

auch für die Angestelltenschaft von weittragender Bedeutung ist, hatte unsere

Hauptverwaltung beschlossen, in beiden Tagungen Aufsichtsrat und Verwaltung in aller

Dringlichkeit auf die Pflichten gegenüber ihren Mitarbeitern hinzuweisen. ...

Der Aufsichtsrat=Vorsitzende erwiderte, daß man sich bereits eingehend über die

Weiterbeschäftigung der M.C.B.-Angestellten unterhalten habe und daß man in Aufsichtsrat

und Vorstand der Meinung sei, daß ein Abbau nach Möglichkeit vermieden werden müsse

und solle. Da man ja aber den Umfang des künftigen Geschäfts noch nicht genau überblicken

könne, sei er leider nicht in der Lage, zu sagen, ob man später nicht doch noch einen gewissen

Abbau durchführen müsse. ...

In der Generalversammlung der Mitteldeutschen Creditbank ...

Direktor Reinhardt wies darauf hin, daß für die Fusion u.a. natürlich auch das Bestreben

gesprochen habe, durch Rationalisierung und Verminderung der Unkosten Ersparnisse zu

machen. Deshalb sei ein Abbau von Beamten, wenn er auch nicht unmittelbar erfolge, auf die

Dauer kaum zu umgehen, es sei denn, daß ein neuer Aufschwung des Geschäftes eintreten

sollte. Es werde dabei aber mit jeder nur möglichen Schonung vorgegangen werden.-

Hierauf ergriff unser Gauvorsteher für Südwestdeutschland, Kollege Decker, Frankfurt a.M.,

das Wort und erklärte, daß die einzelnen Paragraphen des Fusionsvertrages auch bei ihm

größtes Interesse gefunden hätten; es ginge daraus hervor, daß für die Aktionäre, für den

gesamten Aufsichtsrat und auch für die Vorstands-Mitglieder ausreichend gesorgt worden

wäre. Deshalb hätte man billiger Weise erwarten können, daß auch bezüglich der Angestellten

in dem Fusionsvertrag eine Sicherung getroffen worden wäre. Leider sei das nicht der Fall.

Die sehr ernste soziale Seite der Verschmelzung sei also bedauerlicher Weise nicht in

wünschenswertem Umfange beachtet worden. Jedenfalls wäre es angezeigt gewesen, wenn

der Vorstand der Bank schon vorher eine beruhigende Erklärung der Beamtenschaft

gegenüber abgegeben hätte. Von dem Versprechen, daß bei einem etwaigen Abbau größte

Schonung geübt und daß Härten vermieden werden sollten, würde gern Kenntnis genommen,

in der Annahme, daß diese Schonung auch darin bestehen würde, daß bei älteren Angestellten

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eine Pensionierung zu auskömmlichen Sätzen in Betracht gezogen würde. Im übrigen müsse

erwartet werden, daß, wenn ein Abbau sich überhaupt als notwendig erweisen sollte, über den

Rahmen der gesetzlichen Abfindungen hinaus ausreichende Angangsentschädigungen gezahlt

würden, um den Betroffenen die Möglichkeit zum Aufbau einer neuen Existenz zu geben. Die

Erfüllung dieser Wünsche sei angesichts der so trostlosen Lage des Arbeitsmarktes der

kaufmännischen Angestellten sehr am Platze. ...

Nr.6, 13.Juli 1929, 34.Jhg.

Entschließungen unserer Hauptversammlungen in Hamburg

Für die älteren Angestellten gegen den Personalabbau

An diejenigen Direktionen und Firmen-Inhaber im Bankgewerbe, die noch immer zu

Kündigungen schreiten, richtet die Hauptversammlung den ernsten und eindringlichen Appell,

endlich mit dem längst nicht mehr gerechtfertigten Personalabbau Schluß zu machen und

dadurch insbesondere auch die älteren Angestellten von der schweren Sorge der Bedrohung

ihrer Existenz zu befreien.

*Nr.7/8, 31.August 1929, 34.Jhg., S. 117

Trostloser Abbau bei der Disconto=Gesellschaft

Bei diesem Institut wird in Berlin seit einiger Zeit ein Abbau durchgeführt, der sich nach

bisher unwidersprochen gebliebenen Nachrichten auf ungefähr 300 Kollegen und Kolleginnen

erstrecken soll. Fast 100 Angestellte haben schon die Mitteilung von ihrer Kündigung

erhalten. Unter ihnen befinden sich solche mit mehr als 8, 10 und 14 Dienstjahren;

verschiedene sind sogar mehr als 16 und 18 Jahre bei der Bank tätig. Über 30 Jahre alt sind

die meisten; eine Anzahl ist über 40, ja sogar über 50 Jahre alt; einige nähern sich bereits dem

60. Lebensjahr.

Nun soll nicht verschwiegen werden, daß Abfindungssummen gegeben werden, die über

denen liegen, die bei einem Einspruchsverfahren vor dem Arbeitsgericht herausgeholt werden

könnten. Was sind aber 3 oder 4 oder auch 5 Tausend Mark der Tatsache gegenüber, daß die

betreffenden Kollegen in eine völlig ungewisse Zukunft gestoßen werden ?! Die gegenwärtige

wirtschaftliche Lage zeigt auf fast allen Gebieten schwere Krisenerscheinungen; der gesamte

Arbeitsmarkt liegt zudem gerade für die sogenannten älteren Angestellten einfach

katastrophal, wovon sämtliche Arbeitnehmer-Gewerkschaften ein trauriges Lied singen

können.

Bei den hier beleuchteten Kündigungen kommt noch erschwerend hinzu, daß es sich

keineswegs etwa nur um Ledige, sondern gerade leider außerordentlich häufig um

Verheiratete mit Kindern handelt !

Wie denken sich die Stellen in der Disconto=Gesellschaft, die den auf diese Weise vor sich

gehenden Abbau beschlossen haben und betreiben, die Zukunft der unglücklichen Männer

(und ihrer Familien!), die man schon entlassen hat und noch weiterhin aus dem Betrieb

herausdrängen will, der ihre wirtschaftliche Existenz bedeutet ?!

Wir müssen auch an dieser Stelle - beim Reichsverband der Bankleitungen ist dies schon

Anfang August geschehen- die ernstesten Vorstellungen erheben. An die leitenden und

ausschlaggebenden Persönlichkeiten der Disconto=Gesellschaft richten wir den dringenden

Appell, gegen ein Verfahren einzuschreiten, das nicht nur in hunderten von Familien völlige

Verzweiflung herbeiführt, sondern auch in der gesamten Kollegenschaft bereits eine derartige

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Aufregung und Erbitterung ausgelöst hat, daß schon der Dienstbetrieb in der Bank selbst

darunter leidet. ...

*Nr.9, 19.Oktober 1929, 34.Jhg., S.129ff.

Erdbeben

Wie Blitz und Donnerschlag aus heiterem Himmel wirkte am 26.September in der gesamten

Öffentlichkeit die Nachricht, daß die Verwaltungen der Deutschen Babk und der

Disconto=Gesellschaft beschlossen hätten, die beiden Institute zu verschmelzen. ... Die

allgemeine Aufregung war auch deshalb so groß, weil es in einer geradezu erstaunlichen

Weise gelungen war, alle vorbereitenden Sitzungen und Beschlüsse geheim zu halten; alles,

aber auch alles war vollkommen überrascht. Daß Banken von solcher Größe und solcher

geschäftlichen Tradition einmal das Bedürfnis (oder die Notwendigkeit?) fühlen würden,

ineinander aufzugehen, hatte bis dahin niemand für möglich gehalten. ...

Wie sieht es nun auf der "Schattenseite", nämlich bei den Angestellten aus ?! Wie sieht es

dort aus, wo bei durchaus nicht genügenden Gehältern eine ungeheure Arbeitslast, noch dazu

in einem gesundheitsschädlichen Hetztempo, bewältigt werden muß ? ...Beruhigungen sind

für die Arbeitnehmer des neuen Instituts leider Gottes in gar keiner Weise vorhanden. Im

Gegenteil: Mit Recht ist bei der gesamten Belegschaft der Deutschen Bank und der Disconto-

Gesellschaft eine ungeheure Erregung entstanden.*) Die Mitteilung von der bevorstehenden

Verschmelzung der beiden Banken mußte auf alle beteiligten Kollegen und Kolleginnen mit

der Wucht eines gewaltigen Erdbebens wirken; die bisherige Grundlage ihrer wirtschaftlichen

Existenz ist ins Wanken geraten und niemand weiß heute, wen dieses Erdbeben verschont und

wen es hinwegreißen wird. Seit Jahr und Tag wird die Bankangestelltenschaft durch die

Abbau-Katastrophe erschüttert; eine neue und - wenn die Absichten der Arbeitgeber nicht

gehemmt werden können- ganz besonders schwere zieht heran.

*)Auch die Rundfunk-Rede des Pressechefs der Deutschen Bank hat keineswegs, was mit

aller Deutlichkeit betont werden muß, Beruhigung erzielt. Der beabsichtigte Zweck ist

durchaus nicht erreicht worden; es sind im Gegenteil - mit Recht- neue Aufregung und

erhebliche Erbitterung entstanden.

*Nr.9, 19.Oktober 1929, 34. Jhg., S.134f.

Commerz= und Privatbank

Am 28. Februar ds.J. beschlossen die beiderseitigen Generalversammlungen das Aufgehen

der Mitteldeutschen Creditbank in der Commerz- und Privatbank. In jenen Tagungen wurden

auf eindringliche Vorstellungen der D.H.V.-Vertreter ... wegen der zu befürchtenden

Personalverminderung von den Verwaltungen beruhigende Erklärungen abgegeben. In der Tat

erfolgte damals auch kein Abbau. Nun soll das nachgeholt werden uns es ist beabsichtigt, die

trostlos große Zahl von ungefähr 1000 Kündigungen in Berlin und im Reich vorzunehmen.

Was das für die davon Betroffenen bedeutet, braucht nicht mehr gezeigt zu werden; hier bei

den anderen Instituten werden die zur Entlassung kommenden Angestellten in eine völlig

ungewisse und - bei der allgemeinen Abbau-Psychose - höchst gefährliche Zukunft

hineingestoßen. ...

Man kann nur ernst und dringend wünschen, daß der Vorstand der Commerz- und Privatbank

nocheinmal auf das sorgfältigste prüfen läßt (und nachprüft!), ob es tatsächlich notwendig und

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dem Geschäftsverkehr dienlich ist, wenn der Personalkörper in einem derartigen Umfang

verkleinert wird.

Bayerische Hypotheken= und Wechselbank

Erstaunlicher Weise schreitet auch dieses Institut zu einem großen Personal-Abbau, von dem

über 100 Angestellte betroffen werden sollen. Mit dieser so ernsten Angelegenheit

beschäftigte sich eine außerordentlich stark besuchte Mitglieder-Versammlung unseres

Zweigvereins München und nahm einmütig folgende Entschließung an:

Die am 7. Oktober 1929 tagende, außerordentlich stark besuchte Versammlung des Deutschen

Bankbeamten-Vereins, Zweigverein München, nimmt nach einem Referate Stellung zu den

bei der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank, München vorgenommenen

Abbaumaßnahmen, welche in der gesamten Oeffentlichkeit größte Ueberraschung und bei

den Angestellten des Instituts tiefste Bestürzung ausgelöst haben.

*Nr.10, 30. November 1929, 34. Jhg., S.145ff.

Die beiden historischen Generalversammlungen

Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Oscar Wassermann zur Fusion der Deutschen Bank

mit der Disconto-Gesellschaft:

...Die Fusion und die Vereinfachung der Organisation wird es uns ermöglichen, unsere

Arbeiten mit geringerem Personalaufwand zu erledigen. In der Personalersparnis liegt einer

der größten und greifbarsten Vorteile unserer Fusion. Wir wollen das nicht hinter

irgendwelchen Phrasen verstecken. Im Gegenteil. Wenn das Wort "Wirtschaft" noch einen

Sinn hat, so ist es der, mit möglichst geringem Aufwand von Kapital und Arbeit -also

Personal- den möglichst großen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen. ...

Wir sollen und wollen den einzelnen Abgebauten den Übergang in eine andere Beschäftigung

nach allen Kräften erleichtern und ermöglichen. Menschlich steht uns jeder nahe, der in

unserem Betriebe arbeitet oder gearbeitet hat, aber das darf uns nicht dazu führen, den

möglichen Abbau irgendwie einzuschränken. Wir haben seit dem Jahre 1923 bis jetzt unseren

Personalbestand von etwa 40.000 auf 13.000 vermindern, und diese 27.000 Menschen haben

fast alle in anderen Betrieben Unterkunft finden können. Jetzt handelt es sich bei den fünf

fusionierten Bankenzusammen um einige tausend entbehrliche Angestellte, die nicht an einem

Platze, sondern über Hunderte von Stellen im ganzen Reiche verteilt und nicht etwa an einem

Tage, nicht etwa während eines Monats, vielleicht nicht einmal während eines Jahres zur

Entlassung kommen. Die Schwierigkeit, für diese gut durchgebildeten, sehr leistungsfähigen

Menschen anderweitig Betätigung zu finden, kann nicht unüberwindlich sein.

Es ist selbstverständlich, daß sich die Personalverminderung auf alle Kategorien der

Angestellten bis in die höchsten Spitzen erstrecken wird, aber nicht etwa als Kompensation

für die von der Allgemeinheit und von uns nicht minder beklagte notwendige Entlassung von

Tarifbeamten, sondern weil es eben sachlich möglich ist. Es wird, so hoffen wir, allgemein

verstanden werden, daß während einer, wie wir überzeugt sind, nicht langen Uebergangszeit,

die oberen und obersten Beamten nicht ganz im gleichen Verhältnis entbehrlich sind wie die

unteren und daß besonders jedem einzelnen Mitgliede des Vorstandes in dieser Zeit eine sehr

gesteigerte Arbeitslast und Verantwortung zufällt. Erweist sich nach Durchführung der

Fusionsarbeiten, daß die Zahl der Vorstandsmitglieder unnötig groß ist, so wird auch hier von

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einer weiteren Verminderung, darüber sind wir Kollegen, die alten und die neuen, uns

durchaus einig, nicht abgesehen werden.

...

Herr Fürstenberg hat gesagt, unser Entschluß betr. die Fusion habe unter den Bankbeamten

wie ein Donnerschlag gewirkt. Ich glaube das und bedaure es, ich bedaure die Entlassungen,

die notwendig sind. Wer aber in Deutschland die Augen offen hat, mußte dieses Gewitter

heraufziehen sehen. Nur wer geschlafen hat, kann von dieser Entwicklung überrascht sein. Ich

verstehe auch nicht, daß die Vertreter der Verbände dafür eintreten, daß Beamte beschäftigt

werden, die man entbehren kann.

...

Unser Bankgeschäft befindet sich in keiner günstigen Situation, das Geschäft in Deutschland

ist ebenfalls in keiner günstigen Lage. Es gibt keinen Zweig in Handel und Erzeugung, der

sich zur Zeit in Deutschland in günstiger Situation befindet. ...

Wir sind mit Herrn Fürstenberg der Meinung, daß man die zur Entlassung kommenden

Beamten nicht lange darüber im Unklaren lassen kann, ob sie ihre Stellungen behalten können

oder nicht. Deshalb geben wir uns auch die erdenklichste Mühe, die ganze Umorganisation so

rasch wie möglich zu beenden. Herr Fürstenberg meint weiter, wir würden heute

Entlassungen vornehmen, die wir morgen wieder zurücknehmen müßten. Ich wünschte, dies

wäre möglich, kann dies aber leider nicht in Aussicht stellen. Dagegen kann ich in Aussicht

stellen, daß wir hoffentlich in wenigen Monaten soweit sind, daß wir sagen können, wer

bleiben kann und wer entlassen werden muß. Wir sind in dieser Beziehung sehr rasch am

Werk. Ich kann sagen, daß durch Pensionierungen oder Abfindungen 156 Direktoren und 167

Prokuristen der vereinigten Institute verschwinden werden und daß weitere 15 Direktoren und

89 Prokuristen anderweitige Verwendung finden. Wir arbeiten rasch, ohne Rücksicht auf

Personen. Es wäre mit Rücksicht auf die Beschäftigten natürlich sehr bequem, wenn wir das

ganz allmählich machen könnten, aber mit Rücksicht auf die Menschen glauben wir allerdings

rasch arbeiten zu müssen. Herr Fürstenberg hat zu Unrecht die Richtlinien über den Abbau

angegriffen. Es ist darin wirklich nichts, was zu beanstanden wäre. Ich möchte hervorheben,

daß vor der Fusion der vereinigten Institute 30 Vorstandsmitglieder vorhanden waren,

während wir jetzt nur noch 12 haben werden, und daß von den ausscheidenden 8 vollkommen

ausgeschaltet und die anderen 10 als Filialdirektoren oder sonstwie ihre Verwendung finden.

Wir lassen es wirklich an Menschlichkeit nicht fehlen. Wir sind entgegenkommend in bezug

auf Abfindungen und darüber hinaus eifrig bestrebt, für die betroffenen Beamten anderweitig

Unterkunft zu schaffen. Es darf auch nicht vergessen werden, daß wir einen sehr erheblichen

natürlichen Abgang haben.

*Nr.10, 30. November 1929, 34.Jhg., S.149 ff.

Die Generalversammlung der Disconto=Gesellschaft

Die Generalversammlung der Disconto=Gesellschaft begann mit Ausführungen von Dr.

Salomonsohn, in denen er u.a. darauf hinwies, daß die Erkenntnis von der Nützlichkeit des

Zusammenschlusses nicht erst in jüngster Zeit entstanden sei; der erste Gedankenaustausch

über eine Verschmelzung mit der Deutschen Bank sei schon vor ungefähr zwei Jahren erfolgt.

Der Abbau einer größeren Zahl von Beamten sei unvermeidlich; er werde aber unter

größtmöglicher Schonung und Beachtung der sozialen Lage im Einzelfall zur Durchführung

gelangen. Man sei sich bewusst, wie hart ein solcher Eingriff die Mitarbeiter treffen werde,

von denen viele lange Jahre treue und wertvolle Dienste geleistet haben. ...

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Perret, Sprecher des DBV:

...Sollte es richtig sein, daß die Absicht bestehe, einige Tausend Angestellte bei beiden

Instituten zu entlassen, so müsse er an das soziale Gewissen der maßgebenden

Vorstandsmitglieder appellieren und auf die ungeheuer trostlose Lage auf dem Arbeitsmarkt

hinweisen. Ältere Angestellte würden überhaupt nicht unterkommen; die Erklärung der

Verwaltung, daß die Schwierigkeiten in der Unterbringung von Angestellten in eine neue

Existenz nicht unüberwindlich seien, könnten mit der tatsächlichen Lage auf dem

Arbeitsmarkt nicht in Einklang gebracht werden. ...

Dr. Mosler:

Dieser erklärte zu den Reden von Perret...u.a., es sei nun einmal das Ziel der Rationalisierung,

Ersparnisse, auch durch Personalabbau, herbeizuführen. Werde dies nicht erreicht, so sei die

ganze Transaktion ein Schlag ins Leere.

*Nr.10, 30.November 1929, 34. Jhg., S.152 ff.

Die Kehrseite der Rationalisierung

von Amtsgerichtsdirektor Dr. Wolfhard-Mannheim, Mitglied des badischen Landtages

Schwere Sorge geht in den Reihen der Bankangestellten um, die bei den beiden größten

deutschen Aktienbanken überall im Reiche beschäftigt sind. Der Beschluß der Aufsichtsräte

der Deutschen Bank und der Disconto=Gesellschaft, diese beiden Institute zu vereinigen, ist

gewiß als Rationalisierungsmaßnahme unserer Gesamtwirtschaft zu werten. Es erhebt sich

aber sofort die Frage, ob es zweckmäßig war, eine solch einschneidende Maßnahme gerade

im Herbste und unmittelbar vor den Beratungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes im

Reichstage der Oeffentlichkeit bekanntzugeben.

Überhaupt muß man sagen, daß das Kommunique der beiden Banken keine sehr geschickte

Hand verrät. Sonst wäre es nicht möglich gewesen, daß gleich in der ersten Verlautbarung an

vorderster Stelle der Satz stand, der neue Aufsichtsrat soll aus sämtlichen Mitgliedern der

Aufsichtsräte der beiden Bankkonzerne gebildet werden. Wie muß die psychologische

Wirkung einer solchen Mitteilung bei Bankangestellten sein, die über ein Menschenalter in

den über 100 Filialen dieser Bankinstitute getreu gedient haben, und denen das Gespenst des

Abbaus in bedrohliche Nähe gerückt ist ? ...

Es ist ein schwacher Trost, wenn im Schlußsatze des Kommuniques steht: "Bei der

durchzuführenden Rationalisierung werden die sozialen Gesichtspunkte im Auge behalten." ...

Die Allgemeinheit hat .. ein Interesse, bevor noch größere Beunruhigung entstanden ist,

alsbald zu erfahren, wie die Ersparnisse personeller Art im Einklange mit sozialen

Gesichtspunkten gemacht werden sollen.

Jetzt, wo der Winter vor der Türe steht, und die Ziffern der Arbeitslosen an sich schon

gewaltig in die Höhe gehen, darf ohne Not niemand, vor allem kein älterer Angestellter, aus

diesem plötzlich auftauchenden Konzentrationstrieb der beiden Banken auf die Straße gesetzt

werden.

Dieser Artikel erschien am 6.Okt in der Neuen Badischen Landes-Zeitung. Er veranlaßte eine

Erwiderung von Kommerzienrat Dr. Th. Frank, Geschäftsinhaber der früheren Disconto-

Gesellschaft, jetzt Vorstandsmitglied der Deutschen Bank und Disconto-Gesellschaft, die von

der genannten Zeitung am 16.Okt. veröffentlicht wurde und folgenden Wortlaut hatte:

...Daß die Fusion als weitgreifende Rationalisierungsmaßnahme auch zu einer weiteren

Freisetzung von Arbeitskräften führen wird, ist ..unbestreitbar. ...

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Man sollte sich daran gewöhnen, ..die Großbankenfusion als das anzusehen, was sie in

Wahrheit ist: Nicht Ausfluß des Strebens nach wirtschaftlichen Gebilden von "Mammut"-

Größe oder gar der Versuch, mit dem Ausland ein Wettlauf um die größten Zahlen zu

beginnen, sondern ein Kind der Not und ein Zeichen entschlossenen Willens, unter Opfern

sich der Lage anzupassen, die sich aus der deutschen Kapitalnot für das deutsche

Bankgewerbe ergibt, und die durch eine Politik, der jedes Gefühl von Verantwortung für ihre

Folgen fehlt, eine so unheilvolle Verschärfung erfahren hat.

*Nr.12, 31.Dezember 1929, 34.Jhg., S.186f.

Das Ende der Ostbank und das Schicksal der bisherigen Angestellten

Die der Ostbank für Handel und Gewerbe in Königsberg i.Pr. bereiteten Schwierigkeiten

hatten bekanntlich dazu geführt, die Übernahme die Übernahme des Institutes durch die

Dresdner Bank in die Wege zu leiten. am 23.cr. fand in Königsberg unter Leitung des

früheren Oberpräsidenten Dr. v. Batocki die außerordentliche Generalversammlung der

Ostbank statt, in welcher der Fusionsvertrag mit überwältigender Mehrheit genehmigt wurde.

Nachdem der Versammlungsleiter die Vorgänge, die zu dem Fusionsvertrag geführt haben,

ausführlich geschildert hatte, erhielt unser Geschäftsführer für den Gau Ostmark, Kollege

Woitzuck (Königsberg), das Wort.

Er wies darauf hin, daß durch das Eingehen der Ostbank, die in langen Jahren ihres Bestehens

in erheblichem Umfang zum Aufblühen von Handel und Industrie in Ostpreußen beigetragen

habe, die ostpreußische Wirtschaft einen schweren Schlag erlitte. Ganz besonders hart würden

aber die Angestellten betroffen, die fürchten müßten, daß durch die Zusammenlegung der

Fililen der beiden Banken wiederum ein Abbau eintreten würde. Im Interesse der schwer

geprüften Kollegenschaft sei es dringend geboten, eine Personalverminderung, soweit sie

nicht umgangen werden könnte, nicht überhastet vorzunehmen; insbesondere müßten die

sozialen Gesichtspunkte weitestgehende Beachtung finden. ... Geheimrat Frisch und Direktor

Schumacher versprachen, bei dem leider nicht zu vermeidenden Abbau nach sozialen

Gesichtspunkten verfahren zu wollen.

*Nr.3, 12.April 1930, 35.Jhg., S.39

Hypothekenbanken=Fusion

Wir hatten bereits in unserer Zeitung vom 7. März die Frage der Fusion der Preußischen

Central=Bodenkredit A.G. mit der Preußischen Pfandbrief=Bank eingehend erörtert. Am

28.März fanden nun die Generalversammlungen der beiden Institute statt. ...

Zur Verschmelzung erhielt nun nach einführenden Worten des Aufsichtsratsvorsitzenden

Kollege Goller das Wort, der ... folgendes ausführte:

... Es mag auch zugegeben werden, daß viele Gründe für die vorgeschlagene Fusion der

beiden größten Hypothekenbanken ins Treffen geführt werden können und als

ausschlaggebend angesehen werden müssen, wie die Ausschaltung der Konkurrenz gerade mit

Rücksicht auf die sehr bedeutende Konkurrenz der öffentlichen Realkreditinstitute.

Aber wenn daneben auch die Rationalisierung als Beweggrund für die Fusion angegeben

wird, also die Einsparung von Unkosten, so wolle er doch auf die Ausführungen der Berliner

Börsen-Zeitung hinweisen, die dieses Motiv als recht problematisch hingestellt und darüber

hinaus erklärt hat, daß sie eine Notwendigkeit für den Zusammenschluß der beiden

Hypothekenbanken nicht anerkennen könne. Jedenfalls werde man jetzt damit rechnen

müssen, daß eine Reihe von Angestellten ihre Stellung verlassen müssen, was dazu führen

muß, daß der ohnehin schon sehr ungünstig veranlagte Markt der freien Arbeitskräfte eine

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weitere Belastung erfährt. Alle Erwerbsgesellschaften aber sollten danach streben, möglichst

vielen Volksgenossen Arbeit und Verdienst zu sichern .Gerade die Angestellten von

Hypothekenbanken werden durch solche Fusionen insofern sehr schwer getroffen, weil sie

gewohnt waren, ihre Stellung als eine Lebensstellung anzusehen. ...

Auf diese Darlegungen erwiderte Geheimrat Dr. Frisch, daß die Verwaltung

selbstverständlich beim Abbau, falls er überhaupt notwendig werde, alle sozialen Rücksichten

soweit wie irgend angängig nehmen wolle. Sie werde aber zu Ersparnismaßnahmen vor allen

durch die hohen Steuern und die starke Konkurrenz der öffentlichen Hand im

Hypothekengeschäft gezwungen. Trotzdem werde der Vorstand des neuen Instituts bei seiner

Personalpolitik größtmögliche Schonung walten lassen. ...

*Beilage zur Bankbeamten=Zeitung Nr. 5 vom 21. Juni 1930, S.2

Gothaer Grundkredit=Bank und Angestellte.

Wir hatten bereits in unserer Zeitung v. 22.Mai über den Plan, die Deutsche

Grundkredit=Bank in der Preußischen Central=Bodenkredit= und Pfandbriefbank aufgehen zu

lassen, berichtet; inzwischen hat am 11.cr. die Generalversammlung des Gothaer Instituts in

Berlin stattgefunden. Sie wurde von unserem Gaugeschäftsführer für Brandenburg=Pommern,

Kollegen Goller (Berlin), wahrgenommen, der in der Aussprache über die Vorschläge der

Verwaltung als erster Redner das Wort erhielt und u.a. ausführte, daß es anläßlich der

bevorstehenden Fusion ganz besonders notwendig sei, in der Generalversammlung das

Schicksal der Angestellten der Grundkredit=Bank zu erörtern. Es handele sich in der

Mehrzahl um Kollegen, die in dem Dienste der Bank ergraut seien und nun angesichts des

Niederganges ihres angesehenen, noch vor kurzer Zeit so seriösen Instituts sich mit Bangen

fragen müßten, was nun aus ihnen aus ihren Familien werden solle. Mit besonderem Bedauern

müsse er feststellen, daß die Direktion der "Gothaer" sich hierüber offenbar wenig Sorgen

gemacht habe, ja, es verlaute sogar, daß die Direktion das in unablässigen Bemühungen der

D.B.V.=Vertreter und des Betriebsrates erzielte Entgegenkommen der

Pfandbriefbank=Direktion noch zu dämpfen versucht hätte. Über diesen höchst

ungewöhnlichen und bedauerlichen Vorgang, der die Angestelltenschaft naturgemäß sehr

beunruhige, müsse er um Aufklärung bitten. -

In seiner Erwiderung erklärte das Vorstandsmitglied Oberregierungsrat a.D. Dr. Moll, daß

von einer derartigen Handlungsweise der Direktion keine Rede sein könne. Immerhin betonte

er aber, daß bei der schlechten Lage des Instituts der Pfandbriefbank gegenüber keine

"Bedingungen" wegen Übernahme der Beamten hätten gestellt werden können. Im übrigen

übernehme ja die Rechtsnachfolgerin der "Gothaer" sämtliche Angestellten mit der Zusage,

bei etwaigem Abbau das größte Entgegenkommen zu zeigen, d.h. Pensionen oder

entsprechende Abfindungen zu gewähren.

*Beilage zur Bankbeamten=Zeitung Nr. 8 vom 10. September 1930, S.1

Nimmt es denn gar kein Ende ? von M.Fürstenberg

Noch immer ist die Kündigungswelle bei der DD=Bank nicht vorüber. Erstaunlicher und

befremdender Weise ist bekannt geworden, daß neuerlich Kündigungen – man hört sogar von

900- hier und im Reich zur Durchführung gelangen sollen. Ein Teil der betreffenden Kollegen

soll pensioniert werden. …

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Was den Abbau von Direktoren und sonstigen Oberbeamten betrifft, so hatte Herr

Wassermann auf die Vorstellungen des Kollegen Fürstenberg in der Fusions-

Generalversammlung der Deutschen Bank (am 29. Okt. v.J.) u.a. erklärt, daß durch

Pensionierung oder Abfindung 156 Direktoren und 167 Prokuristen der zur Verschmelzung

gelangenden Institute verschwinden, und daß weitere 15 Direktoren und 89 Prokuristen

anderweitige Verwendung finden würden.

Daß vor den "höheren Kreisen" nicht halt gemacht wurde, war ein einfaches Gebot der

Gerechtigkeit und außerdem auch selbstverständlich, wenn die für notwendig erklärte

Rationalisierung überhaupt einen Sinn haben sollte. Es wäre einfach unerhört gewesen, wenn

man die Unkosten-Verminderung lediglich auf dem Rücken der Tarif-Angestellten

durchgeführt hätte. Diese waren ja ohnehin die am schwersten und am meisten Betroffenen,

und wenn auch die DD=Bank in ihren Abfindungen meistens über das sonst übliche und

gesetzlich erreichbare Maß nicht unerheblich hinausgegangen ist ..., so schafft das doch die

Tatsache nicht aus der Welt, daß die zum Abbau gelangten Kollegen aus ihrer Lebensbahn

gedrängt und in den meisten Fällen einer ganz unsicheren wirtschaftlichen Zukunft

ausgeliefert wurden. ...

Weiter betrachten wir es als ein einfaches Gebot der Menschlichkeit (es liegt übrigens auch

im Dienst=Interesse), wenn mit jeder nur möglichen Schnelligkeit Umfang und Verteilung der

Kündigungen und Pensionierungen einwandfrei und abschließend bekannt gegeben würden;

durch die Presse=Notizen sind die hiesigen und auswärtigen Belegschaften im höchsten

Grade beunruhigt worden; mit Recht ist überall erhebliche Aufregung entstanden. Man möge

wenigstens baldigst Klarheit schaffen und dabei auch dafür sorgen, daß die (angeblich nicht

vermeidbaren) Kündigungen nicht "portionsweise" herauskommen. ...

Harte Tatsachen und Reklame, S.2

Die sächsische Gaugeschäftsstelle des D.H.V. hat im April dieses Jahres an die sächsischen

Handelskammern, an die sächsischen Arbeitgeber=Verbände usw. Briefe geschrieben und um

Einstellung stellenloser Kaufleute nachgesucht. Wie schwer die Verhältnisse unter den

Kaufmannsgehilfen gegenwärtig sind, und in wie geringem Umfang der D.H.V. in der Lage

ist, Hilfe zu bieten, wird aus dem Brief an die Arbeitgeber=Verbände recht deutlich

erkennbar. Es läßt Blicke in wahre Abgründe der Verzweiflung tun, wenn der D.H.V. da

mitteilen muß, daß allein unter den Mitgliedern seiner eigenen Krankenkasse im Freistaat

Sachsen im vergangenen Jahre nicht weniger als 19 Selbstmorde zu verzeichnen gewesen

sind. Auf 100 aus dem Leben geschiedenen Mitgliedern der D.H.V.=Krankenkasse entfallen

darnach 16,28 Selbstmörder, während die amtliche sächsische Statistik nur 3,54 Selbstmörder

auf 100 Todesfälle verzeichnet ! Hieraus ergibt sich mit aller Deutlichkeit, daß der D.H.V.

der schweren Existenznot seiner gewerkschaftlichen Pflegebefohlenen völlig hilflos

gegenübersteht. …

*Nr.1, 14.Februar 1931, 36.Jhg., S.1 f.

Dennoch vorwärts !

Wir sehen eine lawinenartig anwachsende Arbeitslosigkeit mit all ihren unheilvollen Folgen.

Fast fünf Millionen Arbeitslose zählt Deutschland gegenwärtig, darunter über 300 000

Angestellte ! Erschütternd ist die Notlage in Millionen deutscher Familien. Verzweiflung hat

vielfach diese Stellenlosen gepackt, die tätig sein wollen und keine Arbeit finden. Die

seelische Zermürbung dieser vom Schicksal aus geregelter Beschäftigung Verdrängten schafft

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immer größere Verbitterung. Auch im Bankgewerbe sind 1930 weitere Entlassungen erfolgt.

Fusionen, Liquidationen, Konkurse und immer neue Rationalisierungsmaßnahmen haben

erneut zahlreiche Bankangestellte dem großen Arbeitslosenheer zugeführt.

...die Behauptung der Unternehmer, daß Lohnkürzungen die Arbeitslosigkeit vermindern

würden, hat sich als durchaus irrig erwiesen. Trotz sehr ansehnlicher

Einkommens=Herabsetzungen sind von Monat zu Monat Hunderttausende weiter arbeitslos

geworden. ... Auch die Bankleitungen haben bei der Erneuerung des Reichstarifvertrages

nicht nur einen starken Gehaltsabbau verlangt, sondern auch sehr einschneidende

Verschlechterungen des Manteltarifes. Mit heißen Kämpfen um die wirtschaftlichen und

sozialen Errungenschaften der Bankangestellten waren die letzten beiden Monate des

vergangenen Jahres angefüllt. Wenn es schließlich gelang, eine Tarifvereinbarung zustande zu

bringen, durch welche wohl eine 6prozentige Herabsetzung der Gehälter erfolgte, im übrigen

aber sämtliche von den Bankleitungen geforderten Verschlechterungen des Manteltarifs

abgewehrt werden konnten, so kann das als Erfolg festgestellt werden, selbst wenn man

berücksichtigt, daß die durchaus unberechtigte Gehaltssenkung von der Kollegenschaft als

sehr drückend empfunden wird. ...

Der Deutsche Bankbeamten=Verein kann sich grundsätzlich nicht damit einverstanden

erklären, daß den Bankangestellten tariflich nur die animalische Existenzbasis gesichert wird.

Wir verlangen vielmehr nach wie vor ein soziales Existenzminimum; wenn bei den letzten

Tarifverhandlungen aus der Gehaltsabbau=Psychose heraus auch die Einkommen der

Kollegenschaft gekürzt wurden, so wird es das Bestreben unserer Organisation sein, bei

kommenden Gelegenheiten diesen Rückschritt zu revidieren.

*Nr.8, 19.August 1931, 36.Jhg., S.1ff.

Die Krise im Bankgewerbe und ihre Bekämpfung

Darmstädter und Nationalbank

Am Montag, dem 13. Juli, wurde die Öffentlichkeit durch folgende Bekanntmachung der

Danat=Bank überrascht:

Nach außerordentlich starken, ständig steigenden Kreditkündigungen und Abhebungen

zunächst unserer inländischen, dann auch unserer ausländischen Gläubiger sehen wir uns

gezwungen, zum Schutz der Gesamtheit unserer Gläubiger unsere Schalter vorübergehend zu

schließen. ...

Eingeweihte Kreise wußten seit Wochen, daß der Abzug kurzfristiger Auslandsgelder bei cen

deutschen Banken einen außerordentlichen Umfang angenommen hatte; dem Ansturm konnte

die Danat=Bank, bei der der Abruf fremder Gelder am größten war, nur noch geringen

Widerstand entgegensetzen,...

Daß die übrigen deutschen Großbanken dieses Ereignis nicht verhindert haben, erklärt

Goldschmidt (Anm.: Geschäftsinhaber der Danat=Bank) damit, daß so ziemlich alle Institute

von dem Kreditabstrom betroffen worden seien. Zwar sind die anderen Banken nicht so stark

in Mitleidenschaft gezogen worden, wie die Danat=Bank, immerhin aber doch so stark, daß

sie vielleicht zu einer ausgesprochenen Stützung, namentlich eines so großen Partners, nicht

in der Lage waren.

*Nr.8, 19.August 1931, 36.Jhg., S.102ff.

Arbeitnehmer und Wirtschaftskrise

Die Bankbeamten beim Reichsfinanzminister

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Berlin, 15.Juli. Der Reichsfinanzminister Dietrich empfing heute den Bankbeamtenführer M.

Fürstenberg vom Deutschen Bankbeamtenverein und den Generalsekretär des

Gewerkschaftsringes, die beim Minister dringende Vorstellungen wegen der durch die letzten

Ereignisse hervorgerufenen schweren Beunruhigung der Bankangestellten erhoben.

Unsere Tätigkeit

Nach Schließung der Schalter der Danat=Bank war es im höchsten Grade zweifelhaft, ob an

die Angestellten des Instituts die Gehälter bezahlt werden würden. Noch am Nachmittag des

"schwarzen Montag" begaben sich daher der Kollege Fürstenberg und ich ins

Reichsarbeitsministerium. Dort wurde Ministerialdirigent Dr. Meves eindringlichst gebeten,

den Reichsarbeitsminister alsbald von unserer Intervention zu unterrichten, ihm die Lage der

7.200 Angestellten und ihrer Angehörigen zu schildern und unseren ernsten und dringenden

Wunsch zu übermitteln, er möge bei der Reichsregierung dafür nachdrücklich eintreten, daß

diese auf alle Fälle der Bank zunächst Mittel für die Ausschüttung der Gehälter zur

Verfügung stelle. ...

Die Danat=Bank muß fortgeführt werden !

Die Illiquidität des Instituts war hauptsächlich auf die geschilderten Auswirkungen der Krise

zurückzuführen. ... sodann die Bedeutung der Bank für die Gesamtwirtschaft und das

Schicksal der 7200 Angestellten mit etwa 13000 Familienangehörigen ...erforderten

selbstverständlich die Vermeidung der Liquidation und ihre Weiterführung. ...

Dresdner Bank

Wie die Darmstädter und Nationalbank, so war auch die Dresdner Bank von der im Gang

befindlichen Depositenumlagerung besonders stark in Mitleidenschaft gezogen worden; der

Abruf in- und ausländischer Einlagen hatte bei diesem Institut, das bekanntlich mit dem

Genossenschaftswesen in engster Verbindung steht, die Liquidität außerordentlich stark

beeinflußt. Diese daraus entstandenen Schwierigkeiten mussten naturgemäß vor der vollen

Wiederaufnahme des Zahlungsverkehrs beseitigt werden. Es wurde der Weg der Stärkung des

Eigenkapitals der Bank dergestalt beschritten, daß das Reich 300 Mill. Reichsmark

Vorzugsaktien zu pari übernahm, die mit einer festen 7prozentigen Dividende ausgestattet

wurden. Mit dieser Kapitalserhöhung bekommt die Dresdner Bank ausreichende flüssige

Mittel und damit eine genügende Bewegungsfreiheit; ihr einflußreichster Aktionär ist jetzt das

Reich, welches naturgemäß auf die Verwaltung der Bank einen erheblichen Einfluß nehmen

wird. ...

In der Aufsichtsratssitzung vom 1.August hat auch der Kollege Quack, das von den

Betriebsräten in die genannte Körperschaft gewählte kaufmännische Aufsichtsratsmitglied,

die in den Verhandlungen der Institutsleitung mit der Reichsregierung gefundene Lösung

gutgeheißen, weil durch sie den 3000 Angestellten der Bank die Existenz erhalten werden

kann. Bemerkenswert erscheint noch, daß Geheimrat Frisch in dieser Tagung ausdrücklich

den Eifer und die Hingabe der Angestellten während der schweren Wochen hervorhob, deren

Mitarbeit in herzlichen Worten würdigte und betonte, daß die Direktion dies nicht vergessen

werde.

Adca - Sächsische Staatsbank

Am 29. Juli wurde die Öffentlichkeit mit der Nachricht überrascht, daß die Allgemeine

Deutsche Creditanstalt (Sitz Leipzig) und die Sächsische Staatsbank (Sitz Dresden) ihre

Vereingung vollzogen haben.

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J.F. Schröder Bank - Bremen

Am 20.Juli veröffentlichten die Tageszeitungen in Bremen folgende Bekanntmachung der

J.F.Schröder Bank:

Die allgemein bekannte schwere Wirtschaftskrise, die sich in jüngster Zeit besonders

verschärft hat, hat sich auf unser Unternehmen so ausgewirkt, daß wir uns gezwungen sehen,

unsere Kassen für diese Woche zu schließen. Wir stehen in ernsten Verhandlungen mit

bremischen und auswärtigen Wirtschaftskreisen zur Durchführung einer Stützungsaktion.

Hierzu schrieben die "Bremer Nachrichten" vom 20. Juli u.a.:

"Bei der Frage nach den Gründen, aus denen heraus die Geschäftsinhaber der Schröder Bank

ihren folgenschweren Entschluss gefasst haben, muß man auf den Kreditabzug des Auslands,

von dem die Schröder Bank nicht verschont blieb, verweisen. Diese Zahlungseinstellung ist

aber trotzdem der eindringlichste Alarmruf, der je erscholl. Er darf nicht ungehört verhallen,

darf vor allem in Bremen keinen Zweifel mehr daran lassen, daß die Krise auch das Herz des

bremischen Wirtschaftskörpers betroffen hat. ... Umso schmerzlicher muß es berühren, daß

die bremische Bank, der Bremen für seine Entwicklung in den Nachkriegsjahren so

außerordentlich viel verdankt, der Krisis zum Opfer zu fallen droht."

Bei dem Institut sind etwa 400 Kolleginnen und Kollegen beschäftigt, deren Schicksal und

bedrohte Existenz den Deutschen Bankbeamten=Verein selbstverständlich unverzüglich

veranlaßten, sich in die Stützungs=Aktion einzuschalten und diese mit jedem nur möglichen

Mittel zu fördern. Auf Veranlassung unseres Freundes Marquardt, dem Vorsitzenden des

Zweigvereins Bremen, wurde einmütig folgende Entschließung gefaßt und allen in Betracht

kommenden Stellen zugeleitet:

"Die Angestelltenschaft der J.F.Schröder Bank bittet den Hohen Senat der Freien und

Hansestadt Bremen, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln sich dafür einzusetzen, daß

die zur Stützung der für Bremens Handel so bedeutsamen und verdienstvollen J.F.Schröder

Bank eingeleitete Aktion zu einem guten Ende geführt wird. Die einstweilige

Zahlungseinstellung liegt in der gegenwärtig außerordentlich schweren Notzeit begründet. ...

Die Erschütterung, die ein Zusammenbruch der J.F.Schröder Bank in Gegenwart und Zukunft

für Bremens Wirtschaft im Gefolge haben würde, ist unübersehbar. ... Die Angestelltenschaft

der J.F.Schröder Bank bittet daher den Senat, den Ernst der Situation nicht zu verkennen."

Alle Stellen wurden dringend gebeten, der J.F.Schröder Bank jede nur mögliche

Unterstützung angedeihen zu lassen, und hierbei wurde selbstverständlich insbesondere auf

die bedrohte Existenz der betroffenen Kollegenschaft hingewiesen.

Danatbank=Notverordnung und Angestellte

-von Bernhard Blau, Berlin, Rechtsanwalt am Kammergericht und Notar-

Von der Krise der Danatbank sind naturgemäß auch die Bankangestellten sehr schwer

betroffen worden, und zwar sowohl der große Kreis von Angestellten, der in der Zentrale der

Bank vereinigt ist, als auch die zahlreichen Beamten, die bei dem weit ausgedehnten

Depositenkassen- und Filialnetz der Danatbank tätig sind, ferner auch die bei den

Konzerngesellschaften der Danatbank tätigen Bankbeamten. ...

Generalversammlung der Dresdner Bank, 30. August 1931

Gaugeschäftsführer für Sachsen, Landtagsabgeordneter Voigt, Dresden:

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Bei der Krise der Dresdner Bank sei erfreulicherweise das Schlimmste abgewendet worden,

und es könne mit Befriedigung vermerkt werden, daß es dem gemeinschaftlichen und

entschlossenen Handeln von Bankleitung und Reichsregierung gelungen sei, die

Weiterführung des Instituts sicherzustellen und so die etwa 8000 Angestellten der Bank mit

ihren Angehörigen von ihren schwersten Sorgen um ihre Existenz zunächst zu befreien.

In diesem Zusammenhang dürfte aber auch die ungeheure Arbeitsleistung der

Angestelltenschaft in den kritischen Wochen nicht vergessen werden. ... Die Beamtenschaft

habe in dieser Zeit nicht nur in Berlin und Dresden, sondern in allen Niederlassungen im

Reich mit Erfolg zur Aufklärung und Beruhigung des Publikums in hervorragendem Maße

beigetragen.

Diese Tatsachen berechtigten aber auch zu der bestimmten Erwartung, daß Bankleitung und

Aufsichtsrat die mustergültige Haltung ihrer Mitarbeiter entsprechend einschätzen und nie aus

dem Gedächtnis verlieren würden. Das müsse auch deshalb ganz besonders unterstrichen und

hervorgehoben werden, weil ja nun die Frage der Unkosten=Verringerung in Angriff

genommen werden solle. Es sei ein Gebot allgemeiner und sozialer Gerechtigkeit, der

Angestelltenschaft ihre Arbeitsplätze auch weiterhin unter allen Umständen zu sichern. ...

Angesichts der Situation unseres Arbeitsmarktes könne die Lage der Angestellten und ihrer

Angehörigen der Reichsregierung und den leitenden Körperschaften der Bank nicht

eindringlich genug zur Berücksichtigung empfohlen werden, zumal es ja ohnehin leider so

sei, daß die Bezüge für den größten Teil der Arbeitnehmer nur als durchaus unzulänglich

bezeichnet werden müßten. Auch die Frage der Pensionäre gehöre hierher; ihre bescheidenen

Einkünfte seien kürzlich um 10% herabgesetzt worden, was außerdem für die Betroffenen

noch völlig unerwartet erfolgt sei. ...

*Nr.8, 19.August 1931, 36.Jhg., S.122ff.

Allgemeine Deutsche Creditanstalt - Kündigungen !

Im Gegensatz zu der von der Regierung im Ferienausschuß des Sächsischen Landtags am 31.

Juli ...gegebenen Zusicherung, daß Entlassungen erst dann vorgenommen werden sollten,

wenn mit den Fachorganisationen darüber verhandelt worden sei, hat die Adca-Direction in

Leipzig 17 Kündigungen ausgesprochen. ...

Unser Vertreter protestierte unter Bezugnahme auf die oben erwähnte Zusage lebhaft gegen

die ...geschehenen Kündigungen und verlangte Auskunft, ob denn die Zusagen der Regierung

erfolglos bleiben sollten. Es wurde u.a. erwidert, daß die Regierung sich wegen der

bemängelten Entlassungen bereits mit der Adca in Verbindung gesetzt habe; hierbei sei die

Auskunft gegeben worden, daß ein Zusammenhang mit der Fusion nicht vorhanden sei. Der

Abbau sei vielmehr durch den derzeitigen Geschäftsgang bedingt und nicht vermeidbar. Der

Direktion sei aber von der Regierung empfohlen worden, die Organisationen anzuhören und

Härten, sofern solche entstanden seien, zu beseitigen oder zu mildern. Die vom Innenminister

gegebene Zusage, die Organisationen zu hören und Richtlinien aufzustellen, sobald die

Verschmelzung der beiden Institute tatsächlich in Gang käme, würde gehalten werden, wenn

sich herausstellen sollte, daß ein Abbau infolge der betrieblichen Zusammenlegung, mit der

man für Anfang 1932 rechne, drohen sollte.

*Nr.10, 17. Oktober 1931, 36.Jhg., S.1f.

Im Kampf um die sozialen Errungenschaften !

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Die Wirtschafts- und Arbeitsnot in Deutschland nimmt gigantische Formen an. Der

Zusammenbruch der englischen Währung und die politisch recht unklaren Verhältnisse haben

zweifellos zu einer starken Verschärfung der Krise beigetragen. Das Heer der Arbeitslosen

wächst. Für den Winter wird mit einer Arbeitslosenzahl von 6 bis 7 Millionen gerechnet.

Grauenvolles Elend herrscht in Millionen deutscher Familien. Die kärglichen

Unterstützungssätze wurden in den letzten Monaten noch heruntergesetzt und reichen vielfach

nicht aus, um das nackte Leben zu fristen. ... Auch die Löhne und Gehälter der noch in Arbeit

stehenden Volksgenossen sind stark gekürzt worden. ... Überall zeigen sich sehr ernste

Gefahrensignale, und Unzufriedenheit und Verbitterung wachsen von Tag zu Tag. ...

Die Ursachen der deutschen Wirtschaftsnot liegen in den allgemeinen Auswirkungen des

gegenwärtigen Welt=Wirtschaftssystems, den internationalen politischen Störungen und dem

Mißtrauen unter den Völkern. ... Seit 1 1/2 Jahren sei als Ausweg aus der Krise die Senkung

der Löhne und Gehälter sowie der Abbau der Sozialpolitik ständig propagiert und betrieben

worden. Das Ergebnis sei eine ungeheure Verschärfung der allgemeinen Not. ...

*Nr.1, 21. Januar 1932, 37.Jhg., S.2f.

Das Fusions=Gespenst

Im Hinblick auf die andauernden, stets aber völlig unbestimmten und sich vielfach

widersprechenden Gerüchte über die Verschmelzung der Darmstädter und Nationalbank mit

der Commerz- und Privat=Bank, die im November vorigen Jahres mit besonderer Stärke

auftauchten, hielten wir es für notwendig und zweckmäßig, beim Reichsfinanzminister

Dietrich selbst vorstellig zu werden. ...

Nachdem Kollege Fürstenberg in eindringlichster Form auf die schwersten

volkswirtschaftlichen Bedenken und insbesondere natürlich auch auf die ungeheuren

Gefahren für die Belegschaften der beiden Institute hingewiesen hatte, die mit dieser

neuerlichen Großbanken=Fusion verbunden sein würden, erklärte der Reichsfinanzminister

u.a., daß er für alle vorgetragenen Argumente volles Verständnis habe. Er betonte auch

seinerseits, daß eine übersteigerte Konzentration des Bankwesens sowohl in staatspolitischer

als auch in sozialer Beziehung nicht ohne Gefahren sei. Eine endgültige Entscheidung der

Reichsregierung über den Umfang und die Form der zum Teil zwangsläufig notwendig

werdenden Aktion sei noch nicht erfolgt; die Dresdner Bank komme aber für eine Fusion

nicht in Frage.

Kollege Fürstenberg appellierte in lebhaftester Weise an den Minister, seinen ganzen Einfluß

dafür einzusetzen, daß bei einem infolge der Verschmelzung, wenn sie wirklich Tatsache

werden sollte, eintretenden Personal=Abbau jede nur mögliche Sicherung den betroffenen

Angestellten, u.a. durch weitgehende Abfindungssummen, auch aus Reichsmitteln, und durch

Beschaffung anderer Arbeitsplätze, herbeigeführt werde.

Der Reichsfinanzminister nahm auch diese Vorstellungen mit vollem Verständnis auf und

erklärte, daß er die ihm vorgetragenen sozialen Bedenken und Wünsche berücksichtigen und

sich dafür einsetzen werde, daß die für die Bankbeamten etwa eintretenden wirtschaftlichen

Schäden soweit als irgend möglich gemildert würden.

*Nr.2, 29.Februar 1932, 37. Jhg., S.1

Die Würfel sind gefallen !

Reichsfinanzminister Dietrich über die Reorganisation des deutschen Bankwesens.

Aus der Rundfunk=Rede des Ministers am 22. Februar

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Der heutige Tag hat für die Geschichte des deutschen Wirtschafts- und Banksystems eine

besondere Bedeutung. Er zieht die Bilanz aus den Ereignissen, die sich seit anderthalb Jahren

vollzogen haben, insbesondere aus der starken Rückziehung der kurzfristigen Kredite des

Auslandes, die zunächst im September 1930 einsetzte und nach einer Pause von etwa einem

halben Jahr im Mai und den folgenden Monaten des Jahres 1931 noch über die Katastrophe

hinaus angedauert hat.

Es ist das erste Mal in der Geschichte des Wirtschaftslebens, daß in diesem Umfange Kapital

einer Volkswirtschaft entzogen worden ist, und daß die einzelnen Gläubiger sich nicht auf die

Rückrufung ihrer Kredite von einzelnen Instituten beschränkt, sondern ihre Rückrufung auf

die einem ganzen Bank-System gegebenen Kredite ausgedehnt haben. Es ist und war von

jeher ein anerkannter Grundsatz, daß einer plötzlichen Rückrufung von Kreditsummen großen

Ausmaßes kein Bankunternehmen gewachsen sein kann. Besonders schwer mußte sich diese

Rückwirkung in Deutschland auswirken. Der deutsche Kapitalmangel, durch Abfluß von

Mitteln zur Zahlung politischer Schulden ständig wacherhalten, hatte zu einem hohen

Zinssatz geführt und dieser wiederum kurzfristige Gelder ins Land gezogen. In der Erwartung

späterer Konsolidierung waren diese Gelder, zum großen Teil mit Kenntnis der Gläubiger, in

die Wirtschaft ausgeliehen und von dieser zur Investition in langfristigen Anlagen verwendet

worden. Wie wir heute erkennen, nachdem sich diese Konsolidierung als nicht möglich

erwiesen hat, war manche dieser Ausleihung ein Fehler. Viele Investitionen, die zur Zeit ihrer

Vornahme einem vernünftigen Bedürfnis entsprachen, haben sich durch die Verminderung

des Absatzes infolge einer Weltkrise von ungeahntem Ausmaße als Fehlinvestitionen

herausgestellt. Wäre Deutschland eine ruhige allmähliche Abwicklung dieser Kredite von

vornherein ermöglicht worden, so wären der Banken-Zusammenbruch im Juli und die in

seinem Verfolg eingetretenen Kreditverkürzungen und Schrumpfungen der Wirtschaft gar

nicht oder sicher nicht in diesem Umfange eingetreten. Dabei soll gar nicht beschönigt

werden, daß auch hier Schuld und Schicksal zusammengewirkt haben.

Am 13. Juli v.Jhs. stellte dann die Danatbank die Zahlungen ein. Es war ein Montag. Schon

am selben Tage wurde klar, daß auch die andern Banken dem Ansturm der aufgeregten

Kunden in den nächsten Tagen erliegen würden, weswegen wir genötigt waren, die

Bankfeiertage anzuordnen. Bevor die Banken wieder eröffnet wurden, ist die Dresdner Bank

in der Form, die Ihnen bekannt ist, rekonstruiert worden. Daß die Wiedereröffnung der

Banken im übrigen schon am 5. August 1931 möglich war, obwohl die Regierung mit

ungeheuren Schwierigkeiten und Widerständen zu kämpfen hatte, und daß sie so ruhig

verlaufen ist, wofür das Hauptverdienst der großen Masse der beteiligten Bankkunden

zukommt, ist ein Zeichen dafür, daß in Stunden größter Gefahr in unserem so verhetzten und

aufgeregten Volke ganz plötzlich der gesunde Sinn und eine klare Erkenntnis der Gefahren

und Notwendigkeiten sich durchsetzt.

Es ist gelungen, mit dem vorläufig rekonstruierten Bankwesen bis heute zu arbeiten, ohne daß

sich erneut irgendwelche ernstlichen Gefahren bemerkbar gemacht hätten. Es versteht sich

von selbst, daß die Regierung und Reichsbank seit jener Zeit der Wiedereröffnung das

Problem, ihre endgiltige Rekonstruktion, nicht aus dem Auge gelassen haben. Es ist auch

nicht etwa so, daß die großen Arbeiten, die in der Zwischenzeit auf dem Gebiete der inneren

Reform und der Klärung der Reparationsfrage gemacht worden sind, die endgiltige Regelung

aufgehalten hätten. Vielmehr setzt diese voraus, daß die Banken in eine umfassende Prüfung

ihrer Gesamtlage und ihrer einzelnen Kunden eintraten, eine riesenhafte Aufgabe, die jetzt in

der großen Linie als beendet angesehen werden kann. ...

*Nr.2, 29.Februar 1932, 37. Jhg., S.20

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Ein harter Schlag für die Bankangestellten !

Die Folgen der Großbank=Fusion - Was wird aus den Abgebauten ? - Größte Schonung

verlangt !

Dieser Aufsatz erschien am 24.cr. in der Morgen-Ausgabe des "Berliner Lokal-Anzeiger". ...

(R.Luther)

Die Verlustbilanzen der Großbanken sind eine außerordentlich schmerzliche Überraschung

für die deutsche Öffentlichkeit. Aber härter noch als diese werden die Angestellten der im

Rahmen der allgemeinen Bereinigungsaktion durchzuführenden Fusionen Danat=Bank/

Dresdner Bank und Barmer Bank=Verein/Commerz= und Privat=Bank betroffen. Diese

Verschmelzungen sind ein schwerer Schlag für die deutsche Bankangestelltenschaft, die nun

seit mehr als acht Jahren fast ohne Pause unter dem Druck des Abbaues steht.

Die große Ausdehnung des Personalbestandes im Jahre 1923 auf rd. 230 000 Bankangestellte

war in der Hauptsache schon Ende 1924 insoweit verringert, als die zahlreichen nur in der Not

der Hochinflation hereingeholten berufsfremden Kräfte das Bankgewerbe wieder verlassen

hatten. Seitdem ist die Zahl von rd. 115.000 immer weitergesunken, so daß jetzt kaum noch

70 000 kaufmännische Bankangestellte vorhanden sein dürften. Seit 1925 wurden mit

besonderer Energie die Mechanisierung und die Maschinisierung der Banktechnik betrieben.

Dabei wurden nicht nur weitere Arbeitskräfte überhaupt freigesetzt, sondern diese Politik

führte auch dazu, daß ältere Angestellte mit banktechnischer Ausbildung und allgemeiner

Berufserfahrung gehen mußten, um jüngeren, besonders auch weiblichen Kräften Platz zu

machen, von denen in der Hauptsache weiter nichts als eine gute Auffassungsgabe und flotte

Maschinenbedienung verlangt wurde. Heute weiß man, daß diese Rationalisierung weit über

das Ziel hinausgeschossen ist, daß man sich im Interesse der im Bankgewerbe tätigen

Menschen und damit der deutschen Volkswirtschaft überhaupt hätte stecken dürfen.

Verschärft wurde die Freisetzung von Arbeitskräften dann durch die Konzentrationspolitik

der letzten Jahre, bei der nicht nur zahlreiche kleinere Banken ihre Selbständigkeit aufgaben,

sondern auch größere Institute durch Verschmelzung ihrer Filialnetze eine weitgehende

Verringerung der Arbeitsstätten herbeiführten.

Zerstörte Existenzen

Noch ist die DD=Bank=Fusion bei allen Bankangestellten in schmerzlicher Erinnerung.

Schon damals hatte Fürstenberg, der Führer des Deutschen Bankbeamten=Vereins, warnend

darauf hingewiesen, daß die Schaffung derartiger Mammutbanken keineswegs im Interesse

der deutschen Volkswirtschaft liegen könnte; auch weil eine derartige Zerstörung der Existenz

von mehreren tausend Angestellten durch die geschäftlichen Interessen der Institute nicht

gerechtfertigt werden könnte. Auch jetzt wieder haben wir die schwersten Bedenken, daß die

weitere Zusammenfassung von Großbanken der deutschen Wirtschaft nützlich sein wird.

Wurden s.Zt. bei der DD=Bank rd. 24000 Angestellte in einem Institut vereinigt, so handelt es

sich bei der Dresdner/Danat=Bank um rd. 13000 Menschen. Durch diese Fusion kommen

jetzt Institute zusammen, die ingesamt in etwa 55 Plätzen gleichzeitig vertreten sind. Es muß

leider befürchtet werden, daß die Zusammenlegung der Zentralen und dieser Filialen neue

Personal=Verringerungen herbeiführen wird, deren Umfang und Folgen überhaupt noch nicht

zu übersehen sind.

Die Regierung hat versprochen

In seiner Sorge um das Schicksal der Angestellten und ihrer Familien hat der D.B.V. bereits

seit Monaten in enger Fühlung mit der Reichsregierung gestanden und beim

Reichsfinanzminister immer wieder darauf hingewiesen, daß auch auf die Belegschaften

größtmögliche Rücksicht genommen werden müsse. Einmal müsse der Abbau überhaupt auf

das allergeringste Maße beschränkt bleiben, und dann sei erforderlich, daß man bei der

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Auswahl der Kündigungen größte Rücksicht auf die Familienverhältnisse der Angestellten

nehme. Dem Willen, sich dieser besonderen Sorge zu unterziehen, hat Finanzminister

Dietrich in seiner Rundfunkrede Ausdruck gegeben, indem er betonte, daß die Regierung über

das Angestelltenproblem bereits mehrfach mit dem Deutschen Bankbeamten=Verein

verhandelt habe, und daß im Verfolg dieser und anderer Rücksprachen vorgesehen wurde, daß

das Reich der Dresdner Bank allmählich einen Vertrag von 20 Millionen TReichsmark in bar

zur Verfügung stellen würde, damit die unglücklichen Beamten, die nach jahrzehntelanger

Tätigkeit in ihren Instituten ihre Existenz verlören, wenigstens einigermaßen für die Zukunft

sichergestellt werden könnten. Die Notwendigkeit dieser besonderen Fürsorge wird auch dem

Außenstehenden ohne weiteres begreiflich, wenn er daran denkt, daß die

Bankangestelltenschaft in den letzten acht Jahren aus der Angst vor dem Abbau nicht

herausgekommen ist.

Dringender Appell !

Es ist schwer, einen Begriff davon zu geben, wie ungeheuerlich sich dieser dauernde Druck

auf die seelische Verfassung der Angestellten auswirkt, die Jahrzehnte hindurch ihrem Institut

treu gedient haben und nun beinahe täglich erwarten müssen, der völligen Hoffnungslosigkeit

ausgeliefert zu werden. Grundsätzlich muß der dringende Appell an das

Reichsfinanzministerium und an die Leitung der Dresdner Bank gerichtet werden, den nicht

vermeidbaren Personalabbau mit größter Schonung vorzunehmen und den für das neue

Institut zu schaffenden Personalkörper nicht etwa auf die Schrumpfung der gegenwärtigen

bankgeschäftlichen Tätigkeit abzustellen, sondern bei ihren Maßnahmen die Perspektive einer

Wiederbelebung der deutschen Volkswirtschaft, an der wir doch alle arbeiten, nicht außer

acht zu lassen ! R.Luther

*Nr.2, 29.Februar 1932, 37. Jhg., S.21f.

Unser Kampf für die Angestellten in den Aufsichtsrats=Sitzungen

Kollege Quack, Vertreter der kaufmännischen Angestellten der Dresdner Bank:

Bei allen Fusionen im Bankgewerbe hat sich gezeigt, daß schwere volkswirtschaftliche

Bedenken gegen Rieseninstitute bestehen. Es hat sich aber auch gezeigt, daß die Opfer

hauptsächlich von den Angestellten gebracht werden mußten. Ich erinnere nur an den

gewaltigen Abbau aus Anlaß der Fusion der Deutschen Bank und Disconto=Gesellschaft.

Im Hinblick auf die geradezu katastrophale Lage am Arbeitsmarkt - mehr als 6 Millionen

Menschen liegen auf der Straße - muß ich, wenn die Fusion schon nicht vermieden werden

kann, mit allem Nachdruck die Forderung erheben, daß die Zusammenlegung der beiden

Institute unter größter Schonung der Existenz der Angestellten durchgeführt wird. Ich richte

daher in dieser ernsten Stunde an die Herren Vertreter der Reichsregierung den dringenden

Appell, sich mit allen Kräften dafür einzusetzen, daß die Existenz der Angestellten

sichergestellt wird; den gleichen Appell richte ich namens meiner engeren Kollegen von der

Dresdner Bank an den Gesamtaufsichtsrat und an die Direktion der Dresdner Bank und

erwarte, daß jetzt der bisher ununterbrochen weitergeführte Abbau von Angestellten in der

Zentrale und im Reich ein Ende findet und daß aus Anlaß der Verschmelzung die Entlassung

von Angestellten unterbleibt.

Ich habe schon in der letzten Aufsichtsratssitzung darauf hingewiesen, daß die Belegschaft

der Dresdner Bank für die Entwicklung unseres Institutes und für die Vorgänge, die zu dieser

Entwicklung geführt haben, nicht die geringste Schuld trifft. Viele Angestellte haben aber

seither ihre Existenz gerade wegen dieser Entwicklung verlieren müssen. Es wäre ein

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Unrecht, wenn man jetzt etwa daran denken würde, aus Anlaß der Fusion wiederum

Angestellte aus der Bahn zu schleudern.

Noch hat unsere Belegschaft, trotz aller schlimmen Erfahrungen, die sie hat auf sich nehmen

müssen, das Vertrauen nicht verloren, daß die Reichsregierung und Aufsichtsrat und Vorstand

der Bank das Äußerste tun werden, was zur Erhaltung der Existenz der Angestellten

geschehen kann. Würden sich diese Hoffnungen nicht erfüllen, so würde dieses Vertrauen

gewaltig erschüttert werden. Die Bank ist auch in Zukunft auf die fleißige und willige

Mitarbeit der Angestellten angewiesen. Mehr als bisher erfordert die Abwicklung der großen

Aufgaben unseres Institutes im gesamten Wirtschaftsprozeß die ganze Hingabe der

Belegschaft. Vergessen Sie, meine Herren, nicht, daß die Angestelltenschaft auch wesentlich

dazu beigetragen hat, und auch in Zukunft dazu beitragen muß, in der Öffentlichkeit und bei

unserer Kundschaft den Wiederaufbau des Vertrauens zur Dresdner Bank und damit zum

gesamten deutschen Bankgewerbe zu fördern.

Jeder Abbau weiterer Bankangestellter wird in der Öffentlichkeit auch zum Schaden des

Bankgewerbes selbst kritisch erörtert. Es ist daher Pflicht der Reichsregierung, des

Aufsichtsrates und des Vorstandes des Institutes, für den von mir geforderten Schutz der

Angestellten mit allen Mitteln einzutreten und dafür zu sorgen, daß der Angestelltenkörper,

wie erheute besteht, auch fernerhin erhalten wird.

In der Commerz=und Privatbank...ist Kollege Perret bei Direktor Hampf vorstellig geworden.

Dieser hat u.a. ausdrücklich betont, daß ein durch den Zwang der Verhältnisse notwendig

werdender Abbau mit größter Schonung und in sorgfältiger Berücksichtigung der sozialen

Verhältnisse erfolgen werde, und das man die Personal=Verminderung selbstverständlich auf

das denkbar geringste Maß beschränken werde. Auch hat Direktor Hampf erklärt, daß

gegenwärtig eine Übersicht, in welcher die Verschmelzung der Angestelltenschaften vor sich

gehen werde, noch nicht vorhanden sei, und daß er zu späteren Besprechungen in dieser so

ernsten Angelegenheit jederzeit zur Verfügung stände.

In den Sitzungen der Dresdner und der Danat=Bank wurde unseren Rednern erwidert, daß

Entlassungen von Beamten bedauerlicher Weise nicht völlig zu vermeiden seien; aber auch

dort wurde versprochen, daß man mit aller Schonung und in sorgfältiger Berücksichtigung der

sozialen Verhältnisse verfahren werde. In der Tagung der Dresdner Bank erklärte Geheimrat

Norden vom Reichsfinanzministerium, der Regierungs=Vertreter im Aufsichtsrat dieses

Institutes, daß er vom Finanzminister ermächtigt sei mitzuteilen, daß das Reich für die zur

Entlassung kommenden Angestellten die Summe von 20 Millionen Reichsmark zur

Verfügung gestellt habe.

In der Aufsichtsrats=Sitzung des Barmer Bank=Vereins, die in Düsseldorf abgehalten wurde,

ergriffen unsere Kollegen... das Wort zum Schutz der Interessen der Angestellten. Mit Ernst

und Nachdruck richtete Kollege Horlebeck an Aufsichtsrat und Vorstand die dringende Bitte,

jede nur denkbare Rücksicht gegenüber den Kollegen und Kolleginnen walten zu lassen,

deren Fleiß und Aufopferung es zu verdanken sei, daß das Institut die zurückliegenden

schweren Wochen verhältnismäßig gut überstanden habe. ...

In der Tagung der Allgemeinen Deutschen Credit=Anstalt ...sprach der Kollege Flügel,

Leipzig. Er trat lebhaft und eindringlich für die Angestellten ein und wies u.a. auf die

Erbitterung und Erschütterung hin, die der neuerlich geplante Abbau von ungefähr 200

Beamten im Personal ausgelöst hat. Weiter kritisierte er die erstaunlicher Weise trotzdem

erfolgte Neueinstellung fremder Kräfte und verlangte u.a. auch neuerlich eine Zergliederung

des Handlungs=Unkosten=Kontos. Die Direktion versuchte, die beanstandeten Maßnahmen

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zu verteidigen und betonte hierbei, daß man bei der nicht vermeidbaren

Personal=Verminderung durchaus nach sozialen Gesichtspunkten verfahren werde. ...

Wir müssen der bestimmten Erwartung Ausdruck geben, daß die gemachten Versprechungen

in die Tat umgesetzt werden und daß seitens der dafür verantwortlichen und in Betracht

kommenden Stellen alles geschieht und nichts unterlassen wird, was die ohnehin schon so

schwer getroffenen Angestellten vor einer Gefährdung oder gar Vernichtung ihrer

wirtschaftlichen Existenz bewahren kann. Mich.Perret.

*Nr.2, 29.Februar 1932, 37. Jhg., S.22

Aus dem Geschäftsbericht der Deutschen Bank und Disconto=Gesellschaft

Unser Personal-Bestand hat sich von 20 051 auf 18 541 Köpfe vermindert. Die Ungunst der

Verhältnisse hat uns gezwungen, insbesondere bei unseren Filialen, die Zahl unserer

Mitarbeiter weiter zu verringern. Wir haben diese notwendige Maßnahme dadurch gemildert,

daß wir im wesentlichen ältere Angestellte erfaßten, die wir pensionieren konnten. ...

Weiter mußten wir die Gehälter der in unseren Diensten verbliebenen Angestellten, nachdem

sie bereits im Vorjahr eine Minderung erfahren hatten, neuerdings ... ab 1.Januar 1932

erheblich kürzen. Für die außerhalb des Reichstarifvertrages stehenden Mitarbeiter waren wir

angesichts der allgemeinen Wirtschaftslage zu noch empfindlicheren Einkommens-

Schmälerungen gezwungen. ...

*Nr.2, 29.Februar 1932, 37. Jhg., S.27

Erklärung DBV:

Mit Bezug auf die geplante Personal=Verminderung muß schließlich mit allem Nachdruck

noch folgendes betont werden: Das gegenwärtig leider im Bankgewerbe so zurückgegangene

Geschäft kann nicht als Normal=Zustand betrachtet werden. Die Zusammenlegung der

Angestelltenschaften darf nicht so erfolgen, als ob gar keine Aussicht auf bessere Zeiten und

bessere geschäftliche Tätigkeit vorhanden wäre. Die Schaffung der Personal=Körper für die

zur Verschmelzung gelangenden Institute muß daher vernünftiger Weise so vorgenommen

werden, daß er auch bei einer Belebung der Volkswirtschaft ausreichend ist. Von einem

pessimistischen und fatalistischen Standpunkt aus darf an die Verschmelzung der

Belegschaften unter gar keinen Umständen herangegangen werden !

*Nr.2, 29.Februar 1932, 37. Jhg., S.35

Commerz=und Privat=Bank

Die Tagung fand am 2. April in Hamburg statt. ... In der Aussprache über die Fusion mit dem

Barmer Bank=Verein ergriff Kollege Decker das Wort und wandte sich in lebhafter Weise

gegen einen ev. Abbau von Angestellten bei dieser Verschmelzung. Bereits im

Geschäftsbericht für 1930 habe der Vorstand der Commerz=und Privat=Bank darauf

hingewiesen, daß die Rationalisierungs=Maßnahmen in der Wirtschaft sich als ein Fehlschlag

erwiesen hätten. Auch heute habe Herr Reinhardt vom Vorstand der Bank betont, daß das

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"Schlagwort von der Rationalisierung" unheilvolle Folgen für Deutschland gehabt hätte.

Bedauerlicher Weise sei aber festzustellen, daß bei dem Institut die Rationalisierung in

stärkstem Umfang vorgenommen würde. Erst vor wenigen Tagen hätten in Hamburg 50

Angestellte die Kündigung erhalten; in anderen norddeutschen Filiale wäre ein Abbau bis zu

30% der Angestellten erfolgt. ... Für die meisten Bankangestellten bedeute eine Kündigung

die Zertrümmerung der wirtschaftlichen Existenz und eine Vergrößerung des allgemeinen

Arbeitslosen=Elends. auch sei es eine nationale und soziale Pflicht, das Millionenheer der

Arbeitslosen in Deutschland nicht zu vergrößern, vielmehr müsse auf eine Verminderung der

Zahl der Stellenlosen hingearbeitet werden. Es müsse möglich gemacht werden, daß die

Verschmelzung mit dem Barmer Bank=Verein keinen Abbau von Angestellten nach sich

ziehe. Wenn schon durch die Fusion eine Verminderung der Angestellten=Zahl erfolgen

müsse, so solle man, wie es bei der Fusion Danat=Bank/Dresdner Bank vereinbart worden sei,

ältere Angestellte pensionieren oder auf Wartegeld setzen. Sollten wider Erwarten darüber

hinaus Kündigungen vorgenommen werden müssen, so müsse nach sozialen Gesichtspunkten

verfahren werden. Keinesfalls dürften ältere Angestellte die Kündigung erhalten und damit

einem höchst traurigen Schicksal überliefert werden. Wenn auch die Reichsregierung für die

vorliegende Fusion keine besonderen Mittel für einen Härte=Fonds zur Verfügung gestellt

habe, so würde die Belastung des Unkosten=Kontos doch nicht so groß sein, um nicht

getragen werden zu können, was im übrigen auch schon deswegen erfolgen müsse, nachdem

die Übernahme des Barmer Bank=Vereins nach eigenen Angaben der Verwaltung ein gutes

Geschäft für die Commerz=und Privat=Bank bedeute. ...

*Nr.5, 9. Juni 1932, 37. Jhg., S.58

Allgemeine Deutsche Credit=Anstalt

Am 21. März fand in Leipzig die ordentliche General=Versammlung der Adca statt.

Im Verlauf seiner Ausführungen teilte Direktor v. Schön mit, daß die Anhalt=Dessauische

Landesbank mit der Adca verschmolzen werde. Aus den Ausführungen ist noch

hervorzuheben, daß die Verwaltung der Bank dankbar die Arbeitsleistung der Angestellten

anerkenne. ...

In der Aussprache erhielt Kollege Perret als erster das Wort: ... aus den Darlegungen vom

Vorstandstisch und aus dem veröffentlichten Geschäftsbericht sei ersichtlich geworden, daß

Auslandsgelder von der Adca nur in bescheidenem Umfang hereingenommen wurden; die

Adca sei also nur durch den allgemeinen Vertrauenszusammenbruch und durch die

besonderen Verhältnisse der hart bedrängten sächsischen Wirtschaft in den Strudel der

Ereignisse hineingezogen worden; es sei anzuerkennen, daß die Verwaltung in den

Krisenwochen mit Hilfe des Sächsischen Staates und der Sächsischen Bank

Vorbeugungsmaßnahmen traf, um die Adca gegen alle Angriffe zu schützen. Seit der

Juli=Krise habe aber nun die Adca 220 Angestellte entlassen; auch hier wären die

Arbeitnehmer die Opfer gewesen. Nun seien diese 220 Kollegen und Kolleginnen aus ihrer

Lebensbahn herausgeschleudert und der Arbeitslosigkeit überantwortet worden. Kein Mensch

könne glauben, daß bei der katastrophalen Lage auf dem Arbeitsmarkt für die Mehrzahl der

gekündigten Angestellten wieder eine Möglichkeit, eine neue Existenz zu finden, vorhanden

sei. Nicht immer seien bei diesen Kündigungen die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse

berücksichtigt worden. Jetzt nach der Rekonstruktion der Bank müsse mit dem Abbau aber

endgültig Schluß gemacht werden. Die Fusion mit der Anhalt=Dessauischen Landesbank,

deren Filialen mit solchen der Adca überhaupt nicht zusammenstoßen, dürfe keinen Abbau

nach sich ziehen. In diesem Zusammenhang begrüßte der Kollege Perret die Mitteilung des

Vorstandes, daß er sich entschlossen habe, auch aus sozialen Erwägungen heraus auch an

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Stelle der maschinellen Bearbeitung der Geschäftsvorfälle wieder die menschliche

Arbeitskraft zu bevorzugen. Die Durchführung dieses Grundsatzes sei umso notwendiger, als

auch von der Angestelltenseite her das dringend notwendige Vertrauen der Öffentlichkeit zu

den Geld=Instituten gestärkt werden müsse. Mit der allgemeinen Notlage sei es nicht

vereinbar, daß die Bezüge des Vorstandes im Durchschnitt jährlich über RM 67 000 betragen.

Er müsse an den Vorstand der Bank den dringenden Appell richten, auf wesentliche Teile der

Bezuege zu verzichten; ev. werde der Aufsichtsrat gebeten, entsprechende Maßnahmen zu

beschließen. Das Handlungs=Unkosten=Konto bedürfe der Aufgliederung in Ausgaben für

die Leitung, für die Oberbeamten, für die Tarifangestellten und für sachliche Zwecke.

Jedenfalls könnten auf die Angestellten weitere Lasten nicht mehr abgewälzt werden; bei

reichlicher Arbeitsüberbürdung seien deren Gehalts=und Einkommens=Bezüge heute bereits

mehr als ungenügend. ...

*Nr.5, 9. Juni 1932, 37. Jhg., S.59f.

Banken=Fusion in Schleswig=Holstein

Die Schleswig=Holsteinische Bank übernimmt den Bank=Verein für Schleswig=Holstein -

das war die neue, die Kollegenschaft sehr beunruhigende und überraschende Nachricht. Es

handelt sich um zwei angesehene Provinz=Institute, von denen das Übernehmende 350

Angestellte und das Fusionierte 220 Angestellte beschäftigt. ...

Unser Gau Norddeutschland hatte sich in Verbindung mit unseren Mitgliedern in den

Aufsichtsräten der beiden Institute sofort nach Bekanntwerden der ersten Gerüchte bemüht,

Klarheit über die Gründe der Verschmelzung und über die Absichten der Betriebsleitungen zu

verschaffen und gleichzeitig auch Vorsorge zu treffen, daß die Rechte der Angestellten

geschützt werden. Dabei ergab sich insbesondere aus mehrfachen Unterredungen, ...daß von

dem Gesamtpersonal von fast 600 Köpfen etwa ein Drittel abgebaut werden sollte. ...

Weiterhin hat unsere Leitung an das Reichsfinanzministerium eine Eingabe gerichtet, in

welcher die besonderen Verhältnisse ausführlich vorgetragen werden und eindringlich

gebeten wird, Reichsmittel für die zur Entlassung kommenden Angestellten zur Verfügung zu

stellen, wobei u.a. auch darauf hingewiesen wurde, daß Schleswig=Holstein eine

Grenzprovinz ist und daß die betroffenen Bankleitungen erklärt haben, keine Gelder für

Abfindungen freimachen zu können.

Alle beteiligten Bank=und Regierungsstellen haben die ernste Pflicht, an ihren Teil dazu

beizutragen, daß diese Verschmelzung nicht zu einer wirtschaftlichen Katastrophe für die

Kollegen wird, die dabei ihren Arbeitsplatz verlassen müssen.

*Nr.12, 15.Dezember 1932, 37. Jhg., S.163f.

Schalterschließung bei der Essener Bank

Am 11. November erfolgte ganz unerwartet die Zahlungseinstellung der Essener Bank und

ihrer Filiale, der Altendorfer Kreditbank. Die Essener Bank ist die weitaus größte

Genossenschaftsbank im Westen des Reiches und zählt rund 10 000 Genossen und Sparer.

Das Institut war bereits im Februar dieses Jahres in Schwierigkeiten gekommen und damals

mit Hilfe des Reiches und der Preußenkasse wieder flottgemacht worden. Allgemein glaubte

man damals, daß damit die Schwierigkeiten überwunden und die Sicherheit des Instituts

gewährleistet seien. ... Mit dem Schicksal der Bank ist die Existenz von fast 70 Angestellten

verbunden. ...

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*Nr.1, 19. Januar 1933, 38. Jhg., S.1f.

Jahreswende

Zwischen Hoffnungen und Enttäuschungen schwankt unser Glaube in diesen Tagen. Wird das

neue Jahr die Hoffnungen von Millionenen Menschen in der ganzen Welt auf endlich

langsame Bessergestaltung der Verhältnisse erfüllen oder wird es weitere, neue

Enttäuschungen bringen zu all den vielen, die die Menschheit in den letzten Jahren hat

ertragen müssen ? Mancher hat leider durch die Schwere seines Schicksals den Glauben, die

Hoffnung verloren. Not und Elend, Verbitterung und Verzweiflung haben ihn körperlich und

seelisch zugrunde gerichtet. Und doch ist es falsch, Hoffnung und Glaube aufzugeben. Das

vergangene Jahr hat weitere schwere Opfer, Entbehrungen und Entsagungen gefordert. Die

Arbeitslosigkeit und damit die Verelendung der breiten Masse unseres Volkes ist in einem

starken Ausmaße angewachsen.

Besonders schwer lastete wieder das vergangene Jahr auf dem Stand der deutschen

Bankangestellten. Noch immer wurde der Abbau in unerhörter Weise fortgesetzt. Eine

ungeheure Unsicherheit, eine furchtbare Angst vor dem Morgen und Übermorgen hält

dauernd die Bankangestelltenschaft befangen. ...

*Der Kaufmann im Bankgewerbe

Nr.1, Januar 1929, 6. Jahrgang

Der D.H.V. und das Bankgewerbe im Jahre 1928

Auf seiten der Bankangestelltenschaft ist ... eine tiefe innere Unzufriedenheit festzustellen.

Wer, wie der Schreiber dieses Berichtes, Gelegenheit hat, in allen Teilen Deutschlands und an

allen größeren Bankplätzen mit den Kollegen aus dem Bankgewerbe zusammenzukommen

und sich vor allem auch mit älteren, urteilsfähigen und ernstdenkenden Bankangestellten über

ihre Einstellung zu ihrem Beruf und zu ihrem Arbeitgeber zu unterhalten, der wird unter ihnen

einen Mißmut mit der eigenen Tätigkeit feststellen, der auch den Bankleitungen zu denken

geben sollte.

Vier Gründe sind es, die die Ursache dieser immer mehr zunehmenden Verbitterung unter den

Bankangestellten sind; Ursachen, die sich bei den Großbanken naturgemäß stärker auswirken

als bei den in der Betriebsform vielfach kleineren Privatbanken und

Genossenschaftsinstituten. ...

Dabei wirkt lähmend, daß ein Aufsteigen im Betrieb nur in Ausnahmefällen möglich ist. Es

war ja vor dem Kriege mit das Charakteristikum des Bankgewerbes, daß die Zahl der

Beschäftigten, vornehmlich in den Großbetrieben, ständig stieg und so allen fähigen

Angestellten die Möglichkeit bot, es im Betrieb zu einer Vertrauensstellung zu bringen. Weil

heute im Gegensatz dazu die Zahl der Beschäftigten durch die Rationalisierung noch nicht

wieder im Steigen begriffen ist und eher noch fällt, sind Aufstiegsmöglichkeiten im Betrieb

nur sehr wenig vorhanden und stellen den einzelnen Kollegen in Aussicht, auf lange Zeit hin

auf ihren jetzigen Posten zu bleiben. Dabei sind die meisten Kollegen noch froh, daß sie ihren

jetzigen Posten behalten können, weil die Gefahr eines künftigen Abbaues leider immer

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vorhanden ist. Die Rationalisierung ist selbst bei den Großbanken noch nicht endgültig

beendet, weil immer wieder neue Betriebsmethoden Anwendung finden werden. ...

Zudem kommt die Möglichkeit weiterer Fusionen, wie sie sich zum Beispiel zurzeit im

Genossenschaftsbankwesen vollziehen. Die Drohung mit dem Abbau, die von einigen

Personalleitungen mehr oder weniger ungeschickt auch da, und zwar noch in letzter Zeit,

angewendet wurde, wo z.Z. ein Abbau betriebstechnisch überhaupt nicht möglich ist, mag

vielleicht für diese Personalleiter ein bequemes Mittel sein, sich eine scheinbar ruhige und

zufriedene Angestelltenschaft zu erhalten. Die Ungewißheit, ob jeder Bankangestellte auch

wirklich bis an das Ende seiner Leistungsfähigkeit in seinem Betrieb oder im Bankgewerbe

überhaupt tätig sein kann, wirkt sich jedoch hemmend auf die Arbeitsfreude aus. ...

Nr.10, Oktober 1929, 6. Jahrgang

Großbankenfusion, Abbau und Gehaltsdruck

Die bevorstehende Verschmelzung der Deutschen Bank mit der Discontogesellschaft, dem A.

Schaaffhausen´schen Bankverein, der Norddeutschen Bank, der Rheinischen Creditbank a.G.

und der Süddeutschen Disconto-Gesellschaft berührt alle Bankangestellten auf das tiefste. ...

Die Fusion gibt der deutschen Bankwirtschaft ein völlig neues Gesicht. Ihre Auswirkungen in

betriebswirtschaftlicher und personalpolitischer Hinsicht werden auch diejenigen Angestellten

berühren, die heute noch glauben, als neutrale Zuschauer vom sicheren Bord ihres derzeitigen

Arbeitsplatzes aus innerlich unbeteiligt zusehen zu können.

Die amtliche Erklärung über den Zweck der Fusion besagt, daß durch

Rationalisierungsmaßnahmen in sachlicher und personeller Hinsicht ein Nutzen für die

gesamte Wirtschaft erzielt werden soll. "Rationalisierungsmaßnahmen in personeller

Hinsicht"- das bedeutet Abbau. ...

Abbau und Gehaltsdruck auch anderswo

Während sich die Angestelltenschaft in den Betrieben der Deutschen Bank und Disconto-

Gesellschaft über die Auswirkungen der Fusion beunruhigte, erfolgten in der Zentrale und in

den Filialen der Commerz- und Privatbank A.G. ebenfalls zahlreiche Kündigungen, die

nunmehr die Zahl tausend bald erreicht haben dürften.

Wie wir in einer Aussprache mit den maßgebenden Herren der Compri klären konnten, ist

dieser Abbau bereits vor der Großbankenfusion beschlossen worden, weil die Compri bei

ihrer Verschmelzung mit der Mitteldeutschen Creditbank zunächst einmal alle Angestellten

der Mitteldeutschen Creditbank übernommen und bisher keine Kündigungen ausgesprochen

hatte. Die Direktion der Compri erklärt, daß ihre Erwartungen, durch eine weitere

Ausdehnung des Geschäfts diese Angestellten ganz oder teilweise behalten zu können,

getäuscht worden seien. ...

Mögen die Gründe, die die Direktion der Commerz- und Privatbank für sich geltend macht,

von ihrem Standpunkt aus noch so berechtigt sein, von unserem Standpunkt aus bedauern wir

außerordentlich, daß in dieser Krisenzeit gerade von der Commerz- und Privatbank die

Arbeitsmarktlage der Bankangestellten verschlechtert wird.

Auch Abbau bei den Genossenschaftsbanken

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Als Folge der Zusammenschlüsse des Genossenschaftswesens setzt jetzt der Abbau auch bei

den einzelnen Genossenschaftsbanken ein. ...

Übergang ! (Schäffner)

Der Zentralverband der Banken und Bankiers betont in seinem diesjährigen Jahresbericht, daß

das deutsche Bankgewerbe als Ganzes gesund und widerstandsfähig ist. Sonst geht er aber auf

die Ereignisse des Bankenjahres 1929 nicht ein und begnügt sich lediglich, zu einer Reihe von

wirtschaftspolitischen Fragen Stellung zu nehmen und die Wünsche der Bankwelt dazu zum

Ausdruck zu bringen. Diese Einseitigkeit des Jahresberichtes ist bedauerlich, denn seit dem

Ende der Inflationszeit hat noch kein Jahr so sehr in die Struktur des deutschen Bankwesens

eingegriffen wie das Jahr 1929. Die Fülle von Ereignissen der letzten Monate hat das deutsche

Bankgewerbe in seiner Gesamtheit in das Stadium eines Übergangs gebracht, bei dem noch

kein Mensch weiß, welches Gesicht das deutsche Bankgewerbe im Laufe der nächsten Jahre

haben wird. Als unmittelbare Folge wird die Angestelltenschaft erfaßt und durch eine Welle

von Rationalisierungsmaßnahmen und Massenabbau zu den Leidtragenden gemacht. ...

Der monatelange starke Kursrückgang an den deutschen Börsen hat zu einer Vertrauens- und

Reinigungskrise geführt, die in dem Zusammenbruch von an die hundert deutscher

Privatbankfirmen und kleinerer Banken zum Ausdruck kommt. Am Anfang stand der

Zusammenbruch der Frankfurter Allgemeinen Versicherungs-Gesellschaft und der ihr

nahestehenden Südwestdeutschen Bank. Das getäuschte Vertrauen der Aktionäre und

Versicherten führte zu einer Vertrauenskrise, die sich in Frankfurt a.M. in einem Ansturm auf

die Kassen öffentlicher und privater Bankinstitute auswirkte. Die durch den Zusammenbruch

der Frankfurter Allgemeinen mit stark beeinflußte ungünstige Stimmung an den Börsen

brachte durch die Kursrückgänge und Spekulationsverluste eine ganze Reihe von

Privatbankhäusern in Schwierigkeiten. Ihre Zahlungseinstellung veranlaßte, wie es z.B. stark

bei den Kasseler Zusammenbrüchen in Erscheinung tritt, den Ansturm der Kundschaft auf die

Kassen anderer Bankhäuser, so daß eine Reihe Zusammenbrüche von an sich nicht

bankrotten, sondern nur ungenügend liquiden Bankhäusern folgen mußte.

Wer in einem gesunden Konkurrenzkampf und in der Vielseitigkeit der

Unternehmungsformen einen Vorteil für unser Wirtschaftsleben sieht, muß die zahlreichen

Zusammenbrüche im privaten Bankgewerbe bedauern. Sie werden zu einer Verdrängung der

Privatbanken aus dem Depositen- und Kontokorrentgeschäft führen. Die

Personalentlassungen bei Speyer, Lazard und Ellissen sind ein Zeichen dafür. Besonders gilt

das aber für die Liquidation des Bankhauses Heydemann in Bautzen, das seine Geschäfte

auflösen will. Als Folge der Vertrauenskrise mußte auch das bedeutende Saarbrückener

Bankhaus Grohe, Henrich & Co. zunächst Anlehnung an die Deutsche Bank und

Discontogesellschaft suchen, dann sich aber zur Abwicklung der Geschäfte und Auflösung

der Firma entschließen. ...

Für die Dresdner Bank ist es als ein Erfolg anzusehen, daß ihr die Übernahme der Ostbank

zufällt. Diese Hausbank des Hugenbergkonzerns brach in dem Augenblick zusammen, wo ihr

Aufsichtsratsvorsitzender den Kampf um die Führung ... in seiner Partei führte. ... Die

Dresdner Bank übernimmt das Filialnetz der Ostbank. Ihre Königsberger Filiale wird mit der

Königsberger Zentrale der Ostbank verschmolzen, wobei eine größere Anzahl unserer

Kollegen die Leidtragenden sein werden.

Inzwischen geht die Durchführung der Fusion bei der Dedi-Bank mit großen Schritten weiter.

... Der größte Teil der Filialen ist bereits räumlich vereinigt. Bei der Zusammenlegung der

Buchführung und der Arbeitsgänge wurde der Abbau vorgenommen, so daß bereits bei einer

ganzen Anzahl von kleineren Filialen der Abbau beendet sein soll. Anders steht es bei den

größeren Filialen, wo an der Zusammenlegung noch gearbeitet wird. Am schwierigsten

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vollzieht sich natürlich der Prozeß in Berlin, wo die Angestellten den vorläufigen

organisatorischen Erfolg der Fusion als Zustand der "Konfusion" bezeichnen. ...

http://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-

1933/0000/bru/bru2p/kap1_1/kap2_53/para3_1.html

Die Kabinette Brüning, Besprechung vom 26. Mai 1931, 19 Uhr:

Hilfe für die österreichische Kreditanstalt.

Reichsminister Dr. Curtius teilte nach Eröffnung der Besprechung mit, daß er bei seiner

Rückkehr aus Genf nach Berlin von Herrn Minister Schober aus Wien telefonisch angerufen

worden sei. Herr Schober habe ihm die neuen Schwierigkeiten geschildert, die inzwischen bei

der Kreditanstalt eingetreten seien1, und auseinandergesetzt, daß neue Mittel zur

Finanzierung notwendig seien. Er habe auf Grund des Telefongesprächs noch am Sonntag mit

Herrn Reichsbankpräsidenten Luther über die Dinge gesprochen, und ebenfalls auch mit

Herrn Staatssekretär Schäffer vom Reichsfinanzministerium Fühlung genommen. Auf Grund

dieser Aussprache habe er Minister Schober mitgeteilt, daß ein Beamter aus Wien zur

Aufklärung des Sachverhalts nach Berlin entsandt werden müsse. Auch wir hätten das

Bedürfnis, einen Herrn von uns nach Wien zu schicken, damit dieser sich an Ort und Stelle

ein Bild über die Verhältnisse machen könne. Inzwischen sei Herr Direktor RitscherRitscher2

nach Wien gefahren. Quintessenz sei, daß eine weitgehende Beunruhigung über die

Verhältnisse bei der Kreditanstalt eingetreten sei, und daß die Kreditanstalt ein Moratorium in

Anspruch nehmen müsse. Es genüge nicht allein ein sogenanntes Stillhalte-Konsortium zu

erzielen, sondern es müßten noch erhebliche Gelder – 200 Millionen Schilling – bereitgestellt

werden.

1

Zu den bisherigen Schwierigkeiten vgl. Dok. Nr. 298.

2

Samuel Ritscher, Vorstandsmitglied der Reichskreditgesellschaft.

Reichsbankpräsident Dr. Luther führte in Ergänzung der Ausführungen des Herrn Ministers

Curtius noch aus, daß die Kreditanstalt am heutigen Tage die Einlösung ihrer Kassenscheine

verweigert habe. Die Kreditanstalt gebe Kassenscheine aus (Zahlungsanweisungen auf sich

selbst) mit einer Laufzeit von drei Monaten. Um sich über die Verhältnisse ein klares Bild zu

schaffen, habe er heute bei der BIZ angeläutet. In der vorigen Woche habe die BIZ jede Hilfe

für die Kreditanstalt abgelehnt, weil sie den Standpunkt vertrete, daß sie es nur mit den

Notenbanken zu tun habe, nicht aber mit Privatbanken. Dieser Standpunkt habe sich nicht

geändert. Die BIZ sei durchaus bereit, auf die Hauptkreditoren einzuwirken, stille zu halten.

Auch habe er mit der Bank von England Verbindung aufgenommen. Aus dem Gespräch habe

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285

er feststellen können, daß der Londoner Markt nicht bereit sei, Gelder für die Kreditanstalt zu

geben. In London vertrete man den Standpunkt, daß die Österreicher selbst die

Verpflichtungen der Kreditanstalt übernehmen müßten; erst dann ergebe sich die[1105] Frage,

ob man nicht dem österreichischen Staat Gelder zur Durchführung dieser Verpflichtungen

bereitstellen müsse. Dieser Standpunkt decke sich auch mit der Mitteilung, die er von der BIZ

aus Basel bekommen habe, und er nehme an, daß diese Auffassung als festgelegt anzusehen

sei. Was seine persönliche Meinung angehe, so glaube er sagen zu können, daß die

Auffassung Londons die richtige sei. Österreich müsse erst selbst die Verpflichtungen der

Kreditanstalt garantieren, dann könne in Erwägung gezogen werden, dem österreichischen

Staat mit Geldmitteln zu Hilfe zu kommen. Wünschenswert sei, daß die Österreichische

Regierung sich möglichst bald nach dieser Richtung hin entschließe. Hinsichtlich der Haltung

von Frankreich könne er nur sagen, daß er befürchte, daß französischerseits der Versuch

gemacht werde, in die Angelegenheit Politik hinein zu bringen.

Reichskanzler Dr. Brüning unterstrich noch einmal die vom Reichsbankpräsidenten

dargelegten Gedankengänge und betonte, daß eine unmittelbare Hilfe nicht in Frage kommen

könne.

Reichsminister Dietrich wies noch einmal auf den Schaden hin, der eintreten könne, wenn die

Kreditanstalt zusammenbreche. Infolgedessen müsse man Österreich wohl raten, die Garantie

zu übernehmen.

Im Anschluß hieran erstattete Staatssekretär Dr. Schäffer vom Reichsfinanzministerium einen

Gesamtbericht über die Lage in Österreich in Verfolg eines Telefongesprächs, das er soeben

mit Herrn Direktor Ritscher geführt hatte. Er führte u. a. aus, daß die Haltung Amerikas

unfreundlich sei, und daß die Amerikaner ihre Gelder abziehen. Der englische Markt sehe die

Lage ruhiger an und lasse anscheinend die Kredite stehen. Es werde ein großer

Bereitstellungskredit in Höhe von 330 Millionen SchillingSchilling gebraucht. Diese Hilfe

könne nur international gewährt werden. Die Österreichische Bundesregierung sei zur Zeit

nicht geneigt, für die Nationalbank einzuspringen, und zwar aus zwei Gesichtspunkten:

1. wegen der Kontrollkommission, die leicht Schwierigkeiten machen könne;

2. wegen der Haltung des Parlaments, da ungewiß sei, ob das Parlament die Sache mitmachen

werde.

Die Nationalbank sei in die Krise hineingegangen mit 60 Millionen Dollar allgemeiner

Auslandsverpflichtungen, mit 10 Millionen Dollar ausländischer Verpflichtungen der Bank

und mit 5 Millionen Dollar Kassenschulden. Die Schulden der inländischen Kreditoren hätten

sich auf etwa 470 Millionen belaufen, hiervon sei allerdings der größte Teil zurückgezahlt

worden. Man habe sich zunächst zur Aufgabe gestellt, ein Stillhalte-Konsortium zu gründen.

Bedauerlich sei allerdings, daß die Führung in Wien zersplittert sei. Bis zur Stunde seien

französische Vorschläge noch nicht unterbreitet worden. Aus den Ausführungen des Herrn

Ritscher entnehme er, daß in den nächsten 48 Stunden ein Konsortium zusammentreten

müsse, und daß dann ein gewisser Geldbetrag zur Verfügung zu stellen sei. Andernfalls

entstehe die Gefahr einer Katastrophe; hieraus werde sich leicht ein Moratorium ergeben.

Vizepräsident Dreyse von der Reichsbank legte die Haltung der Nationalbank dar, die zur Zeit

nicht geneigt sei, irgendeine Hilfe zu gewähren. Anscheinend[1106] wolle die Nationalbank

ihre Verpflichtungen nicht vergrößern. Eine Hilfe der BIZ werde erst in Frage kommen

können, wenn die Nationalbank durch die Verhältnisse in Wien in Schwierigkeiten komme.

Allerdings wolle sich die Nationalbank hierin auf eine Hilfe durch die BIZ nicht verlassen.

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286

Die weitere Aussprache ergab, daß es zur Zeit nicht möglich sei, unmittelbar zu helfen, daß

Deutschland aber bereit sei, bei einer internationalen Hilfe mitzuwirken.

Der Reichsminister des Auswärtigen wurde beauftragt, der Österreichischen Regierung

folgende Erklärung zukommen zu lassen:

„Die Größe der zu einer wirksamen Hilfe für die Kreditanstalt erforderlichen Summen führt

dazu, daß nur auf internationalem Wege die Mittel aufgebracht werden können.

Die im Laufe des heutigen Tages angestellten Bemühungen und Ermittlungen über die

Haltung der verschiedenen Plätze, bei denen die Reichsbank mitgewirkt hat, haben ergeben,

daß die Möglichkeit einer internationalen Hilfe für die Kreditanstalt davon abhängt, daß der

Österreichische Staat für die Verpflichtungen der Bank eine Garantie übernimmt.

Deutschland wird sich an einer internationalen Hilfsaktion, durch die der Kreditanstalt

unmittelbar oder mittelbar wirksame Hilfe gebracht werden kann, beteiligen.“3

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287

ANHANG II

Verzeichnis: Handelsblatt - Grafiken Juli 2007 - Dezember 2012

-visuell-indikativer Verlauf der aktuellen Finanzkrise-

(Grafiken s. separate Datei)

Ausgabe / Seite Seite

12.07.07/02 Weltweite Anleiheemissionen 01

24.07.07/01 Deutscher Bankenmarkt: Zögerliche Konsolidierung 01

27.07.07/44 Allianz / Legal&General : Aktienkurse 02

31.07.07/01 Börse straft IKB ab 02

31.07.07/02 Wie Banken Immobiliengeschäftsrisiken streuen 02

03.08.07/01 Doppelter Absturz - Die IKB-Aktie 03

03.08.07/02 Die deutschen Banken und die Risiken 03

13.08.07/25 ABN Amro: Aktienkurs 04

15.08.07/21 Bankaktien unter Druck 04

17.08.07/23 Countrywide Financial: Aktienkurs 05

20.08.07/01 Komplexer Markt - Zweckgesellschaften 05

22.08.07/01 Finanzexperten sehen schwarz 06

22.08.07/25 Die zehn größten Zweckgesellschaften deutscher Banken 06

27.08.07/01 Kennzahlen im Vergleich: Sachsen LB vs. LBBW 07

27.08.07/23 Die größten chinesischen Banken 07

28.08.07/02 Eine Branche sortiert sich neu - Landesbanken 08

31.08.07/01 Die größten Geldgeber-Liquiditätszusagen von Banken 09

03.09.07/25 SachsenLB - Bilanzkennzahlen 09

04.09.07/23 Auswirkungen Subprimekrise - Umfrage 10

05.09.07/01 Bankenlandschaft Deutschland 10

11.09.07/27 Barclays: Aktienkurs 11

18.09.07/01 Northern Rock: Aktienkurs 11

18.09.07/22 Northern Rock: Entwicklung Bilanzsumme 12

18.09.07/22 Northern Rock: Eigentümerstruktur 12

18.09.07/22 Northern Rock: Bilanzkennzahlen 13

20.09.07/24 Morgan Stanley: Bilanzkennzahlen 13

24.09.07/20 Gewinnwachstum und Größe internationaler Banken 14

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288

26.09.07/01 Deutlicher Abwärtstrend - Amerikanische Immobilienpreise 15

28.09.07/32 Japanische Banken im Vergleich - Aktienkurse 15

01.10.07/01 Emissionsvolumen der Verbriefungen in Europa 16

01.10.07/30 IKB-Bilanzkennzahlen 16

05.10.07/02 ABN Amro - Filetierung einer Bank 17

08.10.07/42 Absturz - Weltweite Übernahmen 17

16.10.07/21 Citigroup : Bilanzkennzahlen, Aktienkurs 18

25.10.07/28 Merrill Lynch: Bilanzkennzahlen 18

26.10.07/01 Abschreibungen wegen der US-Hypothekenkrise 19

30.10.07/25 Die skeptischen Stimmen nehmen zu 19

31.10.07/24 UBS: Bilanzkennzahlen, Aktienkurs 20

05.11.07/01 Citigroup: Aktienkurs "Absturz" 20

06.11.07/48 Citigroup zieht Finanzaktien nach unten 21

09.11.07/33 Sturz ins Bodenlose 21

12.11.07/01 Einbruch S&P 500 22

12.11.07/23 FTSE Banken: Krise drückt Index 22

15.11.07/01 WestLB: In der Zwickmühle 23

15.11.07/28 Zunehmende Konzentration im Retail-Geschäft 23

22.11.07/30 FTSE All Share Banken - Einbruch Index 24

28.11.07/01 Der Rettungsschirm 24

28.11.07/28 Milliardenschwere Probleme - ABS 25

03.12.07/35 IKB: Aktionärsstruktur 25

07.12.07/25 WestLB: Bilanzkennzahlen 26

10.12.07/01 Finanztitel unter Generalverdacht 26

12.12.07/01 Anleihen in Gefahr 27

18.12.07/30 FTSE-Banken-Index 27

20.12.07/22 Morgan Stanley: Bilanzkennzahlen 28

21.12.07/43 Bear Stearns: Bilanzkennzahlen, Aktienkurs 28

11.01.08/01 Abschreibungsbedarf US-Banken 4.Quartal 2007 29

11.01.08/01 Investment von Staatsfonds in Großbanken 29

11.01.08/23 Abschreibungen internationaler Banken 30

15.01.08/25 Vergleich Bankenindizes Griechenland vs. Europa 30

16.01.08/01 Große Wertvernichter 31

17.01.08/22 JP Morgan Chase: Bilanzkennzahlen 31

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289

17.01.08/24 Hohe Risikoprämien für europäische Banken 32

22.01.08/21 Trübe Aussichten - Nettoerträge im Investmentbanking 32

22.01.08/23 Stellenstreichungen 33

31.01.08/01 Wer am härtesten betroffen ist - Abschreibungen auf Subprime 33

01.02.08/23 Ein Teufelskreis 34

04.02.08/21 Eigenkapitalrendite nach Bankengruppen 34

04.02.08/24 Stark betroffen - Abschreibungen auf Subprimekredite 35

04.02.08/24 UBS: Aktienkurs - "Stetig bergab" 35

07.02.08/21 Die größten britischen Banken nach Mitarbeitern 36

07.02.08/21 Neuer Dämpfer - Jobs in der Londoner Finanzwirtschaft 36

12.02.08/21 IKB: Aktienkurs 37

15.02.08/12 IKB: Aktienkurs 37

15.02.08/27 Fallende Gewinne: Britische Banken 38

19.02.08/24 IKB: Aktienkurs 38

20.02.08/01 Staatsfonds nutzen die Chance 39

20.02.08/30 Bilanzsumme nach Bankengruppen 39

20.02.08/30 Milliardenverluste - Landesbanken 40

27.02.08/23 Düstere Aussichten: Gewinne US-Banken 40

05.03.08/01 HSH Nordbank: Eigentümerstruktur 41

06.03.08/21 Credit Agricole: Bilanzkennzahlen, Aktienkurs 41

06.03.08/22 Absturz - Vorsteuergewinn der Landesbanken 42

07.03.08/25 NordLB: Bilanzkennzahlen 42

10.03.08725 UBS: Aktienkurs 43

11.03.08/01 Finanzwerte abgestraft 43

11.03.08/22 HSH Nordbank: Bilanzkennzahlen 44

17.03.08/01 Bear Stearns - Chronologie einer Fast-Pleite 44

17.03.08/22 US-Banken: Aktienkurse 45

18.03.08/01 Bear Stearns: Aktienkurs 45

25.03.08/22 Gestrichene Stellen 46

26.03.08/01 Schwer getroffen - Landesbanken 46

28.03.08/25 IKB - Etappen einer Krise 47

02.04.08/01 Krisencheck: Vergleich Deutsche Bank vs. UBS 47

04.04.08/23 BayernLB: Bilanzkennzahlen 48

09.04.08/21 Rating: Deutschland nur Mittelmaß 48

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290

10.04.08/01 Im Sog der US-Krise 49

15.04.08/21 Wachovia: Bilanzkennzahlen 49

21.04.08/29 Bedrohlich niedrig - Bankenkernkapitalquote 50

21.04.08/32 Citigroup: Bilanzkennzahlen 50

22.04.08/21 Bank of America: Bilanzkennzahlen 51

22.04.08/24 Börsenwert der größten schwedischen Banken 51

23.04.08/28 Düsseldorfer Hypothekenbank: Bilanzkennzahlen 52

23.04.08/28 Düsseldorfer Hypothekenbank: Jahresüberschuß 52

25.04.08/25 Credit Suisse: Bilanzkennzahlen 53

29.04.08/25 LBBW: Bilanzkennzahlen 53

30.04.08/25 IKB: Bilanzkennzahlen 54

07.05.08/01 Wo die Mitarbeiter zittern - die größten Jobvernichter 54

13.05.08/25 Mögliche Übernahmekandidaten unter deutschen Banken 55

21.05.08/21 ABN Amro: Filetierter Bankenriese 55

03.06.08/21 FTSE-Bankenindex 56

03.06.08/24 Deutsche Postbank: Aktienkurs 56

04.06.08/01 Hohe Risikoprämien bei Banken 57

05.06.08/12 Lehman Brothers: Aktienkurs 57

09.06.08/35 Im Würgegriff der Krisen - Lehman Brothers 58

10.06.08/12 RBS: Aktienkurs 58

10.06.08/21 Lehman Brothers: Aktienkurs 59

11.06.08/21 Wer mit wem 59

11.06.08/24 Wealth Management - Verwaltetes Vermögen 60

11.06.08/25 Irische Banken: Aktienkurse 60

12.06.08/01 Vergleich Commerzbank vs. Dresdner Bank 61

12.06.08/26 Die Postbank und Ihre Töchter 61

13.06.08/22 Belastende Gerüchte 62

13.06.08/23 HBOS: Aktienkurs 62

17.06.08/22 Lehman Brothers: Bilanzkennzahlen 63

17.06.08/26 Mechanismus der Finanzkrise 64

17.06.08/27 Subprimeverluste - Liste des Schreckens 65

27.06.08/02 Deutscher Ableger - Unicredit 66

27.06.08/12 Fortis: Aktienkurs 66

27.06.08/52 Finanzwerte schicken die Börsen auf Talfahrt 67

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291

02.07.08/01 Barometer der Angst 67

04.07.08/27 IKB: Bilanzkennzahlen 68

14.07.08/01 Die großen Vernichter 68

14.07.08/25 Freddie Mac, Fannie Mae: Aktienkurse 69

15.07.08/01 Fall ins Bodenlose 69

16.07.08/01 Loch in der Kasse - Gebühreneinnahmen Investmentbanken 70

18.07.08/23 HBOS: Aktienkurs 70

22.07.08/21 Eigentümerstruktur WestLB 71

01.08.08/01 Eigentümerstruktur DekaBank, HeLaBa 71

25.08.08/12 Fannie Mae: Aktienkurs 72

26.08.08/22 Roskilde Bank 72

26.08.08/26 Lehman Brothers: Aktienkurs 73

29.08.08/01 Dresdner Bank: Jahresüberschuß /-fehlbetrag 73

02.09.08/01 Der Vorstand der neuen Commerzbank 74

02.09.08/22 Der Branchenprimus ist weit enteilt 74

02.09.08/27 NordLB: Bilanzkennzahlen 75

03.09.08/26 Euribor reißt aus 75

09.09.08/12 Lehman Brothers: Aktienkurs 76

09.09.08/27 Landesbanken: In der Klemme 76

11.09.08/01 Lehman Brothers: Aktienkurs 77

11.09.08/24 Lehman Brothers: Bilanzkennzahlen 77

12.09.08/28 Lehman Brothers: Aktienkurs 78

16.09.08/24 Merrill Lynch: CDS 78

16.09.08/25 Washington Mutual: Aktienkurs 79

16.09.08/33 Banken: Riesiger Kapitalbedarf 80

18.09.08/01 HBOS - Der englische Patient 81

18.09.08/26 Bankenfusion in Großbritannien 81

19.09.08/30 Risikoprämien steigen dramatisch hoch 82

25.09.08/01 Goldman Sachs: Aktienkurs 82

29.09.08/26 Die größten Pleiten in den USA 83

30.08.08/22 Aareal Bank, Commerzbank, Dexia: Aktienkurse 83

30.09.08/29 Fortis: Aktienkurs 84

01.10.08/24 Dexia: Aktienkurs 84

01.10.08/25 Hypo Real Estate: Aktienkurs 85

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292

08.10.08/01 Deutsche Bank, Unicredit, RBS: Aktienkurse - "Auf Schlingerkurs" 85

10.10.08/30 Griechische Banken: Bilanzsummen 86

13.10.08/23 Marktwert schrumpft: US-Banken 86

15.10.08/29 Fortis: Aktienkurs 87

17.10.08/01 Schweizer Banken unter Druck 87

17.10.08/26 Merrill Lynch: Bilanzkennzahlen 88

22.10.08/01 BayernLB: Bilanzkennzahlen 88

22.10.08/22 Rettungspakete im Vergleich 89

24.10.08/26 Credit Suisse: Bilanzkennzahlen - "Neue Risiken" 89

28.10.08/28 HSBC: Aktienkurs 90

05.11.08/24 UBS: Bilanzkennzahlen 90

14.11.08/01 Landesbanken: Fahrplan für die Konsolidierung 91

20.11.08/01 Anteilseigner der LBBW 91

27.11.08/22 Deutsche Banken - Eine Krise in Zahlen 92

27.11.08/22 DZ-Bank: Ergebniswirksame Abschreibungen 92

28.11.08/24 WestLB: Bilanzkennzahlen 93

02.12.08/22 Die Töchter der BayernLB 93

05.12.08/22 Schweizer Baustellen 94

17.12.08/22 Goldman Sachs: Bilanzkennzahlen 94

18.12.08/27 Morgan Stanley: Bilanzkennzahlen 95

15.01.09/01 Aktionäre flüchten 95

19.01.09/22 Bank of America: Bilanzkennzahlen 96

19.01.09/22 Citigroup: Bilanzkennzahlen 96

22.01.09/12 Banco Santander: Aktienkurs 97

22.01.09/28 Billionen vernichtet - Marktkapitalisierung int. Banken 97

23.01.09/01 Landesbanken: Bilanzsummen 98

09.02.09/24 Verschärfte Standards bei Kreditvergabe 99

17.02.09/24 Lloyds Banking Group: Aktienkurs 100

19.02.09/26 ING Group: Bilanzkennzahlen 100

19.02.09/29 Starker Rückgang - Marktkapitalisierung int. Banken 101

27.02.09/05 Die Probleme wachsen - Staatsverschuldung Baltikum 102

27.02.09/26 RBS: Bilanzkennzahlen 103

03.03.09/02 Bilanzsumme Bankensektor 1997-2008 103

12.03.09/29 Börsen in der Rezession 104

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293

26.03.09/22 BayernLB: Bilanzkennzahlen 105

27.03.09/25 WestLB: Bilanzkennzahlen 105

02.04.09/24 Chinesen stürmen in die Krise - Marktkapitalisierung int. Banken 106

02.04.09/25 Betreute Banken - Zahl der genossenschaftl.Banken 1190-2008 106

06.04.09/24 Sal.Oppenheim: Sorgenkind Finanzmarktgeschäft 107

16.04.09/01 UBS: Kapitalzu- und abflüsse 107

29.04.09/22 Sal.Oppenheim: "Komplizierte" Unternehmensstruktur 108

29.04.09/22 Sal.Oppenheim: Bilanzkennzahlen 108

06.05.09/24 UBS: Bilanzkennzahlen 109

07.05.09/27 Rating: Neue Noten für Landesbanken 109

12.05.09/02 Landesbanken: Anteileigner und Bilanzsummen 110

20.05.09/27 HSH Nordbank: Bilanzkennzahlen 111

25.05.09/22 Abzutrennende Einheiten bei Banken 111

05.06.09/01 Landesbanken: Bilanzsummen und Nettoergebnisse-"Verlustreich" 112

30.06.09/18 Massive Belastungen: Verluste von Banken und Kapitalzuführungen 112

02.07.09/22 Japanische Banken: Bilanzsummen - "Die neue Nummer Sechs" 113

03.07.09/03 US-Arbeitslosenquote: Lage verschärft sich 113

03.07.09/03 Hauspreisindex New York City: Im Sturzflug 114

03.07.09/10 Dexia: Aktienkurs 114

06.07.09/18 LBBW: Eigentümerstruktur 115

09.07.09/18 Fitch Bankenratings 115

14.07.09/22 Hoher Staatsanteil - gerettete britische Banken 116

21.07.09/10 CIT: Aktienkurs 116

28.07.09/20 Julius Bär: Bilanzkennzahlen 117

28.07.09/20 Auslandsbanken in der Schweiz: abhängig vom Private Banking 117

06.08.09/01 Privatbanken in Deutschland 118

13.08.09/01 WestLB: Nettoergebnis 118

13.08.09/19 EK-Rentabilität europäischer Banken: Langsame Erholung 119

17.08.09/01 US-Banken nach Bilanzsumme 119

18.08.09/18 Schwere Rezession - Wirtschaft im Baltikum 120

24.08.09/20 HSH Nordbank: Bilanzkennzahlen 121

28.08.09/01 Apotheker- und Ärztebank: Bilanzgewinn - "Abgestürzt" 121

17.09.09/01 Landesbanken: Bilanzsummen 122

23.09.09/25 Hoher Kredithebel - deutsche Banken 122

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294

28.09.09/27 Banken international: Abschreibungen und Kapitalmaßnahmen 123

28.09.09/27 USA: Anzahl Banken und Bankenpleiten 2000-2009 -"Bereinigung" 124

02.10.09/12 GAM Holding: Aktienkurs 124

09.10.09/01 USA: Ausfallquote bei Immobilienkrediten - "Steigendes Risiko" 125

13.10.09/22 Bankenmarkt Lettland 125

27.10.09/12 ING Group: Aktienkurs 126

27.10.09/22 ING Group: Konzernaufbau 126

28.10.09/01 Sal.Oppenheim: Das Ende eines Mythos 127

02.11.09/44 Staatsanteil an den britischen Banken 127

03.11.09/08 CIT: Aktienkurs 128

04.11.09/40 UBS: Aktienkurs, Bilanzkennzahlen 128

18.11.09/01 Sal.Oppenheim: Jahresüberschuß 129

30.11.09/40 Europäische Banken Am Golf 129

04.12.09/40 Kontinuitätsvergleich Bankenstrategien 130

08.12.09/38 Banken: Wen eine Verschuldungsgrenze trifft 131

16.12.09/40 TARP-Hilfen: Die größten Empfänger 132

18.12.09/36 Führende Banken 2009 in Deutschland 132

23.12.09/16 Deutsche Bank: Aktienkurs 133

23.12.09/17 Top Ten: Größte Banken nach Marktkapitalisierung 133

23.12.09/18 Landesbanken: Zersplitterte Landschaft 134

14.01.10/41 Handelsblatt Jobmarkt-Index Banking&Finance 134

22.01.10/36 US-Banken: Handelsergebnisse 2009 135

11.02.10/43 SEB: Bilanzkennzahlen 135

11.02.10/43 Nordea: Bilanzkennzahlen 136

12.02.10/40 Wem die Reichen vertrauen 136

16.02.10/38 Wovon sich die WestLB trennen muß 137

17.02.10/36 Barclays Bank: Bilanzkennzahlen 137

18.02.10/41 ING Group: Aktienkurs, Bilanzkennzahlen 138

19.10.10/41 Societe Generale: Bilanzkennzahlen 139

24.02.10/01 Commerzbank: Nettoergebnis 139

24.02.10/42 Raiffeisen International: Aktienkurs 140

26.02.10/38 RBS: Aktienkurs, Bilanzkennzahlen 140

03.03.10/35 Allied Irish Banks: Aktienkurs 141

05.03.10/45 Deutsche Bank: Aufstieg im Private Banking 141

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295

31.03.10/36 Citigroup: Aktienkurs, Anteil US-Regierung 142

13.04.10/38 Kreditrisikoprämien europäischer Banken 142

20.04.10/38 Citigroup: Bilanzkennzahlen 143

29.04.10/10 Was Europas Wackelkandidaten deutschen Banken schulden 143

30.04.10/38 Landesbanken: Bilanzkennzahlen, Nettoergebnis 144

10.05.10/05 Risikoprämien steigen 145

26.05.10/30 Spaniens Sparkassen 145

26.05.10/31 3-Monats-Dollar-LIBOR 146

04.06.10/36 Kleinere Vermögen suchen Betreuung 146

05.07.10/32 EZB-Sitzung: Aufschwungshoffnungen verfliegen 147

05.07.10/32 Konjunkturprognosen in instabilem Umfeld 147

14.07.10/34 National Bank of Greece: Aktienkurs 148

26.07.10/34 Stresstest Banken 148

27.07.10/32 Anteil an Ungarns Banken: BayernLB-Tochter MKB vorn dabei 149

29.07.10/34 Europa: Zu viele Bankfilialen 149

03.08.10/12 Bankenrettung: Stabilisierungsmaßnahmen des SOFFIN 150

05.08.10/34 Hypovereinsbank: Bilanzkennzahlen 150

12.08.10/37 ING Group: Bilanzkennzahlen 151

27.08.10/31 LBBW: Bilanzkennzahlen 151

30.08.10/07 Schwache Bankenaktien 152

01.09.10/36 Landesbanken: Halbjahresergebnisse 152

07.09.10/32 Irisches Dilemma 153

10.09.10/32 Handelsblatt: Jobmarkt-Index Banking&Finance 153

13.09.10/04 Die HRE und der Staat 154

15.09.10/35 Folgen von Basel III 154

20.09.10/34 Eurohypo: Nettoergebnis 155

01.10.10/28 Allied Irish Bank: Aktienkurs 155

08.10.10/01 WestLB - Der Verfall einer Landesbank 156

15.10.10/30 Stabilisierungs- und Stützungsmaßnahmen deutsche Banken 157

18.10.10/30 Landesbanken: Bilanzsummen, Mitarbeiter 157

21.10.10/34 BHF: Ergebnisse, Mitarbeiter 158

21.10.10/36 Kennzahlen der größten europäischen Banken 158

05.11.10/01 WestLB - Landesbank mit Problemen 159

09.11.10/32 Commerzbank: Bilanzkennzahlen 159

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296

12.11.10/34 Bankenrettung: Irische Banken 160

18.11.10/06 Forderungen ausländischer Banken ggü. Irland 160

25.11.10/34 BayernLB, LBBW: Am Tropf des Staates 161

07.12.10/34 Am Tropf des Staates: Kapitalhilfen des SOFFIN 161

08.12.10/36 Citigroup: Aktienkurs 162

14.12.10/04 WestLB: Eigentümerstruktur 162

15.12.10/38 Handelsblatt: Jobmarkt-Index Banking & Finance 163

28.12.10/32 Die neue WestLB 163

28.12.10/32 WestLB: Eigentümerstruktur 164

31.01.11/34 Geldinstitute auf Schrumpfkurs 164

07.02.11/10 Raiffeisenbank International: Aktienkurs 165

10.02.11/10 Bank of Ireland: Aktienkurs 165

14.02.11/34 WestLB: Der Weg zur neuen Kernbank 166

15.02.11/32 WestLB: Die Verluste dominieren 167

25.02.11/36 Potsbank: Bilanzkennzahlen 168

28.03.11/37 WestLB: Bilanzkennzahlen 168

13.04.11/31 Allied Irish Bank: Bilanzkennzahlen 168

15.04.11/34 WestLB: Eigentümerstruktur 169

19.11.11/34 Citigroup: Aktienkurs, Bilanzkennzahlen 169

26.04.11/33 Ratings internationaler Banken: "Zweiklassengesellschaft" 170

12.05.11/34 HSBC: Aktienkurs, Ergebnis, EK-Rendite 170

16.06.11/30 USA: Immobilienpreise 171

20.06.11/10 ING Group: Aktienkurs 171

11.07.11/33 Märkte nehmen Italien ins Visier 172

13.07.11/36 Unicredit: Aktienkurs 172

13.07.11/37 HSH Nordbank: Nur geringe Einschnitte 173

18.07.11/32 Stresstest-Ergebnisse deutsche Banken 173

19.07.11/34 Die HRE und die Hilfen 174

19.07.11/36 Engagements in griechischen Staatsanleihen - "Hohe Risiken" 174

20.07.11/01 Santander, BoA, Deutsche Bank: Aktienkurse 175

29.07.11/31 Credit Suisse: Aktienkurs 175

01.08.11/35 Erste Bank: Bilanzkennzahlen 176

03.08.11/34 Barclays Bank: Bilanzkennzahlen 176

03.08.11/35 BNP Paribas: Bilanzkennzahlen 176

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297

04.08.11/32 EuroStoxx Banken im Abwärtstrend 177

04.08.11/32 Societe Generale, Unicredit: Bilanzkennzahlen 177

05.08.11/33 Banken im Abwärtstrend 178

08.08.11/38 RBS: Bilanzkennzahlen 178

10.08.11/34 MarkIt Itraxx Senior Financials: Banken mißtrauen sich 179

11.08.11/36 Investoren wetten gegen Frankreich und Deutschland 179

12.08.11/40 Societe Generale: Aktienkurs - Erholungsansätze nach dem Absturz 180

12.08.11/42 Vergleich Privatbanken vs. Großbanken: Wichtigste Kennzahlen 180

15.08.11/36 Von den Krisenständen noch weit entfernt 181

19.08.11/07 DAX: Kursverlauf 181

22.08.11/01 Bankenindex bricht ein 182

22.08.11/06 Bank of America: Kernkapitalquote, CDS-Prämie 182

22.08.11/07 Barclays Bank: Kernkapitalquote, CDS-Prämie 183

22.08.11/07 Commerzbank: Kernkapitalquote, CDS-Prämie 183

22.08.11/07 Societe Generale: Kernkapitalquote, CDS-Prämie 184

23.08.11/34 Emissionen am Tiefpunkt 185

24.08.11/36 Große Unterstützung: Fed-Kredite an Banken 185

25.08.11/12 Bank of America: Aktienkurs 186

01.09.11/32 Piräus Bank: Bilanzkennzahlen 186

08.09.11/10 Bank of America: Aktienkurs 186

09.09.11/10 Finanzmärkte 2010 187

09.09.11/10 Finanzmärkte 1990 187

13.09.11/01 Schwarzer Montag für die Geldhäuser - Aktienkurse 188

13.09.11/08 Bank of America: Aktienkurs 188

13.09.11/35 Societe Generale: Aktienkurs 188

15.09.11/32 Banken-Ratings im Vergleich 189

05.10.11/32 Goldman Sachs: Aktienkurs 189

06.10.11/31 Dexia: Eigentümerstruktur 190

10.10.11/19 Französische Banken: Aktienkurse 190

11.10.11/07 Internationale Banken: Aktienkurse - "Unter Druck" 191

12.10.11/38 Schwierige Lage - Gewinnschätzung für große US-Banken 192

24.10.11/12 Kapitalbedarf europäischer Banken bei Ausfall von Staatsanleihen 192

28.10.11/09 Griechische Banken: Sprengsätze in der Bilanz 193

28.10.11/64 Griechenland: Kapitalflucht, Private Einlagen bei griech. Banken 193

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298

28.10.11/64 Griechenland: Die wertvollsten Unternehmen 194

02.11.11/12 Credit Suisse: Aktienkurs 194

02.11.11/34 Angekündigte Entlassungen im Finanzsektor 195

18.11.11/34 Moody´s stuft Landesbanken herab 195

23.11.11/01 Commerzbank: Aktienkurs 196

02.12.11/16 Österreichische Volksbanken: Nettoergebnis 197

08.12.11/32 Kreditausfallversicherungen (CDS): Starke Schwankungen 197

09.12.11/36 Kapitalbedarf Banken in ausgewählten EU-Ländern 198

21.12.11/32 Gefährliche Proportionen: BIPs vs. Banken 198

21.12.11/32 Das Zittern vor Europas Banken 199

02.01.12/10 Int. Bankaktien: Kennzahlen, Analystenempfehlungen 200

19.01.12/30 Goldman Sachs: Aktienkurs, Bilanzkz., Analystenempfehlungen 201

24.01.12/32 Die Kosten steigen: Aufwand-Ertrag int. Banken 201

08.02.12/32 UBS: Aktienkurs, Bilanzkz., Analystenempfehlungen 202

24.02.12/09 Staatsanleihen im Portfolio der Allianz 202

24.02.12/33 RBS: Bilanzkennzahlen 203

16.03.12/38 Banca Monte dei Paschi: Aktionärsstruktur 203

20.03.12/30 Aufgespalten : Zerstückelung der WestLB 204

20.03.12/30 Der Weg der WestLB: Von den Anfängen bis zur Zerschlagung 204

28.03.12/32 Unicredit: Bilanzkennzahlen 204

02.04.12/34 Eurohypo: Das Ende der ungeliebten Tochter 205

20.04.12/32 Caixa Bank: Bilanzkennzahlen 205

04.05.12/38 Deutlicher Rückgang: Zahl der Sparkassen- und Bankfilialen 206

08.05.12/31 Bankia: Aktienkurs 206

10.05.12/37 Dexia: Aktienkurs 207

11.05.12/30 Größtes Risiko bei Bankia - Immobilienportfolios span. Banken 207

18.05.12/10 Risiko bei Banken: griechische Staatsanleihen, Kapitalflucht aus GR 208

18.05.12/10 Staatsverschuldung Griechenlands 208

22.05.12/33 Starke Unterstützung: Hilfe für irische Banken 209

14.06.12/32 Int. Banken: Magere EK-Renditen 210

18.07.12/38 Herabgestuft: Ratings italienischer Banken 211

19.07.12/32 Deutsche Bank: Aktienkurs 211

30.07.12/01 Deutsche Bank: Zwei Geschäftssäulen 212

30.07.12/28 IKB: Aktienkurs 212

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299

03.08.12/30 Boomjahre: Hypothekenverbriefungen vor der Krise 213

06.08.12/29 Italienische Banken im Vergleich 213

15.08.12/29 IKB: Bilanzkennzahlen 214

22.08.12/06 Deutsche Bank streicht Stellen 214

29.08.12/39 Credit Agricole: Kennzahlen 215

30.08.12/36 Starker Anstieg: Faule Kredite bei griechischen Banken 215

30.08.12/37 NordLB: Kennzahlen 216

31.08.12/26 Portigon: Kennzahlen 216

31.08.12/58 Drastischer Personalabbau im deutschen Kreditgewerbe 217

20.09.12/29 Stellenabbau in der Bankenbranche weltweit 217

21.09.12/30 Bank of America: Aktienkurs, Zinseinkommen, Empfehlungen 218

26.09.12/34 Vestjysk Bank: Aktienkurs 218

01.10.12/32 Spanischer Bankentest 219

09.10.12/29 Einsparungen verpuffen: Kosten/Ertrag int.Bankensektoren 220

10.10.12/27 Mitarbeiterzahl bei Julius Baer 220

19.10.12/27 Anlagevolumen der zehn größten dt. Banken in Risikoassets 221

19.10.12/28 Morgan Stanley: Nettogesamterträge 221

24.10.12/30 Geplanter Stellenabbau int. Banken 222

25.10.12/10 UBS: Aktienkurs 222

26.10.12/29 Credit Suisse: Kennzahlen 223

07.11.12/28 Weniger Arbeitsplätze in der Londoner Finanzindustrie 223

08.11.12/28 ING Group: Kennzahlen 224

22.11.12/28 Mitarbeiter bei Sal.Oppenheim 224

17.12.12/30 Bankengruppen Deutschland: Zahl der Beschäftigten 225

20.12.12/32 Kapitalbedarf spanischer Banken 225

21.12.12/09 Zypern: Staatsverschuldung, BIP 226

28.12.12/10 SOFFIN: Garantien stark abgebaut 226

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ANHANG III

Inhaltsanalyse nach Mayring von themenrelevanten Handelsblatt-Artikeln 07/2007-12/2012

Ergebnisse gem. Kodierleitfaden

Wissenschaftliches Programm: MAXQDA

hinterlegt und abrufbar unter folgendem link:

https://www.dropbox.com/home?preview=MAX220713.mx5

Zugang: Matthias Lollert

Passwort: Promotion2016

Basisleitfaden zur Vorgehensweise:

1)Öffnen der Datei "Anhang III"

2)Fenster links oben: Gesamtheit der zu analysierenden Handelsblatt-Artikel

-Die Artikel sind chronologisch nach Monaten geordnet, beginnend mit Juli 2007 - Dez. 2012

-Jeder Artikel kann einzeln angeklickt werden, Anzeige im mittleren Fenster

-im mittleren Fenster werden die einzelnen Artikel mit ihren jeweils farblich am Rand

sichtbaren Codierungen angezeigt

-zur weiteren Analyse: "Dokumente" => rechte Maustaste => "Alle Dokumente aktivieren"

3)Fenster links unten: Codierleitfaden mit Codes und zugeordneten Artikeln

-jeweiliger inhaltlicher Schwerpunkt des Codes wird im Symbol (Blatt) hinter dem Code

angezeigt

-zur weiteren Analyse: "Codiersystem" => rechte Maustaste => "Alle Codes aktivieren"

=> im rechten Fenster erscheinen nun sämtliche Codings

-Alternativ können einzelne Codes oder Subcodes aktiviert werden, um gezielt die

Handelsblatt-Artikel, die zum gesuchten inhaltlichen Aspekt wie z.B. "Stellen- und

Leistungsabbau"gehören, auszuwerfen.

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301

Die Standardgewichtung (Wertigkeit) der einzelnen Artikel liegt bei 50. Artikel mit besonders

prägnantem Inhalt wurden mit Gewichtungen von 75 bzw. 100 versehen. Die entsprechende

Liste kann wie folgt aberufen werden:

-Menüleiste rechtes Fenster (Liste der Codings)

-Anklicken sechstes Icon von rechts (Übersicht Codings)

-jede Artikelzeile kann nun einzeln angeklickt und aufgerufen werden, Anzeige im Kopf der

Liste

-Artikel mit Vermerk "erl." wurden in der Dissertationsschrift verwendet (vgl.

Literaturverzeichnis II)