filmab! 2010 ausgabe 5

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#5 unabhängige begleitzeitschriſt des jugendmedienverbandes mecklenburg-vorpommern e.V. zum 20. filmkunsest mecklenburg-vorpommern www.filmab.jmmv.de spielfilm: der räuber mecklenburg connection: divorcing god retro: das deutsche kettensägenmassaker TANZperformance: partita for seven kurzfilm: gömböc

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filmab!, final issue, filmkunstfest, jmmv

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Page 1: filmab! 2010 Ausgabe 5

#5

unabhängige begleitzeitschrift des jugendmedienverbandesmecklenburg-vorpommern e.V.

zum 20. filmkunstfest mecklenburg-vorpommernwww.filmab.jmmv.de

spielfilm: der räuber

mecklenburg connection: divorcing god

retro: das deutsche kettensägenmassaker

TANZperformance: partita for seven

kurzfilm: gömböc

Page 2: filmab! 2010 Ausgabe 5

inhalt

03 Editorial

04 TANZperformance 05 Kurzfilmnacht06 „Gömböc“

07 „DerRäuber“

08-09 Interview:JacobMatschenz

10 „DasGlückisteineernsteSache“ 11 „DivorcingGod“ 12 „Hoffenheim“ 13 „Netto“ 14 „DasdeutscheKettensägenmassaker“

15 Fazit:filmkunstfestM-V2010 16 Programm

impressum

leitung InaDiedrich(V.i.S.d.P.),MarcoHerzog[mh],TinoHöfert[th]

layout MarcoHerzog[mh],MariaBuchholz[mb]

bildredaktion MariaBuchholz[mb]

redaktion Anna-SophieHansen[aha],AnnemarieBohn[ab],AnjaRudzinski[ar],ChristopherTäufert[ct],

HjördisHelberg[hh],JulesMeiser[jm],KevinSell[ks],PatrickFranziskusSchmitz[ps],

SophieWenkel[sw]

kontakt Pfaffenstraße4,19055SchwerinTel:0162/7673620

E-Mail:[email protected]://filmab.jmmv.de

druck DruckereiConell

Bremsweg18

19057Schwerin

Dankan:Friedrich-Ebert-StiftungM-VFalkenSchwerinSozialwerkPresse-ClubMVe.V.Carline,ManjaundMartinOliverHübner

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Page 3: filmab! 2010 Ausgabe 5

editorial

Das PhantomMichael Ballhaus. (Kunstpause) Fünf Tagefilmab!, ein Michael Ballhaus. Einer? Wirklicheiner? Mittlerweile vermute ich, dass es keinenMichaelBallhausgibt.EsistallesnureinMythos,denneigentlichhattenwireinInterviewmitihmgeplant,dochurplötzlichkamdieAbsage.Aberdiefilmab!-Redaktionlässtnichtlocker:Wirver-folgen Annekathrin Bürger auf der Suche nachneuestenInfos.DochsiekannunsnurdenWegzum bekannten Intercity-Hotel weisen. Nach

vielenweiterenVersuchen und keinemAnblickMichaels,überlegenwiruns:GibtesHerrnBall-hausgarnicht?IstereinPhantom?Wirberichtenweiter–beimfilmkunstfest2011.

P.S.DassdieserTextnichtsehrkreativist,weißich.Aberichbinineinetiefe,künstlerischeSchaf-fenskrisegefallen,aufgrunddesNicht-SehensvonBallhaus.:-(

3Editorial

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Barockes GehabeDen thematischen Rahmen der Aufführungbildete die frühbarocke Musik und Lyrik.DerGeistvondamals sollte lautChoreogra-finAntjeReinholdtänzerischumgesetztwer-den.NichtzuletztwegendesEnsembles„Mu-sica Instrumentalis“, das die schwerblütigenKompositionen hingebungsvoll intonierte,und der leidenschaftlich vorgetragenen fran-zösischen Sonette Luise Labés war die Dar-bietungvoneinerdurchgehendtheatralischenAtmosphäregetragen.NebenderTragikwur-dedasaffektierteGehabederhöfischenWeltwidergespiegelt.UndsokonntemandieDar-stellerinnenwiederholt in schnippischenPo-senbeobachten.AnderGrenzezurParodietraten sie wie auf einem DebütantinnenballaufundfächeltensichmitderHandmajestä-tischLuftzu.

Der Körper als MediumVon sanftenGeigenklängen begleitet durch-schritten die grazilen Tänzerinnen leichtfü-ßigdenRaum.Mit ihrenSchritten schienensieihnStückfürStückausmessenzuwollen.Dann ein abruptes Ende derMusik und dieFrauenpräsentierten ihreKörper invölligerStille,umdannmitdemerneutenEinsatzderMusik davonzustürmen. Von diesen plötz-lichenWechselnwar das Stück durchzogen:ruhigeundbewegteSzenen,MusikundStil-le,malkraftvoll,mal sanft.EinanderesMalfroren dieDarstellerinnen in Posen ein, umso ausdruckstarke Bilder zu komponieren.SieschieneneineGeschichtezuerzählen.Sovielfältigwie die Bewegungen derTänzerin-nenwaren,sowarensiedochimmervollen-detfließend.[jm]

L'art baroqueDie Verbindung der Küns-te liegt Torsten Jahn, Ge-schäftsführerderFilmLandM-VgGmbHsehramHer-zen. Deshalb standen indenvergangenenTagenne-bendenFilmvorführungenauch immer wieder litera-rischeVeranstaltungenundKunstausstellungenaufdemProgramm.MitderTANZ-performance Partita for Se-ven,dieamDonnerstagimStaatlichenMuseumSchwe-rin uraufgeführt wurde,wurde der Begegnung vonFilm undKunst einweite-rerAspekthinzugefügt.

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"Tight, alder?"-

Nö, heute nicht.Wer schon immermalwissenwollten,was seinFernseheralleinzuHausesotreibt,werYoutube-EnthaupttungenmitWeihnachtsliedernbegleitetundwarumgeradederSchwiegertocherdiePfo-tegeschütteltwerdenmuss,derhatjetztwasver-passt.

Nach 20 Kurz-filmen beginntder eigentlichspannende Teildes Abends.Mit nur nochzehn Prozentdes Publikumsstellt sich Mo-deratorMoeer-neutmitDeng-l i s c h - S l a n gauf die Büh-ne und machtAnsagen, diedie Welt nichtbraucht. Eheichmich verse-he, ist ausMoeauf einmal drei

geworden. Ich reibemir diemüdenAugen undmuss zu meinem Entsetzen feststellen: Das istdie"Band".Yo,tight.Okay.Alsolos.Oderauchnicht.Gefühlte30MinutenspäterdrehendiedreiGroupiesnebenmirfrei,erzählenlautstark"Ey,

voll das falsche Publikum!" und ichweiß: Jetztgeht'slos.Mh,tja.KomaKlick.FünfFans,zwan-zigvöllig fehl amPlatz sitzendeMenschen.DasWort "Anstandssitzenbleiben" kreist inmeinemvölligzugerapptenKopf.Umzuwissen,warumgenauaufgehaltvolle,weitausbessereKurzfilmealsimKF-WettbewerbsolcheMusikfolgt,solltenwirjetztdenMV-Spion-BandcontestzurRechen-schaftziehen.BeiallemRespektwerdeichimmerungeduldiger,richtemeinenBlickaufdiedreiTy-pen,diedefinitivBühnenperformancemitEpilep-sieanfällen verwechseln. Ich spielemit demGe-danken,denStöpselzuziehen.

Alsoweiter.StellenwirunslautModeratorMoemal fix die imaginäre Verena und den imaginä-ren Alex vor und schon haben wir eine rundePreisverleihung.FehlennurnochdieZuschauer.DennvondemeinstüberfülltenSpeichersindbeiderSiegerehrungnochrund20Leuteda.VerenaFels'Mobile-FilmhatnämlichdenerstenPlatzge-macht.DerzumindestphysischanwesendeBerniKübeldenzweitenmitBACIO.UndAlexanderLehmann, ebenfalls im sexy Tarnumhang, dendrittenmitDu bist Terrorist.Undalledreihabenesverdient.GenauwievieleanderederzwanzigEinsendungen, deren Aufzählung jetzt jeglichenZeichenplatzsprengenwürde.Bei allerLiebe:Dashab ich anmeinemFreitag-abendnichtgebraucht.[aha]

Text 5Kurzfilmnacht

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Der hagerere Mann kommt mitschlurfenden Schritten näher. Erüberquert die kleine Brücke überdenFluss.WaserangestrengtmiteinerHandträgt,kannmanzuerstnichtausmachen.Bismanerkennt,dass es Hörner sind, an denen ersichfestklammert–einabgetrenn-terKuhkopf, aus dessenHalsseiteblutigeFetzenhängen.DerMannverschwindet aus dem Bild. EinPlatschenverrät,dasserdenKopfins Wasser geworfen hat. Das istdieEröffnungsszenevonGömböc.Abstoßend? – Regisseurin UlrikeVahl zufolge eine Alltäglichkeit,mitdersichjederFleischesseraus-einandersetztensollte.

GömböcreihtsichindieSeriederFilme ein, die in Mecklenburg-Vorpommern gedreht wurden.DieWahldesDrehortesbegründetdieRegisseurindamit,dasssiedortaufgewachsensei.„DieGeschichtemit demKuhkopf kenne ich vonmeiner Oma. Das gibt es auchheute noch, auch wenn darübernichtgeredetwird.“

Das Leben geht weiter!ImZentrumdesDorfkosmos,dender Film aufzeichnet, stehen vierPersonen. Ihr soziales Umfeld istalles andere als rosig. „Dennochstehen sie nach jedem Schicksals-schlag wieder auf. Dafür bewun-dere ich diese Menschen“, sagtVahl.Das klingt heroischer als essichimFilmdarstellt.Sowirktderschmächtige Paul, der von seinerMutterlieberDarthVadergenanntwerdenmöchte,eherso,alsobersichlieberausseinemtristenLebenfortwünschenwürde.

Wirklich glücklich erscheint nie-mand indiesemFilm.„DasLand-leben ist insgesamt rauer. Todund Leben liegen dichter beiein-ander“, kommentiert Vahl diesenUmstand. Obwohl sie die Alltäg-lichkeitderHandlungbetont,hin-terlässt der Film einen befremdli-chenEindruck.EinKurzfilm,dereinemdasHerzerwärmt,istGöm-böc nicht.Was bleibt ist Trostlo-sigkeit. Nichtsdestotrotz sei dasEnde des Films nicht tragisch zusehen, soVahl. „Alle sind zusam-men. Das Leben geht weiter unddasistdochpositiv.“[jm]

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die uns umgibt

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AufderFluchtvorsichselbst

Renn. Schneller. Sie sind hin-terdir.Fasthaben siedich.Los.Passauf.JetztbloßkeinenFehlermachen.Renn!

Johann Rettenberger (AndreasLust)hatzweibesondereTalente:Marathonlaufen und Bankenaus-rauben. Wegen letzterem saß erschonsechsJahreimKnast.SechsJahre,indenensichseineEnergieimKreis‚entlud‘:TäglichmusserseinLauftrainingaufdemGefäng-nishof verrichten. Als er entlas-senwird, triffter imArbeitsamtseine alteLiebeErika (FranziskaWeisz). Johann zieht wieder beiihr ein, verfällt jedoch sofort inseine alten Verhaltensmuster:Banken ausrauben. Dabei trägtereineArtMarkenzeichen–dieMaske. Es ist wie eine andereHaut, in die er schlüpft, eineanderePerson,einanderesLeben.Seinem misstrauischen Bewäh-rungshelfererzählter,dasserseinLeben durch die Preisgelder derMarathonläufe finanziert. Doch

bald wächst ihm alles über denKopfunddieBlase,indererlebt,drohtzuzerplatzen.

Benjamin Heisenberg gelang einFilm, der ohne große Dialogenichtlangweiligwird.ImGegen-teil: Die Kameraeinstellungensindabwechslungsreichundinte-ressant. Die Musik, die bei denAutodiebstählen im Radio läuft,istsoherrlichunpassend,dassderZuschauer unwillkürlich lachenmuss. Mit der SpannungskurvedesFilmsverhältessichwiemitdem Adrenalin-Spiegel Johanns:Immerwieder schießt dieKurvein die Höhe und man hat dasGefühl, selbst in der Haut desStresshormon-Junkieszustecken.EinzigerWermutstropfenist,dassdie Story, die auf einer wahrenBegebenheitberuht,nichtzu100Prozent der Realität entspricht.Der Film ist wie Johann: kühl,beobachtend und zwingend inseinerTreffsicherheit.[sw]

7Spielfilm: Der Räuber

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Jacob Matschenz: Zivi, Müllerssohn, Freibeuter und Drogendealer

Wie geht’s dir?Jut,undselber?

Wir schlafen nicht. Wir trinken Kaffee und wir schlafen nicht. Und wir trinken Kaffee.Dasistjut!DasmachtmanjasoaufFestivals.

Jacob, hier beim filmkunstfest bist du mit ins-gesamt vier Beiträgen dabei: In der Spielfilm-Kategorie mit Bis aufs Blut und Renn wenn du kannst, außerdem mit dem Märchen Der gestiefelte Kater und mit der Störtebeker-Komödie 12 Meter ohne Kopf. Wie hast du dich auf diese verschiedenen Rollen vorberei-tet?Mansetzt sichmitdenRegisseurenzusammen,liest vorher das Drehbuch und bringt sichmitVorschlägenein.

Irgendwas Besonderes? BeiBis aufs Blutbist du schließlich ein Drogendealer.Naja,sollichindenKnastgehen,meineFreundinvertrimmenoderDrogenverticken,damitichdasbesser fühle? (alle lachen)Nee, tutmir leid.DabinichnichtderTypfür.

Bei Renn wenn du kannst spielst du einen Zivildienstleistenden, der einen sarkastischen Rollstuhlfahrer betreut. Warst du selbst Zivi?IckhabwederBundeswehrnochZivigemacht.Dashatsichsoergeben.Jetztbin icksechsund-zwanzigunddurch. Ichhababer schoneinmaleinenFilmmiteinemBehindertengedreht.Fürdie Vorbereitung war ich dann auch in einerBehindertenwerkstatt.

Was ist das Beste an deinem Job als Schauspieler?DasmanzumBeispielanwahnsinnigausgefalleneOrtekommt,diemanansonstennichtbesucht.WannkommstdumalaufeineHansekogge?

Wenn du nicht irgendwas verbrochen hast, wie kommst du dazu, einen Knast zu besu-chen? EsgibtvieletolleSeitenamSchauspielbe-ruf.Unheimlich durchgeknallte Individualisten,

die das allemachen. Lustige Leute, die sich dazusammenfinden.

Was steht bei dir als nächstes an?ImSommermachicherstmalUrlaub.AufderMeckPomm-Platte, ein bisschen paddeln. Dashabichschonewignichtmehrgemacht,früherbinichmitmeinenElternimmermitgepaddelt,alsichnochkleenwar.DieletztenJahrehatteichimSommersovielzutun,jetztgönnichmirdasmal.EinfachnurWasserundLaub.

Wie bleibt man als Schauspieler auf dem Boden? Du bist ja sehr bodenständig.Echt,wirktdasso?Icktubloßso.(lacht)MeinTippist:SuchdirnichtallzuvieleSchauspieler-FreundeundtreibdichnichtdieganzeZeitmitFilmleutenherum.WenndunurimeigenenSaftkochst,istdasjalangweilig.

Du verdienst doch bestimmt gut Geld.(lacht)Du,ditsindStudentenprojekte.IchkannnichtsovielGeldummichschmeißen.Kommtimmer drauf an, wie groß das Projekt ist. BisaufsBlutundRennwenndukannstsindja,vomBudget her, eher kleinere Produktionen gewe-sen.Damitwirstenicht reich.WennduGlückhast, läuft der Film auf ‘nem Festival. Dannbekommste vielleicht ‘ne Empfehlung für ‘neneueRolle,mitdermanmalmehrGeldverdient.

Bist du lieber gut oder böse?Och, gute Frage. Kommt drauf an, wat span-nendist.GibtspannendeguteRollen,gibtauchspannendeböseRollen.Dawill ichmichnichtfestlegen.Esmacht aber schonmehrSpaß,denBösewichtzuspielen.

Vielen Dank für das Interview! [ar], [aha]

Freitagabend im Capitol, Saal 4. Der FilmTalk zu Bis aufs Blut ist in vollem Gange. Wir warten auf Nach-wuchsschauspieler Jakob Matschenz. Als er die Treppe endlich hochkommt, stolpern wir fast übereinander und erzählen ihm von unserer Absicht. „Klar. Können wir dazu rausgehen? Ich würd gern eine rauchen.“

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9Interview: Jacob Matschenz

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A la carte:

Beziehungs-schnodder allererster Sahne

Glück findet man nicht an jederStraßenecke.AuchdieDarstellerinderNDR-ProduktionDas Glück ist eine ernste Sachemüssen feststellen,dassGlückeinwertvollesGutist.

Die Beziehungsneurotikerin Oli-via (EvaLöbau)versuchtmitHilfeeines genervten Psychiaters, ihrebereits dritte, brüchige Ehe amLeben zu halten. Ihre kürzlich auszweijährigemKomaerwachteMut-ter(ChristineSchorn)lebtnunmiteinem neuen Mann namens Rudi(FriedrichvonThun)wiederrichtigauf, obwohlderTod ihres zweitenMannesersteinpaarTageherist.Währenddessen gibt Klaus (DevidStriesow)sichalleMühe,OliviamitnichternstklingendenKomplimen-ten und vereinzelten Schäferstünd-chenzurückzugewinnen.„Dubistso ein Arsch!“, ist wohl nicht dieReaktion, die er sich von Oliviaerhoffthat.

Dem ganzen Spektakel wird dieKrone aufgesetzt, als Olivia vonihrer Mutter unterstellt wird, mitRudizuflirten.Durchdaskonflikt-geladene Beziehungschaoswird dervon ihm heiß geliebte, herzschwa-cheHundDiego außerAcht gelas-sen.Er flüchtet durchsoffeneGar-tentor, stirbt und bewegt Rudi zueinemSelbstmordversuch.Ein Drama durchzogen mit Situa-tionskomik. Wenn das ein Dramasein soll, was ist dann eine Komö-die? Vielleicht hatte RegisseurinHermine Huntgeburth einfachkeine Lust mehr, diesen triefen-den Schmalz noch weiter zu ver-tiefen. Das Glück ist eine ernsteSache,stimmt.Aberdenfilmischen0815-Namensabklatsch kann mannichternstnehmen.[ab]

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„We can start from the beginning.“– Gedankenknete –

Siesahihnundwolltenichtsinniger.Erfielinden gleichen Teich, zusammenwollten sie biszum Ufer schwimmen, ein zweisames Lebenaufbauen und darauf thronen. Doch wie dasmanchmal so ist, zerbricht ihre Liebe auf derfehlenden Basis von Kommunikation. Wie istesdenneigentlich,wenndaseigeneHerzausei-nanderbricht?WerklebtdirdeinHerz,wenndeine Hände zu taub sind? Aber Pflaster sinddochniefürdieEwigkeit.VielleichteinfachmaldieHände faltenundbeten.Hoffnung tanken,weiterleben.

Gil Gatch und Sidney Helou lieben einanderundJesus.Beideoffensichtlichkonservativein-gestellt,habensieentschieden:KeinSexvorderEhe, und auch sonst nichts in derArt. In derDokumentationDivorcing GodbetretensiedasPodest zumHochzeitsschwur in ihrerbaptisti-schen Gemeinde. Kommentar von Anna zumHochzeitskuss:„Istjaniedlich,wiediesichauf-fressen.“DiekonservativeEinstellungzuLiebeundEhemachtSidneyschnellklar:„DieEhehältzusam-men, weil wir sie begangen und entschieden

haben,wirklichunsselbstfürdenanderenauf-zuopfern.“Gut,dassdieEhetrotzdemsolangegehaltenhat.DreiMonatespäterbekommtGileineE-MailvonseinerGeliebten,indersieihmdieTrennungverkündet.OhneGrund.Fortansucht er Schulter und Rat bei seinem Pastor,der inseinenJugendmesseninpsychedelischer,Doors-ähnlicher Konzertstimmung zum Betenzu Gott mitreißt. Gil zerfließt vor SehnsuchtundzeigtvorderKameraseinewundenPunkte.Der Zuschauer fühlt mit und beginnt Antipa-thien fürdiesekomischeSidneyzuentwickelnundfreutsich,alsGilnachsechsMonatenend-lichwiederFreiheitverspürt.

DivorcingGodgibtHoffnungfürhoffnungsloseFälleundeinenEinblickinstrengkonservativechristlicheMeinungen,diegutzumSchmunzelnbringen.NurdieTiefgründigkeitundderernsteAnstrich des Streifens werden von der Propa-gandaamEndedesAbspannssoinsLächerlichegezogen, dass wir doch noch lachen konnten:„Didthisfilmspeaktoyou?BecomeourFace-book-Fan!“[ar]

11mecklenburg connection: Divorcing God

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„Dietmar hat‘s bezahlt.“ oder: Wie baue ich mir einen Bundesligaverein?

EsklingtwiederTraumeineskleinenJungen: einmal einen eigenen Fuß-ballverein in der ersten Bundesligahaben.DietmarHopphatsichdiesenTraummitdem TSG1899Hoffen-heimerfüllt.InderSaison2005/2006noch in der Regionalliga Süd undheute in der ersten Bundesliga. Ein-fachmal den direkten Aufstieg unddann gleich Herbstmeister werden.Genau diese Geschichte erzählt dieDokumentation Hoffenheim – Das Leben ist kein Heimspiel von vonFrankM.PfeifferundRouvenRechaufdemdiesjährigenfilmkunstfest.

Dieser Erfolg kommt jedoch nichtvon ungefähr. Verantwortlich dafüristDietmarHopp,ehemaligerJugend-spieler im TSG und MitbegründervonSAP,demgrößteneuropäischenSoftwarehersteller, und damit einerder reichsten Männer Deutschlands.Seit1990steckteerseinGeldindenVerein. Nach dem Aufstieg in dieZweiteBundesligawarderVereinausdem3000-Seelen-DorfHoffenheiminderLage,20MillionenEuroinneue

Spieler zu stecken. Ganz nebenbei:Das ist mehr Geld als alle anderenZweitliga-Vereine zusammen ineinerSaisoninvestierten.

Aber solch eine Erfolgsgeschichtehat auch ihre Kehrseite. Im Kon-trastzumAufstiegdesVereinszeigtdie Doku auch den Abstieg von„Torro“, dem Vorsitzenden deseinstmals ersten Fanclubs. Mittler-weile hat der Verein über hundertFanclubs. Zusammen mit der Ver-einstraditionverschwindet auchderPlatzfür„Torro“inderneuenWeltdesTSG.Viele Aussagen der einheimischenHoffenheim-Fans und die Aus-schnittevonHeimspielenlassendenZuschauerTeilderdrastischenAuf-stiegsstorywerden.Sehrgelungenistauch die Darstellung der Kritik anderFigurDietmarHoppdurchStim-mungen in gegnerischenFanblocks.„Hasta La Vista Hopp“ und „Diet-mar hat‘s bezahlt“ sind dabei nochdiefreundlichstenAussagen.

Eine gelungen Dokumen-tation, die inhaltlich zumTeilauchan„Manchester:WirsindUnited“erinnert,wobeiHoffenheimzumin-destmomentannochnichtso ein Prestigeobjekt desGeldgebers ist wie derClub aus der PremiereLeague.[ct]

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Page 13: filmab! 2010 Ausgabe 5

„Dietmar hat‘s bezahlt.“ oder: Wie baue ich mir einen Bundesligaverein?

„Kennt dein Vater sichdenn auch mit Waffenaus?“–„Ja.AberesgehtjamehrumdieVermeidungvonKonfliktsituationen.“

Scheidungskind Sebas-tian führt seine FreundinNora durch die Woh-nung seines Vaters, demarbeitslosen, ungelernten„Sicherheitsexperten“während dieser, statt wieerwartet zur Begrüßungden Kaffeetisch gedecktzu haben, betrunken dieToilette besetzt. Im Ver-meiden von Konfliktsi-tuationen ist der selbst-ernannte Securitymann

geübt. Seine Arbeitslo-sigkeit zumBeispiel hielter seiner Exfrau gegen-über zunächst geheim.In Bezug auf seine Miss-erfolgebeiderArbeitssu-che, die er seinem Sohnvorenthält, sieht es nichtanders aus. Er baut sichselbst Illusionen auf undzerbrichtdaran.

Im Grunde bleibt alles wie zuvorIn Netto von RobertThalheim treffen inter-essante, da vielschichtigeCharaktereaufeine„ganznette“Geschichte,derlei-der der Aha-Effekt fehlt.

Einerseits ist es wirklichspannend, die Entwick-lungvonMarcel, Sebasti-ans Vater, mitzuerleben,andererseitswünschtmansich die Dialoge irgend-wiepackender.DiesesindzwarrechtlebensnahundlassendenFilmzeitweisesogarwieeineDokumen-tation wirken, könntendennoch etwas mehrWürze vertragen. Schadeist auch, dass das Endeeinen LösungsvorschlagfürdieProblemeMarcelsdarstellenmöchte,esabernicht wirklich tut. EsfehltihmdergewisseReizeinesoffenenEndes.[hh]

„Er is‘ mehr so‘n Strategie-Genie:...“

13retrospektive: Netto

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Jetztverrecktzusammen,

3.Oktober1990.DiefrischvereinteBundesrepu-blikfeiertsichselbstinihrerneuenHauptstadtBerlin.JubelndeMassen,historischeReden,pfei-fendeFeuerwerkskörper. StaatstragendeMimikvonKohl,Weizsäcker,Gentscher–den„Archi-tekten der Einheit“. „Jetzt wächst zusammen,was zusammengehört“, prophezeite AltkanzlerWilly Brandt bereits am 10. November 1989,während Tausende Ost- und Westdeutsche imschwarz-rot-goldenen Fahnenmeer in EinigkeitundRechtundFreiheitbadeten.EinhistorischerMoment.Wirsindwiederwer.Malwieder.

„Wir müssen fliehen! Die Ossis kommen!“Szenenwechsel: Dramatische Hintergrundmu-sik,weiße Schrift auf schwarzemHintergrund:„Es geschah am 3. Oktober 1990. TausendeDDR-Bürger verließen ihre Heimat, um nachWestdeutschlandzuziehen.4%kamenniemalsan.“Der Einstieg wirkt noch vergleichsweiseunscheinbar:ClarawillvonLeipzigindenWes-ten fahren, nachdem sie ihren notgeilenMannabgestochen hat. Sie trifft Artur, quasi ihren„Westliebhaber“.Nunsindsievereint,er„habealles so schön vorbereitet“ und „liebe sie dochwirklich“.Und wie ein Donnerhall beginnt dann diedeutsch-deutsche Zerfleischungsorgie: Schä-delspalter-Hank stürzt sich auf Küchenmesser-Clara, Gröhlhals-Brigitte zerkloppt Fleisch-zungen-Margit, Schlachtmesser-Alfred jagtHalbtot-Artur, Kettensägen-Dietrich zerfetztTrabi-Sachsenundirgendwiekämpfenallegegenalleundjedergegenjeden.AnimalischeBestiali-tätinihrergrotesktestenForm.Hauptsache,dasBlutspritztliterweiseinalleRichtungen.

AndieserStellenäheraufdieHandlungeinzu-gehenoderauchnurvonPlotzusprechen,wäreübertreibenunnötig.Sieistsoabsurdzerstückeltwie die Fleischklumpen im Motel „DeutschesHaus“derossijagendenMetzgerfamilie.Was Christoph Schlingensief hier vor 20 Jah-ren vorlegte, war geradezu ein cinematischerStinkefinger gegen die utopischen „BlühendeLandschaften“-Versprechen.Hemmungslosbe-dient er sich bei allen Klischees billiger Splat-ter-undHorrorfilme,ummitseinerbestialisch-bösenMetaphernkeule gegen die neuentdeckteSchwarz-Rot-Gold-Euphorie auszuholen. EinWahnwitzfüralldiejenigen,diediesenblutrüns-tigen Humor zu verstehen wissen – für zarteGemüteraberdocheherschwerverdaulich.[th]

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Page 15: filmab! 2010 Ausgabe 5

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Jahre in sechs Tagen: Wirwollen mehr!

„EswareinglanzvollerAuftaktdes20.filmkunstfestesM-V.DasPubli-kumgingmitgroßerVorfreudeaufdieFestivaltageausdemSaal“,lautetesaufderfilmkunstfest-Internetprä-senz.DochwasistmitdenSchweri-nern?WieempfandenBesucherundEinwohner die so großgepriesenePublikumsnähe? filmab! hat nach-gehakt.

Die Schweriner Tonstudioassis-tentin Wiebke ist vom Starrum-mel angetan. „Das Festival ist sehrpublikumsnah.DochmehrMarke-ting außerhalb von MV, über dieGrenzenhinaushättedemsehrgutgetan“,sodie26-Jährige.DemTheaterschauspielerKlaussag-tenbesondersdieRetroperspektiveund einzelne Wettbewerbsbeiträgebesonders zu. „Aber Verbessernkannmanimmer!DasZeppelinistmeinerMeinungnachfürdenFilm-talk viel zu klein.“ EinenWunschwürdesichder54-Jährigegerneein-malaufdemfilmkunstfesterfüllen:„Spielberg in Schwerin wär dochmaleinFortschritt“,witzelter.

Die ehemalige Capitol-AngestellteSophie (17) wünscht sich mehrZusammenarbeit mit Schulklassen.„Es wird sehr gut angenommen,man kann unverfänglich mit denFilmteams ins Gespräch kommen.Lustig auch,was es alles fürkomi-

sche Leute beim Film gibt. Hätteichniegedacht.“DennochwünschtsichdieAbiturientin,umalleFilmeschauen zu können, ein paar Tagefilmkunstfest mehr. Ob das viel-leicht in den kommenden Jahrenmachbar sein wird? Eine schöneZukunftsvision. Auch Ayla-Dar-stellerin Pegah Ferydoni wäre einbisschen mehr Zeit und ein biss-chen weniger Stress ganz lieb: „Eswar sehr rührend, live zu sehen,wiedieZuschaueraufunserenFilmreagiert haben. Die positive Reso-nanzistunsallensehrwichtig.DieMischung aus deutschem jungenKinoundWeltkinoistsehranspre-chend.Espasstallessuper!“

Dochwassagtdiefilmab!-Redaktionzur Publikumsnähe? „Die bunteMischung aus "High Society" undZuschauern und die lockere, gesel-lige Atmosphäre haben mir sehrimponiert.", so Patrick Schmitz.Trotz der unterschiedlichen Auf-fassungen freut sich die Redaktionaufweiterefilmkunstfeste,dieihrenganz eigenen Charme hoffentlichnie verlieren werden. Denn wirwollen auch in den kommendenJahren genau das tun, was wir ambestenkönnen:beobachten, zerrei-ßen,preisenunddenfilmkunstfest-Besucher auf das Schlimmste undBestegefasstmachen.[aha]

Wiebke

Klaus

Oliver&Jan

Pegah

Sophie

Thomas

15Fazit: filmkunstfest M-V 2010

Page 16: filmab! 2010 Ausgabe 5

programmsamstag sonntag

11:00 Der gestiefelte Kater von Christian Theede (D/2009/58‘) Capitol 1

11:00 Hoffenheim – das Leben ist kein Heimspiel von Frank M. Pfeiffer, Rouven Rech (D/2010/95‘) Capitol 3

11:00 Deutschlands Küsten von Wilfried Hauke, Christian Schidlowski (D/2010/52‘) Capitol 3

12:15 Die Kanzlerin kommt...was für ein Theater von Manfred Bannenberg (D/2009/90‘) Capitol 4

13:00 Takva – Gottesfurcht von Ozer Kiziltan (D, TR/2006/96‘) Capitol 3

13:30 Katharina Joachim – genannt Thalbach von Meike Materne (D/2010/72‘) Capitol 3

14:30 Renn, wenn du kannst von Dietrich Brüggemann (D/2010/112‘) Capitol 5

14:30 Netto von Robert Thalheim (D/2005/87‘) Capitol 4

14:30 12 Jahre von Daniel Nocke (D/2010/4‘) Capitol 5

15:00 Der Blaue von Lienhard Wawrzyn (D/1994/100‘) Capitol 2

15:00 DDR ahoi von Lutz Pehnert (D/2010/90‘) Capitol 3

16:30 Der Räuber von Benjamin Heisenberg (D/2010/90‘) Gömböc von Ulrike Vahl (D/2010/19‘) Capitol 4

17:00 Bis aufs Blut von Oliver Kienle (D/2010/110‘) Life is Easy von Lennart Ruff (D/2010/15‘) Capitol 5

17:00 Herzsprung von Helke Misselwitz (D/1992/87‘) Capitol 2

17:15 Das Glück ist eine ernste Sache von Hermine Huntgeburth (D/2009/89‘) Capitol 3

18:00 Revolver live! von Saskia Walker Capitol 4

20:00 Preisverleihung Ehrung der Sieger der Wettbewerbe Capitol 1

sonntag

12:00 Eine von 8 von Sabine Derflinger (O/2009/87‘) Capitol 212:00 Zwischen den Welten – Das Leben der Margrit Pittmann von Hans-Joachim Ulbrich (D, USA/2010/90‘) Capitol 512:30 Frauenzimmer von Saara Aila Waasner (D/2010/74‘) Capitol 413:30 David wants to fly von David Sieveking (D, A, CH/2009/96‘) Capitol 3

14:00 Barriere von Andreas Kleinert (D/2010/96‘) Geliebte von Ingo J. Biermann (D/2009/5‘) Capitol 5

14:00 Die kluge Bauerntochter von Wolfgang Eißler (D/2009/59‘) Capitol 114:00 Herbstgold von Jan Tenhaven (D/2010/94‘) Capitol 2

14:30 Brief an die Eltern von Laetitia von Baeyer (D/2009/45‘) Capitol 4

14:30 Die Maßnahme von Maik Bialk (D/2009/70‘) Capitol 4

15:30 Divorcing God von Sebastian Schipper (USA/2010/69‘) Capitol 316:00 Miracle Seller von Jaroslav Szoda (Pl/2009/107‘) Capitol 216:30 Elf Onkel von Herbert Fritsch (D/2010/104‘) Capitol 517:45 Zwei Kommissare auf Spurensuche von Udo Tanske (D/2009/45‘) Capitol 318:30 Das deutsche Kettensägenmassaker von Christoph Schlingensief (D/1990/87‘) Capitol 2

19:30 Der Räuber von Benjamin Heisenberg (D/2010/90‘) Gömböc von Ulrike Vahl (D/2010/19‘) Capitol 4

19:45 Kurzfilmrolle Capitol 3

19:00 Der Ghostwriter von Roman Polanski (F, D, UK/2010/128‘) Capitol 5

20:00 Eine Perle Ewigkeit – La Teta asustada von Claudia Llosa (Peru, ES/2009/100‘) Capitol 1

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