felicitas isler open innovation und crowdsourcing
TRANSCRIPT
Open Innovation und Crowdsourcing
Abbildung 1: Ideen (NUFARI 2013)
Hausarbeit im Modul Electronic Business
eingereicht bei Dr. Hans-Dieter Zimmermann
Felicitas Isler
Klasse IW09tz
HTW Chur
Zürich, 1. Februar 2013
Open Innovation und Crowdsourcing
Felicitas Isler 2/21
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ............................................................................. 3
Tabellenverzeichnis ................................................................................. 3
1 Einleitung ....................................................................................... 4
2 Open Innovation ............................................................................. 5
2.1 Stand in der Wissenschaft ................................................................... 5
2.1.1 Der Begriff „Open Innovation“ ............................................................. 5
2.1.2 Das Open-Innovation-Konzept ............................................................. 7
2.1.3 Kritik am Open-Innovation-Ansatz ....................................................... 8
2.2 Stand in der Praxis ............................................................................ 9
2.2.1 Formen und Ausprägungen ................................................................. 9
2.2.2 Anwendungsbeispiele ........................................................................ 10
3 Crowdsourcing ............................................................................. 11
3.1 Stand in der Wissenschaft .................................................................. 11
3.1.1 Der Begriff „Crowdsourcing“ ............................................................... 11
3.1.2 Das Crowdsourcing-Konzept ............................................................... 13
3.1.3 Kritik am Crowdsourcing-Ansatz ......................................................... 15
3.2 Stand in der Praxis ........................................................................... 15
3.2.1 Formen und Ausprägungen ................................................................ 16
3.2.2 Anwendungsbeispiele ........................................................................ 17
4 Fazit ............................................................................................. 19
5 Quellenverzeichnis ....................................................................... 20
Open Innovation und Crowdsourcing
Felicitas Isler 3/21
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Ideen (NUFARI 2013) ............................................................... 1
Abbildung 2: Innovations-Methoden-Kontinuum (Rekece et al. 2012, S. 16) ....... 4
Abbildung 3: Einordnung des Open-Innovation-Ansatzes (Eigene Darstellung)..... 5
Abbildung 4: Henry Chesbrough (University of California, Berkeley 2012) ........... 5
Abbildung 5: Werke von Henry Chesbrough (http://books.google.ch)................. 6
Abbildung 6: Die Kernprozesse des Open-Innovation-Ansatzes (in Anlehnung an:
Gassmann und Enkel 2006, S. 134) ..................................................... 7
Abbildung 7: Outsourcing versus Crowdsourcing (Roth 2011) .......................... 12
Abbildung 8: Das Crowdsourcing Flussdiagramm (Goffin und Koners 2011, S. 186)13
Abbildung 9: Crowdsourcing Ausprägungen (Deutscher Crowdsourcing Verband
e.V. 2012b) ..................................................................................... 16
Abbildung 10: Screenshot der Startseite von „Europeana 1914-1918“ ............... 18
Abbildung 11: Crowdsourcing (XKCD [o.J.]) .................................................. 19
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Contrasting Prinziples of Closed and Open Innovation (Chesbrough,
Henry W. 2003, p. xxvi) ..................................................................... 6
Open Innovation und Crowdsourcing
Felicitas Isler 4/21
1 Einleitung
Der Ausdruck „Open Innovation“ ist erst zehn Jahre alt, „Crowdsourcing“ sogar noch
drei Jahre jünger. Trotzdem ranken sich um diese Begriffe bereits unzählige wissen-
schaftliche Publikationen. Offensichtlich haben die beiden Schlagworte den Nerv der
Zeit getroffen.
Diese Arbeit stellt die dahinterliegenden Konzepte näher vor, sowohl aus wissenschaft-
licher als auch aus praktischer Perspektive und versucht, deren zukünftige Relevanz
abzuschätzen.
Das unten abgebildete Innovations-Methoden-Kontinuum der Innovationsgesellschaft
St. Gallen und des Instituts für Informations- und Prozessmanagement der Fachhoch-
schule St. Gallen (IPM-FHS) zeigt, wo die beiden Ansätze im Zeitablauf einzuordnen
sind und welche weiteren Tools sich in deren Umfeld noch tummeln.
Abbildung 2: Innovations-Methoden-Kontinuum (Rekece et al. 2012, S. 16)
Open Innovation und Crowdsourcing
Felicitas Isler 5/21
2 Open Innovation
Open Innovation wird dem Bereich des Innovationsmanagements zugeordnet. Herz-
berg (2012, S. 38) ordnet diesen Bereich wiederum dem Wissensmanagement unter.
Crowdsourcing ist ein Teilgebiet von Open Innovation. Die Verortung von Open Inno-
vation innerhalb dieser Begriffshierarchie soll durch die untenstehende Abbildung ver-
deutlicht werden.
Abbildung 3: Einordnung des Open-Innovation-Ansatzes (Eigene Darstellung)
2.1 Stand in der Wissenschaft
Open Innovation ist ein relativ neuer Begriff in der Betriebswirtschaftslehre. Dessen
Einführung und Abgrenzung gegenüber früheren Innovationsverfahren sowie das da-
hinterstehende theoretische Modell und die Kritik, welche es ausgelöst hat, werden in
diesem Kapitel dargestellt.
2.1.1 Der Begriff „Open Innovation“
Abbildung 4: Henry Chesbrough (University of California, Berkeley 2012)
Open Innovation und Crowdsourcing
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Der Begriff Open Innovation wurde 2003 von Henry Chesbrough kreiert im Zusam-
menhang mit der Veröffentlichung des gleichnamigen Buches. Dieses wurde im selben
Jahr vom Strategy & Business Magazine zum besten Wirtschaftsbuch gekürt. Damals
war Chesbrough Assistenzprofessor für Technology and Operations Management sowie
Entrepreneurial Management an der Harvard Business School. Seit 2003 ist er nun
ausserordentlicher Professor und Geschäftsführer des Center of Open Innovation an
der Haas School of Business, University of California, Berkeley (University of California
2008, S. 1-2) Inzwischen hat Chesbrough auch noch zwei Nachfolgewerke zur selben
Thematik veröffentlicht: 2006 „Open Business Models: How To Thrive In The New In-
novation Landscape“ und 2011 „Open Services Innovation: Rethinking Your Business
to Grow and Compete in a New Era“.
Abbildung 5: Werke von Henry Chesbrough (http://books.google.ch)
Die Hauptaussage des Buches „Open Innovation: The New Imperative for Creating and
Profiting from Technology“ besteht in der Unterscheidung von Closed versus Open In-
novation. Diese Gegenüberstellung hat Chesbrough in eingängigen Thesen formuliert:
Closed Innovation Priciples Open Innovation Principles
The smart people in our field work for us. Not all of the smart people work for us so we
must find and tap into the knowledge and
expertise of bright individuals outside our
company.
To profit from R&D, we must discover, deve-
lop, produce and ship it ourselves.
External R&D can create significant value;
internal R&D is needed to claim some portion
of that value.
If we discover it ourselves, we will get it to
market first.
We don’t have to originate the research in
order to profit from it.
If we are the first to commercialize an innova-
tion, we will win.
Building a better business model is better than
getting to market first.
If we create the most and best ideas in the
industry, we will win.
If we make the best use of internal and exter-
nal ideas, we will win.
We should control our intellectual property
(IP) so that our competitors do not profit from
our ideas.
We should profit from others’ use of our IP,
and we should buy others’ IP whenever it
advances our own business model.
Tabelle 1: Contrasting Prinziples of Closed and Open Innovation (Chesbrough, Henry W. 2003,
p. xxvi)
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Herzberg (2012, S. 20) fasst den Closed-Innovation-Ansatz wie folgt zusammen:
"Closed Innovation bezeichnet dabei die etablierte Theorie der sich selbst
verstärkenden Innovationsdynamik. Demnach sind Unternehmen in wis-
sensintensiven Branchen dann erfolgreich, wenn sie das beste Personal
einwerben und dieses umfangreiche Forschungsaktivitäten in internen Ab-
teilungen durchführen lassen, um technologisch überlegene Produkte zu
entwickeln, zu patentieren und anschließend exklusiv zu vermarkten. Der
daraus generierte Gewinn fließt dann wieder in die Forschung und das Per-
sonal zurück und sichert somit langfristig die Marktführerschaft."
Im Gegensatz dazu beinhaltet der neue Open-Innovation-Ansatz Folgendes:
"Open Innovation bezeichnet demgegenüber eine Innovationsstrategie, die
eine Trennung von Entwicklung und Vermarktung durch die strategische
Öffnung von Unternehmensgrenzen ermöglicht. Firmen jeder Größe erhal-
ten somit die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Optimierung ihres Wissensbe-
standes: Während kleine Unternehmen durch Lizenzankäufe eine große
Spezialisierung ohne die Risiken eigener Forschungsinvestitionen anstreben
können, erhalten große Firmen die Möglichkeit zur Konzentration auf ihre
Kernkompetenzen bei gleichzeitigen Einnahmen aus Lizenzproduktionen
oder aus gemeinsamen Töchtern mit anderen Unternehmen." (ebd., S. 20)
2.1.2 Das Open-Innovation-Konzept
Das Open-Innovation-Konzept fusst auf der Idee, den Innovationsprozess von Unter-
nehmen zu öffnen, um durch Einbeziehung der Aussenwelt gezielt das Innovationspo-
tenzial zu erhöhen. Dies wird in der heutigen Zeit als zwingend notwendig erachtet, da
der Wettbewerbsdruck in Folge der fortschreitenden Globalisierung stetig wächst, wäh-
rend die F&E-Budgets dabei nicht mithalten können. (Gassmann und Enkel 2006, S.
132) Um diesen Spagat zu bewerkstelligen, sieht der Open-Innovation-Ansatz drei
Kernprozesse vor, die es Unternehmen ermöglichen sollen, die Zeitspanne zwischen
der Ideenfindung und der Markteinführung (time-to-maket) zu verkürzen. (Goffin und
Koners 2011, S. 175)
Abbildung 6: Die Kernprozesse des Open-Innovation-Ansatzes (in Anlehnung an: Gassmann und
Enkel 2006, S. 134)
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Die obenstehende Abbildung stellt diese drei Kernprozesse einerseits grafisch dar und
beschreibt andererseits deren Hauptmerkmale.
Oft wird Open Innovation vereinfachend mit dem Outside-in-Prozess gleichgesetzt, der
sich beispielsweise mittels Crowdsourcing umsetzen lässt. Doch um umfassend vom
Open-Innovation-Konzept zu profitieren, ist es wichtig, die Potenziale aller drei Pro-
zesse im Auge zu behalten.
2.1.3 Kritik am Open-Innovation-Ansatz
Inhaltlich sind die Vorteile des Open-Innovation-Ansatzes heutzutage weitgehend un-
bestritten. Kritik wird jedoch am Vorgehen von Henry Chesbrough bei der Lancierung
dieses neuen Innovationsparadigmas geübt. So haben Trott und Hartmann (2009) im
International Journal of Innovation Management einen über zwanzigseitigen Artikel
unter dem Titel „Why ‚Open Innovation‘ is Old Wine in New Bottles“ publiziert. Darin
wird argumentiert, dass Closed Innovation, wie sie von Chesbrough dargestellt wird,
im heutigen Forschungs- und Entwicklungsumfeld kaum mehr anzutreffen sei. Somit
sei auch der Gegensatz Closed Innovation versus Open Innovation, der das Rückgrat
von Chesbrough’s Argumentationslinie bildet, ein unhaltbares Konstrukt.
„Chesbrough presents six notions that lie behind the so called closed model
of innovation. The problem here is that he uses a straw man argument,
which misrepresents the true position of innovation management today.
Creating this fallacy about ‘closed innovation’ systems makes it is easy to
refute and demolish it (as he does), which is what should happen if it were
at all true. However, it is not, and certainly not within enlightened firms.“
(ebd., S. 716)
In Tat und Wahrheit seien alle von Chesbrough propagierten Ansätze im Innovations-
managementbereich bereits vorgängig erforscht und beschrieben worden, was die bei-
den Autoren auch detailliert nachweisen können. Die einzige Leistung von Chesbrough
bestehe demnach darin, diese Ansätze unter dem neuen Schlagwort „Open Innovati-
on“ zusammengefasst zu haben.
„[…] this paradigm represents little more than the repackaging and re-
presentation of concepts and findings presented over the past forty years
within the literature on innovation management.“ (ebd., S. 715)
Besonders störend empfinden die Autoren die Tatsache, dass Chesbrough seine Kon-
zepte auf den Arbeiten seiner Vorgänger abstützt, ohne die Bezüge hinreichend zu
kennzeichnen.
„We feel that the Open Innovation community has given insufficient credit
to previous researchers who described, analyzed and argued in favor of
most of the principles on which Open Innovation was founded, long before
the term for this new model was actually coined.“ (ebd., S. 731)
Entsprechend hart fällt das Fazit der beiden Autoren dann auch aus:
„ […]not all good ideas in innovation originate from Harvard Business
School and the Haas School of Business.“ (ebd., S. 732)
Open Innovation und Crowdsourcing
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2.2 Stand in der Praxis
Obwohl das Open-Innovation-Konzept drei Kernprozesse beinhaltet, ist bisher in erster
Linie der populärste Teilprozess – nämlich der Outside-in-Prozess – in der Praxis er-
probt und dokumentiert worden.
Eine Umfrage im Frühjahr 2012 bei über 200 deutschsprachigen Führungskräften zum
Thema Open Innovation im Rahmen des „Open Innovation Monitors 2012“ förderte
allerdings zu Tage, dass selbst dieser Outside-in-Prozess in den Unternehmen und
Organisationen noch nicht wirklich angekommen ist. (Rekece et al. 2012, S. 4) So
setzten bis jetzt weniger als 20% der untersuchten F&E-Abteilungen Online-
Plattformen ein, wobei fast die Hälfte der Befragten solche Instrumente in Zukunft
stärker nutzen möchten. (ebd., S. 8-9) Dies veranlasst die Autoren der Studie zum
Fazit:
„Obschon die Potentiale von offenen Innovationsprozessen (z.B. F&E-
Allianzen) bereits in den 90er Jahren erkannt wurden, haben Open-
Innovation-Instrumente heute in der Praxis noch nicht den Stellenwert,
welchen ihnen Wissenschaft und zum Teil die Medien zuschreiben.“ (ebd. S.
16)
2.2.1 Formen und Ausprägungen
Um Open Innovation im Alltag von Unternehmen und Institutionen umzusetzen, sind
diverse Instrumente entwickelt worden. Ihre Benennung und Auswahl ist je nach Autor
ein wenig unterschiedlich, zumeist wird aber von vier bis fünf Werkzeugklassen aus-
gegangen. (vgl. Habicht et al. 2011, S. 45; Herzberg 2012, S. 23-25 und Lucke et al.
2012) Hier wird die Klassifikation von Lucke et al. 2012 als Ausgangspunkt genom-
men, da sie als Einzige auch reale Veranstaltungsformate miteinbezieht und somit die
Open-Innovation-Umsetzung nicht auf reine Internet-Tools reduziert.
Lead User-Methode
Die Lead-User-Methode wurde 1986 von Eric von Hippel am MIT entwickelt, da er er-
kannt hatte, dass gewisse Kunden ein sehr tiefgehendes Wissen über die Anwendung
und falsche Anwendung von Produkten haben (Goffin und Koners 2011, S. 172) Bei
dieser Methode geht es deshalb um die Einbindung von besonders innovativen Kunden
in die unternehmensinternen Innovationsprozesse. (Herzberg 2012, S. 23) Denn Lead-
User haben heute bereits Anforderungen, die vom Marksegment an sich erst in der
Zukunft geäussert werden. Diese Methode befasst sich im Gegensatz zur traditionellen
Marktforschung also nicht mit repräsentativen Kunden, sondern explizit mit einer elitä-
ren Gruppe. (Goffin und Koners 2011, S. 177-179) Eine Möglichkeit zu deren Einbin-
dung besteht in der Zurverfügungstellung einer vernetzen Diskussionsplattform.
(Herzberg 2012, S. 23)
Open-Innovation-Werkzeugkasten
Unter einem Open-Innovation-Werkzeugkasten versteht man eine Zusammenstellung
von möglichen Open-Innovation-Methoden, -software und -online-Diensten, welcher
die Auswahl des für die jeweilige Aufgabe geeignetsten Tools erleichtert. (Lucke et al.
2012)
Open Innovation und Crowdsourcing
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Ideen- und Innovationsplattformen
Ideen- und Innovationsplattformen werden manchmal auch als Innovationsmarktplät-
ze bezeichnet. Es handelt sich dabei um Intermediäre, welche die Bedürfnisse von
Innovationsnachfragern und –anbietern koordinieren. Sie werden typischerweise als
Online-Plattformen realisiert. (Habicht et al. 2011, S. 45-46)
Reale Veranstaltungsformate
Luke et al. (2012) nennen eine ganze Reihe von realen Veranstaltungsformaten, wel-
che den Innovationsprozess unterstützen können: Kreativitätsworkshops, World Cafes,
Open-Space-Konferenzen, Bar Camps, Hack Days, Bürgerräte, Planungszellen, For-
sight Prozesse, Zukunftswerkstätten und Zukunftskonferenzen. Deren Hauptvorteil
besteht im persönlichen, realen Austausch.
Ideenwettbewerbe
Innovationswettbewerbe rufen traditionellerweise die (Fach-)Öffentlichkeit zur Einrei-
chung von Design-, Konzept- oder Lösungsvorschlägen via Internet auf, wobei ein Ab-
gabetermin und ein Preisgeld festgelegt werden. (Lucke et al. 2012)
2.2.2 Anwendungsbeispiele
Das in der Open-Innovation-Literatur wohl meist erwähnte konkrete Anwendungsbei-
spiel ist die Plattform InnoCentive, ein klassischer Intermediär. Sie wurde bereits
2001, also noch bevor der Ausdruck Open Innovation kreiert war, von Eli Lilly gegrün-
det und war zunächst vor allem auf die Bedürfnisse der chemischen Industrie ausge-
richtet. (Habicht et al. 2011, S. 45) Diese Plattform führt via Internet sogenannte
„Seeker“ (Unternehmen oder Non-Profit-Organisationen) mit potentiellen „Solvern“
zusammen, vorwiegend Wissenschaftlern aus diversen Disziplinen. Das Ziel von Inno-
Centive besteht in erster Linie im Austausch von bereits generiertem Wissen, die krea-
tive Wissensgenerierung ist weniger relevant. (Köck et al. 2008, S. 32) Die User-
Community umfasst etwa 200‘000 Mitglieder, welche zu fixen Lösungsprämien – nor-
malerweise zwischen 10‘000 und 100‘000 Dollar – versuchen spezifische technologi-
sche Probleme der Seeker-Unternehmen zu lösen. Dabei hat sich gezeigt, dass rund
ein Drittel der ausgeschriebenen Probleme tatsächlich erfolgreich gelöst werden kön-
nen – häufig auf unkonventionelle Weise. (Franke 2011, S. 695-696) In den zwölf Jah-
ren seit der Unternehmensgründung konnten bereits mehr als 11‘000 Ausschreibun-
gen erfolgreich abgeschlossen werden, wobei für ein Problem im Durchschnitt 21 Lö-
sungsvorschläge eingereicht werden. (Herzberg 2012, S. 25)
InnoCentive wird zwar meist im Zusammenhang mit Open Innovation genannt, weil
sein Zweck in der Ermöglichung von Innovationen besteht, aber seine Funktionsweise
entspricht Crowdsourcing in Reinkultur.
Open Innovation und Crowdsourcing
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3 Crowdsourcing
Crowdsourcing stellt eine Möglichkeit dar, den Outside-in-Prozess des Open-
Innovation-Konzeptes konkret umzusetzen insbesondere mittels Web 2.0-Technologie.
Obwohl der Begriff sogar noch jünger ist als „Open Innovation“ hat er bereits eine wei-
te Verbreitung gefunden, was in erster Linie einer eigentlichen Start-up-
Gründungswelle in den letzten Jahren zu verdanken ist.
3.1 Stand in der Wissenschaft
Als Erstes wird die Herkunft und Definition des Buzzwords „Crowdsourcing“ geklärt,
anschliessend wird die Vorgehensweise bei Crowdsourcing-Aktivitäten dargestellt und
deren Erfolgsfaktoren herausgearbeitet und zum Schluss werden auch die Schattensei-
ten dieses neuen e-Business-Zweiges beleuchtet.
3.1.1 Der Begriff „Crowdsourcing“
Das Prinzip des Crowdsourcings wurde bereits angewandt, lange bevor dieser Begriff
existierte. So entstand beispielsweise das Oxford English Dictionary im 19. Jahrhun-
dert als Crowdsourcing-Projekt. Das ehrgeizige Vorhaben bestand darin, ein Inventar
des gesamten englischen Wortschatzes zu erschaffen, welches die historische Entwick-
lung der einzelnen Wörter durch Zitate aus der Literatur abbildeten sollte. Um dieses
Mammutprojekt zu bewältigen, rief der Philologe James Murray 1879 die gesamte eng-
lischsprachige Weltbevölkerung dazu auf, Belegstellen für alltägliche und ungewöhnli-
che Begriffe einzusenden. Der Erfolg war überwältigend und das damals begründete
Dictionary gilt bis heute als Standardwörterbuch der englischen Sprache. (Roca
Lizarazu 2012, S. 2)
2006 schuf der amerikanische Journalist Jeff Howe in einem Artikel im Wired Magazine
für diese Vorgehensweise den Begriff „Crowdsourcing“ (dt. Schwarmauslagerung).
Dieser Neologismus setzt sich zusammen aus „Crowd“ (dt. Menschenansammlung,
Masse) und „Outsourcing“ (dt. Auslagerung). Während beim Outsourcing eine Aufga-
be, die vormals von internen Mitarbeitern erledigt wurde, an eine bewusst ausgewähl-
te externe Person oder ein Unternehmen delegiert wird, wird beim Crowdsourcing die-
se Aufgabe in einem offenen Aufruf an ein undefiniertes Netzwerk von Menschen wei-
tergegeben. (Goffin und Koners 2011, S. 185)
Roth (2011) zeigt den Unterschied zwischen Outsourcing und Crowdsourcing mittels
einer treffenden Visualisierung auf:
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Abbildung 7: Outsourcing versus Crowdsourcing (Roth 2011)
Schon Howe (2006) wies in seinem Wired-Artikel „The Rise of Crowdsourcing“ darauf
hin, dass ein Hauptvorteil des Crowdsourcings die Einsparung von Personalkosten
sei:
"Technological advances in everything from product design software to di-
gital video cameras are breaking down the cost barriers that once separa-
ted amateurs from professionals. Hobbyists, part-timers, and dabblers
suddenly have a market for their efforts, as smart companies in industries
as disparate as pharmaceuticals and television discover ways to tap the la-
tent talent of the crowd. The labor isn’t always free, but it costs a lot less
than paying traditional employees. It’s not outsourcing; it’s crowdsour-
cing."
Dass beim Crowdsourcing Web 2.0-Technologien eine entscheidende Rolle spielen,
geht aus der Begriffsdefinition von Martin et al. (2008) hervor:
"Crowdsourcing ist eine interaktive Form der Leistungserbringung, die kol-
laborativ oder wettbewerbsorientiert organisiert ist und eine große Anzahl
extrinsisch oder intrinsisch motivierter Akteure unterschiedlichen Wissens-
stands unter Verwendung moderner IuK-Systeme auf Basis des Web 2.0
einbezieht. Leistungsobjekt sind Produkte oder Dienstleistungen unter-
schiedlichen Innovationsgrades, welche durch das Netzwerk der Partizipie-
renden reaktiv aufgrund externer Anstöße oder proaktiv durch selbsttätiges
Identifizieren von Bedarfslücken bzw. Opportunitäten entwickelt werden."
(Martin et al. 2008, zit. in: Wikipedia 2012)
Open Innovation und Crowdsourcing
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Etwas kürzer fällt die Definition von Roskos (2011, S. 115) aus, wobei er als letztend-
liches Ziel von Crowdsourcing-Aktivitäten die Generierung von Mehrwert hervor-
hebt:
„Unter Crowdsourcing versteht man das Involvieren einer Gruppe von In-
ternetnutzern ausserhalb der Strukturen des Unternehmens in einem vor-
her klar definierten Rahmen zur Generierung unterschiedlichster Mehrwerte
für einen Auftraggeber.“
Zusammenfassend kann man also sagen, Crowdsourcing ist die Erzeugung von Mehr-
wert - mit Hilfe von Web 2.0-Technologien und unter Einsparung von Personalkosten -
ausserhalb der Grenzen des Unternehmens oder der Institution.
3.1.2 Das Crowdsourcing-Konzept
Der Ablauf von Crowdsourcing-Aktivitäten lässt sich am Einfachsten in Form eines
Flussdiagrammes visualisieren:
1. Firma identifiziert ein Problem
2. Firma veröffentlicht das Problem online an die Crowd
3. Online-Crowd wird aufgefordert eine Lösung zu finden
4. Crowd reicht Lösungen ein
5. Crowd bewertet die Lösungen
6. Firma entlohnt den Gewinner
7. Firma besitzt die Lösung, die gewonnen hat
8. Firma profitiert
Abbildung 8: Das Crowdsourcing Flussdiagramm (Goffin und Koners 2011, S. 186)
Wenn, wie im fünften Schritt dargestellt, die Lösungsvorschläge durch die Crowd
selbst bewertet werden, hat dies den positiven Nebeneffekt, dass gleichzeitig Markt-
forschung betrieben werden kann, „denn was der digitalen Crowd gefällt, hat auch auf
dem analogen Markt gute Chancen“ (Roca Lizarazu 2012, S. 3)
Open Innovation und Crowdsourcing
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Die Voraussetzungen, dass der oben dargestellte Prozess effizient ablaufen kann, wie
Internet-Flatrates auf Seiten der User oder e-Payment-Möglichkeiten zur Auszahlung
von Honoraren, sind heutzutage weitgehend gegeben. (Eisfeld-Reschke et al. 2012, S.
17) Trotzdem darf der Aufwand, den eine erfolgsversprechende Crowdsourcing-
Kampagne generiert, nicht unterschätzt werden. So muss bei der Projektplanung auf
die adäquate Auswahl und Ansprache der Zielgruppe, eine realistische Laufzeitberech-
nung, eine ansprechende mediale Präsentation und geeignete Motivationsstrategien
monetärer oder nichtmonetärer Art geachtet werden. (Roca Lizarazu 2012, S. 5-6)
Franke (2011, S. 696-699) sieht drei Hauptgründe für den Erfolg des Crowdsouring-
Prinzips:
Die Menge der Teilnehmer spielt eine grosse Rolle, weil Kreativität und das Er-
zeugen von guten Ideen immer auch von einer stochastischen Komponente ge-
prägt ist.
Die Heterogenität der Problemlöser ist ein Vorteil, da diese über sehr unter-
schiedliche Herangehensweisen, Lösungsverfahren und kognitive Muster verfü-
gen.
Das Prinzip der Selbstzuordnung führt dazu, dass die User selbst entscheiden
können, ob sie zu einer Problemlösung beitragen können oder wollen, wohin-
gegen innerhalb von Unternehmen das Prinzip der Fremdzuordnung dominie-
rend ist.
Auf Seiten der User sind es seiner Meinung nach in erster Linie intrinsische Motive,
die sie zum Mitmanchen an Crowdsourcing-Aktivitäten bewegen:
Es liegt in der Natur des Menschen, sich Herausforderungen zu suchen und
deren Meisterung führt zu Befriedigung.
Die Anerkennung durch Personen oder Institutionen, deren Meinung dem U-
ser wichtig ist, stellt eine Quelle des Stolzes dar.
Ein weiterer Motivationsgrund ist der Wunsch nach Zugehörigkeit, den eine
Crowdsourcing-Community erfüllen kann.
Extrinsische Motive spielen eine nachgeordnete Rolle:
Durch das Erlangen der Aufmerksamkeit eines Unternehmens, können eventu-
ell Karrieremöglichkeiten oder Aufträge generiert werden.
Natürlich ist schlussendlich auch die monetäre Kompensation ein Motivati-
onsgrund.
Diese Sichtweise wird von einer Umfrage unter der Community von 12designer.de
bestätigt. Auch auf dieser Crowdsourcing-Plattform werden die Möglichkeiten zum
Austausch und zur Selbstdarstellung, zum Sammeln von Erfahrungen, zum Lernen und
Üben sowie zum Kontakte Knüpfen und Bekanntheit Erlangen als Hauptmotivations-
gründe genannt. (Roca Lizarazu 2012, S. 4)
Der Crowdsourcing-Sektor erlebt zurzeit einen regelrechten Boom. Allein auf
www.crowdsourcingblog.de werden 134 Plattformen aufgelistet, von denen nicht we-
nige erst 2012 gegründet wurden (allerdings sind darin Crowdfunding-Plattformen
miteingeschlossen). Auch die amerikanische Crowdsourcing Beratung Massolution hat
für das Jahr 2011 internationale Verbreitungszahlen erhoben. Demnach ist die Anzahl
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der Crowdworker in diesem Jahr um 100% angestiegen und auch die Umsätze der
Plattformen wuchsen um 75% gegenüber dem Vorjahr. Interessant ist Aufschlüsselung
der Crowdworker nach demographischen Gesichtspunkten: 60% leben in Nordamerika
oder Europa, 50% haben mindestens eine Bachelor-Abschluss und 77% sind in einem
Vollzeitjob beschäftigt. (Eisfeld-Reschke et al. 2012, S. 45) Diese Zahlen zeigen deut-
lich, dass Crowdsourcing nicht in erster Linie von unterprivilegierten Bevölkerungs-
gruppen genutzt wird, um ihre finanzielle Situation zu verbessern und stützen somit
auch die oben genannten Motivationsgründe.
3.1.3 Kritik am Crowdsourcing-Ansatz
Häufig wird am Crowdsouring-Prinzip die meist fehlende soziale Absicherung der
Crowdworker kritisiert. Das ist die Schattenseite von flexiblen Arbeitszeiten und –
formen. (Roca Lizarazu 2012, S. 4) Auf diesen Vorwurf hat der Online Marktplatz
odesk in den USA bereits reagiert, indem er Crowdworkern, die mehr als 30 Stunden
pro Woche auf der Plattform arbeiten, den Abschluss einer Krankenversicherung er-
möglicht. (Deutscher Crowdsourcing Verband e.V. 2012a) Falls Crowdworking weiter-
hin so massive Wachstumszahlen aufweist wie in den letzten zwei Jahren, dürften So-
zialversicherungen für Crowdworker auch in Europa bald zu einem Thema werden.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Angst vor Lohndumping insbesondere im Kreativbe-
reich. So bewegen sich die ausgeschriebenen Preise für ein Logo-Design auf
12designer.de zwischen 200 und 500 Euro. Dies ist ein Bruchteil des Preises, den eine
professionelle Agentur üblicherweise verlangt. Dahinter steht auch die Angst, dass
Arbeitsplätze im professionellen Bereich verloren gehen könnten, wegen mangelnder
Konkurrenzfähigkeit. (Roca Lizarazu 2012, S. 3-5) Diese Befürchtung ist wohl nicht
unbegründet, denn schon Jeff Howe hat ja die Einsparung von Personalkosten als ent-
scheidenden Pluspunkt des Crowdsourcings hervorgehoben.
Schliesslich sind auch Abwandlungen von Crowdsourcing entstanden, die als Crowdtur-
fing bezeichnet werden. Hier geht es darum, soziale Netzwerke zugunsten eines Un-
ternehmens zu manipulieren, beispielsweise durch Liken von Facebook-Seiten oder
Schreiben von Blogbeiträgen für durchschnittlich 20 bis 30 Cent. Daraus hat sich in
China bereits eine Millionen-Industrie entwickelt. Doch auch in den USA ist Crowdtur-
fing auf dem Vormarsch. So beträgt der Crowdturfing-Anteil auf der amerikanischen
Plattform ShortTask bereits 95% aller Jobs. (Deutscher Crowdsourcing Verband e.V.
2012a) Solche Auswüchse schaden dem Ruf des Crowdworkings als zukunftsträchtige
Arbeitsform und könnten damit längerfristig auch die Bereitschaft der Crowd schmä-
lern, sich aus intrinsischen Motiven an Crowdsourcing-Projekten zu beteiligen.
3.2 Stand in der Praxis
Stellvertretend für die verschiedenen Varianten von Crowdsourcing-Ausprägungen
wird näher auf die etwas untypische Form des Microworkings eingegangen und ab-
schliessend ein Anwendungsbeispiel aus dem Archivbereich vorgestellt.
Open Innovation und Crowdsourcing
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3.2.1 Formen und Ausprägungen
Es gibt verschiedene Möglichkeiten das Gebiet des Crowdsourcings weiter zu untertei-
len. Die untenstehende Abbildung zeigt die Einteilung des Deutschen Crowdsourcing
Verbandes, welche leicht angepasst auch bei Eisfeld-Reschke et al. (2012, S. 20) zu
finden ist.
Abbildung 9: Crowdsourcing Ausprägungen (Deutscher Crowdsourcing Verband e.V. 2012b)
Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen alle Crowdsouring Ausprägungen im
Detail zu beschreiben, deshalb wird hier nur der Bereich Microworking & Tasks exemp-
larisch näher erläutert. Roca Lizarazu (2012, S. 2) umschreibt dieses Feld folgender-
massen:
„Im Bereich des Microworking werden gegen äusserst geringe Bezahlung
Kleinstaufgaben wie zum Beispiel Tagging, Verschlagwortung und Texter-
stellung abgewickelt, die (noch) nicht rein maschinell ausgeführt werden
können. Häufig werden diese Teilaufgaben am Ende wieder zu komplexeren
Gesamtleistungen zusammengesetzt. Die bekannteste Microworking-
Plattform ist "Amazon Mechanical Turk", die inzwischen durch Anbieter wie
clickworker.com oder crowdflower.com ergänzt wird.“
Eisfeld-Reschke et al. (2012, S. 20) nennen die Geschäftsfelder, in welchen Microtasks
zum Einsatz kommen können:
„Erstellen von für Suchmaschinen optimierten Texten
Editing und Proofreading
Kategorisieren von Inhalten (z.B. nach Kontext oder Qualität)
Tagging von Bildern. Video- und Audiofiles
Open Innovation und Crowdsourcing
Felicitas Isler 17/21
Web Recherche und Verifizierung von Daten
Digitalisierung von Texten und Dokumenten (Visitenkarten etc.)
Validierung von Ergebnissen der Optical Character Recognition (Optische Zei-
chenerkennung)
Transkribieren von Audio- und Video-Inhalten“
Natürlich ist bei solchen Aufgaben die monetäre Entschädigung die treibende Motivati-
on und nicht die weiter oben erwähnten intrinsischen Motive. Insofern ist Microworking
eine Ausnahmeerscheinung unter den diversen Formen des Crowdsourcings.
3.2.2 Anwendungsbeispiele
Wie bereits weiter oben erwähnt, befindet sich der Crowdsourcing-Bereich im Moment
in einer eigentlichen Boom-Phase, die massgeblich durch die stetig zunehmende Ver-
breitung des Webs 2.0 begünstigt wird. Als weitherum bekannte Erfolge werden immer
wieder Non-Profit-Projekte wie die 2001 in deutscher Sprache eröffnete Online-
Enzyklopädie Wikipedia oder OpenStreetMap angeführt.
Aber auch im kommerziellen Sektor entstehen laufend neu Plattformen für die ver-
schiedensten Anwendungszwecke. In der Schweiz ist die Atizo AG bereits seit 2007 auf
dem Markt. Sie betreut mit 12 Mitarbeitern an den Standorten Bern und Zürich aktuell
eine Community von rund 15‘000 Crowdworkern, die bereits über 60‘000 Produkt- und
Marketing-Ideen, sowie Strategie- und Prozessoptimierungen entwickelt haben. (Eis-
feld-Reschke et al. 2012, S. 89)
Als Abschluss soll noch ein Crowdsourcing-Projekt aus dem Archivbereich näher vorge-
stellt werden: „Europeana 1914-1918“ http://www.europeana1914-1918.eu/de . Dies
ist ein virtuelles Archiv, das Quellen zur Alltagsgeschichte des Ersten Weltkrieges
sammelt und der Öffentlichkeit kostenlos zugänglich macht, ein Gemeinschaftsprojekt
der virtuellen Bibliothek Europeana, der Deutschen Nationalbibliothek und der Oxford
University sowie weiteren Koordinationspartnern. Wegner (2012, S. 139-140) be-
schreibt das Konzept dieses Projekts wie folgt:
„Die Interaktion mit Privatpersonen steht im Vordergrund: sie werden auf-
gefordert, in ihrem Besitz befindliche Dokumente, wie Fotos, Briefe, Tage-
bücher, Gedichte, Zeichnungen oder Bilder, aber auch Orden und sonstige
Objekte und Erinnerungsstücke aus dem Ersten Weltkrieg dem Online-
Archiv zur Verfügung zu stellen. Diese Quellen können dann zu den jeweili-
gen «Aktionstagen» mitgebracht werden, die in verschiedenen Städten in
unterschiedlichen Einrichtungen stattfinden, wo sie professionell gescannt
oder fotografiert werden. Die Teilnehmer können ihr Material aber auch
selbstständig auf die Website laden. Das Projekt wurde im März 2011 ge-
startet, befindet sich also momentan noch im Aufbau. Bisher haben in
Deutschland insgesamt acht Aktionstage stattgefunden, bei denen laut
Veranstalter das Interesse «überwältigend» war. Ziel ist es, bis 2014, also
dem 100. Jahrestag des Kriegsausbruchs, in mindestens zehn europäischen
Ländern Alltagsdokumente zum Ersten Weltkrieg gesammelt und der Öf-
fentlichkeit über Europeana digital zugänglich gemacht zu haben. Die große
Resonanz zeigt, dass es tatsächlich noch eine bedeutende Anzahl Quellen
in Privatbesitz gibt, die der Forschung bisher nicht zugänglich waren. Der
Open Innovation und Crowdsourcing
Felicitas Isler 18/21
Hauptgrund für den Erfolg der Aktion liegt vermutlich darin, dass sich die
Teilnehmer nicht von ihren Originalen trennen müssen, die ja oft Teil der
Familiengeschichte sind oder Sammlerwert haben. Als ein entscheidender
Motivationsfaktor gilt beim Crowdsourcing jedoch auch das Gefühl, Teil ei-
nes konkreten Projektes zu sein und etwas für die Allgemeinheit zu leis-
ten.“
Abbildung 10: Screenshot der Startseite von „Europeana 1914-1918“
Dieses Beispiel illustriert, dass Crowdsourcing-Kampagnen, welche Online-Aktivitäten
mit der Möglichkeit zur direkten Begegnung verbinden, sehr erfolgsversprechend sind.
Open Innovation und Crowdsourcing
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4 Fazit
Bisher hat das Open-Innovation-Paradigma in der Unternehmenswelt noch keine be-
sonders nachhaltigen Spuren hinterlassen. Einerseits, weil es so neu nun auch wieder
nicht ist, wie sein Schöpfer es darzustellen versucht, andererseits aber auch, weil Un-
ternehmen und Organisationen doch eher Zurückhaltung zeigen, wenn es um die Öff-
nung ihrer Innovationsprozesse geht.
Dafür sind die Spuren in der betriebswirtschaftlichen Fachliteratur umso unübersehba-
rer. Wenn man den Erfolg eines Konzeptes herbeischreiben könnte, wäre Open Inno-
vation der hellste Stern am Innovationsmanagementhimmel.
Crowdsourcing hat seine Wurzeln ursprünglich im Non-Profit-Bereich, wo es angewen-
det wurde um Grossprojekte zugunsten der Allgemeinheit durchzuführen. Erst im ver-
gangenen Jahrzehnt haben sich Unternehmen im grossen Stil diesem Tool zugewandt.
Zurzeit herrscht eine regelrechte Goldgräberstimmung und es werden markante Kos-
teneinsparungen versprochen. Während Crowdsourcing-Plattformen wie Pilze aus dem
Boden schiessen, stellt sich die Frage, ob diese Entwicklung nicht bald zu einer „Über-
sättigung“ der Crowd führen könnte. Da bei solchen Plattformen meist extrinsische
Motive - also monetäre Anreize – im Zentrum stehen, besteht ausserdem die Gefahr,
dass dadurch die ursprünglich ausschlaggebende intrinsische Motivation verlorengehen
könnte. Dieser Effekt ist in der Lernpsychologie seit Langem bekannt.
In Zukunft dürfte es somit ratsam sein, dass Unternehmen, die Crowdsourcing zu
kommerziellen Zwecken nutzen möchten, ihre Vorgehensweise sorgfältig planen und
insbesondere Transparenz und Fairness walten lassen. Denn auch die Crowd ist lern-
fähig und vernetzt, weshalb plumpe oder unfaire Crowdsourcing-Kampagnen sich
leicht als Bumerang erweisen und statt zu raschen finanziellen Gewinnen zu nachhalti-
gen Imageschäden führen könnten.
Abbildung 11: Crowdsourcing (XKCD [o.J.])
Open Innovation und Crowdsourcing
Felicitas Isler 20/21
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