falk gastro-kolleg darm · 2017-10-13 · falk gastro-kolleg darm fragebeantwortung unter falk...
TRANSCRIPT
Falk Gastro-Kolleg
Darm
Fragebeantwortung unter
www.falkfoundation.de
Falk Gastro-Kolleg
1
Titelbild: Kollagene Kolitis, breites Kollagenband unter dem Epithel
Prof. Dr. S. Miehlke*Magen-Darm-ZentrumInternistische Kooperation EppendorfEppendorfer Landstr. Hamburg
PD Dr. A. MadischMedizinische Klinik IKlinikum Region Hannover GmbHKlinikum SiloahRoesebeckstr. Hannover
*Korrespondierender Autor
Mikroskopische Kolitis – Update 2012Zusammenfassung
Die mikroskopische Kolitis ist eine entzündliche Erkrankung des Kolons, die nicht anhand makroskopischer Veränderungen, sondern nur histologisch diagnostiziert werden kann. Die kollagene und die lymphozytäre Kolitis können unterschieden werden. Beide Erkrankungen treten vorwiegend im höheren Lebensalter auf. Die Symptome sind eine wässrige Diarrhö, auch in der Nacht, eine Gewichtsabnahme, seltener Bauchschmerzen. Oft vergeht eine längere Zeit, bis die Diagnose histologisch (!) gestellt wird. Als Therapie der Wahl gilt heute die Gabe von Budesonid, Prednison/Prednisolon ist weniger gut wirksam. Über die Dauer der Therapie besteht noch keine Einigung. Nach Absetzen des Medikaments kommt es häufig zu histologischen und symptomatischen Rezidiven. Dennoch ist die Prognose gut, meist ist allerdings eine lang dauernde Therapie erforderlich.
Schlüsselwörter
Kollagene Kolitis | lymphozytäre Kolitis | sekretorische Diarrhö | Budesonid | Prednison | Immunsuppression | Colestyramin | Mesalazin
2
Mikroskopische Kolitis – Update 2012
Epidemiologie und natürlicher Verlauf
Die mikroskopische Kolitis ist eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, die in der Vergangenheit in ihrer Häufigkeit und klinischen Relevanz unterschätzt wurde [1]. Neuere epidemiologische Studien aus Europa und Nordamerika zeigen eine deutlich steigende Inzidenz und Prävalenz [2, 3] (Tab. 1). Ob es sich dabei um eine Folge erhöhter Wachsamkeit, um eine wahre Zunahme der Erkrankung oder um eine Kombination von beidem handelt, ist nicht vollständig geklärt. Fallberichte und Kohortenstudien aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Australien deuten darauf hin, dass die mikroskopische Kolitis weltweit auftritt. Mittlerweile kann davon ausgegangen werden, dass die mikroskopische Kolitis eine ähnliche Häufigkeit aufweist wie der Morbus Crohn oder die Colitis ulcerosa. Die Erkrankung zeigt eine deutliche weibliche Prädominanz (70–75%). Das durchschnittliche Alter bei Diagnosestellung liegt um die 60 Jahre, wobei 25% der Patienten jünger als 45 Jahre sind [4]. Bei älteren Patienten wurde in bis zu 20% der Fälle die mikroskopische Kolitis als Ursache der Diarrhö beschrieben. Auch bei Kindern ist die mikroskopische Kolitis kasuistisch beschrieben.
In bis zu 40% der Fälle beginnt die Erkrankung mit einer akuten Episode. Der Verlauf ist in den meisten Fällen chronisch rezidivierend. Basierend auf neueren prospektiven Studien erleiden 60–80% der Patienten nach Beenden einer effektiven Therapie ein symptomatisches Rezidiv, die meisten davon innerhalb der ersten 3 Monate. Es scheint, dass die lymphozytäre Kolitis im Vergleich zur kollagenen Kolitis seltener rezidiviert. Schwere Komplikationen der mikroskopischen Kolitis sind selten, lediglich in Einzelfällen wurde über spontane Perforationen während der Koloskopie berichtet. Ein erhöhtes Darmkrebsrisiko scheint nicht zu bestehen.
Tab. 1
P Die mikroskopische Kolitis ist eine chronisch entzündliche Darmerkrankung mit einer steigenden Inzidenz. Betroffen sind vor allem Frauen in der zweiten Lebenshälfte.
Inzidenz der mikroskopischen Kolitis (modifiziert nach [1])
Region Zeitraum Kollagene Kolitis
Lymphozytäre Kolitis
Örebro, Schweden 1984–1988 0,8 –
Örebro, Schweden 1989–1993 2,7 –
Örebro, Schweden 1993–1995 3,7 3,1
Örebro, Schweden 1996–1998 6,1 5,7
Örebro, Schweden 1999–2003 4,7 5,1
Örebro, Schweden 2004–2008 5,8 4,5
Terassa, Spanien 1993–1997 1,1 3,1
Terassa, Spanien 2004–2008 2,6 2,2
Olmstead County, USA 1985–1997 1,6 2,7
Olmstead County, USA 1998–2001 7,1 12,6
Calgary, Kanada 2002–2004 4,6 5,4
Calgary, Kanada 2004–2008 7,2 14,0
Zeeland, Dänemark 2002–2010 10,8 6,7
3
Risikofaktoren und assoziierte Erkrankungen
Bisher ist nur wenig über Risikofaktoren der mikroskopischen Kolitis gesichert. In 3 Kohortenstudien konnte kürzlich gezeigt werden, dass Tabakrauchen offenbar einen wichtigen Risikofaktor für die kollagene (OR = 2,4, 1,5–2,8) und die lymphozytäre Kolitis (OR = 1,6, 1,0–2,5) darstellt. Zudem erkrankten Raucher im Durchschnitt 10 Jahre früher als Nichtraucher [5].
Zahlreiche Medikamente wurden in der Literatur als potenzielle Auslöser bzw. Risikofaktoren einer mikroskopischen Kolitis beschrieben, allerdings ist ein kausaler Zusammenhang für die meisten nicht gesichert. In Fallkontrollstudien wurde eine Assoziation zu nichtsteroidalen Antirheumatika, Protonenpumpenhemmern, SerotoninWiederaufnahmehemmern, Statinen und Betablockern beschrieben [6].
Auch Infektionen wurden als mögliche Auslöser der mikroskopischen Kolitis beschrieben, wobei es sich dabei auf kasuistische Berichte (E. coli, Campylobacter, Clostridium difficile) oder auf inkonsistente Fallserien (Yersinien) beschränkt.
Autoimmunerkrankungen wie rheumatische Erkrankungen, Schilddrüsenerkrankungen, Zöliakie und Diabetes mellitus sind bei Patienten mit kollagener (OR = 11,0, 5,1–23,8) und lymphozytärer Kolitis (OR = 16,6, 6,4–43,1 signifikant häufiger zu finden.
Klinische Symptome und Lebensqualität
Das Leitsymptom der mikroskopischen Kolitis ist die wässrige, nichtblutige Diarrhö, die im Gegensatz zu Patienten mit Reizdarmsyndrom fast täglich auftritt. Häufig bestehen auch nächtliche Durchfälle, imperativer Stuhldrang, Bauchschmerzen und leichter Gewichtsverlust (Tab. 2) [4]. Die kollagene und die lymphozytäre Kolitis sind anhand des Symptomspektrums nicht unterscheidbar, allerdings scheint die Symptomlast bei lymphozytärer Kolitis tendenziell geringer zu sein. Schwere Dehydratationen sind selten.
P Rauchen ist wahrscheinlich ein wichtiger Risikofaktor für die mikroskopische Kolitis. Der Einfluss von Rauchstopp auf den Krankheits verlauf ist nicht bekannt.
P Das Leitsymptom der mikroskopischen Kolitis ist die fast täglich auftretende, wässrige, nichtblutige Diarrhö. Häufig existieren auch Bauchschmerzen und nächtliche Durchfälle.
Tab. 2Klinische Charakteristika der mikroskopischen Kolitis (modifiziert nach [4])
Diagnose Kollagene Kolitis
n = 270
Lymphozytäre Kolitis
n = 168
Inkomplette MC
n = 101
Alter (Jahre) 65 63 62
Weibliches Geschlecht (%) 74 64 82
Monate bis zur Diagnose 6 4 5
Stühle/Tag (n) 7 6 5
Wässrige Diarrhö (%) 92 88 68
Nächtliche Diarrhö (%) 57 39 31
Abdominelle Schmerzen (%) 48 52 56
Gewichtsverlust (%) 59 48 59
Imperativer Stuhldrang (%) 74 67 75
Inkontinenz (%) 43 34 22
4
Patienten mit mikroskopischer Kolitis haben eine signifikant reduzierte Lebensqualität, vergleichbar mit Patienten mit Colitis ulcerosa (Abb.1). Während gegenwärtig keine validen Biomarker zur Bestimmung der Aktivität oder Remission der Erkrankung existieren, konnte in umfangreichen Lebensqualitätsanalysen bei Patienten mit kollagener Kolitis ein „Cutoff“ identifiziert werden, anhand dessen zwischen aktiver Erkrankung und Remission unterschieden werden kann [7]. Demnach hatten Patienten mit ≥ 3 Stühlen/Tag oder ≥ 1 wässrigen Stuhl/Tag (basierend auf einer einwöchigen Symptomregistrierung) eine signifikant eingeschränkte Lebensqualität (= aktive Erkrankung). Demgegenüber hatten Patienten mit im Wochendurchschnitt < 3 Stühlen/Tag und < 1 wässrigen Stuhl/Tag eine normale Lebensqualität (= Remission).
Diagnostik und histologisches Spektrum
Die Diagnosestellung der mikroskopischen Kolitis basiert ausschließlich auf histopathologischen Befunden anhand von Stufenbiopsien des Kolons. Der endoskopische Befund ist üblicherweise unauffällig. Nur selten ist eine gering ödematöse oder erythematöse Schleimhaut zu finden. Ein ebenfalls seltener, aber suggestiver Befund sind sogenannte „mucosal tears“, die spontanen Schleimhauteinrissen während der Koloskopie entsprechen. Die topografische Verteilung der mikroskopischen Kolitis wird immer noch kontrovers diskutiert. Gegenwärtig wird empfohlen, im Colon ascendens, C. transversum und C. descendens/Sigma zu biopsieren. Eine Rektumbiopsie allein ist nicht ausreichend [4].
Histologisch findet sich bei der mikroskopischen Kolitis praktisch immer eine chronische Inflammation der Lamina propria mit einer erhöhten Zahl von Lymphozyten und Plasmazellen. Bei der kollagenen Kolitis ist typischerweise das subendotheliale Kollagenband verbreitert, wobei gegenwärtig als diagnostischer Grenzwert eine Breite >10 µm in gut orientierten Biopsien gilt (Abb. 2). In unsicheren Fällen wird eine Tenascin oder eine VanGiesonFärbung empfohlen. Bei der lymphozytären Kolitis findet man typischerweise eine erhöhte Anzahl intraepithelialer Lymphozyten (IEL), wobei ein Grenzwert von > 20 pro 100 Epithelzellen als diagnostisch gilt. In unsicheren Fällen wird eine CD3Färbung empfohlen (Abb. 3)
Abb. 1
P Die mikroskopische Kolitis führt zu einer signifikanten Verschlechterung der Lebensqualität, vergleichbar mit der Colitis ulcerosa.
Einfluss der kollagenen Kolitis auf die Lebensqualität (sIBDQ)* und Einfluss der Therapie mit Budesonid (modifiziert nach [12]) *Jowett et al. Am J Gastroenterol 2001
Budesonid 9 mg/Tag für 8 Wochen
70
60
50
40
30
20
59,3
Normal Colitis ulcerosa Kollagene Kolitis Kollagene Kolitis
48,4
57,3
44,1
P Die mikroskopische Kolitis kann nur histologisch durch Stufenbiopsien des Kolons diagnostiziert werden. Histologisch werden heute 3 Subtypen unterschieden (kollagene Kolitis, lymphozytäre Kolitis, inkomplette mikroskopische Kolitis).
5
Kritisch ist anzumerken, dass die derzeit verwendeten diagnostischen Kriterien nicht validiert sind und auch nicht mit klinischen Symptomen korrelieren. Zudem können die histologischen Veränderungen im Verlauf inkonsistent sein. Vor diesem Hintergrund wurde jüngst ein dritter histologischer Subtyp der mikroskopischen Kolitis in die Diskussion geführt, der als inkomplette mikroskopische Kolitis (MCi) beschrieben wird. Darunter werden Patienten verstanden, die die typischen klinischen Symptome, eine chronische Inflammation der Lamina propria und eine erhöhte Anzahl an IEL oder ein verdicktes Kollagenband aufweisen, aber nicht die jeweiligen diagnostischen Grenzwerte erreichen [4].
Eine bildgebende Diagnostik ist bei gesicherter mikroskopischer Kolitis nicht indiziert. Fäkale Biomarker wie Calprotectin, Lactoferrin oder Myeloperoxidase haben in der Routinediagnostik bislang keinen gesicherten Stellenwert.
Abb. 2
Histologisches Bild der kollagenen Kolitis (links H&E-Färbung, rechts Goldner-Färbung) mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. Daniela Aust, Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Dresden
Abb. 3
Histologisches Bild der lymphozytären Kolitis (links H&E-Färbung, rechts CD3-Färbung) mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. Daniela Aust, Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Dresden
6
Ätiologie und Pathophysiologie
Die Ätiologie und Pathophysiologie der mikroskopischen Kolitis ist nicht vollständig geklärt und wahrscheinlich multifaktoriell [1]. Für einen möglichen genetischen Hintergrund sprechen die Beobachtung einer familiären Häufung und die Assoziation zu bestimmten HLATypen und TNF2Allelen. Weiterhin wurde eine Assoziation zu einem Polymorphismus im MatrixMetalloproteinase (MMP)9Gen beschrieben.
InvitroExperimente konnten zeigen, dass eine signifikante Störung der Mukosabarriere besteht, die zu einer transmukosalen Aufnahme nichtpathogener Darmbakterien führt. Unklar ist, ob es sich dabei um ein primäres oder ein sekundäres Phänomen handelt. Die Ursache für die Kollagenbandverbreiterung bei der kollagenen Kolitis ist eine Imbalance zwischen Fibrogenese und Fibrolyse, an der eine Restriktion von MMPs, ein Anstieg von MMPInhibitoren sowie eine Überexpression von Mediatoren wie TGFβ1 und VEGF beteiligt sind. Der Pathomechanismus der Diarrhö bei kollagener Kolitis besteht zum einen in einer reduzierten Resorption von Na+ und Cl–Ionen aufgrund defektiver Transportermechanismen und der Dicke des Kollagenbandes. Des Weiteren spielt eine aktive Sekretion von Cl–Ionen sowie eine sogenannte „leakfluxinduzierte Diarrhö”, bedingt durch eine verminderte Funktion von tightjunctionMolekülen, eine wichtige Rolle [8]. Im Rahmen der intestinalen Inflammation sind einer Vielzahl von Zytokinen und Mediatoren beschrieben worden, aus denen sich bislang aber keine klinische Relevanz ergibt. Die kollagene Kolitis weist ein TH1dominates Zytokinprofil (IFNγ, IL15, TNFα) auf.
Therapie
In der Therapie der mikroskopischen Kolitis muss der Schweregrad der Symptomatik, die Beeinträchtigung der Lebensqualität und die Verfügbarkeit randomisierter Studien berücksichtigt werden. Das primäre Therapieziel ist das Erreichen einer klinischen Remission und die Normalisierung der Lebensqualität. Bei Patienten mit rezidivierender Erkrankung ist eine effektive remissionserhaltende Therapie wünschenswert.
In der Vergangenheit basierte die Therapie der mikroskopischen Kolitis weitgehend auf unkontrollierten Observationsstudien, deren Bewertung durch den variablen Verlauf der Erkrankung und die Verwendung uneinheitlicher ResponseKriterien eingeschränkt war. Mittlerweile liegen mehrere randomisierte plazebokontrollierte Studien vor, auf deren Grundlage ein rationales und evidenzbasiertes therapeutisches Vorgehen möglich ist.
Die stärkste Evidenz existiert gegenwärtig für orales Budesonid, einem topisch wirksamen Steroid mit einem hohen hepatischen FirstpassEffekt und einer minimalen systemischen Bioverfügbarkeit. In 4 plazebokontrollierten Studien hat sich Budesonid 9 mg täglich in der Kurzzeittherapie der kollagenen Kolitis als hocheffektiv erwiesen (Abb. 4) [9]. Metaanalytisch beträgt die klinische Ansprechrate bzw. Remissionsrate ca. 80% mit einer NumberNeedtoTreat (NNT) von 2 [10]. Für die lymphozytäre Kolitis existieren bislang 2 plazebokontrollierte Studien, die ähnlich hohe Ansprechraten für Budesonid gezeigt haben (Abb. 5) [11]. Nach Beenden einer wirksamen Kurzzeittherapie kommt es in bis zu 80% der Fälle zu einem symptomatischen Rezidiv. In 2 plazebokontrollierten Studien konnte gezeigt werden, dass eine Therapie mit Budesonid 6 mg täglich für 6 Monate in ca. 80% der Fälle eine Remission erhalten kann (NNT 2) [12].
P Die Ätiologie und Pathophysiologie der mikroskopischen Kolitis ist multifaktoriell.
7
Prednisolon wurde in einer randomisierten Studie untersucht, hat jedoch keine Überlegenheit gegenüber Plazebo gezeigt. Zudem weist Prednisolon im metaanalytischen Vergleich ein deutlich schlechteres Nebenwirkungsprofil auf. Mesalazin 3 g täglich konnte in einer aktuellen europäischen Multizenterstudie bei Patienten mit kollagener Kolitis keine Überlegenheit gegenüber Plazebo zeigen. Auch alternative Therapieansätze wie Probiotika oder Weihrauchextrakt haben in plazebokontrollierten Doppelblindstudien keinen signifikanten Vorteil gegenüber Plazebo zeigen können. Bismutsubsalizylat war in einer kleinen plazebokontrollierten Studie bei Patienten mit kollagener und lymphozytärer Kolitis besser als Plazebo. Allerdings wurde diese Studie 1999 nur als Abstrakt berichtet und nie voll publiziert. Loperamid, Colestyramin und E. coli Nissle 1917 scheinen in unkontrollierten Observationsstudien und auch im klinischen Alltag einen gewissen Effekt zu haben, allerdings wurde deren Wirksamkeit nie formal in adäquaten Studien untersucht.
Abb. 4
Klinisches Ansprechen auf Budesonid 9 mg täglich für 6–8 Wochen bei kollagener Kolitis
100
80
60
40
20
0
73
25
77
12
100
20
80
38
% Remission/Response Budesonid
Plazebo
Beart, Gastroenterology
2002
Miehlke, Gastroenterology
2002
Bonderup, Gut 2002
Miehlke, DDW 2012
Abb. 5
P Bei aktiver mikroskopischer Kolitis ist Budesonid die Therapie der ersten Wahl. Evidenzbasierte Alternativen zu Budesonid sind bislang nicht verfügbar.
Klinisches Ansprechen auf Budesonid 9 mg täglich für 6–8 Wochen bei lymphozytärer Kolitis
100
80
60
40
20
0
86
48
91
25
% Remission/Response Budesonid
Plazebo
Miehlke, Gastroenterology 2009
Pardi, DDW 2009
8
Zu Immunsuppressiva wie Azathioprin und Methotrexat existieren bisher nur wenige widersprüchliche Berichte, sodass diese Substanzen nicht generell empfohlen werden können. Mittlerweile liegen auch erste positive Erfahrungen zu Adalimumab und Infliximab bei einzelnen Patienten mit therapierefraktärer mikroskopischer Kolitis vor, sodass bei solchen Patienten ein individueller Therapieversuch mit diesen Substanzen gerechtfertigt scheint, bevor eine chirurgische Therapie im Sinne einer Ileostomie in Erwägung gezogen wird [13].
Basierend auf den bislang verfügbaren Daten klinischer Studien wurde von der European Microscopic Colitis Group (EMCG) ein Therapiealgorithmus entwickelt [1], der topisches Budesonid als Therapie der ersten Wahl bei allen Patienten mit aktiver mikroskopischer Kolitis empfiehlt (Abb. 6). Bei nur milder Symptomatik kann alternativ auch Loperamid oder Colestyramin erwogen werden. Kommt es nach Beenden einer effektiven Therapie mit Budesonid zu einem symptomatischen Rezidiv, wird eine erneute Therapie mit Budesonid in möglichst niedriger Dosis empfohlen. Bei fehlendem Ansprechen auf Budesonid oder Unverträglichkeit sind in Abhängigkeit von der Schwere der Diarrhö Immunsuppressiva oder antiTNFαAntikörper in Erwägung zu ziehen. Die Ileostomie gilt als ultima ratio.
Zu empfehlende Literatur
1 Münch A, Aust D, Bohr J, Bonderup O, Bañares FF, Hjortswang H, Madisch A, Munck LK, Ström M, Tysk C, Miehlke S; for the European Microscopic Colitis Group (EMCG). Microscopic colitis: Current status, present and future challenges: Statements of the European Microscopic Colitis Group. J Crohns Colitis 2012. [Epub ahead of print]
2 Olesen M, Eriksson S, Bohr J, Järnerot G, Tysk C. Microscopic colitis: a common diarrhoeal disease. An epidemiological study in Orebro, Sweden, 1993–1998. Gut 2004; 53: 346–350.
P In schweren therapierefraktären Fällen können Immunsuppressiva oder antiTNFαAntikörper erwogen werden.
Abb. 6
Therapiealgorithmus der mikroskopischen Kolitis nach Empfehlungen der EMCG [1]
Aktive mikroskopische Kolitis
Medikamentenassoziiert? Rauchstopp?
Loperamid Colestyramin
Mesalazin Bismut
Budesonid 9 mg/Tag, 6–8 Wochen
Budesonid 9 mg/Tag, dann niedrig dosiert (bis 6 mg/Tag)
+ Kalzium/Vitamin D
Nonresponse/Intoleranz
Azathioprin/6MP, Adalimumab, Infliximab
Ileostomie
Nonresponse/Intoleranz
Überprüfen der Diagnose, Differenzialdiagnosen?
Rezidiv
evidenzbasiert empirisch
Literatur
9
3 Pardi DS, Loftus EV Jr, Smyrk TC, Kammer PP, Tremaine WJ, Schleck CD, Harmsen WS, Zinsmeister AR, Melton LJ 3rd, Sandborn WJ. The epidemiology of microscopic colitis: a population based study in Olmsted County, Minnesota. Gut 2007; 56: 504–508.
4 Bjørnbak C, Engel PJ, Nielsen PL, Munck LK. Microscopic colitis: clinical findings, topography and persistence of histopathological subgroups. Aliment Pharmacol Ther 2011; 34: 1225–1234.
5 Vigren L, Sjöberg K, Benoni C, Tysk C, Bohr J, Kilander A, Larsson L, Ström M, Hjortswang H. Is smoking a risk factor for collagenous colitis? Scand J Gastroenterol 2011; 46: 1334–1339.
6 Beaugerie L, Pardi DS. Review article: druginduced microscopic colitis – proposal for a scoring system and review of the literature. Aliment Pharmacol Ther 2005; 22: 277–284.
7 Hjortswang H, Tysk C, Bohr J, Benoni C, Kilander A, Larsson L, Vigren L, Ström M. Defining clinical criteria for clinical remission and disease activity in collagenous colitis. Inflamm Bowel Dis 2009; 15: 1875–1881.
8 Bürgel N, Bojarski C, Mankertz J, Zeitz M, Fromm M, Schulzke JD. Mechanisms of diarrhea in collagenous colitis. Gastroenterology 2002; 123: 433–443.
9 Miehlke S, Heymer P, Bethke B, Bästlein E, Meier E, Bartram HP, Wilhelms G, Lehn N, Dorta G, DeLarive J, Tromm A, Bayerdörffer E, Stolte M. Budesonide treatment for collagenous colitis: a randomized, doubleblind, placebocontrolled, multicenter trial. Gastroenterology 2002; 123: 978–984.
10 Stewart MJ, Seow CH, Storr MA. Prednisolone and budesonide for short and longterm treatment of microscopic colitis: systematic review and metaanalysis. Clin Gastroenterol Hepatol 2011; 9: 881–890.
11 Miehlke S, Madisch A, Karimi D, Wonschik S, Kuhlisch E, Beckmann R, Morgner A, Mueller R, Greinwald R, Seitz G, Baretton G, Stolte M. Budesonide is effective in treating lymphocytic colitis: a randomized doubleblind placebocontrolled study. Gastroenterology 2009; 136: 2092–2100.
12 Miehlke S, Madisch A, Bethke B, Morgner A, Kuhlisch E, Henker C, Vogel G, Andersen M, Meier E, Baretton G, Stolte M. Oral budesonide for maintenance treatment of collagenous colitis: a randomized, doubleblind, placebocontrolled trial. Gastroenterology 2008; 135: 1510–1516.
13 Esteve M, Mahadevan U, Sainz E, Rodriguez E, Salas A, FernándezBañares F. Efficacy of antiTNF therapies in refractory severe microscopic colitis. J Crohns Colitis 2011; 5: 612–618.
Literatur
10
Bitte beachten Sie:Bei der Beantwortung der Fragen ist immer nur 1 Antwort möglich.
Die Beantwortung der Fragen und Erlangung des Fortbildungszertifikats ist nur online möglich. Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage www.falkfoundation.de. Unter dem Menüpunkt Falk GastroKolleg können Sie sich anmelden und die Fragen beantworten. Bitte diesen Fragebogen nicht per Post oder Fax schicken!
Wichtig:Fragebeantwortung unter
www.falkfoundation.de
Falk Gastro-Kolleg
Falk Gastro-Kolleg
Darm
Fragen zur mikroskopischen Kolitis
Frage 1:Welche Aussage zur Epidemiologie der mikroskopischen Kolitis trifft zu?
EE Die mikroskopische Kolitis ist ein sehr seltenes KrankheitsbildEE Die Inzidenz der mikroskopischen Kolitis ist rückläufigEE Die Häufigkeit entspricht der von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa EE Es sind überwiegend Männer betroffenEE Die mikroskopische Kolitis ist bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen
Frage 2:Welche Aussage zur Ätiologie der mikroskopischen Kolitis trifft nicht zu?
EE Es wird eine genetische Komponente angenommenEE Medikamente können als Auslöser eine Rolle spielenEE Rauchen scheint ein wichtiger Risikofaktor zu seinEE Nahrungsmittel spielen eine wichtige RolleEE Ein Gallensäureverlust kann als Ursache eine Rolle spielen
Frage 3:Welches ist das Leitsymptom der mikroskopischen Kolitis?
EE Abdominelle SchmerzenEE FieberEE GewichtsverlustEE Wässrige DiarrhöEE Obstipation
Frage 4:Welche der folgenden Antworten trifft nicht zu?
EE Die mikroskopische Kolitis ist eine Erkrankung des höheren LebensaltersEE Die mikroskopische Kolitis ist ein chronisches KrankheitsbildEE Die Symptomatik kann intermittierend verlaufenEE Die Lebensqualität wird durch die mikroskopische Kolitis nicht eingeschränktEE Es gibt aktuell keine kausale Therapie des Krankheitsbildes
Frage 5:Welches ist die wichtigste Differenzialdiagnose der mikroskopischen Kolitis?
EE Morbus CrohnEE Colitis ulcerosaEE ReizdarmsyndromEE DivertikulitisEE Ischämische Kolitis
Frage 6:Wie wird die Diagnose der mikroskopischen Kolitis gestellt?
EE LaborparameterEE AbdomensonografieEE Rektosigmoidoskopie mit BiopsieEE Hohe Koloskopie mit StufenbiopsieEE Gastroskopie mit Duodenalbiopsie
11
Falk Gastro-Kolleg
Darm
Frage 7:Welche Therapie ist für die kollagene Kolitis zugelassen und stellt mittlerweile die Standardtherapie dar?
EE ColestyraminEE WeihrauchextraktEE BudesonidEE BismutEE Probiotika
Frage 8:Welches ist die korrekte Dosis von Budesonid in der Akuttherapie bei mikroskopischer Kolitis?
EE 3 mg/TagEE 6 mg/TagEE 9 mg/Tag EE 12 mg/TagEE 15 mg/Tag
Frage 9:Für welche Substanz liegen plazebokontrollierte Studien zur Erhaltungstherapie bei mikroskopischer Kolitis vor?
EE ColestyraminEE WeihrauchextraktEE BudesonidEE BismutEE Probiotika
Frage 10:Welche Aussage zum therapeutischen Management der mikroskopischen Kolitis trifft nicht zu?
EE Die Therapie der Wahl bei Patienten mit mäßiger bis schwerer Symptomatik ist Budesonid 9 mg/Tag für 6–8 Wochen
EE Eine intermittierende Therapie mit Budesonid ist bei rezidivierenden Symptomen eine mögliche Therapiestrategie
EE Nach Erreichen einer Remission durch Budesonid sollte ein Auslassversuch erfolgen
EE Auch asymptomatische Patienten benötigen eine medikamentöse Therapie EE In schweren therapierefraktären Fällen kann eine antiTNFαTherapie erwogen
werden