fachbereich informatik universität dortmund 13. juni 2007 · sekundarstufe ii bis zum...
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Volker Claus
Universität Stuttgart
Fachbereich Informatik
Universität Dortmund
13. Juni 2007
=
Projekt- gruppen
Lehrform Projektgruppen
Gliederung
1. Vorbemerkungen zur Lehre und zu Lehrformen
2. Definitionen
3. Erfahrungen, Vor- und Nachteile der Projekte im
Studium
4. Projektstudium
5. Empfehlungen und Ausblick
1. Vorbemerkungen
Ziele der "guten Lehre": Motivation und Engagement
erzeugen, berufstypische Vorgehensweisen, Förderung der
Persönlichkeit, Ausbildung zu lebenslangem Lernen, breite
und tiefe Einsichten/Inhalte/Methoden vermitteln sowie
sein Handwerk beherrschen (Programmiersprachen,
Informatiksysteme, dokumentieren, Kundenverständnis,
Normen, Arbeitsmethodiken, ...) und möglichst
Originalarbeiten lesen und verstehen können.
1. 1 Vorbemerkung zur Lehre und Didaktik allgemein:
Die Didaktik und ihr vielen Unterthemen sind mittlerweile
riesige Gebiete, die man nicht "nebenbei" erlernt:
Allgemeine didaktische Konzepte (Brauchbarkeit, Umsetzung, Auswirkungen auf die Inhalte, Curricula, Lehr-Lernprozesse und -modelle, Lernermerkmale, Lernprinzipien z.B. Lernen durch Fehler, Kompetenzerwerb. Wichtig sind Kontexte, Anwendungs-/Einsatzbereiche, Fachübergreifendes. Enge Bezüge zu Pädagogik, Psychologie, ...; Allgemeinbildung und berufliche Bildung, Entwicklungsgeschichte, ...)
Auswahl von Inhalten (orientiert an Wissenschaft, Berufsbildern, zu erwartenden Entwicklungen, an allgemeinen Prinzipien, Voraussetzungen, bisheriger Lernverlauf in früheren Lernphasen, Betonung und Charakt. der “for-malen” Bildung, fundamentale Ideen, Problemlösen, Wirkprinzipien, speziell: Systemverständnis, Paradigmen, Modellierung, Simulation, verteilte/vernetzte Systeme, Wissen. Wünsche der Wirtschaft, der Verwaltung, ...),
Klärung der Darstellungen, der Kalküle und des Abstraktionsniveaus, Orientierungsprinzipien (z.B.: oo), Möglichkeiten der Aufbereitung und der Gestaltung von Lernangeboten (Aktualität, typische Beispiele,
Animation hochkomplexer Situationen, Anbiedern an den Zeitgeist, Verteiler, Zusicherungen), Lehrveranstaltungsformen und deren Einflüsse (Vorles., Übg., Prakt., Proj., Hausarb., Sem., Grupp., Teams, ...) Gestaltung von Lernumgebungen (mit/ohne technische Geräte, innerhalb/außerhalb von virtuellen Räumen,
kommunikativ/isoliert, kooperativ/frontal, Lernwerkzeuge, Lernlabore, Interaktionen, ...), Einsatz von Medien, Medienbrüche, Materialien, E-learning (blended l.) und dessen Varianten, Autorensysteme, intelligente Tutorsysteme und interaktive Animationssysteme (Analyse der Denkweisen,
Lösungshilfen, Veranschaulichung von Beispielen der Lernenden, Aufwand je Rolle), Verschiebung vom Lehren zum Selbst-Lernen, handlungsbetontes Lernen, durchgängige Langzeitkonzepte (ganzheitliche Ansätze von der Grundschule bis zur Klasse 10, von der
Sekundarstufe II bis zum Diplom/Master, von der beruflichen Schule über Abendkurse bis zu Weiterbildungsstudiengängen mit Abschlüssen, Lernstandards für die Phasen),
Analyse von Studienverläufen, Einfluss des Jobbens, Eignungsfeststellung, Übergang Bachelor-> Master Qualitätsbegriffe, Evaluation, Messinstrumente, Aussagekraft von Prüfungen, Weiterverfolgung der Studierenden, Bewertung von Lern-, Simulations- und allgemein Anwendungssystemen, Fallstudien/Szenarien, Auswirkungen der Heterogenität auf das Lernen (Zielgruppen, interdisziplinäre Projekte, Frauen-Männer,
Teilnehmer aus verschiedenen Kulturkreisen, Sprache, Alter, Berufserfahrung), Identifizierung und Abbau hemmender Einflüsse, Bild der Informatik, Motivation, begleitende Industriepraktika und Nebenfachausbildung (Werkstudenten, Einbeziehen der Dozenten,
gemeinsame Projekte/integrierte Studien, Informatik und Gesellschaft), Turbokurse, Hochbegabung, Schüler-Studium, Kooperationen Uni-FH, Vorteile des internationalen Austauschs,
Unterrichtssprache, Förderung überfachlicher Befähigungen, rechtliche Aspekte, Einfluss von Rahmenbedingungen (finanzielle Förderung, Studiengebühren, Prüfungssystem, Räumlichkeiten,
Organisationsfestlegungen der Hochschule, Elitedenken, Verschulung, generell: Komplexität der Vernetzungen),
Informatik für andere Fächer, LLL, Weiterbildungskurse, Lehrerausbildung, Pflichtkurs Fachdidaktik für alle, und in Zukunft engere Verzahnung von klassischer Fachdidaktik mit der Bachelor-Hochschuldidaktik Informatik.
Grundlegendes Kompetenzmodell (für die Lehrenden!) (hier übernommen aus I. Stehr, "Professionalisierung der Lehrkom-petenz", Raabe Handbuch Hochschullehre L 1.3, 2006):
Methodenkompetenz Präsentieren, moderieren,
beraten, planen, evaluieren,
"unterrichtliches",
prüfen können, ...
Sozialkompetenz kommunizieren, Perspektiven
wechseln, Gruppen leiten,
Konflikte lösen,
Projekte leiten
können, ...
Systemische
Kompetenz Organisationspro-
zesse strukturieren und steuern,
Studiengangseinheiten konzi-
pieren und organisieren, Netz-
werke bilden, interdisziplinär ...
Fachkompetenz
Kenntnisse über
Kommunikation, Lehr-/Lern-
theorien, Studiengänge, Fach-
kulturen, Sozialisation, Hoch-
schulorganis., Fachdidaktik , ...
Selbstkompetenz Persönlichkeitsentwicklung
Selbstreflexion der eigenen
Rolle, individuelle Fähigkei-
ten, Karriere/Lebensplanung
Medien-Unterstützung: Tutorsysteme, E-Learning, online-Betreuung, ...
Andere "Kultur": Nebenfach, Sprachen und Reisen, Ausland, Ortswechsel, ...
Praxis: Mitarbeit in Projekten eines Instituts, Werkstudent, Jobben, eigene Firma, ...
Herausforderungen: Wettbewerbe / Preise, Studien, Programmsystem, Beweise, ...
1. 2 Vorbemerkung zu Lehrformen (in der Informatik):
Vorlesung
Übung
Kurse
Praktika
(Einzel-
Unterricht)
Instruktion
passiv, allein
Seminar
Hausarbeit
Abschluss-
arbeit
Selbst handeln,
allein
Selbst handeln,
gemeinsam
Kolloquium
Arbeitskreis
Fachstudie
Projekt
(meist) passiv,
gemeinsam
Hospitation
Exkursion
Industrie-
praktikum
Medien-Unterstützung: Tutorsysteme, E-Learning, online-Betreuung, ...
Andere "Kultur": Nebenfach, Sprachen und Reisen, Ausland, Ortswechsel, ...
Praxis: Mitarbeit in Projekten eines Instituts, Werkstudent, Jobben, eigene Firma, ...
Herausforderungen: Wettbewerbe / Preise, Studien, Programmsystem, Beweise, ...
1. 3 Ausstrahlung der Projektgruppe (in der Informatik):
Vorlesung
Übung
Kurse
Praktika
(Einzel-
Unterricht)
Instruktion
passiv, allein
Seminar
Hausarbeit
Abschluss-
arbeit
Selbst handeln,
allein
Selbst handeln,
gemeinsam
Kolloquium
Arbeitskreis
Fachstudie
Projekt
(meist) passiv,
gemeinsam
Hospitation
Exkursion
Industrie-
praktikum
Projektgruppe Schlüsselqual.
2. Definitionen
Literatur z. B.:
Wolfgang Daum (vom HDZ der Uni Dortmund), "Projektmethode und Projektmanagement
in der Hochschullehre, Teil 1" sowie "... Teil 2", Neues Handbuch Hochschullehre,
Abschnitte C 2.1 bzw. C 2.2, Raabe-Verlag, Berlin 2002
Erste Aussagen zu Projektgruppen finden sich bereits im Heft 2 der Grünen / Grauen Reihe
des Fachbereichs Informatik, Universität Dortmund, 1973
2.1 Projekte
Ein Projekt ist [Daum,2002]
"eine bei allen menschlichen Tätigkeiten anwendbare,
kooperative, (dennoch auch arbeitsteilige) Arbeitsform
zur Bearbeitung umfangreicherer bzw. komplexer
Problemstellungen oder Problemsituationen menschlicher
Realität, insbesondere mit innovativer bzw. grundlegender
Orientierung.
Das bedeutet, dass alle Projektbeteiligten für den gesam-
ten Prozess und das Produkt mit-verantwortlich sind.
Kooperative Arbeitsform bedeutet aber nicht, dass alle
alles bzw. das gleiche tun; auch nicht, dass es keinen
Projektleiter bzw. -verantwortlichen geben kann."
2.2 Projekte im Studium ("Studienprojekte")
Ziel: Studienprojekt = "reales Projekt", aber es gibt Schwer-
punktverschiebungen wegen des Ausbildungscharakters:
- die Problemstellung wird durch Lehrende vorbereitet,
- wissenschaftliche Herangehensweisen (statt "praktische"),
- Literaturaufbereitung, Seminarphasen, Hilfsmittel,
- Mitwirkung und Steuerung des Ablaufs durch Lehrende,
- die "Einführungsphase" und "der Kunde" fehlen oft (und
damit auch ein Stück "Ernsthaftigkeit"),
- geringerer Zeitaufwand ( 40% der stud. Arbeitszeit),
- das Damoklesschwert "Prüfung" schwebt über allem.
Beispiel: Studienprojekte in der Softwaretechnik der
Uni Stuttgart (Formulierung ist schon 10 Jahre alt) (http://www.informatik.uni-stuttgart.de/fakultaet/lehre/alleStudGaenge/studienplan2006.pdf)
Studienprojekte sind Lehrveranstaltungen, die fachübergreifende Fähigkeiten
vermitteln, auf berufstypische Arbeitsweisen vorbereiten, zur verantwortlichen
Mitarbeit in einem Team ausbilden und mehrere klassische Lehrveranstal-
tungsformen in integrierter Form umfassen. Ein Studienprojekt dauert in der
Regel zwei Semester. Die Teilnehmer bilden für diese Dauer eine Projekt-
gruppe. Sie sollen zeigen, dass sie in der Lage sind, sich innerhalb einer
festgelegten Frist in die durch das Projekt vorgegebenen Teilgebiete der
Informatik oder des Anwendungsgebietes sowie in die erforderlichen Bereiche
der Softwaretechnik einzuarbeiten und gemeinsam ein komplexes Software-
Produkt zu erstellen, zu warten oder weiterzuentwickeln, wie es den wissen-
schaftlichen und technischen Anforderungen eines universitären Studiengangs
entspricht. Die Resultate sind am Ende in angemessener Form zu präsentieren.
Beispiel: Studienprojekte in der Softwaretechnik der
Uni Stuttgart (http://www.informatik.uni-stuttgart.de/fakultaet/lehre/alleStudGaenge/studienplan2006.pdf
siehe dort: Abschnitt 5.3.4)
Studienprojekt A: Das erste Studienprojekt vermittelt die zentralen Kenntnisse
und Erfahrungen der Projektdurchführung. Dieses Projekt wird vorwiegend
von den anwendungsnahen Abteilungen der Informatik durchgeführt und
betont besonders die systematische Durchführung der Arbeiten, also
• Ist- und Soll-Analyse
• Projektplanung und Kostenschätzung
• Spezifikation der Anforderungen
• Entwurf
• Codierung
• Test
und begleitend dazu
• Projektmanagement
• Qualitätssicherung
• Configuration Management
Das erste Projekt wird stets so konzipiert, dass darin alle genannten Themen zu
bearbeiten sind.
Beispiel: Studienprojekte in der Softwaretechnik der
Uni Stuttgart (http://www.informatik.uni-stuttgart.de/fakultaet/lehre/alleStudGaenge/studienplan2006.pdf
auf den Seiten 176/177 findet sich dort die Bestimmung in der Prüfungsordnung)
Studienprojekt B: Das zweite Projekt findet in der Regel im Bereich des
Anwendungsfachs (= Automatisierung, Technologie oder Verkehr) statt. Es
konfrontiert die Studierenden über die Aufgaben im ersten Projekt hinaus
zusätzlich mit den Problemen, die sich in der Kommunikation und Zusam-
menarbeit über die Grenzen des eigenen Fachgebiets hinweg ergeben.
Prüfung: Jeder Teilnehmer eines Studienprojektes erhält eine individuelle
Leistungsbeurteilung. Diese setzt sich zusammen aus einer mündlichen Prü-
fung über den Themenbereich des Projekts, aus der Leistung im Seminarteil
des Studienprojekts und aus dem individuellen Beitrag, den der Teilnehmer
zum Gesamtresultat der Projektgruppe erbracht hat. Der Prüfer setzt die
Gesamtnote fest, wobei die drei Einzelleistungen im Verhältnis 3:2:5 ge-
wichtet werden. Das abgeschlossene Vordiplom ist für die Teilnahme an den
Studienprojekten Voraussetzung.
Einschub:
(Negativ-) Beispiel: Studienprojekte in der
Wirtschaftsinformatik der Uni Zürich (http://www.ifi.unizh.ch/?id=136)
Individuell auszuführendes, selbstdefiniertes Projekt, mit
einem Professor zuvor abzustimmen, 3 Arbeitsmonate in
der vorlesungsfreien Zeit, ein Zwischenbericht, am Ende
eine Präsentation.
Dies entspricht einer Hausarbeit in den Geisteswissenschaf-
ten oder einer "Studienarbeit" in der Informatik und hat mit
einer Projektgruppe, wie sie hier definiert ist, nichts zu tun.
Diese Interpretation des Studienprojekts als einer Studien-
arbeit findet sich an vielen universitären Fachbereichen.
2.3 Phasenmodelle
Phasen = zeitliche Abschnitte mit festen Schnittstellen und
zu erreichenden Zielen mit dokumentierten Resultaten;
angestrebt wird ein sequenzieller top-down-Prozess.
Sechs Phasen nach [W. Daum, 2002]: Urideen, Vorstudie
zur Machbarkeit, Konzept und Vereinbarung, operationale
Planung, Projektdurchführung, Projektabschluss.
Die effektive Durchführung/Überwachung/Qualitätskon-
trolle erfolgt durch das Projektmanagement.
Die Informatik orientiert sich hier gern an Phasenmodellen
aus der Softwaretechnik wie Wasserfälle, Jojo, V-Modell
und moderneren Vorgehensweisen.
System-
analyse
System-
spezifikation
System-
entwurf
Modulspez.
u. -entwurf
Codierung,
Modultest
Integration
u.Systemtest
Einsatz u.
Wartung
Das Wasserfallmodell nach Royce (1970)
Sinnvoll ist es, den Studierenden vor Beginn der
Projektgruppe mehrere Phasenmodelle zur Auswahl zu
geben und hierbei zugleich auf die bestehenden
Softwarewerkzeuge und Hilfsmittel hinzuweisen.
Genereller Vorschlag zur Vorgehensweise.
In einer Projektgruppe sind zu behandeln:
Problemerkundung: Präzise Formulierung, vage Ziele
Ist- und Sollanalyse: Ziele, Qualitätsmaßstäbe, Kosten/Nutzen
Seminarphase: Einarbeiten in wissenschaftliche Literatur
Lösungsansätze: Architektur, Teilprobleme, Schnittstellen
Sichtung der Hilfsmittel und vorhandenen Systeme, interne Schulung
Systementwurf, Arbeitsaufteilung, Meilensteinplan
Regelmäßiger Abgleich der Schnittstellen, Codieren, Implementieren
Integration, Tests, Oberflächenanpassungen
Erprobungen, Auslieferung, Einführung, Schulung, Dokumentationen
Parallel hierzu: Management, Mitwirkung an der Organisation, der Überwachung, der Qualitätskontrolle, Präsentationen, Erarbeitung und Verteidigung von Vorschlägen, Fakten zusammentragen, Normierungen (Formblätter, ...), soziale Ereignisse...
2.4 Zentrale Feststellung:
Studienprojekte/Projektgruppen sind Lehrveranstaltungen!
Folgerung: Genau so, wie man keinen Lehrer des Faches X mit
dem Informatikunterricht betrauen darf, darf man keine X-
beliebigen Informatikwissenschaftler mit der Durchführung von
Projektgruppen betrauen! Denn: Sie können es oft nicht!
Forderung: Eine Projektgruppe darf nur jemand betreuen, der
eine zugehörige (didaktische, pädagogische und psychologische,
aber auch BWL und Auswirkungen und Datenschutz und ...)
vorbereitende Veranstaltung erfolgreich absolviert hat, der also
einen
PG-Führerschein (der Universität ...)
besitzt. Das gilt auch für Professoren; denn mit der Position
erwirbt man diese Fähigkeiten nicht automatisch.
3. Erfahrungen, Vor- und Nachteile
der Projekte im Studium
Informationen aus Informatik-Diplom-Kurzinfo:
Für alle Studierenden verpflichtend ist die einjährige
Projektgruppe, bei der in einem Team von 8 bis 12 Studierenden
ein konkretes Problem aus dem Bereich der Informatik bearbeitet
wird. Dies gibt die Gelegenheit, gelerntes Wissen praktisch
anzuwenden und wichtige außerfachliche Qualifikationen, wie z.B.
Teamarbeit und Projektmanagement, zu erlangen. Für viele
Studierende ist die Projektgruppe der Höhepunkt des Studiums. ...
In der Wahlpflichtveranstaltung Projektgruppe des Hauptstudiums
arbeiten 12 Studierende und zwei Betreuer über einen Zeitraum
von zwei Semestern an einem umfangreichen forschungsnahen
Thema. Ziel der Projektgruppenarbeit ist dabei die Vertiefung
fachlicher Kenntnisse und das Einüben nichtfachlicher
Kompetenzen wie Teamarbeit, Präsentations-techniken,
Projektmanagement, das Einarbeiten in neue Problemkreise und
die selbstständige Bewältigung umfangreicher Aufgaben.
3.1 Projektgruppen der Informatik an der Univ. Dortmund
- Beteiligung an (Teil-) Projekten
- Vermittlung von Schlüsselqualifikationen
- verwaltungsmäßige Abwicklung der Projekte unterstützen
An der Universität Dortmund gibt es im HDZ ein
Sudienprojektzentrum.
In Dortmund werden also offiziell die positiven Aspekte der
Projektgruppen benannt und gepflegt. (In Stuttgart ist dies
ähnlich. Auch die Gesellschaft für Informatik hat sich hiermit
in den 1990-er Jahren angefreundet.)
3.2 Vorteile: siehe Prinzipien guten Lehrens und Lernens
Sechs Prinzipien des NCTM für guten Mathematikunterricht:
1. Equity
2. Curriculum
3. Teaching
4. Learning
5. Assessment
6. Technology
Zehn Merkmale guten Unterrichts (Hilbert Meyer):
1. Klare Strukturierung
2. Hoher Anteil echter Lernzeit
3. Lernförderliches Klima
4. Inhaltliche Klarheit
5. Sinnstiftendes Kommunizieren
6. Methodenvielfalt
7. Individuelles Fördern
8. Intelligentes Üben
9. Klare Leistungserwartung
10. Vorbereitete Umgebung
Sieben Prinzipien für die Allgemeinbildung nach Heymann:
1. Lebensvorbereitung
2. Erschaffe kulturelle Kohärenz
3. Weltorientierung
4. Anleitung zum kritischen Gebrauch der Vernunft
5. Entfaltung von Verantwortungsbereitschaft
6. Einübung in Verständigung und Kooperation
7. Stärkung des Schüler-Ich
3.3 Nachteile: Negative Aspekte
Nicht jeder Teilnehmer ist teamfähig (ich schätze: 20% der Bevölkerung zählen hierzu).
Die Qualifikationen und Ziele kann man nicht messen/prüfen.
Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt nicht: Bezogen auf den Wissenszuwachs kostet eine Projektgruppe zu viel Zeit.
Uns fehlen die Profis, Ausbilder und Mentoren: So etwas soll daher die Industrie machen.
Im eingeschwungenen Zustand entarten manche Projektgruppen zu Programmier-Hilfstätigkeiten (mit der Vorspiegelung, hier würde man Einblicke in große reale Projekte bekommen).
Im Falle des Scheiterns (und das kann oft geschehen!) muss der Fachbereich mühsame Reparaturmechanismen starten, damit die Teilnehmer nicht umsonst gearbeitet haben.
Erinnerung: PG-Führerschein für die Betreuer würde die
meisten negativen Einschätzungen beseitigen helfen.
Die Hauptgefahr sind oft die
Informatik-Wissenschaftler(innen) selbst!
"Wir sind Ingenieure und unsere Projektgruppen müssen
unseren Instituts-Projekten zuarbeiten. Das nutzt letztlich auch
den Studierenden und ihrer Erfahrung."
"Wir dulden nur Vorgehensweisen, die hierzu genau passen."
"Machen sie genau das, was wir von Ihnen verlangen - das ist
die beste Ausbildung."
"Wir geben den Schein erst aus, wenn ordentliche Produkte
abgeliefert wurden."
"Was interessiert uns Didaktik und ähnliches Gelaber?"
Betreuer mit solchen Anschauungen sollten keine PG leiten. (Die nun zahlenden Studierenden werden sich bald vernehmbar wehren!)
3.4 Erfahrungen aus "guten PGs" im Detail
- Ein Team aus Genies ist schwierig (jedes erfolgreiche
Team braucht "nicht-vor-allem-fachliche Mitglieder";
hierfür haben unsere Mitarbeiter oft keinen Sensor).
- Spätestens nach der Arbeitsaufteilung lernen die Teil-
nehmer, ihre Kollegen bzgl. der Schlüsselqualifikationen
zu beurteilen (vor allem: Zuverlässigkeit, Ausdauer, prä-
zise Mitteilung von Änderungen, Güte der Dokumentation,
Qualität der Teilprodukte, Gerede, Tiefenverständnis seines
Arbeitsbereichs). Dann beginnt das Konflikt-Management
(bis hin zum Ausschluss von Teilnehmern).
- Häufige gemeinsame Sitzungen fördern (bei vielen) die
Güte der Vorbereitungen und die Argumentationsstärken;
notfalls Aufgaben zum Vortragen verteilen (ich empfehle
eine "zweite Seminarphase" nach etwa 60% der Laufzeit).
Erfahrungen (2)
- Zusammenarbeit mit der Industrie oder Praktikern: Das wäre sehr schön. Aber die Externen sind leider oft unzu-verlässig, weil die Industrie häufig umstrukturiert, unsere Gesprächspartner in andere Abteilungen versetzt usw. Dort gehen das operative Geschäft und die Kundennähe vor. (Dagegen sind Institute aus anderen Fakultäten in der Regel stabile Partner.)
- Man muss sich frühzeitig über die Menschen-Typen klar werden, die in der Projektgruppe vertreten sind. Etwa 20% aller Studierenden sind nur bedingt teamfähig, etwa 70% gehören zum Typus "Ego-Taktiker", nur 10 bis 15% sind aus sich selbst heraus motiviert, es gibt auch im Haupt-studium immer noch viele Spätstarter usw. Man beobachte, ob irgendwelche Beziehungen (Freundschaften, Ablehnung, Liebe, ...) zwischen den Teilnehmern bestehen.
Erfahrungen (3)
- Selbstständigkeit zu fördern, ist sinnvoll, sofern hier nicht zu viel Zeit verlabert wird. Die Studierenden sollen Gestaltungsfreiräume erhalten, auch weil dies die Motiva-tion und den späteren Einsatz für "ihre" Konzepte stärkt.
- In manchen Projekten entwickelte sich ein Hang zur Bürokratisierung: Da wurden Tage investiert, um schöne Formbätter, Logos, Gestaltungsrichtlinien usw. zu erstellen, und all dies wurde stundenlang in der Gruppe diskutiert. Die Betreuer müssen dann mehr Zielorientierung einfordern.
- Von sich aus diskutieren die Studierenden selten über "Meta-Themen". Man sorge dafür, dass Gespräche über Ziele, Persönlichkeitsmerkmale, Tugenden, die Bedeutung von Äußerlichkeiten, Kosten-Nutzen, Datenschutz, Einsatz, Auswirkungen usw. geführt werden.
Erfahrungen (4)
- Ein Kunde ist oft hilfreich. Aber Vorsicht mit zu viel
Wettbewerb vor der Entscheidung für ein Lösungsmodell.
- Persönlich bevorzuge ich, dass der Projektleiter wechselt;
die meisten Studienprojekte legen allerdings frühzeitig
eine langfristige Arbeitsteilung an. (Dadurch sinkt nach
meiner Einschätzung bei den Teilnehmern das Gefühl, für
das gesamte Projekt Mitverantwortung zu tragen.)
- Genau zu überdenken ist "die Prüfung", die letztlich indi-
viduell sein muss. Manche brauchen einen Prüfungsdruck,
das Projekt als Ganzes aber eigentlich nicht. Am besten
wäre eine Ja-Nein-Entscheidung über das Bestehen der
Projektgruppe und individuelle Zwischengespräche und
ein abschließendes langes(!) Abschlussgespräch der
Betreuer mit jedem Teilnehmer.
3.5. Sind Projektgruppen gut? Wie misst man Lehre?
Ziele vorgeben (input, outcome, Patente, Können, ...).
Messinstrumente:
- Informationen aus Verlaufsdaten
- Informationen durch Rückmeldung aus Präsentationen
- Informationen aus Bewertungen, Evaluationen
- Informationen aus Prüfungen
- Rückkopplung der Abnehmer, Gehälter der Alumni?
- Rankings, ...
Qualität von Projektgruppen: Varianten messen und die
Methodik mit den besseren Werten verwenden.
Das ist doch ganz einfach, oder?
Leider nein.
[Folgendes wird irgendwann einmal ein Thema sein:]
Lehre ist individuell. Sie ist nicht objektiv messbar. Sie
wird bestimmt von Persönlichkeit, fachlicher Kompe-
tenz, Originalität und (Theater-) Inszenierung.
Sie ist von der Zielgruppe und deren Zusammensetzung,
vom Fach, von Rahmenbedingungen usw. abhängig.
Sie ist meist nicht übertragbar auf andere Dozenten.
Die Vielfalt und die Korrelationen sind erschlagend.
usw. Natürlich kann man einige messbare Kriterien
angeben, doch sichern diese keine gute Lehre.
[Diese Diskussion führt vom Thema des Vortrags weg.]
Prinzipielle Aussage: Lehre kann man nicht messen.
4. Projektstudium
Dies war ein Gründungs-Prinzip der Universität Bremen
in den 1970-er Jahren. Es spielt heute fast keine Rolle
mehr im Ausbildungsbereich. Auch an der Uni Bremen ist
es kaum noch zu finden. In der dortigen Informatik gab es
z. B. Projekte, die über 2 Jahre liefen und einen großen
Teil des Hauptstudiums umfassten.
Idee: Alle Inhalte und Methoden der jeweiligen Wissen-
schaft werden im Prinzip in Projekten erarbeitet.
Rolle der Professoren:
- Sie sind für zuständig für die Vermittlung der
Hilfswissenschaften und gewisser Grundlagen (in
Form von Vorlesungen, Übungen, Praktika, Kursen),
- sie moderieren die Projekte, geben Richtungen vor,
können hier aber stets von den Teilnehmern des
Projekts überstimmt werden,
- eventuell führen sie noch Prüfungen durch (sofern dies
nicht irgendwie im Projekt selbst geschieht).
Vorteil: Studierende sollen stets auch in einem Meta-Level
denken und Beurteilungen nicht nur vornehmen, sondern
auch die Konsequenzen übernehmen. Sie sollen nicht in
eingefahrenen klassischen Gleisen lernen und sie sollen sich
frühzeitig mit Alternativen auseinandersetzen (hier steht
natürlich das Bild des engagierten Menschens im Hinter-
grund, das immer weniger zu finden ist).
Nachteile des Projektstudiums sind z. B.:
- eine deutlich sichtbare Orientierungslosigkeit,
- zu viele Fehlentwicklungen und Zeitverschwendung,
- heterogene Fähigkeiten der Absolventen (bis hin zu
fachlicher Unfähigkeit),
- eventuell mögliche Kumpanei, Bildung von Seilschaften,
Verlust der Objektivität, Irrelevanz der Zeugnisse.
(1) Manche dieser Ideen sind durchaus ansprechend.
(2) Die Nachteile überwiegen aber, vor allem aus Sicht der
späteren Abnehmer (Industrie, Wissenschaft, ...). Auch ist
der Lernfortschritt meist viel zu gering.
(3) Der Mittelbau wird überflüssig; in der Informatik und den
Ingenieurwissenschaften sind dann kaum noch Drittmit-
telprojekte ("nur noch DFG"?) möglich.
(4) Ein Projektstudium besteht zu etwa 60% aus "Lernen in
Projekten". Dies ist völlig anders als nur die Lehrveran-
staltungsform "Projektgruppe", die etwa 10% des
(Diplom-) Studiums ausmacht.
Fazit
5. Empfehlungen und Ausblick
5.1 "Ursprung" der Projektgruppen
Ausgangspunkt in der Informatik war 1972 Dortmund!
Bessere, selbsterarbeitete Lehre, Forschendes Lernen
Diskussion mit Vertretern der Industrie
Analyse der Berufsbilder
Analyse von Ausbildungszielen
und:
in Dortmund gab es keine "richtigen" Rechner, sodass die
Projektgruppen einen attraktiven Ausgleich hierfür boten.
Ausbildungsziele 1973
Wunderwaffe
Projektgruppe
Problemanalyse und
-einordnung
Aufbereiten, präsen-
tieren, diskutieren,
planen, aufteilen,
integrieren, "bauen"...
Zeit, Zuverlässigkeit,
Normen, Thema, ...
Gute
Vorbereitung
Überfachliches,
Praxisbezug, Einbe-
ziehen der Kunden
Lehrveranstaltungen 1972/73, Informatik, UniDo
5.2 Empfehlungen
(1) Projektgruppen/Studienprojekte ohne organisatorische
Absicherung ihres Charakters als Lehrveranstaltungen
machen wenig Sinn.
Also: Sorgen Sie durch PG-Regelungen dafür, dass PGs stets
in ihrer Zielsetzung klar umrissen sind, Gestaltungsspielraum
für Studierende lassen, pünktlich abgeschließen, von den
Teilnehmern bewertet und fair von den Prüfern benotet
werden. Sorgen Sie für qualifizierte Betreuer!
Hierfür braucht jeder Fachbereich einen oder mehrere
Projektgruppen-Beauftragte, die auch in die realen Abläufe
hineinschauen, und ggfls. einen "Ombudsmann", der
unabhängig von den Gremien des Fachbereichs ist und der
fair, aber auch konsequent die Projekte beurteilt.
Empfehlungen
(2) Die Hochschulen treten in einen Wettbewerb ein. Die
Qualifikationen, die eine Projektgruppe vermittelt, werden in
kaum einer anderen eingesetzten Lehrveranstaltungsform
behandelt. Machen Sie die Projektgruppen zu einem ganz
zentralen werbewirksamen (Alleinstellungs-) Merkmal Ihres
Fachbereichs!
Also: Öffentlichkeitsarbeit. Hierfür müssen vorzeigbare PGs
existieren und der Fachbereich muss sicherstellen, dass in
allen PGs die übergeordneten Ziele auch wirklich erreicht
werden. (Projektgruppenordnung, Schulung der Betreuer,
Zusammenarbeit mit Anwendern usw.)
Empfehlungen
(3) Die Teilnehmer an Projektgruppen müssen für die erfolg-
reiche Mitwirkung auch sichtbar herausgehoben werden! Dies
ist für eine Ausstrahlung und Glaubwürdigkeit unverzichtbar.
Also: Auf den Absolventenfeiern oder in gesonderten
Projektgruppen-Vorstellungen die Qualität loben, einige
Inhalte dort präsentieren, auf die Bedeutung eingehen usw.
(4) Verhindern Sie jede Form von "Diktatur", "engen Vor-
gaben", "Ausnahmen von den PG-Regelungen" usw. Sorgen
Sie schon bei der Antragstellung, dass nur wohldurchdachte
Projektgruppenanträge genehmigt werden. Im Zweifel muss
dies der (Studien-) Dekan mit dem Gewicht seines Amtes
durchsetzen. Hüten Sie sich vor schleichender Verwässerung!
Empfehlungen
(5) Es muss klar sein, dass Projektgruppen viel Arbeit für die
Betreuer erfordern und dass sie nicht nur der Abrundung von
Institutsaktivitäten dienen (wenn sie dies tun, so hat man aber
prinzipiell auch nichts dagegen).
(6) Eine ideale Größe einer PG scheinen 7 Personen zu sein.
Nehmen Sie nicht mehr als 12 auf. Überwachen Sie die
Belastung: 700 Stunden je Teilnehmer ist eine obere Schranke
(dies entspricht insgesamt 16 SWS).
(7) Werten Sie regelmäßig die studentische Kritik an den
Projektgruppen aus und nehmen Sie diese sehr ernst (bei
Studiengebühren kann man dies auch erwarten).
Empfehlungen
(8) Projektgruppen sind die Kerne künftiger Alumnis. Pflegen
Sie insbesondere die Kontakte mit Ihren ehemaligen PG-
Teilnehmern.
(9) Noch ein Tipp: Bieten Sie immer nur ein oder zwei Projekt-
gruppen mehr an, als aufgrund der Teilnehmerzahlen erforder-
lich sind. (Das wirkt der Frustration der Antragsteller und der
Suche nach dünnen Brettern von Seiten der Studierenden
entgegen. Auch ist es nicht berufstypisch, dass man sich stets
sein Projekt aussuchen kann. Man kann PGs auch kontingen-
tieren oder reihum den Lehrstühlen zuordnen ...)
5.3 Fundamentale Ideen von Bruner (1960):
1) Horizontalkriterium: PGs sind breit einsetzbar in den
unterschiedlichsten Gebeiten / Studiengängen.
2) Vertikalkriterium: PGs können beliebig in die Tiefe orientiert
werden und beliebig schwierige Probleme bearbeiten.
3) Ziel- und Sinnkriterium: PGs vermitteln genau die in der
Wirtschaft erforderlichen berufstypischen Qualifikationen.
4) Zeitkriterium: PGs sind heute genauso aktuell und sinnvoll wie
vor 35 Jahren! Sie haben nichts von ihrer Attraktivität für
die Ausbildung verloren.
Fazit: Projektgruppen sind für die Ausbildung an
Universitäten eine fundamentale Idee.
5.4 Lob der Projektgruppen
Projektgruppen sind Komplexitätsbeherrschung!
Projektgruppen trainieren Fähigkeiten (vorbereiten, aufarbeiten, präsentieren, diskutieren, präsidieren, überreden/überzeugen, nacharbeiten, dokumentieren, überwachen, validieren, Zielorientierung, Zuverlässigkeit, Durchhaltevermögen, Rahmenbedingungen beachten, Auswirkungen, Schulung, Kundenunberechenbarkeit, Verantwortung, Arbeitsteilung, Blick erweitern, mit anders Denkenden sich abstimmen und austauschen, ...). Sie fördern Vertiefung und intensive Auseinandersetzung mit der Wissenschaft Informatik. Sie sind eine Wunderwaffe in der Ausbildung.
So etwas Überzeugendes wird Bestand haben,
obwohl der Bologna-Prozess gegensteuert.
Überleitung zur Diskussion ...
Besten Dank für die Aufmerksamkeit