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Für Dieter,der meine kriminelle

Energie fördert.

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Nimmst du einen Fremden bei dir auf,so wird er dir Unruhe bringen

und dich in deinem eigenen Haus zumFremden machen.Jesus Sirach 11.35

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Dramatis Personae

Almut Bossart – die Heldin, Tochter eines angesehenenBaumeisters, früh verwitwet und seit vier Jahren ausfreier Entscheidung Begine. Eine tatkräftige, gesundejunge Frau, die lediglich mit ihrer spitzen Zungeeinige Probleme hat.

Die Klerikalen:

Pater Ivo – der Benediktiner von Groß Sankt Martin,von gewittrigem Auftreten, Beichtvater des jungenEwald, der keine Anfechtung durch Jungfrauen oderandere Mitglieder des weiblichen Geschlechts ver-spürt. Zumeist wenigstens.

Novize Ewald – ein junger Mann mit großen Gaben,doch ohne Berufung zum geistlichen Leben, der sichin eine verständliche Panik hineingesteigert hat.

Schwester Angelika – ein Mädchen, das von den Ereig-nissen verstört ist, die sie unwissentlich heraufbe-schworen hat, und das Weite sucht, aber nicht findet.

Sigbert von Antorpf – der Domherr mit reichen Pfrün-den, die zu besuchen eine seiner Hauptbeschäftigun-gen ist. Sein Drang zur Reinlichkeit aber macht ihmFeinde.

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Die Weltlichen:

Aziza – die maurische Hure, die keine ist, aber eineneinflussreichen, jedoch nicht näher bekannten Gön-ner hat.

Johanna – eine junge Badehur, die gelegentlich unent-geltlich junge Novizen einweiht und dabei versehent-lich auf die gerade Bahn gerät.

Heinrich Krudener – ein Kräuterhändler und Alchimist,der mehr weiß, als er verrät, und Benediktinermön-chen gegenüber nicht gerade freundlich gesonnenist.

Meinulf Wevers – ein junger Mann, der von dem Dom-herrn um sein Erbe betrogen wurde und letztendlichauch um sein Leben.

Ursula Wevers – Meinulfs Frau und trauernde Witwe,die nicht beschwören kann, was sie nicht weiß.

Wigbold Raboden – der Vizevogt, der vorsorglich Begi-nen und andere Frauen inhaftiert.

Pitter – der Päckelchesträger, ein junger Mann, der meis-tens mit dem – leeren – Magen denkt. Aber nicht im-mer.

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Die Beginen:

Magda von Stave – die Meisterin, die mit Diplomatieund kaufmännischem Geschick den Konvent leitetund sich nie zu unbedachten Äußerungen hinreißenlässt.

Rigmundis von Kleingedank – die Mystikerin, derenapokalyptische Visionen sich, wenn auch auf wun-derliche Weise, zu erfüllen pflegen.

Clara – die Gelehrte von delikater Gesundheit, die lie-ber feinsinnige Bibelübersetzungen anfertigt, als sichdie Finger mit rauen Arbeiten schmutzig zu machen.

Elsa – die Apothekerin, die allerlei Heilmittel kenntund auch vor Giften nicht zurückschreckt.

Trine – eine dreizehnjährige Schnüfflerin mit heilen-den Händen, die die hohe Kunst der Alchimie zu er-lernen sucht.

Gertrud – die Köchin, eine ziemlich verbitterte Per-son, die nichtsdestotrotz ihr Handwerk versteht understaunlich gut zuhören kann.

Thea – das Klageweib, das von einem ganz persönlichenJammer heimgesucht wird.

Bela und Mettel – die Pförtnerin und die Schweine-hirtin, die beide lieber arbeiten als beten.

Judith, Agnes und Irma – drei Schwestern die sich aufdas Seidweben verstehen.

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Und nicht zu vergessen diehistorischen Persönlichkeiten:

Friedrich III. v. Saarwerden – ein 28-jähriger Erzbischof,dummerweise abwesend, und mit ihm die gesamteGerichtsbarkeit, die eigentlich dringend in der Stadtbenötigt wird.

Meister Michael – ein begnadeter Dombaumeister,unter dessen Leitung der Südturm heranwächst.

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Vorwort

Das heilige Köln des Mittelalters war eine leb-hafte Stadt, und ihre Heiligkeit drückte sich

vor allem in den unzähligen großartigen Kir-chen, Klöstern und Stiften aus. Aber irgendwie be-schleicht mich immer, wenn ich mich mit der Chro-nik dieser wundervollen Stadt befasse, das Gefühl, dassdiese Heiligkeit nicht über den Wolken schwebte, son-dern ungemein bodenständig war. Vor allem wieder-holte Mahnungen der amtierenden Erzbischöfe wer-fen ein interessantes Licht auf die gängige Praxis, from-mes Leben mit purem Geschäftssinn zu vermischen.Etwa der Hinweis darauf, die Klosterbrüder mögen esdoch bitte unterlassen, in ihren Immunitäten, also imKlosterbezirk, Wein wie die Weinhändler zu verkau-fen oder wie Kneipenwirte anzubieten. Und den Non-nen wurde doch tatsächlich das Ausschenken von Bieruntersagt!

Die eleganteste Geschäftsidee jener Zeit aber warder kirchlich sanktionierte Ablasshandel, bei dem mansich durch eine Geldzahlung für gewisse Fristen ausdem zu erwartenden Fegefeuer freikaufen konnte. InKöln wurde dieser schwunghafte Handel vornehmlichzur Finanzierung des Dombaus betrieben. Gütig ge-währt wurde vom Erzbischof im Übrigen auch die Um-wandlung von Gelübden und Pilgerversprechen in Geld-

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werte, wenn sie denn dem Domkapitel zur Verfügunggestellt wurden.

Dass sich in diesem Zusammenhang durchaus einegewisse kriminelle Energie entwickeln konnte, bliebleider auch nicht aus.

Mein intensives und begeistertes Bibelstudium, dasnatürlich notwendig war, um Almut, der Begine, dietreffenden Bemerkungen auf die spitze Zunge legen zukönnen, brachte mir das Buch Jesus Sirach näher, einhinreißendes Werk voll praktischer Ratschläge undtiefer Weisheiten, die auch nach Tausenden von Jah-ren noch nicht ihre Gültigkeit verloren haben. Undsie sind von einer überwältigenden Sprachgewalt underschreckend bildhaft beschrieben. Wie etwa folgendeFeststellung, die den Leitgedanken der nachfolgendenGeschichte bestimmt:

»Wer mit Gewalt ein Urteil erzwingen möchte, derist wie ein Verschnittener, der eine Jungfrau schändenwill.« (20.4)

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Im heiligen Köln imHerbst des Jahres 1376

der Menschwerdungdes Herrn

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1. Kapitel

Domherr Sigbert von Antorpf verfluchte dieLangsamkeit der Träger. Er fluchte auch über

den Zustand der Straße und die unnötigen Auf-enthalte, denn Söldner hatten ihre Lager zwischen Bonnund Köln aufgeschlagen. Er fluchte ebenfalls darüber,in einer schwankenden Sänfte reisen zu müssen, dieihm Übelkeit verursachte. Aber die Wunde schmerztenach wie vor, selbst wenn sie inzwischen verheilt war.An Reiten war überhaupt nicht zu denken. Vor allemaber verfluchte der Domherr die Teufelin, die sie ihmzugefügt hatte. Dieses heimtückische Frauenzimmerwar der Grund für seine beschwerliche Reise – oderbesser gesagt, einer der Gründe. Sie war ihm ent-wischt, just als er sie zur Rechenschaft ziehen wollte.Und es war ihr, wie auch immer, gelungen, in denWirren der kriegerischen Auseinandersetzungen zwi-schen dem Erzbischof von Köln und dem Rat der Stadtirgendwo wie ein scheues Wild Unterschlupf zu fin-den. Er hatte ihre Fährte bis kurz hinter Bonn verfolgt,aber stets war sie ihm einen oder zwei Tage voraus.

Dieser Tag neigte sich nun schon wieder dem Endezu, und er wies die lahmen Trottel, die seine Sänfte tru-gen, an, an dem Gasthaus vor ihnen anzuhalten und ihndort abzusetzen. Stöhnend und steifbeinig wuchtete erseinen massigen Körper von dem Sitz und stützte sich

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schwer auf den schwarzen Knüttel, der ihm als Stockund gegebenenfalls auch als Waffe diente. Viel verspre-chend sah das Haus nicht aus, und das Gelärme ließdarauf schließen, dass hier lästiges Kriegsvolk Einkehrgehalten hatte. Aber der Domherr fühlte sich außerStande, nur noch einen Schritt weiter zu reisen. So gaber seinem Diener den Befehl, für ein standesgemäßesNachtlager zu sorgen. Unter Umständen war es sogarvon Nutzen, dass sich zahlreiche Gäste hier aufhielten.Möglicherweise hatte der eine oder andere die flüchtigekleine Hure gesehen.

In der Tat hatte man sie gesehen, und ihre Spur führtenach Köln.

Was der Domherr nicht wahrnahm, war die junge,verhärmte Frau, die, als sie seiner ansichtig wurde, hur-tig in den herbstlich langen Schatten der Bäume ver-schwand und sich trotz ihrer Erschöpfung und desHungers nicht mehr im Gasthaus sehen ließ.

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2. Kapitel

Es war ein heiterer Tag, die Luft war noch som-merlich warm, wenn auch bereits ein Hauch von

Herbst in dem milden Wind lag, der über dieengen Wege zwischen den Feldern strich und den tro-ckenen Staub aufwirbelte. Der Duft von Heu, reifenÄpfeln und der leicht säuerliche Geruch der Gärung lagdarin, aber ebenfalls eine Spur des fauligen Brodems,der aus dem Uferschlamm des Rheins aufstieg. Nachden heißen Sommermonaten führte der Fluss jetzt nurnoch wenig Wasser.

Drei Beginen, in schlichte graue Kleider gewan-det, züchtig die Haare mit den weißen Gebänden undSchleiern bedeckt, wanderten mit Körben voller Äpfelnvom Altenberger Hof zurück zu ihrem Heim in derNähe des Eigelstein-Tores. Sie hatten vom Gutsbe-sitzer die Erlaubnis erhalten, das Streuobst auf seinenWiesen zu sammeln, als Dank für ihren Beistand beider Bestattung eines alten, treuen Verwalters.

»Ein bisschen knauserig, der Kniesbüggel. Streu-obst… Ich bitte euch! Und voller Wespen! Dabei habeich mir die Seele aus dem Leib geschluchzt, als sie denalten Jobst unter die Erde gebracht haben!«

Thea, die geradezu professionell die Rolle des Klage-weibes beherrschte, war schlecht gelaunt, wie schonhäufiger in den vergangenen Wochen.

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»Ach, was soll’s, Thea. Gertrud wird einen wunder-baren Apfelwein daraus bereiten, und wenn du ihntrinkst, wirst du dem Kniesbüggel noch dankbar sein.Außerdem war es doch ein schöner Tag heute!«

Almut, die jüngste der drei Beginen, redete ihrer äl-teren Begleiterin besänftigend zu. Sie selbst fühlte sichwohlig müde und entspannt nach einem Tag leichterArbeit in der Sonne und der frischen Luft. Mit einemkraftvollen Schwung wechselte sie den schweren Korbvom rechten Arm zum linken, griff dann hinein, umeinen der rotbackigen Äpfel herauszuholen und herz-haft hineinzubeißen.

»Wir sollen nicht unbescheiden sein«, meinte sieleicht dahin, während sie sich den Saft von den Lippenleckte. »Wir haben nicht nur Fallobst in unseren Kör-ben, wie du siehst. Es sind von einem der Bäume aucheine ganze Menge schöner Äpfel heruntergefallen, nach-dem ich gegen den Stamm gestolpert bin. Die werdenzum Christfest noch herrliche Bratäpfel geben.«

»Du hast schon eine sehr merkwürdige Art zu stol-pern, Almut.« Theas verbiesterte Miene hellte sich auf,als sie sich daran erinnerte, wie Almut den Baum-stamm gerüttelt hatte, wodurch die Früchte nur so he-runterprasselten.

»Ja, ich bin entsetzlich ungeschickt. Morgen solltetihr jemand anderen mitnehmen, um Streuobst zu sam-meln.«

»Mal sehen.«Zufrieden mit dieser Antwort wanderte Almut weiter

zwischen den beiden voran und bemerkte dabei nicht,wie ihre dritte Begleiterin, Rigmundis, schweigsam undimmer matter wurde.

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Das Missgeschick geschah, als sie schon in Sicht-weite der Mauer waren, die ihr Heim umgab. Dort hat-ten die Karren und Fuhrwerke tiefe Spuren in denweichen Untergrund gegraben, der jetzt durch die an-haltende Trockenheit hart wie Stein geworden war. Rig-mundis schwankte, trat ungeschickt in eine Fahrspur,knickte mit dem Fuß um und stürzte auf den Weges-rand. Der Korb landete sanfter als sie, und nur wenigeÄpfel kollerten heraus. Sie gab einen überraschtenSchrei von sich und blieb liegen.

»Hoppla, was machst du denn!«Almut stellte ihren Korb ab und bückte sich zu der äl-

teren Frau, damit sie ihr beim Aufstehen helfen konnte.Rigmundis ergriff ihre Hand, um sich hochzuziehen,musste aber mit einem gequälten Stöhnen liegen blei-ben.

»Es geht nicht, Almut, mein Fuß schmerzt entsetz-lich!«

»Hast du dir den Knöchel verrenkt?«»Nicht nur das, mir ist so schwindelig, und dieser

Wespenstich auf meiner Hand pocht so schrecklich.«Sie zeigte ihre Hand, die stark angeschwollen und

glänzend rot geworden war.»Ei wei! Thea, gehst du bitte zur Pforte und bittest

Mettel und Bela darum, herzukommen und mir zu hel-fen? Sie sollen eines der Bretter mitbringen, die im Hofliegen.«

Wortlos machte sich Thea auf den Weg, währendAlmut Rigmundis half, sich in eine bequemere Lageaufzusetzen. Zum Glück kamen die beiden Beginen,junge, kräftige Frauen, sogleich angelaufen, und gemein-sam schafften sie es, sie auf dem Brett sitzend in den

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Hof und anschließend die Stiegen hinauf in ihre Woh-nung zu tragen.

Einige Zeit später stand Almut an ihrem Lager undsah zu, wie Magda den verrenkten Fuß fest bandagierte.

»Mir ist so heiß«, stöhnte die Verletzte und wälztesich unbehaglich hin und her.

Almut legte ihr die Hand auf die Stirn und schüttelteden Kopf. »Magda, ich fürchte, sie hat hohes Fieber. Eswar ihr schon vorhin schwindelig geworden. Zu dumm,dass unsere Apothekerin nicht hier ist.«

»Elsa kommt erst am Freitag wieder. Aber ich könnteihr eine Botschaft schicken, wenn es schlimmer wird.«Magda war die Meisterin der Beginen, das gewählteOberhaupt der kleinen Gemeinschaft von zwölf Frauen,die gemeinsam lebten und arbeiteten.

»Rigmundis, hast du weitere Schmerzen außerdenen in deinem Fuß?«

»Dieser Wespenstich tut mir weh. Und mir ist soheiß, ich brenne!«

Sie zerrte an ihren Kleidern. Voller Besorgnis sa-hen sich Almut und Magda an. Die letzte Pest-Epide-mie war zwar schon beinahe dreißig Jahre her, aber dieFurcht vor der Seuche war beiden durchaus gegenwär-tig. Sie halfen Rigmundis, die eng gebundene Kopftrachtabzulegen und die Kleider zu lösen, dann wickelten siesie in ihre Decken.

»Keine Schwellungen, keine Geschwüre«, flüsterteAlmut. »Es mag vielleicht wirklich nur an dem Wes-penstich liegen. Ich werde Trine bitten, einen Weidenrin-den-Aufguss zu richten. Und ich könnte Clara fragen, obsie einen Arzt kennt. Du weißt ja, ihre Gesundheit…!«

Die Meisterin nickte zustimmend, wischte Rigmun-

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dis mit einem feuchten Tuch über die heiße Stirn undwickelte es ihr dann um die geschwollene Hand. Almutverließ das Zimmer.

Trine saß auf einer Bank am Kräutergarten und zogmit widerwilliger Miene Nadel und Faden durch einStück Leinen, das einmal ein Hemd werden sollte. Dasreine Weiß wirkte ein wenig schmuddelig, denn viellieber, als sich mit Näharbeiten zu beschäftigen, wu-selte das dreizehnjährige Mädchen in den Beeten he-rum oder half Elsa in ihrer Kräuterküche. Darum er-hellte ein leuchtendes Lächeln ihr Gesicht, als Almutsacht ihre Schulter berührte und ihr mit einigen Hand-zeichen bedeutete, sich in der Apotheke nützlich zumachen. Hurtig verschwanden Hemd und Nähzeug imKorb, und kurz darauf stand Trine, mit aufgestecktemgoldblondem Zopf, über den Kessel gebeugt und rührtein einem streng riechenden Gebräu.

Währenddessen ging Almut zu einem der Häus-chen, die um die Mitte des Grundstücks gebaut warenund einen beinahe quadratischen Hof bildeten. Sie be-wohnte es zusammen mit Clara, einer leidenschaftli-chen Gelehrten, die sich mit Inbrunst in ihre Büchervertiefen konnte und höchst tiefsinnige Diskussio-nen zu führen verstand. Auch jetzt saß sie mit frischangespitzter Feder über einem Pergament und zeich-nete säuberlich einen Text auf, den sie zuvor auf einemWachstäfelchen vorgeschrieben hatte.

»Tut mir Leid, wenn ich dich störe. Aber Rigmundisgeht es ziemlich schlecht.«

»Oh…« Clara tauchte aus ihrer Versenkung auf. »Ja,natürlich. Dahinter muss Jesus Sirach wohl zurückste-hen.«

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Andrea Schacht

Das Werk der TeufelinRoman

Taschenbuch, Broschur, 384 Seiten, 11,5 x 18,3 cmISBN: 978-3-442-36466-4

Blanvalet

Erscheinungstermin: Mai 2006

Köln, anno domini 1376. „Sucht die Teufelin bei den Beginen!“ Schockiert vernimmt derBenediktinerpater Ivo die letzten Worte eines einflussreichen Domherrn, der mysteriöserweiseunter einer herabstürzenden Glocke stirbt. Aber an wen sollte der Domherr bei dieser düsterenAufforderung gedacht haben? Hat womöglich Pater Ivos spezielle Freundin Almut Bossart, diescharfzüngige junge Begine vom Konvent am Eigenstein, mit dem Vorfall zu tun? Ein origineller historischer Spannungsroman aus dem mittelalterlichen Köln – temporeich,dramatisch und gespickt mit köstlich witzigen Dialogen!