exhalationsnarkotica oder operationsschlafmittel?

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I848 KLINISCHE WOCHENSCtlRIFT. 6. JAHRGANG. Nr. 39 2. Bei der tachykardischen Form der Arhythmia perpetua 1M3t sich aus der Berechnung der H~ufigkeit des Vorkommens der einzelnen zeitlichen Pulsl~ngen im EKG. (wobei Unter- schiede bis zu o,o9 Sekunden nicht berficksichtigt werden) entnehmen, dab sich die verschiedenen Pulsl~ngen zu einem st~irkeren oder geringe ten Grade um einen bestimmten do- minierenden Rhythmns gruppieren. Dabei betr~igt in meinen Untersuchungen die Strenungsbreite o39--o,59". 3. Bei der bradykardischen Form der Arhythmia Terpetua ist ein dominierender Rhythmus welt weniger deutlieh zu erkennen. Die vorkommenden Pulsl~ngen gruppieren sich mehr oder weniger ausgepr~gt um verschiedene bestimmte L~ngen, d. h. es sind mehrere dominierende Rhythmen vor- handen. Dabei ist die Streuungsbreite atler vorkommender Pulsl~ngen ganz bedeutend gr6Ber. Sie betr~gt in meinen Untersuchungen o,69-- 1,29". 4~ D u t c h Digitalisbehandlung werden (vgl. WENCKXBACH) die gleichen Ver~nderungen hervorgerufen, wie sie soeben bei der bradykardischen Form der Arhythmia perpetua erw~hnt wurden. 5. Nach der Injektion von Img Atropin sul]. nahm die Streuungsbreite bei 2 Kranken im Laufe der n~chsten Stun- den zu. 6. Je gr6Ber die Streuungsbrei~e, um so weiter entfernen sich die Verh~ltnisse yon der Norm, um so ausgepr~gter ist der Grad der Arhythmie, um so undeufiicher wird die ]s kennung eines dominierenden Rhythmus und es entsteht die Neigung zum Auftreten mehrerer dominierender Rhythmen. Umgekehrt besteht bei kleiner Streuungsbreite die Neigung zu einem einzelnen dominierenden Rhythmus. Die Streu- ungsbreite ist demnaeh ein Gradmesser ]i~r die Sehwere der St6rung, ]i~r den Grad der vorhandenen Arhythmie. Man k6nnte sich die Vorstellung machen, dab bei den Arhyth- mien mit ausgedehnter Streuungsbreite und mehreren dominieren- den Rhythmen mehrere Orte der Reizbildung anftreten, wobei solche Orte, die sich dem Sinus n~hern, zu dem raschen Rhythmus, soIche Orte, die mehr naeh der Kammer zu gelegen sind, den lang- sameren Rhythmus hervorrufen. Trifft das zu, so w~re man in der Lage, aus der Anzahl der dominierenden Rhythmen au f die Anzahl der Orte zu schlieBen, yon denen aus Reizbildung und Erregung ausgehen. Fur bei bestimmten Krankheitszust~nden, z. t3. einzelnen FMlen yon Basedow (E. MOSLER) kommen mehr als zwei benachbarte, genau gleich lange Pulse vor. Meine Ausmessungen gehen nut bis zur zweiten und nicht, wie bei MOgLER, bis zur dritten Dezimale. Ich kann daher keine durch~us zutreffenden Vergleiche anstellen. Immerhin 5~llt es mir bei der Durchsicht der Protokolle auf, dab merkwi{r-digerweise bei einzelnen, besonders bei tachykardischen F~llen yon Arhythmia perpetua mehr als zwei benachbarte gleieh oder fast gleich lange Pulse (bis zu ffln5) angetroffen werden (vgl. Bemerkungen zur Tabelle 2, Fall 9)- Bei Arhythmia perp. lassen sich nicht ohne weiteres aus dem VerhMten der Pulsfrequenz R~ckschlfisse au5 das Verhalten der tterzfrec!uenz ziehen, denn die Differenz zwischen Pnls- nnd Herz- rhythmus, das Pulsdefizit, kann hier sehr hohe W-erte (LnNDS- GAARD, Klin. Wochenschr. 1922, S. 461, 5indet Unterschiede bis zu 82 Pulsen pro Min.) erreichen, Lit e r a t u r: W~NCKE~aCH, Die unregelm~Gige Herztgtig- keit usw. -- vo~ t~OMBERG, Lehrbuch der Herzkrankheiten. -- voN KR~nL, Die Erkrankung des tlerzmuskels. Nothnagels spez. Path. ~5, 55. !9 ~ -- VII~RORDT, Die Lehre vom Arterienpuls. Braunschweig i885. -- yon D~ MICHEL, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 49, 36o. 1892. -- Ilt~sxz~, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 54, 229. I895. -- J~NOWSKL Dtsch. Arch. 5. klin. Med. 9 x, 24o. I9o7 -- E. MosLem, Ztsehr. 5. Min. Med. 75, K. 5 u. 6; Klin. Wochenschr. I925, Nr. 47. -- F. K~*vs, R. GozDsc~I~ und S. S~ZLm, Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 53, 243. 19:6. -- GEm~L, Mfinch. med. Wochenschr. I911, Nr. 25. -- I~AUF, Wien. Arch. 5. inn. Med. 5, 567. I923. EXHALATIONSNARKOTICA ODER OPERATIONS- SCHLAFMITTEL ? Von Prof. S. LoEw~, Direktor des P'harmakolpgischen Universit~its-Instituts zu Dorpat. Bei jeder EinverlMbung eines zu resorptiver Wirkung bestimmten ArzneimitteIs erf01g~ ein Anstieg der Konzen- 24. SEPTEMBER I927 tration dieses Arzneimittels in den K6rpers~ften, ehe die Konzentration ihren Gipfel erreicht hat, und yon dem Gipfel sp~terhin wiederum ein Abfall der Konzentration his auf o mit dem Abklingen des pharmakologischen Einwirkungspro- zesses. Der Gesamtablauf einer solchen Konzentrations- schwankung in den K6rpers~ften entspricht aIso dem Bild einer ,,Konzentrationswelle" mit einem ,,Anflutungs-" und einem ,,Abebbungs"schenkel. Zwischen beiden Schenkeln befindet sich, in wechselnder Gestaltung je nach der Art des Mittels und seiner Zufuhr, der spitze oder abgeflachte Konzentrations- gipfel. Diese seibstverst~ndlichen Grundtatsachen fiber die Konzentrationsschwankung eines einverleibten Arzneimittels werden von besonderer Bedeutung in allen den F~llen, in welchen die Wirkungsst~rke des angewandten Arzneimittels eine einfache Funkfion seiner Konzentration in den K6rper- s~ften ist. Das ist bekanntlich nicht bei allen Arzneimitteln so [es braucht nur an die Potentialgifte STR~UBS oder an die ,,(c x t)"-Formel HABERS fiir die Reizgase erinnert zu werden], aber gerade ffir die ,,indiMerenten Narlcotica" gilt, dab in dieser ganzen pharmakologischen Gruppe yon rever- siblen ,,Gleichgewichts-" bzw. ,,Konzentrations"giften die Wirkungsst~rke ausschlieBlich yon der ]eweils im GesamtsdiJte- strom herrschenden Pharma]conlconzentration abhdngig ist. Daher ist ja bekanntlich entseheidend fi~r den Aus/all der pharmalco- logisehen Wirkung eines ]eden Narkoticums H6he und Gestalt des zustande gebrachten Konzentrationsg@]els. Von ihm wird die dutch ein Schlafmittel erzeugte Schla]tie# in gleicher Weise beherrscht wie die Narkosetie]e, die mit dem Operations- narkoticum herbeigefiihrt werden soll. Und das A und O der Aufgabe, die dem Narkotiseur gestellt ist, ist die Regelung der, die Nar]cosentie]e beherrschenden G@Jellconzentration seines Narkosemittels. Die Steuermannsau]gabe, die dem Narkotisenr obliegt, ist des- wegen yon so groBer Wichtigkeit, weil die 0perations,,tiefe", deren ,,Knrs" er ,,einhalten" muG, so nahe an den Klippen einer lebens- wichtige Zentren bedrohenden L~hmung vorbeiffihrt. Von den beiden, einander entgegengesetzten Drehriehtungen des Narkose- steuers dient die eine der Aufrechterhaltung der ausreichenden Narkosentie~e, damit der Narkosenkurs nicht auf die Sandb~nke einer mit Exzitation, Spannreaktion oder gar Schmerzreaktion einhergehendeu Narkosenver]lachung abschweift, die andere der Vermeidung jener lebenbedrohenden Abschweifung in narkotische Uberkonzentrationen. Jene Bewegung des Steuers t~tigt die An- flutung, diese die Abebbung. Und was ein Hypnotieum so ein- schneidend yon einem Operationsnareotikum unterscheidet, ist, dab bei diesem Anflutung und Abebbung durch ldeinste Hebel- bewegungen in ktirzester Frist in Aktion gesetzt, also der Kurs einer ganz bestimmten konstanten G@]elkonzentratlon unter geri.ngstern Steuerungsau]wand eingehalten werden Icann. Ffir diesen Zweck ist es zun~chst notwendig, dab der Anflutungsvorgang sich erforderlichenfalls m6glichst schnelI abspielen kann. Darauf legt der Chirurg ffir den Zeitraum des Anfiutnngsschenkels der Konzentrationswelle aus einem mehr XuBerlichen Grunde ganz besonderen Wert; er wfinscht, dab der zu Narkotisierende m6glichst schnell operationsrei/ wird. Darum leuchtet ihm der Vorschlag eines dampffSrmigen der Einatmungslu]t beimengbaren und dutch die grofle Lungen- ober]Iiiehe uni~bertre]]lich sehnell in die Blutbahn einstr6me~den N~rkoticums ganz-besonders ein, darum auch verwendet er mit besonderem Verst~ndnis und besonderer Neigung flit derartige Operationsnarkotica den Terminus ,,Inhalations- narkoticum". Die genaniaten Vorz/ige eines Inhalations- narkotikums tiaben aber eine weitaus gr6Bere Bedeutung als fill: den ersten Zeitranm der Einleitung der Narkose w~ilzrend des tolgenden Zeitraums, in welchem die Gip/elh6he mit dem Wirkungserfolg der Operationsrei% Iconstant anfreet~t- erhalten Werden muB.. Das wird dutch die einfache l~)berlegung klar, dab ein steil ansteigender Anflutungsschenkel tier Konzentrationswelle, also der dem Chirurgen aus Grflnden der Zeitersparnis so willkommene schnelle Eintritt der Operationsreife aueh mit andere.n Mitteln als denen der I~halation. ebenso leicht, ~a noeh leichter erreicht werden kann. Die Zufuhr des Inhalationsnarkoticums Ather auf dem yon den Inhalationsorganen welt abgelegenen V~%ge der rectale~ )%ther- O1-Narkose, also die. Anflutung des Narkoticums yon der aus- gedehnten Rectalschleim-haut start yon der Alveolaroberfl~che her

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Page 1: Exhalationsnarkotica Oder Operationsschlafmittel?

I848 K L I N I S C H E W O C H E N S C t l R I F T . 6. J A H R G A N G . N r . 39

2. Bei der tachykardischen Form der Arhythmia perpetua 1M3t s ich aus der B e r e c h n u n g de r H~uf igke i t des V o r k o m m e n s d e r e inze lnen ze i t l i chen Pu l s l~ngen im E K G . (wobei U n t e r - sch iede bis zu o,o9 S e k u n d e n n i c h t be r f i cks ich t ig t werden) e n t n e h m e n , dab sich d i e v e r s c h i e d e n e n Pu l s l~ngen zu e inem st~irkeren oder ger inge t e n Grade u m e inen b e s t i m m t e n do- m i n i e r e n d e n R h y t h m n s g rupp ie ren . D a b e i betr~igt in me inen U n t e r s u c h u n g e n die S t r e n u n g s b r e i t e o 3 9 - - o , 5 9 " .

3. Bei de r bradykardischen Form der Arhythmia Terpetua i s t ein d o m i n i e r e n d e r R h y t h m u s we l t weniger deu t l i eh zu e rkennen . Die v o r k o m m e n d e n Pu l s l~ngen g rupp ie r en s ich m e h r oder weniger ausgep r~g t u m ve r s ch i edene b e s t i m m t e L~ngen, d. h. es s ind m e h r e r e d o m i n i e r e n d e R h y t h m e n vor- h a n d e n . D a b e i i s t die S t r e u u n g s b r e i t e a t ler v o r k o m m e n d e r Pu l s l~ngen ganz b e d e u t e n d gr6Ber. Sie b e t r ~ g t in m e i n e n U n t e r s u c h u n g e n o ,69 - - 1,29".

4~ D u t c h Digitalisbehandlung werden (vgl. WENCKXBACH) die g le ichen V e r ~ n d e r u n g e n he rvorge ru fen , wie sie soeben bei der b r a d y k a r d i s c h e n F o r m der A r h y t h m i a p e r p e t u a e r w ~ h n t wurden .

5. N a c h de r I n j e k t i o n v o n I m g Atropin sul]. n a h m die S t r e u u n g s b r e i t e bei 2 K r a n k e n i m Laufe der n ~ c h s t e n S tun - den zu.

6. J e gr6Ber die St reuungsbre i~e , u m so wei te r e n t f e r n e n sich die Verh~ l tn i s se y o n der Norm, u m so ausgepr~g te r i s t der Grad der A r h y t h m i e , u m so u n d e u f i i c h e r wi rd die ]s k e n n u n g eines d o m i n i e r e n d e n R h y t h m u s und es e n t s t e h t die Ne igung z u m A u f t r e t e n m e h r e r e r d o m i n i e r e n d e r R h y t h m e n . U m g e k e h r t b e s t e h t bei k le iner S t r e u u n g s b r e i t e die Ne igung zu e inem e inze lnen d o m i n i e r e n d e n R h y t h m u s . Die Streu- ungsbreite ist demnaeh ein Gradmesser ]i~r die Sehwere der St6rung, ]i~r den Grad der vorhandenen Arhythmie.

Man k6nnte sich die Vorstellung machen, dab bei den Arhyth- mien mit ausgedehnter Streuungsbrei te und mehreren dominieren- den Rhy thmen mehrere Orte der Reizbildung anftreten, wobei solche Orte, die sich dem Sinus n~hern, zu dem raschen Rhythmus , soIche Orte, die mehr naeh der Kammer zu gelegen sind, den lang- sameren Rhy thmus hervorrufen. Trifft das zu, so w~re man in der Lage, aus der Anzahl der dominierenden Rhy thmen au f die Anzahl der Orte zu schlieBen, yon denen aus Reizbildung und Erregung ausgehen.

F u r bei bes t immten Krankheitszust~nden, z. t3. einzelnen FMlen yon Basedow (E. MOSLER) kommen mehr als zwei benachbarte , genau gleich lange Pulse vor. Meine Ausmessungen gehen nu t bis zur zweiten und nicht, wie bei MOgLER, bis zur dr i t ten Dezimale. Ich kann daher keine durch~us zutreffenden Vergleiche anstellen. Immerhin 5~llt es mir bei der Durchsicht der Protokolle auf, dab merkwi{r-digerweise bei einzelnen, besonders bei tachykardischen F~llen yon Arhy thmia perpetua mehr als zwei benachbar te gleieh oder fast gleich lange Pulse (bis zu ffln5) angetroffen werden (vgl. Bemerkungen zur Tabelle 2, Fall 9)-

Bei Arhy thmia perp. lassen sich nicht ohne weiteres aus dem VerhMten der Pulsfrequenz R~ckschlfisse au5 das Verhal ten der tterzfrec!uenz ziehen, denn die Differenz zwischen Pnls- nnd Herz- rhythmus , das Pulsdefizit, kann hier sehr hohe W-erte (LnNDS- GAARD, Klin. Wochenschr. 1922, S. 461, 5indet Unterschiede bis zu 82 Pulsen pro Min.) erreichen,

L i t e r a t u r : W~NCKE~aCH, Die unregelm~Gige Herztgtig- keit usw. -- vo~ t ~ O M B E R G , Lehrbuch der Herzkrankheiten. -- voN KR~nL, Die Erkrankung des tlerzmuskels. Nothnagels spez. Path. ~5, 55. !9 ~ - - V I I ~ R O R D T , Die Lehre vom Arterienpuls. Braunschweig i885. -- yon D ~ MICHEL, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 49, 36o. 1892. -- Ilt~sxz~, Dtsch. Arch. f. klin. Med. 54, 229. I895. -- J~NOWSKL Dtsch. Arch. 5. klin. Med. 9 x, 24o. I9o7 �9 -- E. MosLem, Ztsehr. 5. Min. Med. 75, K. 5 u. 6; Klin. Wochenschr. I925, Nr. 47. -- F. K~*vs, R. G o z D s c ~ I ~ und S. S~ZLm, Zeitschr. f. d. ges. exp. Med. 53, 243. 19:6. -- GEm~L, Mfinch. med. Wochenschr. I911, Nr. 25. - - I ~ A U F , Wien. Arch. 5. inn. Med. 5, 567. I923.

EXHALATIONSNARKOTICA ODER OPERATIONS- SCHLAFMITTEL ?

Von Prof . S. L o E w ~ ,

Direktor des P'harmakolpgischen Universit~its-Instituts zu Dorpat.

Bei j eder E i n v e r l M b u n g eines zu r e s o r p t i ve r W i r k u n g b e s t i m m t e n Arzne imi t t e I s erf01g~ ein Ans t ieg der Konzen-

24. SEPTEMBER I927

tration dieses Arzneimittels in den K6rpers~ften, ehe die K o n z e n t r a t i o n i h r en Gipfel e r r e i ch t ha t , und yon d e m Gipfel sp~ te rh in w iede rum ein Abfa l l der K o n z e n t r a t i o n h is auf o m i t d e m A b k l i n g e n des p h a r m a k o l o g i s c h e n E i n w i r k u n g s p r o - zesses. Der G e s a m t a b l a u f e iner so lchen K o n z e n t r a t i o n s - s c h w a n k u n g in den K6rpe r s~ f t en e n t s p r i c h t aIso d e m Bi ld einer , ,Konzentrat ionswelle" m i t e inem , ,Anf lu tungs-" u n d e inem ,,Abebbungs"schenkel. Zwischen be iden S c h e n k e l n b e f i n d e t sich, in wechse lnder G e s t a l t u n g je n a c h de r A r t des Mi t te l s u n d seiner Zufuhr , der spi tze oder abge f l ach t e Konzentrations- gipfel. Diese se ibs tve r s t~nd l i chen G r u n d t a t s a c h e n fiber die K o n z e n t r a t i o n s s c h w a n k u n g eines e inve r l e ib t en Arzne imi t t e l s werden v o n b e s o n d e r e r B e d e u t u n g in a l len den F~llen, in welchen die W i r k u n g s s t ~ r k e des a n g e w a n d t e n Arzne imi t t e l s eine e infache F u n k f i o n seiner K o n z e n t r a t i o n in den K6rpe r - s~f ten ist. Das is t b e k a n n t l i c h n i c h t bei a l len A r z n e i m i t t e l n so [es b r a u c h t n u r a n die Po t en t i a lg i f t e STR~UBS oder an die ,,(c x t ) " - F o r m e l HABERS fiir die Reizgase e r i n n e r t zu werden] , abe r gerade ffir die ,,indiMerenten Narlcotica" gilt , d ab in dieser ganzen p h a r m a k o l o g i s c h e n G r u p p e y o n rever - s iblen , ,Gle ichgewichts -" bzw. , , K o n z e n t r a t i o n s " g i f t e n die Wirkungsst~rke ausschl ieBl ich yon der ]eweils im GesamtsdiJte- strom herrschenden Pharma]conlconzentration abhdngig ist. D a h e r is t ja b e k a n n t l i c h entseheidend fi~r den Aus/all der pharmalco- logisehen Wirkung eines ]eden Narkoticums H6he und Gestalt des zustande gebrachten Konzentrationsg@]els. Von i h m wird die d u t c h ein Schlafmittel erzeugte Schla]tie# in gleicher Weise b e h e r r s c h t wie die Narkosetie]e, die m i t d e m Operations- narkoticum herbe ige f i ih r t we rden soll. U n d das A u n d O der Aufgabe , die d e m N a r k o t i s e u r geste l l t ist, i s t die Regelung der, die Nar]cosentie]e beherrschenden G@Jellconzentration seines Narkosemittels.

Die Steuermannsau]gabe, die dem Narkotisenr obliegt, ist des- wegen yon so groBer Wichtigkeit, weil die 0perations,,tiefe", deren ,,Knrs" er ,,einhalten" muG, so nahe an den Klippen einer lebens- wichtige Zentren bedrohenden L~hmung vorbeiffihrt. Von den beiden, einander entgegengesetzten Drehriehtungen des Narkose- steuers dient die eine der Aufrechterhal tung der ausreichenden Narkosentie~e, dami t der Narkosenkurs nicht auf die Sandb~nke einer mit Exzitat ion, Spannreaktion oder gar Schmerzreaktion einhergehendeu Narkosenver]lachung abschweift, die andere der Vermeidung jener lebenbedrohenden Abschweifung in narkotische Uberkonzentrationen. Jene Bewegung des Steuers t~tigt die An- flutung, diese die Abebbung. Und was ein Hypnotieum so ein- schneidend yon einem Operationsnareotikum unterscheidet, ist, dab bei diesem Anflutung und Abebbung durch ldeinste Hebel- bewegungen in ktirzester Frist in Aktion gesetzt, also der Kurs einer ganz bestimmten konstanten G@]elkonzentratlon unter geri.ngstern Steuerungsau]wand eingehalten werden Icann.

Ffir diesen Zweck i s t es zun~chs t no twend ig , dab der Anflutungsvorgang sich er forder l ichenfa l l s m6g l i chs t schnel I absp ie len k a n n . D a r a u f legt der Chi rurg ffir den Z e i t r a u m des A n f i u t n n g s s c h e n k e l s der K o n z e n t r a t i o n s w e l l e aus e inem m e h r XuBerlichen G r u n d e ganz b e s o n d e r e n W e r t ; er wfinscht , dab der zu Narko t i s i e r ende m6glichst schnell operationsrei/ wird. D a r u m l e u c h t e t i h m der Vorsch lag eines d a m p f f S r m i g e n der Einatmungslu]t beimengbaren und dutch die grofle Lungen- ober]Iiiehe uni~bertre]]lich sehnell in die Blutbahn einstr6me~den N~rko t i cums g a n z - b e s o n d e r s ein, d a r u m a u c h v e r w e n d e t er m i t b e s o n d e r e m Ver s t~ndn i s u n d b e s o n d e r e r Ne igung f l i t de ra r t ige O p e r a t i o n s n a r k o t i c a den T e r m i n u s ,,Inhalations- narkoticum". Die genania ten Vorz/ige eines I n h a l a t i o n s - n a r k o t i k u m s t i aben abe r eine we i t aus gr6Bere B e d e u t u n g als fill: den e r s ten Z e i t r a n m der E i n l e i t u n g der N a r k o s e w~ilzrend des t o lgenden Ze i t r aums , in we lchem die Gip/elh6he m i t d e m Wirkungse r fo lg der Opera t ions re i% Iconstant anfreet~t- erhalten Werden muB..

Das wird dutch die einfache l~)berlegung klar, dab ein steil ansteigender Anflutungsschenkel tier Konzentrationswelle, also der dem Chirurgen aus Grflnden der Zeitersparnis so willkommene schnelle E in t r i t t der Operationsreife aueh mit andere.n Mitteln als denen der I~halation. ebenso leicht, ~a noeh leichter erreicht werden kann. Die Zufuhr des Inhalat ionsnarkot icums Ather auf dem yon den Inhalat ionsorganen welt abgelegenen V~%ge der rectale~ )%ther- O1-Narkose, also die. Anflutung des Narkoticums yon der aus- gedehnten Rectalschleim-haut s tar t yon der Alveolaroberfl~che her

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24. S E P T E M B E R 1927 K L I N I S C H E W O C t - I E N S C H

leistet Nhnliches. Grunds~tzlich wfirde auch, wenn sie durchffihrbar w~re, die subcutane Zufuhr des Narkoticums schnelle Anflutung zuwege bringen, uild noch unfibertrefflicher als die Zufuhr per inhalat ionem ist die uilmittelbare Eihffihrung des passend ver- di innten Narkot icums in die Blutbahn selber, wobei gegebenenfaIls im Zei traum weniger Sekunden mit steilstem Ailstiegswinkel der gesamte Ailflutuilgsvorgang bewerkstelligt und der Konzen- trationsgipfel erreicht sein kann. Uild in allen dieseil FNlen ist es ganz einerlei, ob das benutzte Narkot icum inhalierbar und fliichtig, oder ob es yon hohem Siede- bzw. Schmelzpuilkt, also vom Charakter eiiles Hypnot icums ist (unter der einzigen Voraus- setzung hinreichender Wasserl6slichkeit).

Die t 3 e d e u t n n g der I n h a l i e r b a r k e i t l iegt also v o r a l l em in de r l e i ch t en t : I a n d h a b u n g des A n f l u t u n g s s t e u e r s w ~ h r e n d de r be re i t s in r o l l e r F a h r t be f ind l i chen Narkose . Hie r i s t n u n abe r die 2Exhal ierbarkei t des ,,Inhalationsnarkoticums" yon n i c h t ger ingerer Wich t igke i t . D e n n zur S t e u e r u n g auf dem} N u t s de r Vo l lna rkose is t aul3er d e m le ich t fo lgenden A n f l u t u n g s s t e u e r a u e h die B e t ~ t i g u n g de r Gegensteuerbe- wegung, die Hantie~ung des Abhebens en t sche idend . Dari~ber hlnaus bildet aber die 2Exhalation eines fli~chtigen Narkoticums ganz ohne Ansehung des Zu]i~hrungsweges eine uni~bertre]]liche Methode zur 2Erzielung schnellster Abebbung der Narkose- ]conzentration, wenn der terminale Abebbungsschenkel erreicht ist. D e n n als Frozesse der A b e b b u n g , d . h . V e r m i n d e r u n g de r be s t ehe l l den A r z n e i k o n z e n t r a t i o n in den K6rpers~f ten , kom- m e n die 3 fo lgenden in B e t r a c h t : i . ZerstSrung i n n e r h M b des Organ i smus , 2. Ablenkung des P h a r m a k o n s aus d e m S~fte- s t r o m auf ein Nebengleis , 3. Ausscheidung. U n t e r den Aus- s che idungsprozessen w i e d e r u m s t e h e n in W e t t b e w e r b : Aus- s c h e i d u n g a) d u t c h die Niere, b) d u r e h den D a r m , c) d u t c h Speichel , SehweiB usw. u n d d) d u t c h die Lungenobe r f l~che . U n d es k a n n k e i n e n A u g e n b l i c k zwei ie lha f t sein, daB, w e n n de r Aussche idungs w eg d u t c h die L u n g e i i b e r h a u p t ffir das be t r e f f ende A r z n e i m i t t e l l e i ch t genug b e s c h r e i t b a r ist, diese A r t der A u s s c h e i d u n g u n d d a m i t diese Methode der Abebbung an Schnelligkeit dutch keine der i~brigen Abebbungsmethoden auch nu t anndhe~nd erreicht werden kann.

Die Bezeichnung ,,2Exhalationsnarkoticumi'* Icennzeichnet also viel wesentlichere 2Eigenscha/ten dieser Untergruppe der Operationsnarkotica, als die sonst gangbare Benenn~gsweise ,,Inhalationsnarkoticum ".

Die B e r e c h t i g u n g , die A b e b b u n g s f r a g e so wich t ig zu n e h m e n , k o n n t e als e rwiesen b e t r a c h t e t werden d u r c h die l ange Zei t- spanne , in welcher die t e c h n i s c h e Hegemonie der fl~chtigen Narkotica au f d e m Gebie te de r O p e r a t i o n s n a r k o s e unein- gesehr5nkt war. Sie is t g e k e n n z e i c h n e t d u r c h Ch lo ro fo rm u n d Ather , die als l e ich t de r E i n a t m u n g s l u f t b e i m e n g b a r e Tr~ger cker Narkosewi rku l lg im Ope ra t i ons saa l so lange abso lu t i s t i s ch das Zep te r I f ihr ten, u n d d u r c h die Narkosegase, als de ren Ver- t r e t e r das Bes t r eben , n o c h bessere Ill- bzw. E x h a l a t i o n s - n a r k o t i c a zu schaffen, vo r a l l em A t h y l e n u n d Ace ty l en ( , ,Narcy len" ) einff ihr te , die sich sei t e t l i chen J a h r e n ein a u c h h e u t e n o c h w a c h s e n d e s A n w e n d u n g s f e l d e robern . E r s t ill d en a l l e r l e t z t en _Jahre~/ schd in t n u n jenes gleiche Bedfi r fnis n a c h e iner Ve rbes s e r ung d e r o p e r a t i v e n N a r k o s e v e r f a h r e n die E x h a l a t i o n s l l a r k o t i c a aus dem Fe lde sch lagen zu' wollen. Diese G e g n e r s c h a f t i s t der I n h a l a t i o n s n a r k o s e in 2 n e u e n T y p e n de r O p e r a t i o n s n a r k o s e e r s t a n d e n , Ms welche wir die , ,Somnife~"- u n d die , ,Avertin"narkose n e n n e n k 6 n n e n .

l~eide G r u p p e n kennze ich l l e t die Verwendung einJacher, h 6 c h s t e n s dutch hinreichende WasserlSsliehkeit herausgehobener niehtfl~ehtiger Schla]mittd ffir die Zwecke des Operations- narkotiseurs. ~ e i m Somni fe l l t ypus geh6ren die v e r w e n d e t e n S c h l a f m i t t e l d u r c h g e h e n d der B a r b i t u r s ~ u r e g r u p p e all, u n d sie werden ill w~Briger LSsung in e iner Dosis in die Vene e ingespr i t z t , die unge f~h r den N a r k o s e g r a d de r Opera t ions - reife h e r v o r z u r u f e n ve r m ag .

I m Somnifen ist sehleehthin die DiXthylbarbiturs~ure selbst, also das gute alte Schlafmittel Veronal, dutch I-Ierstelluilg einer L6suilgsverbindung hinreicheild wasserl6slich gemacht. Im ,,Periloctoil", dem Ileuesteus empfohleilen Yertreter des gleichen Typus, ist an die Stelle des Veronals eine etwas anders substi tuierte abet gruildsXtzlich gleiehartige Dialkylbarbiturs~ure getreteil. * I eh benutze daher diese Bezeiehnu~g,,Exhalatio~snarkotieum", darinW, t t E U B N E R folgend, yon dem sie s tammt, seit langem im U~terrieht.

Klinische Woehenschrift, 6. Jahrg.

R I F T . 6. J A H R G A N G . N r . 39 1849

Der zwei te T y p u s dieser n e u e n O p e r a t i o n s n a r k o t i c a u n t e r s c h e i d e t s ich ill se inem b i she r e inzigen Ver t r e t e r , d e m ,,Avertin" ( F a b r i k b e z e i c h n u n g : , ,E IO7" ) im G r u n d e n u r da~ d u t c h v o m Somni f en typus , d a b h ie r die w~grige L 6 s u n g r ec t a l s t a t t i n t r a v e n 6 s zugef i ih r t wird.

Das Avertii1 ist ein bromierter Athylalkohol mi t einem merklic]a fiber Zimmertemperatur liegenden Schmelz- und einem ent- sprechend vim h6her liegenden Siedepunkt. Schon der 2~thyl- alkohol selbst ist bekannt l ieh nu t zum geringsten Teil durch die Lunge ausscheidbar, der ]3romgehalt des Avertiils setzt die Flfieh- tigkeit -- uild Zerst6rbarkeit -- noch weiter herab; Ilnd so ist das Avert in yon vorillhereiil dem Trichlorpropylalkohol ,,Isopral"

- - den man auctl einst ffir ~hilliche Zwecke eiilzuffihren versucht ha t -- oder dem Chloralhydrat vim ngher zu stellen als etwa dem Chloroform oder auch nur dem recht weilig flfldhtigen Bromo- form. Das Avert in ist also gleiehfalls Ilur eii1 Hypnotieum , genau wie die Ileueu Operationsschla/mittel der Veronalgruppe. Eine gewisse Eigenart zeigt es h6chstens darin, dab mail auch mit diesem Mittel, etwa wie bei der reetalen J~ther-O1-Narkose, eine hiilreichend schnelle Ailflutuilg yon der Rectalschleimhaut aus er- zielen kailn, um biilnen 15 Miiluten die Konzeil tration in den K6rpers~ften dem Konzeiltrationsgipfel bereits ausreichend nahe zu fiilden.

DaB diese n e u e n O p e r a t i o n s n a r k o t i c a in W i r k l i c h k e i t SehlaJmittel siild, ze igt s ich n u n a u c h dar in , d a b sie n e b e n a l lem G e n a n n t e n a u c h die b e s o n d e r e n Wirkungsqualitdten bes i tzen , die ein gutes Sch l a fmi t t e l ausze ichnen . A u c h n a c h der A u s w a h l seiller ce reb ra l en A n g r i f f s p u n k t e l~Bt sich n~ml ich ein ech tes Schlafmittel yon e inem O p e r a t i o l l s n a r k o t i e u m un te r sche iden .

Das ist in sehr bemerkeilswerten Uiltersuchungen vor allem der Wiener Pharmakologenschule (E. P. PICK uild Mitarbeiter) gerade in jiingster Zeit gezeigt worden. Die Wiener Forscher ver- mochteil im Tierversuch die Unterschiede zwischen" v0rwiegeilden Groflhirnnarkotica und Narkotica mit einer Pr~dilektion fiir den Hirnstamm deutlich zu machen, und erwartuilgsgem~B verrieten auch gerade die einfachen und bew~hrten Schlafmittel eine be- sondere ]3evorzugung der GroBhirilfunkti0nen. Eine Operations- narkose gait nun bisher Ilicht als befriedigend, wenn Ilicht aufier den Groflhirn/unktionen des BewuBtseiils und der Schmerzperzeption auch tie/er Iiegende Hirn/unktionen, so die Iflr uilterbewuBte Ab- wehrbewegung, ffir die unbewul3ten ,,pseudo-affektiveil" Schmerz- i~ul3eruilgen und die f~lr das ,,Spailnen" verantwort l ichen Zentren ausgeschaltet waren. Das ,,E lO7" ist bisher yon den Wiener Forschern Ilocla Ilicht im Lichte ihrer Eiltdeckungeil geprtift; aber ich selbst verfflge fiber eigene, freilich wenige Gelegeilheitsbeobach- tungen am Menscheil. In diesen uild auch Ilach den mir vor- liegeilden t~erichteil t r i t t die Groflhirnpr~dilektion des neuen Operationsschlafmittels bei seiner klinischen Verwenduilg aufs sch6nste zutage: Bewul3tsein, bewul3te SchmerzperZeption und Schmerzeriiiileruilg siild erfolgreich ausge16scht -- aueh bei den- ~enigen Avertin-Narkotisierten, die dem Lalen-Beobachter w~hrend der Operation den Eindruck eines in der Vornarkosenzeit geschundenen, mit hefligsten A bwehrbewegungen, Spannungen und SchmerzSuflerungen reagierenden, aufgeschnallten Operatlonsop]ers erwecken, also hock lgngst nicht in Hirnstamm-Narkose Iiegen!

Alle diese n e u e r e n , ,Ope ra t i ons sch l a fmi t t e l " h a b e n n u n t a t s ~ c h l i c h - - zum Tell sogar schon r e c h t ausgedeh l l t e -- V e r w e n d u n g zur O p e r a t i o n s n a r k o s e u n d ch i ru rg i sche An- h ~ n g e r geful lden, die i h n e n nachdr f i ck l i chs t das W o r t reden*. A u c h die P h a r m a k o l o g i e h a t s ich d a h e r m i t d iesen n e u a r t i g e n V e r b e s s e r u n g s v e r s u c h e n de r O p e r a t i o n s n a r k o s e ause inande r - zusetzen. Sie wird, n a c h d e m Vorausgesch ick ten , zu d iesem Zweck a m e in f achs t en vorgehen , i n d e m sie f ragt , wie sich d e n n A n f l u t u n g u n d A b e b b u n g bei den n e u e n N a r k o s e v e r f a h r e n absp ie len u n d wie m i t i h n e n der Kur s der Vol lna rkose ge- s t eue r t we rden kanl l ,

Die stei le Ges t a l t des An/l~ttungssehenkels wird dabe i u m so weniger be s t echen ; als sie sich, z u m a l in de r Somni fen- g ruppe , ausschliefilich als ein Ergebnis der Zu]i~hrungsweise, nicht aIs eine besondere Eigenart des Mittels selber erweist . Dasse tbe Verona l , das -- in t rave l l6s ~ als Somni fen den Ch i ru rgen d u t c h den schne l len E i n t r i t t des N a r k o s e z u s t a n d e s f iber rascht , i s t - - per os - - als vergleichsweise l a n g s a m s c h l a t b r i n g e n d e s H y p n o t i c u m b e k a n n t , d e m d u r c h heil3es

Dem Avertin freilich, das mit besonders warmen EmpfeMtmgen in die Welt (der Faeh- uad Tageszeitungen) trat, i st doch inzwische~ bereits auf der letzten Tagung der Deutsehen Chirurgen eine erdrfiekende Gegnerschar erstandem

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Page 3: Exhalationsnarkotica Oder Operationsschlafmittel?

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Getr~tnk u. dgl. nu t unvo l lkommen zu gr6gerer Wirkungs- geschwindigkei t verholfen werden kann.

Die Abebbung der neuen Narkosemi t te l nach AbschluG der Operat ion verl~nft , da ihnen der Weg der Exha l a t i on verschlossen ist, erwartungsgem~13 sehr flach und langsam. Die kl inischen Ber ich te dri icken das so aus, dab dem Pa t i en ten die W o h l t a t eines viele S iunden w~hrenden Naehsehlafes ge- wghrleis te t set, die ihn fiber viele unangenehmen postopera- t iven Znst~tnde und fiber den Nachschmerz mi t sanf tem Flfigel hinwegtrage. Dieser Nachschlaf l~Gt sich aber noch genauer bewerten. Es hande l t sich ja durchgehends um ein- fache nichtf tf ichtige Schlafmit tel . Dan~ dem einjachen Gesetz der Konzentrationsabhi~ngiglceit der Wirlcungsstdirlce eines ]eden Narkotieums is$ nun ]iir die als Operationsrei]e imponierende Narkosentie]e eine bedeutend hOhere Konzentration im Sd/te- strom er]orderlich als fi~r die Erleichterung des gest6rten Naeht- schlafes, der die Sehla/dosen dienen. IV[an bedar f also w~hrend der ganzen Opera t ionsdauer ether Konzen t ra t ion im S~fte- s trom, die e twa der jenigen ether recht schweren und nu t knapp unter tSdl ichen Sehlafmi t te lverg i f tung entsprieht . Haupts~chl ich aus Suicidf~llen ist bekannt , dab nach ein- mal iger peroraler Aufnahme solch hoher Schla /mi t te ldosen der operat ionssehlafghnl iche Vergi f tungszus tand tagelang anh~lt . Wenn er in solchem Fal le dem Pa t i en t en auch fiber manche Sorgen hinweghilf t , so wird ein derar t iger Vergif tungsschlaf doch v o m Arzt (sogar auch v o m Psychiater) nicht m i t un- eingeschriz'nlcter Bil l igung begrfiBt; m a n versucht ihn sogar mi t alien lV[ittetn abzuktirzen mad den Selbs tm6rder in das 13ewn13tsein zurfickzurufen, dem er m i t Hilfe des Narko t i cums entf l iehen wollte. Und zwar sucht man die Abebbnng dieser verg i f tenden Schla fmi t te ikonzent ra t ion deswegen zu be- schleurtigen, well bet einem so lctngen Sehla/ zahlreiehe an/ die Dauer nicht unwichtige kSrperliche Funktionen benaeh- teiligt werden, yon denen hier nur die Nahrungsau]nahme, die Atmung, der Kreislau] und die Temperaturregulier~tng erw~hnt seien.

W e n n somi t die schnelte Anf lu tung nu t durch ein beson- deres Zuff ihrungsverfahren ermSglicht ist, das n icht wie die inhalator ische Zufuhr beliebig of t im Gang der Narkose wiederbe tg t ig t werden kann, und wenn die Abebbung so nnbeeinfluBbar langsam verlauft , so ist jegliche Steuerung auf dem Narkosegipfel nnmSglich.

Welehe Fo lgerungen ergeben sich daraus ffir die Pha rma- ko!ogie? Wege und Ziele dieser j i ingsten Nenerungsversuche auf dem Narkosegebie te belehren fiber folgendes:

I. Der -- vorlgufige -- Erfolg der neuen Mitre1 beruh t vor al lem auf der schnellen , ,Anf lu tung" . Die Anhgnger der neuen Verfahren sind aiso s tark bee indruckt davon, dab sie die neuen Mit te l aller Umst4ndliehkeiten au/ dem Wege veto Kranlcenbett zum Operationstiseh, aller Langweilig- keiten i,m Narkosebeginn (bis es ,,endlieh soweit ist" und die Exz i t a t ion f iberwunden ist) mi t e inem Schlage entheben. Es bes teh t also beim Chirurgen ein bisher zu wenig beach- te tes Bedfirfnis nach schnell anf lu tbaren Narkosemi t t e ln oder -verfahren. DaB er zur Erre ichung dieses Zieles gerade die vor l iegenden neuen Sehlajmittel benutzt , erweist sich ais Irrw-eg. Denn er verkennt , dal3 diesen Vortei l auch bei den neuen Opera t ionshypnot ica nur das Zu/i~hrungs- ver/ahren bringt, und vergi[3t, daG ihm die rectale Ather-01-, die in t ravenSse ~ the r - oder Chloroformnarkose oder andere passende Appl ika t ion al ter bew~hr ter Exha la t ionsna rko t i ca den gleichen Voriei l bietet .

~. Die lange Dauer der Abebbung is t offenbar nicht Ziel der neuen Narkoseversuche. Man sucht sich mi t ihr abzu- l inden (,,wohltXtiger Nachschla f" ) ; allein als eigentl iches Ziel wird doch das n ichtexhal ierbare und dennoeh schnell abebbende Opera t ionsnarko t icum anerkannt . So wird z. B. ffir Pe rnok ton wie ffir Aver t in ,,schnelle Zers t6rbarke i t " her- vorgehoben. Die Ta t sachen erweisen, dab weder die vor- gebliche Oxydierbarke i t , noch eine andere Zerst6rungs- oder Ausscheidungseinr ichtung die neueren Operat ionsschlaf- mi t t e l so schnell abebben l ~ t wie ein t~xhalat ionsnarkot icum, - - so wenig der Nthyla lkohol bet all seiner bekann ten Sehnell- ve rbrennbarke i t auch nur ann~hernd wie Ather oder Chloro-

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form abebbt . I s t das erste Ziel -- Schnel lanf lu tung ohne Inha la t ion -- auf e infacheren und besseren Wegen erreichbar , so ist dieses zweite Ziel - - Schnel labebbung ohne E x h a l a t i o n - - schlechthin utopist isch.

3- Mit den neuen Opera t ionsschlafmi t te ln wird tier neu- ar t ige Weg beschri t ten, dnrch einmalige Zuffihrung des Nar- kot icums ohne sp~iere Nachffill- oder Bremsm6gl ichke i t den Kurs gefahrloser Operat ionsreife einzuhal ten. Wer so etwas versncht , bekennt sich dami t zn dem Ziele der ,,steuer- losen Narl~ose". Auch dieses Ziel ist ntopist isch, ebenso wie das viel leicht etwaS n~herliegende Ziel, ein , ,Narkot icum mi t Fe rns t eue rung" zu l inden. Der Versuch solcher , ,Fern- s teuerung" k6nnte dar in gesehen werden, dab durch die H6he der e inmal zugeffihrten Schlafmit te ldosis der Narkosekurs vo rausbes t immt set. Abe t gerade auf der j t ingsien Chirurgentagung wurde berichtet , daG einerseits voile Nar - kose n ich t immer , e r z w u n g e n " werden kann nnd soll nnd dab anderersei ts bet derselben Dosierung doch schon schwerste ~be rwi rkungen (Kreislauf, A tmung ; bereits 8 Aver t in -Todes- l i l l e [) vo rkommen . Solche Erfat~rnngen zeigen, dab die Fe rn - s teuerung durch Vorausdosierung zum Schiffbruch art den unvorhersehbaren Kl ippen des Einzelfal les ffihren muB. E in steuerloses Opera t ionsnarko t icum bleibt also ein Un- ding.

4. Fragfl man, was yon diesen neuen Narkoseversuchen mi t un taugl ichen Mit te ln und mi t falschen Zielen fibrigbleiben wird, so ist die A n t w o r t bereits in den ]3erichten ihrer An- hXnger selbst angedeute t . SchlieBlich wird ngml ich -- in 4 ~ bis Ioo % der Narkosen -- doch noch ein Exha la t ionsna rko t i cum hinzugezogen. Man arbe i te t also vie l tach schon je tz t gar nicht mehr mi t der gefghrl ichen Konzent ra t ionswel le , die sich an die einmalige Gabe einer , ,Vollnarkosendosis" des neuen Operat ionsschlafmit te ls anschlieGend m i t unberechenbarer Wirkungs t~rke fiber den Organismns ergieBt. Sondern m a n schafft m i t meis t niedrigerer Schlafmi t te ld0s is eine, dank dem Zuffihrungsweg schnell anf lutende, abe t finch ble ibende Konzentra l ionswel le , die man dann nach den a l ien Ver- fahren der In- bzw. Exha la t ionsnarkose yon der Tropf- maske aus elegant s teuernd zum wohlgeregel ten Gipfel der Operat ionsreife fiberhght.

Die Pharmakologie b rauch t sich also n ich t den Vorwurf zu maehen, sie hxbe bereclatigfe Bedfirfnisse der Praxis nn- befr iedigt gelassen mad an einem entscheidenden Fo r t s ch r i t t der Opera t ionsnarkose mi izuwirken verpaBt . Ihre wohI- begr i indeten Anschauungen, die hier in das Bild yon An- flutung, Abebbung und Gipfelregelung der Konzen t ra t ions - welIe gekleidet wurden, bewghren sich aueh angesichts der neuen Tas tversuche des Narkosefor tschr i t t s . Aus der Aus- e inandersetznng zwischen Opera t ionsschlafmi t te ln und Ex- hala t ionsnarkot iea , die recht fibereilt in den Opera t ionssaa l ver legt wurde, wird nu t eine Belehrung f ibrigbleiben: Der t t inweis daranf, dab man den so sehr he terogenen Bedfirf- nissen ether Operat ionsnarkose, will m a n ihnen wirklich allen gleichm~Big gerecht werden, noch am ehesten nach- kommen kann durch eine l~ombinierte Narkose : Kombin i e r t e iwa aus I. einer Vordosis passenden Znft ihrungsweges, die eine schnelle Anf lu tung un te r l~'berspringnng oder Ab- kfirzung der Exz i t a t ion ermSglicht und 2. e inem Exha la t ions - na rko t i cum auf dem Wege der Wah l (Inhalat ion) , das auf dem U n t e r b a u der Vordosis die Vollnarkose schafft . Was ffir ein Mii te l sub I ve rwende t wird, is t nahezu gleichgfittig, da sein Zweck ausschlieGlieh du tch die Zuffihrungsweise er re icht wird ; es kann da also ein beliebiges intraven6ses Schla fmi t te l oder anch ein gefahrlos inhal ierbares Rausch- oder Stick- na rko t i cum wie e twa SolXsihin oder endlich anch das gleiche Mit tel wie sub 2, abe t rec ta l oder in t ravenSs v e r w e n d e t werden, sub 2 aber yard naeh wie vor aus Grt inden der Nar- koses teuerung ein Exhala t ionsnarkot icum v e r w e n d e t werden mfissen. Bleibt also Zum SchluG n u t zu erwghnen, dab solche Kombina t ionsnarkosen nichts weniger als nen sind!