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Rolf S c h e f f b u c h (Hrsg.) 1 Evangelisation Gehirnwäsche Lebenswende? 10 engagierte Statements von Bernd Bierbaum Brun- B ittl i nger Heinzpeter H e m p e Läufer Rolf Set Strauch m a n n Ulrich! rieh : a n y Peter Claus Vollmer

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R o l f S c h e f f b u c h (Hrsg.)

1 EvangelisationGehirnwäscheLebenswende?1 0 e n g a g i e r t e S t a t e m e n t s v o nB e r n d B i e r b a u m • B r u n -

B i t t l i n g e r H e i n z p e t e r

H e m p eL ä u f e rR o l f S e tS t r a u c h

m a n nU l r i c h !

r i e h: a n y

P e t e r• C l a u s V o l l m e r

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Rolf Scheffbuch (Hrsg.)Evangelisation -

Gehirnwäsche oder Lebenswende ?

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Rolf Scheffbuch (Hrsg.)

Evangelisation -Gehirnwäsche oder Lebenswende?

10 engagierte Statements vonBernd Bierbaum

Clemens BittlingerBrunhilde Blunck

Heinzpeter HempelmannErich Läufer

Ulrich ParzanyRolf Scheffbuch

Peter StrauchKlaus Vollmer

BrendowllBuch • Kunst • Verlag JFJv

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Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Evangelisation - Gehirnwäsche oder Lebenswende? : 10 engagierte State-ments / von Bernd Bierbaum ... Rolf Scheffbuch (Hrsg.). - Moers : Brendow,1997

(Edition C . C ; 495)ISBN 3-87067-681-7

NE: Bierbaum, Bernd; Scheffbuch, Rolf [Hrsg.]: Edition C / C

ISBN 3-87067-681-7Edition C, C 495© 1997 by Brendow Verlag, D-47443 MoersEinbandgestaltung: Kortüm + Georg, Agentur für Kommunikation, Münster(Westfalen)Titelfoto:Thomas GeorgSatz: Convertex, AachenDruck und Bindung: Brendow Druck, MoersPrinted in Germany

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Inhalt

Vorwort 7

Rolf Scheff buchMenschen gewinnen, nicht abstoßen 9

Ulrich ParzanyEvangelisation - ein Auftrag für uns? 23

Dr. Heinzpeter HempelmannGlauben wir nicht alle an denselben Gott? 31

Clemens BittlingerWas heißt hier »missionarisch«? 37

Peter StrauchBekehrung - nur eine Frage der Methode? 41

Erich LäuferEvangelisierung - Bekehrung - Erneuerung:Plädoyer für verstärkte ökumenische Schritte 53

Brunhilde BlunckEindringlich, aber nicht aufdringlich:Evangelisation und Ortsgemeinde 61

Bernd BierbaumBekehrung — und dann? 65

Klaus VollmerEvangelisation hat Zukunft 71

Rolf ScheffbuchZur Lebensübergabe aufrufen 76

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Vorwort

Evangelisation und Bekehrung sind zu Reizworten gewor-den. Gerade in unserem Land stößt man immer wieder aufMißverständnisse, die mit diesen beiden Begriffen einherge-hen. »Evangelisation« — damit verbinden viele einen ganzbestimmten Stil, und der Begriff »Bekehrung« hat so vieleBedeutungen, daß von ökologischer Umkehr bis hin zur per-sönlichen Lebenswende alles möglich ist. »Kehrt um!«, daswar die Grundbotschaft Jesu. Die Hoffnung Moses sollte inErfüllung gehen, daß sich Gottes eigenes Volk »bekehrt«(5. Mose 30). Mit »Bekehrung« verbinden viele Begriffe wie»Seelenmassage«, »Gehirnwäsche« oder »Drohbotschaft«. Esist an der Zeit, sich über den Ursprung dieses Begriffs einmalmehr Gedanken zu machen.

Dr. Dr. Friso Melzer, der Theologe, Philologe und einsti-ge Indienmissionar erzählt: In Kotagiri auf den BlauenBergen Indiens vertrat ein methodistischer Missionar ausEngland die Ansicht: »Es genügt, wenn die Hinwendung zuGott sich allmählich, wachstümlich vollzieht.« Ich dagegentrat dafür ein, die Wendung müsse plötzlich geschehen, sogarterminmäßig nachweisbar. Die unterschiedlichen Auffassun-gen prallten so aufeinander, daß wir das Gespräch ergebnislosabbrechen wollten. Aber die anwesenden Engländer belehr-ten mich: Eine Aussprache muß so lange gründlich geführtwerden, bis es zu einer gemeinsamen Lösung komme. Dasdabei erzielte Ergebnis hieß: Ob die Hinwendung zu Chri-stus wachstümlich oder plötzlich geschieht, spielt keine gro-ße Rolle. Das Ergebnis muß endgültig sein. Es muß der Tagkommen, da ein Christ sagen kann, das »self-surrender toChrist« sei geschehen.

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Gott gebraucht Menschen, die mit Bekehrungen rechnenund sie auch wollen, ohne daß sie selbst Bekehrungen »ma-chen« können. Die Art und Weise, wie solche Wenden sichereignen, wird so vielfältig sein wie das schöpferische Gestal-ten Gottes überhaupt. An aktive Christen stellt sich aber dieFrage, ob sie bereit sind, neu-bekehrte Menschen in ihrenKreis aufzunehmen und sie zu akzeptieren. Das war immereines der Hauptprobleme der Christen.

Dieses Buch möchte einen wichtigen Diskussionsbeitragleisten. Es soll Gedanken anregen, wie das Evangelium vonJesus so bekannt gemacht und angeboten werden kann, daßMenschen es ernst nehmen und fur ihr Leben umsetzen wol-len. Denn genau das ist das Anliegen der Evangelisation. AusReizworten sollen Herausforderungen werden.

Der Herausgeber

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Rolf Scheff buch

Menschen gewinnen, nicht abstoßen

Vereine, Parteien, Firmen sind darauf aus, für ihre Anliegenund fur ihre Produkte Menschen zu gewinnen. Andernfallsist ihr Ende vorprogrammiert.

Auch jede christliche Gemeinde muß Menschen gewin-nen wollen. Mindestens dann, wenn sie Christus ernstnimmt mit seinem Auftrag: »Ich will euch zu Menschenfi-schern machen!« Wer sich mit dem Abbröckeln von Teilneh-mern an Gottesdiensten und Gemeindeveranstaltungenabfindet, kann bald die Türen der kirchlichen Gebäude end-gültig schließen. Aber gerade weil bis heute noch ein beacht-licher Teil der Zeitgenossen als Kleinkind getauft wird,sollen Jugendliche für den Gottesdienst gewonnen werden,sollen Menschen auf der Höhe des Lebens in die Gemeindeintegriert werden, sollen bisher Außenstehende spätestens inden Seniorenclub der Kirchengemeinde hineinfinden.

Jedoch macht eine Beheimatung innerhalb kirchlicherMauern noch keinen Menschen zum Christen. Noch nichteinmal die Taufe ist fur sich genommen eine Garantie dafür,daß ein Mensch ernsthaft ein Christ ist. Der Apostel Paulushat das schon ganz zu Anfang der Kirchengeschichte der Ge-meinde zu Korinth klargemacht. Vielmehr kommt es daraufan, daß auch Getaufte sich dafür gewinnen lassen, bewußtund entschlossen als Christen leben zu wollen.

Bei jedem Versuch, Menschen zu gewinnen, ist Vorsichtgeboten. Denn Menschen lassen sich nun einmal nicht gerne»kassieren«. Sie wollen nicht übertölpelt werden. Sonst wür-

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de das Gegenteil erreicht: Menschen würden nicht gewon-nen, sondern abgestoßen!

Solche Zurückhaltung steht hinter klug gemachter Sym-pathiewerbung, die gerade heute in den Volkskirchen envogue ist. Dagegen haben es Evangelisierung und Missionie-rung schwer, einen anerkannten Platz in der kirchlichenArbeit zu bekommen. Denn nicht selten werden sie gleich-gesetzt mit »Zwangsbekehrung«, mit »Gehirnwäsche«, mitunlauterer Beeinflussung, mit unverantwortlichem »Seelen-kneten«, mit Intoleranz, mit Glaubensfanatismus. Lessing hatdies alles in seinem »Nathan« geistreich und nobel angedeu-tet. Viel plumper hat man im Hitlerstaat die üble Zwangsbe-kehrung der Sachsen unter Karl dem Großen als typisch füralle Art von Missionierung ausgegeben.

Gerade weil Christen solche tiefgründigen Aversionenkennen, sollten sie sich folgende Fragen stellen:• Stößt nicht der Ruf zum Glauben, wie er in der Evangeli-

sation laut wird, Menschen vor den Kopf, die bisher deut-lich Sympathien fur die Kirche hatten, die aber nicht kon-sequent mit Jesus Christus leben wollen?

• Müssen nicht viele Kirchenmitglieder und erst recht ge-meindliche Mitarbeiter den Eindruck haben, man spre-che ihnen echte Christlichkeit ab, wenn man sie massivzum Glauben an Jesus einlädt?

• Ist es nicht überheblich und darum abstoßend, wenn -mit einem großen Theologen unseres Jahrhunderts - dieEvangelisierung verstanden wird als das Wachmachenbisher »schlafender« Christen?

Für viele in der Kirche sind diese Fragen ausdiskutiert. Siehaben ihre Position bezogen. Sie sehen ihr Leitbild von Kir-che gefährdet durch die Evangelisierung. Denn nach ihrerAuffassung muß Kirche geprägt sein von Humanität, vonToleranz, von Freiheit und von Selbstbestimmung. Weil sie

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Menschen fur die Kirche gewinnen und nicht von ihr absto-ßen wollen, ist ihnen gerade Evangelisierung mehr als nurein Dorn im Auge.

Welche Aufgaben hat die Kirche ?

Dahinter kann sogar eine theologische Grundentscheidungstehen. »Kirche« wird nicht länger im reformatorischen Sinnverstanden als »Gemeinschaft von wahrhaft Gläubigen«, als»creatura verbi« (als durch Gottes lebenschaffendes Wort Ge-wirkte). Dagegen wird davon ausgegangen, daß vermutlichalle Menschen, auch in anderen Religionen, irgendwie»glauben«, ganz gewiß aber alle auf den Namen Jesu Getauf-ten. Die Aufgabe der christlichen Kirche wird deshalb nichtdarin gesehen, Glauben zu wecken und zu stärken, sondernvielmehr darin, ein effektives Ferment zu sein hin zur Ein-heit der Menschheit. Störendes auf dem Weg zu dieser Ein-heit — wie etwa verkrustete Dogmen einschließlich christli-cher Wahrheitsmonopolismen — soll überwunden werden

Doppelt schwer hat es, wer darauf verweist, daß Evange-lisation eine der Hauptaufgaben der Kirchen ist. Denn da istzum einen bei jedem normalen Menschen der Widerstandgegen alles, was nicht dem Bewußtsein zustimmt: »Ich binokay, so wie ich nun einmal bin!« Zum anderen aber hatEvangelisierung mit heftigem Widerstand aus den eigenenkirchlichen Reihen zu rechnen. Dabei betrifft dieser Wider-stand nicht allein die Sonderform der Veranstaltungsevange-lisation, sondern genauso jeglichen evangelistischen Ansatzin Unterricht, Verkündigung und Seelsorge.

Heftigen Gegenwind gibt es also fur solche, die daranfesthalten, daß Christen allen Menschen die Einladung zumGlauben an Jesus »schulden«. Es widerspricht gängiger Theo-logie, daß Gott auf wesentlich mehr aus ist als auf das Tun des

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Gerechten. Schon zu Jesu Lebzeiten wurde es als »harte Rede«empfunden, daß Gottes Wirken darauf zielt, in Menschenden Glauben an Jesus zu schaffen. Es wurde als unverständ-lich angesehen, daß nur der das wahre Leben hat, der an Jesusglaubt.

Trotzdem muß Evangelisierung sein. Sonst würde sichdie Kirche davonstehlen aus der Kontinuität des Rufes zurBekehrung und zum Glauben. Dieser Ruf hat begonnen mitden Propheten Israels. Er wurde neu aufgenommen vomTäufer Johannes. Jesus hat diesen Ruf übernommen und un-überbietbar verstärkt in der Gewißheit, daß in ihm selbst dasReich Gottes nahegekommen ist. Diesen Ruf zur Bekehrungund zum Glauben hat Jesus seinen Nachfolgern anvertraut.Er hat damit gerechnet, daß »durch ihr Wort« Menschen zumGlauben an ihn kommen werden.

»Bekehrung« ist zum Reizwort geworden. Sicher ist auchviel Unfug getrieben worden mit Bekehrungsaufrufen, Be-kehrungsvorstellungen, Bekehrungszeugnissen. Aber derBegriff »Bekehrung« hat eine Geschichte. Zum GottesvolkIsrael gehört man durch Abstammung von einer jüdischenMutter. Man konnte und kann aber auch Glied werdendurch »Bekehrung«. Es mußte darum als Provokation ohne-gleichen vestanden werden, daß die Propheten Glieder desGottesvolkes Israel zur »Bekehrung« aufriefen. Erst rechtaber war es eine Provokation, daß Jesus seine ganze Botschaftauf den Ruf konzentrierte, eine Kehrtwendung hin zu ihmzu machen.

Ohne den Ruf zu Umkehr und zu Glauben ist die Kirche»schaumgebremst«. Der asiatische KirchenrepräsentantU Kyaw Than hat gerade im Blick auf die westlichen Kirchenbeklagt, »daß die Schärfe des an die Menschen gerichtetenRufes, sich zu bekehren, und der Anspruch Christi, daß erihr persönlicher Herr und Heiland ist, verlorenging im Mo-rast des Sozialen und einer wohlabgefeilten Strategie, die

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nichts mehr an sich hat von der Klarheit der Evangelisie-rung«.

Es ist schon heute offenkundig, daß eine solche Kirche,die letztlich nichts »will«, von immer weniger Menchen ernstgenommen wird. Erst recht muß aber Jesus über eine solcheKirche traurig sein.

Menschen sollen das Himmelreich gewinnen

Es ist zu wenig, nur die Institution der Kirche erhalten zuwollen. Jesus selbst war es, der davor gewarnt hat, nur »Prose-lyten« zu machen. Vielmehr sollen Menschen in das ReichGottes finden, das mit seinem Kommen Wirklichkeit wurde.Dieses Himmelreich soll Menschen nicht verschlossen blei-ben.

Wo Kirche Menschen nur für sich selbst gewinnen will,hat sie keine Verheißung. Kirche hat keine Zukunft, wo siesich nur als Selbstzweck sieht. Vielmehr ist es Gott, der Men-schen für Jesus und damit fur sich und sein ewiges Reich ge-winnen will. Dazu will er seine Gemeinde benützen. Sie sollin der Vollmacht des Jesus und anstatt des Christus einladen:»Nehmt Gottes Versöhnungsangebot an!« In solchem Einla-den der christlichen Gemeinde berühren sich Himmel undErde, Schöpfer und Geschöpf, der menschensuchende Gottund der gottentfremdete Mensch. Allein in solchem Koordi-natensystem spricht die Bibel davon, daß wir Menchen zu»gewinnen suchen«:

»Weil wir nun wissen, daß der Herr zu furchten ist, su-chen wir Menschen zu gewinnen; aber vor Gott sind wir of-fenbar ... Denn Gott war in Christus und versöhnte die Weltmit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu undhat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. Sosind wir nun Botschafter an Christi Statt, denn Gott ermahnt

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durch uns; so bitten wir nun an Christi Statt: Laßt euch ver-söhnen mit Gott!« (2. Korinther 5)

Es geht also um weit mehr als um Sympathiewerbungfur die Kirche! Gott will Menschen für den Himmel gewin-nen! Dabei sollen seine Nachfolger mitwirken, obwohl sieschwache Menschen sind, die selbst der Rettung und derVersöhnung bedürfen. Es ist das größte Vorrecht, das einemMenschen zuteil werden kann.

Evangelisierung bedarf lauterer Motive. »Vor Gott sindwir offenbar.« Es muß nicht das gelten, was manche der An-gesprochenen unterstellen, nämlich daß sie »beschwatzt« und»übertölpelt« werden sollen (Paulus macht diesen Vorwurfdeutlich durch seine Wahl jenes griechischen Verbs, das Lu-ther mit »gewinnen« wiedergegeben hat). Gott weiß, was dieeigentlichen Motive beim Gewinnen von Menschen sind.Evangelisierung mit ihrer Einladung zur Umkehr und zumGlauben an Jesus muß durch und durch geprägt sein von derLeidenschaft für die Ehre Jesu; nur so kann sie zugleich auchdas Beste für den Menschen sein.

Jesus hatte die Leidenschaft, verlorene Menschen zu ret-ten. Darum hat er sich im Auftrag des versöhnenden Gotteszur Menschenwelt heruntergebeugt. Unter Menschen hat erdeutlich gemacht: Ich bin stärker als Schuld, stärker als Bin-dungen, stärker als Zweifel, stärker als Gottesentfremdung,stärker als dämonische Mächte; ich kann Schuld vergeben;ich kann Menschen sogar im Tode noch bei mir festhalten,ich werde die neue Welt Gottes bringen, nach der sich dieMenschen so sehr sehnen; mit mir kommt man zum Vater!

Es geht bei der Evangelisierung nicht darum, angeschla-genes Image aufzubessern. Es ist alles verdorben, wenn auchnur von Ferne der Eindruck entsteht, durch Evangelisierungsolle bewiesen werden, »daß wir Evangelikaien auch noch dasind«, »was wir mit Evangelisationen auf die Beine stellenkönnen«, »daß wir anders reden können als in US-Holzham-

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mer-Manier«, »daß wir mehr losmachen können als die Kir-chen mit ihrem ganzen Kirchensteuergeld«. Vor Gott ist of-fenbar, ob auf solche Karten gesetzt wird oder ob es um dieEhre des Jesus geht und damit um gottgewirktes Erbarmenmit Menschen.

Alle brauchen den Ruf zur Umkehr und zum Glauben

Die Zeiten sind endgültig vorbei, wo man den Eindruck be-kommen konnte: Ein paar Superfromme wollen mit derEvangelisierung anderen Menschen den Marsch blasen:»Komm zu dem Heiland, komme noch heut!«

Heute gibt es keinen einzigen Menschen mehr, der nichtinfiziert ist vom praktischen Materialismus unserer Tage. Al-so von Wertvorstellungen, die sich der Mensch selbst als seineigener Gesetzgeber zusammenschustert. Eine weltlicheIdeologie hat viel an Boden gewonnen, die bewußt und be-harrlich in Gegensatz tritt zum christlichen Glauben und zuchristlichen Wertvorstellungen. Bis hinein in die Gesetzge-bung erkämpft sich ein weltlicher Humanismus seinen Le-bensraum. Diesem Zeitgeist ist jeder Mensch ausgesetzt.

Zwar lassen sich noch erstaunlich viele Menschen als no-minelle Mitglieder der Kirche führen. Aber oft sind wederihr konkretes Leben noch ihreWertvörstellungen samt ihrenWünschen und Hoffnungen von Jesus Christus bestimmt.Die Kirche ist gut fur einzelne Zeremonien. Aber wie oftwird der pfarramtliche Dienst in Verkündigung und Seelsor-ge als »abstrakt« empfunden, als »über die Köpfe hinwegge-hend« gewertet, als »fur das praktische Leben irrelevant« an-gesehen!

In einer solchen Situation darf die Kirche nicht nochmehr der Versuchung erliegen, den biblisch überliefertenGlauben so abzufeilen, daß er dem modernen Zeitgenossen

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noch 2ugemutet werden kann. Auch darf sich die Kirchenicht damit begnügen, »den Glauben an die nächste Genera-tion weiterzugeben«. In früheren Generationen mag diesesSystem funktioniert haben. Zwar werden der Kirche heutewie auch früher Kinder zur religiösen Erziehung anvertraut.Aber wenn dabei die Kirche jungen Menschen das Betenwichtig machen will, die Bibel, den Glauben, dann tut siedas oft letztlich gegen die Eltern. Für die Kinder sind sie die»erste Autorität«! Bei den Eltern bekommen die Kinder aberhautnah mit, daß man glänzend auskommen kann ohneGlaube, ohne Gebet, ohne Bibel, ohne Kirchgang. Was dieKirche verbal als wichtig darstellt, das stellt sich als völlig ne-bensächlich dar in der Lebenswelt von Kindern und Jugend-lichen.

Was wir brauchen in Kirche und Gesellschaft, sind ge-sundmachende Kräfte, Gegenkräfte gegen die Infizierungder materialistisch-egoistischen modernen »Kultur«. Wirbrauchen eine alternative Orientierung. Jesus Christus hat siein die Welt gebracht.

Am allermeisten, mehr noch als um die Gottesgabe derLiebe, sollen sich Christen bemühen um die Gabe propheti-scher Rede. Das hat Paulus der Gemeinde in Korinth insStammbuch geschrieben. Der war es um »mehr Attraktivität«bei ihren Zusammenkünften gegangen.

Aber Paulus machte klar: Menschen werden gewonnendurch das »prophetische Wort«, nicht durch Sakramentalis-mus, auch nicht durch religiös-emotionale Extravaganzen.

Paulus meinte mit dem Prophetischen — das wird aus ei-nigen versteckten Kürzeln seiner Ausführungen deutlich —etwa das Wirken des Propheten Elia. Der hatte einst auf demBerg Karmel dem wankelmütigen Israel vorgehalten, das nurnoch dem Namen nach »Volk Gottes« war: »Wie lange hinketihr auf beiden Seiten?«

Prophetisch ausgerichtete Evangelisierung will nicht

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scheiden zwischen Schon-Bekehrten und Noch-Außenste-henden. Sondern sie will prophetisch erschließen, was in je-des Menschen Herz verborgen ist an Unversöhnlichkeit, anUnerlöstem, an Ungeheiligtem, an Egoistischem, an Fluchtvor Gott.

»Erbauung« ohne solche »Ermahnung« ist falsche »Trö-stung«. Rechter Trost bestand schon damals bei Elia am Kar-mel darin, daß Israel als Gottes Volk noch einmal die Chancebekam, auf das Angesicht fallend zu bekennen: »Der Herr istGott!«

Darauf zielt wahre Evangelisierung: auf den von Gott ge-wollten Herrschafts Wechsel! Von der Verehrung des Ge-schöpfes (einschließlich der eigenen Geschöpflichkeit) hinzur Anerkennung der Souveränität des Schöpfers!

BekehrungsVerkündigung, die ankommt

Die herkömmliche Bekehrungsverkündigung bedarf hierund heute einer grundlegenden »Wende«! Sie war inDeutschland und weithin auch in Europa geprägt von einerVerkündigung, die auf »Erweckung« der »schlafenden Chri-stenheit« zielte.

Es ging um »Erweckung« von Menschen, die theoretischviel über den Glaubensgrund wußten. Dazu hatten beigetra-gen: häusliche Andacht und Tischgebet, Religions- undKonfirmandenunterricht der Kirche samt der Christenlehre,Kindergarten, Kindergottesdienst und eine breitgefächertechristliche Jugendarbeit. Der normale Mensch wußte in frü-heren Zeiten erstaunlich viel über Gott und Jesus; er kannteChoräle und Bibelworte. Der Ablauf eines Gottesdiensteswar ihm nicht fremd.

Aber mit Gott zu leben und zu wirken ist etwas anderes,als nur über Gott Bescheid zu wissen. Der Kopf ist nicht auch

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das Herz. Von Gottes Macht erreicht zu werden ist etwas an-deres, als nur von der Kirche erreicht zu werden.

Darum war wachen Christen immer wichtig, Hilfen zugeben zur »Weckung« des Glaubens. Dazu wurde einst dieKonfirmation eingeführt. Die »erweckliche«, zum »persönli-chen Glauben« rufende Predigt kam auf. Christliche freieWerke richteten ihre Jahresfeste und Treffen darauf zu, daßdie Verkündigung eine Hilfe zur Weckung des Glaubens seinkonnte. Erst recht war die aus dem Angelsächsischenkommende besondere »Evangelisations«-Veranstaltung alsherausragender Ruf zum Glauben gedacht. Sie war keinAnti-Programm zur regelmäßigen Glaubensunterweisungund Glaubensinformation des Ortspfarrers in Unterricht,Predigt und Bibelstunde. Sondern sie war als hilfreiche Er-gänzung konzipiert, so ähnlich wie in der Nachkriegszeit die»Gemeindetage unter dem Wort« und die »Kirchentage«.

Bei dieser auf »Weckung« des persönlichen Glaubens zie-lenden Verkündigung wurde ein breites Wissen um denGlaubensgrund vorausgesetzt. Darum konnte auch das be-kenntnisartige »Zeugnis« eine so wichtige Rolle in der Evan-gelisationsverkündigung bekommen. Es sollte deutlich ma-chen: So sieht das ganz konkret aus, wenn Menschen aus derFinsternis zum Licht gefuhrt werden, aus der Gottesferne zurGottesnähe, aus nominellem Christsein zum Hineingeris-senwerden in die Christusdynamik.

Heute jedoch haben wir im säkularisierten und weithindem Wort Gottes entfremdeten »gemeinsamen Haus Europa«eine total veränderte Situation. In den neuen deutschen Bun-desländern und darüber hinaus im Osten Europas leben Mil-lionen von Menschen, denen der Glaube an Gott »wissen-schaftlich« lächerlich gemacht worden ist. Aber auch in derBundesrepublik haben Pfarrerinnen und Pfarrer immer wie-der mit Brautpaaren zu tun, die fur ihre Trauung nicht eineneinzigen Choral und kein einziges Bibelwort vorschlagen

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können, weil sie damit weniger vertraut sind als mit kompli-zierten Computerprogrammen. In den Galerien stehen Men-schen vor Gemälden mit biblischen Themen ratlos, weilihnen »Asterix und Obelix« geläufiger sind als biblischeBerichte.

Aber ohne Kenntnis der Evangelienberichte über Jesuskann es zu keiner echten Bekehrung kommen. Sie soll dochmehr sein als ein bißchen emotionales Angeheiztsein! Dar-um muß Bekehrungs-Verkündigung viel stärker als bisherelementare Jesus-Information bleiben. Dabei wird sich er-weisen, daß die biblischen Evangelien letztlich »Missions-Li-teratur« waren. Im Zusammenhang der Nachfolge-Texteund der Nachfolge-Berichte machten sie auch deutlich, daßJesus-Nachfolge nicht billig zu haben ist.

Vor allem muß im Bereich der sogenannten »Zeugnisse«umgelernt werden. Sie dürfen bei der Bekehrungsverkündi-gung nicht der geheime »Text« sein! Sonst wird zu rasch derEindruck erweckt, subjektive Erfahrungen seien der Glau-bensgrund.

»Zeugnisse« sollen höchstens etwas deutlich machen vondem Ringen bis hin zu dem durch Gott gewirkten Durch-bruch, so wie es ein afrikanischer Christ aus dem Gebiet derostafrikanischen Erweckungsbewegung bezeugt hat: »Ichhabe das Wort Gottes oft genug gehört. Aber ich legte es aufdie Seite. Ich wollte es nicht. Aber ich konnte das Wort nichtvergessen. Dann kam der Tag, da konnte ich einfach nichtmehr anders. Ich sagte: >Ich will dasWort!<«

Aber wenn »Subjektives« in der Bekehrungsverkündi-gung eine zu große Rolle spielt, dann muß doch beim Hörerder Argwohn aufkommen: »Da will mich jemand zu seinerÜberzeugung bekehren!«

Ohne Wissen um den Glaubensgrund, also ohne Wissenum das Jesus-Evangelium, bleibt jede »Bekehrung« ober-flächlich. Sie bleibt rein emotional. Darum habe ich auch

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große Sorge, wenn heute »Zeichen und Wunder« als »Evan-gelisationsmittel« angesehen werden.

Es muß also die Bekehrungsverkündigung viel stärkerals bisher vom erzählenden Bekanntmachen Jesu geprägtsein.

Um Gottes willen Bekehrungen nicht im Wege stehen!

Wir haben zuerst vor der eigenen Tür zu kehren. Wie weitsind wir oft entfernt von der Demut des Apostels Paulus, dergemahnt hat: »Betet zugleich auch fur uns, daß Gott uns eineTür für das Wort auftue und wir das Geheimnis Christi sagenkönnen, ... damit ich es offenbar mache, wie ich es sagenmuß« (Kolosser 4,3 f.). Wie lieblos und überheblich lautenimmer wieder unsere gutgemeinten Slogans! Etwa, wennam Heck von Autos zu lesen ist: »Wenn dein Gott tot ist,dann nimm doch meinen!« Die Wahrheit Gottes ist dochkeine Werbe-Keule, mit der man auf Mitmenschen ein-schlägt!

Michael Griffiths erinnerte daran:»In einer Zeit zunehmender Spezialisierung besteht die

Gefahr, daß man außerhalb seines Wissensbereiches großeLücken in der Allgemeinbildung hat. Dabei liegt es in derNatur missionarischer Arbeit, daß man ein breites Wissen be-sitzen muß. Paulus bewies im Gespräch mit den Juden seineganze Vertrautheit mit den jüdischen Schriften. Mit denGriechen redete er auf dem Hintergrund ihrer eigenen Kul-tur und Literatur. Manche Christen haben einen eng be-grenzten Horizont. Das kann sie sehr intolerant machen, sosehr, daß sie oft ungebildet erscheinen« (Aus: Es gibt Größe-res, S. 65).

Aber auch Wissen kann der Bekehrung im Wege stehen,nämlich wenn Fragen rationalisiert werden, die eigentlich

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Existenzfragen sind. Unser Wissen kann Gottes Macht hin-dern, wenn wir auch nur von ferne den Anschein erwecken,wir wollten das Jesus-Evangelium aufmöbeln durch unserUp-to-date-Sein. Ein »in aller Weisheit« geführtes Gesprächsoll echte Anteilnahme an den Fragen, Zweifeln und Beden-ken eines Menschen deutlich machen.

Wie wichtig ist das »Vermahnen und Lehren« derer, diesich von der Jesus-Nachricht angesprochen zeigen! Norma-lerweise erreicht unsere Evangelisierung so wenig, weil wirmeinen, ein rechter Vortrag mit einem packenden Rednermüsse genügen zum Bekehrtwerden.

Menschen sollen sich dort wohl fühlen können, wo sichGemeinde Jesu versammelt. Alles, was auch nur von fernenach Indoktrination riechen könnte, sollte ferne sein. Einerder großen Physiker unserer Tage wurde einst als zweifeln-der, unter Schlafstörungen leidender Student in einen Stu-dentenbibelkreis eingeladen. Von der Bibelbesprechung ver-stand er fast gar nichts. Aber in der Nacht, die darauf folgte,konnte er wieder schlafen. Drum bekannte dieser Mann. »Sohabe ich gleichsam >schlafend< den Anschluß an das gefun-den, was die Christen ihren Glauben nennen.«

Darum sollten wir auch nicht die Seelsorge so stark aufdas hartnäckige Bohren abstellen: »Geben Sie doch zu, daßSie mit all Ihrem Schaffen letztlich nicht glücklich sind!« Eskönnte ja durchaus sein, daß da ein Mensch in seinem Lebenrundum glücklich ist. Bohrende Fragen stoßen ab. Aber an-ziehend ist es, wenn sich Menschen bei uns angenommenfühlen. Hilfreich ist es, wenn wir Zeit haben, von den Nötender Menschen zu hören.

Wir sollten auch unsere Berichte nicht so stark auf »Siege«abstellen. Gott will mit seiner Nähe bei den Gedemütigtensein. Unsere Bekenntnisse wären biblischer und reformatori-scher, sie könnten von Gott mehr benützt werden, wenn sieauf den demütigen Ton gestimmt wären: »Ich bin alles andere

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als ein Vorzeige-Christ. Ich meine immer wieder, ich könntetagelang ohne Gebet und ohne Lesen der Bibel auskommen.Aber als ich neulich auf das Jesuswort stieß: >Ich will euch er-quicken^ da ist mir klargeworden, wie arm ich mich selbermit meiner religiösen Genügsamkeit mache.« Es muß denGrundton ausmachen, wenn wir von unserem Glauben Re-chenschaft geben: »Schaut nicht auf uns, schaut auf IHN!«

Christus möchte als der Erlöser der Gebundenen nichtbei Machern, Könnern und Starken ankommen, sondern beierschrockenen Menschen, die sagen: »O Gott, was habe ichalles falsch gemacht!« Dort gibt es Gewißheit des Heils, woJesu Weisheit fugenlos zusammenpaßt mit meinen Dumm-heiten, wo seine Güte einrastet bei meinen Garstigkeiten, woseine Gottesnähe meine Gottesfremdheit heilt, wo seinRechttun ein Arbeitsfeld findet in der Fülle meiner Fehler,wo der Demütige ohnegleichen meinen Hochmut in seinenGriff bekommt, wo ich meine eigene Gerechtigkeit loslassenkann, weil er mir Anteil geben will an seiner unerschöpfli-chen Gerechtigkeit. Selbst fur den religiösen und für denweltverändernd aktiven Menschen gibt es einen unendlichenqualitativen Unterschied gegenüber Gott. Aber der sündigeMensch und der erlösende Gott gehören nach Gottes Willenso eng zusammen, daß es eine Verbindung voll Gewißheitdes Heils geben kann. Daß wir daran mitwirken dürfen, istheilige Pflicht und zugleich unüberbietbares Vorrecht.

Rolf Scheffbuch, Korntal, Prälat a.D., ist Vorsitzender der Ludwig-

Hqfacker-Vereinigung und von ProChrist e.V., Mitglied der Synode

der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Lange Jahre war er

als Mitglied des Internationalen Lausanner Komitees für Weltevange-

lisation Vorsitzender des Europäischen Zweiges dieses Gremiums.

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Ulrich Parzany

Evangelisation - ein Auftrag für uns?

Für uns heute scheint es oft ein Problem zu sein, aber fürdie Christen der ersten Generation war es selbstverständlich,über ihren Glauben zu sprechen: »Wir können es ja nicht las-sen, daß wir nicht reden sollten von dem, was wir gehörtund gesehen haben.« Für sie war es unvorstellbar, daß Chri-sten darüber schwiegen, was Gott durch Jesus getan hatte.Auch wenn sie eingeschüchtert wurden, erzählten sie von ih-rem Glauben. Unter Druck gerieten sie von Anfang an, auchwenn es gar keine öffentlichen Aktionen gab. Die Christenbrauchten damals keine organisierten Sonderveranstaltun-gen, weil sie selbst in ihrem Umfeld so offen über den Glau-ben sprachen, daß er automatisch Stadtgespräch wurde. Aufdem Tempelplatz in Jerusalem trafen sich täglich TausendeMenschen. Zu ihnen sprachen die Christen öffentlich überihren Glauben.

Dabei war das für sie keine peinliche Pflicht. Sie mußtenkeine Synode abhalten und keine Konsultationen über dieFrage, ob Evangelisation denn überhaupt ihr Auftrag sei. Siewaren ergriffen von einem leidenschaftlichen Feuer. Siekonnten gar nicht anders, als von Jesus zu sprechen. Was triebsie dabei? Das Wunder der Liebe Gottes, das in ihr Lebenhineingewirkt hat. Sie hatten begriffen, daß die Grundpro-bleme unserer Existenz durch Jesus gelöst werden. Jesus istdie Schlüsselfigur. Bei den »Evangelisationen« der erstenChristen ging es nicht um Mitgliederwerbung fur eine Kir-che oder eine christliche Organisation. Auch nicht um die

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Befriedigung irgendwelcher religiösen Bedürfnisse. Nein,die Christen der ersten Stunde lebten in dem Bewußtsein,daß Menschen ohne Gott in Zeit und Ewigkeit verloren wa-ren. Deshalb forderte Petrus in seiner ersten programmati-schen Rede in der Öffentlichkeit: »Kehrt um, laßt euch erret-ten.« Der Begriff »Rettung« wird nur dort verwendet, wosich jemand in Todesgefahr befindet. Dann geht es nämlichnicht um eine vorübergehende Hilfe, sondern um Leben undTod.

Öffentliche Proklamation

Was trieb sie noch? Die Christen waren getrieben vom Feuerdes Heiligen Geistes! Es ging ihnen nicht um ihre eigenenÜberzeugungen, um ihre eigene Sammlung schöner Gedan-ken. »Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen«,hatte Jesus ihnen gesagt. »Ihr werdet meine Zeugen sein!«,und nun merkten sie, daß das keine leeren Worte gewesenwaren. Heute wird der Glaube privatisiert. Man versucht unseinzureden, daß wir in einer Reihe mit anderen Religionenunseren Platz zu suchen hätten. Man wünscht, daß wir unse-re Aussagen relativ sehen. Kein Wunder, daß in kirchlichenKreisen von einer »Verdunstung des christlichen Glaubens«die Rede ist. Die Folge: Evangelisation wird von vielen indie Kiste mit der Aufschrift »religiöses Marketing/kirchlichePublic Relations« gesteckt. Da ist es auch logisch, daß sichviele nur noch mit den Fragen der Methode beschäftigen.Die Inhalte bleiben dann leider zu oft auf der Strecke.

Was ist Evangelisation auf dem Hintergrund der Bibel?Vor einigen Jahren las ich in einer internationalen missions-wissenschaftlichen Zeitung, daß es inzwischen zehn unter-schiedliche Begriffsbestimmungen fîir Evangelisation gibt.Teilweise widersprechen sie sich sogar. Ich habe mich ge-

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fragt, ob wir diesen Begriff nicht lieber aus unserem Vokabu-lar streichen sollten. Bisher war ich der Illusion erlegen, daßes im Gebrauch dieses Wortes keine Verständigungsschwie-rigkeiten geben könne. Aber bei zehn verschiedenen Bedeu-tungen scheint es ja ein Akt der Barmherzigkeit zu sein, die-ses Wort aus dem Verkehr zu ziehen, um nicht noch mehrVerwirrung und Mißverständnisse zu stiften. Das hebräischeWort fur den Evangelisten bedeutet übersetzt »Siegesbote«.Das war zu biblischen Zeiten der, der von den Schlachtfel-dern die Berichte über die entscheidende Schlacht über-brachte. Wenn es gut ausgegangen war, schrie er schon vonweitem: »Wir haben gewonnen! Sieg! Sieg!« Er hatte denSieg nicht selbst errungen, es war nicht sein Verdienst, aberseine Botschaft entschied über das Schicksal einer ganzenStadt. Dann brach Freude aus. Die Menschen wußten: »Wirsind frei, wir dürfen leben!«

Dieser Begriff wurde übrigens schon im Alten Testamentgebraucht. Nicht nur der »Evangelist«, sondern auch das»Evangelium« hatte eine doppelte Bedeutung. Es gab ganzeKasernen von »Evangelisten« am Kaiserhof in Rom. DasEvangelium war die Kaiserbotschaft. Es meinte die offizielleBekanntmachung. Genau dieser formale Begriff wird in derBibel verwendet. Warum? Weil er die Sache auf den Punktbringt: Nicht die Evangelisten schaffen die Lösung, sondernsie sind nur die Überbringer der Nachricht. Die Schlüsselfi-gur ist ein anderer. Es gehört zum Evangelium von JesusChristus dazu, daß es öffentlich vertreten wird, weil Jesusnicht das private Amulett für den häuslichen religiösen Be-darfist. Natürlich hat jeder in unserer Gesellschaft ein gewis-ses Quantum an Lebensangst zu bewältigen. Da nimmt manauch gerne religiöse Angebote an, und Jesus ist in der Privat-sphäre immer gerne gesehen. Aber die Menschen machen ausihm einen »Taschengötzen«. Sie ziehen ihn immer mal wie-der aus der Tasche, wenn sie meinen, es sei angebracht. Aber

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Jesus ist der Herr der Welt. Deshalb leben Christen gegenden Trend der Privatisierung.

Dem Zeitgeist würde es sehr entgegenkommen, wennChristen sich in die eigenen vier Wände zurückziehen wür-den und aus ihrem privaten Ghetto verlauten ließen, jedersolle doch glücklich werden, wie es ihm gefallt. Gegen einenprivaten Glauben, der keinem auf die Füße tritt, haben diewenigsten Menschen etwas einzuwenden. Aber der Rückzugaus dem öffentlichen Leben gleicht einem Verrat an Jesus.Evangelisation bedeutet immer: öffentliche Proklamation.

Paßt Evangelisation überhaupt in unsere Zeit?

Trotzdem muß die Frage erlaubt sein, ob Evangelisationüberhaupt noch in unsere Zeit paßt. Geben die Christennicht ohnehin viel zu oft Antworten auf Fragen, die keinerstellt? Diese Vorwürfe sind gar nicht so leicht zu entkräften.Menschen, die von Gott getrennt leben, haben ein starkesBedürfnis, jegliche Gedanken an ihn zu verdrängen. Es istein Irrtum, daß wir alle von Natur aus Gottsucher sind. Wirsind von Natur aus Flüchtlinge! Wir wollen uns der Frageüberhaupt nicht stellen, ob es einen Gott gibt oder nicht.Denn wenn es ihn gäbe, müßten wir unser Leben ändern.Deshalb wollen wir, daß Gott in der Belanglosigkeit bleibtund nicht zuviel über ihn geredet wird. Zeitweise gelingt esuns sogar erfolgreich, Gott zu verdrängen. Manche versu-chen das sogar ihr ganzes Leben lang. Es hängt aber nichtvon unserer Meinung oder unserem Glauben ab, ob es Gottgibt oder nicht. Ich bin überzeugt: Wir werden ihm begeg-nen. Jesus ist Gottes Antwort auf die vielen Fragen, die wirgerne verdrängen möchten. Die Begegnung mit Jesus istnicht in jedem Fall angenehm.

Wir denken heute sehr kundenorientiert: Der Kunde ist

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König. Das bestimmt auch oft unser Denken über Evangeli-sation. Aber das Erfolgserlebnis eines zufriedenen Kundenhat im Zusammenhang mit Evangelisation nichts zu suchen.Es geht nicht darum, Bedürfnisse zu befriedigen. Die Begeg-nung mit Jesus hat für uns unangenehme Folgen; denn wirmüssen uns ändern. Es werden Fragen aufgeworfen, die unsnicht schmecken. Jesus ist nicht der Deckel auf den Topf, denwir Gott hinhalten. Er ist nicht das Angebot auf die Nachfra-ge der Kunden. Trotzdem trifft das Evangelium von JesusChristus die aktuellen Fragen unserer Zeit und wird Men-schen zufriedenstellen.

Es fällt auf, woran wir heute am meisten leiden: Wirhaben Beziehungsprobleme! Um dieses Kernproblem zuerkennen, braucht man nun wirklich kein Christ zu sein.Menschen ganz unterschiedlicher Weltanschauungen sindsich einig, daß wir in dreifacher Hinsicht Beziehungskrisendurchleiden:

1. Die Krise in der Beziehung zu uns selbst.Man könnte sie auch Identitätskrise nennen. Wer bin ich ei-gentlich? Vielen Menschen fällt es schwer, ihren Platz im Le-ben zu finden. Sie können sich selbst schlecht einordnen undwissen nicht so recht, wohin sie gehören.

2. Die Krise in der Beziehung zu anderen.In einem Wochenmagazin las ich vor einigen Jahren einenprogrammatischen Aufsatz unter dem Titel »Dauerhaft istnur die Trennung«. Der Autor schreibt darin, daß zum erstenMal in der Menschheitsgeschichte versucht wurde, partner-schaftliche Beziehungen ausschließlich auf Emotionen zugründen. Soziale und wirtschaftliche Aspekte hätten dabeikeine Rolle mehr gespielt. Früher hatten sie eine größere Be-deutung, obwohl es mit der Liebe noch nie sehr weit her ge-wesen sei. Er fuhrt dann aus, daß unser soziales Netz die

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wirtschaftliche Seite weitgehend absichert. Daher spielt dasGefühl eine größere Rolle. Partnerschaften, die aber aus-schließlich auf Emotionen aufbauen, zerbrechen schneller.Wir strapazieren diese Seite der Beziehung zueinander zustark.

3. Die Krise unserer Umwelt.Es ist offenkundig, daß die Beziehung zwischen Menschund Natur nicht mehr stimmt. Der ökologische Super-GAUscheint nicht mehr weit entfernt zu sein.

Braucht jeder Mensch eine Beziehung zu Gott?

In diesen drei Bereichen stecken wir in der Krise, aber wirleugnen beharrlich, daß es sich dabei eigentlich nur um Aus-wirkungen der eigentlichen Krise handelt, nämlich unsererfehlenden Beziehung zum Schöpfer. An dieser Stelle gibt esheftige Kontroversen. Die Diskussion entbrennt an der Fra-ge, ob diese Beziehung zum Schöpfer wirklich fur jedenMenschen nötig sei oder ob sie mehr als »Zutat zum Leben«für denjenigen gedacht ist, der meint, sie nötig zu haben.Und hier sind wir wieder bei dem Ausgangspunkt: Religionsoll Privatsache sein.

Selbst in den Kirchen wird das manchmal proklamiert.An dieser Stelle kommt es natürlich zu einem Konflikt mitEvangelisationen. Denn durch sie wird der Anspruch Gottesund sein Weg, uns in den Krisen zu helfen, deutlich gemacht.Wenn wir aber den Glauben an Gott mehr als eine Art Feuer-löscher sehen, der nur wichtig wird, wenn's brennt, müssenwir Evangelisation als Störenfried empfinden. Die Menschensind ja so nachsichtig: Jeder darf glauben, was er will. Chri-sten, die ihren Glauben ernst nehmen und Jesus nachfolgenmöchten, wird mit Hochachtung begegnet. Doch die hat

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eine Voraussetzung: Sie müssen darauf verzichten, daß JesusChristus der einzige Weg zu Gott ist. Wenn wir diesemWunsch nachgeben, verzichten wir auf das Kernstück unse-res Glaubens. Es kann deshalb nicht darum gehen, daß wiruns nach den Spielregeln dieser Welt richten, alles relativ se-hen und meinen, daß wir uns Anerkennung dadurch erwer-ben können, daß wir unseren Glauben nicht allzu deutlich indie Öffentlichkeit tragen. Die Verkündigung des Evange-liums von dem gekreuzigten und auferstandenen JesusChristus, der uns mit Gott versöhnt, ist ein unumkehrbarerAuftrag an alle Christen.

In welcher Form wir diesen Auftrag ausführen, ist sichereine Frage der Liebe. Vielleicht haben manche Leser erwartet,daß ich mich mehr mit den Formen auseinandersetze. Leiderwerden mit dem Begriff »Evangelisation« häufig nur die For-men in Verbindung gebracht. Viele sagen »Evangelisation«und meinen bestimmte Veranstaltungstypen. Ich weigeremich, mich an diesem Mißbrauch des Begriffes zu beteili-gen! Es bedrückt mich, daß wir den Ausdruck »Evangelisa-tion« auf eine mehrtägige Veranstaltungsreihe reduziert ha-ben.

Evangelisation ist ein biblischer Grundbegriff, der dieVerkündigung der Botschaft von Jesus Christus beschreibt.Zuerst kommt der Inhalt und dann die Formen. Methodensind nichts anderes als verschiedene Wege zu den Herzen derMenschen.

Ulrich Parzany, Kassel, Pfarrer und Generalsekretär des CVJM-Ge-

samtverbandes in Deutschland, Vorsitzender der Gerhard-Tersteegen-

Konferenz, LeitervonProChrist, HerausgeberderZeitschrift »Schritte«,

Mitglied im Lausanner Komitee für Weltevangelisation.

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Heinzpeter Hempelmann

Glauben wir nicht alle an denselben Gott?

Viel mehr als früher machen Menschen heute Bekanntschaftmit anderen Religionen. Dadurch stellt sich notwendig dieFrage: Wie verhält sich der christliche Glaube zu (anderen)Religionen?

Eine Antwort auf diese Frage, die zudem noch den Vorteilhat, tolerant zu erscheinen, lautet: »Wir glauben doch alle andenselben Gott! Wichtig ist doch nicht so sehr, was manglaubt, sondern daß man glaubt. Was man glaubt, ist dochvor allem von der Kultur abhängig, in die man hineingebo-ren ist. Kultur, Religion ist nur die mehr oder minder zufäl-lige Schale. Der Kern, die Wahrheit, muß doch davon unab-hängig sein.« Hat es unter diesen Umständen noch Sinn, füreine besondere Religion einzutreten, zur Umkehr zu JesusChristus zu rufen?

Im scheinbar Selbstverständlichen drohen die größtenIrrtümer

Diese Position klingt außerordentlich plausibel. Kein gerin-gerer als der Philosoph Karl Jaspers hat darauf aufmerksamgemacht, daß aber gerade in dem, was so scheinbar selbstver-ständlich gültig zu sein scheint, die größten Irrtümer lauern.Gerade hier muß man besonders aufpassen und kritisch zu-rückfragen.

Zunächst gilt: Wenn zwei dasselbe sagen, sagen sie, mei-

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nen sie noch lange nicht dasselbe. Wenn zwei von »Gott« re-den, meinen sie noch lange nicht dasselbe oder gar densel-ben. Es ist doch nicht nur eine belanglose Kleinigkeit, wennwir darauf aufmerksam machen: Die Religionen reden ja garnicht von »Gott«. Die eine redet von »Jahwe«, von »Gott« als»Vater«; die andere von »Allah«. In der dritten steht das »Brah-man« im Mittelpunkt; sie lehnt die Vorstellung von einempersönlichen höchsten Wesen ganz ab. Wenn wir sagen: AllenReligionen geht es um »Gott«, dann nehmen wir nicht nureine harmlose Übersetzung vor, sondern vollziehen eine reli-gionsphilosophische Gleichsetzung (Allah = Gott = Jahwe =...) von höchstem inhaltlichen Gewicht. Diese Gleichungsetzt voraus, was doch erst zu beweisen, zu belegen wäre, wassich aber gerade angesichts der Unterschiedlichkeit der Reli-gionen nicht zeigen läßt: Alle meinen denselben und redenvon demselben. Wer so denkt, der geht an der konkreten Re-ligion gerade vorbei; der mißachtet, was gerade sie ausmacht,was gerade sie sagen will.

Wer wirklich tolerant sein, den andern stehen lassen will,der sollte die Eigenart der einzelnen Religionen darum ach-ten; der sollte darauf achten, ihr Wesentliches in dem zu se-hen, was ihre besonderen Kennzeichen sind, was gerade sieals Religion ausmacht; der sollte ihre wahre Bedeutung dar-um nicht in dem suchen, was sie mit anderen konkurrieren-den Religionen - scheinbar - verbindet, sondern in dem,was sie von ihnen unterscheidet und was ihr nicht zuletztauch ihrem eigenen Selbstverständnis nach ihre unverwech-selbare Bedeutung und ihr einzigartiges Gesicht verleiht.

Es gibt viele Götter, aber nur einen Gott

Die jüdisch-christliche Position ist sehr viel toleranter. Siewird der Welt der Religionen und ihrem Selbstverständnis

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sehr viel eher gerecht. Ganz freimütig gesteht schon das AlteTestament, gibt selbst Paulus im Neuen Testament zu: Es gibtviele Götter. Das ist doch gar nicht zu übersehen. Es gibt ver-schiedene Götter. Wer sie ernst nimmt und kennt, kann an-gesichts der Unterschiede kaum auf den Gedanken kommen,daß es sich um denselben Gott handelt, dessen Maske die an-deren Götter dann bloß darstellen.

Paulus räumt freimütig ein: »Wenn es auch sogenannteGötter gibt im Himmel und auf Erden — wie es ja viele Göt-ter und viele Herren gibt —, so ist doch fur uns ein Gott undein Herr«, das heißt: so haben wir erkannt, daß es nur einenGott gibt und einen Herrn (1. Korinther 8,5 f.)

Daß es andere Götter gibt, das ist für die Bibel keineStreitfrage; sehr wohl aber, welcher der vielen Götter dennden Namen Gott verdient; wer es denn allein verdient, Gottgenannt zu werden. Als der Prophet Elia das Volk Israel vomGlauben an den Baal zurückfuhren sollte zum Glauben anJahwe, da hat er sich mit den Baalspriestern nicht an einenrunden Tisch gesetzt, mit ihnen ein Religionsgespräch ge-fuhrt und nach dem Motto gehandelt: »Warum denn strei-ten? Ganz gleich ob Baal oder Jahwe — letztlich geht es dochum denselben Gott!« Elia bestritt zwar nicht, daß es Baalgibt; aber er stritt sehr wohl darum, ob dieser Baal oder Jah-we den Namen Gott verdient (1. Könige 18,22 ff.). Elia strei-tet nicht aus Rechthaberei, sondern weil er weiß: Gott, dasist das, worauf man sich verlassen können muß, im Lebenwie im Sterben. Hier, in der Gottesfrage, geht es nicht umbloße Theorie, sondern um knallharte Wirklichkeit. Hierkommt's drauf an. Hier wäre es fahrlässig, sich mit Formelnabspeisen zu lassen wie »Wir glauben doch alle an denselbenGott«.

Deshalb, weil es buchstäblich um Leben und Tod geht,um die Frage: Worauf kann ich bauen? Wer ist wirklich Gott,und wer ist bloß ein Götze, ein »Nichts«, das nichts vermag?

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Deshalb und nur deshalb widersteht biblischer Gottesglaubeder ebenso verlockenden wie irreführenden Formulierung»Wir glauben doch alle an denselben Gott!«.

Genau das kann nicht sein, wenn man sich klarmacht,daß »Gott« ja nicht nur ein wirklichkeitsferner Gedanke ist;daß es beim Thema Gott vielmehr ums Ganze, aufs Ganzegeht: um die Frage: Worauf ist Verlaß? Worauf kann ich meinLeben bauen, und was trägt mich sogar noch im Sterben?

Die Bibel vertritt keinen philosophischen Ein-Gott-Glauben (Monotheismus), wohl aber die Anbetung nur desEinen, der allein Gott genannt zu werden verdient (Monola-trie). Die Vorstellung nur eines Gottes erweist sich als philo-sophische, wirklichkeitsferne Unterstellung. Sie ergibt sichaus einer bestimmten griechisch-abendländischen Religi-ons-Philosophie; diese besitzt aber doch nicht einfach selbst-verständlich Gültigkeit; sie wirkt vielmehr angesichts der sounterschiedlichen Wirklichkeit der verschiedenen Religio-nen recht unglaubwürdig, gedankenfaul und intolerant.

Daß man bei den Religionen zwischen unwichtiger, imPrinzip beliebiger »Schale« auf der einen Seite und eigentli-chem, allein wichtigen »Kern« auf der anderen Seite unter-scheiden kann und muß, ist eine weitere philosophischeUnterstellung, die sich ebenfalls alles andere als von selbstversteht. Sie unterstellt die wahrnehmbare Gestalt einer Re-ligion als das Unwahre, Uneigentliche und sucht die Wahr-heit einer Religion erst hinter dem, was sie eigentlich sagenmöchte. Eine solche philosophische Behauptung weiß esdarum immer schon besser als die Religionen, denen mandoch eigentlich gerecht werden möchte.

Wer im geschichtlichen, kulturellen Erscheinungsbilddas nur Äußere, Äußerliche sieht, den eigentlichen Wahr-heitskern aber dahinter sucht, der kann diesen dann imGrunde nach eigenem Belieben bestimmen und angebenund der leistet damit einer Vorstellung Vorschub, die heute

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ebenfalls weit verbreitet ist und sich großer Beliebtheit er-freut. Es handelt sich um die (neo-) hinduistische Auffassungvon den Religionen, die freilich heute auch von vielen west-lichen Vertretern eines Dialogs der Religionen begeistert auf-und unkritisch übernommen wird. Danach ist keine Reli-gion der Erkenntnis Gottes fähig; alle sind gleich wahr oderpräziser gesagt: gleich unwahr; Gott selber ist dem Men-schen nicht erkennbar. Auch die Religionen trennt ein un-durchdringlicher »Grauschleier« von der Begegnung mit derWahrheit und Wirklichkeit Gottes. Auch hier gilt dann: Wirglauben doch alle an denselben Gott. Jeder von uns hat nurein »Fitzelchen« der Wahrheit in der Hand; keiner erkenntGott ganz; keiner kennt ihn wirklich.

Was so tolerant und gut klingt, weil es scheinbar allenReligionen gerecht wird und alle Religionen gleich behan-delt, gibt im Grunde nur einer Religion recht - nämlich derhinduistischen, die genau das als ihre absolute Wahrheit ver-kündet, daß alle Religionen letztlich in ihrem Anspruch,Gott zu erkennen, unwahr und im Unrecht sind.

Im Namen der Toleranz — höchste Intoleranz!

Was so tolerant klingt, ist schließlich in der Sache höchst in-tolerant, ja eigentlich eine Unverschämtheit gegenüber denReligionen, die den Anspruch vertreten: Gott hat sich unshöchst persönlich vorgestellt; er läßt uns gerade nicht - wieim Hinduismus unterstellt — im ungewissen; er hat sich unsvielmehr als der wahre Gott geoffenbart, ja persönlich vorge-stellt.

Wer sich mit den verschiedenen Religionen beschäftigt,muß sie ernst nehmen. Er muß ihre Bekenntnisse als das neh-men, was sie sind: als völlig unterschiedliche, ja wider-sprüchliche, zueinander in Konkurrenz stehende Behauptun-

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gen darüber, wer wirklich Gott ist. Nur ein solches Wahr-nehmen der Religionen, auch und vor allem des christlichenGlaubens, wird den Religionen in ihrer Eigenart und Gestaltwirklich gerecht. Auf nur scheinbar tolerante Gedanken-losigkeiten wie »Wir glauben doch alle an denselben Gott«sollten wir in der Begegnung mit anderen Religionen umder Religionen willen, um der Toleranz willen und vor allemum der Wahrheit willen besser verzichten.

Dr. Heinzpeter Hempelmann ist Seminardirektor des Theologischen

Seminars der Liebenzeller Mission und arbeitet verantwortlich in

zahlreichen theologischen und kirchlichen Gremien mit. Verfasser von

Büchern und Zeitschrißenartikeln zu Fragen der Missionstheologie

und Apologetik.

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Clemens Bittlinger

Was heißt hier »missionarisch«?

Viele Thesenpapiere, Sektionsberichte und Einsparungsvor-schläge kursieren zur Zeit in unserer Kirche. Bei der Lektürestößt man erstaunlicher- und erfreulicherweise immer wie-der auf das Wörtchen »missionarisch«, wenn es z. B. heißt,»die missionarische Kompetenz« (der Gemeinden, der Pfar-rer) müsse gestärkt werden, unsere Kirche als Ganzes müsse»missionarische Kirche« sein bzw. werden und sich darumbemühen, vor allem »kirchlich Distanzierte« zu erreichen.

Das Wörtchen »missionarisch« steht jedoch in Anfüh-rungszeichen, weil ihm innerhalb und auch außerhalb unse-rer Kirche eine unglaubliche Bedeutungsvielfalt zukommt.Es umschreibt gewissermaßen eine Chiffre, unter der dieVertreter der unterschiedlichsten theologischen Positionenscheinbar dasselbe sagen, bei genauem Hinsehen jedochgrundsätzlich Unterschiedliches meinen.

Der Begriff »missionarisch« ist modern geworden undläßt sich angesichts dieser bunten Gebrauchspalette am freie-sten und unverfänglichsten wohl mit »werbend« oder »ge-winnend« übersetzen. Ähnlich wie vor einigen Jahren derBegriff »charismatisch« boomte und plötzlich in völlig unter-schiedlichen Kontexten auftauchte (in der Werbung: »eincharismatisches Designerteam«, in der Politik: »der charis-matische Redner«), die mit dem paulinischen Charismaver-ständnis nur noch am Rande zu tun hatten, so wird nun viel-leicht auch das Attribut »missionarisch« ganz neue inhaltliche

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Urstände feiern. Denn »werben« kann ich fur so ziemlichalles. Daß einer wirbt oder andere »gewinnen« will, sagt janoch lange nichts aus über das Produkt, für das er sich ein-setzt.

Das heißt: Das Wort »missionarisch«, so wie es zur Zeithäufig in unserer Kirche gebraucht wird und wohl auch inMode kommt, beinhaltet weniger eine spirituelle, sondernvielmehr eine kommunikative Aussage: Mission heißt Wer-bung.

Frei nach dem Motto: »Ein missionarischer Autoverkäu-fer wirbt fur sein Auto, ein missionarischer Christ wirbt fur... - ja wofür soll der werben?« Die Antwort ist ebenso nahe-liegend wie simpel: für die Kirche natürlich. Läßt man dieseAntwort gelten, wird zumindest sofort verständlich, warumin den verschiedenen Bereichen unserer Kirche ganz Unter-schiedliches unter »missionarisch« verstanden wird. Darausfolgt, daß jedes professionelle und gute Engagement, sei es inder Kirchenmusik, in der Erwachsenenbildung oder in derKirchenverwaltung, missionarisch ist, weil solches positiveWirken ja wirbt und einlädt — zur Kirche.

So verstanden ist der Gegenstand der Mission die Kircheals eine gesellschaftliche Institution, innerhalb derer u. a.auch die Einladung zum Glauben an Jesus Christus zur Spra-che kommen kann und soll.

In einer Zeit, in der viele sich zweifellos bemühen, pro-fessionell und engagiert für die Kirche zu arbeiten, erlebenwir so gesehen einen großen »missionarischen Aufbruch«.Allerdings denke ich, daß diese Art der Mission nicht das ist,was Mission ursprünglich sein sollte und heute sein will. Si-cherlich hat der Begriff »missionarisch« auch eine kommuni-kative, vor allem aber eine geistliche Dimension. Das Zielmissionarischer Aktivitäten soll sein, gerade auch kirchlichDistanzierte einzuladen, mit uns gemeinsam Jesus dem Ge-kreuzigten und Auferstandenen nachzufolgen.

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Unser »Produkt« ist zunächst das Evangelium, nicht dieKirche.

Daß da, wo Menschen sich in die Nachfolge rufen lassen(Matthäus 28,19) und sich um den Auferstandenen scharen,dann tatsächlich auch Kirche entsteht und wächst, ist eine er-staunliche und mutmachende Erfahrung über die Jahrhun-derte hinweg.

Clemens Bittlinger, Rimbach, Beauftragter für musisch-kulturelle Ver-

kündigung in der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau (EKHN),

Liedermacher, Pfarrer undKommunikationswirt.

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Peter Strauch

Bekehrung - nur eine Frage der Methode?

»Bekehrung«, das Wort hat in vielen Ohren keinen gutenKlang. Nichtchristen verbinden damit exotische Vorstellun-gen, und in christlichen Kreisen stößt man immer wieder aufsolche, die in Sachen Bekehrung »gebrannte Kinder« sind.Bei den einen kamen Bekehrungserlebnisse unter viel Druckzustande, bei anderen hielten sie nicht, was sie versprachen.

Aber so ärgerlich der Begriff auch für manche Leute seinmag, wir dürfen und können nicht auf ihn verzichten. »Be-kehrung« ist ganz und gar mit der Existenz des Christseinsverknüpft, und wer über den Sinn oder Unsinn von »Bekeh-rung« diskutiert, diskutiert letztlich über die zentralen Fra-gen: »Wer ist Christ?« und »Wie wird man Christ?«. Bei demRuf zur Bekehrung handelt es sich also nicht um eine metho-dische Spielart pietistischer Verkündigungspraxis, auf dieman ebenso gut verzichten könnte, sondern um den Ruf zurUmkehr ins Reich Gottes. Das ist eine starke Behauptung,und in einem ersten Schritt möchte ich anhand der Bibel zei-gen, wie ich zu dieser Behauptung komme. In einem zweitenSchritt nenne ich dann fünf Konsequenzen, die sich für michdaraus ergeben.

Was sagt die Bibel zum Thema »Bekehrung«?

Bekehrung im Alten Testament (schub) heißt: umkehren,zurückkehren, wiederherstellen oder zurückbringen. Dieser

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Begriff wird fast ausschließlich in Verbindung mit dem VolkIsrael gebraucht. Israel ist Gottes Eigentum. Gott hat mitdem Volk einen Bund geschlossen. Dazu gehört die gegensei-tige Treue. Gott blieb seinem Volk treu, aber es selbst wandtesich immer wieder anderen Götzen zu. Daraufhin rufen diePropheten das Volk zur Umkehr und Rückkehr, also zur Be-kehrung auf.

Bei Jeremia trägt dieser Ruf fast resignierende Züge: »Im-mer wieder sandte ich zu euch alle meine Knechte, die Pro-pheten, mit der Mahnung: Kehrt doch um von euremschlechten Weg! Bessert euer Tun, und lauft nicht anderenGöttern nach ... Ihr aber habt nicht auf mich gehört« (Jeremia35,15). Das Volk ist von sich aus nicht einmal dazu in der La-ge. Ihm fehlen die Voraussetzungen zur Umkehr. Und so be-tet Jeremia: »Bekehre du mich, so will ich mich bekehren.«(Jeremia 31,18). Gott antwortet und verspricht, fur die Vor-aussetzungen zu sorgen. Eine großartige Zukunft wird ange-kündigt: »Siehe, es kommt die Zeit, wo ich mit dem HausIsrael und dem Haus Juda einen neuen Bund schließen will.«Und einige Verse weiter: »Das soll der Bund sein ...: Ich willmein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben...« (Jeremia 31,31+33). Ähnliche Zusagen finden wir bei an-deren Propheten. Gott selbst will aus seinem Volk Menschenmachen, die nach seinen Geboten leben und ihm gehorchen(Hesekiel 36,26+27). Gott ist wie ein Mann, der die Frau, dieer liebt und die zu ihm gehört, nach Hause ruft. Die »ver-gnügt« sich aber mit anderen Partnern. Umkehr, Rückkehr,Heimkehr..., das meint das Alte Testament, wenn es von »Be-kehrung« spricht.

Im Neuen Testament heißt »bekehren« (epistrepho) sichumwenden oder abwenden. Gemeint ist ursprünglich einewirklich körperliche Bewegung. Jemand dreht sich um undschlägt eine neue Richtung ein. Allerdings wird der Begriffauch schon im profanen Griechisch im übertragenen Sinn

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gebraucht. So beschreibt dann das Neue Testament mit die-sem Wort die Umkehr eines Menschen zum lebendigen Gott(Lukas 1,16).

Darüber hinaus begegnet uns im Neuen Testament aberauch das Wort »Sinnesänderung« (metanoia). Das ist vor al-lem in den Evangelien und in der Apostelgeschichte der Fall.Luther übersetzt diesen Begriff mit »Buße«. Aber ist Bekeh-rung nicht viel mehr als nur eine Veränderung der Sinne unddes Denkens?

Der Theologe Julius Schniewind macht darauf aufmerk-sam, daß Jesus und seine Jünger aramäisch sprachen und sichin ihrer Verkündigung zweifellos auf den hebräischen Begriffder Umkehr bezogen. Deshalb ist es falsch, wenn mancheLeute meinen, bei der Bekehrung ginge es ausschließlich umeine gedankliche Veränderung und Neuausrichtung derSinne. Gerade diese Zergliederung der menschlichen Persön-lichkeit ist dem biblischen Denken ganz und gar fremd.

Bekehrung im alttestamentlichen und neutestamentli-chen Denken meint also ausnahmslos den ganzen Menschen.Er kehrt sich von den Götzen ab und kehrt sich dem lebendi-gen Gott zu (1. Thessalonicher 1,9b). Das ist Bekehrung, unddabei handelt es sich keinesfalls um eine Randerscheinung inder Bibel, sondern um einen zentralen Begriff. Der Arzt Lu-kas beschreibt damit, wie Menschen auf den Missionsreisendes Apostels Paulus (Apostelgeschichte 9;11; 15;26) Christenwerden. Bekehrung ist der Eintritt in ein neues Leben unterder Herrschaft Gottes. Genau darum geht es. Christ werdeich durch Bekehrung. Habe ich mich nicht bekehrt, so binich auch kein Christ.

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Konsequenzen, die sich daraus ergeben:

1. Bekehrung wird von Gott bewirkt, aber nicht ohne Betei-ligung des Menschen

Zugegeben, diejenigen, die auf die Bekehrung von Men-schen großen Wert legen, verbinden manchmal einen fal-schen Zungenschlag damit. Bei ihnen gewinnt man den Ein-druck, Bekehrung sei machbar, so als könne der Menschdarüber verfugen. Das ist falsch. Kein Evangelist kann einenMenschen bekehren, und der Betroffene selbst kann es auchnicht. Dem bekannten Wort Jesu: »Wer zu mir kommt, denwerde ich nicht hinausstoßen« (Johannes 6,37) geht voraus:»Alles, was mir mein Vater gibt, das kommt zu mir...« WennGott einen Menschen nicht anspricht, kann er sich auch nichtbekehren. Die Bekehrung liegt also nicht in der Verfügungs-gewalt des Menschen. Gott muß die Voraussetzungen dazuschaffen.

Ein falscher Zungenschlag ist es auch, wenn Bekehrte soreden, als habe mit ihrer Bekehrung alles begonnen. Wennalso jemand sagt: »Ich habe mich bekehrt« oder »Ich habemich entschieden« oder gar »Ich bin nach vorne gekommen«,und so tut, als sei dies die Basis seines neuen Lebens, dann hater noch nicht verstanden, worauf sich die Erlösung des Men-schen gründet. Der Grund heißt »Jesus Christus« (1. Korin-ther 3,11), und sein Tod auf Golgatha umfaßt alles (Johannes19,30) und muß und kann durch nichts vervollständigt wer-den, auch durch keine Bekehrung. Deshalb hat jener Mannrecht, der auf die Frage: »Wo haben Sie sich bekehrt?« ant-wortete: »Auf Golgatha.«

Trotzdem hat Gott sich aber dafür entschieden, den Men-schen an dem Start des neuen Lebens zu beteiligen. Er stülptihm die Vergebung der Schuld und das neue Leben nicht ein-fach über, sondern wartet auf die Antwort des Betroffenen.Bekehrung ist sozusagen das kleine Ja des Menschen zu Gott

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auf das große Ja Gottes zu ihm. Gott hat sein großes »Ja« zuuns längst gesprochen, aber es wird fïir den einzelnen erstgültig, wenn er sich bekehrt. Zweifellos wird in diesem Zu-sammenhang Luthers erste These zu schnell zitiert, die davonspricht, »daß das ganze Leben der Gläubigen stets eine Bußesein soll«. Es ist zwar richtig, daß Bekehrung mehr ist als einpunktuelles Ereignis, das ich wie eine Versicherungspolicefur den Ernstfall mit mir herumtrage. Ohne Frage geht es da-bei auch um eine Lebenshaltung der Buße, also der unauf-hörlichen Abhängigkeit von Jesus Christus und seiner Gna-de. Sie ist sozusagen die Frucht einer echten Bekehrung. Aberwer meint, mit Luthers erster These der Notwendigkeit einergrundlegenden und einmaligen Bekehrung entgegentretenzu müssen, täuscht sich und andere. Manchmal ist diese Auf-fassung ja auch mit einem Taufverständnis verknüpft, dasden Menschen in Sachen Bekehrung nichts mehr tun läßt.Evangelisation hat dann ausschließlich die Bedeutung vonVergewisserung, Befestigung oder Bestätigung dessen, wasGott in Christus bereits getan hat. Wenn wir aber den Muthaben, möglichst vorbehaltlos nach dem biblischen Ver-ständnis von Bekehrung zu fragen, so kommen wir zu einemanderen Schluß. Gott hat durch Christus zwar eine vollkom-mene Erlösung geschaffen, die durch nichts und niemandenergänzt werden muß, aber er beteiligt den Menschen an derAnnahme dieses gewaltigen Geschenkes. Nur wer einwilligt,empfängt. Gott wartet darauf, daß wir annehmen, was er furuns getan hat. Das nennt die Bibel Bekehrung.

2. Bekehrung ist eine persönliche Sache, aber nicht ohne öf-fentliche Konsequenzen

In Deutschland ist die Meinung verbreitet, daß es sichbei Religion und Glaube um etwas sehr Persönliches undPrivates handelt. Über solche Dinge redet man nicht, wenig-stens nicht in der Öffentlichkeit. Nun ist es ja durchaus rich-

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tig, daß der biblische Ruf zur Bekehrung persönlich gemeintist und sich an den einzelnen Menschen richtet. »Massenbe-kehrung«, das klingt nach Zwangsvollstreckung oder Hyste-rie. Weil die Bekehrung eine persönliche Sache ist, findetman auch in der Bibel keine allgemeingültige Bekehrungs-methode. Im Gegenteil, wer die Evangelien liest, dem wirdschnell klar, daß Jesus eine solche Methode nicht kannte undjedem Menschen anders begegnete. Den Zachäus ruft er inaller Öffentlichkeit, und mit der Frau aus Samarien spricht erunter vier Augen. Davon können wir nur lernen, und wirsollten endlich aufhören, unterschiedliche Evangelisations-methoden gegeneinander auszuspielen. Ob der öffentlicheRuf zur Umkehr in der großen ProChrist-Veranstaltungoder das missionarische Gespräch »von Frau zu Frau«, beidesist richtig und wichtig. Die Verschiedenartigkeit evangelisti-scher Methoden gehört zur Verschiedenartigkeit der Men-schen.

Aber für alle Bekehrten gilt, daß die Umkehr zu JesusChristus öffentliche Konsequenzen hat. Christsein läßt sichnicht auf sakrale Räume und Feiertagszeiten eingrenzen.Schließlich geht es bei der Bekehrung um einen Herrschafts-wechsel, der alle Bereiche unseres Lebens umfaßt. Ein Ge-schäftsmann, der Christ ist, hat auch sein Geschäft nach demMaßstab Gottes zu fuhren. Und nicht anders ist es bei einemHandwerker oder einer Hausfrau. Das geteilte Leben from-mer Leute ist leider weit verbreitet und trägt mit dazu bei,daß die Christen in den Augen mancher Zeitgenossen so un-glaubwürdig sind.

Vor Jahren wurde der Gründer und Leiter der McDo-nald's-Kette von der New York Times interviewt und auf sei-nen Glauben befragt. Er antwortete: »Ich glaube an Gott, anmeine Familie und an McDonald's; und wenn ich mein Bürobetrete, dann kehre ich diese Reihenfolge um.« Viele Chri-sten tun das mit ihm. Aber wer so lebt, hat nicht begriffen,

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was Bekehrung ist. Bekehrung umfaßt alles, auch die Persön-lichkeits- und Verantwortungsbereiche unseres ganzen Le-bens. Halbherzige Bekehrungen sind unsinnig, und Gott ak-zeptiert sie nicht (Offenbarung 3,15+16).

3. Bekehrung ist Abkehr von den Götzen, aber nicht ohneHinkehr zu Christus

Eine verbreitete und verzerrte Sicht von Bekehrung liegtin der einseitigen Betonung des alten vor der Bekehrung ge-führten Lebens. Wer von seiner Bekehrung nichts weiter zusagen weiß, als daß er sein altes Leben an den Nagel gehängthat, scheint noch nicht verstanden zu haben, um was es dabeigeht. Gerade in Kreisen, in denen der Begriff »Bekehrung«sehr vertraut ist, stößt man darauf. Fragt man dort jungeLeute nach der Definition von Christsein, folgen meist Sätze,die mit »Ein Christ darf nicht...« beginnen. Das ist der Bibelfremd. Hinzu kommt, daß bei solchen Negativformulierun-gen die eigentlichen Wurzeln des alten Lebens nicht einmalbenannt werden. Wer sagt: »Ein Christ raucht nicht, ... tanztnicht,... trinkt nicht...«, hat damit ja noch nicht die eigentli-che Tragik seines früheren gottlosen Lebens beschrieben. Sieliegt ja vielmehr in einem egozentrischen Lebensstil, der sichdurchaus mit frommen Verhaltensmaßregeln tarnen läßt.

Die neutestamentliche Beschreibung des neuen Lebens,in dem Jesus Christus der Herr ist, geschieht vor allem mitder Betonung des Reichtums, den ich durch Christus emp-fangen habe. Die konsequente Abkehr vom alten Leben wirdzwar nicht unterschlagen, aber sie ist sozusagen die Konse-quenz des neuen. Denken Sie nur an jenen Mann, der imAcker einen Schatz entdeckt und daraufhin alles weggibt,um diesen einen Schatz zu besitzen (Matthäus 13,44). DenkenSie an jenen Geschäftsmann, der alles verkauft, um die wert-volle Perle zu kaufen (Matthäus 13,45). Auch die neutesta-mentlichen Briefe, in denen die Abkehr von den Götzen und

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der Sünde sehr konkret beschrieben wird, betonen vor allemden Reichtum, der uns durch Jesus Christus geschenkt wird(Kolosser 3 u.a.). Wer also zum Thema Bekehrung nur zu sa-gen weiß, was er alles nicht mehr tut, hat das Kernstück desneuen Lebens nicht verstanden.

4. Mit der Bekehrung werden Menschen vollkommen neu,aber nicht ihr Lebensstil

Ich kenne eine Reihe Leute, die sich darüber freuen, daßder revidierte Luthertext von 1984 (und auch schon von1975) den Schluß von 2. Korinther 5,17 mit den Worten über-setzt: »Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.«Vorher hieß es da: »... siehe, es ist alles neu geworden«, unddieses »alles« machte so manchem Bibelleser große Probleme.Schließlich — bei aller Freude über das neue Leben — die sün-digen Gewohnheiten des alten Lebens sind ja nicht einfacherledigt. Das wird uns manchmal schmerzhaft bewußt. An-gesichts dieser Erfahrung erscheint uns die neue Überset-zung realistischer.

Nun glaube ich allerdings nicht, daß es uns hilft, die gro-ße Aussage von 2. Korinther 5 auf ein Mittelmaß zurückzu-schrauben. Die Revision des Luthertextes ist zwar korrekt,aber zweifellos beschreibt Paulus hier etwas so umfassendNeues, daß es unser Vorstellungsvermögen sprengt. Immer-hin spricht er von einer neuen Schöpfung und nicht von ei-ner Teilrenovierung. Wer die Gnade Gottes im Glauben an-nimmt und sich Gottes Sohn Jesus Christus anvertraut, derbekommt Leben, das er vorher nicht einmal ansatzweisehatte. Es überdauert den Tod und hält ewig. Das wird in2. Korinther 5 beschrieben, und wir sollten es nicht ein-schränken. Daß wir mit der Unvollkommenheit unseres Le-bensstils nicht zurechtkommen, ist eine andere Sache unddarf das Neue nicht verkleinern. Wir sind neue Menschentrotz unserer Schuld! Wer also entdeckt, daß er immer noch

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auf Vergebung angewiesen ist, hat keinen Grund, an seinerneuen Existenz zu zweifeln. Er muß nicht denken, er habe esmit der Bekehrung falsch angefangen und sie habe vor Gottihre Gültigkeit verloren. Wie oft bin ich solchen Gedankenbei Anfängern (und auch bei Fortgeschrittenen) im Glaubenbegegnet. Damit rede ich keinesfalls einer »billigen Gnade«das Wort. Aber ich plädiere fur ein Leben, das auch dannglücklich ist, wenn die alten und unvollkommenen Lebens-strukturen immer noch durchbrechen. Gottes Gnade ist anjedem Morgen neu, und nur auf dieser Basis läßt sich ein be-kehrtes Leben richtig fuhren. Diese durch und durch bibli-sche Sicht würde uns auch helfen, in Gemeinden und Kir-chen ehrlicher miteinander umzugehen; denn wenn GottesGnade regiert, müssen wir nicht mehr »so tun, als ob«.

5. Bekehrung sollte »heute« erfolgen, aber nicht übereiltKeine Frage, wer von »Bekehrung« spricht, darf das Ge-

richt Gottes nicht unterschlagen. Ob es uns paßt oder nicht,zur biblischen Botschaft gehört nicht nur das Wort von derRettung und Rechtfertigung des Sünders, sondern ebensodie Warnung vor der Verurteilung und Verlorenheit des Men-schen, der Gottes Gnade ablehnt. Im Klartext heißt das: Wersich nicht bekehrt, lebt dem Gericht Gottes entgegen. In die-sem Gericht wird er keine Chance haben, denn ihm fehltChristus. Wie will er ohne ihn vor dem gerechten Gott be-stehen?! Deshalb geht letztlich kein Mensch an seinem unge-rechten Lebenswandel zugrunde. Er geht zugrunde, weil erJesus ablehnt. Das ist seine eigentliche Sünde Qohannes 16,

9).Hinzu kommt, daß das Angebot der Gnade Gottes zeit-

lich befristet ist. Das gilt nicht nur im Blick darauf, daß JesusChristus wiederkommen wird, sondern ebenso, weil — wieich am Anfang gesagt habe - der Mensch nicht über seineBekehrung verfugt. Gott ruft einen Menschen, und das tut

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er mehrere Male. Ohne diesen Ruf Gottes kann sich einMensch nicht bekehren. Er bleibt auf diese besondere Gna-denzeit angewiesen. Auch deshalb haben wir so eindringlichvon der Bekehrung zu reden.

Trotzdem darf die Eindringlichkeit nicht zur Manipula-tion entarten. Wie schnell kann aus der befristeten Gnaden-zeit und der Warnung vor der ewigen Verlorenheit eine me-thodische Dramatik werden, die den Zuhörer manipuliertund etwas tun läßt, was er nicht übersieht und durchdachthat! Bekehrungen, die auf diesem Hintergrund zustandekommen, sind selten tragfähig und fuhren manchmal dazu,daß Menschen, die sich auf diese Weise bekehrt haben (oderrichtiger: ... die auf diese Weise bekehrt wurden), später furdas Evangelium ganz und gar verschlossen sind. Die Grenzezwischen eindringlicher Bekehrungspredigt und manipulie-render Bekehrungsmethodik ist hauchdünn. Wir brauchenals Verkündiger eine große Sensibilität für den HeiligenGeist, um im richtigen Augenblick das Richtige zu tun. Esist der Geist Gottes, der uns vor der manipulativen Verkündi-gung bewahren kann. Je stärker er zum Zuge kommt, destoweniger müssen wir mit falschen Mitteln arbeiten. Nur er istin der Lage, die Herzen der Menschen zu treffen und nichtbloß ihre Köpfe und Gefühle (die aber zweifellos auch betei-ligt sein müssen).

Aus diesem Grunde betont Paulus, daß er in der »Erwei-sung des Geistes und der Kraft« gepredigt hat und nicht mitWorten der Manipulation und Überredungskunst (1. Korin-ther 2,4f).

Fragen wir also noch einmal: Was ist Bekehrung? Ist sie eineFrage der Methode? Ist sie ein exotisches Relikt aus dem ver-gangenen Jahrhundert, das noch von einigen evangelikalenKreisen bewahrt und gepflegt wird, sich aber im Grundeüberholt hat? Ist die Bekehrungspredigt eine besonders raffi-

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nierte Methode der »Seelengewinnung« frommer pietisti-scher Kreise?

Bekehrung ist Umkehr und Rückkehr zu Gott. Bekeh-rungspredigt ist der Ruf nach Hause, zu dem Vater, der sichdie Augen ausschaut nach seinen verlorenen Söhnen undTöchtern. Die Methoden sind vielfältig, aber die Sache selbstist einfach und klar. »Ich will mich aufmachen und zu mei-nem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigtgegen den Himmel und vor dir. Ich bin es nicht wert, deinSohn zu heißen ... Und er machte sich auf und kam zu sei-nem Vater ...« (Lukas 15,18-20). Das ist Bekehrung.

Peter Strauch, Wittert, Präses des Bundes Freier evangelischer Ge-

meinden, Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz, Mit-

glied im Leitungskreis der Lausanner Bewegung für Weltevangelisa-

tion.

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Erich Läufer

Evangelisierung - Bekehrung - Erneuerung:Plädoyer für verstärkte ökumenischeSchritte

Immer öfter wird von einer »winterlichen Kirche« gespro-chen. Wer wollte bestreiten, daß sich eine Art Rauhreif überdie großen Volkskirchen gelegt hat und die Blüten eines neu-en Pfingsten erfrieren. Nicht allein der zahlenmäßige Rück-gang und der empfindliche Traditionsverlust bereiten Sorge,erschreckend ist auch ein sogenanntes innerkirchliches Stim-mungstief. Viele sind ratlos, wie es mit der Kirche weiterge-hen soll, und klagen: »Ausgetrocknet sind unsere Gebeine,unsere Hoffnung ist untergegangen, wir sind verloren.«Doch die Kirche Christi ist nicht tot oder am Ende. DieMenschen müssen lernen, der Verheißung zu vertrauen: »Ichhauche euch meinen Geist ein, dann werdet ihr lebendig,dann werdet ihr erkennen, daß ich der Herr bin« (Ezechiel37,11.14). Nicht Menschen hauchen der Kirche neues Lebenein, nicht wir wecken eine neue Freude an Gott; nur GottesGeist, seine lebendigmachende Energie, kann uns verwan-deln zum Zeichen gemeinsamer Hoffnung für die Welt.

Wer sensibel ist, wer »Ohren hat zu hören«, registriert,daß in diesem Zusammenhang beispielsweise immer häufi-ger in der Pastoral der Katholischen Kirche von persönlicherBekehrung die Rede ist, von öffentlicher Umkehr, vom leib-haftigen Zeugnis vor der versammelten Gemeinde und vorder Welt. Es geht dabei um Evangelisierung und Neuevange-lisierung. Es sind Begriffe, die erst in den letzten Jahren bei

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katholischen Christen Heimat gefunden haben. Zeugnisgot-tesdienste, bislang unbekannt oder eher mit Argwohn be-trachtet, finden sich inzwischen sogar in deutschen Bischofs-kirchen. Ein Sinneswandel und eine Neuentdeckung?

Bis vor einigen Jahrzehnten waren Kirche und Gesell-schaft fast deckungsgleich, so daß es fur den Staatsbürgerselbstverständlich war, ein Christ zu sein. Ein persönlicherGlaubensschritt des einzelnen war dazu nicht in jedem Fallnotwendig. Inzwischen aber steht ohne Zweifel fest: DerProzeß eines fast selbstverständlichen Hineinwachsens in diegroßen Volkskirchen ist in hohem Maß unterbrochen. Mehrnoch: Immer neue und vielleicht sogar noch stärkere Wellender Entchristlichung werden über das Land gehen.

In Zukunft wird es — wie zur Zeit des Neuen Testamentes— darauf ankommen, die Geistesgaben in persönlichen, leib-haftigen Glaubensschritten von Gott anzunehmen. Erstdurch das ganz persönliche Glaubenszeugnis von betroffenenChristen werden die Grundwerte des Evangeliums in dieGesellschaft hineingetragen. Diese persönliche, geradezuverleiblichte Beziehung zu Gott ist nicht etwas völlig Neues,sondern findet sich im Evangelium: Sich auf Gott einlassen,sich ihm anvertrauen, sich ihm ausliefern und dies der Weltbekannt machen! Für viele in den »Großkirchen« ist es unge-wohnt, sich in solch einem leibhaftigen Glaubensschritt Gottpersönlich anzuvertrauen. Aber in dieser Hinsicht regt essich, es bricht sich Bahn, zuweilen mehr »der Not gehor-chend als dem eigenen Triebe«. Es ist so etwas wie eine »Re-form-Pastoral« im Wachsen. Zaghaft noch, aber beständigmeldet sie sich zu Wort, wobei nicht verschwiegen werdenbraucht, daß es auch Kritik und Pauschaleinwürfe gegendiese Erneuerungs- und Bekehrungsbewegung gibt. Dochwenn dem abbröckelnden Glauben das Abbröckeln der po-tentiellen Mitarbeiter in den Kirchen entspricht, wird Evan-gelisation und Neuevangelisierung gemäß der Frohen Bot-

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schaff bewirken, daß immer mehr Frauen und Männer ent-decken, daß sie selbst Kirche sind und am Reich Gottes alsverantwortliche Bürger mitzubauen haben.

Die persönliche Hinwendung zu Christus

So deutlich ist dies schon lange nicht in der KatholischenKirche gesagt worden: Der einzelne wird Christ durch diepersönliche Hinwendung zu Jesus Christus. Das ist immerein deutlicher Lebenseinschnitt: »Erinnert euch also, daß ihreinst Heiden wart, ... damals wart ihr von Christus getrennt,...jetzt aber seid ihr, die ihr einst in der Ferne wart, durch Je-sus Christus, nämlich durch sein Blut, in die Nähe gekom-men« (Epheser 2,11-13 ff.). Besonders in den sogenanntenNeuen Geistlichen Gemeinschaften in der Katholischen Kir-che setzt sich die Erkenntnis und das Wissen durch: Gott ach-tet unsere Freiheit so sehr, daß er auf unser persönliches, öf-fentliches Ja-Wort wartet.

Persönlich meint hier, daß das Ja-Wort zu Gott unvertret-bar ist, denn keiner kann es an meiner Stelle sprechen. Esgibt Dinge, die mir niemand abnehmen kann. Ist die Zuwen-dung Gottes mir angeboten, so kann die Antwort daraufeben nur ganz persönlich sein. Dann erst wird die tiefe, be-freiende Freude aufbrechen, daß ich in einem persönlichenBund mit Gott leben darf, daß er mich lieben und durch dieDunkelheit des Lebens hindurchtragen wird.

Dieses Denken ist nicht so ohne weiteres in den »Volks-kirchen« die Regel gewesen. Deshalb verspürten nicht weni-ge Christen in den letzten Jahren das Verlangen, Gott auchdirekt und persönlich zu begegnen und diese persönlicheGotteserfahrung im Gemeindegottesdienst zu bezeugen, da-von zu berichten. Wer darüber die Nase rümpft und meint,das sei doch alles zu persönlich, es erinnere an die Methoden

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von Freikirchen und Evangelikaien, muß zur Kenntnis neh-men, daß selbst in offiziellen Dokumenten der DeutschenBischöfe wiederholt darauf hingewiesen wird, daß dieVolkskirchen im soziologischen Sinn einem geschichtlichenEnde entgegengehen. Lange Zeit konnte man davon ausge-hen, daß Christsein in gewissem Sinn »vererbt wurde« und»das christliche Milieu« weitgehend die zutiefst persönlicheAnnahme und Bekehrung ersetzte. Daraus folgert, daß vielebisherige Formen, das Evangelium zu verwirklichen, frag-würdig werden, unwirksam oder gar unwirklich. Wenn bei-spielsweise für viele Jugendliche die Firmung oder die Kon-firmation die »Abschiedsvorstellung« in der Gemeinde istund rund 80 Prozent anschließend dem Gemeindelebenfernbleiben, kann etwas nicht stimmen.

Die Zukunft des Glaubens wird die Verpersönlichungder Beziehung zu Gott sein, die sich nicht in einem rationa-len Wissen über Gott erschöpft, und die »Weitergabe« desGlaubens kann nicht nur in der Weitergabe der »Lehre« be-stehen. Das war lange ein zu einseitiger Akzent in der abend-ländischen Glaubensgeschichte. Daraus könnten sich abermutmachende und hilfreiche ökumenische Aspekte zurEvangelisierung ergeben.

Europa hat sich lange Zeit religiös definiert als christli-ches Abendland. Später hat es sich mit diesem Bewußtseinsogar gegen Byzanz abgesetzt. Aber spätestens seit dem Jahr1800 nimmt Europa den Charakter einer Emanzipation vomChristentum an. Die Prägung durch die Aufklärung muß indiesem Zusammenhang ernst genommen werden, wie auchdas Aufblühen von Naturwissenschaft, Technologie undÖkonomie. In einem nun auch politisch zusammenwachsen-den Europa hat das Christentum in all seinen verschiedenenAusformungen die gemeinsame Aufgabe, die GegenwartGottes zu bezeugen. Dies ist verbunden mit der Bezeugungder Endlichkeit des Menschen. Das christliche Erbe darf

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nicht verschwiegen werden, weil nur so das ChristentumStatthalter des Vertrauens in die Zukunft sein kann. Wenn -wie es offenkundig ist — ethische Orientierung in Europagefragt ist, muß die Verkündigung der Frohen Botschaft vor-dringlichste Aufgabe und Pflicht aller sein, die sich Christennennen.

Mehr Kontakt zwischen den Konfessionen!

Es kann nicht angehen, daß sich die verschiedenen Konfes-sionen dieser Aufgabe stellen, ohne miteinander in Kontaktzu sein. Die Zusammenarbeit aller christlichen Gemeinschaf-ten und Kirchen ist gefordert, nicht nur weil es sinnvoll ist,sondern auch weil die Glaubwürdigkeit des Evangeliums aufdem Spiel steht. Nicht die Einheit der Kirchen bedarf derRechtfertigung, sondern die Trennung. Sie ist der eigentlicheStachel im Fleisch des Christentums. Das Zeugnis für denHerrn darf nicht gespalten sein. Glaubwürdigkeit ist ein sohohes Gut, daß die Unterschiedlichkeit der Methoden, wieman den Herrn bezeugt, dabei nicht gegeneinander ausge-spielt werden sollte.

Das Zweite Vatikanische Konzil hat sich beispielsweiseim Zusammenhang mit der Einheit der Kirche eingehendmit der Frage befaßt, ob es zentrale oder weniger zentraleWahrheiten gebe. Wenn hier größere Klarheit besteht, kannman auch besser sehen, in welcher Weise eine Vielfalt der Kir-che unter Wahrung der Einheit im Notwendigen berechtigtist. Es gibt in den Konzilstexten über die Ökumene einenSatz, der von der Hierarchie der Wahrheiten spricht, dasheißt von einer Stufenordnung, von einer Gewichtung desGlaubens: »Beim Vergleich der Lehren miteinander soll mannicht vergessen, daß es eine >Hierarchie< der Wahrheiten in-nerhalb der katholischen Kirche gibt, je nach der verschiede-

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nen Art ihres Zusammenhangs mit dem Fundament deschristlichen Glaubens« (Oekumenismusdekret Nr. 11).

Die Aufforderung zur Evangelisierung, wie sie seit eini-ger Zeit auch in der Katholischen Kirche immer lauter erho-ben wird, ermutigt zur Zusammenarbeit aller Christen. DasUmfeld, in dem wir evangelisieren, ist für alle gleich: einUmfeld, das insbesondere von Indifferenz geprägt ist und desZeugnisses bedarf. Wenn Evangelisierung bedeutet, daß ausder persönlichen Bekehrung und der leibhaftigen Hinwen-dung zum Herrn die Bildung von reifen, christlichen Ge-meinschaften erwächst, sollten Berührungsängste abnehmenund das böse Wort vom »Quoten-Denken« oder dem »Fi-schen in fremden Gewässern« keinen Platz mehr haben.

Bei der »Evangelisation« kommt es darauf an, gemeinsamdie Lebenslügen zu zerreißen. Das Licht der Wahrheit dage-gen zu setzen. Aufzudecken, was falsch ist. Die Selbsttäu-schungen beim Namen zu nennen. Sich selbst zu erneuern.Zeugnis für Jesus Christus abzulegen.

Christus ist das zentrale Ereignis in der Geschichte Gottesmit dem Menschen. Daran zu glauben ist der eigentliche An-spruch an uns. Deshalb heißen wir Christen. Dieser Nameverpflichtet zur Einheit. Der Christusglaube ist ein Glaube,der den Menschen mit Leib und Seele, mit Denken und Tuneinfordert. Es geht um eine radikale Wurzel, um eine neueMitte des Lebens. Muß man dabei, um es provozierend zu sa-gen, nicht manchmal den Glauben verlieren, den papiernen,den aufgeblasenen, den einherstolzierenden Glauben? DenGlauben von hierhin bis dorthin? Um den einzigen zu fin-den, den unverglühten und brennenden, in dem Ungewiß-heit zur Gewißheit wird?

In einer Ansprache sagte der Kölner Erzbischof JoachimKardinal Meisner: »In den ersten Jahrhunderten des Chri-stentums bekehrten sich die Heiden zu Jesus Christus, weilsie im sittenreinen Leben der Christen Christus erkannten,

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dem sie ihr Herz geschenkt hatten. Heute verlieren vieleChristen ihre Berufung, weil sie ihr Herz an die Götter die-ser Zeit verloren haben. >Wo dein Schatz ist, da ist auch deinHerz< (Matthäus 6,21), sagt der Herr. Wo haben wir unsereHerzen? Die Welt wird sich nicht zu Jesus Christus bekehrendurch theologische Abhandlungen und Darlegungen. Es istschon alles kommentiert, debattiert, korrigiert und disku-tiert worden. Man hat schon alles widerlegt, bewiesen undbekräftigt.«

Das ist der Weltdienst der Christen, auf den die Zeitge-nossen warten: daß es Menschen gibt, Frauen und Männer,die bezeugen, daß Gott allein genügt. Es leuchtet ein: Je nä-her bei Christus, je näher am Ursprung, desto geringer dieDistanz zwischen den Christen verschiedener Konfessionen.Es gibt keinen wirksameren und redlicheren Weg zueinanderals den Weg zurück zu Christus. Der heißt: Bekehrung, Er-neuerung, Zeugnis für den Herrn.

Erich Läufer, geboren 1927, Studium der Theologie und Philosophie

in Bonn, München und Köln. 1953 Priesterweihe; Seelsorge und

Schuldienst. Dozent für Exegese des Neuen Testaments; Chefredak-

teur der Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln.

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Brunhilde Blunck

Eindringlich, aber nicht aufdringlich:Evangelisation und Ortsgemeinde

Fritz Schwarz spricht von der Evangelisation als dem Urda-tum der christlichen Gemeinde (Theologie des Gemeinde-aufbaus). Ob wir endlich begreifen, daß zwar nicht alles inder Gemeinde Evangelisation ist, daß aber alles, was dort ge-schieht, am Ende nichts ist ohne Evangelisation?

Jesus Christus hat nicht irgendwelchen Spezialisten, son-dern dem ganzen Jüngerkreis, d. h. seiner versammelten Ge-meinde, den Auftrag gegeben, in seinem Namen »Buße zurVergebung der Sünden zu predigen« (Lukas 24,47) und»Menschen zu Jüngern zu machen« (Matthäus 28,19). Evan-gelisation und Gemeinde gehören untrennbar zusammen; siebedingen einander. Es ist nicht in unser Belieben gestellt, obwir fur oder gegen Evangelisation sind. Evangelisation istnicht nur »auch eine Möglichkeit«, für die Ortsgemeindeneue Mitglieder zu gewinnen. Evangelisation ist Auftragund Befehl Jesu. Wenn wir uns als Gemeinde diesem AuftragJesu entziehen, hören wir auf, Gemeinde Jesu zu sein.

1. Eine Ortsgemeinde, die offen ist fur Evangelisation, wirddarauf achten, daß ein evangelistischer Grundton in ihremReden und Handeln festzustellen ist.

Sie wird sich nicht scheuen, von Christen und Nicht-Christen, von glaubenden und (noch) nicht glaubendenMenschen zu sprechen. Nur so kann die Einladung zumGlauben klar und zielgerichtet sein.

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Evangelistische Rede weist auf Jesus hin und auf das,was er für uns tat. Sie darf nicht zur Moralpredigt verkom-men. Wenn wir Christen bei allen möglichen Gelegenheitenin verständlicher Sprache »von den großen Taten Gottes re-den« (Apostelgeschichte 2,11), werden auch heute Menschenaufhorchen, neugierig werden und ins Fragen kommen.

Wichtig ist es, daß wir ihnen dann ganz konkrete Schrittezum Glauben aufzeigen. Dabei sollten wir nicht auf be-stimmte Vokabeln festgelegt sein, sondern entsprechend derbiblischen Vielfalt unterschiedliche Begriffe benutzen. Essoll deutlich werden, daß wir Christen von der Wichtigkeitunserer Einladung überzeugt sind. Evangelistische Rede hateindringlich, aber nicht aufdringlich zu sein.

2. Eine Ortsgemeinde wird ihrem Auftrag zur Evangelisati-on nicht dadurch gerecht, daß sie einen Evangelisten an dieArbeit stellt. Sie weiß, daß sie selbst diesen Auftrag zu erfül-len hat. Ihre ehrenamtlichen Mitarbeiter sind die bestenChristuswerber. Ihnen kann nicht der Vorwurf gemacht wer-den, daß sie ja so fromm reden müssen, weil sie dafür bezahltwerden. Sie kommen durch ihre Alltagskontakte mit vielenMenschen ins Gespräch. Befragungen ergeben immer wie-der, daß nur wenige Menschen durch die bloße Teilnahme aneiner evangelistischen Veranstaltung zum Glauben fanden. Inden allermeisten Fällen führten freundschaftliche Beziehun-gen zu Christen dahin, daß der Weg des Glaubens einge-schlagen wurde. Es ist daher wichtig, daß eine Ortsgemein-de, die evangelisieren will, ihre Christen sprachfähig macht,damit sie ihren Glauben im Alltag bezeugen können.

Wir werden entdecken, daß uns auch im Blick auf dieEvangelisation die verschiedenen Gaben nützlich sind, dieGott seiner Gemeinde schenkt. Glaube an Jesus wird durchWort und Tat bezeugt. Der eine kann besser Gespräche füh-ren, der andere besser praktisch zupacken. Aber auch wäh-

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rend der praktischen Hilfe darf das bekennende und einla-dende Wort nicht fehlen.

3. Zu dieser permanenten Evangelisation in der Ortsgemein-de treten dann auch verschiedene besondere Aktionen.

Da laden Christen ihre Freunde, Nachbarn und Arbeits-kollegen zu einem besonderen offenen Abend ein, dessenThema und Gestaltung gemeinsam überlegt und vorbereitetwurde. Der Gast des Abends kann nur seine Gabe einbrin-gen. Der Einsatz aller ist nötig, damit Menschen kommen,sich wohl fühlen und sich ansprechen lassen.

Oder eine missionarische Freizeit wird geplant. Welcheine großartige Möglichkeit fur die Christen einer Ortsge-meinde, über einen längeren Zeitraum mit Menschen, dienoch nicht an Jesus glauben, zusammen zu leben und »einBrief Christi« zu sein!

Und ganz sicher ist und bleibt auch die evangelistischeGroßveranstaltung oder Woche eine gute Chance, Menschenmit Jesus bekannt zu machen. Weil Gott die ganze Welt liebtund alle Menschen retten will, hat das Evangelium Öffent-lichkeitscharakter. Es reicht nicht aus, daß es hinter dickenKirchenmauern und in kleinen Gemeindegruppen weiterge-sagt wird. Es muß unter die Leute gebracht und öffentlichverkündigt werden (Matthäus 10,27). Auch die Großevange-lisation lebt davon, daß in der Gemeinde viele Gaben vor-handen sind. Die Gemeinde, die willig ihre Gaben einbringt,kann sich darauf verlassen, daß Gottes Geist wirkt und Men-schen hinzufügt (Apostelgeschichte 2,47).

4. Immer wieder wird nach dem Erfolg evangelistischen Be-mühens gefragt. Woran ist er zu messen? An der Großartig-keit unseres Einsatzes? An der Besucherzahl? An der Zahlderer, die zum Glauben kommen?

Natürlich erwarten wir, daß dort, wo klar und verständ-

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lieh zum Glauben an Jesus eingeladen wird, Menschen dieseEinladung annehmen und Jesus ihr Leben anvertrauen. Undwenn im Himmel Freude ist »über einen Sünder, der Bußetut« (Lukas 15,10), können auch wir uns von Herzen freuen,wenn wir mitbekommen, daß ein Mensch für die NachfolgeJesu gewonnen wurde. Unsere Arbeit hat sich sichtbar ge-lohnt.

Aber selbst wenn uns verborgen bliebe, ob sich jemandfür den Glauben an Jesus entschieden hat, unser evangelisti-scher Dienst hat in jedem Fall den Erfolg, daß wir als Ge-meinde getan haben, »was wir zu tun schuldig waren« (Lukas17,10). Wir haben den Auftrag Jesu erfüllt. Die Erfolgsfragedarf nie den Gehorsam gegenüber dem Auftrag Jesu in Fragestellen. Es wäre schlimm, wenn wir uns von ihr lähmen lie-ßen (1. Korinther 9,23). Evangelisation ist und bleibt für dieGemeinde Jesu angesagt, bis ER KOMMT!

Brunhilde Blunck, Essen, Theologin, ehrenamtliche Mitarbeit im

CVJM, in der Frühstücksarbeit für Frauen, Arbeitsgemeinschaft

Missionarische Dienste, Mitglied im Leitungskreis der Lausanner

Bewegung für Weltevangelisation — Deutscher Zweig.

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Bernd Bierbaum

Bekehrung - und dann?

I have a dream: Menschen bekehren sich, aus dem Kontaktmit Jesus Christus wird die Nachfolge Jesu Christi. Men-schen werden aufgenommen in die örtliche Gemeinde, brin-gen sich ein und werden integriert. Sie fühlen sich verstan-den, erwartet, erbetet, geliebt und angenommen. Sie findenFreunde und bringen wieder Freunde mit an diesen wunder-baren Ort, der Gemeinde heißt. Sie wachsen im Glauben,und die Gemeinde wächst nicht nur zahlenmäßig, sondernebenfalls im Glauben. I have a dream.

Manchmal läuft das so, manchmal! Manchmal aber auchganz anders. Der fleißigste »Nacharbeiter« ist der Teufel. Undseine beste Zeit hat er nach evangelistischen Aktionen. Aberes ist nicht alles seine Schuld. Nicht umsonst weist Billy Gra-ham daraufhin: »Es gehören 5 % Anstrengung dazu, Men-schen zu Jesus Christus zu fuhren, und 95 %, um sie bei JesusChristus zu halten.« Viele »Verluste« sind hausgemacht undselbstgestrickt. Christen mißbrauchen Evangelisationen alsFarbtupfer in der kirchlichen Landschaft oder um der Ge-meinde einen neuen Kick zu geben. Aber eigentlich geht esdabei nicht um die Menschen, die mit dem Evangelium er-reicht werden sollen, sondern um Gemeindeegoismus. Undda wird alles falsch!

Diese Gefahr zeigt sich auch, wenn eine Gemeinde nichtalleine evangelisiert, sondern sich mit anderen zusammen-schließt. Wie ist es mit Evangelisationen auf Allianzbasis?Menschen kommen zum Glauben, die Freude ist groß, aber

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wer bekommt dann die Adressen? Möge es gerecht zugehen!Und mögen gute, für jedermann einsichtige Regelungenschon vor der Evangelisation getroffen sein. Unklare Bedin-gungen schaffen katastrophale Verhältnisse. Wehe, der Neu-bekehrte bekommt mit, daß um seine Seele geschachertwird! Aber das muß ja auch nicht sein! Ich habe wundervolleEvangelisationen miterlebt, bei denen es reibungslos ge-klappt hat, in Einheit und Einmütigkeit die Neubekehrtenso weiterzuvermitteln, daß optimal für sie gesorgt werdenkonnte.

Und das Wohl und Heil der Neubekehrten ist doch daseinzige Kriterium. Gerecht muß es zugehen, ja natürlich!Aber wieviel unerkannter Segen liegt auf der Einheit und indem Wunsch, das Reich Gottes zu bauen und nicht nur dieeigene Gemeinde.

Die Testfrage nach dem Erfolg einer Evangelisation stelltsich nicht daran, wie viele nach vorne gegangen sind oder dieHand hochgehoben haben oder sonst auf irgendeine andereWeise bekundet haben, ihr Leben mit Jesus Christus leben zuwollen. Die Testfrage heißt einzig und allein: Was ist ein Jahrspäter? Wo sind die Neubekehrten? Sind sie inzwischen Mit-arbeiter in der Gemeinde geworden?

Die Gemeinde muß eine geistliche Babykrippe bieten, ei-nen geistlichen Kinderhort. Nach der Aussage der HeiligenSchrift sind Menschen, die zum Glauben gekommen sind,Babys im Glauben. Und deshalb muß eine Gemeinde bereitsein, ihnen die Windeln zu wechseln; auf ihr noch nicht arti-kuliertes Schreien hin bereitzustehen und ihnen geistlicheNahrung zu geben; ihnen helfen, ihre Probleme zu klärenund sie in der Nachfolge Jesu weiterzuführen. Aber die Ent-scheidung für diesen Betreuungsdienst muß lange vor denevangelistischen Veranstaltungen fallen. Wer nicht bereit ist,Babys zu hegen und zu pflegen, sollte auf evangelistische Ak-tionen verzichten. Es ist schlicht ein Verbrechen, Menschen

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geistlich zum Leben zu bringen und sie dann unversorgt lie-gen zu lassen.

Aber es geht nicht nur um Betreuung. So steht nebender Betreuung und der Eingliederung in die Gemeinde auchdie Zurüstung zum Dienst. Menschen werden Christen undentdecken, daß Jesus Christus nicht nur an ihnen etwas Wun-derbares getan hat, sondern daß er sie auch gebrauchen willals seine Boten mitten in einer verlorenen Welt. Jesus will siesenden. Was für ein Privileg!

Aber wer nimmt den Neubekehrten nach seiner Bekeh-rung an die Hand? Wer ist Pate? In diesem neuen Land desGlaubens kann man sich alleine noch nicht zurechtfinden.Also braucht man einen Begleiter, der einen versteht. Undder sollte innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Bekeh-rung bereits dasein und den Kontakt aufgenommen haben.Am besten wäre es natürlich, wenn der, der das seelsorgerli-che Gespräch geführt hat, auch das weiterführende Gesprächbegleitet.

Wie kann ein Neubekehrter in die Gemeinde integriertwerden? Er hat eine wunderbare Erfahrung mit einem wun-derbaren Herrn gemacht. Nun ist die Erwartung groß. EineGemeinde, die evangelisiert, muß darauf vorbereitet sein. Esgeht nicht nur um die Aktion. Es geht auch darum, ob Men-schen sich in ihr wohl fühlen können oder ob Menschen wo-möglich von ihrem Erscheinungsbild und ihren Lebensäuße-rungen eher abgestoßen werden. Wer sich bekehrt, kommtnach Hause. Gott hat ihn ja schon lange dahin zurückge-sucht. Er kommt in eine Heimat, nach der er sich im Grundeschon immer gesehnt hat, ohne von ihr zu wissen. Und nunmuß die Gemeinde davon etwas widerspiegeln. Da muß derGottesdienst so sein, daß man sich in ihm wohl fühlt undnicht erfriert. Da muß man als Neubekehrter das Gefühl ha-ben, willkommen zu sein. Da muß man liebevolle Aufmerk-samkeit der anderen erfahren. Eine Evangelisation ist eine

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Einladung in den Glauben, aber auch zugleich in die Ge-meinde. Schrecklich, wenn da einer die Einladung zumGlauben annimmt, aber bei der Gemeinde feststellt: »Neueunerwünscht! Hier kommt kein Neuer rein!« Und das kannsich noch intensiver zuspitzen, wenn es nicht nur um diegroße Gemeinde geht, sondern um kleine Kreise, z.B. Haus-kreise. Sind diese Kreise offen fur Neubekehrte? Oder störendie nur?

Gut, es kann Phasen in einem Hauskreis geben, wo einneues Mitglied einen ganz wichtigen Prozeß unterbricht.Aber grundsätzlich sollten alle Hauskreise offen sein furNeubekehrte. Was soll die Einladung zum Glauben, wennein Neubekehrter nur vor die Wand rennt? Haben wir es inder Gemeinde mit einem Kuschelclub der Erretteten zu tun,oder ist die Freude groß über alle, die dazukommen?

Natürlich wird vieles anders, wenn ein »Neuer« in einenKreis kommt. Der zufriedene Haufen, der an sich selbst ge-nug hatte, ist zu Ende. Alles wird neu aufgemischt - bis hinzum Gruppen- und Machtgefuge. Aber es ist fur einen Kreisauch die einzige Chance, daß aus der Verkreisung nicht dieVergreisung wird und man die Haare am Haupt des Nach-barn schon längst gezählt hat.

Die Familie der Kinder Gottes ist auch eine Lebens-gemeinschaft. Was aus Neubekehrten wird, hängt zutiefstdaran, ob sie in eine Lebensgemeinschaft von Christen mithineingenommen werden oder nicht. Natürlich kann es hilf-reich sein, daß Neubekehrte in einfuhrenden Kursen dieGrundlagen des Glaubens kennenlernen und erst dann in an-dere Kreise weitergehen. Es kann auch genauso hilfreichsein, daß solche Kurse mit gestandenem Leiter und Co-Lei-ter oder weiteren gestandenen Christen sich zu eigenenHauskreisen entwickeln. Auch bei Vermittlung der Anfangs-gründe des Glaubens entsteht ja immer schon ein Stück Le-bensgemeinschaft. Da fällt die Trennung anschließend

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manchmal schwer. Wohl der Gemeinde, die genügend Nach-arbeitsgruppenleiter zur Verfugung hat, um die Einfuh-rungskurse anschließend als Hauskreise weiterzuführen!

Natürlich müssen die Neubekehrten nicht erst einenSprachkurs »Kanaanäisch« machen. Dietrich Bonhoeffer hatdavon gesprochen, daß wir »weltlich von Gott reden« müs-sen. Wer neu zum Glauben kommt, kennt keine andere alsdie weltliche Sprache. Also werden Gemeinden, die evange-lisieren, es lernen müssen, ihren Glauben so auszudrücken,daß jeder sie verstehen kann. Natürlich sind manche Kern-worte des Glaubens nicht ersetzbar. Und das gilt besondersin einer Zeit, in der nicht einmal das Wort »Gott« jedem be-kannt ist. Neubekehrte sind deshalb eine Wohltat für jedeGemeinde und jeden Hauskreis. Glaube kann keine Fremd-sprache werden.

Verstehen und Begleiten heißt auch, sich einzufühlen indie so andere Welt und auch andere Gedankenwelt der Neu-bekehrten. Daß sie einen christlichen Lebensstil mitbringen,kann niemand erwarten. Natürlich unterscheidet sich ihr Le-bensstil von dem eines seit 70 Jahren gläubigen Christen. Dagilt es für beide Seiten zu prüfen: Was ist alte Gewohnheit,und was ist evangeliumsgemäß?

Auch Neubekehrte werden ganz schnell Altbekehrte.Man kann nicht ewig Baby bleiben. Was sie dann weiterge-ben, haben sie am eigenen Leib erfahren. Hoffentlich ist esdie Segenskette, daß man sich von Jesus hat retten lassen undseinen Platz gefunden hat. Den einen Platz, den Jesus schonlange für einen vorbereitet und offengehalten hatte.

I have a dream. Aber dieser Traum kann gelebt werden —und er wird bereits gelebt.

Bernd Bierbaum ist seit 1971 Pastor in der ev.-luth. Epiphaniasge-

meinde Bremen, beschäftigt sich stark mit Gemeindeaußau und

Evangelisationen, Seminaren, Radio-Arbeit und Veröffentlichungen.

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Klaus Vollmer

Evangelisation hat Zukunft

Wir waren mit rund 40 Mitarbeitern in einer Gemeinde zu-sammen. Es gab Jammern und Klagen über das fehlendeGeld und über die Streitereien zwischen den Mitarbeiternund überhaupt, die Lage war schwierig. Dann sagte plötzlichein alter Kirchenvorsteher: »Wir brauchen mal wieder so 'nerichtige Evangelisation!« Alles ruckte hoch, und einer fragte:»Und was ist das, eine Evangelisation?« Er konnte das Wortkaum aussprechen. Ja, und dann ging's los. Und wir kamenzu den Fragen, die zur Zeit in vielen Gemeinden und Stu-denten- und Jugendgruppen gestellt werden:

1. Evangelisation — was meinen wir damit?

Es gibt in der Gemeinde Jesu viele Aufgaben und Gaben:Da muß Gemeinde geleitet werden, da müssen bestimmteDienste getan werden. Und dann gibt es jenen Dienst, denwir »glaubensweckende Verkündigung« nennen: Menschenwerden wach gemacht, um Jesus Christus zu erkennen undum an ihn zu glauben und ihm nachzufolgen. Ob wir das inkleinen Gesprächen oder im Hauskreis erleben, ob wir be-stimmte Gottesdienste mit entsprechenden Themen haltenund durchführen oder ob wir Vortragsabende erleben, wodurch bestimmte Lebensfragen das Gespräch und die Begeg-nung gesucht wird, oder was immer wir da machen und tun:In und durch diese Aktionen machen wir einander Mut zum

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Glauben an Jesus Christus und laden ein, ihm nachzufolgen.Und genau dann, wenn diese Ermutigung und Einladunggeschieht, dann geschieht Evangelisation. Die Evangelisationist also in erster Linie keine gesonderte Veranstaltung im grö-ßeren oder kleineren Rahmen, sondern Evangelisation ge-schieht immer dort, wo genau diese einladende Ermutigungzum Glauben an Jesus Christus ausgesprochen wird.

Dies vorweg, damit wir nicht meinen, daß eine be-stimmte Aktion allein glaub ens weckend sei, sondern damitwir verstehen und entdecken, daß die Gemeinde Jesu, wo siegeistlich wach ist, bereits als Gemeinde in ihren vielfältigenErscheinungen und Diensten immer und immer wiederglaubensweckend arbeitet und handelt. Und wenn wir anden Kindergottesdienst oder an die Gute-Nacht-Erzählungdenken, dann wissen wir alle, daß dort, wo kleinen und gro-ßen Kindern von Jesus erzählt wird, auch immer glaubens-weckende Verkündigung geschieht, es geschieht Evangelisa-tion.

Nach dieser Klärung können wir nun darüber reden, obes bestimmte Veranstaltungen in der Gemeinde, in der Stu-denten- und Jugendarbeit und anderen Kreisen geben kannund soll und muß, um fragende und suchende und auch kri-tische Menschen zum Glauben und zum Leben in der Ge-meinde einzuladen. Dazu nun folgende Fragen, die in Ruhevon den Mitarbeitern und denen, die sich fur eine besondereAktion zur Verfügung stellen, besprochen und beantwortetwerden müssen.

2. Gestaltung der Evangelisation

Hierbei sind einige Grundfragen zu klären:

1. Was wollen wir? Was meinen wir, wenn wir heute Men-

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sehen vom Evangelium her einladen und ansprechen wollen,so daß sie zum Glauben an Jesus Christus und zum Leben inder Gemeinde finden? Die Grundklärung ist notwendig, da-mit auch alle deutlich zu dieser einen gemeinsamen Aufgabestehen. Die Eindeutigkeit des Zieles muß klar sein, und dieEinladung kann nur mit liebendem Herzen geschehen.

2. Wen wollen wir erreichen? Alter? Beruf? Interessen? Ju-gend? Studenten?

3. Welche Thematik soll verhandelt werden? Was sind dieFragen der Menschen, die wir einladen wollen? Und auchdies muß bedacht werden: Welche Fragen stellt Gott?

4. Wie wollen wir diese Begegnungen gestalten? Begegnun-gen sind etwas anderes als Treffen. Eine echte Begegnung ge-schieht immer dort, wo wir im Herzen erreicht worden sind.Wo wir der einladenden Wärme des Wortes begegnet sind,die so tief greift, daß unser Leben verändert wird. Wir brau-chen darum eine gelebte missionarische Gastfreundschaft.Dazu gehört unabdingbar auch die Gestaltung der Räume.Die innere Gestalt des Glaubens und die äußere Gestaltungder Räume gehören zusammen. Räume können abstoßen,anziehen, erziehen, aber auch einladen.

5. Welche Mitarbeiter brauchen wir? Die Mitarbeiter habeneinen wesentlichen Anteil an jeder Evangelisation. Sie haben- neben den vielen praktischen Aufgaben, die es in Fülle gibt— die Umsetzung der verkündigten Botschaft in den Lebens-bereich des einzelnen Besuchers hinein zu verdeutlichen.

Weitere Aufgaben sind die gedruckten, werbenden Einla-dungen, die Nacharbeit und nicht zuletzt die Kosten. Zwarist das Evangelium umsonst, jedoch »die Eimer, in denen es

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transportiert werden muß« (K. H. Eber), sie kosten Geld.Aber was ist es denn wert, wenn auch nur ein Mensch zumGlauben an Jesus Christus kommt? Unverzichtbar für allemissionarische Arbeit ist der Gebetskreis, der alle Aktionenund Mitarbeiter in der Fürbitte vor den Herrn bringt! Wich-tig ist dann auch, daß die nötigen Aufbauschritte angezeigtwerden und die nötigen Mitarbeiter, die von außen kom-men, informiert und um Rat gebeten werden. Während die-ser Vorbereitungen entstehen dann Erfahrungen und Hilfen,die alle überraschen werden.

3. Wer evangelisiert, der beachte dies:

Wer Menschen fur Jesus Christus gewinnen will, der soll diesmit großer Zuversicht und Freude tun; denn nicht wir sindes, die wirken, sondern es ist der Herr selbst, der mit unddurch uns sein Werk tut.

Wer evangelisiert, soll auf jede Macht verzichten: Evan-gelium und menschliches Drängen und Drohen gehörennicht zusammen. »Engel tragen keine Kronen und keineSchwerter, sondern sie laden ein zur Hochzeit Gottes mitdem Menschen!« (Hermann Bezzel) Und so wollen wir umdie innere Vollmacht beten und um das Leuchten, das vonihm durch uns zum anderen geht!

Wer zu Christus einlädt, der lädt zum ewigen »Ja« Gottesein: zu seiner Liebe, zu seiner Versöhnung und zu seinerWahrheit. Wir sind nicht gegen diese oder jene Richtung,sondern wir sind fur Gott und für den Menschen und für dasLeben in der Gemeinde. Fehler und Schuld sind zum Verge-ben, aber nicht zum Nachtragen da.

Wer evangelisiert, der gebe acht, daß er den Menschenin seiner Besonderheit wahrnehme: »den Juden ein Jude, de-nen, die in Schwäche sind, ein Schwacher, wir werden allen

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alles, damit wir sie gewinnen und nicht abstoßen!« (1. Korin-ther 9)

Wer evangelisiert, der muß auch damit rechnen, daß erverlacht und enttäuscht wird, vielleicht sogar gehaßt undübel verleumdet! Trage es und schlage nicht zurück. Indemdu das tust, erlebst du Gott selbst in seiner aufbauenden Ge-genwart! Einst sagte mein Seelsorger: »Und wenn du dir leidtust, weil du nicht verstanden und geliebt wirst, dann tu dir10 Minuten leid, aber dann steh wieder auf und verkündigemutig das Evangelium. Gott wird dich mehr segnen, als dues weißt!«

Zum Abschluß: Es ist die schönste Sache der Welt, dasEvangelium zu verkünden. Ich bin gerne Evangelist! MachenSie diesen Satz auch zu Ihrem Satz!

Klaus Vollmer, Hermannsburg, Evangelist, Pfarrer i.R., war seit

1958 im Amt für Missionarische Dienste der hannoverischen Landes-

kirche, Gründer der Evangelischen Bruderschaft der »Kleinen Brüder

vom Kreuz«.

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Rolf Scheff buch

Zur Lebensübergabe aufrufen

»Machen Sie es doch auch schwarz auf weiß fest, daß Sie zuJesus gehören wollen! Wenn Jesus Sie klar gerufen hat, dannmachen Sie doch auf der Innenumschlagseite Ihrer Bibeloder Ihres Gesangbuches das Kreuz als das Zeichen Jesu;schreiben Sie Ihre Initialen und das Datum darunter als Be-kenntnis zu Jesus und zugleich als Hilfe fur sich selbst.« Soriet ein erfahrener Seelsorger.

In meinem Leben gab es manche wichtige Markierungen.Sie sahen unterschiedlich aus. Einmal war es ein an Jesus ge-schriebener Gebetsbrief. Ein anderes Mal war es das ausschrecklichen Tiefen aufgebrochene Beichtgebet: »Herr Jesus,laß dein Sterben fur dies alles gelten!« Wieder ein anderesMal war es die Übernahme einer Aufgabe; zuvor hatte ich siekleingläubig weit von mir gewiesen. Aber bewußt »mit Je-sus« ging ich auf sie zu.

Eigentlich ist jede kirchliche Trauung so gemeint: »MitJesus!« Wie können sich trotz aller leidenschaftlicher Liebezwei völlig unterschiedliche Menschen einander anvertrau-en? Zwei Menschen, die nicht wissen, wie sie sich übermor-gen entwickeln werden! Die für sich selbst nicht die Handins Feuer legen können! Der eigentliche Sinn der Trauungbesteht deshalb darin: »Wir wollen uns und unsere gefährde-te Zweisamkeit dem lebendigen Gott und seinem Sohn JesusChristus anvertrauen!« Daraufist das Traugelöbnis der Kircheaus. Daraufhin wird der Segen zugesagt: »Im Namen Gottes,des Vaters, und des Sohnes und des Heiligen Geistes.«

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Eigentlich war auch die Konfirmation so gedacht. JungeChristen, einst als Kleinstkinder getauft, sollten sagen kön-nen: »Herr Jesu, dir leb ich ... dein bin ich tot und lebendig;mach mich, o Jesu, ewig selig!«

Aber heute ist Deutschland Missionsland geworden. Tau-fe mit Eltern- und Patenbekenntnis, Konfirmation und Trau-ung werden in ihrem eigentlichen Sinn meist nicht mehrverstanden. Bisherige nominelle Christen wollen darum»vor Gott und vor Menschen« bekennen, wenn sie ihr Lebenbewußt Jesus anvertrauen. Darum gibt esTauf-Erneuerungs-feiern, gibt es »Zeugnisse« vor Mitchristen. Es gibt auch»Übergabe-Gebete«, wie sie etwa im Rahmen von Pro-Christ-Evangelisationen angeboten werden.

Gerade weil Menschen oft ihr Wollen überschätzen

Es ist menschliche Erfahrung: Was wir wirklich wollen, dasmüssen wir festmachen. Wenn wir ein Buch lesen wollen,müssen wir uns bewußt dafür Zeit aussparen. Wenn wir drin-gend einen Besuch machen wollen, dann müssen wir dafüreinen Termin festlegen. Wenn wir richtig Urlaub machenwollen, dann müssen wir rechtzeitig buchen. Der gute Willeallein genügt nicht.

Das gilt erst recht beim Praktizieren des Christus-Glau-bens. Um unserer Willensschwäche willen braucht es einenwirklichen Entschluß, mit Jesus zu reden, zu rechnen, zu le-ben. Es braucht feste Zeiten zum Gebet. Es braucht festeOrdnungen für das Bibellesen. Es braucht eine hilfreicheTerminplanung für die Gemeinschaft mit Christus und mitanderen Christen. Es ist eine Hilfe für uns selbst, wenn wirdie Praxis des Glaubens festmachen.

Aber auch dies Wollen darf nicht überschätzt werden;denn gerade die Bibel macht nüchtern klar:

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• Das menschliche Herz ist ein trotzig und verzagt Ding(Jeremia 17,9);

• die Härte des menschlichen Herzens gefährdet alles gut-gemeinte »Ja«, sogar das ursprünglich sicher ganz ernst ge-meinte »Ja« zum Ehegefährten (Matthäus 19,8);

• erst recht kann ein menschliches »Ja« zum »Willen« deshimmlischen Vaters vordergründig und darum letztlichunecht sein (Matthäus 21,28-31);

• es genügt also nicht, Gott dienen und Jesus nachfolgenzu wollen (vgl. Josua 24,18-21, Lukas 9,37-42). Es mußbedacht, bejaht und ernst genommen werden, daß dieNachfolge Jesu ihren »Preis« hat (vgl. Matthäus 7,21). Esgibt nichts Dringlicheres, als daß wir uns bewußt mit un-serem ganzen Leben, Wollen und Denken, mit unseremVersagen und Zweifel Jesus anvertrauen.

• Gerade dann, wenn wir ernstlich zu Gott gehören undmit Jesus leben wollen, werden wir erkennen, wie wenigbelastbar unser gutgemeintes Wollen ist: »Wollen habeich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht«(Römer 7,18).

Es gibt deshalb nichts Dringlicheres, als daß wir uns bewußtmit unserem ganzen Leben, Wollen und Denken, mit unse-rem Versagen und Zweifel Jesus anvertrauen. Gott allein istes, der Menschen festmachen kann in Christus (2. Korinther1,21). Gott kann beides wirken, das Wollen und Vollbringen(Philipper 2,13).

Menschen können ihr Leben Gott übergeben. Sie könnenihr Leben Jesus anvertrauen. Aber der Grundton dabei ist: »Indein Erbarmen hülle mein schwaches Herz!« Lebensübergabean Gott ist keine fromme Leistung, mit der wir Gott eineFreude machen. Sie ist geboren aus »Furcht und Zittern«(Philipper 2,12), aus Erschrecken über unsere eigene Gottes-ferne und über unsere Willensschwäche. Sie ist geprägt von

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dem Ruf, wie ihn viele Bedürftige verzweifelt an Jesus ge-richtet haben: »Herr Jesus, erbarme dich über mich!«

Gott kann Menschen bekehren

Schon der biblische Prophet Jeremia hat ausgerufen: »Gott,bekehre du mich, so will ich mich bekehren« (Jeremia 31,18).Jesu Grundbotschaft lautete: »Kehrt um (bekehrt euch) undglaubt an das Evangelium.« Denn »die Zeit ist erfüllt, dasReich Gottes ist herbeigekommen« (Markus 1,15). Jesus istdas Reich Gottes in Person. Er kann beim Menschen eineWende bewirken. Kein Mensch vermag diese Wende selbstzu schaffen.

Jesus kann einem Leben ein »neues Programm« geben. InJesus Christus hat der ewige Gott selbst die Welt mit sich ver-söhnt. Allein darum macht es Sinn, wenn Menschen im Auf-tragjesu einladen: »Laßt euch versöhnen mit Gott!« (2. Korin-ther 5,19-20). Denn das ist kein Aufruf an das Gefühl, an diemenschliche Willenskraft. Das ist vielmehr ein göttlichesVollmachtswort, das neues Leben schafft, das Unmöglichesmöglich macht. Nicht des Menschen »Wollen und Laufen«schafft die Wende, sondern »Gottes Erbarmen« (Römer 9,16).

Darum braucht man über den Begriff »Lebensübergabe«nicht zu lächeln. Es handelt sich wirklich um eine bedin-gungslose Kapitulation und Übergabe an Jesus, der es mitdem Menschen gut meint. Die Verbundenheit mit Jesus unddamit der Glaube an Gott soll nicht auf den schwachen Fü-ßen einer emotionalen Entscheidung stehen oder eines au-genblicklichen Willensentschlusses. Sondern über Menschensoll das Wort Jesu wahr werden: »Nicht ihr habt mich er-wählt, sondern ich habe euch erwählt und bestimmt, daß ihrhingeht und Frucht bringt und eure Frucht bleibt« Qohannes15,16).

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Ein Lebensübergabegebet ist nicht das Siegel, das einenVertrag erst gültig macht, sondern es ist die menschlicheEmpfangsbestätigung. Sie ist ein Zeichen des Dankes an Je-sus. Sie ist eine seelsorgerliche Hilfe für schwache Menschenwie Sie und mich.

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Perspektiven

Für die einen ist es die einzige Hoffnung derKirchen, andere wiederum zucken zusammen,wenn sie nur daran denken. Manche sehendarin nur ein Marketingkonzept, andere weisenauf die entscheidenden Lebenswenden vielerMenschen hm. Die Themen „Evangelisation"und „Bekehrung" werden heiß diskutiert.Sind sie der zentrale Weg zum Glauben?Die Autoren dieses Byrnes beschäftigen sichseit langer Zeit mit der Frage, wie Menschenden Weg zu Jesus Christus finden können.Ihre engagierten Beiträge beschäftigen sichmit den Ängsten und Chancen rund um das

•„Ifcl£ma „Evangelisation" _______

Hoff Scheffbuch, Korntal, Prälat a.u, IST Vor-sitzender der Ludwig-Hofacker-Vereinigung undvon ProChrist e.V., Mitglied der Synode derEvangelischen Kirche in Deutschland (EKD).Lange Jahre war er als Mitglied des Inter-nationalen Lausanner Komitees für Weltevan-gelisation auch Vorsitzender des EuropäischenZweiges dieses Gremiums.

ISBN 3-87067-681-7

Brendow UBuch Kunst Verlaq mm