etwas reduziertes kann sehr hochwertig sein

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Page 1: Etwas Reduziertes kann sehr hochwertig sein
Page 2: Etwas Reduziertes kann sehr hochwertig sein

Etwas REduziERtEs kann sEhR hochwERtig sEinBMW i ist eines der ehrgeizigsten Projekte der Autoindustrie. Noch nie ist über Fahrzeuge so viel geredet und geschrieben worden, die erst viele Monate später gefahren und gekauft werden können. Wird der Konzern Wort halten? Wir fragten Chefdesigner Benoit Jacob.

Fotos: Matthias Haslauer

IntervIew: Peter Gaide

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40 BMW i Interview mit Benoit Jacob

Automotive Agenda 13 DesIgn

E in gutes Jahr, eher weniger. Viel mehr Zeit bleibt den Machern des neuen

BMW i3 nicht, bis die ersten Prototypen des Carbon-Elektroautos in Leipzig vom Band rollen sollen. Ein paar Monate später wer-den die Serienmodelle aus den Werkshallen gleiten und 2014 debütiert der schnelle, scharfe Bruder des i3, der Sportwagen i8. Das Ende der Showcars, der Ankündigun-gen, der Behauptungen naht. Die Autos werden für sich sprechen müssen.BMW schreibt Geschichte und greift dafür tief in die Tasche: Allein der Einstieg beim Carbon-Spezialisten SGL Carbon kostet 450 Millionen Euro, die neue Fertigungsli-nie im Werk Leipzig 400 Millionen Euro, von den übrigen Werksausbauten und in-ternen Kosten ganz zu schweigen. Entweder gelingt das Experiment, den sehr leichten und bislang sehr kostspieligen carbonfaser-verstärkten Kunststoff (CFK) für die Mas-senfertigung von Autos zu verwenden. Dann hätte sich der Konzern einen satten Wettbewerbsvorsprung vor seinen Rivalen Audi und Mercedes-Benz erarbeitet.Oder es gelingt nicht. Vielleicht bleibt CFK ja doch zu teuer oder zu unberechenbar in der Produktion. Oder die Autos können schlicht nicht halten, was ihre Schöpfer einst versprachen? Dann würde es katastrophal.Benoit Jacob weiß das alles. Und trotzdem posiert der jungenhafte, schlaksige Chef-designer der Submarke BMW i souverän lächelnd für den Fotografen. Trotz des im-mensen Drucks, der auf ihm und seinem 20 Mitarbeiter starken Designteam lastet. Und er hat ja auch allen Grund dazu. Denn wann darf ein Autodesigner schon einmal solch fundamental neue Autos ent-werfen? Für den 42-jährigen Elsässer und seine Männer ist es eine einmalige Chance.

Herr Jacob, Sie sehen etwas

überarbeitet aus.

nun ja, wie sie wissen, haben wir allerhand vor und der Zeitplan ist sportlich. Aber die Überstunden werden sich auszahlen! Sie sagten kürzlich in einem Interview,

BMW i solle sogar Menschen be-

geistern, die Autos bislang gehasst

haben. Legen Sie sich damit die Latte

nicht etwas zu hoch?

was ich damit sagen will, ist, dass wir ein revolutionär neues Auto bauen. technolo-gische Fortschritte vollziehen sich meis-tens in evolutionären schritten. Autos wer-den sicherer, sparsamer, besser. schritt für schritt. Bei BMw i springen wir. wir springen sehr weit und das wird viele Men-schen begeistern. … was Sie und alle, die an dem

Projekt beteiligt sind, der Öffentlich-

keit und den Medien seit Monaten

einbläuen. Damit gehen Sie aber auch

ein hohes Risiko ein: Die Erwartungen

wachsen in den Himmel.

wir werden zu unseren worten stehen. BMw i steht für visionäre Fahrzeuge und Mobilitätsdienstleistungen, inspirierendes Design sowie für ein neues Premiumver-ständnis, das sich stärker über nachhaltig-keit definiert. Und wir werden mindestens 80 Prozent dessen, was sie an unseren Concept Cars BMw i3 und i8 sehen kön-nen, in der serienfertigung umsetzen. Zum Beispiel auch die gegenläufigen

Türen des i3?

eine spannende Frage, aber für eine kon-krete Antwort auf diese Frage müssen sie sich noch ein wenig gedulden. Aber, das one-Box-Design des i3 lässt sich mit dem extrem steifen Material CFK besonders gut umsetzen. In der Produktion kann man sehr exakt vorgehen und den zur verfügung stehenden raum optimal ausnutzen und gestalten. Anders als mit stahl oder Alumi-nium können wir präzisere radien und Kanten gestalten. Die gegenläufigen türen wären also machbar, dank des Carbons könnte man auf eine B-säule verzichten. Eine Frage des Preises?

Die Kosten sind auch ein wichtiger Faktor bei der entwicklung neuer Fahrzeugkonzepte.

Die charakteristischen schwarzen Carbon-Fasern produziert BMW in einem Werk in der US-Stadt Moses Lake. Der Energieauf-wand dafür ist erheblich – der Strom

stammt jedoch zu 100 Prozent aus Wasser-kraft. Die aufgerollten Fasern werden nach Deutschland verschifft und in Wackersdorf auf Webmaschinen zu grauen Textilmatten, sogenannten Gelegen verarbeitet. Aus die-sen wiederum werden in Landshut zusam-men mit Kunststoffharzen CFK-Bauteile gebacken. Die Endmontage von i3 und i8 erfolgt in Leipzig.Durch die neue Art der Fertigung dürfte sich die Anzahl der Karosserieeinzelteile erheb-lich reduzieren – und die Produktionsge-schwindigkeit eines Fahrzeugs deutlich er-höhen. BMW schätzt, dass der i3 mit einer klassischen Stahlkarosserie rund 300 Kilo-gramm schwerer wäre als die CFK-Variante. Das Stadtauto wird angeblich um die 40.000 Euro kosten. BMW schweigt dazu – noch.

Die Linienführung und Transparenz

der Türen und des Daches haben für

viel Aufsehen gesorgt. i3 und

i8 präsentieren sich geradezu als

Anti-Cocooning-Autos. Wird so

viel gläserne Offenheit in der realen

Fertigung umsetzbar sein?

ein Concept Car ist immer auch etwas für die große Bühne. wir werden den BMw i3

Jacobs i-Modelle BMw i3

BMw i8

DO

I: 10

.136

5/s3

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41BMW i Interview mit Benoit Jacob

Automotive Agenda 13 DesIgn

mit einem Loft-ähnlichen Innenraum ver-sehen, der viel raum und Flexibilität bietet; reduziert, aber gleichzeitig hochwertig.Es gibt gute Gründe, die gegen

zu ausufernde Scheibenflächen an den

Türen oder am Dach sprechen:

Die Fenster müssen zu versenken

sein, die Privatsphäre muss

gewahrt bleiben.

Die Praktikabilität wird nicht auf der stre-cke bleiben und das Thema sicherheit hat natürlich oberste Priorität.Verändert CFK auch die Gestaltungs-

möglichkeiten beim Interieur?

Der Umgang ist anders, die optik eben-falls. Kunden werden die technologie im Innenraum erleben können, optisch und haptisch. Inwiefern?

Das CFK, das wir verwenden, unterscheidet sich optisch von dem Carbon, wie es zum Beispiel im rennsport zum einsatz kommt. wir fertigen Carbon zum ersten Mal in der großserie, wodurch sich eine eigene, spe-zifische optik ergibt. Unser Carbon wird natürlicher wirken, wertvoll, so wie Holz, fast lebendig von der erscheinung. Können Sie das näher beschreiben?

wenn sonnenlicht auf das Material trifft, ergeben sich interessante Abstrahleffekte, die dem Auto einen ganz eigenen Charak-

ter geben. Als Designer könnten wir CFK inszenieren, zum Beispiel im einstiegsbe-reich oder in teilen des Interieurs. Es heißt, Sichtcarbon sei besonders

teuer in der Fertigung. Heißt das, in den

Serienmodellen werden wir letztlich

doch nur sehr wenig CFK sehen?

wir werden tolle optische effekte mit CFK erzielen. Das Material wird natürlich wir-ken, nicht zu glatt und poliert. Das hat ei-nen ganz besonderen Charme! wir haben mit den BMw-i-Modellen den Begriff „Premium“ neu definiert. Premium muss nicht aufgebauscht und komplex bedeuten. Im Produkt- und Möbeldesign gibt es die-sen trend schon lange. Auch etwas redu-ziertes kann sehr hochwertig sein. Zu einer neuen Marke gehört auch

ein neuer Auftritt: Wie eng sind

Sie als Autodesigner in das Marketing

eingebunden?

Mein team war von Anfang an daran beteiligt, wir stimmten uns zum Beispiel bei der Bildsprache und Farbenwahl immer eng mit den Kollegen aus dem Marketing ab. Bei BMW i dominieren bislang die

Farben Neonblau, Silber, Grau, Orange

und Schwarz. Das wirkt futuristisch,

aber auch recht kühl. Finden Sie

nicht, dass das Ganze etwas mehr

Wärme und kräftigere Farben vertragen

könnte?

Durch die verbindung der Farben orange und Blau entsteht ein klarer und unver-wechselbarer Auftritt mit hohem ästheti-schem Anspruch. Lassen sie sich überra-schen; wenn wir mit den serienmodellen auf den Markt kommen, werden sie noch ganz andere Farben sehen. grundsätzlich geht es uns nicht um Maschinen, sondern um Menschen, die einen kosmopoliti-schen, sozial verantwortlichen und nach-haltigen Lebensstil pflegen. ☐

BenoIt JACoB

studierte Transportation Design in der Schweiz am Art Center College of Design. Von 1994 bis 2000 war er für Renault tätig, danach drei Jahre bei VW in Spanien und einige Zeit im Münchener Audi-Studio. Seine Schwerpunkte lagen im Bereich Advanced Design und Vorentwicklung. 2004 heuerte er bei BMW an. Als Teamleiter Exterior Design war er an verschiedenen Projekten beteiligt: vom Z4 über den 5er GT bis hin zum neuen 6er. Seit 2008 arbeitet er für das Project i.