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K. de Groot Erste Ergebnisse von multizentrischen, randomisierten, kontrollierten Therapiestudien für ANCA-assoziierte Vaskulitiden Z Rheumatol 61:607–609 (2002) DOI 10.1007/s00393-002-0446-y ZfRh 446 KLINISCHE STUDIEN KURZGEFASST Eingegangen: 19. August 2002 Akzeptiert: 2. September 2002 Dr. med. Kirsten de Groot ( ) ) Ärztin für Innere Medizin, Rheumatologie, Nephrologie Abt. für Nephrologie Med. Hochschule Hannover Carl Neuberg Str. 1 30625 Hannover, Germany Tel.: 05 11 / 5 32 63 19 Fax: 05 11 / 55 23 66 E-Mail: [email protected] Anläßlich des 10. internationalen Vaskulitis- und ANCA-workshops in Cleveland/Ohio, USA im April 2002 wurden die Ergebnisse von drei prospektiven, randomisierten kontrollierten Studien präsentiert, die die europäische Vaskulitisarbeitsgruppe EUVAS Mitte der 90iger Jahre initiiert hat. EUVAS ist eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe bestehend aus Rheu- matologen, Nephrologen, Internisten, Immunologen, Pathologen und HNO-Ärzten, deren Zielsetzung in der Erarbeitung von stadienadaptierten Therapie- standards bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden (AAV) liegt. Da die Standardtherapie zur Remissionsinduk- tion bei diesen Erkrankungen, das „Fauci-Schema“ (1, 2) eine empirische Therapie darstellt, die mit einer erheblichen Toxizität vergesellschaftet ist (3, 4), ergibt sich die Notwendigkeit, nach weniger toxi- schen Alternativen zu suchen und Patientengruppen zu identifizieren, die einer weniger agressiven oder auch stärkeren bzw. länger durchgeführten Immun- suppression bedürfen. Tabelle 1 zeigt eine Übersicht der von EUVAS seit 1994 koordinierten prospektiven europäischen multi- zentrischen Studien mit Berücksichtigung der Pa- tientenzielgruppen und der primären Studienend- punkte. Bei den ersten drei der dort aufgeführten Therapiestudien ist die Patientenrekrutierung sowie größtenteils auch die Nachbeobachtungszeit abge- schlossen, so dass erste Ergebnisse vorliegen. Bei den vier Studien (CYCAZAREM, NORAM und ME- PEX, CYCLOPS), bei denen im Standardtherapiearm eine Remissionsinduktion mit oralem Cyclophospha- mid durchgeführt wurde, wurden 2 mg/kg Körperge- wicht pro Tag bis zum Erreichen der Remission für mindestens 3, maximal 6 (NORAM, CYCAZAREM, MEPEX) bis 9 (CYCLOPS) Monate eingesetzt. Dosis- reduktionen bei Leukopenie, Niereninsuffizienz und Alter über 60 Jahren waren genau definiert worden. In CYCAZAREM (5) haben 155 Patienten mit neu diagnostizierter AAV eine einheitliche Remissions- induktionstherapie mit oralen Cyclophosphamid (oCYC) und Glucocorticoiden erhalten und wurden nach Eintritt einer Remission nach 3, maximal 6 Monaten, in eine remissionserhaltende Therapie mit entweder Azathioprin 2 mg/kg, (AZA) oder niedriger dosiertem oCYC, 1,5 mg/kg, randomisiert. In beiden Armen wurde begleitend das gleiche Steroidregime gegeben. Diese Medikation wurde bis Monat 18 nach Erstdiagnose studienprotokollgemäß reduziert. Be- züglich des primären Endpunktes, Rezidivrate, fand sich kein Unterschied zwischen den beiden Armen (17% im Azathioprinarm und 15% im Cyclophos- phamidarm). Überraschenderweise fanden sich keine signifikant unterschiedlichen Nebenwirkungsraten in den beiden Armen innerhalb der Studienzeit von 18 Monaten. Dies gilt gleichermaßen für die Nieren- funktion, den Vaskulitis-Aktivitäts- (BVAS) und -Da- mage-Index (VDI) als auch für die mit dem SF36- Fragebogen erfasste Lebensqualitätseinschätzung der Patienten. Das Ziel der NORAM-Studie (6) ist es zu prüfen, ob eine ebenso effektive Remissionsinduktion wie Redaktion: Prof. Dr. K. Krüger, München

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K. de Groot Erste Ergebnisse von multizentrischen,randomisierten, kontrolliertenTherapiestudien für ANCA-assoziierteVaskulitiden

Z Rheumatol 61:607–609 (2002)DOI 10.1007/s00393-002-0446-y

ZfR

h446

KLINISCHE STUDIEN KURZGEFASST

Eingegangen: 19. August 2002Akzeptiert: 2. September 2002

Dr. med. Kirsten de Groot ())Ärztin für Innere Medizin, Rheumatologie, NephrologieAbt. für NephrologieMed. Hochschule HannoverCarl Neuberg Str. 130625 Hannover, GermanyTel.: 0511 /5326319Fax: 0511 /552366E-Mail: [email protected]

Anläßlich des 10. internationalen Vaskulitis- undANCA-workshops in Cleveland/Ohio, USA im April2002 wurden die Ergebnisse von drei prospektiven,randomisierten kontrollierten Studien präsentiert,die die europäische Vaskulitisarbeitsgruppe EUVASMitte der 90iger Jahre initiiert hat. EUVAS ist eineinterdisziplinäre Arbeitsgruppe bestehend aus Rheu-matologen, Nephrologen, Internisten, Immunologen,Pathologen und HNO-Ärzten, deren Zielsetzung inder Erarbeitung von stadienadaptierten Therapie-standards bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden (AAV)liegt. Da die Standardtherapie zur Remissionsinduk-tion bei diesen Erkrankungen, das „Fauci-Schema“(1, 2) eine empirische Therapie darstellt, die miteiner erheblichen Toxizität vergesellschaftet ist (3, 4),ergibt sich die Notwendigkeit, nach weniger toxi-schen Alternativen zu suchen und Patientengruppenzu identifizieren, die einer weniger agressiven oderauch stärkeren bzw. länger durchgeführten Immun-suppression bedürfen.

Tabelle 1 zeigt eine Übersicht der von EUVAS seit1994 koordinierten prospektiven europäischen multi-

zentrischen Studien mit Berücksichtigung der Pa-tientenzielgruppen und der primären Studienend-punkte. Bei den ersten drei der dort aufgeführtenTherapiestudien ist die Patientenrekrutierung sowiegrößtenteils auch die Nachbeobachtungszeit abge-schlossen, so dass erste Ergebnisse vorliegen. Beiden vier Studien (CYCAZAREM, NORAM und ME-PEX, CYCLOPS), bei denen im Standardtherapiearmeine Remissionsinduktion mit oralem Cyclophospha-mid durchgeführt wurde, wurden 2 mg/kg Körperge-wicht pro Tag bis zum Erreichen der Remission fürmindestens 3, maximal 6 (NORAM, CYCAZAREM,MEPEX) bis 9 (CYCLOPS) Monate eingesetzt. Dosis-reduktionen bei Leukopenie, Niereninsuffizienz undAlter über 60 Jahren waren genau definiert worden.

In CYCAZAREM (5) haben 155 Patienten mit neudiagnostizierter AAV eine einheitliche Remissions-induktionstherapie mit oralen Cyclophosphamid(oCYC) und Glucocorticoiden erhalten und wurdennach Eintritt einer Remission nach 3, maximal 6Monaten, in eine remissionserhaltende Therapie mitentweder Azathioprin 2 mg/kg, (AZA) oder niedrigerdosiertem oCYC, 1,5 mg/kg, randomisiert. In beidenArmen wurde begleitend das gleiche Steroidregimegegeben. Diese Medikation wurde bis Monat 18 nachErstdiagnose studienprotokollgemäß reduziert. Be-züglich des primären Endpunktes, Rezidivrate, fandsich kein Unterschied zwischen den beiden Armen(17% im Azathioprinarm und 15% im Cyclophos-phamidarm). Überraschenderweise fanden sich keinesignifikant unterschiedlichen Nebenwirkungsraten inden beiden Armen innerhalb der Studienzeit von 18Monaten. Dies gilt gleichermaßen für die Nieren-funktion, den Vaskulitis-Aktivitäts- (BVAS) und -Da-mage-Index (VDI) als auch für die mit dem SF36-Fragebogen erfasste Lebensqualitätseinschätzung derPatienten.

Das Ziel der NORAM-Studie (6) ist es zu prüfen,ob eine ebenso effektive Remissionsinduktion wie

Redaktion: Prof. Dr. K. Krüger, München

mit Cyclophosphamid auch mit low-dose Methotre-xat (0,3 mg/kg 1×pro Woche p.o.) möglich ist. DieZielgruppe hier bestand aus Patienten mit einer ge-neralisierten AAV im Frühstadium ohne lebens- oderorganbedrohliche Manifestationen und ohne signifi-kante Nierenbeteiligung (Krea <120 �mol/l). Wiede-rum erfolgte ein einheitliches Steroidregime für bei-de Arme in insgesamt etwas niedrigerer Dosierungals in der CYCAZAREM-Studie. Die gesamte immun-suppressive Therapie wurde nach 12 Behandlungs-monaten ausschleichend beendet und die Patientenfür weitere 6 Monate nachbeobachtet. Bezüglich desprimären Endpunktes, Remissionsraten nach 6-mo-natiger Behandlung, erwiesen sich beide Therapienals gleich effektiv (MTX 91,5% vs. oCYC 95,5%). DieZeit bis zum Eintreten einer Remssion war jedochunter oCYC im Mittel mit 2,4 Monaten etwas kürzer(p=0,11) als unter MTX mit 3,0 Monaten. Die Ana-lyse der sekundären Endpunkte ergibt eine signifi-kant höhere Rezidivrate unter MTX (74%) als unteroCYC (42,4% p=0,005), wobei die mittlere Zeit biszum Rezidiv 13,3 bzw. 13,5 Monate betrug und da-mit die meisten Rezidive nach Absetzen der Immun-suppression auftraten.

Verglichen mit der Remissionsinduktionsrate inCYCAZAREM von 93%, liegt die Remissionsrate inNORAM in beiden Armen deutlich niedriger. Auchdie Rezidivrate zeigte sich in CYCAZAREM mit 17%bedeutend niedriger als in NORAM, wobei die Pa-tienten in CYCAZAREM im Gegensatz zu denen inNORAM bis zum Beobachtungsende immunsuppres-siv behandelt wurden. Insgesamt kann man folgern,dass eine Remissionsinduktion auch mit MTX mög-

lich ist, dass die NROAM Patienten jedoch nicht voneiner schnelleren Steroidreduktion und einer kürze-ren Gesamtbehandlungsdauer profitiert haben. Mög-licherweise trifft auch die dem Studiendesign zu-grundeliegende Überlegung, dass die Patienten mitfrühen generalisierten AAV ohne signifikante Nieren-beteiligung, die in der weit überwiegenden MehrzahlPatienten mit M. Wegener und damit einer granulo-matösen Erkrankung waren, die weniger schwerkranken und damit die leichter zu behandelnden Pa-tienten darstellen, nicht zu. Es könnte sein, dassgerade die Granulomlast einer längeren immunsup-pressiven Therapie bedarf.

Bei der MEPEX-Studie ist die Rekrutierung, abernoch nicht die Beobachtungszeit abgeschlossen, sodass hier erst sehr vorläufige Ergebnisse vorliegen.Ziel der Studie war es zu prüfen, welches der beidenfolgenden Verfahren jeweils additiv zur oCYC-Thera-pie kombiniert mit oralen Steroiden bei Patientenmit rapid progressiver Glomerulonephriitis (RPGN)im Rahmen von AAV ein besseres renales Überlebengewährleistet: eine Methylprednisolon-Puls-Therapie(je eine Infusion an 3 konsekutiven Tagen mit je15 mg/kg KG) oder eine Plasmaaustauschbehandlung(60 ml/kg, 7× innerhalb der ersten 2 Wochen nachBehandlungsbeginn). Die Patienten werden nachDialysepflichtigkeit bzw. Oligurie zum Randomisie-rungszeitpunkt stratifiziert. 16% der eingeschlosse-nen Patienten starben innerhalb der ersten 3 Be-handlungsmonate, wobei sich die Todesraten gleich-mäßig auf beide Studienarme verteilen. Die erstenDaten über die Beeinflussung des renalen Überlebensnach 3 Monaten werden voraussichtlich auf der Ta-

608 Zeitschrift für Rheumatologie, Band 61, Heft 5 (2002)© Steinkopff Verlag 2002

Tab. 1 Übersicht über die von EUVAS koordinierten prospektiven Therapiestudien, Stand 08/2002

Klinische Subgruppe Studie Primärer Endpunkt Medikation Nierenfunktion Stand d. Rekrutierung

1. StudienphaseFrühsystemisch, aktiv NORAM Remission MTX vs. oCYC Krea <120 �mol/l 100/92Generalisiert, aktiv CYCAZAREM Rezidiv AZA vs. oCYC Krea <500 �mol/l 155/146Schwere Nierenbeteiligung(rapid progressive GN), aktiv

MEPEX Erhalt der unabhängigenNierenfunktion

Plasmaaustausch vs. Ste-roidboli jeweils plus oCYC+ orale Steroide

Krea >500 �mol/l 152/150

Refraktär, aktiv SOLUTION Remission Anti-Thymozytenglobulin(nicht kontrolliert)

alle 9/>10

2. StudienphaseGeneralisiert, aktiv CYCLOPS Krankheitsfreie Zeit pCYC vs. oCYC Krea 150–500 �mol/l 156/160Generalisiert, in Remssion REMAIN Rezidiv AZA für 4 Jahre vs. Stop

d. Immunsuppressionnach 2 Jahren

GFR <50 ml/minbei WG oder MPA

36/120

Nur WG, in Remssion MUPIBAC Rezidiv Mupirocin-Nasensalbevs. Placebo

GFR >50 ml/min 17/140

3. StudienphaseGeneralisiert IMPROVE Krankheitsfreie Zeit MMF vs. AZA alle 5/160

oCYC=orales tägl. Cyclophosphamid, pCYC=Puls-Cyclophsophamid, MTX=Methotrexat, AZA=Azathoprin, MMF=Mycophenolat Mofetil, WG=Wegener Granulo-matose, MPA=mikroskopische Polyangiitis, Krea=Serumkreatinin, GFR=glomeruläre Filtrationsrate

gung der American Society of Nephrology im No-vember 2002 erstmals öffentlich vorgestellt.

Die verhältnismäßig kurze Beobachtungszeit (max.18 Monate nach Erstdiagnose) in den Protokollen derersten Studienphase lässt keine Aussage über Spätrezi-dive zu, deshalb ist die Beobachtungszeit in der Pro-tokollen der 2. und 3. Studienphase deutlich verlän-gert worden.

Die Studienprotokolle der noch rekrutierendenStudien können unter www.vasculitis.org eingesehenwerden. Weitere Patienteneinschlüsse sind herzlichwillkommen und können über die Internetseite(s. o.), die deutschen EUVAS-Mitglieder oder die Au-torin vermittelt werden.

609K. de GrootErste Ergebnisse von multizentrischen, randomisierten, kontrollierten Therapiestudien

Literatur

1. Fauci AS, Wolff SM (1973) Wegener’sgranulomatosis: studies in eighteen pa-tients and a review of the literature.Medicine (Baltimore) 52:535–561

2. Fauci AS, Haynes BF, Katz P, Wolff SM(1983) Wegener’s granulomatosis: Pro-spective clinical and therapeutic ex-perience with 85 patients for 21 years.Ann Intern Med 98:76–85

3. Hoffman GS, Kerr GS, Leavitt RY, Hal-lahan CW, Lebovics RS, Travis WD,Rottem M, Fauci AS (1992) Wegener’sgranulomatosis: an analysis of 158 pa-tients. Ann Intern Med 116(6):488–498

4. Reinhold-Keller E, Beuge N, Latza U,de Groot K, Rudert H, Nölle B, HellerM, Gross WL (2000) An interdisciplin-ary approach to the care of patientswith Wegener’s granulomatosis. Longterm outcome in 155 patients. ArthritisRheum 43(5):1021–1032

5. Jayne D (2001) Update on the Euro-pean Vasculitis Study group trials.Curr Oin Rheumatol 13(1):48–55

6. de Groot K, Rasmussen N, Cohen Ter-vaert JW, Jayne DRW (2002) Rando-mized trial of cyclophosphamide ver-sus methotrexate for induction ofremission in „non-renal“ ANCA-asso-ciated vasculitis. Cleveland Clinic Jour-nal of Medicine 69(Suppl 2):116