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K. de Groot Erste Ergebnisse von multizentrischen, randomisierten, kontrollierten Therapiestudien für ANCA-assoziierte Vaskulitiden Z Rheumatol 62:116–117 (2003) DOI 10.1007/s00393-003-0500-4 ZfRh 500 STATE-OF-THE-ART-LECTURES ZUM CAROL NACHMAN-SYMPOSIUM 2003 Dr. med. Kirsten de Groot ( ) ) European Vasculitis Study Group (EUVAS) Abt. für Nephrologie Med. Hochschule Hannover 30625 Hannover, Germany Die orale Cyclophosphamiddauertherapie (oCYC) in Kombination mit Prednisolon (Prd), das sog. „Fauci- Schema“, stellt die Standardtherapie in der Behand- lung der ANCA-assoziierten Vaskulitiden (AAV) dar. Dies ist eine empirische Therapie, mit der erstmals in den 70er Jahren eine deutliche Prognoseverbes- serung dieser bis dahin als fatal geglaubten Krank- heitsbilder gelang. Spätere Längsschnittbeobachtun- gen zeigen jedoch, dass diese Therapie mit einer er- heblichen Toxizität vergesellschaftet ist, die in einer beachtlichen Therapie-assoziierten Morbidität und Mortalität resultiert: je bis zu 50% der behandelten Patienten erlitten hospitalisationspflichtige Infektio- nen, ohne begleitenden Gebrauch von Mesna etwa 40% eine hämorrhagische Zystitis (Präkanzerose), das Lymphomrisiko ist gegenüber der Normal- bevölkerung auf das 11fache gesteigert. Daraus er- gibt sich die Notwendigkeit, nach weniger toxischen therapeutischen Alternativen zu suchen, Krankheits- stadien abzugrenzen, die unterschiedlicher Therapie- strategien bedürfen und prognostische Marker zu identifizieren, die auf das Ansprechen auf ein be- stimmtes Regime hindeuten können. Es liegen jetzt Ergebnisse von drei aus sechs pro- spektiven, randomisierten kontrollierten Studien vor, die die europäische Vaskulitisarbeitsgruppe EUVAS Mitte der 90er Jahre initiiert hat. EUVAS ist eine in- terdisziplinäre Arbeitsgruppe bestehend aus Rheu- matologen, Nephrologen, Internisten, Immunologen, Pathologen und HNO-Ärzten, deren Zielsetzung in der Erarbeitung von stadienadaptierten Therapie- standards bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden (AAV) liegt. Es wurden folgende Pharmaka und Patienten- gruppen untersucht: n Remissionsinduktion a. low-dose Methotrexat (MTX) vs. oCYC zur Remis- sionsinduktion in der frühen Generalisationsphase ohne Nierenbeteiligung (NORAM); b. Puls-Cyclophphosphamid (pCYC) vs. oCYC in der Generalisationsphase mit Organfunktionsein- schränkungen, aber ohne drohende Dialysepflich- tigkeit (Krea < 500 lmol/l) (CYCLOPS); c. Plasmaaustausch vs. i. v. Methylprednisolonpulse jeweils additiv zum Fauci-Schema bei rapid pro- gressiver Glomerulonephritis (Krea > 500 mmol/l, Olig-/Anurie) (MEPEX). n Remissionserhaltung a. oCYC vs. Azathioprin (Aza) bis Monat 18 nach Diagnose in der Generalisationsphase (CYCAZA- REM); b. Langzeitimmunsuppression (Aza bis Monat 42 nach Diagnose) vs. Absetzen jeglicher Therapie bei Monat 21 nach Diagnose (REMAIN) (Stand der Rekrutierung Feb. 03: 36/120); c. Mycophenolat Mofetil (MMF) vs. Aza zur Lang- zeitimmunsuppression bis Monat 48 nach Erst- diagnose (IMPROVE) (Stand der Rekrutierung Feb. 03: 20/160). In jeweils beiden Therapiearmen wurde ein einheitli- ches Prednisolonregime mitgeführt. Orales Cyclo- phosphamid zur Remissionsinduktion wurde jeweils mit 2 mg/kg Körpergewicht pro Tag bis zum Erreichen

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K. de Groot Erste Ergebnissevon multizentrischen, randomisierten,kontrollierten Therapiestudienfür ANCA-assoziierte Vaskulitiden

Z Rheumatol 62:116–117 (2003)DOI 10.1007/s00393-003-0500-4

ZfR

h500

STATE-OF-THE-ART-LECTURESZUM CAROL NACHMAN-SYMPOSIUM 2003

Dr. med. Kirsten de Groot ())European Vasculitis Study Group (EUVAS)Abt. für NephrologieMed. Hochschule Hannover30625 Hannover, Germany

Die orale Cyclophosphamiddauertherapie (oCYC) inKombination mit Prednisolon (Prd), das sog. „Fauci-Schema“, stellt die Standardtherapie in der Behand-lung der ANCA-assoziierten Vaskulitiden (AAV) dar.Dies ist eine empirische Therapie, mit der erstmalsin den 70er Jahren eine deutliche Prognoseverbes-serung dieser bis dahin als fatal geglaubten Krank-heitsbilder gelang. Spätere Längsschnittbeobachtun-gen zeigen jedoch, dass diese Therapie mit einer er-heblichen Toxizität vergesellschaftet ist, die in einerbeachtlichen Therapie-assoziierten Morbidität undMortalität resultiert: je bis zu 50% der behandeltenPatienten erlitten hospitalisationspflichtige Infektio-nen, ohne begleitenden Gebrauch von Mesna etwa40% eine hämorrhagische Zystitis (Präkanzerose),das Lymphomrisiko ist gegenüber der Normal-bevölkerung auf das 11fache gesteigert. Daraus er-gibt sich die Notwendigkeit, nach weniger toxischentherapeutischen Alternativen zu suchen, Krankheits-stadien abzugrenzen, die unterschiedlicher Therapie-strategien bedürfen und prognostische Marker zuidentifizieren, die auf das Ansprechen auf ein be-stimmtes Regime hindeuten können.

Es liegen jetzt Ergebnisse von drei aus sechs pro-spektiven, randomisierten kontrollierten Studien vor,die die europäische Vaskulitisarbeitsgruppe EUVASMitte der 90er Jahre initiiert hat. EUVAS ist eine in-terdisziplinäre Arbeitsgruppe bestehend aus Rheu-matologen, Nephrologen, Internisten, Immunologen,Pathologen und HNO-Ärzten, deren Zielsetzung in

der Erarbeitung von stadienadaptierten Therapie-standards bei ANCA-assoziierten Vaskulitiden (AAV)liegt. Es wurden folgende Pharmaka und Patienten-gruppen untersucht:

n Remissionsinduktion

a. low-dose Methotrexat (MTX) vs. oCYC zur Remis-sionsinduktion in der frühen Generalisationsphaseohne Nierenbeteiligung (NORAM);

b. Puls-Cyclophphosphamid (pCYC) vs. oCYC in derGeneralisationsphase mit Organfunktionsein-schränkungen, aber ohne drohende Dialysepflich-tigkeit (Krea <500 �mol/l) (CYCLOPS);

c. Plasmaaustausch vs. i. v. Methylprednisolonpulsejeweils additiv zum Fauci-Schema bei rapid pro-gressiver Glomerulonephritis (Krea >500 mmol/l,Olig-/Anurie) (MEPEX).

n Remissionserhaltung

a. oCYC vs. Azathioprin (Aza) bis Monat 18 nachDiagnose in der Generalisationsphase (CYCAZA-REM);

b. Langzeitimmunsuppression (Aza bis Monat 42nach Diagnose) vs. Absetzen jeglicher Therapiebei Monat 21 nach Diagnose (REMAIN) (Standder Rekrutierung Feb. 03: 36/120);

c. Mycophenolat Mofetil (MMF) vs. Aza zur Lang-zeitimmunsuppression bis Monat 48 nach Erst-diagnose (IMPROVE) (Stand der RekrutierungFeb. 03: 20/160).

In jeweils beiden Therapiearmen wurde ein einheitli-ches Prednisolonregime mitgeführt. Orales Cyclo-phosphamid zur Remissionsinduktion wurde jeweilsmit 2 mg/kg Körpergewicht pro Tag bis zum Erreichen

der Remission für mindestens 3, maximal 6 (NORAM,CYCAZAREM, MEPEX) bis 9 (CYCLOPS) Monate ein-gesetzt. Dosisreduktionen wurden bei Leukopenie,Niereninsuffizienz und Alter über 60 Jahren durch-geführt.

n Zu folgenden Studienliegen bereits Ergebnisse vor

In CYCAZAREM haben 155 Patienten mit neu diag-nostizierter AAV eine einheitliche Remissionsinduk-tionstherapie mit oralen oCYC und Prd für 3–6 Mo-nate erhalten und wurden nach Eintritt einer Remis-sion einer remissionserhaltenden Therapie mit ent-weder Azathioprin 2 mg/kg, (AZA) oder niedrigerdosiertem oCYC 1,5 mg/kg, zurandomisiert. DieseMedikation wurde bis Monat 18 nach Erstdiagnosestudienprotokollgemäß reduziert. Bezüglich des pri-mären Endpunktes, Rezidivrate, fand sich kein Un-terschied zwischen den beiden Armen (16% imAzathioprinarm und 13,5% im Cyclophosphamid-arm). Es fanden sich keine signifikant unterschiedli-chen Nebenwirkungsraten in den beiden Armen in-nerhalb der Studienzeit von 18 Monaten. Dies giltgleichermaßen für die Nierenfunktion, den Vaskuli-tis-Aktivitäts- (BVAS) und Damage-Index (VDI) alsauch für die mit dem SF36-Fragebogen erfasste Le-bensqualitätseinschätzung der Patienten.

Das Ziel der NORAM-Studie war es zu prüfen, obMTX (0,3 mg/kg 1× pro Woche p.o.) ebenso effektivist wie oCYC zur Remissionsinduktion bei Patientenmit einer generalisierten AAV im Frühstadium ohnelebens- oder organbedrohliche Manifestationen (Krea<150 �mol/l). Das Steroidregime für beide Arme waretwas niedriger dosiert als in der CYCAZAREM-Stu-die. Unter der Vorstellung, dass es sich hierbei um ei-ne weniger schwer kranke Patientengruppe handelte,wurde die gesamte immunsuppressive Therapie nach12 Behandlungsmonaten ausschleichend beendetund die Nachbeobachtung für weitere 6 Monate fort-geführt. Bezüglich des primären Endpunktes, Remis-sionsraten nach 6-monatiger Behandlung, erwiesen

sich beide Therapien als gleich effektiv (89,8 vs.93,5%; p=0,39). Die Analyse der sekundären End-punkte ergibt eine signifikant höhere Rezidivrate un-ter MTX (69,5%) als unter oCYC (45,2% p=0,016),wobei die meisten Rezidive nach Absetzen der Im-munsuppression auftraten (mittlere Zeit bis zum Rezi-div 13,3 Monate in beiden Armen). Man kann schluss-folgern, dass eine Remissionsinduktion mit MTX indiesem Kollektiv möglich und sicher ist, dass aber ge-rade hier Patienten mit M. Wegener und damit oftausgedehnten Granulomen im oberen und unteren Re-spirationstrakt überwiegen, die wahrscheinlich einerlängeren Remissionserhaltungstherapie unter eng-maschiger Verlaufskontrollle bedürfen, zumal einesignifikante Korrelation zwischen Granulomen derLuftwege und dem Auftreten eines Rezidives bestand.

Ziel der MEPEX-Studie war es zu prüfen, welchesder beiden folgenden Verfahren jeweils additiv zumFauci-Schema kombiniert mit oralen Steroiden beiPatienten mit rapid progressiver Glomerulonephriitis(RPGN) im Rahmen von AAV ein besseres renalesÜberleben gewährleistet: eine Methylprednisolon-Puls-Therapie (ivMeP, je eine Infusion an 3 konseku-tiven Tagen mit je 15 mg/kg KG) oder eine Plasma-austauschbehandlung (PE, 60 ml/kg, 7× innerhalbder ersten 2 Wochen nach Behandlungsbeginn). DiePatienten werden nach Dialysepflichtigkeit bzw. Oli-gurie zum Randomisierungszeitpunkt stratifiziert.17% der eingeschlossenen Patienten starben inner-halb der ersten 3 Behandlungsmonate, wobei sichdie Todesfälle gleichmäßig auf beide Studienarmeverteilen. Nach 3 Monaten waren signifikant mehrPatienten im PE-Arm dialyseunabhängig als im iv-MeP-Arm (80 vs. 59%; p=0,018). Daten zu Nieren-funktion nach 12 Monaten stehen noch aus.

Die verhältnismäßig kurze Beobachtungszeit (max.18 Monate nach Erstdiagnose) in den Protokollen derersten Studienphase lässt keine Aussage über Spätrezi-dive zu, deshalb ist die Beobachtungszeit in den Pro-tokollen der 2. und 3. Studienphase (REMAIN, IM-PROVE) deutlich verlängert worden. Die Studienpro-tokolle der noch rekrutierenden Studien können unterwww.vasculitis.org.uk eingesehen werden.

117K. de GrootErste Ergebnisse von multizentrischen, randomisierten, kontrollierten Therapiestudien