ernährungsphysiologie des blaunackenmausvogels (urocolius macrourus pulcher)

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Ern~ihrungsphysiologie des Blaunackenmausvogels (Urocolius macrourus pulcher) Sylvia Lauterbach und Roland Prinzinger LaUTERBACH, S. & PRINZINGER, R. (1994): Nutrient physiology of the Blue- naped Mousebird (Urocolius rnacrourus pulcher). J. Orn. 135: 577--586. -- Blue-naped Mousebirds were fed with four different diets: I. mixed food (bananas, salad, boiled eggs, boiled rice, apples); II. bananas only; III. soft fruits (pears and peaches); and IV. food enriched with protein (curd cheese and egg- white). The minimal times for food passage through the digestive tract were 6-18 rain altogether. This is similar to the data known from nectarivorous birds (< 15 min). The intestines are extremely short (19,0 _+2,4cm; n = 16) and simple-structured, without specialization and without any caeca. The overall efficiency for the diets with 71,0 %, ranging between 65,9 % (bananas) and 74,0 % (mixed food), is relatively low. However, for frugivorous birds in general, far lower efficiencies are recorded (30-70 %). The assimilation efficiencies of nutrients depend on their amount in food and the physiological and seasonal requirements. The composition of the assimilated food shows that car- bohydrates, having the largest part with 89,0-91,1%, are most important for energy supply. Presumably, the birds utilize only sugars being easy to digest, because cellulose is removed. Fat and protein are playing a subordinate role in metabolism. The metabolic turnover differs with the diet and ranges between 62,5 J/g" h (bananas), 69,2 J/g" h (fruits), 87,3 J/g" h (protein food) and 99,6 J/g • h (mixed food). Arbeitskreis Stoffwechselphysiologie, Fachbereich Biologie, Universit~t Frank- furt/Main, Siesmayerstr. 70, D-60323 Frankfurt 577 1. Einleitung Mausv6gel bilden eine eigene Ordnung (Coliiformes), die einzige Familie Coliidae be- steht aus zwei Gattungen (Colius und Urocolius) mit zusammen nur 6 Arten. Sie sind ausschliefllich in Affika siidlich der Sahara verbreitet. Ihre erstaunliche Anpassungsf~- higkeit an die verschiedensten Landschafts- und Vegetationsformen macht sie zu h~iufi- gen Vertretern der afrikanischen Vogelwelt. Mausv6gel sind reine Vegetarier. Ihre Hauptnahrung besteht aus Beeren und anderen Friichten, sowie Bl~ttern, Knospen u. ~i. Im Freiland wurden sie sehr selten an anima- tischer Kost gesehen; auch in Gefangenschaft nehmen sie so gut wie keine tierische Nahrung zu sich. Trotz der reinen Pflanzennahrung haben Mausv6gel keine G~irfa'ume (Blindd~irme, spezielle End&irme oder Vergleichbares), um die Zellulose in ihrer Nahrung aufzu- schliei~en. Dies dient vermutlich der Gewichtsersparnis. Mausv6gel geh6ren zu den wenigen exklusiven Vertretern der voll flugf~ihigen Pflanzenffesser unter den V6geln. Der Darmtrakt ist sehr kurz (19,0 +2,4 cm; n = 16). Verschiedene an&re Arten

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Ern~ihrungsphysiologie des Blaunackenmausvogels (Urocolius macrourus pulcher)

Sylvia Lauterbach und Roland Prinzinger

LaUTERBACH, S. & PRINZINGER, R. (1994): Nutr ient physiology of the Blue- naped Mousebird (Urocolius rnacrourus pulcher). J. Orn. 135: 577--586. -- Blue-naped Mousebirds were fed with four different diets: I. mixed food (bananas, salad, boiled eggs, boiled rice, apples); II. bananas only; III. soft fruits (pears and peaches); and IV. food enriched with protein (curd cheese and egg- white). The minimal times for food passage through the digestive tract were 6-18 rain altogether. This is similar to the data known from nectarivorous birds (< 15 min). The intestines are extremely short (19,0 _+2,4 cm; n = 16) and simple-structured, without specialization and without any caeca. The overall efficiency for the diets with 71,0 %, ranging between 65,9 % (bananas) and 74,0 % (mixed food), is relatively low. However, for frugivorous birds in general, far lower efficiencies are recorded (30-70 %). The assimilation efficiencies of nutrients depend on their amount in food and the physiological and seasonal requirements. The composition of the assimilated food shows that car- bohydrates, having the largest part with 89,0-91,1%, are most important for energy supply. Presumably, the birds utilize only sugars being easy to digest, because cellulose is removed. Fat and protein are playing a subordinate role in metabolism. The metabolic turnover differs with the diet and ranges between 62,5 J/g" h (bananas), 69,2 J/g" h (fruits), 87,3 J/g" h (protein food) and 99,6 J/g • h (mixed food).

Arbeitskreis Stoffwechselphysiologie, Fachbereich Biologie, Universit~t Frank- furt/Main, Siesmayerstr. 70, D-60323 Frankfurt

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1. Einleitung Mausv6gel bilden eine eigene Ordnung (Coliiformes), die einzige Familie Coliidae be- steht aus zwei Gattungen (Colius und Urocolius) mit zusammen nur 6 Arten. Sie sind ausschliefllich in Affika siidlich der Sahara verbreitet. Ihre erstaunliche Anpassungsf~- higkeit an die verschiedensten Landschafts- und Vegetationsformen macht sie zu h~iufi- gen Vertretern der afrikanischen Vogelwelt.

Mausv6gel sind reine Vegetarier. Ihre Hauptnahrung besteht aus Beeren und anderen Friichten, sowie Bl~ttern, Knospen u. ~i. Im Freiland wurden sie sehr selten an anima- tischer Kost gesehen; auch in Gefangenschaft nehmen sie so gut wie keine tierische Nahrung zu sich.

Trotz der reinen Pflanzennahrung haben Mausv6gel keine G~irfa'ume (Blindd~irme, spezielle End&irme oder Vergleichbares), um die Zellulose in ihrer Nahrung aufzu- schliei~en. Dies dient vermutlich der Gewichtsersparnis. Mausv6gel geh6ren zu den wenigen exklusiven Vertretern der voll flugf~ihigen Pflanzenffesser unter den V6geln. Der Darmtrakt ist sehr kurz (19,0 +2,4 cm; n = 16). Verschiedene an&re Arten

578 Journal ftir Ornithologie 135, 1994

(Sandregenpfeifer Charadrius hiaticula, Alpenstrandl~iufer Calidris alp~ina, Waldwasser- l~iufer Tringa ochrop,s, Star Sturnus vulgaris, Singdrossel Turdus philomelos, Kernbei- t~er C coccothraustes) mit i/hnlichen K6rpermassen (51,8 _+6,16 g) weisen deutlich l~in- gere D~irme auf (40,7 +9,22 cm, nach versch. Autoren).

Zudem finder man einen auflerordentlich schnellen und hohen Durchgang der Nah- rung (minimale Passagezeiten durchschnittlich 10-20 rain).

In diesem Zusammenhang ergeben sich einige interessante Fragen zur Physiologie der Nahrungsausnutzung, vor allem im Hinblick auf die kurzen Futterpassagezeiten und die spezielle Darmmorphologie: In welchem Mage wird die Nahrung aufgeschlos- sen und welche N~ihrstoffe werden bevorzugt resorbiert ?

Zur Kl~irung dieser Fragen haben wit sowohl die Gesamteffizienzen als auch die Effi- zienzen der einzelnen Ni/hrstoffe bei Fiitterung verschiedener Di~iten untersucht.

2. Material und Methoden

i5--25 V6gel wurden untersucht, von denen acht Wildf~inge und im Alter nicht bestimmbar waren. Fiir die Erniihrungsversuche wurden 4 V6gei ausgew~ihlt: ein Paar im Alter von etwa zwei Jahren und zwei ausgewachsene Jungv6gel (etwa drei Monate ak). Die M~innchen wogen zu Beginn der Versuchsreihe im Mittel 53,5 bzw. 55,7 g, die Weibchen 50,1 bzw. 49,9 g, was ungef~hr den mittleren K6rpermassen unserer Zucht entspricht (c~ 56,4 +_2,7 g, n = 7; 62 49,2 +_2,9 g, n = 8). W~ihrend der Versuche schwankte die K6rpermasse geringfiigig um _+2,5 g.

In dieser Zeit wurden die V6gel jeweils zu zweit in einem K~ifig (55 x 55 x 28 cm) gehalten, der bei der Gru.p.pe in der Voliere stand (4 miteinander verbundene Aui~envolieren, je 1,80 x 2,60 x 2,60 m). Uber je eine Woche wurden nacheinander folgende 4 Di~iten ad lib. angeboten (N~ihrstoffzusammensetzung s. Tab. 2): I. Mischfutter (Bananen, Kopfsalat, gekochtes Ei, ge- kochter Reis, Apfel); II. Bananen; III. Eiweigfutter (Magerquark 10%ig und gekochtes Weii~ei im Verh~tltnis 2 : 1 mit etwas Honig homogen vermischt); IV. Fruchtfutter (Birnen und Pfir- siche homogen vermischt). Zwischen den verschiedenen Di~iten wurden zur Anpassung an das neue Futter jeweils 24 h eingeschoben. Der Kot dieser Zwischenphase wurde verworfen. Aus Ein- und Rtickwaage aller Futterproben ergab sich die yon den Tieren aufgenommene Nah- rungsmenge. Ebenso wurde der zugeh6rige Kot gesammelt und gewogen. Die Frischproben wurden fhr die Analyse bei +70 o C bis zur Gewichtskonstanz getrocknet und anschliegend rein pulverisiert.

Zur Bestimmung des physikalischen Brennwertes diente ein Bombenkal0rimeter (J. PETeRs, Berlin, Modell ,Rekord"). Rohfett und Rohproteingehak wurden tiber Standardmethoden (SoxH>ET, KJELDAHL) ermittelt. Auf eine direkte Analyse der Kohlenhydrate mui~te aus me> hodischen Grtinden verzichtet werden. Deren Menge wurde nach der Bestimmung aller ande- ten Inhaltsstoffe (Faserstoffe nach Literaturwerten) mit der noch fehlenden Menge gleichge- setzt. Diese Methode ist fi~r die Fragestellung hinreichend genau. Alle Trockenproben wurden mit einer Pr'~zisionswaage (METTLER H10T) auf +0,01 mg genau gewogen. Ftir die Stickstoff- verbindungen im Kot wurde der besseren Vergleichbarkeit halber der Ausdruck ,Proteine" beibehaken. Harns~iure und ungenutzte Nahrungsproteine wurden analytisch nicht getrennt.

Die Energieumsatzraten wurden aus dem kalorimetrisch bestimmten Energiegehalt jeder Digit und der jeweiligen Nettoaufnahme ermittelt. Fiir die Bestimmung yon Energieumsatz- raten tiber den Gasstoffwechsel (indirekte Kalorimetrie) s. P~INZI>aCER 1988.

S. LAUTERBACH U. a.: Erniihrung von Urocolim pu/cber 579

Zur Ermittlung der Darmpassagezeiten wurden Basisch-Fuchsin-Kristalle in Wasser angel6st und unter das Futter gemischt. Dadurch tritt sp~iter eine leicht feststellbare Rotfiirbung des Ko- tes auf.

Der Verdauungstrakt yon 16 Mausv6geln wurde fiir eine zun~ichst grobe morphologische Beschreibung prSipariert und vermessen.

Die Arbeit wurde yon der DFG gef6rdert (Pr 202/4-1).

3. Ergebnisse 3.1. M o r p h o l o g i s c h e A n p a s s u n g e n an die F r u g i v o r i e

Futter sowie Kot der Blaunackenmausv6gel enthalten aut~erordentlich viel Wasser (je- weils iiber 75 %; Tab. 2). Der Verdauungstrakt ist dieser fliissigen Fruchtnahrung ange- pagt: Der Oesophagus zeigt keine Kropferweiterung, ist allerdings stark l~ngsgefaltet und insgesamt sehr dehnbar fiir die Aufnahme von grof~en Futterbrocken. Die Mus- kelschichten des Kaumagens sind im Vergleich zu anderen Vogelgruppen schwach ent- wickelt. Der Darmtrakt ist sehr kurz: Die L~inge des Darms vom Pylorus bis zur Kloake betr~gt nut 19,0 -4-2,4 cm (n = 16). Neben dem hohen Wassergehalt des Fut- ters verkiirzt auch dies die Verweildauer der Nahrung im K6rper erheblich ( Tab. 1). Der Darm bildet lediglich zweieinhalb Schlingen; Blind&irme fehlen.

3.2. P h y s i o l o g i s c h e A n p a s s u n g e n an die F r u g i v o r i e

Tab. 1 zeigt die minimalen Passagezeiten fiir die verschiedenen Di~iten. Dabei ist das Auftreten des ersten gefiirbten Anteils im Kot entscheidend. In Tab. 2 sind die Werte der Futter und Kotanalysen zusammengefaBt.

Als Gesamteffizienz bezeichnet man iiblicherweise den prozentualen Anteil der assi- milierten Nahrung an der Bruttoaufnahme (bezogen auf Trockenmassen [TM]). Die N~hrstoffeffizienzen beschreiben dies fiir jeden einzelnen N~ihrstoff (Kohlenhydrate [KH], Fette [F], Proteine [P])'(]3AIRLEIN 1986). Die relative Nlihrstoffeffizienz hinge- gen beschreibt den prozentualen Anteil des einzelnen NShrstoffs an der assimilierten Nahrung (Nettoaufnahme).

Tab. 1. Minimale mittlere Darmpassagezeiten beim Blaunackenmausvogel fiir verschiedene Futterdi~iten. Die Werte beschreiben das erste Erscheinen eines gef~irbten Festanteils im Kot. -- Duration of food passage (minimum) through the digestive tract for different diets. Food was homogenized and coloured red with crystalline basic fuchsin solved in water. The data

represent the first occurence of a red-coloured solid part in faeces.

DiSt minimale Passagezeit [rain] -+ SD n diet minimum passage time [mini _+_ SD n

Mischfutter/Mixed food Bananenfutter / Bananas Apfel / Apples Eiweit~futter/Food enriched with protein Fruchtfutter / Fruits

7-+1 8 17-+2 9 6_+0 2

18_+1 7 9_+1 6

580 Journal fiir Ornithologie 135, 1994

Tab. 2. Relative Zusammensetzung der Di~iten und des Kotes nach N~hrstoffen und physikali- schem Energiegehalt [J/g Trockenmasse]. Mittelwerte. -- Mean composition of diet and faeces refering to their nutrients and energy content [J/g dry mass]. KH = Kohlenhydrate (carbohy-

drates), P = Proteine (proteins), F = Fette (fats).

Digit H20 KH P F Energiegehah diet [%] [%] [%] [%] Energy content

Mischfutter/Mixed food Mischkot/Faeces of mixed food

Bananen/Bananas Bananenkot/Faeces of bananas

Eiweii~futter/Protein food Eiweil~kot/Faeces of food

enriched with proteins

Fruchtfutter/Fruits Fruchtkot/Faeces of fruits

80 17,2 2,3 0,46 18 015 86 10,5 3,0 0,53 17 473

77 20,0 1,3 0,25 17 499 89 9,0 0,6 0,10 !7 488

75 16,9 7,9 0,20 19 658

82 1,5 16,4 0,10 19 866

88 10,0 0,8 0,26 16 480 94 3,4 0,7 0,39 16 046

Die Menge eines N~ihrstoffs in g, die der Vogel behielt, blieb bei den einzelnen Di~i- ten mehr oder minder gleich (Abb. 1). Daher miissen die N~hrstoffe prozentual sehr verschieden genutzt worden sein, da sie bei den einzelnen Di~iten in sehr unterschied- lichen Anteilen enthalten waren. So wies die Eiweigdi~tt den niedrigsten absoluten KH-Anteil auf (6,08 g in der aufgenommenen TM von 9,0 g/d; Abb. 1). KH werden daher zu 96,5 % ausgenutzt, so dai~ der Organismus letztlich die Menge yon 5,87 g KH assimiliert. Umgekehrt nutzten die V6gel bei der KH-reichen Banane nur 65,8 % der KH, um auf eine absolute Menge yon 4,27 g zu kommen.

100 g Fruchtfutter-Frischmasse enthalten 0,26 g Fette; 100 g Bananenfrischmasse 0,25 g, Bezogen auf die Frischmasse ist der Unterschied in der Fettaufnahme also ge- ring. Bezogen auf die Trockenmasse nahmen die V6gel bei der Fruchtdi~it abet doppelt so viel Fett zu sich, bedingt dutch den hohen Wassergehalt der Friichte (Tab. 2). Daraus resultiert die vergleichsweise geringe Fetteffizienz und der hohe Fettanteil im Kot (7 %) bei der Fruchtdi~it (Abb. 1).

Die in verschiedenen Betrachtungsweisen so unterschiedlich erscheinenden Ausnut- zungsraten ergeben zusammengefaf~t ein einheitliches Bild: Kohlenhydrate sind mit 89,0 bis 91,I % die wichtigste Energiequelle. Proteine haben selbst bei lJberangebot mit 3,9 bis 8,8 % nur einen sehr geringen Anteil. Fett als (schwer verdaulicher) Ener- gietf~iger mit doppelt so hohem Brennwert wie Kohlenhydrate und Proteilxe spielt mit 0,4 bis 1,8 % nur eine ~iugerst untergeordnete Rolle und f~illt daher praktisch nicht ins Gewicht (Abb. 2).

Bei den verschiedenen Di~iten zeigten die Mausv6gel unterschiedliche Energieum- satzraten: Mischfutter: 99,6 J/g • h; Bananenfutter: 62,5 J/g" h; Eiweigfutter: 87,3 J/g • h; Fruchtfutter: 69,2 J/g • h. Darin zeigt sich deutlich, wie stark der absolute Energieumsatz vom eingesetzten ,Brennstoff" beeinflui~t wird.

S. LAUT~BACH u. a.: Ern~ihrung yon Uroco/ius pulcher

Futteraufnahme (g TM), . qsnutzung~ , . rootl ]maKe tg ary mass) asslmuauon ~=orymass~ ~

*10 9 8 7 6 5 4 3 2 1

Mischfutter mixed food

Bananenfutter bananas

Eiweiflfutter @ food enriched with proteins

Fruchtfutterfruits

E P / F ['---] Faserstoffe fibers

Q Kotzusammensetzung in ~, Composition of faeces in ~,

1 2 3 4 5 6 7

581

Abb. 1. Absolute Nahrungseffizienz. Brutto- (linke Seite) und Nettofutteraufnahmen (rechte Seite) in g TM. Kreise: Zusammensetzung des der Di~t zugeh6rigen Kotes in relativen Anteilen. Korrespondierende Werte fiir die Frischmassenaufnahme pro Tag und Vogel: Mischfutter 49,2 g (n = 6); Banane 32,7 g (n = 9); Eiwei~futter 35,8 g (n = 6); Fruchtfutter 61,6 g (n = 4). KH: Kohlenhydrate, P: Proteine, F: Fette. - - Comparison of gross (left) and net food intake (right) for the particular diets and nutrients. Absolute data in g dry mass. Circles: Composition of faeces related to the particular diet in percent (left). Intake for fresh mass/d/bird: mixed food 49,2 g (n = 6); bananas 32,7 (n = 9); food enriched with proteins 35,8

g (n = 6); fruits 61,6 g (n = 4). KH: Carbohydrates, P: Proteins, F: Fats.

582 Journal fiir Orni thologie 135, 1994

? F

,,,a,q .s,s'l. o,4-I, a7.

f

89,0 -91,1;/.

KH

Abb. 2. Relativer Anteil der verschiedenen N~ihrstoffe an der assimilierten Nahrung bei verschiedenen Di~iten (Bereiche). Mischfutter: KH 89,7 %; P 8,2 %; F 1,8 %; Banane: KH 89,0 %; P 5,6 %; F 0,8 %; Ei- wei~futter: KH 90,3 %; P 8,8 %; F 0,6 %; Fruchtfutter: KH 91,1%; P 3,9 %; F 0,4 %;. KH: Kohlenhydrate, P: Proteine, F: Fetm -- Relative part of different nutrients in assimilated food for each diet (particular ran- ges). Mixed food: KH 89,7 %; P 8,2 %; F 1,8 %; bananas: KH 89,0 %; P 5,6 %; F 0,8 %; food enriched with proteins: KH 90,3 %; P 8,8 %; F 0,6 %; fruits: KH 91,1%; P 3,9 %; F 0,4 %;. KH: Carbohydrates,

P: Proteins, F: Fats.

S. LAUTERBACH U. a.: Ern~ihrung yon Urocolius pulcher 583

4. Diskussion

V6gel haben im Vergleich zur K6rpergr6t~e mit die kiirzesten D~rme im Tierreich. Schon PESSEI¢ (1939) sieht darin eine adaptive Gewichtsreduzierung als Anpassung an das Ftugverm6gen. Dement@re&end sind auch die Futterpassagezeiten in der Re- geI kurz. Fruchtfresser haben wegen ihrer leicht verdaulichen Nahrung zudern ihre Blindd~rme reduziert und den Diinndarm auf nahezu ein Drittel der ,Normall~inge" verkiirzt. Daher sind auch die Passagezeiten extrem kurz. DEcoux (1976) beschreibt, daf~ bei Gestreiften Mausv6geln (Colius striatus) die Intervalle zwischen den Futterauf- nahmen 20--30 min betragen und mit der Kotabgabe (alle 15--30 min) korreliert sin& Wir erhielten Minimalwerte yon 6 rain, die z. T. denen yon Nektarfressern ent- sprechen. Die Durchgangszeiten beim Zimtkolibri (Selasphorus rufus) und beim Anna- Kolibri (Calypte anna) beispielsweise betragen unter 15 rain (ICsRasov et al. 1986). Ganz anders liegen die Verh~itnisse etwa bei k6rnerfressenden Arten: Singammer (Melospiza melodia), Schwirramrner (Spizella passerina), Klapperammer (Spizella pu- silla), Haussperling (Passer domesticus) und R6telgrundammer (Pipilo erythrophtalmus) zeigen eine Mindestdurchgangszeit yon 1,5 Stunden (STEVENSON 1933).

Die mittlere Gesamteffizienz fiir alle vier Di~ten lag bei 71,0 %. Die Schwankungs- breite bewegte sich dabei in einem relativ engen Bereich zwischen 65,9 und 74,0 %. BAIRLEIN (1986) gibt fiir verschiedene Vogelarten Extrembereiche an: Die niedrigsten Ausnutzungsraten zeigten Rauhfut~hiihner (Tetraoninae) mit 8--46 %. Die nektarivo- ren Kolibris (Trochilidae), deren hoher Stoffwechsd sie zu optimaler Energieausnut- zung zwingt, nutzten ihre leicht verdauliche Nahrung dagegen zu 97-99 %. K6rner- fressende Arten wiesen Assimilationsraten zwischen 34 % und 92 % auf. STEVENSON (1933) erhielt fiir fiinf Arten (s. o.) bei Fiitterung ad lib. einen mittleren Weft yon 90,4 %. CESKA (1980) gibt fiir verschiedene Eulenarten (Waldohreule Asio otus, Schlei- ereule 75~to alba, Waldkauz Strix aluco) Bereiche von 75-94 % an.

Aus den genannten Daten wird deutlich, dat~ Mausv6gel im Vergleich zu anderen Arten ihre Nahrung schlecht nutzen, wenngleich sie darin nicht als extrem zu bezeich- nen sin& BEZZEL & PaINZiNGER (1990) geben fiir Frugivore Effizienzen zwischen 40,3 % und 89,5 % an. Die meisten untersuchten Arten lagen dabei im niedrigen Be- reich. HOFFMANN & PRrNZINGER (1984) fanden fiir Bananendi?it bei Gestreiften Maus- v6geln ( Colius striatus), Rotriickenmausv6geln ( Colius eastanotus), Brillenmausv6gdn ( Urocolius indicus) und Blaunackenmausv6geln ( Urocolius macrourus) noch niedrigere Werte zwischen 44 % und 58 %. Die Extremwerte lagen zwischen 30 % bzw. 70 %. Die Ktirze yon Darmtrakt und Passagezeit 15tk auch kaum eine h6here Ausnutzung zu. Fruchtfresser gleichen das im allgemeinen dutch eine grofle Nahrungsmenge aus. In diesem Zusammenhang weist DECOUX (1976) darauf hin, dat~ Gestreifte Mausv6gel abends vermehrt Bl~itter zu sich nehmen und damit die Darmpassagezeit deutlich ver- langsamen. Dadurch soll angeblich iiber einen Groflteil der Nacht aus den zellulose- haltigen Pflanzenteilen Glucose gebildet werden, was wiederum einen giinstigen Ein- fluf~ auf den Energiehaushalt und die n~ichtliche Thermoregulation habe Allerdings fehlen jegliche Hinweise darauf, wo die dafiir notwendige G~irung stattfinden soll (s. 0.). Diese Annahme yon DEcoux scheint daher wenig glaubwiirdig.

584 Journal fiir Ornithologie 135, 1994

Nach unseren Beobachtungen werden Faserstoffe (Zellulose) so gut wie nicht ver- daut, sondern unver~indert ausgeschieden. Selbst Salat oder Obst verlieren z. T. sogar weder Farbe noch Konsistenz. Daraus folgt zwangsl~iufig, dat~ yon den Kohtenhydraten aus der Nahrung nur gel6ste oder extrem leicht verdauliche Zucker bzw. St~irken ver- wetter werden.

Ein Vergleich der Effizienzen der einzelnen N~ihrstoffe bei verschiedenen Vogelarten ist schwierig. Wie Abb. 3 verdeutlicht, richtet sich die Effizienz prim~ir nach dem im Futter vorhandenen Angebot. Dariiberhinaus ist der Anteil der verschiedenen N~ihr-

Mischfutter mixed food

100

%.

i Ges Kt F ;

Ban~nenfutter bananas

Ges i F

IOC

%

FAweiflfutter food enriched with proteins

Ges K H

Fruchtfutter fruits

O 0

~o

. . . . 5 0

Abb. 3. Relative Nahrungseffizienz im Verh~iknis zur Nahrungsaufnahm~ 100 %: jeweilige Bruttoauf- nahme der einzelnen N~ihrstoff¢ Gesamteffizienzen: Mischfutter 74,0 %; Banane 65,9 %; Eiweii~futter 71,8 %; Fruchtfutter 73,9 %. KH: Kohlenhydrate, F: Fette, P: Proteine, Ges: Gesamteffizienz, -- Nutrient efficiency in relation to food intak~ The gross food intake is 100 %. The overall efficiency for each diet: mixed food 74,0 %, bananas 65,9 %, food enriched with proteins 71,8 %, fruits 73,9 %. KH: Carbohydra-

tes, P: Proteins, F: Fats, GES: overal] efficiency.

S. LaUTEaBaCH U. a.: Ern~ihrung von Urocolius pulcher 585

stoffe an der assimilierten Nahrung stark yon wechselnden physiologischen Anforde- rungen abh~ngig, so z.B. vermehrter Proteinbedarf in der Brutzeit oder verst~rkte Fetmutzung vor dem Vogelzug zur Anlagerung yon Depots. Zudem ist das Angebot alles an&re als konstant. Die meisten V6gel treffen aus diesem Grund eine aktive, an den Erfordernissen orientierte Nahrungswahl (AEcKERLEIN 1986). Unsere Mausv6gel nahmen so z.B. w~hrend der Lege- und Aufzuchtperiode mehr Proteinnahrung in Form von Eiern und Quark zu sich. Im Freiland wurden sie einmal sogar an Aas be- obachtet (PR1NZINGER & PRINZ1NGER 1985).

Wird ein bestimmter N~ihrstoff nur zu einem sehr geringen Tell assimiliert, so mui~ zumindest ein weiterer Energietr~iger im Futter enthalten sein, der die energetische Stoffwechselbilanz sicherstellt. In allen vier Di~iten waren Kohlenhydrate ausreichend vorhanden. Die Blaunackenmausv6gel verzichteten &her weitestgehend auf die direk- te Ausnutzung des Fettangebots. Uberschiissige Kohlenhydrate k6nnen entweder aus- geschieden oder in K6rperfett umgewandelt werden.

Vermutlich werden im Normalfall vor allem nut gel6ste Fetts~iuren und Proteine aus der Nahrung assimiliert. Zusammen mit den gel6sten Kohlenhydraten (vor allem Ein- fachzucker wie Fructose und Glucose) erlaubt diese Strategie, auf eine zeitaufwendige Verdauung und einen komplizierten Darmtrakt (mit gut entwickelten Blindd~rmen, langen Endd~irmen usw.) zu verzichten. Dies ist ftir diese flugaktiven V6gel sicher yon hohem evolutiven Wert.

Entsprechende Untersuchungen fiihren wir z.Z. durch.

Zusammenfassung Beim Blaunackenmausvogel (UrocoIius macrourus pulcher) wurde die Ausnutzung der verschie- denen N~ihrstoffe (Fette, Eiweif~e, Kohlenhydrate) und die Assimilationseffizienz des Gesamt- futters untersucht. Mausv6gel sind Vegetarier und hauptsSchlich frugivor. Im Versuch erhiel- ten die V6gel vier Di~iten: I. Mischfutter (Bananen, Salat, gekochtes Ei, gekochter Reis, Apfe]); !I. Bananen; III. Fruchffutter (Pfirsiche und Birnen); IV. Eiweif~futter (Quark und gekochtes Weiffei). Die minimalen Darmpassagezeiten betrugen fur alle vier Di~ten zusammengefafk zwischen 6 und 18 rain. Damit kommen die Mausv6gel an die Werte fiir Nektarfresser heran (unter 15 rain). Der Darmtrakt ist mit 19,0 +_2,4 cm (n = 16) fi~r einen Vogel dieser K6rper- masse (o ~ 56,4 +_2,7 g; 9 49,2 ___2,9 g) extrem kurz und zeigt den fiir Fruchtffesser typischen einfachen Bau. Blinddiirme fehlen. Die mittlere Gesamteffizienz fi~r die vier Di~ten liegt bei 7t,0 %. Die Werte variieren in einem relativ engen Bereich zwischen 65,9 % (Banane) und 74,0 % (Mischfutter). Damit sind Blaunackenmausv6gel innerhalb der V6ge] als relativ schlechte Nahrungsverwerter zu bezeichnen. Fi~r Fruchtfresser allgemein werden allerdings noch niedrigere Werte zwischen 30 % und 70 % angegeben. Die Assimilationsrate der einzel- hen N~hrstoffe h~ingt in starkem Ma~e vom Angebot im Futter ab. Die Zusammensetzung der assimilierten Nahrung zeigt, daf~ Kohlenhydrate mit 89,0-91,1% den weitaus gr6f~ten Anteil am Energiestoffwechsel haben. Vermutlich werden nut gel6ste oder leicht verdauliche Einfachzucker bzw. St~rken verwertet. Zellulose wird praktisch ungenutzt ausgeschieden. Fet- te und Proteine spielen unter Normalbedingungen nur eine untergeordnete Rolle. Der Energie- umsatz {st nahrungsabh~ingig und betr~igt 62,5 J/g • h bei der Bananendi~it, 69,2 J/g • h bei der Fruchtdi~it, 87,3 J/g - h bei der Eiwei~di~it und 99,6 J/g - h beim Mischfutter.

586 Journal ftir Ornithologie 135, 1994

Literatur

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