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Erlebniskommunikation

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Hans H. Bauer • Daniel Heinrich • Michael SamakHerausgeber

Erlebniskommunikation

Erfolgsfaktoren für die Marketingpraxis

1  C

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ISBN 978-3-642-21132-4 e-ISBN 978-3-642-21133-1DOI 10.1007/978-3-642-21133-1Springer Heidelberg Dordrecht London New York

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Über-setzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverar-beitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk be-rechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Einbandentwurf: WMXDesign GmbH, Heidelberg

Gedruckt auf säurefreiem Papier

Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)

HerausgeberProf. Dr. Hans H. BauerUniversität Mannheim L 5 168131 Mannheim [email protected]

Daniel HeinrichUniversität Mannheim L 5 168131 [email protected]

Michael SamakSaatchi & SaatchiUhlandstraße 260314 Frankfurt am [email protected]

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V

Markenslogans wie „Erleben, was verbindet“ von der Deutschen Telekom oder der Claim des VW Golf „Wertigkeit neu erleben“ sind Sinnbild für den aktuellen Trend in der Werbebranche, nicht mehr nur mit emotionalisierenden Botschaften Aware-ness in der Öffentlichkeit zu erzeugen, sondern durch einen gewissen Erlebnis-charakter den Wettbewerb um die Gunst der Konsumenten zu gewinnen. Das neue Denken führt freilich dazu, dass etablierte Kommunikationsschemata hinterfragt und durchbrochen werden. Konnte das Marken- und Kommunikationsmanagement lange Zeit uni-direktional kommunizieren, so ist heute eine Interaktion nötig. Un-ternehmen waren früher die Sender der Botschaft, die Konsumenten die Empfänger der Nachricht. Längst haben sich jedoch die souveränen Konsumenten emanzipiert und gewinnen mehr und mehr Kontrolle über Marken und in der Folge auch über Unternehmen. Die fortschreitende Digitalisierung unserer Kommunikation und die Etablierung neuer Medien in der breiten Gesellschaft ermöglichen heutzutage in bisher nicht geahntem Ausmaß eine aktive Beteiligung der Konsumenten in der gesamten Wertschöpfungskette. Co-Kreation und User-Generated-Content lassen zudem die Komplexität des Markenmanagements steigen. Längst sind Konsu-menten zu Prosumenten geworden. Verbraucher wirken bei der Entwicklung und Optimierung von Produkten mit, möchten nicht nur informiert werden, sondern sich engagieren, an Unternehmen partizipieren und mit Marken interagieren. So-cial-Media, wie beispielsweise Diskussionsforen, Blogs und Mircobloggingdienste, sowie virtuelle Communities und Netzwerke spielen heute eine zunehmend wich-tige Rolle bei der Meinungsbildung und -beeinflussung.

Kein anderes Symbol wie der Facebook-Daumen kennzeichnet diesen Trend besser: Daumen hoch oder Daumen runter? Im Kern steht das Erlebte im Hier und Jetzt. Marken befinden sich im Wettbewerb um Emotionen, um Erlebnisse, die Menschen mit anderen teilen. Egal ob online oder offline, 2D oder 3D, im TV oder am Point-of-Sale. Über 4000 Tweets pro Sekunde während des Super Bowl Endspiels in den USA veranschaulichen das steil steigende Bedürfnis nach partizip-ierender Kommunikation – und wir stehen erst am Anfang.

Um erfolgreich zu sein, müssen Marken daher außergewöhnlichen Kommunika-tionscontent und auch entsprechende Erlebnisse kreieren, welche Menschen emo-tional berühren und die sie auch mit anderen teilen und wiederholt erleben möchten.

Vorwort der Herausgeber

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VI

Unser Buch vermittelt Marketingpraktikern und Wissenschaftlern das Konzept, die Instrumente und die Erfolgsfaktoren eben dieser erlebnisorientierten Kommunika-tionspolitik. Es bündelt dabei sowohl den aktuellen Stand der Forschung als auch zahlreiche Best-Practices und gibt so einen umfassenden Einblick in effiziente und effektive Kampagnen der Erlebniskommunikation.

Bei der Editierung dieses Werkes erhielten wir zahlreiche konzeptionelle und inhaltliche Anregungen und tatkräftige Unterstützung von vielen Seiten. Selbstver-ständlich gilt unser Dank in erster Linie den Autorinnen und Autoren der einzel-nen Beiträge für die Präsentation ihrer Forschungsergebnisse bzw. die Bereitstel-lung von Unternehmens-Insights. Ebenso möchten wir an dieser Stelle unserem Lektorat, bestehend aus Frau Verena Schoenmüller, Frau Hanna Weck und Herrn Sebastian Klein, danken. Sie haben beim Erstellen dieses Sammelbandes engagiert mitgewirkt. Schließlich gilt unser Dank dem Springer Verlag für die hervorragende Zusammenarbeit bei diesem Publikationsprojekt. Wir hoffen, mit diesem Buch viele Impulse und Ideen für die Wissenschaft und die Praxis liefern zu können.

Hans H. BauerDaniel HeinrichMichael Samak

Vorwort der Herausgeber

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VII

  Teil I  Grundlagen der Erlebniskommunikation

 Eine Einführung in das Konzept der Erlebniskommunikation. . . . . . . . . .     3Hans H. Bauer, Daniel Heinrich und Michael Samak

 Erlebnisorientierte Kommunikation sinnvoll gestalten und managen . . . .   13Franz-Rudolf Esch, Dominika Gawlowski und Vanessa Rühl

 Erlebnisorientierte Markenführung im Social Web . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   31Manfred Bruhn und Daniela B. Schäfer

  Teil II  Instrumente aktiver Erlebniskommunikation

 Die menschliche Kraft der Marke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   53Nina Blankenberg, Silke Bartsch, Sina Fichtel und Anton Meyer

 Emotionales Erleben der Markenpersönlichkeit durch verbales Mitarbeiterverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   73Theo Lieven und Torsten Tomczak

 Einkaufserlebnis durch Kundenevents im Einzelhandel . . . . . . . . . . . . . . .   97Marko Schwertfeger, Alexander Leischnig und Margit Enke

 Einsatzpotenziale des Web 2.0 zur erlebnisorientierten Kundenintegration in der Verlagsbranche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   113Dirk Möhlenbruch, Steffen Dölling und Ina Elste

 Interaktion in Web-Communities als Erfolgsfaktor  der Erlebniskommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   135Hans H. Bauer, Achim Botzenhardt und Daniel Heinrich

Guerilla-Marketing-Aktionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   151Frank Huber, Frederik Meyer und Andrea Weihrauch

 Ambush-Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   171Heribert Gierl und Karin Stiegelmayr

Inhalt

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VIII

 Sportsponsoring und Ambushing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   185Andrea Gröppel-Klein und Jörg Königstorfer

  Teil III  Instrumente passiver Erlebniskommunikation

 Architectural Branding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   207Ursula Raffelt und Anton Meyer

 Markenwelten als Schauplatz für Markenerlebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . .   223Lorenz Zimmermann und Martina Littich

 Multisensuale Gestaltungsansätze der Erlebniskommunikation  im Luxusgütermarketing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   237Klaus-Peter Wiedmann und Nadine Hennigs

 Mit hochveredelten Printmedien ein Leseerlebnis schaffen . . . . . . . . . . . .   251Hans H. Bauer, Daniel Heinrich und Stefan Hampel

 Zweiseitige Botschaften in der Marketingkommunikation . . . . . . . . . . . . .   275Franziska Küster

 Brand Reframing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   297Niels Neudecker und Franz-Rudolf Esch

  Teil IV  Best-Practice der Erlebniskommunikation

 Grenzenlose Erlebniskommunikation durch Humor-  und Surprise-Advertising . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317Isabel Martin

 Emotionalisierung einer Marke durch partizipierende Erlebniskommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   333André Schmidt

 Markenpositionierung durch emotionale und erlebnisorientierte Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   349Wolfgang Kampbartold

 Das beste Rezept für die Apotheke der Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   361Thomas Hofmann und Wolfgang Schlutter

 Erlebnismarketing ganz menschlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   371Dorothea Varlam

Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389

Inhalt

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Teil IGrundlagen der Erlebniskommunikation

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Zusammenfassung 

Marketingplaner und -entscheider stehen vor der Herausforderung, in hart um-kämpften Märkten das Interesse von Konsumenten für ihre Waren und Dienst-leistungen zu gewinnen. Die rasante Verschiebung vom Produkt- zum Aufmerk-samkeitswettbewerb zwingt die Praxis, Botschaften emotional zu gestalten und auf neuen Wegen zu kommunizieren. Daher ist erlebnisorientierte Kommuni-kation zum allgegenwärtigen Trend geworden, eine erfolgreiche Umsetzung ist aber im täglichen Werbegeschehen nur selten der Fall. Dieser Beitrag erklärt das Konzept der Erlebniskommunikation. Zunächst werden die Relevanz des Themas, die Trends in der Kommunikationslandschaft und die Herausforderun-gen für das Management dargestellt. Die Einbettung in das Marketing sowie die daraus resultierenden Funktionen der Erlebniskommunikation im Rahmen der Markenführung sind ebenso Bestandteil dieses Kapitels wie die abschließende Diskussion der Instrumente und Erfolgsfaktoren erlebnisorientierter Kommuni-kation.

1   Zur Relevanz von Erlebniskommunikation

Hochkompetitive Märkte und schrumpfende Marketingbudgets zwingen Unterneh-men zu einer zielgruppenspezifischen Kommunikationspolitik. Informationsüber-flutung und zunehmende Substituierbarkeit von Produkten sind weitere Ursachen für diese Entwicklung. Die wirtschaftlichen Diskontinuitäten der vergangenen zwei Jahrzehnte hat Marketingverantwortlichen verstärkt vor Augen geführt, wie wichtig es ist, effektiv und effizient mit Kunden zu kommunizieren. Die Marketingpraxis

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

Eine Einführung in das Konzept der Erlebniskommunikation

Hans H. Bauer, Daniel Heinrich und Michael Samak

D. Heinrich ()Universität Mannheim, Mannheim, DeutschlandE-Mail: [email protected]

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steht auch vor der Herausforderung, Botschaften auf neuen Wegen und auf neue Art zu übermitteln.

Neben erschwerten Marktbedingungen zeichnet sich die aktuelle Situation durch einen immanenten Wertewandel unserer Gesellschaft aus, welcher sich vor allem durch eine verstärkte Erlebnisorientierung äußert. Nicht mehr der Maximalkonsum, sondern der Erlebniskonsum steht gegenwärtig im Mittelpunkt, was insbesondere auf die gesellschaftliche Entwicklung von einer Überfluss- zu einer Überdrussge-sellschaft zurückzuführen ist. Konsumenten wollen heutzutage unterhalten, stimu-liert, emotional berührt und kreativ herausgefordert werden. Die Hoffnung besteht darin, dass derart zufriedengestellte Konsumenten als Käufer einer Marke und da-mit dem Unternehmen eher treu bleiben.

1.1   Vom Produkt- zum Aufmerksamkeitswettbewerb

In den letzten Jahren ist in vielen Branchen eine deutliche Verschiebung vom Pro-dukt- zum Kommunikationswettbewerb zu beobachten. Dabei gewinnt das Konzept der erlebnisorientierten Kommunikation zunehmend an Bedeutung. In der Werbe-branche zeichnet sich diese „Erlebnisglobalisierung“ vor allem durch explizit erleb-nisorientierte Werbeslogans ab, wie beispielsweise „Welcome to the Beck’s expe-rience“ ( Brauerei Beck GmbH & Co. KG 2010), „Erleben, was verbindet“ ( Deut-sche Telekom AG 2010), „Reisen heißt erleben“ ( Hilton International Germany GmbH 2010) oder „Exklusiv erleben.“ ( Alvico GmbH 2010). Explizite „Erlebnis-kommunikation“ wird demnach von vielen in der Praxis als Instrument angesehen, mit dem man sich vom Wettbewerb differenzieren kann.

Trotz dieser Entwicklungstendenz verpufft ein großer Teil der Botschaften heute nach wie vor aufgrund vieler Gründe vermutlich nahezu wirkungslos. Nur weni-ge der angebotenen Kommunikationsbotschaften erreichen nämlich die anvisierten Empfänger tatsächlich. Die Reizüberflutung der Konsumenten durch immer mehr – auch neue – Medien, der sogenannte „information overload“, sorgt dafür, dass klas-sische Werbemaßnahmen schwer Aufmerksamkeit erreichen. Beim Printmedium liegt die Informationsüberlastung allein in Deutschland bei 95 %. Unpersönliche Massenkommunikation braucht eine immer höhere Reizdosis, um bei den Rezipien-ten überhaupt wahrgenommen zu werden.

Marketingplaner und -entscheider befinden sich daher in einem Dilemma. Ei-nerseits zeigen Konsumenten eine immer geringere Reaktion bei der Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Werbebotschaften, andererseits kommt man nur mit steigenden Bruttowerbeausgaben auch nicht weiter. Die Ansprüche an die Kommunikationspolitik bestehen darin, eine andere Art von Kommunikation zu be-treiben. Als Lösung leuchtet die Forderung nach emotionalisierter und damit stärker in „Kopf und Herz“ von Konsumenten vordringender Kommunikation ein. So ge-winnt das Konzept der Emotionalisierung von Werbebotschaften um den Aufmerk-samkeitswettbewerb immer stärker an Bedeutung.

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1.2   Commodisierung als weitere Herausforderung

Heute wird auf den gesättigten Märkten zahlreicher Branchen eine Vielzahl von funktional gleichartigen und somit aus Sicht der Konsumenten substituierbaren Wa-ren und Dienstleistungen angeboten. Dieses Phänomen wird gerne als „Commodi-sierung“ der angebotenen Produkte bezeichnet. Produktqualität und Produktleistung gleichen sich aufgrund einer Globalisierung von technologischen Entwicklungen, gesetzlich-rechtlichen Standardisierungs- und Normierungsvorgaben und Vermark-tungskonzepten immer stärker an. Ein Wettbewerbsvorteil, ein einzigartiges Pro-dukt in bestimmten Märkten etabliert zu haben, ist durch eine schnell aufkommende Austauschbarkeitswahrnehmung der Konsumenten oftmals nicht von langer Dauer. Die zunehmende Homogenisierung in anderen Marketingbereichen sorgt zusätzlich dafür, dass sich Unternehmen auch mit anderen Leistungsfacetten wie Service und Image nicht mehr differenzieren können. Vor diesem Hintergrund wird nunmehr versucht, mittels entsprechender Kommunikation für Produkte und Dienstleistun-gen individualisierte und originäre Nutzenerlebnisse zu vermitteln und Marken auf diese Weise zu differenzieren. Die mit dem Kontakt, Kauf und Konsum von Marken assoziierten Erlebnisse sind besser geeignet als die bloße Vermittlung von technisch-funktionalen Eigenschaften, um von Konsumenten schneller, tiefer und wertiger wahrgenommen zu werden. Letztendlich geht es darum, eine „emotional selling proposition“ für Marken zu schaffen.

Die Marketingpraxis ist bereits auf diesen Weg eingebogen. Die Instrumente dieser Erlebniskommunikation sind typischerweise durch eine Kombination aus interaktiven (1) und inszenatorischen (2) Elementen geprägt, sind oftmals multisen-sorischen Charakters (3) und beinhalten eine hedonistische Dimension (4). Durch diese vier Komponenten werden Rezipienten in eine Art Flowzustand versetzt und gefesselt, wodurch die Aufnahme der Botschaft beflügelt und eine tiefe, ja sogar unterbewusste Prägung erzielt wird.

1.3   Verankerung im Marketing

Die Wirkung der Erlebniskommunikation lässt sich mithilfe des in der Marke-tingtheorie etablierten MAO-Konzepts verdeutlichen. Es umfasst aktivierende (Motivation), kognitive (Ability) und situative (Opportunity) Konstrukte, welche Einfluss auf den Kaufentscheidungsprozess ausüben. Dabei kommt der Erlebnis-kommunikation zunächst die Aufgabe der Aktivierung der Konsumenten zu, indem sie Aufmerksamkeit erzeugt, inhaltliche Emotionen vermittelt und Motive liefert, eine positive Einstellung gegenüber einer Marke zu bilden. Erlebniskommunikation umfasst drei Bausteine, die im gegenseitigen Wechselspiel zueinander stehen: Sie weckt stets Emotionen (1), bietet immer Content (2) und provoziert aktives Enga-gement oder Partizipation seitens der Rezipienten (3).

Erlebniskommunikation kann als Teil des Konzepts des Erlebnismarketings (Weinberg 1992) betrachtet werden. Dieses ist darauf fokussiert, für Produkte wert-

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haltige Erlebnisse zu vermitteln und damit Kundennutzen zu stiften. Dabei bedient sich das Erlebnismarketing jener Erlebniskomplexe, die eine Verankerung in der Erfahrungs-, Gefühls- und Wunschwelt der Konsumenten haben und zu deren Le-bensqualität beitragen (vgl. Kroeber-Riel und Weinberg 2008, S. 116). Erlebnis-marketing erstreckt sich über das gesamte absatzpolitische Instrumentarium (wie erlebnisorientiertes Verpackungs- und Produktdesign, erlebnisbetonte Gestaltung der Einkaufsstätte oder auch erlebnisorientierte Verkaufsgespräche), um eine „Er-lebnis-Szene“ zu kreieren. Die Kommunikationspolitik stellt allerdings das zentrale Instrument des Erlebnismarketings dar (vgl. Weinberg 1992, S. 61).

1.4   Erfolgsfaktoren der Erlebniskommunikation

Die erfolgreiche Umsetzung einer erlebnisorientierten Kommunikationspolitik stellt eine anspruchsvolle Aufgabe dar. Damit die eingesetzten Mittel und Res-sourcen signifikante Reichweiten- und Penetrationseffekte bei der entsprechenden Zielgruppe bewirken können, sind drei Erfolgsfaktoren bei der Planung, Umset-zung und dem Controlling von erlebnisorientierter Kommunikation zu berücksich-tigen:• Erstens muss klar sein, dass es keine Erlebniskommunikation ohne konkrete zu

vermittelnde Botschaft gibt. Unternehmen sollten nicht dem Trugschluss erlie-gen, dass spektakuläre Events, ungewöhnliche Medien oder innovative Sende-formate allein der Schlüssel zum Erfolg sind. Zwar erreichen derartige Inszenie-rungen oftmals durch anschließende massenmediale Verbreitung zuweilen eine große Öffentlichkeit – fehlt es jedoch an einer konkreten Botschaft, verpufft der Aufmerksamkeitseffekt ebenso schnell wie er aufgetreten ist. Marketingverant-wortliche müssen sich daher schon im Vorfeld im Klaren darüber sein, welche Kernbotschaft übermittelt werden soll. Die anschließende Auswahl, Planung und Umsetzung eines geeigneten erlebnisorientierten Kommunikationsinstrumentes hängt folglich maßgeblich von der Botschaft ab und nicht umgekehrt.

• Zweitens sind derartige erlebnisorientierte Botschaften in Geschehnisse oder Ge-schichten einzubetten, um eine emotionalisierende Wirkung entfalten zu können. Auf diese Art und Weise können Waren und Dienstleistungen, die per se nur rein technisch-funktionalen Nutzen leisten, durch einen ganzheitlichen Symbolwert angereichert werden. Dieser wird dann oft bei der Einstellungs- und Präferenz-bildung den entscheidenden Ausschlag geben und so das Konsumentenverhalten maßgeblich beeinflussen.

• Schließlich müssen Unternehmen dafür sorgen, dass Erlebniskommunikation auf strategischer Ebene mit den Dimensionen der Markenführung abgestimmt ist. Aufgrund der dualen Funktion von Marken zur Selbst- und Fremdbildgestaltung muss stets darauf geachtet werden, dass die Erlebniskommunikation zu Kunden und Mitarbeitern Werte transportiert, die im Einklang zu den Facetten des Mar-kenbildes stehen. Anderenfalls droht eine Verwässerung des Markenkerns und damit einhergehend eine unklare Markenpositionierung.

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2   Zum Inhalt der Beiträge in diesem Buch

2.1   Erlebniskommunikation und Markenmanagement

7 Lesetipp:Esch/Gawlowski/Rühl: Erlebnisorientierte Kommunikation sinnvoll gestalten und managen, Seite 13Bruhn/Schäfer: Erlebnisorientierte Markenführung im Social Web, Seite 31

Im Rahmen der Markenführung kann Erlebniskommunikation eine Schlüsselrol-le bei einer entsprechenden Positionierung von Marken einnehmen. Konsumenten unterscheiden dann Marken durch das Erleben von spezifischen emotionalen Bot-schaften. Das Markenmanagement muss geeignete Mittel und Wege finden, Marken emotional aufzuladen. Markenführungsmodelle sind konzeptionelle Vorgaben, um systematisch eine unverwechselbare Markenpositionierung zu erlangen. Um Mar-ken zielgerichtet in der Wahrnehmung der Konsumenten beeinflussen zu können, ist zunächst das Wesen der Marke zu bestimmen und anschließend mit Kommuni-kationsinstrumenten zu steuern.

Marken lassen sich konzeptionell als ein Gebilde aus verschiedenen Teilberei-chen beschreiben. Im Mittelpunkt aller strategischen Überlegungen steht die Struk-tur der Marke. Im Marketing herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass Marken aus (1) einer Markenessenz, (2) einem Markenkern und (3) der Markentonalität bestehen (Bauer et al. 2008, S. 6). Die Markenessenz wird auch als Marken-DNA bezeichnet und spiegelt die zentrale Botschaft der Marke wider. Neben diesem un-widerruflichen Wert- und Leistungsversprechen werden Marken durch weitere Fak-toren geprägt, die den Markenkern darstellen, der die eigentliche Stärke der Marke verkörpert. Schließlich umfasst der dritte Baustein diejenigen Werte, mit welchen die Marke grundsätzlich assoziiert wird. Die sogenannte Markentonalität prägt maßgeblich den Charakter der Marke. Sie ist dafür verantwortlich, wie Marken von der Umwelt wahrgenommen und welche Wesenszüge ihr zugeschrieben werden. Die Markentonalität gibt folglich den Wertekanon vor, an der sich die Erlebniskom-munikationspolitik im Rahmen des Markenmanagements ausrichten muss.

Bei der Auswahl von Kommunikationsinstrumenten ist zu beachten, dass Bot-schaften kognitive und affektive Reize bei den Rezipienten auslösen können. Ers-tere regen die geistige Auseinandersetzung mit der dargebotenen Information an. Affektive Reize ermöglichen hingegen das Fühlen und Erleben der Botschaft. Die Beeinflussung der Markenwahrnehmung und in Konsequenz der Markenpositio-nierung kann mittels dieser zwei Wirkungsmechanismen erfolgen. Während in der Vergangenheit Kommunikation überwiegend durch die Vermittlung von funktional-technischen Werten, sogenannten Hard Facts durch rationale Informationen geprägt war, so ist heute zu beobachten, dass emotionalisierende Botschaften, also „soft facts“, zunehmend an Bedeutung gewinnen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich Marken kaum mehr allein durch rationale Kommunikationsinhalte distinktiv

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positionieren lassen. Emotionsgeladene Botschaften sind zielführend nur durch er-lebnisorientierte Kommunikationsinstrumente vermittelbar. Diese umfassen zwei Facetten: aktive Instrumente und passive Instrumente der Erlebniskommunikation.

2.2   Aktive Instrumente der Erlebniskommunikation

7 Lesetipp:Blankenberg/Bartsch/Fichtel/Meyer: Die menschliche Kraft der Marke, Seite 53Lieven/Tomczak: Emotionales Erleben der Markenpersönlichkeit durch verbales Mit-arbeiterverhalten, Seite 73Schwertfeger/Leischnig/Enke: Einkaufserlebnis durch Kundenevents im Einzelhan-del, Seite 97

Aktive Erlebniskommunikation beinhaltet ein breites Spektrum an kommunika-tionspolitischen Instrumenten, bei denen handelnde Menschen im Mittelpunkt ste-hen. Diese durch die Mitarbeiter gelebte Kommunikation erfolgt bei Beratungs- und Verkaufsgesprächen, bei Kundenevents oder auch durch entsprechende Gestal-tung der Laden- und Einkaufsfläche. Auf diese Art und Weise werden Mitarbeiter eines Unternehmens zu internen und externen Markenbotschaftern, die nach innen und außen das Markenimage leben und so für ein positives Eigen- und Fremdbild der Marke sorgen. Dieses Zusammenspiel induziert positive Einkaufs- und somit Markenerlebnisse.

7 Lesetipp:Möhlenbruch/Dölling/Elste: Einsatzpotenziale des Web 2.0 zur erlebnisorientierten Kundenintegration in der Verlagsbranche, Seite 113Bauer/Botzenhardt/Heinrich: Interaktion in Web-Communities als Erfolgsfaktor der Erlebniskommunikation, Seite 135

Rezipienten können nicht nur Botschaftsempfänger, sondern auch integraler Be-standteil einer aktiven Erlebniskommunikation werden, indem sie von passiven Konsumenten zu aktiven Prosumenten quasi umfunktioniert werden. Die Integ-ration der Kommunikationszielgruppe in den Wertschöpfungsprozess von Unter-nehmen eröffnet zahlreiche Chancen der Erlebnispartizipation. Erlebnisse werden als erinnerungs- und speicherungswürdiges Ereignis aufgenommen und fördern die Identifikation mit einem gemeinsam mit dem Unternehmen „erschaffenen“ Produkt oder „Dienstleistung“ und somit der Marke. Die Empfänger der Botschaft bleiben demnach nicht außen vor, sondern werden Bestandteil der Erlebniskommunika-tion. Das Web 2.0 bietet hierfür zahlreiche, noch nie dagewesene Möglichkeiten, Zielgruppen aktiv und zugleich erlebnisorientiert in Innovations- oder Entwick-lungsprozesse, aber auch in Produktionsprozesse einzubinden. Hierfür stehen zahlreiche interaktiv-dialogorientierte Instrumente zur Verfügung, die eine effekti-

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ve und effiziente sowie zeitlich, räumlich und sprachlich unabhängige Generierung und Verbreitung von Informationen ermöglichen, wie Weblogs und Mikroblogging, Communities und Social Networks, aber auch Wikis und Internetforen.

7 Lesetipp:Huber/Meyer/Weihrauch: Guerilla-Marketing-Aktionen, Seite 151Gierl/Stiegelmayr: Ambush-Marketing, Seite 171Gröppel-Klein/Königstorfer: Sportsponsoring und Ambushing, Seite 185

Andere aktive Instrumente der Erlebniskommunikation konfrontieren den Rezi-pienten mit unerwarteten Überraschungseffekten. Das sogenannte Guerilla-Mar-keting erzeugt Aufmerksamkeit durch Neuartigkeit oder Andersartigkeit des ein-gesetzten Mediums, des Senders oder auch der Werbeumgebung. Dadurch, dass Rezipienten völlig unvorbereitet und plötzlich dem Werbestimulus regelrecht aus-geliefert sind, kann dieser seine aktivierende Kraft entfalten. Dadurch wird die In-formationsaufnahme erleichtert. Ambushing und Sponsoring zählen zu den Erfolg versprechenden Instrumenten, die durch ihren generischen Geschehnischarakter prädestiniert sind, Emotionen und Erlebnisse durch gemeinsames Erleben zu trans-portieren.

7 Lesetipp:Raffelt/Meyer: Architectural Branding, Seite 207Zimmermann/Littich: Markenwelten als Schauplatz für Markenerlebnisse, Seite 223Wiedmann/Hennigs: Multisensuale Gestaltungsansätze der Erlebniskommunikation im Luxusgütermarketing, Seite 237

2.3   Passive Instrumente der Erlebniskommunikation

Während bei den aktiven Instrumenten Personen agieren, sind passive Instrumen-te durch Materialität geprägt, die so instrumentalisiert wird, dass das an sich im-materielle Wesen einer Marke tatsächlich erlebbar wird. Das Ziel ist es, einen Ort oder Schauplatz zu „erschaffen“, an dem durch Einsatz multisensualer materieller Hilfsmittel reale Sinnes- und Erlebnisvermittlung stattfinden kann. Architektur im Inneren wie im Äußeren, die über ihren rein funktionalen Charakter hinausgeht, ist bestens zur Vermittlung von positiven Markenerlebnissen geeignet. Interaktive Gestaltungselemente lassen den Besucher zu einem Bestandteil der Inszenierung werden und ermöglichen das Entstehen von Gefühls- und Wissensassoziationen. Daraus resultiert ein enormes Begeisterungspotenzial, das den Rezipienten in einen Flowzustand versetzt, der die Aufnahme und Speicherung von erlebten Marken-emotionen begünstigt.

Auch die klassischen Werbemittel TV, Radio und Print erfahren im Rahmen der Erlebniskommunikation eine Renaissance. Die Markenkommunikation bedient sich nicht selten etablierter Medien, um neu- oder andersartige und nicht erwartete Bot-

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schaften zu transportieren. Humor- und Surprise-Advertising spielen dabei mit den Reizen des Abnormen, des Ungewöhnlichen oder Überraschenden und konterka-rieren provozierend und somit einprägsam die üblichen Denkschemata. Auf die-se Weise vermittelt die Werbebotschaft neben dem technisch-funktionalen Nutzen auch einen emotional-hedonistischen Mehrwert, der das beworbene Produkt oder die Dienstleistung vom Wettbewerb abgrenzt. Viele Innovationen im Bereich der klassischen Medien machen zudem heute multisensuale Kommunikation möglich. Hierzu zählen beispielsweise 3-D-Technologie sowie hochveredelte Printmedien, welche in der Lage sind, mehrere Sinne der Betrachter anzusprechen.

7 Lesetipp:Bauer/Heinrich/Hampel: Mit hochveredelten Printmedien ein Leseerlebnis schaffen, Seite 251Küster: Zweiseitige Botschaften in der Marketingkommunikation, Seite 275Neudecker/Esch: Brand Reframing, Seite 297

2.4   Erfolgreiche Erlebniskommunikation in der Marketingpraxis

In der Marketingpraxis ist die Erlebniskommunikation zum allgegenwärtigen Trend geworden, eine erfolgreiche Umsetzung ist aber im täglichen Werbegeschehen nicht immer der Fall. Zu oft werden die Grundregeln nicht beachtet. Dies führt dazu, dass dann Werbeanstrengungen häufig gänzlich ohne Impact verpuffen, keinen Lang-zeiteffekt haben oder im schlimmsten Fall keine positive, sondern eher negative Wirkung erzielen. Diese Gefahr ist beim Einsatz von emotionaler Erlebniskommu-nikation besonders hoch ausgeprägt, da sich diese Art der Botschaftsvermittlung schneller, tiefer und nachhaltiger beim Rezipienten festsetzt.

7 Lesetipp:Martin: Grenzenlose Erlebniskommunikation durch Humor- und Surprise-Adverti-sing, Seite 317Schmidt: Emotionalisierung einer Marke durch partizipierende Erlebniskommuni-kation, Seite 333Kampbartold: Markenpositionierung durch emotionale und erlebnisorientierte Kom -munikation, Seite 349Hofmann/Schlutter: Das beste Rezept für die Apotheke der Zukunft, Seite 361Varlam: Erlebnismarketing ganz menschlich, Seite 371

Einigen Unternehmen ist hingegen die Umsetzung erlebnisorientierter Kampagnen äußerst erfolgreich gelungen. Hierzu zählt die Hornbach Baumarkt AG, der es mit humorvollen Werbeformen geglückt ist, sich als kreativer Kommunikationsführer in der Branche zu etablieren und sich im Gedächtnis der Konsumenten zu veran-kern. Der japanische Automobilbauer Toyota schafft es mit Markenerlebnissen, Kunden emotional zu binden und neue Interessenten für die Marke zu begeistern.

H. H. Bauer, D. Heinrich und M. Samak

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In der hochkompetitiven Mobilfunkbranche hat die Deutsche Telekom durch integ-riert-emotionale Kommunikationskampagnen in den letzten Jahren erfolgreich die eigene Marke repositioniert. Im hart umkämpften Apothekenmarkt revolutioniert die Anzag AG den Aufmerksamkeitswettkampf mit ihrer erlebnisorientierten Wer-bekampagne für die Vivesco Apothekengruppe. Und Schott Solar setzt Installateure als Markenbotschafter ein, die zum entscheidenden Erfolgsfaktor im Kampf um Kunden instrumentalisiert werden.

Die genannten Beispiele werden in diesem Buch als best-practice dargestellt und geben somit einen leicht nachvollziehbaren Einblick in die Erfolgsfaktoren der Er-lebniskommunikation.

Literatur

Bauer, H. H., Huber, F., & Albrecht, C.-M. (2008). Meilensteine erfolgreicher Markenführung – Ein Leitfaden für eine kritische Diskussion über die eigene Marke. In: Bauer, H. H., Huber, F., & Albrecht, C.-M. (Hrsg.), Erfolgsfaktoren der Markenführung, (S. 2–13). München.

Kroeber-Riel, W., & Weinberg, P. (2008). Konsumentenverhalten, München.Weinberg, P. (1992). Erlebnismarketing, München.

Eine Einführung in das Konzept der Erlebniskommunikation

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Zusammenfassung 

Im vorliegenden Beitrag geben die Autoren wissenschaftlich fundierte und pra-xisrelevante Empfehlungen, wie Unternehmen erlebnisorientierte Kommunika-tion sinnvoll gestalten und managen können. Dabei wird die Wichtigkeit von Emotionen herausgestellt, denn sie sind es, die den Unterschied zwischen star-ken und schwachen Marken ausmachen. Aus diesem Grund werden Emotionen als ein Teil der Markenidentität sowie deren Bedeutung innerhalb der Positionie-rungsstrategien genauer betrachtet. Im zweiten Teil des Beitrags wenden sich die Autoren der Umsetzung von Emotionen durch Kommunikation zu. Sie gehen ausführlich auf die Markenerfahrungen der Kunden entlang des Buying-Cycle sowie auf reale versus mediale Erlebniskommunikation ein. Nachdem die Frage „Wo können Unternehmen Erlebnisse vermitteln?“ geklärt wurde, wird die Fra-ge nach dem „Wie?“ mithilfe der multisensuellen Vermittlung von Erlebnissen erläutert. Abschließend werden Handlungsempfehlungen für eine sinnvolle er-lebnisorientierte Kommunikation gegeben.

1   Die Macht der Emotionen

1.1   Emotionen machen den Unterschied

„Is it love?“ fragte Mini in seiner Werbekampagne, McDonald’s verkündet in sei-nem Slogan „I’m loving it“ und ProSieben proklamiert „We love to entertain you“. Emotionen sind in der Kommunikation allgegenwärtig und werden von vielen Unternehmen als Garant für hohen Werbeerfolg gesehen. Bei über 3000 Werbebot-schaften, die täglich auf uns einströmen (Scheier und Held 2006, S. 18), ist es umso

Erlebnisorientierte Kommunikation sinnvoll gestalten und managen

Franz-Rudolf Esch, Dominika Gawlowski und Vanessa Rühl

F.-R. Esch ()EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Wiesbaden, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_2, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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wichtiger herauszufinden, welche Botschaften und Marken tatsächlich wirken. Emotionale Werbung kann zwei Wirkungen entfalten. Zum einen schaffen Emo-tionen eine positive Wahrnehmungsatmosphäre und führen dadurch zur besseren Verarbeitung und Beurteilung von Informationen, ohne dass sich die Konsumenten darüber bewusst sein müssen. Allerdings ist diese Wahrnehmungsatmosphäre eher unspezifisch. Zum anderen können mithilfe von Emotionen spezifische Erlebnisse vermittelt werden, sodass Konsumenten spezifische emotionale Markenerfahrun-gen aufbauen, wie das Gefühl von Frische und Natürlichkeit bei Krombacher Bier (Kroeber-Riel und Esch 2004). Diese Erlebnisse mit der Marke sind subjektive, innere Konsumentenreaktionen, die durch markenbezogene Stimuli hervorgerufen werden und einen Beitrag zur Lebensqualität leisten (Weinberg 1992, S. 3). Folgen-de Merkmale kennzeichnen sie:• Markenerlebnisse sind sensorisch, d. h. sie werden mit allen Sinnen erlebt,• Markenerlebnisse sind affektiv, d. h. die Marke erzeugt spezifische Gefühle,

welche sich auf die Motivation auswirken,• Markenerlebnisse sind verhaltensorientiert, d. h. sie führen zu Handlungen,• und Markenerlebnisse sind intellektuell, d. h. sie resultieren aus dem Wissen zur

Marke und den Erfahrungen (Brakus et al. 2009, S. 60).Markenerlebnisse werden mithilfe der emotionalen Konditionierung aufgebaut. Dabei wird eine neutrale Marke in der Kommunikation mit emotionalen Reizen zu-sammen dargestellt. Durch die räumliche Nähe der beiden Reize sowie durch viele Wiederholungen im Laufe der Zeit wird die Marke emotional aufgeladen (Kroeber-Riel und Esch 2011). Emotionen in der Werbung wirken besonders gut, weil sie auch unbewusst wirken. Die Speicherung und Verarbeitung von Informationen wird maßgeblich durch Emotionen beeinflusst, nach dem Motto „Gefallen geht über Ver-stehen“ (Kroeber-Riel und Esch 2011). Generell ist deshalb davon auszugehen, dass (positive) Emotionen in der Kommunikation die Wirkung derselben positiv beein-flussen. Das oberste Ziel in der Kommunikation sollte stets der Aufbau eines erleb-nisbezogenen Marken- oder Unternehmensimages sein, denn „Denken ist wunder-voll, aber noch wundervoller ist das Erlebnis.“ (Oscar Wilde).

Der Enthusiasmus über Emotionen bricht nicht ab. Neueste Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften stützen diese Bedeutung. Galt lange Zeit das Motto von Descartes „Ich denke, also bin ich.“, so hat sich dies durch die Erkenntnisse der Neurowissenschaften grundsätzlich geändert. Heute gilt das Motto von Damasio „Ich fühle, also bin ich“. Der Grund ist einfach. Damasio stellt mittels funktionaler Magnetresonanztomographie als Fenster ins Gehirn fest, dass Menschen nicht dazu in der Lage waren, selbst einfachste Entscheidungen zu treffen, wenn Gehirnberei-che geschädigt waren, die für Emotionen zuständig sind.

Dies ist auch für die Marke und für Kommunikation wichtig. Aus der Marketing-perspektive sind Marken Vorstellungsbilder in den Köpfen der Zielgruppe. Neuro-logisch betrachtet handelt es sich um eine Zusammenstellung von Nervenzellen, die in einer bestimmten Reihenfolge aktiviert werden (Möll und Esch 2008). Um wissenschaftliche Erkenntnisse z. B. zu der Wirkung von Werbung und Marken zu gewinnen, werden die Gehirne von Konsumenten im funktionalen Magnetreso-nanztomographen, einem bildgebenden Verfahren, gescannt. Mithilfe dieser Me-

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thodik kann sichtbar gemacht werden, welche Bereiche des Gehirns bei bestimmten Tätigkeiten aktiv sind und welche nicht, da aktive Bereiche verstärkt mit Sauerstoff zur Energiezufuhr versorgt werden.

In diesem Zusammenhang ist ein Ergebnis, das die Bedeutung von Emotionen für Marken belegt, von besonderer Relevanz: Möll und Esch (2008) konfrontier-ten Probanden mit starken, schwachen und unbekannten Marken und maßen deren Hirnaktivitäten im MRT, um zu sehen, was diese Marken voneinander unterschei-det. Sie fanden heraus, dass Emotionen eine zentrale Rolle spielen. Ihre Ergebnisse sind nicht nur überraschend, sondern auch sehr interessant für die Markenführung. Starke Marken aktivieren im Gegensatz zu schwachen Marken Regionen im Gehirn, die für die Verarbeitung positiver Emotionen zuständig sind. Dies ist nicht so überra-schend, allerdings war dies der wesentliche Unterschied zu schwachen Marken. Bei schwachen Marken zeigte sich hingegen ein überraschendes Ergebnis. Sie aktivie-ren im Vergleich zu starken Marken genauso wie unbekannte Marken Hirnregionen, in denen negative Emotionen verarbeitet werden (Esch und Möll 2008). Emotionen machen somit den Unterschied zwischen starken und schwachen bzw. unbekannten Marken aus. Genau dieser Aspekt ist heute schon bedeutend und wird künftig noch viel bedeutender sein. Beim Vergleich der Markenauftritte starker mit schwachen Marken wird deutlich, worin die Unterschiede in der Führung dieser Marken liegen. Während starke Marken über eine lange Zeit hinweg eine integrierte und kontinuier-liche Markenführung vorweisen, zeigen schwache Marken ein ganz anderes Bild. Schaut man sich die Kommunikation von Marken wie Kia oder SchwipSchwap an, so sind sie durch ihre wechselnden Auftritte in der Kommunikation nicht in der Lage, ein klares Vorstellungsbild in den Köpfen der Konsumenten aufzubauen. Sie blicken auf eine misslungene Markenführung zurück. Besonders dramatisch ist, dass die Investitionen in die Marke offensichtlich wirkungslos bleiben, weil wie bei unbekannten Marken negative Gefühle haften bleiben (Esch et al. 2008).

1.2   Emotionen als wesentlicher Teil der Markenidentität

Das zentrale Ziel der Erlebniskommunikation ist es, positive und spezifische Emo-tionen hervorzurufen, um diese in den Köpfen der Konsumenten zusammen mit der Marke zu verankern. Aufgrund der Vielzahl von emotionalen Appellen, die täglich auf die Konsumenten einprasseln, besteht die Herausforderung darin, sich auch in diesem Meer von gleichartiger Kommunikation abzuheben. Ein Schlüssel zum Er-folg sind markenkonforme Emotionen, die weit über eine bloße Liebeserklärung in einem Slogan hinausgehen.

Die Basis dieser markenkonformen Emotionen stellt die Markenidentität dar. Sie spiegelt die Wurzeln der Marke wider und bringt zum Ausdruck, wofür die Mar-ke stehen soll (Esch 2010a). Entsprechend ist in der Markenidentität festzulegen, welche Emotionen vermittelt werden sollen und in welchem Zusammenhang diese Emotionen im Kontext anderer Identitätsmerkmale stehen.

Neben dem positiven Einfluss von Emotionen, die den Unterschied zwischen starken und schwachen Marken ausmachen, gibt es einen weiteren Grund, emotio-

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nale Aspekte in der Markenidentität zu verwurzeln. Neurowissenschaftlichen Er-kenntnissen zufolge gibt es unterschiedliche Verarbeitungsmechanismen bei verba-len und nonverbalen sowie bei rationalen und emotionalen Informationen. Rationale Informationen werden meist bewusst und gedanklich gesteuert, emotionale Infor-mationen hingegen eher unbewusst und beiläufig aufgenommen. Bei den rationalen Informationen handelt es sich um sogenannte Hard Facts, wie bewertbare Eigen-schaften, die ein Konsument ganz bewusst aufnimmt und aktiv verarbeitet. Die emo-tionalen Informationen werden hingegen als Soft Facts bezeichnet. Diese werden beispielsweise durch Gerüche oder Bilder zu einer Marke vermittelt (Esch 2010a).

Die Identität einer Marke muss demnach beide Faktoren berücksichtigen. Es reicht nicht aus, sich auf rein sachliche Markeninhalte zu fokussieren. Vielmehr gewinnen die emotionalen Eindrücke zunehmend an Bedeutung. Es geht darum, ein Gesamtbild der Marke zu vermitteln. Für die Vermittlung eines solchen „Big Picture“ der Marke sind emotionale Markeninhalte unverzichtbar. Sie können die rationalen Eigenschaften unterstreichen und ermöglichen somit die Vermittlung einer tief verwurzelten Gefühlswelt, passend zur Marke.

Ein Instrument zur Erfassung der Markenidentität, das sich an eben diesen neurowissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert, stellt das Markensteuerrad nach Esch dar. Dieses setzt sich aus einem Kern, der Markenkompetenz, zusammen, die von vier Quadranten umgeben ist.

Die linke Seite des Steuerrads bezieht sich dabei auf die Hard Facts. Diese setzen sich aus Markenattributen und Markennutzen zusammen. Markenattribute bezeich-nen Eigenschaften des Produktes oder des Unternehmens, die zu einem Marken-nutzen für die Kunden führen, der entweder funktionaler oder psychosozialer Natur sein kann. Die für die Erlebniskommunikation so wichtigen Soft Facts der Marke finden sich in der rechten Seite des Steuerrads wieder. Sie setzen sich aus der Mar-kentonalität und dem Markenbild zusammen.

Abb. 1   Modifiziertes Markensteuerrad nach Esch sowie Darstellung am Beispiel der Marke Jack Daniels. (Quelle: Esch 2010a, S. 102)

• CD-Merkmale• Design• Kommunikation• sonst. modali- tätsspez. Ein- drücke

erlebbardurch

• funktionaler Nutzen• psychosozialer Nutzen

Marken-kompetenz

Wer bin ich?

• Persönlich- keitsmerkmale

• Beziehungs- merkmale

• Erlebnisse

• Eigenschaften der Angebote

• Eigenschaften des Unter- nehmens

stützt

sichtbardurch

• überlegener Geschmack

• traditionell• ursprünglich• ur-amerikanisch• entspannte Atmosphäre in der Werbung

• lange Reife- zeit• -spezielles Filter- verfahren• reine, natürliche Zutaten• sorgfältige Zubereitung

stützt erlebbardurch

sichtbardurch

Deroriginale

Tennessee Whisky

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Die Markentonalitäten beschreiben, wie eine Marke ist, welche Emotionen und Gefühlswelten sie vermitteln sollen. Diese Emotionen können entweder Persönlich-keitsmerkmale der Marke, die Beziehung der Marke zu ihren Konsumenten oder relevante mit der Marke verknüpfte Erlebnisse beschreiben. Unter der Markenper-sönlichkeit versteht man die Gesamtheit menschlicher Eigenschaften, die mit einer Marke verbunden werden (Aaker 2005, S. 168). Aus Konsumentensicht kann es sich dabei entweder um Eigenschaften handeln, die die eigene Persönlichkeit re-flektieren oder eine wünschenswerte Eigenschaft beschreiben (Esch 2010a). Die Marke Mini wird beispielsweise als jung wahrgenommen und spricht somit vor allem Konsumenten an, die entweder jung sind und sich auch so fühlen oder eben gerne noch einmal jung wären. Markenbeziehung meint, ähnlich wie die Bezie-hung zwischen Menschen, eine Beziehung zwischen Marken und ihren Nutzern. Die Beziehung zwischen Apple und Apple-Usern kann man z. B. als freundschaft-lich beschreiben, während die Beziehung zwischen Allianz und ihren Kunden eher formeller Art ist. Ein mit einer Marke verbundenes Erlebnis ist beispielsweise das „Strandparty-Gefühl“, das man mit der Marke Bacardi verbindet.

Diese Markentonalitäten werden durch das Markenbild erlebbar. Es setzt sich aus allen Sinnesmodalitäten zusammen und umfasst somit visuelle Eindrücke (z. B. Paula, die Kuh von Dr. Oetker), akustische Signale (z. B. der Haribo-Jingle), olfak-torische Reize (z. B. Franzbranntwein), haptische Bilder (WC-Ente mit dem typi-schen Hals) und Geschmacksbilder (z. B. After Eight).

In der Mitte der Markenkompetenz werden wesentliche Markenassets zur Marke subsummiert, z. B. die Einfachheit der Nutzung oder das Design bei Apple oder die Herkunft einer Marke wie bei Jack Daniels.

Neben der Markenkompetenz und den rationalen Markeninhalten bilden vor al-lem die emotionalen Markeninhalte auf der rechten Seite des Markensteuerrads die Basis für eine identitätskonforme Erlebniskommunikation.

1.3   Bedeutung von Emotionen innerhalb der Positionierungsstrategien

Die Bedeutung von Emotionen in Bezug auf das menschliche Denken und Handeln ist heute unumstritten. Es ist bekannt, dass bei jeder Entscheidung, die von Men-schen getroffen wird, Emotionen mitschwingen und diese beeinflussen. Übertragen auf die Markenführung und Markenkommunikation bleibt jedoch festzuhalten, dass dieser Einfluss nicht bei allen Produkten und Marken in gleicher Intensität aus-geprägt ist.

In Bereichen, in denen Emotionen in einer Entscheidungssituation gegenüber einer Marke oder einem Produkt eine eher untergeordnete Rolle spielen, ist die emotionale Ansprache in der Kommunikation kein so zentraler Faktor im Vergleich zu Bereichen, in denen Emotionen einen großen Einfluss auf die Produkt- oder Markenwahl haben. Inwieweit eine Marke durch ihre Positionierung und deren Kommunikation emotionale Bedürfnisse ansprechen sollte, hängt somit vom Invol-vement der Zielgruppe ab.

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Das Involvement kennzeichnet das Engagement, mit dem sich der Konsument einem Angebot widmet (Kroeber-Riel 1992). Von einem geringen Involvement spricht man, wenn der Konsument dem Angebot passiv und gleichgültig gegen-übertritt. Bei einem hohen Involvement ist der Konsument hingegen sehr aufmerk-sam. Diese Aufmerksamkeit kann zwei unterschiedliche Ausprägungen aufweisen. Man differenziert zwischen einem hohen kognitiven und einem hohen emotionalen Involvement.

Bei einem hohen kognitiven Involvement werden die dargebotenen Informatio-nen von den Konsumenten aktiv aufgenommen und mit einem hohen kognitiven Aufwand verarbeitet. Der Grund hierfür ist ein wahrgenommenes Kaufrisiko, das sich als technisches, funktionales oder finanzielles Risiko darstellen kann. Dies be-trifft somit vor allem Produktkategorien, in denen (noch) große Unterschiede zwi-schen den Angeboten bestehen (Esch 2010a).

Bei einem hohen emotionalen Involvement hingegen dominiert bei den Konsu-menten das Gefühl des „Haben-Wollens“. Das emotionale Involvement hängt somit eng mit persönlichen Werten, Motiven und Einstellungen zusammen. Das wahrge-nommene Kaufrisiko ist in diesem Fall von sozialer Natur, da der Konsument durch das Produkt oder die Marke einen bestimmten Lebensstil zum Ausdruck bringen möchte. Dieses Involvement ist vor allem bei sozial auffälligen Produkten wie ex-klusiven Handtaschen oder Automarken oder aber bei Kleidung vorhanden.

Durch die Kombination dieser beiden Ausprägungen des Involvements entste-hen vier unterschiedliche Positionierungsziele, die durch eine entsprechende Kom-munikation vermittelt werden sollten (Esch 2010a).1. Bei einem hohen kognitiven und einem geringen emotionalen Involvement emp-

fiehlt sich eine sachorientierte Positionierung.In diesem Fall sind Informationen über das Angebot von großer Bedeutung, da der Konsument ein großes rationales Kaufrisiko wahrnimmt. Die Bedürfnisse sind hin-gegen trivial und bereits vorhanden. Auf einen emotionalen Appell kann die Kom-munikation in diesem Fall verzichten (Kroeber-Riel und Esch 2004). Dieses Posi-tionierungsziel eignet sich besonders für hoch innovative und High-Involvement-Produkte, die sich u. a. durch eine hohe Komplexität auszeichnen.2. Liegt hingegen sowohl ein geringes kognitives als auch ein geringes emotionales

Involvement vor, eignet sich die Förderung der Markenbekanntheit.Die Aktualisierung einer Marke sollte das Ziel sein, wenn sowohl Bedürfnisse als auch Informationen zum Produkt trivial sind. Dies trifft auf sogenannte Low-In-volvement-Produkte, wie beispielsweise Bananen zu. Die Kommunikation kann in diesem Fall auf Informationen und emotionale Markenerlebnisse verzichten. Die Marke wird in diesen Fällen auffällig inszeniert, um sie bei potenziellen Konsu-menten ins Gedächtnis zu rücken (Kroeber-Riel und Esch 2004).3. Verfügen Konsumenten jedoch über ein hohes kognitives und ein hohes emo-

tionales Involvement, sollte eine gemischte Positionierung gewählt werden.Hierbei handelt es sich um Angebote, bei denen dem Konsumenten sowohl ein emotionaler Appell an ein Bedürfnis als auch Informationen über die Befriedigung dieses Bedürfnisses wichtig sind (Kroeber-Riel et al. 2009). In diesem Fall sollte die Kommunikation durch eine emotionale Ansprache des Konsumenten ein be-

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stimmtes Bedürfnis wecken und dieses Erlebnis zusammen mit Informationen dar-bieten (Kroeber-Riel und Esch 2004). Ein Beispiel für eine solche Positionierung ist die Marke Weight Watchers. Die Marke vermittelt in ihrer Kommunikation das Erlebnis, sich in seinem gesunden Körper mit einer schönen Figur rundum wohlzu-fühlen. Darüber hinaus stellt die Kommunikation Informationen bereit, inwieweit die Marke Weight Watchers hilft, dieses Gefühl zu erleben.4. Ist ein Produkt dadurch gekennzeichnet, dass seine Konsumenten ein geringes

kognitives, aber ein hohes emotionales Involvement haben, sollte eine erlebniso-rientierte Positionierung verfolgt werden.

Sind die Informationen über ein Angebot trivial, rückt die Vermittlung eines Erleb-nisprofils in den Vordergrund. Dies ist auf gesättigten Märkten der Fall, auf denen Konsumenten keine Unterschiede zwischen Marken wahrnehmen können. Dies trifft heute auf bereits 64 % (BBDO Consulting GmbH 2009) der Marken bzw. Dienst-leistungen in unterschiedlichen Produktkategorien zu. Gerade bei diesen Produkten muss die Kommunikation das Angebot in der emotionalen Erfahrungs- und Erleb-niswelt des Konsumenten verankern (Kroeber-Riel und Esch 2004). Bei Produktka-

Abb. 2   Nutzung der Normziele der Positionierung. (Quelle: Esch 2010a)

Kognitives Involvement

h o c h n i e d r i gh

o c

h

n i

e d

r i

g

Merkmale:

• Bedürfnisse aktuell vorhanden und nicht trivial

• hohes Informationsinteresse

z.B.

gemischtePositionierung

Em

oti

on

ales

Invo

lvem

ent

Merkmale:

• Bedürfnisse aktuell vorhanden und nicht trivial

• geringes Informationsinteresse,

da Produkteigenschaften bekannt

z.B.

erlebnisorientiertePositionierung

Merkmale:

• Bedürfnisse sind trivial• hohes Informationsinteresse

z.B.

sachorientiertePositionierung

Merkmale:

• Bedürfnisse sind trivial• geringes

Informationsinteresse, da

Produkteigenschaften bekannt

z.B.

Förderung derMarkenbekanntheit

(Aktualität)

Erlebnisorientierte Kommunikation sinnvoll gestalten und managen

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tegorien mit geringem emotionalen Involvement rückt die Erlebniskommunikation somit eher in den Hintergrund. Handelt es sich jedoch um Produkte, deren Ziel-gruppe über ein hohes emotionales Involvement verfügt, wird die Vermittlung von Emotionen und Erlebnisprofilen zum zentralen Erfolgsfaktor der Kommunikation.

2   Emotionen in der Kommunikation umsetzen

2.1   Markenerfahrungen der Kunden entlang des Buying-Cycle

Markenerlebnisse werden durch Kommunikation aufgebaut. Die hierfür notwen-digen Erfahrungen mit der Marke sammeln Konsumenten jedoch nicht nur in der unmittelbaren Konsumsituation, sondern schon lange vor und auch nach dem Kauf. Unternehmen hinterlassen an vielen Kontaktpunkten ihren Fingerabdruck. Aus die-sem Grund ist es immens wichtig, diese Touchpoints marken- und kundenspezifisch zu managen (Esch et al. 2010).

Die Kommunikation darf zu keinem Zeitpunkt entlang des gesamten Buying-Cycle fragmentiert vonstattengehen (Bruhn 2006; Esch 2010b) und sie muss sich an der Markenidentität orientieren. Weil Konsumenten im Alltag ständig durch Reize abgelenkt werden und sie sich den Dingen mit einem unterschiedlich hohen Involvement widmen, sind sie nicht immer bereit, viel Zeit für Informationen zu verausgaben. Das muss bei der Auswahl der Botschaft, mit der man an den Konsu-menten herantritt, berücksichtigt werden. Allzu oft nehmen Konsumenten im All-tagsstress viele Informationen nur unterbewusst wahr. Aus diesem Grund müssen Unternehmen die „Brille des Konsumenten“ aufziehen, denn alle Aspekte, die der Konsument mit seinen Sinnen wahrnimmt, sind für das Unternehmen entscheidend. Die Markenerfahrungen müssen entlang des Buying-Cycle auf die Bedürfnisse der Konsumenten abgestimmt werden (Esch et al. 2010).

Vor dem Kauf sammeln Konsumenten Erfahrungen ohne viel eigenes Zutun. Sie lassen sich von der Werbung im Fernsehen oder Internet berieseln und sind ge-danklich eher passiv. Die Informationen werden nur beiläufig aufgenommen und verarbeitet. Wenn die Kommunikation nun auf diese Bedingungen abgestimmt ist, kann der Konsument in dieser Phase eine Markenprägung erfahren. Wenig invol-vierte Konsumenten lassen sich besonders leicht durch emotionale Kommunika-tion beeinflussen (Weinberg und Diehl 2001; Diehl und Terlutter 2009). Dadurch kann die Marke in den Köpfen der Konsumenten verankert werden und gehört in der Kaufsituation zu den möglichen Kaufalternativen. Das Ziel hier lautet die Be-kanntheit und das Image der Marke aufzubauen – das passiert am besten mit dem peripheren Weg der Beeinflussung und vor allem mithilfe von Emotionen (Esch 2010a, Esch et al. 2010). In dieser Phase ist es wichtig, einen klaren Fokus auf die Marke zu richten und sie aufmerksamkeitsstark in den Mittelpunkt zu rücken. Um sich emotional von der Konkurrenz zu differenzieren, können Sozialtechniken ver-wendet werden, wie die Nutzung von Bildern, die „unter die Haut gehen“. Unile-ver nutzt bei Axe-Kampagnen durchgehend das Bild schöner Frauen, die nach dem

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Axe-Konsum des Mannes diesem nicht widerstehen können. Zudem ist die Etab-lierung emotionaler Positionierungsprofile und Erlebnisse, die zur Marke und zum Lebensstiltrend der Zielgruppe passen, entscheidend (Kroeber-Riel und Esch 2011).

Während des Kaufs hat der Konsument ein höheres Involvement, weil er mög-liche Risiken vermeiden möchte. Er lässt sich gerne im Geschäft beraten und zieht viele Informationen zu verschiedenen Alternativen hinzu. Auch und vor allem im Vertrieb spielen Emotionen eine wichtige Rolle. Wenn man sich die Erfolgsstorys starker Marken anschaut, wird durchgängig sichtbar, dass Emotionen, wie Freu-de, Freiheit und positives Lebensgefühl verkauft werden. Die Konsumenten sollen emotional berührt werden. Mit dem Schlagwort „Emotional Selling“ werden Emo-tionen am Point of Sale (POS) umschrieben. Kunden sollen zum Produkt, Verkäufer und Unternehmen ein positives Gefühl haben (Bittner und Schwarz 2010). Wenn Verkäufer am Point of Sale authentisch und sympathisch wirken, überzeugen sie mit ihren Argumenten leichter. Zudem ist es wichtig die Erwartungen und Bedürfnisse des Konsumenten zu treffen. Um ein erfolgreiches emotionales Erlebnis zu schaf-fen, können Verkäufer als Meinungsführer agieren, denn sie haben in der persönli-chen Kommunikation einen starken Einfluss auf das Verhalten, Entscheidungen und Meinungen anderer. Diese Ausstrahlungswirkung kann gezielt zum Imagemanage-ment des Unternehmens beitragen (Kroeber-Riel et al. 2009). Neben der Interaktion können in dieser Phase des Buying-Cycle Erlebnisse in der Kommunikation durch multisensuelle Verstärkung erreicht werden (Esch et al. 2010, S. 11). Abercrombie & Fitch ist hier ein sehr positives Beispiel zur multisensuellen Vermittlung eines markenspezifischen Erlebnisses.

In der Phase nach dem Kauf darf der Kontakt zum Kunden nicht abbrechen. Hier spielen Nachkaufdissonanzen eine kritische Rolle, weshalb das Involvement nicht direkt wieder sinkt. Bei kritischen Ereignissen während der Nutzung der Pro-dukte sollten Unternehmen Customer-Relationship-Maßnahmen einplanen, um dem Kunden bei Fragen oder gar Problemen zur Seite zu stehen. Der Aufbau einer Markenbindung kann so unterstützt werden (Esch und Möll 2006). Aber auch ohne

Abb. 3   Gestaltung der Erlebniskommunikation entlang des Buying Cycle. (Quelle: in Anlehnung an Esch et al. 2010b)

Vorkaufphase Kaufphase Nachkaufphase

Aufmerksamkeit

Fokussierung

Visibility & Vermittlung

Verstärkung

Interaktion

Bindung

Integration Über alle Phasen hinweg muss die Erlebniswertvermittlung durch eineformal und inhaltlich integrierte Kommunikation erfolgen.

Aktivierungstechniken zurAnsprache verwenden

Sozialtechnische Gestaltungder Kommunikation

Erlebniswert durch multisensuelleAnsprache verstärken

Erlebniswert durch Interaktionerlebbar machen

Neue Facetten des Erlebniswerts erlebbar machen

Erlebniswert durch zusätzliche Bindung stützen

emotionales und kognitives Involvement

Erlebniswert durch…

Erlebniswert in…

Klare Botschaft desErlebnisses kommunizieren

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kritische Punkte kann eine Bindung aufgebaut werden, z. B. durch Brand-Commu-nitys, die eine neuartige Plattform zum Austausch bieten. Der amerikanische Pre-mium-Kosmetikhersteller Kiehls fragt beim Kauf, ob man in die Kundendatenbank aufgenommen werden möchte. Neben einer ausführlichen Beratung wird man von Zeit zu Zeit mit handgeschriebenen Postkarten und kleinen Präsenten zum Abholen überrascht.

Festzuhalten bleibt, dass die Markenerfahrungen der Kunden während der ganzen Zeit integriert und aufeinander abgestimmt sein müssen. Zentrale Herausforderun-gen der Unternehmen sind dabei, die kundenrelevanten Punkte zu kennen, für sich zu nutzen und in jeder Phase ein integriertes Markenerlebnis zu kommunizieren.

2.2   Reale versus mediale Erlebniskommunikation

„Man kann nicht nicht kommunizieren, aber man kann einiges dafür tun, richtig zu kommunizieren“ (Watzlawick 1967). Um zu erfahren, wie es um die Kommunika-tion der Unternehmen bestellt ist, ist ein detaillierter Blick auf die Ausgestaltung der Touchpoints notwendig: Unterscheiden kann man diese in die realen Touchpoints eines Unternehmens, welche der Konsument persönlich erlebt, und in die medial vermittelten Touchpoints, bei denen er sich eher passiv verhält. Der Unterschied zwischen den beiden liegt im Grad der Interaktion. Zusätzlich sollte in die Betrach-tung einbezogen werden, ob die vermittelten Emotionen zur Schaffung einer posi-tiven Wahrnehmungsatmosphäre beitragen oder sogar zur Entstehung emotionaler Konsumerlebnisse verhelfen. Geeignete Instrumente, die Emotionen vermitteln und vom Konsumenten real erlebt werden, sind die Produktverpackung sowie die La-dengestaltung am POS. Real erlebte Kommunikation, die auf lange Sicht zu einem Erlebnisprofil führt, wird mithilfe des Kauf- und Service-Erlebnisses aufgebaut, wenn sie im Sinne der erlebnisorientierten bzw. gemischten Positionierung der Marke integriert geschieht. Dazu können Erlebniswelten, Messen und Events hilf-reich sein, um die Marke mit Emotionen aufzuladen.

Bei Erlebnissen, die real vermittelt werden, spielt die Interaktion des Konsumen-ten mit der Marke eine wichtige, vorteilhafte Rolle. Interaktion ist vorwiegend in real erlebter persönlicher Kommunikation zu finden. Diese findet direkt von Person zu Person statt (Bruhn 2005, S. 400). Der damit wohl größte verbundene Vorteil ist die geringe Distanz zwischen den kommunizierenden Personen, die sich dadurch viel intensiver austauschen können und bei Unverständnis direkt rückkoppeln kön-nen. Ein weiterer überlegener Faktor der persönlichen Kommunikation gegenüber der Massenkommunikation ist die größere Glaubwürdigkeit und die sich dadurch ergebende stärkere soziale Kontrolle. Die Konsumenten haben die Möglichkeit schneller zu erkennen, ob sie die Argumente für relevant erachten oder nicht. Zudem ist der Kreis der Konsumenten, an die die Nachricht gehen soll, viel homogener. Das Fehlen jeglicher Gesetze in diesem Bereich macht es viel einfacher persönlich zu kommunizieren als in der sehr restriktiv ausgebildeten Massenkommunikation. Demgegenüber steht wohl der größte Nachteil, dass die Kommunikation mit einem sehr kleinen Empfängerkreis uneffizient ist. Der Konsument muss nicht nur mit der

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richtigen Botschaft angesprochen werden, es gilt ihn auch mit dem richtigen Kanal zu erreichen. Empirische Ergebnisse zur Effizienz von Kommunikationsstilen bele-gen, dass es in persönlicher Kommunikation zwischen Kunden und Verkäufern von Vorteil ist, wenn man sich dem Stil des Kunden anpasst (Boorom et al. 1998, S. 16). Folgt man einem alten indianischen Sprichwort „Tell me and I will forget, show me and I will remember, involve me and I will understand“ müssen Konsumenten in die Erlebnisse involviert werden. Da es real sehr schwierig ist eine große Anzahl zu erreichen, kann man den Weg über das Internet einschlagen. Dieser Kanal bietet durch seine große Reichweite eine schnelle Verbreitung und bietet zudem eine fle-xible Art der Rückkopplung und Interaktion.

Unternehmen können Emotionen und den Aufbau von Erlebnissen also auch medial an den Konsumenten herantragen. Auch bei medialen Erlebnissen ist der Empfänger in einer gewissen Weise aktiv dabei, aber nicht so intensiv oder direkt wie bei realen Erlebnissen. Blogs oder Communitys eignen sich dabei besonders gut um Informationen in einer positiven Atmosphäre zu vermitteln. Dabei führt eine emotionale Gestaltung der Medien zu einer besseren Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen. Bei medial übermittelten Erlebnissen ist die Kom-munikation bildhaft zu gestalten, denn „Bilder sind schnelle Schüsse ins Gehirn“ (Kroeber-Riel und Esch 2004). Sie werden nicht nur schneller aufgenommen, son-dern sie verbleiben länger im Gedächtnis. Hier kann Werbung im Print oder im TV zu einem langfristigen Aufbau von Erlebnisprofilen führen. Dabei gilt das Prinzip: „Ein steter Tropfen höhlt den Stein“ (Kroeber-Riel und Esch 2004).

Ein letzter Aspekt sollte nicht aus den Augen gelassen werden: Es gibt Kommu-nikation, die das Unternehmen selber steuern kann und solche, die nicht steuerbar ist. Zu den vom Unternehmen steuerbaren Instrumenten zählen die bereits oben erwähnten medialen und realen Instrumente. Wenn der Konsumente passiv ist, wie es sehr häufig der Fall bei wenig involvierten Konsumenten im Rahmen der me-

Abb. 4   Wirkungen realer versus medialer Erlebniskommunikation. (Quelle: Eigene Darstellung)

• Kauferlebnis am POS

• Serviceerlebnis

• Erlebniswelten

• Messen

• Events

• Werbung im TV, Print, Radio

• Internet

• Produktverpackung

• Ladengestaltung am POS

• Product Placement

• TV-, Presseberichte

• Blogs/Communities

Reale Kommunikationserlebnisse Mediale KommunikationserlebnisseA

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dialen Kommunikation ist, dann kann das Unternehmen mithilfe dieser Kommu-nikation die Konsumenten prägen und die gewünschten Emotionen und Erlebnisse vermitteln. Bei aktiven Konsumenten, die sich mit hohem Involvement der Bot-schaft zuwenden, führt dies zu einer Intensivierung. Die Kommunikation kann die gewünschte Erlebniswelt somit tiefer in den Köpfen der Konsumenten verankern, wie dies beispielsweise bei dem Besuch der Kristallwelten von Swarovski in Wat-tens der Fall wäre. Darüber hinaus gibt es jedoch auch Kommunikation, die das Unternehmen selbst nicht steuern kann. Sie kann sich zudem durch Word-of-Mouth sehr schnell und unkontrolliert verbreiten und die Marke stärken oder schwächen. Dazu können Presse- und TV-Berichte von unabhängigen Journalisten oder der Austausch zwischen Konsumenten in sozialen Netzwerken gehören. Diese Art der Kommunikation ist sowohl in der realen, als auch in der medialen Kommunika-tionswelt denkbar. Gerade in der medialen Welt erreicht die Verbreitung jedoch eine viel größere Geschwindigkeit und Reichweite.

2.3   Multisensuelle Vermittlung von Erlebnissen

Nach der Entscheidung, in welcher Kommunikationswelt man den Konsumenten ansprechen möchte, ist die Frage, wie man den Konsumenten erreichen kann, von großer Bedeutung. Bereits vor über 20 Jahren forderte die Forschungsgruppe um Kroeber-Riel eine systematische emotionale und multisensuelle Gestaltung von Marken und deren Kommunikation, um das Erleben von Marken zu vertiefen und zu verstärken.

Multisensuelle Erlebniskommunikation bezeichnet die gleichzeitige Ansprache mehrerer oder aller Sinnesorgane der Konsumenten, wodurch diese die Kommuni-

Abb. 5   Markenerlebnisse je nach Aktivität der Konsumenten und Steuerbarkeit durch das Unter-nehmen aufbauen und vertiefen

Konsument passiv

Konsument aktiv

Durch Unternehmennicht steuerbare Kommunikation

Durch Unternehmensteuerbare

Kommunikation

„prägen“

„intensivieren“„multiplizieren“

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kation intensiver und vielschichtiger wahrnehmen (Esch und Krieger 2009). Man spricht hier von einem multiadditiven Effekt auf den Aufbau von Markenbekannt-heit und Markenimage. Durch dieses Erfahren von Markenerlebnissen über unter-schiedliche Sinnesmodalitäten können signifikante Wertschöpfungsbeiträge reali-siert werden (Esch 2010a).

Nach wie vor gilt die visuelle Wahrnehmung zwar als dominanter Sinn, jedoch ermöglichen die restlichen Sinne häufig einen zentralen Wahrnehmungsunter-schied. So reicht beispielsweise die beiläufige Wahrnehmung des Songs „Summer Dreamin’“ aus, um bei den Konsumenten das Markenbild und die Erlebniswelt von Bacardi zu aktivieren. Darüber hinaus ist es keinesfalls immer ein visueller Reiz, der die Aufmerksamkeit eines Konsumenten auf ein Angebot oder eine Kommuni-kationsmaßnahme lenkt. So ist es durchaus denkbar, dass zunächst der Duft frischer Kaffeebohnen einen Passanten auf ein Café aufmerksam macht oder ansprechende Musik mögliche Konsumenten in einen Laden „lockt“.

Die Auswahl der einzelnen Sinnesorgane, die im Rahmen der Erlebniskommu-nikation angesprochen werden sollen, hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Zum einen variiert die Wichtigkeit der einzelnen Sinne bei den Konsumenten je nach Produktkategorie. Während bei Kleidung die Optik und Haptik eine herausragen-de Bedeutung haben, spielen bei Lebensmitteln hingegen der Geschmack und der Geruch die Hauptrollen (Kilian 2007), wobei aber auch hier der visuelle Eindruck nicht zu unterschätzen ist. Neben den Produkten selbst macht es sicherlich einen Unterschied, ob die Kommunikation in der realen oder medialen Kommunikations-welt stattfindet. Während der Kreativität in der Sinnesansprache in der realen Welt kaum Grenzen gesetzt sind, bestimmt in der medialen Umwelt noch der technische Fortschritt die Möglichkeiten der multisensuellen Kommunikation. In der Laden-gestaltung beispielsweise ist es ohne Weiteres möglich alle Sinne der Konsumenten anzusprechen. In der medialen Print- oder TV-Werbung ist dies zumeist noch auf den visuellen und den akustischen Reiz beschränkt.

Um durch multisensuelle Kommunikation wirksame Gedächtnisstrukturen zur Marke aufzubauen und zu vertiefen, sind einige wichtige Aspekte zu beachten.

2.4   Multisensuelle Verstärkung nutzen

Nach dem multimodalen Gedächtnismodell von Engelkamp stehen bei der Aufnah-me externer Reize für die einzelnen Sinnesmodalitäten unterschiedliche Eingangs-systeme zur Verfügung. Das bedeutet, dass die visuelle Wahrnehmung eines Reizes zunächst unabhängig von der Aufnahme eines akustischen Reizes stattfindet. Diese separat aufgenommenen Reize fließen dann jedoch in einem konzeptuellen System zusammen, in welchem sie gemeinsam verarbeitet und abgespeichert werden (En-gelkamp 2007).

Liest man beispielsweise das Wort Meer oder nimmt man das Meeresrauschen akustisch wahr, so werden die beiden Reize zwar über unterschiedliche Eingangs-systeme aufgenommen, im konzeptuellen System speichert man den Eindruck je-doch jeweils unter dem Begriff Meer ab. Werden nun verschiedene Reize gleichzei-

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tig angesprochen und aufgenommen, ist es wichtig, dass die Reize inhaltlich über-einstimmen. Werden durch die eingehenden Reize unterschiedliche Inhalte vermit-telt, kommt es zu einer Aufnahmekonkurrenz, welche die Verarbeitung der Reize erschwert und ein zersplittertes Markenbild entstehen lässt. Nimmt man hingegen beispielsweise das Bild einer Palme, den Geruch einer Kokosnuss und Reggaemu-sik wahr, fügen sich diese Reize schlüssig zu dem Gesamtbild Karibik zusammen. Aktuelle Forschungserkenntnisse zur Vermittlung von Markenerlebnissen bei der Abstimmung von Akustik und Bildern (Roth 2005; Esch und Roth 2005), bei der Integration von Bildern und Düften (Rempel 2006; Esch und Rempel 2007) sowie bei der Integration von Musik und Duft (Salzmann 2007) bestätigen die überlegene Wirkung von multisensuellen kongruenten Reizen gegenüber der Kommunikation inkongruenter Reize oder gegenüber der Ansprache eines einzelnen Reizes. Bei der multisensuellen Kommunikation mit kongruenten Reizen „feuern“ Nervenzellen bis zu zwölfmal häufiger, während inkongruente Reize diesen Vorgang schwächen (Salzmann 2007).

Ein gutes Beispiel für eine abgestimmte multisensuelle Erlebniskommunikation stellt die Marke Nivea dar. Während sich Kunden in der realen Welt im Nivea-Haus verwöhnen lassen können und die Marke im wahrsten Sinne des Wortes mit allen Sinnen erleben, nutzt die mediale Massenkommunikation ein Bild, um den Konsu-menten dieses Gefühl des „Verwöhnens“ und „Sich-Wohlfühlens“ gedanklich er-leben zu lassen.

Es wird in Zukunft nicht mehr ausreichen, sich auf wenige oder gar nur eine Sin-nesmodalität zu fokussieren. Vielmehr gilt es verschiedene Sinneseindrücke sinn-voll zu kombinieren und anzusprechen.

Die Dominanz der Bilder ist dabei unumstritten. Visuelle Eindrücke bilden durch die Werbung in den Printmedien oder im TV, trotz der genannten Einschränkun-gen, oftmals den ersten Kontakt zur Marke und dienen als Rahmen für die weitere Beurteilung. Die Positionierung und die Erlebniswelt eines Produktes kann dabei zum einen in der Produkt- und Verpackungsgestaltung, zum andern auch in der Kommunikation durch visuelle Reize ausgedrückt werden. Bei der Produkt- und Verpackungsgestaltung geht es vorwiegend darum, praktische Ansprüche wie bei-

Abb. 6   Multisensuelle Erlebniskommunikation am Beispiel der Marke Nivea. (Quelle: Beiersdorf AG)

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spielsweise Funktionalität, aber auch ästhetische und symbolische Eigenschaften zu erfüllen, die die Positionierung der Marke widerspiegeln. Gerade ästhetische und symbolische Funktionen des Produktes oder der Verpackung ermöglichen eine Vermittlung emotionaler Erlebnisse (Esch 2010a; Meyer 2001). So vermittelt die Form der BMW-Niere Fans dieser Marke bereits beim Betrachten das gewisse BMW-Erlebnis. Ähnlich geht es Apple-Fans beim Anblick des Designs der Apple-Produkte. Auch eine markenkonforme Ladengestaltung kann bei Kunden mithilfe visueller Reize ein markenkonformes Konsumerlebnis auslösen. Schon beim Betre-ten einer Body Shop-Filiale sticht den Konsumenten die Positionierung der Marke ins Auge: Die Ladengestaltung bringt die Positionierungseigenschaft Natürlichkeit durch die Holzwarenträger und die Farben Grün und Weiß zum Ausdruck. Auch die Lifestylemarke Hollister verwendet eine spezielle Ladengestaltung, um die Posi-tionierung zu visualisieren und die Kunden die Marke erleben zu lassen. Durch die dunklen schweren Holzmöbel und Billardtische soll der kalifornische Surferstil zum Ausdruck kommen, der für einen lässigen und freiheitsliebenden Lebensstil steht. Gerade in der Ladengestaltung bietet es sich an, visuelle Reize mit weiteren Sinneseindrücken zu kombinieren. So werden die visuellen Eindrücke eines Hollis-ter-Ladens beispielsweise mit haptischen Reizen unterstrichen und mit akustischen und olfaktorischen Reizen kombiniert, indem spezielle Musik gespielt und ein be-stimmter Duft versprüht wird, die im Laden zu kaufen sind und die diesen Lebens-stil verkörpern.

Die Haptik dient zur Verstärkung von Eindrücken durch das Tasten und Füh-len von Produkten, Verpackungen oder der Ladeneinrichtung (Meyer 2001). Durch die Gestaltung von Oberflächen, Formen, der Konsistenz, der Temperatur und der Masse ist es möglich emotionale Eindrücke zu einem Produkt oder einer Marke zu vermitteln. In experimentellen Studien wurde der Einfluss haptischer Reize auf die emotionale Profilierung von Produkten nachgewiesen. Demnach sind spezifische Emotionen wie Behaglichkeit mit speziellen haptischen Eindrücken, in diesem Fall mit weichen und glatten Oberflächenbeschaffenheiten, verbunden (Meyer 2001). So wirken die in der Ladeneinrichtung von Starbucks verwendeten runden Formen menschlich nah. Der Schalthebel des MX-5 vermittelt hingegen durch seine Gestal-tung das optimale Gefühl von Sportlichkeit und Kontrolle (Solomon 2007). In der medialen Massenkommunikation spielt die Haptik bisher noch eine untergeordnete Rolle. Häufig dominiert noch die Gestaltung visueller Reize, die haptische Vorstel-lungen auslösen.

Akustische Reize sind sowohl in der realen als auch in der medialen Kommu-nikation einsetzbar. Sie gewinnen somit nicht nur in der Produktgestaltung selbst an Gewicht, indem spezielle Entwicklerteams eingesetzt werden, um spezifische Produktgeräusche, wie z. B. das Knacken der Leibniz-Kekse oder das Motoren-geräusch eines Porsches oder einer Harley Davidson, zu entwickeln. Auch in der Kommunikation spielen akustische Reize eine zentrale Rolle. Beim Einsatz in Werbemedien dienen diese zur Aktivierung und Orientierung der Empfänger oder zur Schaffung einer positiven Wahrnehmungsatmosphäre, die die Verarbeitung der dargebotenen Informationen erleichtert (Roth 2005). Sie können aber auch, wie das

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Beispiel der Ladengestaltung der Marke Hollister bereits zeigte, die Positionierung vermitteln und somit das Markenerlebnis verstärken. Empirische Studien belegen, dass die Integration von Musik und Akustik in visuellen Szenen die Einstellung und das innere Bild zur Marke fördert, sofern es sich um visuelle und akustische Reize handelt, die zueinander passen (Esch und Roth 2005). Darüber hinaus ist es unumstritten, dass man beim Hören eines bekannten Jingles oder Liedes nochmals bildliche Szenen, die mit dieser Musik verknüpft sind, vor seinem inneren Auge erlebt (Kroeber-Riel und Esch 2004). Somit ist z. B. nur durch das Hören der be-kannten Bacardi-Musik eine Verstärkerwirkung erzielt, indem der Konsument den Werbespot und somit das „Bacardi-Feeling“ nochmals vor seinem inneren Auge erlebt.

Olfaktorische Reize werden oftmals noch unterschätzt. Während Raumbeduf-tung im Marketing bereits häufig eingesetzt wird, spielt der Einsatz von Düften in der klassischen Werbung eine allenfalls untergeordnete Rolle. Düfte heben häu-fig einen bestimmten Nutzen eines Produkts hervor und werden von Konsumenten als Leistungsindikator interpretiert. Sie entfalten somit eine Beurteilungswirkung (Esch 2010a). Der Zitrusduft von Meister Proper beispielsweise vermittelt den Konsumenten ein Gefühl der Frische. Dies ist ein konkreter Nutzen des Reinigers. Es wurde nachgewiesen, dass Düfte die Produktbeurteilung und die Einstellung zu Produkten verbessern, die Lern- und Gedächtniswirkung erhöhen, die Verweildauer in Geschäften und die Besuchsabsichten steigern, sowie die Kauf- und Zahlungsbe-reitschaft positiv beeinflussen, indem sie eine positive Stimmung schaffen (Rempel 2006). Darüber hinaus ist es jedoch auch durch den Einsatz olfaktorischer Reize in der Kommunikation möglich, das Markenerlebnis der Konsumenten zu inten-sivieren und die Positionierung der Marke zu vermitteln. Ein gelungenes Beispiel hierfür stellt Singapore Airlines dar. Für diese Marke wurde ein individueller Duft entwickelt, den die Stewardessen benutzen und der sich auch in den Erfrischungs-tüchern wiederfindet. Hierdurch soll die Erfahrung eines exotischen und komfor-tablen Flugerlebnisses verstärkt werden. Auch für den Einsatz von Duftstoffen im Marketing konnte nachgewiesen werden, dass ein zur Marke passender Duft, sowie ein Duft, der sowohl zur Marke als auch zur bildhaften Werbung der Marke passt, die Einstellung zur Marke und das innere Bild positiv beeinflusst, während ein un-passender Duft negative Wirkungen erzielt (Esch und Rempel 2007). So verstärkt natürlich auch der Duft des Nespresso-Kaffees in der Nespresso-Boutique neben den visuell dargebotenen Reizen durch die Einrichtung und die Produkte das Mar-kenerlebnis. Im Fall einer Marke, die Lebensmittel oder Getränke anbietet, kön-nen Eigenschaften der Marke zusätzlich durch den Einsatz geschmacklicher Reize für den Konsumenten erlebbar werden. Der in der Nespresso-Boutique angebotene Kaffee der Marke prägt somit auch den Eindruck und das Markenerlebnis.

Zur intensiveren Vermittlung von Markenerlebnissen in der Kommunikation ist die ganze Klaviatur multisensueller Reize zu nutzen. Auch wenn nicht jedes Kom-munikationsmittel, jede Markenpositionierung und jedes Produkt die Ansprache aller Sinne erlaubt oder erfordert, ist die Verstärkerwirkung durch eine integrierte Ansprache mehr als eines Sinnes eine Chance zur tieferen Erlebnisverankerung, die es zu nutzen gilt.

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3   Handlungsempfehlungen für eine sinnvolle erlebnisorientierte Kommunikation

Für eine sinnvolle Erlebniskommunikation sind somit wesentliche Aspekte zu be-achten.1. Da die Bedeutung der Emotionen auch im Rahmen der Markenkommunika-

tion unumstritten ist, ist es essenziell mit den richtigen, zur Marke passenden, Emotionen zu arbeiten, um sich so aus dem emotionalen Kommunikationsmeer abzuheben. Markenkonforme Emotionen lassen sich aus der Markenidentität ableiten. Besonders in Produktkategorien mit einem hohen emotionalen Involve-ment muss sich eine Marke durch emotionale Aspekte positionieren.

2. Da Markenerlebnisse durch Markenerfahrungen entstehen, sind alle Berührungs-punkte der Konsumenten mit der Marke zu analysieren und nach realen und medialen Kontaktpunkten zu clustern.

3. Für jeden Kontaktpunkt, sowohl für die realen als auch für die medialen, sind modalitätsspezifische Optionen zu entwickeln. Wichtig hierbei ist die Passung zur Marke, deren Identität und Positionierung. Des Weiteren sind mögliche Abwehrhaltungen (z. B. aufgrund eines Ekelgefühls) der Konsumenten gegen-über den einzelnen Reizen zu prüfen.

4. Nach der Analyse aller existierenden Touchpoints und der Auswahl markenkon-former Erlebnisse und Reize ist die Multiadditivität und Integration dieser zu überprüfen.

5. Nach der Konzeption ist in einem nächsten Schritt die Durchführung sicherzu-stellen. Die Umsetzung in erlebbare Maßnahmen an den jeweiligen Kundenkon-taktpunkten ist zu realisieren.

6. Abschließend sollte eine Erfolgskontrolle der Maßnahmen durchgeführt und eventuelle notwendige Anpassungen vorgenommen werden.

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Zusammenfassung 

Im Social Web sind Millionen von Nutzern weltweit nicht nur passive Konsu-menten der Markenkommunikation, sondern kreieren, erhalten und verbreiten eigene markenbezogene Informationen. Trotz der wachsenden Bedeutung des Social Web für die Markenführung sind die Auseinandersetzung mit den spezi-fischen Forschungsmethoden sowie die Anzahl an wissenschaftlichen Studien begrenzt. Aufgrund dessen widmet sich dieser Beitrag drei relevanten Bereichen zur aktuellen wissenschaftlichen Diskussion im Bereich der Markenpolitik im Zeitalter des Social Web. Erstens wird zunächst der State of the Art der Ana-lyse nutzergenerierter Inhalte im Social Web dargelegt und kritisch gewürdigt. Zweitens werden die empirischen Studien zur Marke im Kontext des Social Web beleuchtet. Drittens wird die Qualität von Websites im Social Web aus Nutzer-perspektive und deren Messung thematisiert. Aufbauend auf den Erkenntnissen dieser drei Bereiche wird ein zukünftiger Forschungsbedarf aufgezeigt.

1   Entwicklung und Relevanz des Social Web

„Social Media Marketing is more than just a buzzword. It’s a way of life and a me-ans of survival in today’s Internet lifestyle“ (Weinberg 2009, S. XV).

Seit der Kommerzialisierung des Internet in den 1990er-Jahren erfuhr das World Wide Web (WWW) einen enormen Wandel. Viele der ursprünglichen Websites existierten ausschließlich zum Zwecke der Informationsverbreitung. Wenngleich die am häufigsten in der Wissenschaft untersuchten Konzepte des Internet auf dem elektronischen Handel basieren, gründen die anfänglichen Websites auf dem Push-Prinzip. Dieses Prinzip bedeutet, dass die Informationen lediglich in eine Richtung

Erlebnisorientierte Markenführung im Social Web

Forschungsmethoden und Forschungsthemen

Manfred Bruhn und Daniela B. Schäfer

M. Bruhn ()Universität Basel, Basel, SchweizE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_3, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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übermittelt werden, und zwar von der Website zum Nutzer der Website (Web 1.0). Mit der Entstehung des Web 2.0 hat sich das WWW von einer Plattform des Han-dels und der Informationsvermittlung hin zu einer Netzgemeinschaft entwickelt, in der die Informationen durch deren Nutzer selbst verbreitet werden. Somit hat sich das Internet in seiner Entwicklung vom Web 1.0 zum Web 2.0 von einer eindimen-sionalen zu einer multidimensionalen Plattform verändert, auf der Informationen von einer Vielzahl an Quellen (beispielsweise Unternehmen, Vereine, Nutzer) kre-iert, erhalten und verbreitet werden (French 2009, S. 13). Der Begriff des Web 2.0 wurde im Jahre 2005 erstmalig von O’Reilly (2005) geprägt. Bis heute steht jedoch eine einheitliche und detaillierte Definition des Begriffs aus (Schiele et al. 2009, S. 4). Zur Begriffsspezifizierung gibt O’Reilly (2005) einen Überblick über die Unterschiede zwischen dem Web 1.0 und dem Web 2.0. Hieraus geht hervor, dass viele Websites sowohl Charakteristika des Web 1.0 als auch des Web 2.0 aufweisen. Dies deutet auf eine Schnittmenge der Technologien des Web 1.0 und des Web 2.0 auf vielen Websites hin, die eine einheitliche und explizite Definition des Web 2.0 erschweren (French 2009, S. 15). Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass sich eine reine Web 2.0 Website dadurch auszeichnet, dass die Inhalte vollständig durch die Nutzer der Website kreiert und modifiziert werden.

Einen Teilbereich des Web 2.0 bildet das Social Web, bei dem es im Vergleich zum Web 2.0 nicht um neue Formate und Programmarchitekturen, sondern um die Unterstützung sozialer Strukturen und Interaktionen im Internet geht (Ebersbach et al. 2008, S. 29). In Anbetracht der Vielzahl an Facetten, die das Social Web aus-machen, wird eine weite Definition des Begriffs zugrunde gelegt, die sowohl die Anwendungen, Daten als auch zwischenmenschliche Beziehungen beinhaltet.

Das Social Web besteht aus webbasierten Anwendungen, die für Menschen den Informa-tionsaustausch, den Beziehungsaufbau und deren Pflege, die Kommunikation und die kol-laborative Zusammenarbeit in einem gesellschaftlichen oder gemeinschaftlichen Kontext unterstützen sowie den Daten, die dabei entstehen und den Beziehungen zwischen Men-schen, die diese Anwendungen nutzen. (Ebersbach et al. 2008, S. 31).

Beispiele für Websites des Social Web sind Facebook, MySpace oder Twitter, die in der Onlinegesellschaft in zunehmendem Maße an Bedeutung gewinnen. Die fol-genden Zahlen belegen dies recht eindrucksvoll und lassen auf ein Nutzungserleb-nis des Social Web schließen. Die Website Facebook gab im Juli 2010 an, dass sie weltweit mehr als 500 Mio. aktive Nutzer hat. Diese Nutzer verbringen insgesamt 700 Mrd. Minuten pro Monat auf Facebook. Im Durchschnitt erstellt jeder Face-book-Nutzer 50 Inhalte pro Monat und mehr als 50 % der Nutzer loggen sich täglich auf dieser Social Website ein (Roth 2010). Zudem berichtet das Marktforschungs-institut IDC, dass mehr als die Hälfte der US-Konsumenten mit Internetanschluss das Social Web aktiv nutzen (Hofstetter et al. 2010, S. 2).

Auch in der Markenkommunikation gewinnt das Social Web und damit Web-sites wie Facebook, MySpace und Twitter zunehmend an Bedeutung, weil die Kon-sumenten nicht mehr lediglich die Empfänger der unternehmensgesteuerten Mar-kenkommunikation sind, sondern die Möglichkeit haben, selbst markenbezogene Inhalte zu erstellen und damit das Markenerlebnis durch die Nutzer beeinflussbar

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ist. Somit wird die Markenkommunikation nicht mehr ausschließlich vom Unter-nehmen gesteuert, sondern wesentlich durch die Kommunikation zwischen den Nutzern des Social Web beeinflusst. Dies führt dazu, dass die Konsumenten selbst eine bedeutende Kommunikationsquelle der Marke darstellen und als 24-Stunden-Multiplikatoren von Markenbotschaften, z. B. durch das Posten, Weiterleiten, Be-werten und Verlinken von markenbezogenen Inhalten, fungieren (Douglas et al. 2009, S. 11). Diese Merkmale des Social Web bieten neben weiteren Merkmalen, wie beispielsweise die Multimedialität, hervorragende Möglichkeiten, die Erlebnis-orientierung in der Markenführung zu steigern.

Trotz dieser wachsenden Bedeutung des Social Web für die Markenführung im Allgemeinen und die erlebnisorientierte Markenführung im Speziellen sind die Auseinandersetzung mit den spezifischen Forschungsmethoden sowie die Anzahl an wissenschaftlichen Studien begrenzt. Aufgrund dessen werden in diesem Beitrag drei für die Forschung aktuelle und relevante Bereiche zur derzeitigen wissenschaft-lichen Diskussion im Bereich des Social Web aufgezeigt. Erstens wird der State of the Art der Analyse und Messung der nutzergenerierten Markeninhalte im Social Web dargestellt und kritisch gewürdigt. Zweitens werden die empirischen Studien zur Marke und zum Markenwert im Kontext des Social Web beleuchtet. Drittens erfolgt die Aufmerksamkeitswidmung auf die Frage nach der aus Nutzerperspektive wahrgenommenen Qualität von Websites im Social Web und deren Messung. Aus diesen drei Forschungsbereichen erfolgt schließlich die Ableitung des zukünftigen Forschungsbedarfs.

2   Markenführung im Social Web – Forschungsmethoden  und Forschungsthemen

2.1   Analyse nutzergenerierter Markeninhalte im Social Web

2.1.1   Ablauf der computergestützten Inhaltsanalyse im Social WebVor der Kommerzialisierung des Internet war die Verfügbarkeit von Textmaterial ein erhebliches Problem für die inhaltsanalytische Forschung. Mit der Entstehung des Social Web jedoch werden täglich enorme markenrelevante Inhalte durch die Nutzer im Internet erstellt, erhalten und weitergeleitet. Somit werden die inhaltsana-lytisch forschenden Marketingwissenschaftler mehr und mehr mit den riesigen In-formationsmengen nutzergenerierter Inhalte im Social Web konfrontiert, die durch die Digitalisierung medialer Inhalte möglich wurden. Dies bedeutet, dass sich das Problem weg von der Verfügbarkeit des Textmaterials hin zur Priorisierung relevan-ter Inhalte und des Managements der enormen Datenmengen entwickelt hat. Die vielfach in der inhaltsanalytischen Forschung eingesetzten manuellen Codierungen sinken mit der Menge an verbreiteten Informationen. Somit sind diese zur Analyse der stetig größer werdenden Informationsmengen im Social Web zunehmend we-niger handhabbar (Scharkow 2010, S. 340). Aufgrund dessen liegt die Verwendung computergestützter Methoden zur Analyse der markenbezogenen Inhalte im Social

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Web nahe, da diese hohe Effizienz und Reliabilität versprechen. Sowohl computer-linguistische als auch statistische Methoden wurden für die Textklassifikation und die Informationsextraktion automatischer Methoden der Textanalyse in den letz-ten Jahren rasant weiterentwickelt (Sebastiani 2002, S. 1). Im Folgenden wird zu-nächst der Ablauf der Analyse nutzer-generierter Inhalte im Social Web anhand der computergestützten Inhaltsanalyse (CUI) dargelegt, bevor auf die unterschiedlichen Methoden eingegangen wird.

Nachdem die nutzergenerierten Inhalte des Social Web vorliegen, sind diese in einem ersten Schritt um irrelevante oder nichttextuale Inhalte zu bereinigen. Da-rüber hinaus bedarf es der Abspeicherung dieser Inhalte in einem standardisierten Format, wie beispielsweise HTML oder XML (Feinerer et al. 2008, S. 34). In einem nächsten Schritt werden Worte bzw. ganze Wortgruppen definierter Länge aus dem Text eliminiert und die Daten vorbehandelt. Diese Vorbehandlung erfolgt unter anderem, indem gebeugte Worte durch deren Grundform oder Wortstämme er-setzt, häufig vorkommende Worte extrahiert sowie Synonyme identifiziert werden (Hotho et al. 2005, S. 19 ff.). Als Ergebnis liegen die nutzergenerierten Inhalte als eine sogenannte Dokument-Term-Matrix vor. Dieses Vektor-Raum-Modell für nut-zergenerierte Markeninhalte im Social Web ermöglicht eine Vielzahl statistischer Analysenmethoden, die oftmals mit dem in der Marketingwissenschaft gängigen Programm SPSS, bzw. spezifischer ausgedrückt mit SPSS Clementine, auswertbar sind (Feinerer et al. 2008, S. 3). Scharkow (2010, S. 341) merkt an, dass die ersten beiden Schritte der CUI über alle Methoden hinweg identisch sind, die folgenden Schritte jedoch in Abhängigkeit der Methode stark variieren.

Abbildung 1 zeigt den Ablauf der computergestützten Analyse nutzergenerierter Markeninhalte im Social Web im Überblick.

Abb. 1   Ablauf der CUI im Social Web. (Quelle: in Anlehnung an Scharkow 2010, S. 342)

Datenerhebung und -speicherungWeblog-Volltexte, Archive aus Foren, Webmining, u. a. m.

Datenbereinigung und Pre-Processing

Regelspezifikation; manuelle Annotation

Automatische TextanalyseBeschreibung, Informationsextraktion, Klassifikation

Manuelle Prüfung und Korrektur

Datenauswertung und -visualisierung

M. Bruhn und D. B. Schäfer

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2.1.2   Methoden der computergestützten Inhaltsanalyse  im Social Web

Im Wesentlichen sind die unüberwachten und überwachten Methoden der CUI zu unterscheiden (Tab. 1). Bei der Unterscheidung dieser zwei Methodengruppen wird die in Abschn. 2.1.1 angesprochene Variation im Ablauf der CUI deutlich. Für die unüberwachten deskriptiven bzw. explorativen Textanalysen entfällt die Regelspe-zifikation bzw. manuelle Annotation der nutzergenerierten Inhalte sowie deren ma-nuelle Prüfung und Korrektur aufgrund der vollautomatisierten Durchführung der CUI. Gleichwohl ist es jedoch für die markenbezogene Inhaltsanalyse im Social Web essenziell, dass der Forscher der Software Regeln und Beispiele vorgibt, nach denen die Analyse erfolgen soll. Dies ist zur Beantwortung der spezifischen Frage-stellungen notwendig, da nur so die relevanten markenbezogenen Dimensionen der nutzergenerierten Inhalte identifizierbar sind. Hierfür sind die überwachten bzw. die sogenannten halbautomatischen Methoden notwendig (Scharkow 2010, S. 344 f.). Die vertikale Unterteilung in Tab. 1 zeigt die syntaktisch-semantische Tiefe der CUI auf. Bei rein wortbasierten Methoden wird jedes Wort als eine einfache isolierte Variable aufgefasst. Bei den syntaktisch-semantischen Ansätzen werden hingegen Beziehungen zwischen den semantischen Variablen erfasst. Letztere liefern jedoch beim Heranziehen der vollautomatischen CUI bislang unbefriedigende Ergebnisse (Shapiro 1997, S. 228).

Die Textstatistiken sind das einfachste Verfahren zur Analyse nutzergenerierter Markeninhalte im Social Web. Beispielsweise können mit dieser CUI die häufigsten Wörter eines Textes ausgezählt werden, um die wichtigsten Konzepte zusammen-zufassen. Neben Textstatistiken sind überdies Satz- und Wortstatistiken erstellbar. Diese Methode des CUI wird auch beim sogenannten Tagging von Einträgen von Weblogs herangezogen (Brooks und Montanez 2006, S. 625 ff.). Wenngleich diese Methode sehr einfach erscheint, so lassen sich dennoch relevante Aspekte analysie-ren. So gibt beispielsweise die Identifikation der im Zusammenhang mit der Mar-ke am häufigsten genannten Begriffe Aufschluss über das kumulierte semantische Netzwerk der Nutzer. Auch im Hinblick auf eine einzelne Website des Social Web ist die durchschnittliche Beitragslänge durchaus ein Parameter für den Informa-tionswert der Website.

Tab.  1   Typologisierung von CUI im Social Web. (Quelle: in Anlehnung an Scharkow 2010, S. 344)

Unüberwachte Methode Überwachte MethodeDeskriptiv Explorativ Deduktiv Induktiv

Reinwortbasierte Ansätze

Teststatistik Co-Occurance Diktionärbasierte Methoden

Überwachte Klassifikation

Syntaktisch-semanti-sche Ansätze

– – Regelbasierte Methode

Induktive Infor-mationsextraktion

Erlebnisorientierte Markenführung im Social Web

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Mit der Co-Occurance-Analyse ist die Untersuchung der syntaktischen und semantischen Vielfalt der nutzergenerierten Inhalte reduzierbar und analysierbar. Hierbei werden die Wörter innerhalb eines spezifischen Rahmens, wie beispiels-weise Sätze oder Absätze, durch das gemeinsame Auftreten bzw. Nichtauftreten bestimmter Wörter in eine sogenannte Ähnlichkeitsmatrix überführt. Hierauf basie-rend sind hierarchische Clusteranalysen durchführbar. Diese gruppieren die Menge an nutzergenerierten Worten im Social Web zu latenten semantischen Einheiten, deren Positionierung zueinander im Anschluss durch eine multidimensionale Ska-lierung visualisierbar wird (Landmann und Züll 2004, S. 117 ff.). Nachteilig hierbei ist, dass die inhaltliche Ausrichtung der latenten semantischen Einheiten nicht theo-riegeleitet erfolgt. Somit gelten die identischen Nachteile wie für die Clusteranalyse und die exploratorische Faktorenanalyse (Scharkow 2010, S. 348). Gleichwohl lässt sich wie bei der Textanalyse ein schneller Überblick über die große Informations-menge der nutzergenerierten Markeninhalte erlangen.

Die diktionärbasierten Methoden stellen das in der empirischen Forschung am häufigsten verwendete Verfahren der CUI dar, weshalb sie auch häufig als Syno-nym für die automatische Inhaltsanalyse verwendet werden (Züll und Landmann 2002, S. 1 ff.). Vor der eigentlichen Codierung entwickelt der Forscher ein Katego-riensystem (Diktionär), bei dem jeder Gruppe einzelne Wörter zugeordnet werden, die Indikatoren für das interessierende Konstrukt darstellen. Daraufhin wird es der Software problemlos ermöglicht, nach den Wörtern bzw. Wortstämmen zu suchen und die sie enthaltenden Dokumente nach den zuvor definierten Kategorien zu clus-tern. Der Aufwand für die Verfassung eines geeigneten Diktionärs ist häufig höher als bei der manuellen Codierung, sodass die Effektivität und Effizienz dieser CUI für nutzergenerierte Inhalte bei steigender Anzahl an und Größe der Websites des Social Web zunimmt. Die Bedingungen für den Einsatz dieser Methode sind sowohl hinsichtlich der zur Verfügung stehenden Programme als auch hinsichtlich der Kos-ten so gut wie nie zuvor. Gleichzeitig werden die Suchmaschinen des WWW immer zuverlässiger und einfacher bedienbar (Lowe 2002 und Lowe 2006).

Regelbasierte Methoden eignen sich insbesondere zur Informationsextraktion. Diese Verfahren geben somit Auskunft darüber, worum es in der durch den Nut-zer gemachten Aussage im Social Web geht. Hierfür werden die nutzergenerierten Inhalte in eine Graphen- und Baumstruktur von Subjekt-Prädikat-Objekt-Bezie-hungen umgewandelt, die darauf basierend analysierbar ist (King und Lowe 2003, S. 617 ff.). Kritisch anzumerken ist, dass die Reliabilität und Validität dieser CUI stark von der Strukturiertheit der nutzergenerierten Inhalte und der Qualität der Re-geln abhängt (Scharkow 2010, S. 354). Trotz der Probleme, die mit einer Automa-tisierung der semantischen Analyse von Social-Web-Inhalten einhergehen, scheint dieses Verfahren geeignet zu sein, wenn auf die erfolgreiche Anwendung in den Politikwissenschaften geblickt wird (King und Lowe 2003, S. 620 ff.).

Bei der überwachten Textklassifizierung wird ein Algorithmus mit einigen nut-zergenerierten Inhalten und deren korrekte Codierung trainiert. Hierauf basierend wird mit statistischen Verfahren ein sogenanntes probabilistisches Diktionär ent-wickelt, das für alle folgenden Klassifikationen herangezogen wird (Pennings und Keman 2002, S. 59 ff.). Demnach entfällt die Entwicklung eines Diktionärs für

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den Forscher. Die am häufigsten und erfolgreichsten eingesetzten Klassifikations-algorithmen sind die Naive Bayes und die Support-Vektor-Maschinen (Sebastiani 2002, S. 30 ff.).

Scharkow (2010, S. 357) spricht über die Informationsextraktion aus nutzerge-nerierten Inhalten als Königsdisziplin der CUI. Derzeit sind jedoch die syntaktisch-semantischen Verfahren für eine induktive Analysemethode nicht ausreichend ent-wickelt. Wäre dies der Fall, könnten nutzergenerierte Inhalte vollständig durch den Computer verstanden werden. Dennoch bedarf es der aufmerksamen Verfolgung der Forschungsfortschritte in der Informationsextraktion (dies gilt natürlich auch für alle anderen Methoden der CUI) durch die Marketingwissenschaftler, um diese Methoden frühzeitig für die Anwendung nutzergenerierter Markeninhalte im Social Web zu evaluieren.

Wenngleich die Fortschritte zur Bewältigung der enormen Informationsmengen im Social Web durch die CUI erheblich sind, sind hinsichtlich der Validität weiter-hin Kompromisse einzugehen. Dennoch verringert sich zunehmend die Diskrepanz zwischen der Validität bzw. Reliabilität und der realisierbaren nutzergenerierten In-halte bei der manuellen im Vergleich zur automatischen Analyse erheblich.

Unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile sowie der Forschungsziele sind die in diesem Abschnitt dargestellten Methoden für die Auswertung der nutzerge-nerierten Markeninhalte im Social Web heranzuziehen. Je nachdem, ob es sich bei-spielsweise um viele oder wenige, positive oder negative markenbezogene Inhalte der Nutzer handelt, ist davon auszugehen, dass der Markenwert – hierzu zählt das Markenerlebnis – durch die Nutzer selbst beeinflusst wird. Der Markenwert im Kontext des Social Web ist Bestandteil des folgenden Abschnitts.

2.2   Social Web und Markenwert

2.2.1   Einfluss der zwischenmenschlichen Kommunikation  auf den Markenwert

Wie in Kap. 1 bereits dargelegt, nehmen die Konsumenten selbst eine zunehmend relevantere Kommunikationsquelle der Marke ein. Aufgrund dessen wird vermutet, dass das Image und die Bekanntheit der Marke durch den weltweiten Austausch zwischen den Konsumenten im Social Web wesentlich beeinflusst werden. Durch die Möglichkeiten der Konsumenten, die Marke und ihr Erlebnis mit der Marke ak-tiv mitzugestalten, verschieben sich die Machtanteile innerhalb der Marken-Konsu-menten-Kommunikation erheblich (Salmen et al. 2008, S. 32). In der einschlägigen Literatur wird in diesem Zusammenhang von Consumer Empowerment gesprochen (Pires et al. 2006, S. 936). Mit dieser Entwicklung scheint die klassische Marken-kommunikation an Bedeutung zu verlieren (Nail 2005, S. 3 ff.). Beispielsweise zeigt die Studie von Nail (2005), dass sich die Konsumenteneinstellung gegenüber Werbung zwischen September 2002 und Juni 2004 extrem verschlechterte. So ha-ben im Jahre 2004 im Vergleich zum Jahre 2002 40 % weniger Personen angegeben, dass die Werbung eine gute Informationsquelle für Produkte darstellt, 59 % weni-ger kaufen Produkte aufgrund von Werbung und 49 % weniger finden Werbung

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unterhaltsam. Demgegenüber gewinnt die Kommunikation auf den Seiten im Social Web für Unternehmen an Bedeutung, da sie die Erwartung an die Überwindung der Konsumentenresistenz gegenüber der traditionellen Markenkommunikation mit geringeren Kosten und einer schnelleren Informationsübermittlung verbindet (Tru-sov et al. 2009, S. 90): „Instead of tossing away millions of dollars on Superbowl ads, fledging dot-com companies are trying to catch attention through much chea-per marketing strategies such as blogging and [Social Media] campaigns“ (Whit-man 2006, S. B3 A). Eine überdurchschnittlich hohe Interaktivität, Multimedialität (Text, Bild, Audio, Video), hohe Diffusionsreichweiten, Heterogenität der Nutzer sowie vergleichsweise geringe Wechselbarrieren unterscheiden die Kommunika-tion im Social Web zudem von den traditionellen Marketinginstrumenten (Esch et al. 2009, S. 130 f.). Um von diesen Vorteilen der Kommunikation im Social Web zu profitieren, ergreifen Marketingpraktiker vermehrt alternative Formen des Markenaufbaus. Hierzu zählten in den vergangenen Jahren im Wesentlichen der Aufbau von Brand Communities, Weblogs sowie das Buzz-Marketing (Keller und Lehmann 2006, S. 744). Unter letztgenanntem wird die Unterstützung der Marke-tingbemühungen durch den aktiven oder passiven Einfluss von Drittpersonen, wie beispielsweise andere Nutzer oder sogenannten Buzz-Agenten, verstanden (Tho-mas 2004, S. 64). Diese alternativen Formen des Markenaufbaus zielen letztlich darauf ab, dass Nutzer markenbezogene Inhalte im Social Web generieren.

Die bisherige Forschung, die sich mit der zwischenmenschlichen Kommunika-tion und dem zwischenmenschlichen Einfluss auseinandersetzt, hat bereits einige wichtige Erkenntnisse erlangt, um die neuartigen Marketingaktivitäten und deren Wirkungen auf die Marke besser zu verstehen. Laczniak et al. (2001) untersuchen beispielsweise in ihrer Studie den Einfluss der Mund-zu-Mund-Kommunikation auf die Markenbewertung. Smith und Vogt (1995) thematisieren die Wirkung auf die Markeneinstellung, wenn die Konsumenten sowohl durch Marketingaktivitäten als auch durch Mund-zu-Mund-Kommunikation markenbezogene Informationen er-halten. Diese Forschungsarbeiten, wenngleich es sich um Offline-Mund-zu-Mund-Kommunikation handelt, liefern erste Hinweise für die Beeinflussung des verhaltens-wissenschaftlichen Markenwertes durch die zwischenmenschliche Kommunikation.

Tiefergehende Hinweise für die Bedeutung der Online-Mund-zu-Mund-Kom-munikation im Vergleich zum traditionellen Marketing zeigt die Forschung zum Konsumentenwert. Die erste Studie zur Effektivität der Mund-zu-Mund-Kommu-nikation basiert auf einer Befragung (Katz, Lazarsfeld 1955). Dieser Studie folgten mehr als 50 Forschungsarbeiten, die ebenso zumeist die Selbstauskunft als Daten-basis wählten (z. B. Godes und Mayzlin 2004; Money et al. 1998). Diese Arbeiten analysierten die Bedingungen, unter denen die Konsumenten der Meinung anderer im Hinblick auf eine Kaufentscheidung Glauben schenken, die der Mund-zu-Mund-Kommunikation über Produkte zugrunde liegenden Motivation sowie die Variation der Einflussstärke der Mund-zu-Mund-Kommunikation bei Kaufentscheidungen. Villanueva et al. (2008) zeigen in ihrer Studie, dass Konsumenten, die bei Selbstaus-kunft angeben, durch Mund-zu-Mund-Kommunikation akquiriert worden zu sein, einen höheren Kundenwert haben als solche, die durch traditionelles Marketing gewonnen wurden. Eine andere Perspektive nehmen die Modelle ein, die auf der

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Theorie der sozialen Ansteckung (Coleman et al. 1966) beruhen und die Effekte der Mund-zu-Mund-Kommunikation auf der Basis des Adoptionsverhaltens analy-sieren. Wenngleich eine auf der Adoption basierende Interpretation verlockend ist, zeigen jüngere Forschungsergebnisse, dass solch einer Schlussfolgerung eine Feh-lattribution zugrunde liegen kann. So haben beispielsweise Van den Bulte und Lilien (2001) eine Replikation der Studie von Coleman et al. (1966) für die Adoption von Tetracycline bei Ärzten durchgeführt. Ihre Ergebnisse zeigen, dass der Effekt der sozialen Ansteckung verschwindet, wenn Marketingaktivitäten in das Modell ein-bezogen werden. Auf diesen Forschungsergebnissen aufbauend, haben Trusov et al. (2009) untersucht, ob die Effekte der sozialen Ansteckung – und damit der Mund-zu-Mund-Kommunikation – im Modell signifikant sind, sofern eine Datengrundlage zu Grunde liegt, die die tatsächliche Informationsübertragung und nicht die Selbst-auskunft oder Adoption beinhaltet. Sie kommen zu dem Resultat, dass die Mund-zu-Mund-Kommunikation wesentlich größere Übertragungseffekte auf die Gewinnung neuer Kunden hat (kurzfristige Perspektive) und beträchtlich höhere Antwortelast-izitäten generiert als das traditionelle Marketing (langfristige Perspektive).

Somit liefern die genannten Studien wertvolle Hinweise für die Bedeutung der nutzergenerierten Inhalte für den Markenwert. Nichtsdestotrotz fehlt es bislang vollständig an empirischen Befunden, die die Wirkung der nutzergenerierten In-halte im Social Web bestätigen und die relative Bedeutung der klassischen Kom-munikationskanäle, wie beispielsweise Events, Sponsoring, Direct Marketing und Mediawerbung, im Vergleich zu der nutzergenerierten Kommunikation im Social Web systematisch und umfassend untersuchen. Somit steht auch die Beantwortung der Frage nach der Beeinflussung des Markenerlebnisses durch die nutzergenerierte im Vergleich zur unternehmensgesteuerten Kommunikation noch aus.

2.2.2   Social Brand ValueNeben dem Einfluss der nutzergenerierten Inhalte auf den Markenwert existieren erste Forschungsbemühungen, die sich mit dem neuen Konzept des Social Brand Value befassen (Füller et al. 2009, S. 5 ff.). Dies bedeutet, dass der Markenwert um einen weiteren Bestandteil erweitert wird, der durch den Austausch und die Inter-aktion zwischen den Nutzern einer Marke im Social Web resultiert. Oder, anders ausgedrückt, entsteht dieser an der Schnittstelle zwischen Nutzer und Marke. Aus Unternehmensperspektive ist dies der Teil des Markenwertes, der durch die Ver-netzung und Interaktion von Nutzern im Social Web hervorgeht und sich der Kon-trollierbarkeit des traditionellen Markenmanagements entzieht. Gemäß der Opera-tionalisierung des Social Brand Value nach Füller et al. (2009, S. 5) setzt sich der Social Brand Value aus den in Abb. 2 genannten Dimensionen zusammen. Kritisch anzumerken ist, dass der Social Brand Value lediglich ein Teilelement des Marken-wertes darstellt. Er besitzt somit keinen eigenständigen Wert sondern ist vielmehr in den verhaltenswissenschaftlichen Markenwert integrierbar und in Relation zu den anderen Elementen des Markenwerts zu beurteilen.

Das durch das Social Web hervorgerufene Markenerlebnis wird nicht nur durch die Kommunikation, sondern auch von den Websites des Social Web als solche wesentlich beeinflusst. Beispielsweise unterschieden sich die Websites hinsichtlich

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der Interaktivität oder ihrer Möglichkeiten, multimediale markenbezogene Inhalte zu erstellen. Diese unterschiedlichen Ausgestaltungen der Websites des Social Web haben nicht nur Einfluss auf die nutzerbezogene Kommunikation, sondern auch auf die Alternativen der Unternehmen, ihre Marke im Social Web zu positionieren und mit den Konsumenten zu interagieren. Um ein umfassendes Verständnis über die Beurteilung von Websites des Social Web zu generieren, wird auf die Qualität der Websites eingegangen, deren Nutzungserlebnis ein Teilelement darstellt.

2.2.3   Qualität von Websites im Web 1.0Um die Qualität von Websites im Social Web zu untersuchen und die Nutzerper-spektive im Hinblick auf die Bewertung dieser besser zu verstehen, bedarf es zu-nächst der Beurteilung des Kontextes dieses Untersuchungsgegenstandes (Ajzen und Fishbein 1980, S. 43). Auch die Websites des Social Web lassen sich letztlich in ihren Grundzügen auf Websites des Web 1.0 zurückführen, wenngleich ihr Fokus und ihre Zielsetzungen eine andere sind. Aufgrund dessen ist es erforderlich, zu-nächst den Forschungsstand im Hinblick auf die Qualität der klassischen Websites aufzuarbeiten. Wie in Kap. 1 bereits dargelegt, bietet das Web 1.0 den Unternehmen die Möglichkeit, Informationen über ihre Produkte und Leistungen zu vermitteln und die traditionellen Barrieren zu durchbrechen, um neue Möglichkeiten der Inter-aktion mit den Konsumenten zu ergreifen (Aladwani und Palvia 2002, S. 467; Kim et al. 2003, S. 17). Um erfolgreich online tätig zu sein, ist es für Unternehmen daher erforderlich, über eine ansprechend gestaltete Website zu verfügen, die die Wahr-nehmung und Aufmerksamkeit der Konsumenten auf sich zieht.

Im Hinblick auf die Evaluation klassischer Websites existieren zwei wesentliche Forschungszweige. Der eine legt die Microsoft Usability Guidelines (MUG) (Kee-

Abb. 2   Dimensionen des Social Brand Value. (Quelle: in Anlehnung an Füller et al. 2009, S. 7) (Markennutzer

bieten relevantes Wissen im Hinblick

auf die Marke) (Interaktion mit anderen Marken-nutzernerzeugt

Sicherheitsgefühl)

(Nutzer über-zeugen andere

vom Kauf)

(Markennutzer leben ihre Persön-

lichkeit in der Gruppe)

(Marke bleibt imGespräch und so-mit in den Köpfen der Konsumenten)

Information Zusammen-gehörigkeit

BrandEvangelism

Identität

Kon-versation

SocialBrandValue

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ker 1997) und der andere das Technologieakzeptanzmodell (TAM) (Davis 1989) zugrunde. Die MUG basieren auf den Ergebnissen der Marketingforschung und der Nutzungsanalyse von Microsoft. Sie gründen auf der Annahme, dass die Wahrneh-mung der Websitequalität und deren Wiederbesuch primär von fünf Eigenschaften der Website abhängen (Keeker 1997):1. Relevante und qualitativ hochwertige Inhalte,2. Benutzerfreundlichkeit,3. Website wird wirksam beworben,4. einzigartiges Nutzungserlebnis und5. Nutzung ruft Emotionen hervor.Auf den MUG basierend entwickelten Agarwal und Venkatesh (2002) eine Skala, die die Qualität der Websites auf der Basis dieser fünf Eigenschaften misst. Die Validierung der Skala erfolgte durch deren Anwendung in verschiedenen Branchen und bei unterschiedlichen Nutzern, wie Konsumenten und Investoren. Die Autoren zeigen, dass die Inhalte die wichtigste Dimension für die Wiedernutzung der Web-site darstellen. Hierauf aufbauend erfolgte die Studie von Venkatesh und Ramesh (2006) mit den Zielsetzungen, das Instrument zur Messung der Qualität von Web-sites auf der Basis der MUG weiter zu generalisieren, die unterschiedliche Rele-vanz der Dimensionen der Websitequalität zu untersuchen sowie die MUG und das TAM zu vergleichen. Die Studie wurde in den USA und Finnland mit 1.000 Pro-banden durchgeführt und belegt, dass der Benutzerfreundlichkeit eine relativ hohe Bedeutung zukommt. Überdies zeigen ihre Ergebnisse, dass die MUG dem TAM im Hinblick auf die Vielfalt an Websiteeigenschaften und der erklärten Varianz (ca. 70 versus 50 %) überlegen ist. Aufgrund dessen orientieren sich die weiteren Aus-führungen an den MUG.

Um die Eigenschaften einer Website und damit deren Qualitätsmerkmale wei-ter zu spezifizieren, bedarf es sowohl der Durchsicht der Marketing- als auch der Informationssystemsliteratur. Dieses Vorgehen basiert auf den Überlegungen, dass die Nutzung einer Website den Einsatz von Hard- und Software voraussetzt und gleichzeitig durch die Darstellung des Selbstbildes der Marke und des Unterneh-mens auf der Website die Konsumentenwahrnehmung beeinflusst wird und Infor-mationen übermittelt sowie Käufe getätigt werden. Zur Analyse des State of the Art der Eigenschaften von Websites wurden die Charakteristika den Kategorien von Keeker (1997) zugeordnet sowie weitere Subkategorien gebildet. Die Ergebnisse der Zuordnung sämtlicher Qualitätseigenschaften zu den Kategorien zeigt Tab. 2 im Überblick. Festzustellen ist, dass gerade die erlebnisorientierten Qualitätsmerkmale der Websites im Web 1.0 nur sehr gering ausgeprägt sind.

2.2.4   Qualität von Websites im Web 2.0Im Hinblick auf die Qualität von Websites im Social Web lassen sich aus dem For-schungsstand der klassischen Websites einerseits wichtige Beiträge, andererseits jedoch substanzielle Forschungslücken ableiten. Aus der heutigen Perspektive hat die traditionelle Nutzung von Websites als Plattformen des Handels und der Infor-mationsvermittlung in der einschlägigen Literatur bereits sehr viel Aufmerksamkeit erfahren (Loiacono et al. 2002, S. 73). Durch die Entstehung des Social Web haben

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Tab. 2   Dimensionen und Subdimensionen der MUGDimensionen und Subdimensionen

State of the Art der Faktoren der MUG

Quelle(n)

Benutzerfreundlichkeit• Erscheinungsbild Auftritt und

LesbarkeitEverard und Galletta 2005; McKinney et al. 2002; Mithas et al. 2006; Tung et al. 2009

• Feedback Ansprechbarkeit Ahn et al. 2007; Liu und Arnett 2000Feedback Palmer 2002; Song und Zahedi 2005Interaktivität Aladwani und Palvia 2002; Liu und Arnett

2000; Palmer 2002• Geeignete Services Geschwindigkeit

und Download Verzögerungen

Ahn et al. 2007; Aladwani und Palvia 2002; Galletta et al. 2006; Kim und Stoel 2004; Liu und Arnett 2000; McKinney et al. 2002; Palmer 2002; Tarafdar und Zhang 2005

Praktikabilität der Services

de Wulf et al. 2006; Kim und Stoel 2004; Mithas et al. 2006; Song und Zahedi 2005; Tung et al. 2009

Suchmechanismus Ahn et al. 2007; Aladwani und Palvia 2002; Huizingh 2000; Liu und Arnett 2004; McKinney et al. 2002

• Struktur Navigationssystem Ahn et al. 2007; Aladwani und Palvia 2002; de Wulf et al. 2006; Huizingh 2000; McKinney et al. 2002; Palmer 2002; Song und Zahedi 2005; Tarafdar und Zhang 2005; Zhang, von Dran 2001, 2002

Organisation der Website

Aladwani und Palvia 2002; McKinney et al. 2002; Mithas et al. 2006; Palmer 2002; Song und Zahedi 2005

Gefühle• Charakterstärke Glaubwürdigkeit Ahn et al. 2007; de Wulf et al. 2006; Everard

und Galletta 2005; Kim und Stoel 2004 2001; Zhang und Gisela 2001, Zhang und Dran 2002

Sicherheit Ahn et al. 2007; Aladwani und Palvia 2002; Liu und Arnett 2000; Tarafdar und Zhang 2005

Zuverlässigkeit Ahn et al. 2007; Aladwani und Palvia 2002; de Wulf et al. 2006; McKinney et al. 2002; Zhang und Gisela 2001

• Herausforderung Tung et al. 2009• Handlungsablauf Verspieltheit/

Unterhaltung/Vergnügen

Ahn et al. 2007; de Wulf et al. 2006; Huizingh 2000; Liu und Arnett 2000; Loiacono et al. 2002; Zhang und Gisela 2001, Zhang und Dran 2002

• Respekt User Empowerment Liu und Arnett 2000; Tung et al. 2009; Zhang und Gisela 2001, Zhang und Dran 2002

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Dimensionen und Subdimensionen

State of the Art der Faktoren der MUG

Quelle(n)

Inhalt• Breite und Tiefe Anzahl, Umfang

und Vielfalt der Information

de Wulf et al. 2006; Galletta et al. 2006; McKinney et al. 2002; Palmer 2002; Song und Zahedi 2005

Vollständigkeit der Information

Ahn et al. 2007; Aladwani und Palvia 2002; de Wulf et al. 2006; Everard und Galletta 2005; Kim und Stoel 2004; Liu und Arnett 2000; Loiacono et al. 2002; Zhang und Gisela 2001, Zhang und Dran 2002

• Informationsaktualität und -rechtzeitigkeit

Informationsaktu-alität

Aladwani und Palvia 2002; de Wulf et al. 2006

Neuheit der Inhalte Mithas et al. 2006Rechtzeitigkeit der Information

Ahn et al. 2007; Liu und Arnett 2000; McKin-ney et al. 2002

• Mediennutzung Multimedianutzung Ahn et al. 2007; Aladwani und Palvia 2002; Zhang und Gisela 2001, Zhang und Dran 2002

Nutzung von Einblendungen

Hong et al. 2004

Nutzung von Farben und Schriftarten

Aladwani und Palvia 2002

Nutzung von Grafiken

Huizingh 2000; Song, Zahedi 2005

• Qualität Tung et al. 2009• Relevanz Informationsrelevanz Aladwani und Palvia 2002; Kim und Stoel

2004; Liu und Arnett 2000; Loiacono et al. 2002; McKinney et al. 2002; Tam, Ho 2006; Tarafdar und Zhang 2005; Zhang und Gisela 2001, Zhang und Dran 2002

Informationsrichtig-keit

Ahn et al. 2007; Aladwani und Palvia 2002; Liu und Arnett 2000; Mithas et al. 2006; Pal-mer 2002; Tarafdar und Zhang 2005; Zhang und Gisela 2001, Zhang und Dran 2002

Made-for-the-Medium• Gemeinschaft Kumar und Benbasat 2006; Song und Zahedi

2005; Tung et al. 2009• Personifizierung Anpassung an

KundenwünscheKim und Stoel 2004; Liu und Arnett 2000; Loiacono et al. 2002; McKinney et al. 2002; Tarafdar und Zhang 2005

Personifizierung de Wulf et al. 2006; Palmer 2002; Song und Zahedi 2005; Tam und Ho 2006; Tarafdar und Zhang 2005

Raffinesse Tung et al. 2009

Tab. 2  (Fortsetzung)

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sich jedoch neue Formen der Nutzung des WWW herausgebildet, wie beispiels-weise die Generierung von Nutzerinhalten, die Konsumentenvernetzung sowie das Blogging und Twittern. Diese Formen der Nutzung des WWW wurden in der ein-schlägigen Literatur zur Messung der Qualität von Websites bisher jedoch nur stief-mütterlich behandelt und lassen auf ein im Vergleich zur Verwendung des Web 1.0 erhöhtes Nutzungserlebnis schließen.

Gerade aufgrund des enormen Marktwertes von Websites des Social Web, wie beispielsweise Facebook mit ca. 15 Mrd. oder MySpace mit ca. 20 Mrd. US$ (Ar-rington 2008), ist es erforderlich, die diesem enormen Erfolg zugrunde liegende Qualität dieser Websites zu messen. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt existieren lediglich drei Studien (gemeint sind die Studien von French 2009; Lin 2008; Hsiu-Fen und Lee 2006), die sich im weiteren Sinne mit der Qualität von Websites im Social Web auseinandersetzen. Anzumerken ist jedoch, dass die Studien von Lin (2008) sowie Hsiu-Fen und Lee (2006) zwar Social Networks zum Untersuchungs-gegenstand haben, sich jedoch auf die geschäftlichen Kommunikationswege bezie-hen, die das Onlinegeschäft mit den Konsumenten verbindet. Diese Form von So-cial Networks unterscheidet sich jedoch maßgeblich von der allgemeinen Nutzung und dem Verständnis der Websites des Social Web, da deren Nutzung auf Freiwil-ligkeit basiert. Zu solchen für das Social Web typischen Websites zählen beispiels-weise Facebook, StudiVZ und MySpace (vgl. auch Kap. 1). Einzig die Studie von French (2009) bezieht sich auf Social Networks, deren Nutzung freiwillig und deren Zugang für die Nutzer jeglicher sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Herkunft ubiquitär ist. Die Studie basiert auf dem TAM, wenngleich die MUG überlegen sind. Die Datengrundlage besteht aus Studenten einer amerikanischen Universität, die Facebook-Nutzer sind. Die Ergebnisse zeigen, dass die Qualität der Inhalte und des Systems sowie das Vertrauen in die Gemeinschaft die Zufriedenheit der Nutzer und das Sozialkapital beeinflussen. Die Nutzerzufriedenheit beeinflusst wiederum die Wiedernutzungsabsicht. Das Sozialkapital bedingt zudem die Nutzerzufrieden-heit. Die Wiedernutzungsabsicht wird hingegen durch das Sozialkapital nicht direkt beeinflusst.

Wenngleich sich aus den Studien zu der Qualität von klassischen Websites sowie zu den Erfolgsfaktoren von Social Networks – hier insbesondere die Studie von French (2009) – erste Erkenntnisse für die Qualitätsmessung von Websites des So-cial Web ableiten lassen, sind die Forschungserkenntnisse auf diesem Gebiet noch sehr begrenzt.

3   Fazit

Das Social Web wird zu einem zunehmend bedeutenderen Faktor für das Marketing und damit auch für die Markenführung. Dies nicht zuletzt aufgrund der enormen Informationsmengen, die tagtäglich durch die weltweiten Nutzer über Marken im Social Web veröffentlicht werden. Aufgrund dessen steht die Markenführung vor neuen Herausforderungen und Fragestellungen und die erlebnisorientierte Marken-

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führung vor vielfältigen neuen Möglichkeiten. Es ist somit nicht verwunderlich, dass das Augenmerk der Forschung in den letzten Jahren verstärkt auf das Social Web und dessen Auswirkungen auf das Marketing gerichtet wurde. Sowohl metho-disch als auch in Bezug auf spezifische Forschungslücken konnten bereits erheb-liche Forschungsfortschritte erzielt werden. Trotz dieser Entwicklungen existieren eine Reihe von Forschungsprioritäten, die auf das Social Web als einen ergiebigen Forschungsbereich im Marketing in den kommenden Jahren hinweisen. Aufgrund dessen war das Ziel dieses Beitrags, drei wesentliche Forschungsgebiete im Bereich der Markenführung im Social Web darzulegen und zu diskutieren. Die Ausführun-gen zeigen, dass die Forschung im Bereich der Markenführung im Social Web noch grundlegende Arbeiten zu leisten hat. In Abhängigkeit der drei diskutierten For-schungsgebiete lassen sich folgende Anforderungen an die zukünftige Forschung im Bereich der Markenführung im Social Web stellen, auf denen effektive und ziel-orientierte Markenführungsansätze aufzubauen haben:

Analyse nutzergenerierter Markeninhalte im Social Web:1. Grundlegender Bestandteil der Forschung im Bereich des Social Web ist die

Auswertung der großen Informationsmengen. Daher ist es zunächst notwendig, einen Kriterienkatalog zur Bewertung der computergestützten Methode im Hin-blick auf die nutzergenerierten Inhalte aufzustellen und empirisch zu überprüfen.

2. Hiermit einhergehend ist es erforderlich, die Zweckmäßigkeit der CUI im Ver-gleich zur manuellen Codierung im Hinblick auf die Validität und Reliabilität sowie Effektivität und Effizienz in Abhängigkeit des Untersuchungsgegenstan-des näher zu erklären.

3. Aufgrund dessen, dass die Kommunikation im Social Web multimedial erfolgt, gilt es zudem, die Eignung der Anwendung der vorgestellten CUI für weitere Medien im Social Web, wie beispielsweise Audio, Video und Bilder, zu erläutern.

4. Auch eine Diskussion bezüglich der Eignung der computergestützten Methoden zur Bewertung der erlebnisorientierten Markenführung im Social Web steht noch aus.

Social Web und Markenwert:1. Eine systematische Gegenüberstellung des Einflusses der nutzergenerierten und

unternehmensgesteuerten Kommunikation auf den Markenwert ist erforderlich und wirft insbesondere methodische Fragestellungen auf.

2. Hiermit einhergehend besteht die Notwendigkeit, den relativen Einfluss der akti-ven Teilnahme an der Entstehung der nutzergenerierten Inhalte im Vergleich zu anderen Formen der Markenkommunikation (beispielsweise das Monitoring nut-zergenerierter Inhalte) zu analysieren.

3. Im Speziellen bedarf es einer Analyse, die die Eignung der nutzergenerierten im Vergleich zu den unternehmensgesteuerten Kommunikationsinstrumente für die erlebnisorientierte Markenführung aufzeigt.

4. Weiterhin ist zu untersuchen, ob der Einfluss der nutzergenerierten versus der unternehmensgesteuerten Kommunikation auf den Markenwert bei Prestigepro-dukten, emotionalen, hedonistischen sowie funktionalen Produkten variiert.

Erlebnisorientierte Markenführung im Social Web

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5. Im Zusammenhang mit verschieden Produktkategorien ist es ferner notwendig, die relative Wirkung nutzergenerierter Markeninhalte bei Such-, Erfahrungs- und Vertrauensgütern zu erläutern.

6. Um eine branchenspezifische Aussage zu treffen, bedarf es überdies der Analyse der Relevanz unternehmensgesteuerter versus nutzergenerierter Kommunika-tionsinstrumente für den Markenwert über verschiedene Branchen hinweg.

7. Auch eine Erklärung des Einflusses individueller Faktoren – wie beispielsweise Technologiebereitschaft, Erlebnisbedürfnis, Medien- und Produktinvolvement sowie Alter – auf die relative Stärke des Einflusses unternehmensgesteuerter ver-sus nutzergenerierter Kommunikationsquellen auf den Markenwert steht noch aus.

Qualität von Websites im Social Web:1. Zentraler Bestandteil dieses Forschungsgebietes ist die Identifikation der Qua-

litätsmerkmale von Websites im Social Web und die Untersuchung von deren Auswirkungen auf die Wiedernutzung der Website, letzteres insbesondere durch Längsschnittstudien.

2. Insbesondere bedarf es einer Erklärung des durch die Nutzung des Social Web hervorgerufenen Erlebnisses sowie die detaillierte Analyse, welche Dimensionen und Subdimensionen der MUG die erlebnisorientierte Markenführung bedingen.

3. Ferner sind verschiedene Formen der Modellierung von Websites im Social Web vorzunehmen und zu vergleichen.

4. Auch hinsichtlich der Datengrundlage bedarf es der Analyse bei Nichtstudenten sowie auf der Basis der nicht auf der Selbstauskunft der Probanden generierten Daten.

5. Zudem gilt es zu erklären, ob unterschiedliche Erscheinungsformen der Websites des Social Web, wie beispielsweise Social Networks im Vergleich zu Microme-dia, sowie unterschiedliche Kommunikationsträger einer Erscheinungsform dif-ferenzierende Qualitätseigenschaften, wie beispielsweise das Erlebnis bei der Nutzung und die Hervorrufung von Emotionen, aufweisen.

6. Aufgrund dessen, dass die Anzahl an internationalen Websites im Social Web stark zunimmt, gilt es zudem, kulturbedingte Phänomene zu erklären.

7. Schließlich gilt es zu untersuchen, inwieweit und mit welchen Strategien Mar-kenmanager die Qualität im Allgemeinen und das Nutzungserlebnis im Speziel-len der Websites im Social Web beeinflussen können.

Die Forschung zum Social Web und zur Markenführung im Social Web im Speziel-len ist noch sehr jung und bedarf daher vielfältigen sowohl methodischen als auch empirischen Forschungsbemühungen. Aufgrund dessen, dass die genannten erfor-derlichen Forschungsbemühungen immer zugleich Facetten des Marketing, der In-formatik, Kommunikations- und Informationssystemforschung beinhalten, ist eine interdisziplinäre Betrachtung der marketingspezifischen Problemstellungen not-wendig. Es ist wünschenswert, dass die in diesem Beitrag angeregten Forschungs-methoden und -defizite im Bereich der Markenführung im Kontext des Social Web den Forschungsfortschritt in diesen sowie in weiteren Bereichen anregen.

M. Bruhn und D. B. Schäfer

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Erlebnisorientierte Markenführung im Social Web

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Teil IIInstrumente aktiver 

Erlebniskommunikation

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Zusammenfassung 

Um eine klare Markenpositionierung und -differenzierung zu erzielen, müs-sen Unternehmen über eine konsequente Interaktionsorientierung einzigartige Markenerlebnisse schaffen. Die interaktionsorientierte Ausrichtung der Mar-kenführung fokussiert die menschlichen Facetten der Marke und umfasst da-mit das markenstärkende Auftreten von Mitarbeitern und Kunden. Ziel der interaktionsorientierten Markenführung ist es, den Wert der Marke über die Schaffung von positiven Markenerlebnissen und die Kommunikation darüber zu steigern. Die erfolgreiche Umsetzung einer interaktionsorientierten Mar-kenführung erfordert eine abteilungsübergreifende Ausrichtung der nach in-nen und außen gerichteten Markenaktivitäten zur Verankerung eines positiven Markenbildes im Kopf aller Mitarbeiter mit dem Ziel, dieses Bild auf den Kunden zu übertragen und auch diesen zu einem aktiven Markenbotschafter zu machen.

1   Einführung

Ein Blick in die aktuelle Fach- und Managementliteratur, Tagungsprogramme und Unternehmensorganigramme lässt keinen Zweifel – die Disziplin des Brand Manage-ment hat sich in Wissenschaft und Praxis etabliert. Von der strategischen Grundaus-richtung bis zur operativen Umsetzung beschäftigen sich Unternehmens- und Mar-kenverantwortliche sowie Wissenschaftler seit Jahren intensiv mit den vielfältigen Facetten der Markenführung: Markenerlebnisse, Markenwerte, Markenpersönlich-keit, Markenwahrnehmung und -verankerung, Markenfit, Corporate Identity – es

Die menschliche Kraft der Marke

Bedeutung und Management der interaktionsorientierten Markenführung

Nina Blankenberg, Silke Bartsch, Sina Fichtel und Anton Meyer

N. Blankenberg ()ServiceLust GmbH, München, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_4, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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scheint fast so, als wäre das Thema Marke umfassend erforscht und nahezu er-schöpfend diskutiert.

In den Unternehmensorganisationen sind das strategische Markenmanagement und die Position von Markenmanagern fest institutionalisiert. Erfolgreiche Mana-ger sind sich der Notwendigkeit bewusst, die Markenerlebnisse ihrer Kunden über alle Kontaktpunkte integriert zu steuern und streben dies mit mehr oder weniger Nachdruck an. Keine Frage, dass das Branding von Produkten und Leistungen mit der werblichen Kommunikation über klassische Medien, Onlinewerbung etc. ab-gestimmt und klar auf die Markenidentität ausgerichtet wird. Einstimmiges Ziel ist es, den Kunden nicht nur über hervorragende Produkte und Leistungen zufrie-den zu stellen, sondern auch ein positives und einzigartiges Markenbild über alle Kontaktpunkte im Kopf des Konsumenten zu verankern. So weit, so gut. Aber eine Markendifferenzierung allein über Technologie- und Produktvorteile sowie eine in-tegrierte, massenmediale Kommunikation reicht heute nicht mehr aus. Vielmehr geht es darum, erfolgreiche Kunden-Marken-Interaktionen und damit lebendige und hochemotionale Markenerlebnisse zu schaffen (Schmitt 2003; Schmitt und Mangold 2004; Specht et al. 2008). Diese ausdrückliche Interaktionsorientierung im Unternehmen wird zunehmend wichtiger, da der Ausweg aus der Homogenisie-rungs- und Sättigungsfalle heute offensichtlich in der Schaffung von einzigartigen und herausragenden Erlebnissen liegt. So lassen sich mittels einer konsequenten Interaktionsorientierung Wettbewerbsvorteile erzielen und es gelingt, sich nachhal-tig vom Wettbewerb zu differenzieren (Ramani und Kumar 2008; Berry und Lampo 2004).

Die sich rasant weiterentwickelnden Informations- und Kommunikationstech-nologien (IKT) schaffen dabei neue Interaktionsspielräume und bieten vielfältige Möglichkeiten auf Unternehmens- und Mitarbeiterseite, die Interaktion mit dem Kunden permanent aufrecht zu erhalten und diese dabei auch noch individuell zu gestalten. Allerdings bringen diese rasanten IKT-Entwicklungen auch neue Heraus-forderungen für Unternehmen und Markenmanager mit sich.

Denn auch Konsumenten sind heutzutage untereinander so gut vernetzt wie nie zuvor (Urban 2005). Sie haben die Möglichkeit, sich auf verschiedenen Plattformen über Leistungen bzw. Marken zu informieren, eigene Erfahrungen auszutauschen und Markenerlebnisse zu bewerten (Bernoff und Li 2008). Interaktive Erlebnis-kommunikation geht also nicht nur vom Unternehmen, sondern auch zunehmend stärker vom Kunden aus.

Zusätzlich zeigt sich, dass Kunden, Freunde und auch Mitarbeiter eines Unter-nehmens für Konsumenten wichtige Quellen im Rahmen der Informationssuche darstellen. Denn Interaktionen mit ihnen gelten als glaubwürdige Informationsquel-len und werden besser eingestuft als die einseitige Unternehmenskommunikation oder -werbung (Edelman 2010). Dementsprechend können Interaktionen mit Kun-den bzw. Konsumenten oder auch mit Mitarbeitern eines Unternehmens einen ent-scheidenden Einfluss auf die Markenwahrnehmung und das Markenbild ausüben. Für Unternehmen gilt es daher, diese wesentlichen Treiber der Markenerlebnisse zu erkennen und zu gestalten.

N. Blankenberg, S. Bartsch, S. Fichtel und A. Meyer

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1.1   Der Mitarbeiter als Interaktionsfaktor und menschliche Facette der Marke

Ein – wenn nicht der – wesentliche Erfolgsfaktor für ein nachhaltiges Marken-erlebnis auf Kundenseite und damit des Markenmanagements scheint in Wissen-schaft und Praxis noch Spielraum zur tieferen Erforschung zu haben. Aufgrund seiner Komplexität wird er gerne übersehen oder dessen Betrachtung auf spätere Zeiten verschoben: der Mitarbeiter. Primär prägen natürlich Mitarbeiter im direkten Kontakt zum Kunden im engeren Sinne (d. h. zum Endkunden) oder im weiteren Sinne (d. h. zu weiteren Kundengruppen wie Stakeholdern, Geschäftspartnern aller Art, Presse, anderen Mitarbeitern etc.) das Markenerlebnis. Doch sind hierbei auch alle anderen Mitarbeiter gefragt, da auch sie im beruflichen wie im privaten die Marke erlebbar machen und diese gewollt oder ungewollt repräsentieren – sei es im Kontakt mit Freunden, Lieferanten oder Fremden, z. B. im Rahmen von Corpora-te-Volunteering-Aktionen. Folglich sind Mitarbeiter, egal ob Vorstand, Controller, Call Center Agent oder Verkäufer an der „Kundenfront“, wesentliche Schnittstellen zwischen Unternehmen und seinen Anspruchsgruppen. Sie sind persönliche Reprä-sentanten und Mitgestalter von Leistungs-, Unternehmens- und vor allem des Mar-kenimages und stellen damit einen zentralen Treiber des Unternehmenserfolgs dar (z. B. Heskett et al. 1997).

Die Relevanz des Mitarbeiters als Leistungserbringer und Markenbotschafter ist damit nicht nur für Einzelhändler und Dienstleister offensichtlich – die natur-gemäß schon besonders viel Kundenkontakt haben. Ob Parfümerie, Finanzdienst-leister, Baumaschinenverleih oder Hersteller von Lifestylemarkenprodukten – egal welches Unternehmen oder welche Marke – Mitarbeiter stellen immer in gewisser Weise Repräsentanten und Botschafter dar, sei es im B2C- oder B2B-Bereich, seien es die eigenen Mitarbeiter oder gar Mitarbeiter eines beauftragten Dienstleisters oder in fremden Vertriebswegen. Wie Mitarbeiter im positiven oder aber auch im negativen Sinne Markenerlebnisse prägen können, wird in den folgenden beiden Kundenberichten deutlich.

Beispiel 1: 

Mitarbeiter als Treiber für ein positives MarkenerlebnisDer Kundenservice eines Onlineshops hat mich vor Kurzem sehr begeistert. Auf der Suche nach Incentives für meine Abschlussarbeit hab ich auch bei einem Onlineshop nach kostenlosen Gutscheinen angefragt und zwar über ein stan-dardisiertes Onlineformular. Nach kurzer Zeit hatte ich eine Standardantwort zu Abschlussarbeiten, welche aber meine Anfrage nicht beantwortete. Daraufhin habe ich nochmals geschrieben und innerhalb kürzester Zeit einen Anruf eines Mitarbeiters erhalten. Er erklärte mir freundlichst, dass es leider bei ihnen diese Form der Werbung nicht gibt und wünschte mir viel Erfolg für meine Arbeit. Viele andere Unternehmen, bei denen ich angefragt hatte, haben sich einfach nie gemeldet und meine Anfragen ignoriert. Daher hat mich dieser sympathische

Die menschliche Kraft der Marke

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Anruf wirklich sehr für den Onlineshop begeistert und es hat mir ein gutes Ge-fühl gegeben, auch mit dieser Anfrage ernst genommen zu werden. Diesem On-lineshop stehe ich seitdem deutlich positiver gestimmt gegenüber.

Beispiel 2: 

Mitarbeiter als Treiber für ein negatives MarkenerlebnisIch hatte ein ziemlich negatives Erlebnis mit einem Telekommunikationsanbie-ter. Da ich keine Telefonrechnung mehr zugeschickt bekam und außerdem einen Studententarif beantragen wollte, ging ich in eine Filiale des Anbieters. Einem der Mitarbeiter schilderte ich mein Problem, dass ich auf einmal keine Telefon-rechnung mehr bekam und dass ich darüber etwas verärgert sei, da ich nie etwas ausgefüllt hatte, dass ich meine Rechnung online bekommen möchte. Da ich auch kein Passwort oder ähnliches hatte, bekam ich ungefähr zwei Monate über-haupt keine Rechnung. Wie das passieren konnte, konnte mir der Mitarbeiter auch nicht erklären. Als ich ihn dann nach dem Studententarif fragte, wollte er mich gleich abwimmeln (zumindest kam mir das so vor) und sagte mir, dass ich dazu erst einmal eine GEZ-Befreiung benötigen würde. Darauf entgegnete ich, dass ich gelesen hätte, dass man als Bafög-Empfänger automatisch den güns-tigsten Tarif bekommen würde. Also nahm er meinen Antrag entgegen und ging mit mir zu seinem Computer. Dort gab er mein Anliegen ins System ein – das dachte ich zumindest. Insgesamt wirkte der Mitarbeiter sehr gelangweilt und ich fand es schwach, dass er mir nicht von sich aus Informationen über den güns-tigsten Tarif geben wollte. Trotzdem glaubte ich in diesem Moment, ich würde 1) meine Telefonrechnung wieder zugeschickt bekommen und müsste 2) zukünftig weniger zahlen. Wie sich allerdings einen Monat später herausstellte, war die Sa-che aber bei Weitem nicht erledigt. Ich bekam immer noch keine Rechnung und konnte daher auch nicht kontrollieren, ob ich weniger zahlte. Als einen weiteren Monat später wieder keine Rechnung kam, ging ich noch einmal in die gleiche Filiale. Mittlerweile kam ich mir schon ziemlich veräppelt vor und war dement-sprechend sauer. Nach 15 min anstehen war ich endlich dran und erzählte der Mitarbeiterin mein Anliegen und dass ich deswegen schon vor zwei Monaten da war und ein Kollege von ihr (leider wusste ich den Namen nicht mehr) das Ganze in das System eingegeben hatte. Daraufhin schaute sie im System nach – konnte aber keinen Eintrag finden. Das fand ich unglaublich! Wie das passieren konnte, konnte sie mir auch nicht erklären. Am liebsten hätte ich sofort zu einer anderen Telefongesellschaft gewechselt, habe das aber aus Kostengründen nicht gemacht.

Beispiel 1 veranschaulicht sehr schön, wie groß der Einfluss des Mitarbeiters auf das Markenerlebnis ist. Denn obwohl der Kunde hier nicht das erwünschte Ergeb-nis (Gutscheine) erhält, hat er ein positives Markenerlebnis, was im Wesentlichen durch das vorbildliche Verhalten des Mitarbeiters geprägt wurde. Neben der eigent-lichen Leistung spielt also der Mitarbeiter eine entscheidende Rolle für das emo-tionale Erleben der Marke und des damit einhergehenden Aufbaus des Markenbilds

N. Blankenberg, S. Bartsch, S. Fichtel und A. Meyer

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im Kopf des Kunden. Dass Mitarbeiter jedoch auch schlechte Repräsentanten und Botschafter der Marke sein können, zeigt Beispiel 2. Eklatant an diesem Beispiel ist der durch das Mitarbeiterverhalten ausgelöste Wunsch zum Wechsel des Anbieters, den der Kunde nur aus Kostengründen nicht vollzieht. Die negative Mundpropa-ganda und damit ein Imageverlust des Anbieters im Freundes- und Bekanntenkreis sind hier vorprogrammiert.

Einige Werbekampagnen haben in der Vergangenheit deutlich gezeigt, dass die Erkenntnis über einen „people-based brand leverage“ bereits kreativ in der media-len Markenkommunikation umgesetzt wird. Eine Fokussierung auf den Mitarbeiter als Treiber eines kundenorientierten Service- und Markenerlebnisses ist nicht zu übersehen. So umfasst beispielsweise die „Wir lieben Lebensmittel“-Kampagne von Edeka (Effie-Preisträger 2006) einige Spots und Printmotive, die den Mitarbei-ter eindeutig als Identifikationsfigur für Marke und Serviceleistung in den Mittel-punkt stellen.

Einen Fokus auf den Mitarbeiter als Aushängeschild des Unternehmens, seines Leistungsangebots und seiner Marke zeigte auch eine Kampagne der HypoVereins-bank (HVB). Positiv zu bewerten ist bei dieser Kampagne nicht nur die Einbindung tatsächlicher HVB-Kundenberater und die kreative Umsetzung der Idee, sondern ebenfalls die Verknüpfung der ausgewählten Beraterpersönlichkeiten mit einzelnen Produkten und Beratungsleistungen. So steht Marion Jikeli beispielsweise für den „HVB BasisDialog“ zur Analyse und Entwicklung eines individuellen Finanzplans, für dessen kompetente Durchführung die Tugend „Aufmerksamkeit“ offensichtlich eine wesentliche Voraussetzung darstellt. Dieser Kommunikationsansatz berück-sichtigt in anschaulicher Weise, dass ein Kunde die (nicht oder nur schwer greif-baren) Leistungen und Produkte eines Finanzdienstleisters im Wesentlichen über den Kundenberater und dessen Auftreten im Point of Interaction (POI) wahrnimmt und bewertet.

Zwar stellt die Integration des Mitarbeiters in die Werbung einen wertvollen Schritt in die richtige Richtung dar, ausreichend ist sie aber bei Weitem nicht. Seinen Kunden mithilfe vielleicht sogar eigener Mitarbeiter über eine Werbekampagne ein attraktives Versprechen zu geben, ist vergleichsweise einfach – dieses Versprechen tagtäglich in der Vielzahl individueller Kundenkontakte zu erfüllen, stellt hingegen die wahre Herausforderung dar (siehe Beispiel 2). Fakt ist, dass aus Sicht der ein-zelnen Kunden eben gerade die individuellen Erlebnisse den Ausschlag geben – sie stellen die „Augenblicke der Wahrheit“ dar, in denen das Unternehmen an seinem Werbeversprechen gemessen wird. Was die Kommunikation verspricht, muss von den Mitarbeitern im direkten Kundenkontakt wahrhaftig gelebt und für den Kunden erlebbar werden. Denn am Ende ist es die reine Kundenwahrnehmung eines Inter-aktionserlebnisses, die darüber entscheidet, ob die kommunizierten Versprechen bei einem Einkauf an der Fleischtheke oder einem Gespräch mit einem Finanzberater auch tatsächlich eingehalten werden. Nur wenn das individuell Erlebte im direkten Marken- bzw. Mitarbeiterkontakt auch den kommunizierten Ansprüchen genügt, d. h. wenn das reale Markenerlebnis mit der kommunizierten Markenidentität über-einstimmt, kann von einem positiven Erlebnis der Kunden, ihrer Loyalität zur Mar-

Die menschliche Kraft der Marke

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ke und einer positiven Weiterempfehlung ausgegangen werden. Werden die Kunden hingegen enttäuscht, weil die tatsächlichen Erlebnisse mit Mitarbeitern nicht an die Messlatte der Erwartung heranreichen, hat dies Kundenfrust, negative Markenasso-ziationen und negative Mundpropaganda zur Folge. Ein „overpromising“ der me-dialen Kommunikation ist daher unbedingt zu vermeiden (Berry und Lampo 2004, Specht et al. 2008) (vgl. Lücke 4, Abb. 1).

Vielmehr sollte nach dem Grundsatz „inside-out“ vorgegangen werden. Das heißt, dass zunächst über adäquate Führung, interne Kultur- und alltagsnahe Schu-lungsprogramme die Voraussetzungen für ein herausragendes mitarbeiterbasiertes Branding (employee-based Branding) geschaffen werden müssen, bevor durch groß angelegte Werbefeldzüge entsprechende Botschaften an Kunden kommuniziert werden. Um die Profilierungschance eines employee-based Branding zu nutzen, bedarf es also in erster Linie eines mitarbeiterfokussierten Markenmanagements, welches das tatsächliche Verhalten und Erscheinungsbild der Mitarbeiter zur Ge-staltung der realen Kundenerlebnisse im direkten Kundenkontakt steuert. Nur so gelingt der „Proof“ im Sinne einer Erfüllung der Werbeversprechen. Dazu aber an späterer Stelle mehr.

1.2   Der Kunde als Interaktionsfaktor und menschliche  Facette der Marke

Neben dem Mitarbeiter darf heute auch der Kunde als wesentlicher Mitgestalter von Markenerlebnissen und Markenbildern nicht übersehen und vor allem auch nicht

Abb. 1   Promise versus Proof – die Kommunikationslücke. (Quelle: in Anlehnung an Zeithaml et al. 1996)

ErwarteteLeistung

WahrgenommeneLeistung

Interaktionserlebnis

KundenorientierteLeistungsdesigns

und Standards

Unternehmens-wahrnehmung von

Kundenerwartungen

Lücke 2Lücke 1

Lücke 3

Lücke 4

KundenLücke

Promise

Proof Externe Kommunikation

Kunde

Unternehmen

N. Blankenberg, S. Bartsch, S. Fichtel und A. Meyer

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unterschätzt werden. Die wachsende Skepsis in die Unternehmenskommunikation, die rasant voranschreitende Entwicklung neuer Medien und die zunehmende Be-deutung sozialer Netzwerke stärken seine Position und führen dazu, dass Kunden immer mehr und immer leichter die Rolle eines Co-Marketers, Co-Kreators oder Co-Produzenten von Produkten und Leistungen übernehmen. Kunden als Co-Krea-toren von Markenerlebnissen und Absender von Markenbotschaften rücken damit zunehmend in den Fokus von Forschung und Praxis (Berthon et al. 2008).

Die Rolle des Kunden als Mitgestalter von Marken möchten wir hierbei in eine aktive und passive Kommunikationsrolle unterscheiden. Denn Kunden müssen nicht unbedingt aktiv über ihre Erlebnisse mit einer spezifischen Marke in Blogs, Foren, dem Freundeskreis oder bei Facebook kommunizieren, um Treiber für das Markenimage zu sein. Kunden prägen häufig auch passiv ohne größeres Zutun das Image von Marken, beispielsweise schon allein durch die Nutzung selbiger in ihrem Umfeld und der Öffentlichkeit (siehe Abb. 2). Ganz unbewusst sind Kun-den also immer in irgendeiner Form auch Markenrepräsentanten – sei es aktiv oder passiv.

Die passive Kommunikation von Markenbotschaften ist jedoch auch davon abhängig, inwiefern andere Konsumenten Assoziationen abrufen, wenn sie Nut-zer einer bestimmten Marke sehen. Wird eine Marke beispielsweise mit einem Kundenstereotypen verbunden, so können beim Beobachter sehr spezifische As-soziationen abgerufen und dem Kunden bestimmte Charakteristika zugeschrieben werden (Escalas und Bettman 2003). Prototypische Bilder von Markennutzern ruft beispielsweise die Marke Harley Davidson hervor. Sie hat es mittels klarer Positio-nierung und starker Brand Community geschafft, dass Harley-Davidson-Fahrer sich mit den Markenwerten identifizieren und dies auch nach außen zeigen.

Abb. 2   Der Kunde als aktiver und passiver Botschafter der Marke

Kunde als passiver Markenbotschafter Kunde als aktiver Markenbotschafter

Die menschliche Kraft der Marke

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Einige weitere Unternehmen haben die Rolle der Kunden in ihrer Funktion als Markenbotschafter ebenfalls früh erkannt und sich dies in ihrer Kommunikation zunutze gemacht. Apple hat mit seiner Werbekampagne „Get a Mac“, die sogar zur „Kampagne des Jahrzehnts“ gekürt wurde, die Charakteristika des typischen Kunden- bzw. Nutzerbildes anschaulich visualisiert (Adweek 2010). In einer Viel-zahl von Spots hat Apple den eigenen Nutzer dargestellt und zum prototypischen Kunden der Konkurrenz kontrastiert, um damit eine eindeutige Abgrenzung vom und Differenzierung zum Wettbewerb zu erreichen. Der Erfolg der Kampagne und von Apple spricht für sich. Doch sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass dieses Bild des ehemals klassischen Applenutzers als cooler und kreativer Querdenker, bedingt durch den Wandel von einer Nischen- zu einer Massenmarktstrategie und die starke Verbreitung der Produkte, verwässert wurde. Dies führte u. a. auch dazu, dass Apple im Frühjahr 2010 die Kampagne für beendet erklärte (Mulch 2010).

Eine weitere gelungene Werbekampagne, die sogar dazu genutzt wurde, das be-stehende Markenimage zu justieren und den bisher kommunizierten Kundenste-reotypen zu verändern, wurde von der Marke Dove realisiert. Mit der Kampagne „Keine Models aber straffe Kurven“ setzte Dove statt „90–60–90-Models“, die mit dem Schönheitsideal verbundene stereotype Assoziationen auslösten – so wie jede andere Marke im Körperpflegebereich dies auch machte – natürliche Frauen in ihrer Kampagne ein, die dem realen Nutzer der Produkte besser entsprachen. Da-mit nutzte Dove die Kommunikation eines neuen Kundenbildes, um neue Kunden-gruppen anzusprechen, die Identifikation aktueller und potenzieller Kunden mit der Marke zu steigern und sich so deutlich von den anderen Konkurrenzmarken zu differenzieren.

Doch Kunden können unabhängig von der Unternehmenskommunikation und wie bereits kurz angesprochen auch ganz aktiv von sich aus in Interaktionen mit Anderen Markenbilder prägen. Dies ist gewollt oder ungewollt immer dann der Fall, wenn Kunden im Bekanntenkreis, in sozialen Netzwerken oder auf Bewer-tungsportalen über ihre Erfahrungen mit Marken berichten (Meyer et al. 2010). Was hier stattfindet, ist klassische Erlebniskommunikation, wobei zumeist sog. kritische Ereignisse, d. h. besonders positive oder negative Markenerlebnisse, kommuni-ziert und ausgetauscht werden. Diese neuen Dimensionen des ehemals klassischen Word-of-Mouth (WoM) über die verschiedensten Medien und Plattformen stellen für Unternehmen eine große Herausforderung dar, da die von den Kunden gesen-deten Botschaften das Markenimage beeinflussen und das alte Toolset der Unter-nehmen hier nicht mehr ausreicht. Neue Wege, neue Ansätze und neue Anreize sind gefragt, um als Unternehmen nicht nur Beobachter, sondern auch Gestalter zu sein (siehe Abschn. 2.1).

Der Nutzen von Marken manifestiert sich also nicht allein in materiellen Pro-dukten (die wiederum durch Design und Logoaufdruck gebrandet werden können), sondern realisiert sich gerade in den immateriellen und teilweise deutlich schwerer steuerbaren Interaktionsprozessen zwischen Mitarbeitern und Kunden bzw. Kunden und Kunden. Die menschliche Facette der Marke, die Mitarbeiter und Kunden um-fasst, setzt also enorme Potenziale zur Stärkung aber auch Schwächung der Marke frei. Eine tiefe Auseinandersetzung mit dem komplexen Thema der interaktions-

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orientierten Markenführung bzw. des people-based Branding, wie wir diesen Ma-nagementbereich im Folgenden bezeichnen wollen, ist also heute und in Zukunft unabdingbar.

2   Begriff und Management der interaktionsorientierten Markenführung

Eine Auseinandersetzung mit der interaktionsorientierten Markenführung oder eines people-based Branding, also der „menschliche Facette der Marke“, beinhaltet die Analyse und das Management von Mitarbeitern und Kunden mit dem Ziel, diese zu Botschaftern der Marke zu machen (Abb. 3).

Zentrale Aufgabe von Markenmanagern ist es aus dieser Perspektive daher, Kon-zepte zu entwickeln, die Mitarbeiter wie Kunden befähigen, das Markenimage des Unternehmens über die Schaffung von oder das Berichten über positive Erlebnisse zu stärken.

2.1   Kunden zu Markenbotschaftern machen

Da auch Kunden wesentliche Treiber eines Markenbildes sein können, möchten wir an dieser Stelle den Begriff des kundenbasierten bzw. customer-based Branding einführen und wie folgt definieren. Unter customer-based Branding verstehen wir die gezielte unternehmensseitige Aktivierung von Kunden als Markenbotschafter sowie die Beeinflussung des Kundenverhaltens und der kundenseitigen Interak-tionen mit Anderen, um schließlich das Markenbild positiv zu beeinflussen und markenstärkende Interaktionserlebnisse bei den Interaktionspartnern zu schaffen.

Die menschliche Kraft der Marke

Abb. 3   Zielgruppen der interaktionsorientierten Markenführung

Interaktionsorientierte Markenführung

Mitarbeiterals Markenbotschafter

Kundenals Markenbotschafter

People-based Branding

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Da wir uns im Folgenden auf die interaktionsorientierte kundenbasierte Marken-führung konzentrieren wollen, gehen wir im Weiteren nicht speziell auf die Beein-flussung bzw. das Shaping des Verhaltens von passiven Markenbotschaftern ein, das beispielsweise im Rahmen von Kundensozialisationsprogrammen oder über einzelne Maßnahmen wie z. B. Fahrertrainings beim Neuwagenkauf oder Koch-kurse bei Kauf einer neuen Kücheneinrichtung erfolgen kann. Dementsprechend ist es im Rahmen des interaktionsorientierten customer-based Branding Aufgabe eines Unternehmens zum einen, passive zu aktiven Markenbotschaftern zu machen und zum anderen, aktive Kunden und ihre Interaktionen geschickt für sich zu nut-zen oder diese gar mit zu steuern. Um diese Zielsetzungen zu erreichen und mar-kenstärkende Interaktionen auf Kundenseite zu stimulieren und zu beeinflussen, müssen Unternehmen entsprechende Kommunikations- und Interaktionsstrategien entwickeln.

Auf Basis des Rahmenmodells von Godes et al. (2005), das wir für unseren An-wendungsbereich anpassen, haben wir drei strategische Rollen bzw. Handlungsop-tionen eines Unternehmens im Rahmen des interaktionsorientierten customer-based Branding identifiziert (Abb. 4). Gemeinsame Basis für die Handlungsoptionen ist das WoM-Marketing (WoMM), das eine gezielte Beeinflussung von Interaktionen zwischen den Kunden mithilfe spezifischer Marketingtools und -instrumente fokus-siert (Kozinets et al. 2010). Alle drei strategischen Rollen bzw. Handlungsoptionen haben zwar unterschiedliche Schwerpunkte und Zielsetzungen, doch schließen sich diese nicht gegenseitig aus, d. h. ein Unternehmen kann beispielsweise mehrere dieser Rollen einnehmen. Im Folgenden stellen wir die strategischen Handlungs-optionen kurz dar und erläutern ihre Kernelemente.

Eine wichtige strategische Aufgabe eines Unternehmens im Rahmen des custo-mer-based Branding besteht darin, die Kunden so zu beeinflussen, dass sie von pas-siven zu aktiven Markenbotschaftern werden. Neben der Gestaltung einzigartiger Nutzungserlebnisse und Mitarbeiter-Kunden-Interaktionen muss ein Unternehmen zusätzliche Anlässe und Anreize schaffen, um schließlich aktiv markenstärkendes Kundenverhalten im Sinne der Kommunikation positiver bzw. markenstärkender Botschaften auszulösen. Dementsprechend zielt eines der strategischen Hand-lungsfelder des customer-based Branding darauf ab, dass das Unternehmen als

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Abb. 4   Strategische Rollen eines Unternehmens im Rahmen des interaktionsorientierten custo-mer-based Branding

Unternehmen als

Unternehmen als Unternehmen als

Interaktionsmoderator

Interaktionsinitiator Interaktionsmediator

2

1 3

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„Interaktionsinitiator“ passive Markenbotschafter aktiviert und kundenseitige Wei-terempfehlung sowie Interaktionen anstößt (vgl. Rolle 1, Abb. 4). Hierbei geht es jedoch nicht darum, Kunden unbewusst zu WoM-Akteuren zu machen (wie z. B. im Falle von Hotmail durch einen automatisch generierten Hinweis auf das kosten-lose Hotmail-Konto am Ende einer E-Mail). Vielmehr sollen Kunden, die bisher nur passive Markenbotschafter sind, ihre Markenerlebnisse ganz bewusst und aktiv kommunizieren und mit anderen teilen. Dies kann über das Setzen spezieller Anrei-ze (z. B. finanzielle Anreize im Sinne von „Kunden werben Kunden“-Programmen) oder über die Schaffung spezifischer Anlässe (z. B. einzigartiges Markenerlebnis wie mit der „Happiness Machine“ von Coca-Cola) erfolgen. Die Gestaltung des interaktionsauslösenden Moments liegt hierbei in der Hand des Unternehmens. Neben der Aktivierung passiver Markenbotschafter in einem ersten Schritt, gilt es für Unternehmen im Sinne eines interaktionsorientierten customer-based Branding, in der zweiten Stufe auch die jetzt neuen oder bereits vorher aktiven Markenbot-schafter sowie ihre Interaktionen zu managen.

In der Rolle als „Interaktionsmoderator“ verfolgt ein Unternehmen das Ziel, Kunden in ihren Interaktionen mit anderen Kunden oder Konsumenten zu unter-stützen und bestmöglich zu steuern (vgl. Rolle 2, Abb. 4). Realisiert werden kann dies über die Entwicklung und Bereitstellung verschiedener Tools und Plattformen, wobei durchaus ähnliche Instrumente wie für Handlungsoption 1 eingesetzt werden können (z. B. „Kunden werben Kunden“-Aktionen), sofern damit Kunden in ihrer Rolle als aktive Markenbotschafter zusätzlich gestärkt und gefördert werden. So können beispielsweise Communities sowohl zur Initiierung als auch zur Intensivie-rung von Kundeninteraktionen genutzt werden. Ein interessantes Fallbeispiel liefert JCPenney (amerikanische Kaufhauskette) mit der zum Schulstart 2010 lancierten „New Look. New Year. Who Knew!“- Kampagne. Ein wesentlicher Bestandteil der Kampagne ist dabei die Aktivierung, aber vor allem auch die Intensivierung und Steuerung der kundenseitigen Kommunikation und Interaktionen. Über eine dazu-gehörige Onlineplattform konnten Schüler beispielsweise selbstgedrehte Video-reviews zu ihren aktuellen JCPenney-Einkäufen hochladen, sich über das aktuelle Sortiment informieren oder sich über die von anderen Schülern bzw. Teilnehmern der Community gewählten Top-10-Lieblingsitems austauschen. Zudem hatten die Schüler die Möglichkeit, mithilfe eines von JCPenney bereitgestellten virtuellen Styleboards ihren Lieblingslook selbst zu kreieren, diesen an Freunde zu mailen und damit Interaktionen rund um die Marke sowie die Produkte von JCPenney zu intensivieren. An diesem Beispiel wird ersichtlich, dass das Marken- und Interak-tionserlebnis hier zwar vom Unternehmen initiiert und über die Bereitstellung zu-sätzlicher Informationen und Tools – ähnlich wie in einem Sozialisationsprozess – dezent gesteuert wird, es aber auch wesentlich durch die Interaktionen mit den anderen Communitymitgliedern entsteht und geprägt wird. Dieses Beispiel veran-schaulicht die Herausforderung des customer-based Branding, einen gesunden Tra-de-Off zwischen der Beeinflussung bzw. Steuerung der Kundeninteraktionen und dem gewährten Freiheitsgrad bzw. der Autonomie der Kundenaktivitäten zu finden.

Eine dritte Strategie des customer-based Branding besteht darin, WoM und den Informationsfluss sowie die -inhalte zwischen den Kunden seitens des Unter-

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nehmens im Sinne eines „Interaktionsmediators“ stärker zu steuern (vgl. Rolle 3, Abb. 4). Mit Blick auf den soeben angesprochenen Trade-Off zwischen Steuer-barkeit und Freiheit von Interaktionen zwischen den Kunden ist dies eine deutlich konservativere Ausrichtung, bei der das Unternehmen eine höhere Kontrolle ausübt als in der Moderatorenstrategie. Diese Art der Mediation ist gerade im Business-to-Business eine oft gewählte Strategie, um über ausgewählte Referenzkunden WoM gezielt zu steuern. Im Business-to-Consumer-Bereich hingegen kann diese Strategie aufgrund der zunehmenden Vernetzung der Kunden sowie der zahlreichen anbieter-unabhängigen Informations- und Bewertungsplattformen jedoch leicht das Gegen-teil bewirken, wenn die zitierten Beurteilungen ausgewählter Referenzkunden beispielsweise nicht mit anderen Kundenurteilen übereinstimmen. Bedingt durch die starke Steuerung der Kundenbotschaft kann, wie in Abb. 1 bereits aufgezeigt, auch in diesem Fall eine Lücke zwischen der vom Unternehmen kommunizierten Kundenbeurteilung und realem Markenerlebnis zu Unzufriedenheit und negativen Markenassoziationen führen. Insofern gilt es, als Interaktionsmediator sehr bedacht zu agieren, Referenzkunden authentisch darzustellen und nicht einfach alles zu be-schönigen, um schließlich nicht die Glaubwürdigkeit der Kommunikation zu beein-trächtigen. Exemplarisch am zuvor genannten JCPenney-Beispiel veranschaulicht, würde die Mediatorenrolle beispielsweise die gezielte Selektion der von Schülern erstellten Videobewertungen und das gezielte Filtern vor deren Freischaltung in der Community beinhalten. Bei all den genannten Beispielen (Rollen 1–3) wird ersicht-lich, dass die eingesetzten Tools nicht nur auf die Aktivierung und Steuerung der Interaktionen zwischen Kunden beschränkt sein müssen, sondern beispielsweise durch eine offene Gestaltung von Communities auch Konsumenten im Allgemeinen angesprochen werden können.

Zusammenfassend stellt Abb. 5 nochmals die zentralen Kernelemente und Unter-schiede der strategischen Handlungsoptionen bzw. Rollen eines Unternehmens im Rahmen des interaktionsorientierten customer-based Branding dar.

Während die Kunden als aktive Markenbotschafter und damit die Interaktions-initiierung und -gestaltung hier im Mittelpunkt standen, um über Marken- und

Abb. 5   Kernelemente der Rollen von Unternehmen im Rahmen des interaktionsorientierten cus-tomer-based Branding

Unternehmen alsInteraktionsmoderator

Unternehmen alsInteraktionsmediator

Unternehmen alsInteraktionsinitiator 2 31

Primär fokussierteKunden

PassiveMarkenbotschafter

AktiveMarkenbotschafter

AktiveMarkenbotschafter

Zielsetzung WoM und Kunden-interaktionen auslösen

WoM und Kunden-interaktionen fördern

Kundeninteraktionenvermitteln und WoMselektieren

Gestaltung desInteraktions-erlebnisses

von Unternehmen gestalteterImpuls zur Stimulierung vonInterkationen, aber keineGestaltung der Interaktionen

von den Kunden selbstmit Unterstützung bzw.Beeinflussung vonUnternehmen

von Kunden, aber durchUnternehmen vermitteltoder teils gar kontrolliert

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Interaktionserlebnisse positive Kundenberichte auszulösen und darüber ein vorteil-haftes Markenimage bei den WoM-Sendern und Empfängern aufzubauen oder zu verstärken, sollte es auch Ziel des customer-based Branding sein, das Markennut-zungsverhalten der Kunden (als passive Markenbotschafter) zu beeinflussen. Die „Fun Theory“-Kampagne von VW hat sich u. a. dies zum Ziel gesetzt. Denn neben dem viralen Effekt und der Gewinnung neuer, aktiver Markenbotschafter, zielte die Kampagne auch darauf ab, das Kundenverhalten positiv und im Sinne der Marken-identität zu beeinflussen (z. B. über einen spielerisch gestalteten Appell zur Ein-haltung von Geschwindigkeitsbegrenzungen), was sich wiederum positiv auf das Markenimage und auf das Image der Markennutzer auswirken kann.

An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass sich unsere Ausführungen zu cus-tomer-based Branding auf Kunden beziehen, die bereits eine positive oder zumin-dest neutrale Einstellung der Marke gegenüber haben. Unternehmen sollten jedoch nicht vernachlässigen, dass es auch enttäuschte Kunden, kreative Kritiker oder gar Markengegner gibt, die „negative Markenbotschafter“ sein können (Meyer und Brudler 2007). Eine entsprechende Anpassung der vorgestellten Interaktionsstrate-gien sowie die Entwicklung spezifischer Strategien für diese Zielgruppen zur Ver-meidung negativer Markenbotschaften sind unabdingbar und verdeutlichen einmal mehr die Komplexität des Markenmanagements.

Abschließend möchten wir festhalten, dass für eine erfolgreiche interaktions-orientierte Markenführung entscheidend ist, Kunden als wichtige Markenbot-schafter zu erkennen und das Potenzial der Kundeninteraktionen mit anderen Kun-den und Konsumenten für die Gestaltung eines positiven und authentischen Mar-kenimages zu nutzen. Dabei kann ein Unternehmen zur Aktivierung und Steuerung der kundenseitigen Interaktionen und Markenbotschaften verschiedene strategische Rollen einnehmen.

2.2   Mitarbeiter zu Markenbotschaftern machen

Die Aufgabe, Mitarbeiter zu Markenbotschaftern zu machen, möchten wir an die-ser Stelle mit dem Begriff des mitarbeiterbasierten bzw. employee-based Branding beschreiben. Unter employee-based Branding verstehen wir das integrierte, d. h. interne und externe Markenmanagement des persönlichen und mitarbeiterbezoge-nen Interaktionserlebnisses der Kunden. Die Idee des employee-based Branding ist also, das Markenbild des Kunden durch markenstärkende Interaktionserlebnisse mit den Mitarbeitern positiv zu prägen. Hierbei setzt ein erfolgreiches employee-based Branding ein konsistentes und konsequentes internes wie externes Manage-ment der Mitarbeiter-Kunden-Interaktionen voraus.

2.2.1   Einzigartige Markenerlebnisse und -interaktionen setzen internes und externes employee-based Branding voraus

Unter internem employee-based Branding (siehe Abb. 6, links) verstehen wir zum einen die Verankerung eines positiven Markenimages in den Köpfen der Mitarbei-ter, darüber hinaus aber auch die Übersetzung dieses Markenimages in Verhalten

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und Erscheinungsbild der Mitarbeiter. Forschung in diesem Bereich beruft sich vor allem auf Literatur aus den Themenfeldern „internes Marketing“, „interne Kommu-nikation“, „Führung“ und „Interaktionsforschung“. So haben zum Beispiel Miles und Mangold (2004) ein konzeptionelles Modell für den People-Branding-Manage-ment-Prozess aufgestellt, welches Botschaften, die Mitarbeiter empfangen, sowie deren Quellen untersucht und die Verarbeitungsmechanismen dieser Botschaften in den Köpfen der Mitarbeiter aufzeigt. Esch et al. (2008) zeigen, dass das Ziel des Aufbaus eines positiven Markenimages beim Mitarbeiter dann als erreicht gilt, wenn der Mitarbeiter 1) die Botschaft versteht, 2) den Absender der Botschaft als vertrauens- und glaubwürdig erachtet und 3) die Kommunikationsinhalte akzeptiert und sie schließlich in sein Handeln übernimmt. Morthart et al. (2009) konzentrie-ren sich stärker auf den Bereich „Führung“ und untersuchen in ihrem Beitrag, wie Manager markenstärkendes Verhalten ihrer Mitarbeiter durch verschiedene Füh-rungsstile bewirken können. Dabei klassifizierten sie den recht vagen Begriff des markenstärkenden Verhaltens in drei Kategorien nach Motowidlo und van Scotter (1994): „employee retention“ (Zulassen von langfristigen persönlichen Beziehun-gen zu Kunden), „in-role brand building behavior“ (Einhalten von rollenbezogenen Standards der Mitarbeiter im direkten Kundenkontakt als Repräsentanten der Mar-ke) und „extra-role brand building behavior“ (dem eigenen Ermessen überlassene Mitarbeiterhandlungen, die über die beschriebenen Standards hinausgehen). Der Frage, welche Standards und Normen der Mitarbeiter beim „in-role brand build-ing behavior“ befolgen soll, widmen sich Specht (2007, 2008), Fichtel (2009) und Bartsch (2010) im Rahmen von interaktionsbasierten Forschungsarbeiten. In diesen Arbeiten steht die Kundenperspektive als zweite menschliche Facette der Marke im Fokus und es wird untersucht, welche Faktoren die Kundenwahrnehmung und damit das Markenbild in der persönlichen Mitarbeiter-Kunden-Interaktion prägen und damit z. B. WOM-Prozesse aktivieren. Forschungsergebnisse zeigen, dass das Branding des Mitarbeiters aus Kundensicht das verhaltensbezogene Branding sowie das erscheinungsbildbezogene Branding der Mitarbeiter berücksichtigen sollte, da diese Dimensionen die Interaktions- und Markenwahrnehmung des Kunden am POI zentral prägen. Specht (2008) erläutert anhand einer umfassenden Experimentalstu-die, dass Kunden in ihrer Wahrnehmung und Bewertung von Interaktionsprozes-sen mit Mitarbeitern dem sogenannten fundamentalen Attributionsfehler erliegen.

Abb. 6   Integriertes employee-based Branding

InterneDefinition und

Vermittlung des

employee-based

branding

Erlebnis dermarkenstärkendenPerformance des

Mitarbeiters

MarkenstärkendePerformance des

Mitarbeiters

Wirkung desemployee-

basedbranding

Internes empoyee-based branding Externes employee-based branding

KUNDE UNTERNEHMEN / MITARBEITER

Kunden-wahrnehmung des

employee-basedbranding

POI (Point of

Interaction) Marken-identität

Marken-image

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Nach diesem neigt der Mensch dazu, Leistungsergebnisse (insbesondere negative Leistungserlebnisse wie beispielsweise ein unbefriedigendes Gespräch mit der Hot-line eines Telekommunikationsanbieters oder unpassende Wanderschuhe, die sich trotz ausführlicher Kaufberatung beim ersten Einsatz als zu groß erweisen) direkt dem dienstleistenden Mitarbeiter zuzuschreiben – und das auch dann, wenn objek-tiv gesehen weder der einzelne Mitarbeiter noch das Unternehmen für das Ergebnis verantwortlich gemacht werden können. Das Kundenurteil über einzelne Interak-tionserlebnisse hängt daher zentral von der subjektiven Kundenwahrnehmung des Mitarbeiters ab. Er konzentriert sich bei der Bildung seines Urteils vor allem auf das Verhalten des Mitarbeiters und hier im Speziellen auf das wahrgenommene Wollen (die Anstrengung) und das wahrgenommene Können (die Fähigkeiten) des Mit-arbeiters, ihn als Kunden gut zu beraten, ihm zu helfen und ihm zu dienen. So er-klären die von Kunden wahrgenommene Anstrengungen und Fähigkeiten von Mit-arbeitern branchenübergreifend bis zu 80 % der Kundenzufriedenheit in den POIs.

Fichtel (2009) zeigt darüber hinaus, dass nicht allein das Mitarbeiterverhalten einen Unterschied in der Kundenwahrnehmung macht: Das sozialpsychologische Phänomen der Stereotype („Schubladendenken“) erklärt darüber hinaus, dass die Kundenbewertung von Leistung, Unternehmen und Marke – wenn auch unbewusst – zusätzlich durch die wahrgenommene Attraktivität und damit durch das Erschei-nungsbild des Mitarbeiters beeinflusst wird. So variiert beispielsweise die subjekti-ve Kundenwahrnehmung des Mitarbeiterverhaltens – bei objektiv gleichem Verhal-ten des Mitarbeiters – in Abhängigkeit von dessen Erscheinungsbild. Die Studien-ergebnisse belegen, dass ein attraktiv wahrgenommener Mitarbeiter die Kunden-zufriedenheit branchenübergreifend signifikant steigern kann – und dies gilt sogar noch verstärkt für die Loyalität des Kunden und unabhängig von dessen Geschlecht.

Während die Ergebnisse von Specht/Fichtel für den Face-to-Face-Kontakt gel-ten, konnte auch im Voice-to-Voice Encounter, d. h. dem telefonischen Kunden-kontakt, die Bedeutung des Mitarbeiterverhaltens und seiner vokalen Attraktivität für die Kundenwahrnehmung bestätigt werden (Bartsch 2010). Ferner gibt es erste Indikatoren, die zeigen, dass die vokale Attraktivität von z. B. Radiomoderatoren sogar die Wahrnehmung der Sendermarke bzw. dessen Markenpersönlichkeitsdi-mensionen beeinflussen kann (Maushammer und Bartsch 2010).

Forschungsarbeiten zur externen Wirkung des employee-based Branding (siehe Abb. 6, rechts) quantifizieren die externen Effekte des employee-based Branding, d. h. sie zeigen nicht nur, welche Faktoren die Kundenwahrnehmung beeinflus-sen, sondern darüber hinaus, inwieweit markenstärkendes Verhalten und Erschei-nungsbild auf zentrale Zielgrößen wie z. B. das Markenimage wirkt. Diese Ef-fektforschung ermittelt damit den Wert des employee-based Branding, indem sie untersucht, ob die internen Maßnahmen für den Kunden am POI sichtbar werden, emotional und kognitiv verarbeitet werden und auf das Markenimage wirken. Sie bedient sich dabei experimenteller Forschungsmethoden und ist damit in der Lage, den isolierten und damit „reinen“ Einfluss von Verhalten und Erscheinungsbild auf zentrale KPIs wie das Markenimage valide zu quantifizieren und zu prognostizie-ren. Fichtel et al. (2010) zeigen z. B. in ihrer Praxisstudie mit der Audi AG, dass es über die oben dargestellten „Basisfaktoren des Verhaltens“ weiterer „marken-

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spezifischer Faktoren“ des Mitarbeiterverhaltens bedarf, um signifikant und positiv auf die Markenwahrnehmung des Kunden einzuwirken. In einer experimentellen Untersuchung der Verkäufer im Audi Terminal in den Märkten Dänemark und Nie-derlande zeigte sich, dass von den drei untersuchten Faktoren Wissen und Kom-munikationsfähigkeiten (Basisfaktoren) und Progressivität (markenspezifischer Differentiator) nur die Progressivität des Mitarbeiters in beiden Märkten signifikant die positive Markenwahrnehmung steigern konnte. Das Steigerungspotenzial des Markenimages bei positiver Ausprägung aller drei Verhaltensfaktoren betrug in die-ser Praxisstudie bis zu 30 %.

2.2.2   Die Points of Interaction markenkonform gestalten: eine unternehmensspezifische und abteilungsübergreifende Aufgabe

Wie die oben dargestellten Ausführungen gezeigt haben, bedarf das interaktions-orientierte Markenmanagement eines integrierten und umfassenden Vorgehens. Dieses Vorgehen wollen wir im Folgenden noch einmal kompakt und anschaulich anhand von drei zentralen Schritten zusammenfassen.

Schritt 1 Identifizierung: Wie Abb. 6 zeigt, beinhaltet der erste Schritt die interne Auseinandersetzung mit der eigenen Markenidentität des Unternehmens. Dies umfasst die Formulierung einer differenzierenden Vision und deren Konkretisie-rung in spezifische Markenwerte.

Schritt 2 Implementierung: Der zweite Schritt umfasst nun die interne Vermittlung der Markenidentität an die Mitarbeiter. Ziel ist hier die interne Verankerung eines positiven, klaren und starken Markenbildes im Kopf jedes einzelnen Mitarbeiters zur Schaffung eines externen positiven, klaren und starken Markenbildes im Kopf der Kunden. Wie oben aufgezeigt, beinhaltet dieser Schritt Maßnahmen zur Mit-arbeiterführung, Maßnahmen des internen Marketing und im Speziellen der inter-nen Kommunikation sowie interaktionsorientierte Maßnahmen an der Schnittstelle zum Kunden. In den Bereichen internes Marketing und interne Kommunikation lassen sich ganz unterschiedliche Möglichkeiten zur Vermittlung identifizieren, die häufig in integrierten Konzepten zur Anwendung kommen (z. B. die Kombination von nach innen orientierten Print- und Onlinekampagnen, die den Mitarbeiter für das Thema sensibilisieren, markenorientierten Events, auf denen die Mitarbeiter die Marke „spüren“ und sogenannten „Brand Bibles“, in denen letztendlich konkrete Richtlinien und Handlungsanweisungen für unterschiedliche hierarchische Ebenen festgehalten werden).

Im Rahmen der interaktionsbasierten Maßnahmen an der Schnittstelle zum Kun-den geht es um die konkrete Übersetzung der Markenwerte in Vorgaben für Ver-halten und Erscheinungsbild der Mitarbeiter im direkten Kontakt zum Kunden. Ziel ist es dabei, die Übersetzung der Markenwerte mit der Wahrnehmung und Sprache der Kunden abzustimmen, um den gewünschten externen Effekt, d. h. die Veranke-rung eines positiven Markenimages im Kopf der Kunden und damit die Steigerung des gesamten Markenwertes, zu erreichen. In diesem Schritt kommt der Marktfor-schung eine klare Bedeutung zu, indem sie über qualitative Methoden (z. B. Metho-

N. Blankenberg, S. Bartsch, S. Fichtel und A. Meyer

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de der kritischen Ereignisse) induktiv nach markenspezifischen Verhaltensweisen sucht und damit den Übersetzungsprozess unterstützt und/oder deduktiv über z. B. filmbasierte Experimente quantifiziert, welche Steigerungspotenziale ein marken-konformes Verhalten und Erscheinungsbild der Mitarbeiter schafft. Vorteil der filmbasierten Experimente ist, dass sie ex ante, d. h. vor der Konzeption und Ver-mittlung aufwendiger und teurer Schulungsprogramme, deren Wertbeitrag für den Aufbau des Markenimages am POI quantifizieren. Zugleich liefern sie marktfor-schungsbasierte Schulungs- und Rekrutierungsmedien (Kurzfilme zur Darstellung eines markenstärkenden Mitarbeiterauftritts am POI), die auf sehr anschauliche Art und Weise die ganz konkrete Umsetzung eines markenkonformen Verhaltens im direkten Kontakt zum Kunden zeigen.

Schritt 3 Maßnahmencontrolling: Nur über eine langfristige Kontrolle der Maß-nahmen kann Effektivität und Effizienz der Maßnahmen sichergestellt werden. Das Controlling beinhaltet dabei zum einen die markenorientierte Ausrichtung von internen und persönlichen Zielvereinbarungen zur Sicherstellung des markenstär-kenden Auftretens eines jeden Mitarbeiters. Zum anderen beinhaltet es aber vor allem auch die Definition von Kriterien, über die sich das markenkonforme bzw. nichtkonforme Verhalten von Mitarbeitern messen lässt. Diese Kriterien sollten in die bestehenden Controllinginstrumente (z. B. Mystery Shopping, schriftliche Kun-denbefragungen etc.) einfließen und im Rahmen einer Scorecard mit Zielgrößen zusammengeführt werden.

Die Effektivität der interaktionsorientierten Markenführung und damit des peo-ple-based Branding steht und fällt mit der Durchgängigkeit der aufgezeigten Maß-nahmen. Dies verlangt neben organisatorischer Schnittstellenarbeit (z. B. zwischen Markenmanagement, Marktforschung, Personal, Vertrieb und CRM) insbesondere auch die Integration der eingesetzten Forschungs-, Schulungs- und Controllingins-trumente. Idealerweise speisen sich Maßnahmen zur Förderung einer bestimmten Führungskultur, zur Schulung im POI, zur medialen Ansprache der Kunden und Mitarbeiter und zum Controlling einheitlich aus einer gemeinsamen Analysebasis. So schwer sich ausdifferenzierte Unternehmensorganisationen vielfach mit ab-teilungsübergreifenden Aufgaben und der notwendigen Schnittstellenarbeit tun – so wertvoll ist diese zuletzt für die interaktionsorientierte Markenführung. Denn nachhaltiger Markenerfolg wird vor allem dadurch gewährleistet, dass Kunden in den „Augenblicken der Wahrheit“ zufriedenstellende und einzigartig positive Leis-tungs- und Markenerlebnisse haben. Voraussetzung dafür ist ein integriertes und abgestimmtes Management von Markenwertdefinition und -vermittlung bis zum Erlebnismanagement in Beratung, Verkauf, Vertrieb und Service.

3   Fazit und Managementimplikationen

Aus Sicht des Branding und einer umfassenden Markenführung stellt die interak-tionsorientierte Markenführung eine große Herausforderung, aber gleichzeitig auch eine besondere Profilierungs- und Differenzierungschance dar. Unternehmen müs-

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sen die Chance offensiv nutzen, Mitarbeiter und Kunden über die Schaffung posi-tiver Markenerlebnisse zu Markenbotschaftern zu machen und damit ein positives Bild des Unternehmens im Markt zu gestalten.

Im Vergleich zur klassischen Markenkommunikation über Print und TV können (und sollten!) Unternehmen vor allem die Points of Interaction nutzen, um ihre Markenversprechen glaubwürdig umzusetzen und damit persönliche, emotionale und nachhaltige Markenerlebnisse im Kopf des Kunden zu verankern. Dies setzt allerdings voraus, dass Unternehmen das kunden- und das mitarbeiterbasierte Bran-ding als eine abteilungsübergreifende Aufgabe verstehen, die eine Integration von Markenmanagement, Marketing, HR, Marktforschung, Prozessmanagement sowie Training und Coaching voraussetzt. Am Ende zählt, dass der Mitarbeiter durch sein positives Markenbild und sein auf die Bedürfnisse des Kunden abgestimmtes mar-kenstärkendes Verhalten am POI positive Markenerlebnisse bei den Kunden schafft. Dies kann er nur erreichen, wenn ihm marken- und kundenorientierte Mittel und Informationen zur Vermittlung dieses Markenbildes an den Kunden zur Verfügung gestellt werden. Mit diesem markenorientierten Auftreten schafft der Mitarbeiter die zentrale Voraussetzung, auch Kunden zu Markenbotschaftern zu machen und hier einen zusätzlichen Hebeleffekt zu erzielen.

Haben Unternehmen dieses zusätzliche Potenzial der kundenseitigen Kommuni-kation und Interaktion erkannt, müssen sie Kunden zu Markenbotschaftern machen. Dies gelingt über die Beeinflussung und Aktivierung passiver und das Manage-ment aktiver Markenbotschafter sowie deren Interaktionen mit anderen Kunden bzw. Konsumenten rund um die Marke. Je nach strategischer Ausrichtung kann ein Unternehmen dabei verschiedene Rollen im Sinne eines Interaktionsinitiators, -moderators oder -mediators einnehmen. Die Tatsache, dass es bisher wenig empi-rische Erkenntnisse über die Effektivität und Effizienz der verschiedenen Manage-menttechniken gibt, verdeutlicht einmal mehr die Notwendigkeit, hier innovative Analysemethoden und Controllinginstrumente zu entwickeln, um schließlich auch durchgeführte Maßnahmen des customer-based Branding auf ihren Erfolg zu über-prüfen und diese daraufhin verbessern zu können.

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73

Zusammenfassung 

Neben Produkten und Marketingkommunikation sind es insbesondere die Mit-arbeiter eines Unternehmens, die die Marke nach außen hin verkörpern und durch ihr Verhalten das Markenerlebnis der Kunden wesentlich prägen. Die wissenschaft-liche Auseinandersetzung mit Fragen, wie das Mitarbeiterverhalten die Wahrneh-mung der Markenpersönlichkeit beeinflusst, steht erst am Anfang. In diesem Beitrag werden die Möglichkeiten beleuchtet, mithilfe von Sprache Aspekte der Marken-persönlichkeit zu kommunizieren. Ergebnisse verschiedener empirischer Studien zeigen, dass die Wahrnehmung der Mitarbeiterpersönlichkeit durch den gezielten Einsatz sprachlicher Stimuli variiert werden kann, und dass diese Veränderung den Mitarbeiter in der Kundenwahrnehmung als passender zur Marke erscheinen lässt.

1   Einleitung

Marken werden nicht nur durch Produkte und Marketingkommunikation aufgebaut und gepflegt, sondern auch durch das Verhalten aller Mitarbeiter eines Unterneh-mens, das sogenannte Brand Behavior (Tomczak et al. 2009). Die Mitarbeiter eines Unternehmens sind es, die die Marke nach außen hin verkörpern und durch ihr Verhalten das Markenerlebnis der Kunden wesentlich prägen (Berry 2000; Hartline et al. 2000). Insbesondere im Dienstleistungs- und B2B-Bereich hängt daher der Markenerfolg eines Unternehmens wesentlich vom „On-brand-Behavior“ der Mit-arbeiter ab (Henkel et al. 2007).

Unter dem Begriff Markenpersönlichkeit wird die Gesamtheit aller menschlichen Eigenschaften verstanden, die man einer Marke zuspricht (Aaker 1997, S. 347). Der Begriff der Persönlichkeit ist von jeher nicht auf den Menschen beschränkt, sondern

Emotionales Erleben der Markenpersönlichkeit durch verbales Mitarbeiterverhalten

Theo Lieven und Torsten Tomczak

T. Lieven ()Universität St. Gallen, St. Gallen, SchweizE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_5, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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wurde schon früh auf Dinge übertragen und machte aus diesen belebte Wesen (soge-nannter Animismus, vgl. Gilmore 2008, S. 12). So wird der Begriff auch für die Kenn-zeichnung von Produkten und Dienstleistungen verwendet. Aaker hat diese Konstruk-te erstmalig 1997 operationalisiert und messbar gemacht sowie den positiven Einfluss auf die Konsumenteneinstellung zur Marke durch Persönlichkeitsassoziationen bei andauernder Wahrnehmung starker Charakterzüge nachgewiesen (Aaker 1997, 1999). Im Rahmen weiterer empirischer Studien konnte die Relevanz der Markenpersönlich-keit für den Erfolg einer Marke bestätigt werden (siehe u. a. Freling und Forbes 2005).

Obwohl inzwischen zahlreiche Studien untersuchten, wie sich Markenpersön-lichkeitseindrücke bei den Konsumenten herausbilden und aktualisieren (Aaker et al. 2004; Johar et al. 2005), steht die Auseinandersetzung mit der Frage, wie das Mitarbeiterverhalten die Wahrnehmung der Markenpersönlichkeit beeinflusst, erst am Anfang (Wentzel 2009). Berry (2000) betont in diesem Zusammenhang, dass „service performers are a powerful medium for building brand meaning […]. Ser-vice providers make or break a brand, for the customers’ actual experiences with the service always prevail in defining the brand for them“ (Berry 2000, S. 135).

Generell bieten alle Formen der menschlichen Kommunikation zwischen Mit-arbeitern und Kunden die Möglichkeit, Aspekte der Markenpersönlichkeit zu trans-portieren. Bei vereinfachter Betrachtung lässt sich die menschliche Kommunika-tion in zwei Dimensionen unterteilen, in die verbale Kommunikation in Form von Sprache und die nonverbale Kommunikation in Form von menschlichen Handlun-gen und Ausdrucksweisen jenseits der Sprache (Kernstock 2009, S. 20).

Im Rahmen eines breit angelegten Forschungsprojektes haben wir uns mit den Möglichkeiten beschäftigt, durch Sprache Aspekte der Markenpersönlichkeit zu kom-munizieren. Um die isolierte Wirkung von Sprache untersuchen zu können, führten wir verschiedene Studien zum verbalen Verhalten von Mitarbeitern bei Kundentele-fonaten durch. Im folgenden Abschnitt wird ein heuristischer Bezugsrahmen vorge-stellt und das Markenerlebnis in Form eines Persönlichkeitsmodells operationalisiert. In Abschn. 3 werden die linguistischen Grundlagen beschrieben, wobei der Frage nach der Übertragung verbaler Äußerungen auf die Wahrnehmung durch die „Emp-fänger“ auf Basis einer explorativen empirischen Studie nachgegangen wird. Dies liefert als Ergebnis eine Liste konkreter Handlungsanweisungen für die Gestaltung sprachlicher Äußerungen. Abschn. 4 setzt diese Anweisungen anhand fiktiv gestalte-ter Kundentelefonate um und überprüft die Auswirkungen auf die Wahrnehmung von fünfzehn bekannten Marken. Im Abschn. 5 werden die Ergebnisse zusammengefasst und kritisch betrachtet sowie Implikationen für Wissenschaft und Praxis diskutiert.

2   Heuristischer Bezugsrahmen

2.1   Humanics und Markentonalität

Erfahrungen und Erlebnisse kommen durch Eindrücke zustande. Diese Eindrücke werden in der Literatur üblicherweise in drei Gruppen unterteilt (Carbone und Hae-ckel 1994, S. 13; Berry und Lampo 2004, S. 21):

T. Lieven und T. Tomczak

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• Functionals: Sie gehen auf die technische Qualität zurück. Funktioniert das Pro-dukt und existiert ein ausreichender Service?

• Mechanics: Sie sind mit Objekten verbunden und beziehen sich auf Aussehen, Geruch, Geräusch, Anmutung, Oberfläche etc.

• Humanics: Dazu zählen alle Eindrücke, die von Menschen ausgehen, wie Er-scheinungsbild, Sprache und charakterliche Eigenschaften.

Kunden erfassen Functionals und Mechanics eher rational, Humanics dagegen emo-tional (Berry und Lampo 2004, S. 21). Eine solche Klassifizierung korrespondiert mit der Markenidentitätseinteilung im sogenannten Markensteuerrad (Esch 2006, S. 12). Dort bilden der dritte und vierte Quadrant die Functionals ab (Eigenschaften und Nutzenversprechen), der zweite beschreibt die Mechanics (Markenbild: visu-elle, haptische, olfaktorische, akustische und gustatorische Eindrücke). Im ersten Quadranten befinden sich die, für die hier untersuchten Verhaltensweisen von Mit-arbeitern relevanten, Merkmale der Humanics. Über Persönlichkeitsmerkmale wird die Marke durch Emotionen und Gefühle erlebt. Beide Begriffe, Persönlichkeit und Emotion, bilden auch den Schlüssel für ein Modell, das die Erlebnisfähigkeit einer Marke in der (verbalen) Kommunikation erfassen soll.

Im deutschsprachigen Raum knüpfte Hieronimus (2003) mit seinen Arbeiten zur Markenpersönlichkeit an die Studien von Aaker an. In einer explorativen Analyse konnte er zwei Faktoren mit jeweils fünf Merkmalen ermitteln: Den Faktor Tempe-rament & Leidenschaft mit den Merkmalen temperamentvoll, fantasievoll, wage-mutig, leidenschaftlich und fröhlich sowie den Faktor Vertrauen & Sicherheit mit den Indikatoren erfolgreich, bodenständig, ehrlich, unverfälscht und zuverlässig. Die Validität der Konstrukte wurde in einer konfirmatorischen Analyse festgestellt. Insgesamt zeichnet sich dieses Persönlichkeitsmodell durch seine Schlankheit und durch geringe Querladungen zwischen den Faktoren aus.

2.2   Emotionen als Ausdruck der Persönlichkeit

Persönlichkeit und Emotion gehören eng zusammen (Pekrun 2000). Der Transport persönlichkeitsbezogener Emotionen wird im sog. Linsenmodell von Brunswick (1956) und Scherer (1992) beschrieben (hier zitiert nach Ellgring 2000), nach dem ein Empfänger unbewusst Reize wahrnimmt (Perzeption) und aufgrund der so er-langten Eindrücke Schlussfolgerungen (Inferenz) hinsichtlich der Persönlichkeits-merkmale und emotionalen Zustände zieht (Attribution), die der Sender durch sein Verhalten ausdrückt (Abb. 1).

2.3   Das Modell

Orientiert am Linsenmodell von Brunswick und Scherer lässt sich ein Modell zur Beschreibung des Erlebnisvorgangs einer Marke durch verbales Mitarbeiterverhal-ten entwickeln (Abb. 2). Verbales Verhalten wird über erzeugte Emotionen wahr-genommen und führt zu einer Vorstellung über die Persönlichkeit des Mitarbeiters.

Emotionales Erleben der Markenpersönlichkeit durch verbales Mitarbeiterverhalten

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Abb. 1   Linsenmodell nach Brunswick und Scherer. (Quelle: Ellgring 2000, S. 88)

Abb. 2   Modell des Vergleichs von Mitarbeiter- und Markenpersönlichkeit

T. Lieven und T. Tomczak

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Die Ausprägungen der Persönlicheitsmerkmale werden mit denen der Markenper-sönlichkeit verglichen. Je ähnlicher sich die Persönlichkeiten sind, desto mehr wird der Mitarbeiter als on-brand wahrgenommen.

Während der kausale Zusammenhang hinsichtlich Marke und Markenpersön-lichkeit intensiv erforscht wurde (siehe u. a. Hieronimus 2003), ist noch weitgehend ungeklärt, welche Emotionen durch welche Ausprägungen sprachlichen Verhaltens erzeugt werden und auf welche Persönlichkeitsmerkmale sich ihre Wahrnehmung auswirkt.

3   Linguistischer Bezugsrahmen

3.1   Verbale vs. nonverbale Emotionsauslöser

Das Verhaltenssinventar zur Beeinflussung der Emotionen ist bei Telefonaten nur linguistischer Natur, denn außer der Sprache und dem Gespräch stehen keine Inter-aktionsmittel zur Verfügung. Im Zusammenwirken von Atmung und Muskelanspan-nung wird der primäre Äußerungsprozess emotionaler Zustände gesehen (Scherer 1986). Der Mimik wurde in der Forschung früher mehr Bedeutung beigemessen als der Stimme (Schmidt-Atzert 1996, S. 107). Andere Forscher hingegen sehen in der Stimme „das ausdrucksstärkste und intimste Kommunikationsmittel mit gefühls-mäßiger Wirkung beim Hörer“ (Eckert und Laver 1994, S. 1). Von besonderem Interesse für die hier vorliegende Forschungsfrage im Bereich der Persönlichkeit ist die Auffassung Keilhackers, nach der der Zuhörer über die Art und Weise des Spre-chens zu allen Persönlichkeitsfacetten Zugang erhält (Keilhacker 1942, S. 114).

3.2   Gespräch und Gesprächsanalyse

Die Linguistik unterscheidet zwischen der Schriftsprache und dem gesprochenen Wort ( langue und parole bei de Saussure 1972, S. 32). Das gesprochene Wort wie-derum unterteilt sich in Monologe, Dialoge und in das Gespräch. Die Gesprächs-analyse unterscheidet zwischen drei Ebenen (Henne und Rehbock 2001, S. 14): den Gesprächsphasen (Eröffnung, Beendigung, Mitte), der mittleren Ebene (Gesprächs-schritte, Sprecherwechsel, Sequenzen, Gliederungssignale etc.) und der Mikroebe-ne mit den sprechinternen Elementen: syntaktische (Verknüpfung von Wörtern und Wortgruppen, vgl. Helbig 1991, S. 11), lexikalische (Einordnung der sprachlichen Elemente im „Lexikon“, vgl. Bergmann et al. 1991, S. 66), phonologische (erklärt die kleinsten Elemente der Sprache, Phoneme, vgl. ebd., S. 45) und prosodische Elemente (erzeugen die Emotionen). Die hierbei besonders effektive Prosodie um-fasst die hörbaren Phänomene wie Intonation (Tonhöhenverlauf), Lautstärke (Ak-zent), Länge, Pause, sowie die damit zusammenhängenden komplexeren Phänome-ne Sprechgeschwindigkeit/Tempo und Rhythmus (Selting 1995, S. 11).

Emotionales Erleben der Markenpersönlichkeit durch verbales Mitarbeiterverhalten

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3.3   Inventarium sprachlicher Mittel zur Emotionswahrnehmung

Als Emotionsinventar dient die Aufstellung von Kosarekova (2001), in der die Auswirkungen von drei der oben genannten gesprächsspezifischen Elemente zu-sammengefasst wurden. Dieses Inventar wurde durch Erkenntnisse der Gesprächs-analyse um die Wirkung prosodischer Elemente erweitert (Bolinger 1986, 1989; Tischer 1993; Selting 1995, 1997; Günthner 2000).

Die Ergebnisse obiger Analysen sind in der Tab. 1 zusammengefasst.

3.4   Einfluss der Emotionen auf die Persönlichkeitswahrnehmung

Im Rahmen einer umfangreichen explorativen Empirie wurde von uns untersucht, welche Emotionsäußerungen mit welchen Persönlichkeitsmerkmalen verbunden werden. In einer Onlineumfrage mit 477 Teilnehmern (52,1 % weiblich) gaben die Probanden zu jedem Emotionsbegriff an, welches der Persönlichkeitsmerkmale am besten durch diese Emotion beschrieben wird. Die Emotion Erregung z. B. weist demnach bei 31,7 % der Befragten auf das Persönlichkeitsmerkmal temperament-voll hin, bei weiteren 47,6 % auf leidenschaftlich.

4   Empirische Untersuchungen

Zur Anwendung des Modells (Abb. 1) und unter Zuhilfenahme der Wirkungszu-sammenhänge (Tab. 1 und 2) wurden folgende Schritte unternommen:• Empirische Ermittlung der zehn Persönlichkeitsmerkmale bei ausgesuchten

Marken;• Konstruktion und akustische Aufzeichnung zweier fiktiver Kundentelefonate

unter Anwendung der Erkenntnise aus Tab. 1 und 2;• Empirische Ermittlung der zehn Persönlichkeitsmerkmale bei den fiktiven Tele-

fonaten;• Vergleich der empirisch erhobenen Marken- und menschlichen Persönlichkeits-

merkmale, Untersuchung auf Ähnlichkeiten und Interpretation;• Von der Beurteilung der Persönlichkeitsmerkmale unabhängige empirische Er-

mittlung des in den Telefonaten zum Ausdruck kommenden On-brand-Verhal-tens in Bezug auf die unterschiedlichen Marken.

4.1   Fünfzehn Markenpersönlichkeiten

Zu zehn Produktmarken (BMW, Audi, Opel, Krombacher, Camel, Du darfst, Sheba, Persil, Nivea und Milka) und fünf Dienstleistungsmarken (Sparkasse, DHL, Post-bank, Allianz und Lufthansa) wurden die Indikatoren des Persönlichkeitsmodells von Hieronimus (2003) in einer Onlineumfrage erhoben.

T. Lieven und T. Tomczak

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Die Emotion … wird hervorgerufen durch die sprachlichen MittelErregung Verwendung von Ausrufesätzen: „Prima Mensch, …“; Nach-

fragen: „Wieso?“, globale hohe Tonhöhe, global größere Laut-stärke, lokale Akzente mit größerer Lautstärke, lokal größere Tonhöhenbewegungen, Streckung der Akzentsilben

Begeisterung Verwendung von Ausrufesätzen: „Das finde ich toll!“, „Ja!“, Adjektive, Interjektionen ja, doch; Verwendung positiv kon-notierter Wörter „Dankeschön“, „prima“, „großartig“, „toll“, „originell“, „hübsch“, „geschickt“, „professionell“, „gut“, „okay“, globale hohe Tonhöhe, global größere Lautstärke, lokale Akzente mit größerer Lautstärke, lokal größere Ton-höhenbewegungen, Streckung der Akzentsilben

Freude Wie BegeisterungIdeenreichtum, Humor, Witz Verwendung von Ausrufesätzen: „Ich hab’s!“, „Die Lösung!“,

„Genau!“, „Null-Komma-Nichts“, „Genau das ist mir letztens auch passiert.“, „Da von kann ich Ihnen ein Lied singen.“, „Das kenn’ ich!“. Global hohe Tonhöhe, lokale Akzente, lokal größere Tonhöhenbewegung, variationsreiche Rhythmik

Entschlossenheit, Optimis-mus, Zuversicht

Vermeidung relativierender Äußerungen, Verwendung von Ausrufesätzen „Ja, mache ich!“, Verwendung von Modalver-ben und -wörtern, Partikeln: „müssen“, „sollen“, „können“, „da“, „also“, „ja“, „natürlich“, „jedenfalls“, „genauso“, „ganz“, „wissen“, „garantiert“, „ich selber“, „bestimmt“. Vermeidung von großen Pausen bei der Beantwortung von Fragen, akzentu-ierte Sprechweise, Vokaldehnung

Souveränität, Bestimmtheit, Selbstbewusstsein, Selbstsi-cherheit, Selbständigkeit

Vermeidung relativierender Äußerungen („wirklich“, „viel-leicht“, „wahrscheinlich“, „allerdings“, „nämlich“). Vermei-dung eines tiefen Tonhöhenregisters, Vokaldehnung

Überzeugung, Gewissheit Verwendung von Ausrufesätzen „Ja, mache ich!“, „Eben!“. Vermeidung relativierender Modalwörter („aber“, „auch“, „bloß“, „denn“, „vielleicht“, „allerdings“, „überhaupt“, „eigentlich“ etc.) und des Konjunktivs („sollte“, „könnte“, „müsste“). Verwendung positiv konnotierter Wörter („natür-lich“, „jedenfalls“, „genauso“, „ganz“, „wissen“, „garantiert“, „bestimmt“). Vermeidung von langen Pausen bei der Beant-wortung von Fragen. Akzentuierte Sprechweise, Vokaldehnung

Sicherheit, Schutz, Stand-haftigkeit, Beständig-keit, Klarheit, Ordnung, Übersichtlichkeit

Verwendung positiv konnotierter Wörter („natürlich“, „jeden-falls“, „genauso“, „ganz“, „wissen“, „garantiert“, „bestimmt“). Verwendung von Ausrufesätzen „Ja, mache ich!“, „Eben!“. Vermeidung von langen Pausen bei der Beantwortung von Fragen. Akzentuierte Sprechweise, Vokaldehnung

Unbefangenheit, Natürlichkeit

Vermeidung komplizierter Fremdwörter. Vermeidung schrift-sprachlicher Satzkonstruktionen, Vermeidung markierter Akzente und fallender Tonhöhenbewegung bei Fragen, Ver-meidung von leiser und langsamer Sprechweise in niedriger Tonhöhe. Lokale Akzente mit größerer Lautstärke. Steigende Tonhöhenbewegung am Frageende zur Signalisierung von Offenheit und Unvoreingenommenheit

Tab. 1   Auswirkung sprachlicher Mittel auf die Emotionswahrnehmung

Emotionales Erleben der Markenpersönlichkeit durch verbales Mitarbeiterverhalten

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Die E-Mail-Anschriften der Befragten wurden bei jeder der hier durchgeführten Umfragen durch systematische Zufallsauswahl aus dem Pool von 135.000 Adressen eines deutschen Anbieters gezogen. Das Durchschnittsalter lag bei 31,9 Jahren und damit erheblich unter dem Bundesdurchschnitt von 43 Jahren (Statistisches Bun-

Tab.  2   Auswirkung veränderter Emotionswahrnehmung auf die Einschätzung von Persönlich-keitsindikatorenDie Emotion … … bewirkt eine Stärkung

der Wahrnehmung der Persönlichkeitsmerkmale

Anteil der Nennun-gen in %

Anteil der Nennungen für den Faktor in %Temperament & Leidenschaft

Vertrauen & Sicherheit

Erregung temperamentvoll 31,7 87,6 9,6leidenschaftlich 47,6

Begeisterung temperamentvoll 31,9fantasievoll 14,5 82,2 17,2leidenschaftlich 20,8

Freude fröhlich 63,9 80,1 19,3Ideenreichtum fantasievoll 82,6 89,7 9,4Humor, Witz fantasievoll 16,1 89,7 9,4

fröhlich 54,7Entschlossenheit wagemutig 26,0

erfolgreich 24,3 38,2 60,2bodenständig 15,5

Optimismus, Zuversicht

wagemutig 17,8 51,4 47,0erfolgreich 18,0

Souveränität erfolgreich 44,2 9,9 86,6zuverlässig 12,8

Bestimmtheit erfolgreich 27,9 26,2 66,7bodenständig 14,9

Selbstbewusstsein, Selbstsicherheit

erfolgreich 40,3 15,9 82,4bodenständig 15,1

Überzeugung, Gewissheit

erfolgreich 20,1bodenständig 17,6 10,9 86,8ehrlich 20,3zuverlässig 17,6

Sicherheit bodenständig 43,8zuverlässig 27,5 4,0 93,7erfolgreich 13,0

Standhaftigkeit, Beständigkeit

bodenständig 43,4 5,2 92,7zuverlässig 26,4

Klarheit, Ordnung, Übersichtlichkeit

zuverlässig 36,7bodenständig 30,2 3,8 95,4erfolgreich 16,8

Unbefangenheit, Natürlichkeit

fröhlich 11,5ehrlich 27,5 26,8 72,5unverfälscht 33,8

T. Lieven und T. Tomczak

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desamt für 2007). Der Anteil männlicher Probanden lag mit 53 % vs. 47 % etwas höher als im Bevölkerungsdurchschnitt (49 % vs. 51 %). Es lagen bei allen in dieser Untersuchung verwendeten Stichproben keinerlei Hinweise auf Inhomogenität vor. Fehlende Werte wurden durch die Mittelwerte der Stichprobe ersetzt (Hair et al. 1998, S. 54). Aus den fünfzehn bei jedem Fragebogen in zufälliger Reihenfolge neu geordneten Marken konnten sich die Befragten drei aussuchen, zu denen sie eine gewisse Affinität zu besitzen glaubten. Es kamen insgesamt 4224 Markeneinschät-zungen zustande (Tab. 3).

Bei den zehn Merkmalen liegen signifikant unterschiedliche Bewertungen je nach Geschlecht der Probanden in ca. einem Viertel der Fälle vor. Frauen schätzen dabei die Indikatoren zum Faktor Vertrauen & Sicherheit höher ein, lediglich bei BMW halten Männer die Marke für signifikant wagemutiger (5.09 % vs. 4.51 %), erfolgreicher (6.10 % vs. 5.56 %), bodenständiger (5.37 % vs. 4.81 %) und zuver-lässiger (5.86 % vs. 5.17 %).

4.2   Zwei unterschiedliche Telefonate

Die zu konstruierenden Telefonate sollten sich bei den Merkmalen zum Faktor Tem-perament & Leidenschaft unterscheiden: Gesprächstyp 1 sollte eher ruhig, weniger temperamentvoll und fröhlich sein und zu den Dienstleistern wie der Sparkasse, Lufthansa, Allianz usw. passen. Gesprächstyp 2 dagegen sollte sich durch gestei-gerte Wahrnehmung der Indikatoren dieses ersten Faktors den Marken BMW, Audi, Opel, Camel, Krombacher, Nivea, Sheba, Persil, Du darfst und Milka annähern.

Zur Erzeugung der Experimentalkonditionen in Form fiktiver Kundenberatungs-gespräche wurde auf das in Tab. 1 und 2 dargestellte sprachliche Instrumentarium zurückgegriffen. Im Sinne von „Regieanweisungen“ konnten somit zwei Gesprächs-skripte erstellt werden (Gespräch 1: ruhig; Gespräch 2: lebhaft, siehe Anhang), wel-che von je einer professionellen Rundfunksprecherin und einem Rundfunksprecher umgesetzt und aufgezeichnet wurden. Zur Einhaltung einer Ceteris-paribus-Umge-bung wurde darauf geachtet, dass die Gespräche im Wesentlichen gleich lang waren (die lebhaften Gespräche dauerten mit „37 vs. 33“ etwas länger als die ruhigen), dass der Anrufer möglichst neutral wirkte und in allen Gesprächen das Gleiche sag-te. Lediglich an sechs Stellen im Gespräch wurde eine gezielte Veränderung der Mitarbeiteräußerung im intendierten Sinne vorgenommen (siehe Anhang).

4.3   Vier verschiedene Mitarbeiterpersönlichkeiten

Die 2 × 2-Treatments (ruhig/lebhaft × weiblich/männlich) werden als W1 (weiblich, ruhig) und M1 (männlich, ruhig) bzw. W2 (weiblich, lebhaft) und M2 (männlich, lebhaft) bezeichnet. Die Gespräche wurden den Versuchsgruppen mittels Audio-dateien, die in eine Onlineumfrage eingebunden wurden, nach Zufallsauswahl vor-gespielt, woraus sich je Gespräch eine in etwa gleiche Stichprobengröße ergab. Von den 619 Befragten waren 45 % weiblich, 55 % männlich.

Emotionales Erleben der Markenpersönlichkeit durch verbales Mitarbeiterverhalten

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4,25

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n = 34

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526

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8

Tab.

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T. Lieven und T. Tomczak

Page 87: Erlebniskommunikation ||

83

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8

Tab.

 3 (

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Emotionales Erleben der Markenpersönlichkeit durch verbales Mitarbeiterverhalten

Page 88: Erlebniskommunikation ||

84

Die Bewertungen des Faktors Temperament & Leidenschaft liegen in den ru-higen Gesprächsversionen W1 und M1 im unteren Bereich, steigen aber in den lebhaften Versionen W2 und M2 an. Besonders auffällig sind die hohen Einschät-zungen zum Merkmal fröhlich (5.27 bei W2 und 5.12 bei M2).

4.4   Vergleich von Marken und Menschen

4.4.1   Zum Problem der Vergleichbarkeit von menschlicher Persönlichkeit und Markenpersönlichkeit

In der Literatur zu Persönlichkeitsmodellen ist die Frage der Zulässigkeit eines Ver-gleiches von Marken und Personen umstritten (Caprara et al. 2001, S. 392). Sollen Mitarbeiter- und Markenpersönlichkeit vergleichbar sein, müssen sie aus gleichen Konstrukten zusammengesetzt sein. Zur Überprüfung wurde mit den hier ermittel-ten Daten eine kovarianzbasierte konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA) durch-geführt (AMOS 18). Das Ergebnis ist in Abb. 3 dargestellt.

Die Gütekriterien sind erfüllt (Hu und Bentler 1999): SRMR  =  0,0538 < 0,100, CFI  =  0,948 > 0,900, RMSEA  =  0,061 < 0,080. Das Modell bildet die Daten somit hinreichend ab, sowohl für die Marken als auch für die Telefonate.

Gemäß Caprara et al. (2001) müssen „menschliche Eigenschaftsmerkmale, die auf Markenpersönlichkeiten übertragen werden, zu den gleichen Faktorlösungen führen wie beim Menschen“ (Caprara et al. 2001, S. 381, eigene Übersetzung). Deshalb wurde als Modellannahme verlangt, dass alle Parameter paarweise für bei-de Modelle gleich sind (sowohl Faktorladungen als auch die Korrelation zwischen beiden Faktoren). Dies führte zu einer Veränderung des χ2-Wertes von 2,189, was bei einer Zunahme von acht Freiheitsgraden deutlich unter dem entsprechenden Grenzwert der χ2-Verteilung von 15,51 liegt. Es kann demnach davon ausgegan-gen werden, dass in beiden Fällen das Gleiche gemessen wird und ein Vergleich zwischen Marken- und menschlicher Persönlichkeit zumindest innerhalb des hier verwendeten Modellrahmens zulässig ist.

4.4.2   Vergleich der Persönlichkeitsmerkmale nach entsprechenden Stimuli-Variationen W1, W2, M1 und M2

Die Übersicht über die Gesprächseinschätzungen in Tab. 4 zeigt ähnliche Bewertun-gen für jeweils die beiden ruhigen (W1 und M1) und die beiden lebhaften Telefo-nate (W2 und M2). M1 ist lediglich signifikant bodenständiger als W1 ( p < 0,050), M2 ist temperamentvoller ( p < 0,050), wagemutiger ( p < 0,050) aber weniger ehr-lich ( p < 0,050) als W2. Anders verhält es sich dagegen beim Vergleich der ruhigen mit den lebhaften Versionen (W1 vs. W2 sowie M1 vs. M2). Während die Werte für den Faktor Vertrauen & Sicherheit nahe beieinanderliegen, verfügen die Merkmale des Faktors Temperament & Leidenschaft in den lebhaften Versionen (W2 und M2) über deutlich höhere Ausprägungen. Nach einem t-Test auf Mittelwertgleichheit können alle Werte des Faktors Temperament & Leidenschaft sowohl der Telefonis-tin als auch des Telefonisten in der lebhaften Gesprächsversion als signifikant höher

T. Lieven und T. Tomczak

Page 89: Erlebniskommunikation ||

85

Abb

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Emotionales Erleben der Markenpersönlichkeit durch verbales Mitarbeiterverhalten

Page 90: Erlebniskommunikation ||

86

Tab.

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T. Lieven und T. Tomczak

Page 91: Erlebniskommunikation ||

87

eingestuft werden (p < 0.010). Dies unterstreicht die Wirksamkeit der Anwendung der Erkenntnisse aus den Tab. 1 und 2, das damit als valides linguistisches Ge-staltungsmodell zur Anpassung von Kundenerlebnissen bei der Wahrnehmung der Mitarbeiterpersönlichkeiten angesehen werden kann.

Die Nähe der Telefonate zu den fünfzehn Marken kann auch umgekehrt durch die Entfernung als euklidische Distanzen ausgedrückt werden.

mi,k: k-tes Merkmal von Marke i;tj,k: k-tes Merkmal von Telefonat j;i ∈ {Allianz, Audi, BMW, Camel, DHL, Du darfst, Krombacher, Luft-

hansa, Milka, NIVEA, Opel, Persil, Postbank, Sheba, Sparkasse};J ∈{M1, W1, M2, W2};K = 1 … 10 entsprechend den zehn Merkmalen des Persönlichkeitsmodells.

Insgesamt ergeben sich demnach 15 × 4  =  60 unterschiedlich Distanzen, die in Tab. 5 wiedergegeben werden, wobei unterschieden wird, ob entsprechend dieser berechneten Werte eher das ruhige (links) oder das lebhafte Gespräch (rechts) näher zur Marke liegt.

Die Dienstleistungsmarken Allianz, DHL, Lufthansa, Postbank und Sparkasse „bevorzugen“ demnach die ruhigen Varianten, hinzu kommt die Marke Persil. Die restlichen Produktmarken liegen näher bei der lebhaften Gesprächsversion 2.

Es ist plausibel, dass eine Sparkasse wenig wagemutig und eine Allianz-Versi-cherung weniger fröhlich ist. Auf der anderen Seite spricht man gerade BMW diese Freude (am Fahren) zu, auch sind die Attribute temperamentvoll, leidenschaftlich und fantasievoll als durchaus passend für diese Marken zu betrachten.

Allerdings ergaben sich die Distanzwerte aus einer eher synthetischen Betrach-tung heraus, indem empirisch erhobene Ausprägungen von Persönlichkeitsmerk-malen geometrisch verglichen wurden, was der „ingenieursmäßigen“ Steuerung des Mitarbeiterverhaltens diente. Entscheidend aber ist die qualitative Zuordnung der Telefonate als on-brand zu den Marken durch die Konsumenten.

4.5   Beurteilung der Telefonate als on-brand  zu den fünfzehn Marken

Entsprechend einer hypothetischen Praxissituation, in der der Marketingplaner an-hand obiger Vorgehensweise das Mitarbeiterverhalten „labormäßig“ an die Mar-ke angepasst hat, muss nun überprüft werden, ob die Manipulationen tatsächlich zu einer On-brand-Einschätzung geführt haben. Dies erfolgt mit einer qualitativen

Euklidische Distanzi,j =

√√√√10∑

k=1

(mi,k − tj ,k)2

Emotionales Erleben der Markenpersönlichkeit durch verbales Mitarbeiterverhalten

mit

Page 92: Erlebniskommunikation ||

88

Tab. 5   Euklidische Distanzen zwischen Marken und TelefonatenPräferenz für ruhige Gesprächsversion Präferenz für lebhafte GesprächsversionMarke Gespräch Euklidische

DistanzMarke Gespräch Euklidische

DistanzAllianz M1 1,55 Audi M1 4,51

W1 1,58 W1 4,98M2 3,08 M2 3,50W2 3,04 W2 3,38

DHL M1 1,03 BMW M1 3,73W1 1,34 W1 4,17M2 2,39 M2 2,63W2 2,22 W2 2,64

Lufthansa M1 1,92 Camel M1 2,29W1 2,38 W1 2,64M2 2,47 M2 1,52W2 2,12 W2 1,58

Persil M1 2,66 Du darfst M1 2,05W1 3,13 W1 2,42M2 3,21 M2 1,48W2 2,76 W2 1,05

Postbank M1 1,15 Krombacher M1 3,00W1 1,37 W1 3,51M2 2,83 M2 2,64W2 2,65 W2 2,23

Sparkasse M1 1,37 Milka M1 3,66W1 1,67 W1 4,11M2 3,07 M2 2,85W2 2,79 W2 2,42

Nivea M1 3,37W1 3,86M2 3,19W2 2,70

Opel M1 1,73W1 2,17M2 1,71W2 1,41

Sheba M1 2,37W1 2,77M2 1,89W2 1,50

T. Lieven und T. Tomczak

Page 93: Erlebniskommunikation ||

89

empirischen Untersuchung anhand kategorialer Einordnung der Gespräche zu den Marken.

Zur Überprüfung wurde vier Teilnehmergruppen online je ein Paar von zwei Telefonaten zum Vergleich vorgestellt: W1-W2, M1-M2, W1-M1, W2-M2. Die Probanden sollten jeweils festlegen, welches der beiden Telefonate zu den fünfzehn Marken besser passt (entweder das erste der beiden Gespräche, das zweite, oder keines). 604 Personen (wiederum aus dem gleichen Panel mittels Zufallsauswahl gezogen) nahmen mit 4418 Nennungen an der Untersuchung teil. 44 % der Teil-nehmer waren weiblich, 56 % männlich. Die unterschiedlichen Markennennungen sind Tab. 6 zu entnehmen.

Tabelle 6 gibt Auskunft darüber, welche Anwendung sprachlicher Mittel zu wel-cher On-brand-Wahrnehmung führt. Je höher die Werte (kursiv gedruckt), desto besser wird das On-brand-Verhalten eingeschätzt. Die Treatments des lebhaften Gespräches W2 führen bei der weiblichen Telefonistin zu einer verbesserten On-brand-Beurteilung gegenüber W1 bei den Produktmarken Du darfst, Milka, Nivea und Persil. Verhält sich der Telefonist verbal ruhiger, empfinden die Konsumenten ihn eher als on-brand zu den Dienstleistern und den Automobilmarken. Die lebhafte Version passt dagegen zu Camel und Krombacher.

Die Interpretation solcher Kreuztabellen anhand der Zahlenwerte ist mühsam. Es empfiehlt sich in diesen Fällen eine Korrespondenzanalyse mit grafischer Dar-stellung (Greenacre und Blasius 1994; Blasius 2001; Greenacre und Blasius 2006; Greenacre 2007). In der grafischen Darstellung zur Korrespondenzanalyse können sowohl Marken und Telefonate in einem gemeinsamen Wahrnehmungsraum abge-bildet werden. Die Korrespondenzanalyse benutzt die χ2-Distanzen zwischen er-warteten und beobachteten Werten zur Berechnung von Schwerkraftverteilungen um den Koordinatenmittelpunkt, den sogenannten Centroiden. Je näher die Werte zu ihm liegen, umso mehr handelt es sich bei den Fällen oder Merkmalen um sol-che, die allgemeinhin als wichtig erachtet werden. Aus der Sicht des Marketings handelt es sich beim Centroiden um den „Mainstream“ (Abb. 4).

Der χ2-Wert der durchgeführten Korrespondenzanalyse liegt bei 545,193 ( p < 0,001) und legt nahe, dass die Zuordnung der Marken nicht zufällig erfolgte, sondern entsprechend des On-brand-Verhaltens der Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterin-nen in den Telefonaten. Das 2 × 2-Versuchsdesign spiegelt sich durch eine rechte, weibliche Seite (W) und eine linke, männliche Seite (M) sowie eine untere Hälfte für die ruhigen Versionen (1) und eine obere für die lebhaften wider (2). Die waa-gerechte Achse könnte als Geschlecht interpretiert werden, die horizontale Achse bildet die unterschiedlichen Treatments ruhig/lebhaft ab. Produktmarken werden offensichtlich eher als lebhaft empfunden, Dienstleister eher als ruhig.

Dies korrespondiert mit der Analyse der euklidischen Distanzen (Tab. 5): Alle Dienstleister wiesen die kleinste Distanz zu einer ruhigen Gesprächsversion auf, neun Produktmarken lagen einer der lebhaften Gesprächsversionen am nächsten. Le-diglich Persil weist die Distanz zu M1 auf, obwohl der Unterschied zu W2 gering ist.

Emotionales Erleben der Markenpersönlichkeit durch verbales Mitarbeiterverhalten

Page 94: Erlebniskommunikation ||

90

Tab.

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T. Lieven und T. Tomczak

Page 95: Erlebniskommunikation ||

91

5   Fazit

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie zeigen einerseits, dass die Wahrnehmung der Mitarbeiterpersönlichkeit durch den gezielten Einsatz sprachlicher Stimuli er-folgreich variiert werden kann, und andererseits, dass diese Veränderung den Mit-arbeiter in der Kundenwahrnehmung als passender zur Marke erscheinen lässt. Der vorliegende Beitrag stellt einen ersten Ansatz zur Verfügung, um mithilfe einer generalisierbaren Mess- und Steuerungstechnik verbales On-brand-Behavior bei Mitarbeitern zu trainieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Anpassung an eine bestehende Markenpersönlichkeit erfolgen soll oder ob eine Ausrichtung des Mit-arbeiterverhaltens an andere Ausprägungen, etwa im Zuge der Neueinführung oder des Relaunches einer Marke, angestrebt wird.

Wichtige Einflussfaktoren, die das verbale Verhalten prägen, konnten allerdings im Rahmen der vorgestellten Studien nicht berücksichtigt werden und weisen auf einen weiteren Forschungsbedarf in diesem Feld hin. So wurde bei Tonhöhen und Akzenten lediglich die F0-Grundfrequenz untersucht (z. B. bei deren Anhebung in den lebhaften Versionen zum Ausdruck von Begeisterung und Temperament). Auch Obertöne und sog. Formanten, die das Timbre und die Anmutung der Stimme prä-gen, blieben unberücksichtigt. Ferner fanden dynamische Effekte in der Konversa-tion keine Beachtung. Gesprächsverläufe werden aber erheblich durch die gegen-seitige verbale Interaktion beeinflusst.

6   Anhang: Telefonate

Telefonate 1 (ruhig) und 2 (lebhaft)

(Eine Aufstellung der Transkriptionszeichen erfolgt im Anschluss.)

Abb. 4   Korrespondenzana-lystische Darstellung der Nennungen von 4 Telefona-ten als on-brand zu 15 Mar-ken (λ1 = 0.829, λ2 = 0.135)

Emotionales Erleben der Markenpersönlichkeit durch verbales Mitarbeiterverhalten

Page 96: Erlebniskommunikation ||

92

Anrufer: Also, als ich da letzte Woche bei Ihnen

angerufen habe und ich’s dann ja auch so

gemacht habe, wie Sie gesagt haben, ja, da

klappt’s auf einmal.

Telefonist/in 1: Hmh, das freut mich zu ↑`HÖR’n!

Telefonist/in 2: Ach ↓_MENSCH, das find’ ich ja ↑←¯TOLL. Na

↑`PRIma!

Telefonist/in 2 macht ausgiebig Gebrauch von lexikalischen und prosodischen Mit-teln, die Erregung und Begeisterung ausdrücken, z. B. die Worte „Mensch“, „toll“ und „prima“. Beide Emotionen wirken sich steigernd auf die Indikatoren temper-amentvoll, fantasievoll, leidenschaftlich und fröhlich aus. Telefonist/in 1 ist deut-lich reservierter, aber immer noch freundlich. Maßgeblich für einen temperament-vollen Auftritt sind die vermehrt auftretenden Tonhöhenbewegungen. In Gespräch 1 befindet sich lediglich am Ende der Äußerung ein markanter Anstieg.

Anrufer: Aber nun hab ich ein kleines Problem.

Telefonist/in 1: Ja ↓´BITte?

Telefonist/in 2: ↓´JA?

Beide antworten mit einem Satzäquivalenz (für „Fahren Sie bitte fort, ich höre Ih-nen zu.“) als nicht einschränkender offener Frage, deren Tonhöhe am Ende ansteigt (Selting 1995, S. 241 ff.). Telefonist/in 1 ist durch die Verwendung des „bitte“ etwas formeller.

Anrufer: Also, meine Frau, die meint, also die hat’s

sich jetzt doch nochmal anders überlegt

Telefonist/in 1: ↓´ähä (Rezeptionssignal, gesprochen mit

Glottalverschluss, d. h. kurzzeitigem

Verschluss des Kehlkopfes wie bei

anlautenden Vokalen)

Telefonist/in 2: (h) [Lachpartikel] Ja `das `KENN `ich!

Telefonist/in 2 macht einen humorvollen Einwurf. Paraphrasierend erweitert könnte dieser Satz lauten „Ja, das kenne ich von mir.“ Diese Äußerung soll die Indikatoren fantasievoll und vor allem fröhlich steigern. Erheiterung wird als angenehm emp-funden und daher den sog. positiven Emotionen zugerechnet (Ruch 2000, S. 231). Humor kann höfliche Distanz und höfliche Wertschätzung auch in einer formal-distanzierten Beziehungsqualität eines Kundentelefonats kommunizieren, solange die Scherzkommunikation den Rahmen der kodifizierten Höflichkeit nicht verlässt (Kotthoff 1998, S. 8). In der angloamerikanischen Literatur wird vermehrt über den Nutzen von Erheiterung, Lachen und Humor bei Verkauf und Werbung nachgedacht (Ruch 2000, S. 237). Wegen der nicht zu übersehenden Gefahr einer unhöflichen Wirkung auf den Anrufer – es handelt sich um eine, wenn auch wohlwollende, Äu-ßerung zur Frau des Anrufers – wurde großer Wert auf die richtige, nämlich hu-morvolle Ausführung mittels eines Lachpartikels gelegt. Telefonist/in 1 verwendet lediglich ein Rezeptionssignal.

T. Lieven und T. Tomczak

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93

Anrufer: Und jetzt will ich sie halt überzeugen,

doch bei ihrer ersten Entscheidung zu

bleiben, aber wie mach ich das bloss?

Telefonist/in 1: Wie ↑`WÄR’s, wenn sie ihr den

Ver←↑`GLEICHStest zeigen, bei ↑DEM Preis

wird sie beSTIMMT zUstimmen.

Telefonist/in 2: AA::h, da ↑`WEISS ich was! Sie zeigen ihr

einfach den Ver↓´GLEICHStest und wenn Sie

dann den ↑`PREIS sieht, dann stimmt sie

↑`GARantiert zu, ganz ↑`SICHer!

Beide Telefonist/innen versuchen, ein Gefühl von Vertrauen & Sicherheit durch entsprechende Wortwahl zu erzeugen („garantiert“, „sicher“, „bestimmt“). Telefo-nist/in 2 wirkt durch expressive Ausdrucksweise (AA::h, PREIS, GARantiert, SI-CHer) steigernd auf die Wahrnehmung der Erregung und Begeisterung, aber auch auf Sicherheit und Bestimmtheit ein. Gespräch 1 ist ruhiger gehalten.

Anrufer: Na hoffentlich. Können Sie mir den

Testbericht noch mal zuschicken bitte?

Telefonist/in 1: ←↑`GERne, so←↑`FORT.

Telefonist/in 2: Ja `klar, mach ich so←↑`FORT.

Beide Äußerungen sind ähnlich, das Wort sofort soll das Gefühl der Zuverlässigkeit begünstigen. Telefonist/in 2 antwortet weniger formell und eher umgangssprachlich („Ja klar“).

Anrufer: Dann zeig’ ich ihr den, ja und dann sehen

wir weiter.

Telefonist/in 1: Gut.

Telefonist/in 2: ←↑E`ben!

Statt eines neutralen „Gut“ beweist Telefonist/in 2 noch einmal ihre Begeisterung.

Transkriptionszeichen  (Selting et al. 1998): Großbuchstaben bezeichnen einen Akzent, wie in BUCHstabe.

↓ bezeichnet einen Tonhöhensprung nach unten.↓´ bezeichnet einen Tonhöhensprung nach unten in das „Tal“ der Akzentsilbe und

einen anschließenden Tonhöhenanstieg als typische Prosodie der Frage, z. B.„Ist es ein ↓´BUCHstabe?“.

↑ bezeichnet einen Tonhöhensprung nach oben.↑‚ bezeichnet einen Tonhöhensprung nach oben auf den „Gipfel“ der Akzentsilbe

und einen anschließenden Tonhöhenabfall als typische Prosodie des Aussage-satzes: „Es ist ein ↑‚BUCHstabe.

Emotionales Erleben der Markenpersönlichkeit durch verbales Mitarbeiterverhalten

Page 98: Erlebniskommunikation ||

94

_ Querstriche zeigen an, dass die Tonhöhe nach dem Tonhöhensprung gehalten wird: ↓_ steigt nach dem Tonhöhensprung in das Tal nicht wieder an.

: Vokaldehnung‚ abfallender Tonhöhenverlauf

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Emotionales Erleben der Markenpersönlichkeit durch verbales Mitarbeiterverhalten

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Zusammenfassung 

Eine erfolgreiche Differenzierung vom Wettbewerb und Profilierung gegenüber Kunden stellt Einzelhandelsunternehmen in zunehmendem Maße vor große He-rausforderungen. Ein wichtiger Ansatz zur Bewältigung dieser Problematik wird in der Generierung von Einkaufserlebnissen gesehen. In diesem Zusammenhang wird insbesondere dem Kommunikationsinstrument Kundenevents eine große Bedeutung zur Schaffung von Einkaufserlebnissen und damit zur Differenzierung von Wettbewerbern zugesprochen. Der vorliegende Beitrag thematisiert Kunden-events im Einzelhandel und zeigt im Rahmen einer empirischen Untersuchung die Relevanz dieses Instruments zur Erzeugung positiver Einkaufserlebnisse auf.

1   Einleitung

Kennzeichnend für den deutschen Einzelhandel ist eine Umbruchsituation, welche maßgeblich auf sich verändernde Markt- und Wettbewerbsbedingungen sowie Än-derungen im Konsumentenverhalten zurückgeführt werden kann. Betrachtet man derzeitige Entwicklungen im Einzelhandel, so lässt sich feststellen, dass dieser in zunehmendem Maße als gesättigter Markt angesehen werden kann und Einzelhan-delsumsätze weitgehend stagnieren (Eggert 2006, S. 35 f.; EHI 2009, S. 173). Hin-zu kommt eine stetige Intensivierung des Wettbewerbs, welche sich nicht nur im Inter- und Intrabetriebsformenwettbewerb (Liebmann et al. 2008, S. 149), sondern auch im Wettbewerb zwischen verschiedenen Vertriebsformen (wie z. B. stationä-

Einkaufserlebnis durch Kundenevents im Einzelhandel

Marko Schwertfeger, Alexander Leischnig und Margit Enke

M. Schwertfeger ()Technische Universität Bergakademie Freiberg, Freiberg, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_6, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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rer Handel vs. Versandhandel) und Institutionen (wie beispielsweise Hersteller vs. Einzelhandel) äußert (Haller 2008, S. 83 f.).

Neben diesen Marktentwicklungen stellen insbesondere Änderungen im Konsu-mentenverhalten Einzelhandelsunternehmen vor große Herausforderungen. So ist zum einen anzuführen, dass der Anteil der Ausgaben der privaten Haushalte im Einzelhandel seit Jahren rückläufig ist (Statistisches Bundesamt 2010, S. 82). Zum anderen können Verschiebungen der Bedürfnisse und Wertestrukturen der Konsu-menten festgestellt werden, die für den Einzelhandel weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen. Individuelle Erwartungen und Wünsche der Kunden besitzen heu-te eine weitaus größere Bedeutung (Klaus 2007, S. 2; Kroeber-Riel et al. 2009, S. 138 f.). Ferner entsteht aufgrund veränderter Lebensstile, die aus einer zuneh-menden Freizeit- und Erlebnisorientierung von Konsumenten resultieren, die Not-wendigkeit einer emotionalen Ansprache des Kunden (Esch 2008, S. 38; Kroeber-Riel et al. 2009, S. 139).

Die aufgezeigten Veränderungen verdeutlichen, dass im Einzelhandel die Not-wendigkeit einer Differenzierung von Wettbewerbern sowie eine Profilierung gegenüber bestehenden und zukünftigen Kunden eine herausfordernde Aufgabe darstellt (Arnold und Reynolds 2003, S. 77; Carpenter und Moore 2009, S. 73). Eine Möglichkeit zur Differenzierung im Einzelhandel wird in der Schaffung und Vermittlung von Einkaufserlebnissen gesehen (Grewal et al. 2009, S. 1 ff.; Verhoef et al. 2009, S. 31 ff.). Hierbei können kommunikative Maßnahmen einen wichtigen Beitrag leisten (Ailawadi et al. 2009, S. 42 ff.; Bellenger, Korgaonkar 1980, S. 92). Vor allem dem Kommunikationsinstrument Kundenevents wird eine zentrale Rol-le bei der Schaffung kundenseitiger Einkaufserlebnisse zugesprochen (Sands et al. 2009, S. 386 ff.; Sit et al. 2003, S. 80 ff.).

Im Rahmen des vorliegenden Beitrags gehen wir der Frage nach, inwieweit Kundenevents im Einzelhandel zur Schaffung positiver Einkaufserlebnisse beitra-gen können. Die Zielstellung des Beitrags kann in zwei Teilziele untergliedert wer-den. Das erste Teilziel besteht darin, bisherige Erkenntnisse zu Kundenevents im Einzelhandel zu erfassen und zu systematisieren. Das zweite Teilziel des Beitrags bezieht sich auf die empirische Untersuchung des Zusammenhangs zwischen der kundenseitigen Wahrnehmung von Events und der Schaffung positiver Einkaufs-erlebnisse.

Der Beitrag gliedert sich wie folgt: Im nachfolgenden Abschnitt definieren wir zuerst den Begriff Kundenevents und zeigen charakteristische Merkmale dieses Kommunikationsinstruments auf. Ferner geben wir einen Überblick über relevante Arbeiten zum Thema Kundenevents im Einzelhandel. Anschließend entwickeln wir ein Modell, welches die Wirkung von Kundenevents auf die Schaffung positiver Einkaufserlebnisse abbildet. Im Anschluss daran wird auf die empirische Analyse eingegangen. Der Beitrag endet mit der Vorstellung der Ergebnisse sowie einer Dis-kussion dieser.

M. Schwertfeger, A. Leischnig und M. Enke

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2   Literaturüberblick zu Kundenevents im Einzelhandel

Unter einem Event kann allgemein ein organisiertes Ereignis verstanden werden, bei dem den Zielgruppen etwas Interessantes geboten wird (z. B. Zanger, Drengner 2009, S. 197 ff.). Events bilden den inhaltlichen Kern des Eventmarketings und umfassen inszenierte Ereignisse in Form von Veranstaltungen oder Aktionen, bei denen Kommunikationsinhalte auf eine erlebnisorientierte Weise vermittelt werden (Zanger 2007, S. 32 f.).

Wie die Literatur zeigt, sind Events durch drei wesentliche Merkmale gekenn-zeichnet: 1) Events werden typischerweise zu einem bestimmten Zeitpunkt oder auf eine diskontinuierliche Weise veranstaltet (z. B. Roslow et al. 1992, S. 53 f.; Sit et al. 2003, S. 84). 2) Events erlauben teilnehmenden Besuchern eine Interaktion mit dem veranstaltenden Unternehmen (z. B. Close et al. 2006, S. 420; Gupta 2003, S. 88 f.; Sneath et al. 2005, S. 374). 3) Events zielen auf eine emotionale Ansprache der teilnehmenden Besucher ab und schaffen somit affektiv geladene Erlebniswel-ten (z. B. Close et al. 2009, S. 272; Sit et al. 2003, S. 84; Parsons 2003, S. 75).

Aufbauend auf diesen Erkenntnissen zu Events im Allgemeinen leiten wir im Rahmen des vorliegenden Beitrags eine Definition von Kundenevents im Einzel-handel ab. Wir verstehen unter einem Kundenevent eine von einem Handelsunter-nehmen organisierte, zeitlich begrenzte und oftmals in der eigenen Einkaufsstät-te durchgeführte Veranstaltung oder Aktion, welche das Ziel hat, teilnehmenden Kunden eine positive, erlebnisorientierte Erfahrung zu verschaffen und dabei die Marketingziele des Handelsunternehmens zu unterstützen. Als typische Beispiele für Kundenevents im Einzelhandel sind Modenschauen, Ausstellungen oder auch Auftritte von Prominenten anzusehen.

Nachdem unser Verständnis von Kundenevents im Einzelhandel erarbeitet wurde, widmen wir uns im Folgenden dem Literaturüberblick zu relevanten For-schungsarbeiten mit Bezug zu Kundenevents im Einzelhandel. Tabelle 1 fasst wichtige Arbeiten zu diesem Themengebiet zusammen; es können hierbei zwei For-schungsrichtungen unterschieden werden: 1) Arbeiten, die sich maßgeblich mit der Schaffung von Einkaufserlebnissen in Form von Retail Spectacles befassen (u. a. Borghini et al. 2009) und 2) Arbeiten mit Bezug zu Kundenevents im Einzelhandel (u. a. Sands et al. 2008; Sit et al. 2008).

Auf der einen Seite setzen Hersteller Kundenevents in Form von Retail Spec-tacles ein, um Einkaufserlebnisse zu schaffen. Dabei steht die Herstellermarke im Mittelpunkt und wird über verschiedene Events und Aktivitäten inszeniert. Zielset-zung ist die Stärkung des Images der Herstellermarke durch aufwendige und emo-tionsgeladene Inszenierungen in Form von Retail Spectacles in oftmals hersteller-eigenen Verkaufsräumen, wie z. B. Flagship-Stores. Auf der anderen Seite werden Kundenevents im Einzelhandel durch Handelsunternehmen selbst durchgeführt. Dabei steht ebenso die Beeinflussung des Images des beteiligten Unternehmens im Vordergrund, wobei die Kundenevents in Einkaufszentren oder in der Einkaufsstät-te eines Handelsunternehmens durchgeführt werden.

Einkaufserlebnis durch Kundenevents im Einzelhandel

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Autor/en (Jahr) Fokus des Beitrags Zentrale ErkenntnisseForschungsrichtung 1: Retail SpectaclesKozinets et al. (2002)

Flagship-Stores Themenbasierte Flagship-Stores stellen die Marke durch unterhaltende Serviceleistungen darDie Generierung von Erlebnissen setzt ein starkes, aus Kundensicht als attraktiv empfundenes, Erleb-niselement der Marke voraus

Hollenbeck et al. (2008)

Erweiterung der Bedeutung einer Marke

Kundenevents schaffen individuelle Erlebnisse, die zum Kauf führenDer Besuch eines Markenmuseums ruft einzigartige Erlebnisse aufgrund größerer Vertrautheit mit der Marke hervor

Borghini et al. (2009)

Ideologie eines Handelsunternehmens

Einkaufserlebnisse können durch die Ideologie eines Unternehmens erzeugt werden. Diese wird u. a. durch physische Erlebnisse und die Möglich-keit von Konsumenten, sich in diesen zu engagie-ren, erzeugt

Forschungsrichtung 2: Kundenevents im EinzelhandelFrasquet et al. (2001)

Einkaufsstättenwahl Der wahrgenommene Nutzen des Einkaufszentrums wird u. a. durch den Faktor Atmosphäre determi-niert, der spezielle Events im Einkaufszentrum beinhaltetIn einer Clusteranalyse können zwei Kundengrup-pen identifiziert werden, die den wahrgenommenen Nutzen des Einkaufszentrums u. a. anhand der Events beurteilen

Parsons (2003) Wirkung von Promotions

Unterhaltende Events sind Faktoren für steigende Besuchshäufigkeit, Absatzsteigerung und Wahl des Einkaufszentrums

Sit et al. (2003) Image von Einkaufszentren

Unterhaltende Events stellen ein Attribut zum Auf-bau eines Einkaufszentrenimages darEinigen Kundengruppen sind unterhaltende Events besonders wichtig

Drengner (2006) Imagebeeinflussung durch Events

Es besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Flowerleben und dem Image des EventobjektesFür einen Imagetransfer werden flowfördernde Rahmenbedingungen betrachtet

Sit et al. (2006) Special Event Entertainment

Wirkungen des Events werden durch dessen Nutzung als Informationskriterium sowie dessen gesamte Einschätzung determiniert Diese Größen werden ihrerseits wiederum durch die Tendenz zur Sensationssuche sowie den wahrgenommenen Nutzen des Events beeinflusstAls verhaltensbezogene Wirkungen werden die Wahrscheinlichkeit steigender Besuche sowie die Aufenthaltsdauer im Einkaufszentrum vorgeschlagen

Sands et al. (2008)

Auswirkungen von Events

Events beeinflussen das wahrgenommene Shopping Enjoyment sowie das beabsichtigte Kaufverhalten

Tab. 1   Literaturüberblick

M. Schwertfeger, A. Leischnig und M. Enke

Page 104: Erlebniskommunikation ||

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3   Literaturüberblick zu Kundenevents im Einzelhandel

3.1   Bezugsrahmen der Untersuchung

Nachdem im vorangegangenen Abschnitt ein Überblick über zentrale Arbeiten zu Kundenevents im Einzelhandel gegeben wurde, wird in einem nächsten Schritt der Bezugsrahmen des vorliegenden Beitrags aufgezeigt (s. Abb. 1). Wesentliche Ele-mente des Bezugsrahmens bilden die Konstrukte Image des Events, Zufriedenheit mit dem Event und Shopping Enjoyment. Während sich die ersten beiden Konstrukte auf die Wahrnehmung und Beurteilung des Kommunikationsinstruments Event be-ziehen, verweist das Konstrukt Shopping Enjoyment auf das Erlebnis beim Einkauf.

In den folgenden Abschnitten werden die einzelnen Elemente des Bezugsrah-mens detaillierter beleuchtet und Hypothesen über Wirkungsbeziehungen zwischen den einzelnen Konstrukten formuliert. Auf diese Weise wird systematisch das Untersuchungsmodell dieses Beitrags erarbeitet.

3.2   Eventimage und Zufriedenheit mit dem Event

Unter einem Image kann allgemein „das Bild, das sich jemand von einem Objekt macht“, verstanden werden (Balderjahn und Scholderer 2007, S. 66). Folglich bezeichnet das Eventimage das Bild, das sich teilnehmende Besucher von einem Kundenevent machen. Das Eventimage bezieht sich somit auf die kundenseitige Wahrnehmung des Events, welche über Assoziationen im Gedächtnis des Teilneh-

Autor/en (Jahr) Fokus des Beitrags Zentrale ErkenntnisseForschungsrichtung 2: Kundenevents im EinzelhandelSit et al. (2008) Wirkungen

von Events in Einkaufszentren

Kundenseitige Erwartungen an das Event werden über wahrgenommene Qualität, wahrgenommenen Partizipationsnutzen und wahrgenommene Bedräng-nis erfasstDiese führen zu Reaktionen in Form von Enjoyment und Excitement, was wiederum zu Kundenzufrie-denheit und ungeplanten Käufen führt

Close et al. (2009)

Selbstkongruenz Selbstkongruenz erhöht die Unterhaltung und die Überzeugungskraft des Events sowie die EinkaufswahrscheinlichkeitDie Einstellung zum Event wird durch dessen Unterhaltungswert beeinflusst

Sands et al. (2009)

Events und Einkaufsstättenwahl

Kundenevents beeinflussen die Wahl der Einkaufs-stätte und sind insbesondere bei Fachgeschäften relevantDie Art des Kundenevents besitzt keinen signifikan-ten Einfluss auf die Einkaufsstättenwahl

Tab. 1  (Fortsetzung)

Einkaufserlebnis durch Kundenevents im Einzelhandel

Page 105: Erlebniskommunikation ||

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mers widergespiegelt wird (Gwinner 1997, S. 147). Das Eventimage reflektiert die Bedeutung, die ein Event für einen Kunden, basierend auf der Wahrnehmung des Events, erhält (Gwinner 1997, S. 147 ff.; Gwinner, Eaton 1999, S. 48).

Um Einblicke in die Bedeutung von Kundenevents zur Schaffung von Einkaufs-erlebnissen zu erlangen, scheint eine Auseinandersetzung mit der kundenseitigen Wahrnehmung dieses Instruments und folglich dem Eventimage aus mehreren Gründen notwendig. Erstens kommt dem Imagekonstrukt aufgrund seiner Verhal-tensrelevanz sowohl aus Konsumenten- als auch aus Unternehmenssicht eine hohe Bedeutung zu. Zweitens wird ein Kundenevent selbst zum Meinungsgegenstand, mit dem bestimmte Assoziationen verbunden sind. Drittens versuchen Handels-unternehmen durch die Veranstaltung von Kundenevents einen Imagetransfer zu erzeugen und damit Eigenschaften des Events auf die eigene Marke zu transferieren (Gwinner 1997, S. 147 f.; Gwinner und Eaton 1999, S. 47 ff.).

Basierend auf bisherigen Erkenntnissen zu Kundenevents im Einzelhandel schlagen wir eine Konzeptualisierung des Eventimages vor, welche drei Kompo-nenten umfasst: Eventoriginalität, Eventstimmigkeit und Event-Fit. Eventoriginali-tät bezieht sich dabei auf die kundenseitige Wahrnehmung an Kreativität und Ori-ginalität eines Kundenevents. Durch den Kauf und Konsum von Leistungen haben Konsumenten die Möglichkeit, neben utilitaristischen vor allem auch hedonistische Bedürfnisse zu befriedigen (Hirschman und Holbrook 1982, S. 93 ff.; Wakefield und Baker 1998, S. 517 ff.). Kreative und originelle Kundenevents dienen dabei als Möglichkeit, hedonistische Bedürfnisse zu befriedigen (Sit und Merrilees 2005). Darüber hinaus ist ein wesentliches Merkmal von Events die emotionale Ansprache von teilnehmenden Besuchern. Wie Untersuchungen zeigen, wird in diesem Zu-sammenhang der Originalität von Kundenevents eine hohe Bedeutung zugespro-chen (Sit und Merrilees 2005). Eventstimmigkeit umfasst die kundenseitige Wahr-nehmung, inwieweit ein Event als stimmig und angemessen wahrgenommen wird. Eine wesentliche Voraussetzung für erfolgreiche Kommunikationsmaßnahmen ist, dass diese auf die jeweilige Zielgruppe zugeschnitten sind (z. B. Duncan und Mo-riarty 1998, S. 8). Eventstimmigkeit bezieht sich folglich darauf, inwiefern teilneh-mende Besucher eines Kundenevents dieses Ereignis als angemessen empfinden. Eine weitere Facette des Eventimages stellt der Event-Fit dar. Hierunter verstehen wir „die subjektive Beurteilung der Beziehung zwischen einer Marke [d. h. dem Handelsunternehmen] und einem weiteren Imageobjekt [d. h. dem Kundenevent]“ (Baumgarth 2000, S. 48). Der Event-Fit bezieht sich folglich darauf, inwieweit ein

Abb. 1   Bezugsrahmen

Zufriedenheitmit dem Event

ShoppingEnjoyment

Imagedes Events

Wahrnehmung und Beurteilung des Events Einkaufserlebnis

M. Schwertfeger, A. Leischnig und M. Enke

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Kundenevent von teilnehmenden Besuchern für ein Handelsunternehmen als pas-send empfunden wird.

Wie der Bezugsrahmen dieses Beitrags zeigt, stellt neben der kundenseitigen Wahrnehmung die Beurteilung des Kundenevents eine weitere wichtige Größe dar. Folglich bildet die Zufriedenheit mit dem Kundenevent ein weiteres zentrales Kons-trukt in unserem Untersuchungsmodell. Unter Kundenzufriedenheit wird generell „a dual function of cognition (e.g., disconfirmation) and affect“ verstanden (Oliver et al. 1997, S. 319). Die Kundenzufriedenheit bezieht sich auf eine Gesamtein-schätzung eines Bezugsobjekts, wie z. B. eines Kundenevents. Dabei wird beurteilt, inwiefern ein Kundenevent in der Lage ist, die Erwartungshaltung teilnehmender Besucher zu erfüllen.

Im Rahmen dieses Beitrags postulieren wir einen positiven Zusammenhang zwi-schen dem Eventimage und der kundenseitigen Zufriedenheit mit dem Event. Kun-denevents, die eine gewisse Originalität und Kreativität besitzen, bieten dem Event-teilnehmer einen erlebnisbezogenen Nutzen, z. B. durch innovative Produkte oder ein ansprechendes Ambiente. Es wird folglich ein hedonistischer Nutzen geschaffen (Hirschman und Holbrook 1982, S. 95 ff.; Turley und Milliman 2000, S. 206 ff.), der sich auf das kundenseitige Bedürfnis nach Freude und Vergnügen bezieht (Beat-ty und Ferrell 1998, S. 174). In diesem Zusammenhang zeigen Close et al., dass die Einstellung zu einem Event durch dessen Unterhaltungswert beeinflusst wird (Clo-se et al. 2009, S. 279). Babin et al. zeigen ferner auf, dass die kundenseitig wahr-genommene Stimmigkeit bzw. Angemessenheit der Einkaufsstättenatmosphäre die wahrgenommene Produktqualität und in Folge den empfundenen Shopping Value von Kunden beeinflusst (Babin et al. 2004, S. 293 ff.). Eine als angenehm wahrge-nommene Einkaufsstättenatmosphäre kann demnach ein Einkaufserlebnis erzeugen (Gröppel 1991, S. 55 ff.; Kaltcheva und Weitz 2006, S. 107 ff.). Untersuchungen bezüglich des Fit zwischen Sponsor und Event zeigen, dass der Sponsor-Event-Fit die affektive Reaktion der Konsumenten und in Folge die Einstellung zum Event selbst beeinflusst (Martensen et al. 2007, S. 289 ff.). Basierend auf den genannten Untersuchungen postulieren wir die folgenden Hypothesen:

H1: Die Eventoriginalität hat einen positiven Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem Event.

H2: Die Eventstimmigkeit hat einen positiven Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem Event.

H3: Der Event-Fit hat einen positiven Einfluss auf die Zufriedenheit mit dem Event.

3.3   Zufriedenheit mit dem Event und Shopping Enjoyment

Shopping Enjoyment wird als „as the degree to which individuals enjoy the shop-ping process“ (Jones 1999, S. 130) definiert. Im Rahmen dieses Beitrags postulieren wir einen positiven Zusammenhang zwischen der kundenseitigen Zufriedenheit mit dem Event und Shopping Enjoyment. Die Hypothese basiert auf der Überlegung,

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dass Kunden, deren Erwartungshaltung an ein Kundenevent erfüllt wurde, Freude und Spaß am Einkaufen haben und folglich ein hohes Maß an Shopping Enjoyment aufweisen. Dieser Gedanke wird von Untersuchungen gestützt, welche einen posi-tiven Einfluss von Kundenevents auf den Shopping Value von Kunden nachweisen konnten, welcher als eine wesentliche Facette das Shopping Enjoyment beinhaltet (Sands et al. 2008, S. 300). Wir formulieren daher:

H4: Die Zufriedenheit mit dem Event hat einen positiven Einfluss auf das Shop-ping Enjoyment.

3.4   Zusammenfassung des Untersuchungsmodells

Das Untersuchungsmodell dieser Arbeit wird in Abb. 2 überblicksartig dargestellt. Insgesamt umfasst dieses Modell fünf Variablen und vier Hypothesen. Wir verste-hen unter den Faktoren Eventoriginalität, Eventstimmigkeit und Event-Fit Facetten des Konstrukts Eventimage. Ferner unterstellen wir eine kausale Kette beginnend vom Eventimage über die Zufriedenheit von Kunden mit dem Event zum Shopping Enjoyment.

4   Empirische Untersuchung

4.1   Datengrundlage und Datenerhebung

Zur Überprüfung der postulierten Wirkungsbeziehungen wurde eine Befragung im Einzelhandel durchgeführt. Die Datenerhebung erfolgte in Form einer mündlichen Befragung von Kunden eines Einzelhandelsunternehmens. Das Einzelhandelsunter-nehmen veranstaltete ein Event in seinem Ladengeschäft.

Abb. 2   Untersuchungsmodell

Wahrnehmung und Beurteilung des Events

Event-Originalität

Event-Stimmigkeit

Event-Fit

Einkaufserlebnis

Shopping Enjoyment

H1 (+)

H3 (+)

H4 (+)Zufriedenheitmit dem Event

H2 (+)

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Die Kunden wurden unmittelbar nach der Teilnahme am Kundenevent befragt. Hierzu wurden sie zunächst von einem Interviewer angesprochen und gefragt, ob sie an einer Umfrage teilnehmen möchten. Diejenigen Probanden, welche an der Befragung teilnahmen, wurden darüber informiert, dass alle Angaben absolut ano-nym erfolgen und es keine richtigen oder falschen Antworten gibt (Podsakoff et al. 2003, S. 898 f.).

Insgesamt konnten im Rahmen der Befragung 155 ausgefüllte Fragebögen rea-lisiert werden, welche in die Datenanalyse einbezogen wurden. Von den befragten Personen gehören ca. 40 % der Altersgruppe „jünger als 30 Jahre“ an. Circa 50 % der Befragten können der Altersgruppe „zwischen 30 und 50 Jahre“ zugeordnet werden. Ferner entfallen ca. 10 % der Befragten auf die Altersgruppe „älter als 50 Jahre“.

4.2   Entwicklung des Erhebungsinstruments

Im Rahmen der mündlichen Befragung wurde ein standardisierter Fragebogen als Er-hebungsinstrument verwendet. Die Entwicklung des Fragebogens erfolgte in einem mehrstufigen Prozess. Erstens wurde eine Literaturrecherche durchgeführt, um exis-tierende Skalen zur Messung der Konstrukte zu identifizieren. Zweitens wurden qua-litative Untersuchungen in Form von Experteninterviews durchgeführt. Diese hat-ten den Zweck, zu einem besseren Verständnis über Kundenevents im Einzelhandel beizutragen, die Plausibilität des aufgestellten Untersuchungsmodells zu überprüfen und spezifische Items zur Messung der Konstrukte zu generieren. Drittens wurde der Fragebogen anhand einer Stichprobe von 60 Probanden einem Pretest unterzogen, um missverständliche Fragestellungen und -formulierungen zu identifizieren.

Basierend auf der Arbeit von Putrevu und Ratchford (1997) wurde eine Ska-la für das Konstrukt Shopping Enjoyment erarbeitet. Diese Skala beinhaltete drei Items. Auf Grundlage der explorativen Vorstudie wurden Skalen für die Konstrukte Eventimage und Zufriedenheit mit dem Event erarbeitet. Wir nutzten drei Items zur Messung des Konstrukts Eventoriginalität. Ferner wurde Eventstimmigkeit mit drei Items gemessen. Das Konstrukt Event-Fit wurde mittels eines singulären Items gemessen. Ebenso wurde die kundenseitige Zufriedenheit mit dem Event anhand eines Items erfasst.

Das finale Erhebungsinstrument umfasste drei Bestandteile. Im ersten Teil des Fragebogens wurden Fragen zu den unabhängigen Variablen des Untersuchungs-modells gestellt, d. h. Eventoriginalität, Eventstimmigkeit, Event-Fit. Der zweite Teil des Fragebogens beinhaltete Fragen zu den abhängigen Variablen des Unter-suchungsmodells, d. h. Zufriedenheit mit dem Event und Shopping Enjoyment. Im dritten Teil des Fragebogens ermittelten wir soziodemografische Angaben zur be-fragten Person.

4.3   Datenanalyse

Die Datenanalyse erfolgte in zwei Schritten. Im ersten Schritt widmeten wir uns der Überprüfung der Messmodelle zur Validierung der Konstruktmessung. Für die

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Beurteilung der Güte einer Messung wurden Reliabilitäts- und Validitätsmaße her-angezogen. Die Reliabilität wird definiert als das Ausmaß „to which measures are free from error and therefore yield consistent results“ (Peter 1979, S. 6). Von einer hohen Reliabilität eines Messmodells kann ausgegangen werden, wenn ein großer Varianzanteil der Indikatoren durch die Verbindung mit einem Faktor erklärt wird (Homburg und Giering 1996, S. 6). Die Validität kann definiert werden als das Aus-maß „to which instruments truly measure the constructs which they are intended to measure“ (Peter 1979, S. 6). Validität bezieht sich somit auf das Ausmaß der kon-zeptionellen Richtigkeit eines Messmodells. Zur Beurteilung der Reliabilität und Validität der Konstruktmessung kamen Gütekriterien der ersten und der zweiten Generation zum Einsatz (Homburg und Baumgartner 1995; Homburg und Giering 1996; Homburg et al. 2008). Für die Berechnung der Gütekriterien nutzten wir die Anwendungsprogramme SPSS 17.0 und Amos 17.0.

Im zweiten Schritt wurde das Strukturmodell mithilfe der Kausalanalyse und der Maximum-Likelihood-Schätzmethode überprüft. Zur Beurteilung der Gesamt-modellgüte kamen die Kennzahlen Quotient aus Chi-Quadrat-Wert und Anzahl der Freiheitsgrade (χ2/df), Root Mean Squared Error of Approximation (RMSEA), Comparative Fit Index (CFI) und Tucker Lewis Index (TLI) zum Einsatz. Im An-schluss daran erfolgte die Prüfung der postulierten Wirkungsbeziehungen zwischen den Konstrukten. Zur Berechnung der einzelnen Kennzahlen verwendeten wir das Anwendungsprogramm Amos 17.0. Die Ergebnisse der Überprüfung der Messmo-delle und des Strukturmodells werden im folgenden Abschnitt aufgezeigt. Darüber hinaus werden die Ergebnisse diskutiert.

5   Ergebnisse und Diskussion

5.1   Ergebnisse der Mess- und Strukturmodellanalyse

Ein Überblick über Informationen zu den einzelnen Messungen ist in Tab. 2 darge-stellt. Hierbei sind für jeden Faktor die Anzahl seiner Indikatoren, ein beispielhafter Indikator sowie drei zentrale Gütekriterien aufgezeigt. Lediglich für die Faktoren Event-Fit und Zufriedenheit mit dem Event kann kein Gütekriterium angegeben werden, da diese Größen mittels eines einzigen Indikators gemessen wurden.

Wie die Ergebnisse der Messmodellanalyse zeigen, erfüllen sämtliche Kriterien die in der Literatur angegebenen Richtwerte auf eine gute Weise. So reichen die Werte für Cronbachs Alpha von 0,71 bis 0,93 und übertreffen somit den von Nun-nally (1978) geforderten Mindestwert von 0,7. Hieraus kann eine gute interne Kon-sistenzreliabilität der Messungen geschlussfolgert werden.

Die mittels einer konfirmatorischen Faktorenanalyse ermittelten Werte der Fak-torreliabilität und der durchschnittlich erfassten Varianz übertreffen ebenso die in der Literatur genannten Richtwerte. Während für die Faktorreliabilität Grenzwerte von 0,6 angenommen werden (Bagozzi und Yi 1988; Homburg und Baumgartner 1995), fordern viele Autoren für die durchschnittlich erfasste Varianz einen Min-

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destwert von 0,5 (Homburg und Baumgartner 1995; Homburg und Giering 1996). Im betrachteten Datensatz sind beide Kriterien erfüllt, sodass auf eine gute Kon-vergenzvalidität der Messung geschlossen werden kann.

Als weiteres Gütekriterium wurde das Fornell-Larcker-Kriterium zur Bestim-mung der Diskriminanzvalidität der Messungen herangezogen. Diskriminanzvalidi-tät ist dann gegeben, wenn die quadrierte Korrelation zwischen zwei Faktoren klei-ner ist als die durchschnittlich erfasste Varianz der jeweiligen Faktoren (Fornell und Larcker 1981). In der vorliegenden Untersuchung ist dies für sämtliche paarweise Faktorenvergleiche der Fall. Es kann somit festgestellt werden, dass das Fornell-Larcker-Kriterium erfüllt und damit Diskriminanzvalidität gegeben ist.

Nach der Validierung der Konstruktmessung im Rahmen der Messmodellana-lyse erfolgte die Analyse der Abhängigkeitsstrukturen zwischen den Konstrukten. Hierbei überprüften wir zunächst die Anpassungsgüte des Gesamtmodells anhand einschlägiger Kriterien (χ2/df  =  2,49; CFI  =  0,94; TLI  =  0,90; RMSEA  =  0,09). Wie die Ergebnisse zeigen, entsprechen die Werte den in der Literatur empfohlenen Schwellenwerten (Homburg et al. 2008). Lediglich der RMSEA-Wert übersteigt mit 0,09 den in der Literatur angegebenen Richtwert von 0,08 leicht. Insgesamt kann dennoch festgestellt werden, dass das Modell eine gute Anpassung an die zu-grunde liegende Datenstruktur aufweist.

In einem nächsten Schritt widmeten wir uns der Überprüfung der einzelnen Wir-kungsbeziehungen zwischen den Konstrukten. Die Ergebnisse der Hypothesenprü-fung sind nachstehend überblicksartig zusammengefasst (s. Tab. 3).

Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen Eventimage und der kundenseitigen Zufriedenheit mit dem Event ist ersichtlich, dass zwei von drei Hypothesen be-stätigt wurden. Sowohl die wahrgenommene Eventstimmigkeit als auch der Event-Fit haben einen signifikanten positiven Einfluss auf die kundenseitige Zufrieden-heit mit dem Event. Jedoch konnte im Rahmen der Untersuchung kein Einfluss der Eventoriginalität auf die Zufriedenheit mit dem Event nachgewiesen werden. Die Hypothese wurde damit nicht bestätigt. Die Ablehnung der Hypothese lässt sich möglicherweise dadurch erklären, dass Events, welche zu stark auf Kreati-vität, Innovationskraft und Originalität fokussieren, von Kunden als anstrengend empfunden werden und sie überfordern. Diese Erkenntnis steht im Einklang mit Untersuchungen von Kaltcheva und Weitz (2006), welche festgestellt haben, dass emotional ergreifende Situationen von manchen Kunden als attraktiv empfunden

Tab. 2   Informationen zur KonstruktmessungFaktor Indikatoranzahl Beispielhafter Indikator CA FR DEVEventoriginalität 3 Kreativ 0,71 0,74 0,50Eventstimmigkeit 3 Anwendbar 0,88 0,88 0,72Event-Fit 1 Passend – – –Zufriedenheit mit dem Event

1 Wir zufrieden sind Sie mit dem Event?

– – –

Shopping Enjoyment 3 Ich fühle mich erfreut 0,93 0,93 0,82CA = Cronbachs Alpha; FR = Faktorreliabilität; DEV = durchschnittlich erfasste Varianz

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werden, andere Kundengruppen derartige Situationen jedoch meiden. Mit Fokus auf die Höhe der Pfadkoeffizienten kann ferner festgestellt werden, dass die Facet-te Event-Fit den größten Einfluss auf die kundenseitige Zufriedenheit mit einem Event hat. Dieses Ergebnis kann als ein Indiz dafür angesehen werden, dass die Gestaltung von Events sich an der grundsätzlichen Ausrichtung des Unternehmens orientieren und damit von Kunden als zum Unternehmen passend wahrgenommen werden sollte.

In Hinblick auf den Zusammenhang zwischen den Konstrukten Zufriedenheit mit dem Event und Shopping Enjoyment bestätigen die Ergebnisse die postulierte Wirkungsbeziehung. Die kundenseitige Zufriedenheit mit einem Event hat einen signifikant positiven Einfluss auf das Shopping Enjoyment. Dieses Ergebnis ist für den Instrumenteneinsatz im Einzelhandel von Bedeutung, da es als Beleg für die wichtige Rolle von Kundenevents als ein Instrument zur Erzeugung positiver Ein-kaufserlebnisse angesehen werden kann.

5.2   Diskussion der Ergebnisse

Die Bedeutung des Kundenevents als Instrument zur Erzeugung positiver Einkaufs-erlebnisse im Einzelhandel wird in der wissenschaftlichen Literatur bisher kaum thematisiert. Vorhandene Beiträge zu Kundenevents im Einzelhandel konzentrie-ren sich auf den Einsatz von Kundenevents durch Hersteller in Form von Retail Spectacles zur Stärkung des Images der Herstellermarke sowie auf den Einsatz von Kundenevents bei Einzelhändlern, wobei die Beeinflussung des Images ebenfalls im Mittelpunkt steht. Unser Beitrag analysiert Kundenevents eines Einzelhändlers und fokussiert sich auf die Ausgestaltung von Kundenevents und dessen Beziehung zur Zufriedenheit mit dem Kundenevent sowie ferner der Erzeugung eines angeneh-men, positiven Einkaufserlebnisses.

Im vorliegenden Beitrag erfassen und systematisieren wir die wesentlichen Arbeiten zum Thema Kundenevents im Einzelhandel. Hierauf aufbauend entwi-ckeln wir ein Untersuchungsmodell, das die kundenseitige Wahrnehmung und Beurteilung von Events sowie deren Einfluss auf die Bildung positiver Einkaufs-erlebnisse abbildet. Das Untersuchungsmodell umfasst die Konstrukte Eventima-

Tab. 3   Ergebnisse der HypothesenprüfungHypothese Wirkungsrichtung Koeffizient1 SignifikanzH1: Eventoriginalität → Zufrieden-

heit mit dem Event+ 0,14 n.s.

H2: Eventstimmigkeit → Zufrieden-heit mit dem Event

+ 0,19 ∗∗

H3: Event-Fit → Zufriedenheit mit dem Event

+ 0,32 ∗∗∗

H4: Zufriedenheit mit dem Event → Shopping Enjoyment

+ 0,43 ∗∗∗

***p < 0,01; **p < 0,05; *p < 0,10; n.s. = nicht signifikant; 1 standardisierte Koeffizienten.

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ge, Zufriedenheit mit dem Event und Shopping Enjoyment. Mit der vorliegenden Studie zeigen wir im Rahmen einer empirischen Untersuchung einerseits, dass das Eventimage einen signifikant positiven Einfluss auf die kundenseitige Zufrieden-heit mit einem Event hat. Wir verdeutlichen andererseits, dass die Zufriedenheit von Kunden mit einem Event zur Schaffung eines positiven Einkaufserlebnisses und insbesondere zum Shopping Enjoyment beitragen kann.

Es zeigt sich, dass die Wahrnehmungen Stimmigkeit und Fit des Events mit dem Unternehmen als wichtige Treiber der kundenseitigen Zufriedenheit mit dem Event angesehen werden können. Die Ergebnisse verdeutlichen darüber hinaus, dass Events, welche als innovativ und kreativ wahrgenommen werden, nicht zwangs-läufig zur Kundenzufriedenheit mit dem Event führen.

Hieraus ergeben sich wichtige managementbezogene Implikationen. Eine erste wichtige Erkenntnis ist, dass das Kommunikationsinstrument Event durchaus eine Relevanz zur Schaffung positiver Einkaufserlebnisse im Einzelhandel besitzt. Hie-raus kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass Events als eine mögliche Maßnahme zur Gestaltung kundenseitiger Einkaufserlebnisse in das existieren-de Repertoire von Maßnahmen aufgenommen werden sollten. Im Rahmen dieser Untersuchung konnte vor allem für die Facetten Stimmigkeit und Fit ein positiver Einfluss auf die kundenseitige Zufriedenheit mit dem Event nachgewiesen werden. Als eine zweite Erkenntnis ist daher festzuhalten, dass Einzelhandelsunternehmen bei der Gestaltung von Kundenevents den Aspekten Stimmigkeit und Fit (d. h. Kon-gruenz zur Wahrnehmung des Unternehmens) Aufmerksamkeit schenken sollten. Dies kann beispielsweise durch die Etablierung einer integrierten Kommunikation (Bruhn 2009) im Unternehmen realisiert werden. Je zufriedener Kunden mit einem Event sind, umso größer ist ihr Shopping Enjoyment. Als eine dritte wichtige Er-kenntnis ist festzuhalten, dass Events sich insbesondere zur Schaffung eines hedo-nistischen Kundennutzens (Sands et al. 2008) eignen, da durch sie die Freude beim Einkaufserlebnis gesteigert werden kann.

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Zusammenfassung 

Die elektronischen Informations- und Kommunikationstechnologien werden zunehmend weiterentwickelt und bieten immer größere Interaktionschancen zwischen Verlagsunternehmen und Rezipienten. Insbesondere der sogenannte aktive Prosumer, der integrativ mitbestimmen und seine Meinung mit anderen Lesern teilen will, erlangt durch neue kollaborative Web-Anwendungen die Ge-legenheit, seine Auffassungen darzulegen und diese nahezu authentisch direkt zu publizieren. Zudem wirken sich erlebnisorientierte Kommunikationsinstrumen-te positiv auf das Nachfragerverhalten aus. Inwieweit interaktive Web-2.0-An-wendungen geeignet sind, Konsumenten zu motivieren und aktiv in den Wert-schöpfungsprozess von Verlagsunternehmen einzubeziehen, ist Gegenstand der folgenden Untersuchung.

1   Problemstellung

In Theorie und Praxis der Verlagsbranche besteht gegenwärtig Einigkeit darüber, dass die interaktiven Instrumente des sogenannten Web 2.0 bedeutende Auswir-kungen auf traditionelle Verlagsprodukte, wie beispielsweise Printmedien, und die damit verbundenen Geschäftsmodelle haben (Huber und Möller 2008, S. 306). Gleichzeitig dokumentieren die aktuelle Wirtschaftssituation und die andauernde Branchentransformation die Notwendigkeit von speziell kundenintegrierenden und erlebnisorientierten Prozessinnovationen (Lindner 2009). Auch die gegenwärtigen Marktentwicklungen in den Vereinigten Staaten und Japan zeigen, dass sich tradi-tionelle Verlagsunternehmen dem Trend hin zu einem interaktiven Multi-Channel-

Einsatzpotenziale des Web 2.0 zur erlebnisorientierten Kundenintegration in der Verlagsbranche

Dirk Möhlenbruch, Steffen Dölling und Ina Elste

D. Möhlenbruch ()Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale), DeutschlandE-Mail: [email protected]

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Anbieter nicht mehr verschließen können. Insgesamt sind in vielen Ländern die durchschnittlichen Produktauflagen und Reichweiten klassischer Verlagsgüter seit mehreren Jahren rückläufig (NZZ-Gruppe 2008, S. 8 f.). Hauptsächlich bei den jüngeren und internetaffinen Kundengruppen finden traditionelle Printmedien als vorwiegende Informationsquelle immer weniger Akzeptanz (Brücker 2008, S. 78). Darüber hinaus zeigen die Entwicklungen von elektronischen Dokumenten im Bereich innovativer E-Books und Buchportale, wie beispielsweise Google Books Search, sowie die grundlegenden Veränderungen der Anbieter-Nachfrager-Inter-aktion, dass es auch für Buchverlage strategisch sinnvoll ist, im Segment der digi-talen Medien stärker engagiert zu sein (Blömeke et al. 2008, S. 291). Weltweit sind Unternehmen, die lediglich klassische Printprodukte anbieten, immer weniger an-zutreffen. Daher diversifizieren Zeitungs- und Zeitschriftenverlage zunehmend ihr Leistungsangebot. Auch die umsatzstärksten deutschen Verlage sind überwiegend sowohl international als auch multimedial ausgerichtet (Halstrup 2002, S. 42). Hierbei umfasst das Angebot nicht ausschließlich klassische Kernkompetenzen, wie z. B. Informationsbeschaffung oder -selektion sowie Erzeugungs- und Publi-shing-Prozesse, sondern auch umfangreiche TV- bzw. Radioproduktionen (Wirtz 2009, S. 352).

Seit Mitte der 1990er-Jahre sind deutsche Verlagshäuser verstärkt im Internet aktiv (Schuengel 2003, S. 24). Hierbei beherrschen hauptsächlich Unternehmen wie die Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck GmbH (studiVZ.de, schuelerVZ.de), die ProSiebenSat.1 Media AG (Lokalisten.de), die RTL Group (wer-kennt-wen.de) und die News Corp. (mySpace.de) den Markt sozialer Netzwerke deutscher Internet-nutzer. Lediglich die vorwiegend auf Geschäftskontakte orientierten Communities, z. B. Xing.com und LinkedIn.com sowie Facebook.com, sind von Verlagsunter-nehmen unabhängige Marktakteure. Die genannten Beispiele zeigen, dass Verla-ge den Umsatzeinbußen vornehmlich aus dem zurückgehenden Anzeigengeschäft durch eine Neuausrichtung hin zu einer Onlinestrategie und damit verbunden einer Vermittlung von spezifischen Unterhaltungserlebnissen beim Konsumenten ent-gegenwirken (Wirtz 2009, S. 175). Interaktive Web-2.0-Anwendungen bieten dabei vermehrt die Chance, das User-Involvement, die höheren Identifikationspotenziale sowie eine stärkere Produkt- und Servicedifferenzierung zu nutzen, um mit Nach-fragern zu interagieren sowie diese im Sinne der Wirkungskette der Kundenbindung langfristig an das jeweilige Leistungsangebot zu binden (Möhlenbruch et al. 2007, S. 209 f.).

Im wissenschaftlichen Schrifttum mangelt es zurzeit jedoch noch an einer um-fassenden Darstellung erlebnisorientierter und interaktiver Anwendungspotenzia-le in branchenspezifischen Wertschöpfungsprozessen. Daher ist im Folgenden zu untersuchen, inwieweit Web-2.0-Anwendungen aktiv für eine ereignisbezogene Kundenintegration in der Verlagsbranche genutzt werden können, um insbesonde-re eine loyalitätsfördernde Kommunikation mit den Nachfragern sicherzustellen. Hierbei sollen im Wesentlichen Einsatzmöglichkeiten von Web-2.0-Instrumenten zur Steigerung der Erlebnisorientierung systematisiert und Potenziale für wirt-schaftlich tragfähige Aktivitäten diskutiert werden.

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2   Charakteristika und strategische Grundlagen  der Verlagsbranche

2.1   Branchenspezifische Besonderheiten

Verlagsunternehmen stellen einen zentralen Bereich der Medienbranche dar (Wirtz 2009, S. 161). Wie Abb. 1 zu entnehmen ist, existieren neben traditionellen, nicht-elektronischen Marktbereichen auch Märkte für elektronische Medien.

Den inhaltlichen Schwerpunkt der folgenden Überlegungen bilden traditionelle Verlage, die ihre Geschäftstätigkeit vorwiegend auf Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchmärkten ausüben. Medienunternehmen im Allgemeinen und Redaktionen im Speziellen lassen sich als strategisch organisierte Wirtschaftseinheiten definieren, in denen die Bündelung eigen- und fremderstellter redaktioneller Inhalte, deren Transformation auf speicherfähige Trägermedien sowie eine Distributionsleistung vorgenommen werden (Wirtz 2009, S. 11). Diese Interpretation veranschaulicht bereits die große Bedeutung interaktiver Prozesse innerhalb dieser Branche, weil insbesondere die zunehmende Externalisierung von Informationen einen wachsen-den Einfluss der Beschaffungsmärkte sowohl im Berichterstattungs- als auch im Unterhaltungsbereich nach sich zieht. Insofern erscheint eine Intensivierung stra-tegischer Geschäftsbeziehungen zu verschiedenen Marktpartnern sinnvoll, um bei-spielsweise aktuelle und attraktive Manuskripte zur eigenen Leistungsprofilierung nutzen zu können.

Verlagsprodukte weisen grundlegende kommunikative Charakteristika auf, die bei einer Prüfung der Einsatzmöglichkeiten von interaktiven Web-2.0-Anwendun-gen beachtet werden sollten. Basis dieser Güter sind Informationen. Generierte Daten werden allerdings erst in einem Kontext zu Botschaften und können sowohl Inputfaktor (Produktionsmittel) also auch Outputfaktor (Produkt) sein. Darüber hi-naus besteht die Möglichkeit, dass verknüpfte Informationen wiederum Leistungs-

Abb. 1   Stellung der Verlagsbranche innerhalb der Medienmärkte. (Quelle: Darstellung der Ver-fasser in Anlehnung an Wirtz 2009, S. 22)

Medienmärkte Filmmärkte

TV-Märkte

Radiomärkte

Musikmärkte

Video-und PC-Spielemärkte

Internetmärkte

Märkte fürelektronische Medien

Märkte für nicht-elektronischeMedien: Printmärkte

(Verlagsbranche)

Zeitungsmärkte

Zeitschriftenmärkte

Buchmärkte

Einsatzpotenziale des Web 2.0 zur erlebnisorientierten Kundenintegration

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faktoren in anderen Bereichen darstellen und somit die redaktionelle Wertschöp-fungskette erweitern (Geiger 2002, S. 13).

Kennzeichnend für Verlagsgüter ist zudem, analog wie bei Handelsunternehmen, eine Kombination aus Sach- und Dienstleistungen, wobei im Rahmen einer Eigen-schaftsbewertung jedoch informationsökonomische Problembereiche zur Geltung kommen. Bei materiellen und immateriellen Leistungen lassen sich zur Qualitäts-beurteilung durch den Konsumenten grundsätzlich drei Merkmale anführen. In der Literatur werden in diesem Zusammenhang Prüf-, Erfahrungs- und Vertrauens-eigenschaften unterschieden. Verlagsprodukte werden hauptsächlich auf Basis von Erfahrungen und Bücher im Wesentlichen aufgrund von Vertrauenscharakteristika beurteilt (Wirtz 2009, S. 31). Dies bedeutet, dass Printmedien wie Zeitungen, Zeit-schriften sowie Bücher oder deren digitale Versionen erst gelesen werden müssen, um eine Beurteilung durchführen zu können (Schuengel 2003, S. 22). Eine Über-prüfung dieser Produkte ist vor dem Kauf demzufolge kaum möglich. Dieser Pro-blematik kann jedoch beispielsweise mittels einer erlebnisorientierten Integration der Leser in den Wertschöpfungsprozess unter Zuhilfenahme von Web-2.0-Instru-menten, wie z. B. Weblogs oder Wikis, zumindest partiell entgegengewirkt werden.

Angebote von Verlagsunternehmen stellen grundsätzlich eine Kombination von Informationen und graduell unterschiedlichen Unterhaltungsleistungen dar. Hiermit wird die Zielsetzung verfolgt, sowohl Botschaften, Kritiken und Beobachtungen zu vermitteln als auch Erlebnisse bei den Rezipienten auszulösen. Inwieweit dieser Anspruch unter Berücksichtigung eines geänderten Nutzungsverhaltens der Leser bei Print- und Internetmedien durch neue interaktive Webanwendungen befriedigt werden kann, bedarf einer eingehenden Betrachtung der einzelnen Wertschöpfungs-stufen.

2.2   Wertschöpfungsstruktur von Verlagsunternehmen

Die Erstellung von Verlagsprodukten kann mittels eines fünfstufigen Wertschöp-fungsprozesses beschrieben werden, beginnend bei der Informationsbeschaffung bis hin zu Vertriebsaktivitäten und einem unterstützenden Leserservice. Diese Ge-schäftstätigkeiten werden im Wesentlichen durch den Verkauf von Printprodukten und Werbung, beispielsweise in Form von Anzeigen, finanziert (Halstrup 2002, S. 44). Aufgrund ihrer Kernkompetenzen sind Verlage die Schnittstelle bzw. der Mittler zwischen Autoren und Journalisten sowie der jeweiligen Zielgruppe (Rezi-pienten bzw. Leser) (Schuengel 2003, S. 17). Idealtypische Wertschöpfungsstruktu-ren von Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverlagen werden in Abb. 2 im Einzelnen dokumentiert. Offensichtliche Unterschiede innerhalb der Wertschöpfungsketten beider Geschäftsbereiche liegen in den Werbeaktivitäten bei Zeitungen und Zeit-schriften bzw. im Lizenz- sowie Rechtehandel bei Buchprodukten.

Zeitungs- und Zeitschriftenverlage recherchieren in erster Linie Informationen, generieren daraus mögliche Produktinhalte und akquirieren zugleich potenzielle Werbeplätze (Keuper und Hans 2003, S. 15). Darauf aufbauend werden die für den

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Medientitel relevanten Aspekte von der Redaktion ausgewählt sowie die Werbung entsprechend platziert (Halstrup 2002, S. 44). In der sich daran anschließenden Stufe erfolgen die Bündelung der Werbeanzeigen mit den redaktionellen Beiträ-gen, das Layout sowie die grafische Abstimmung (Wirtz 2009, S. 187). Der nach-folgende Abschnitt der Wertschöpfungskette umfasst den Printbereich, wobei das Packaging der vorangehenden Phase sowie die tatsächliche Drucklegung immer stärker zu einer kombinierten Stufe zusammenwachsen, sodass neben einem spä-ten Redaktionsschluss eine höhere Flexibilität ermöglicht wird (Keuper und Hans 2003, S. 16). Abschließend erfolgt der Vertrieb der Zeitungen und Zeitschriften über Groß- bzw. Einzelhandelsunternehmen, die branchenspezifisch als Presse-Grosso oder -Detailhandel bezeichnet werden (Gläser 2008, S. 544).

Buchverlage unterscheiden sich hinsichtlich des Wertschöpfungsprozesses deut-lich von Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen, da sie lediglich auf dem Rezi-pientenmarkt agieren und kaum Werberaum zur Verfügung haben (Schuengel 2003, S. 17). Die in Abb. 2 dargestellten ersten beiden Prozessstufen innerhalb der Wert-schöpfungskette von Buchprodukten enthalten die Festlegung der Programmstruk-tur durch das Lektorat sowie die entsprechende Beschaffung von attraktiven Ma-nuskripten bei den Schriftstellern (Wirtz 2009, S. 239). Jedoch sind die Aufgaben eines Lektors bzw. einer Redaktion weitaus vielfältiger und beziehen neben der inhaltlich formalen Überarbeitung der Entwürfe auch die Betreuung von Autoren und die Contentproduktion, beispielsweise bei Schulbuch-, Lexikon- und Karten-verlagen, ein. Ein weiterer wichtiger Prozessabschnitt bildet die Nutzbarmachung von Lizenz- und die Schaffung von Schutzrechten. Verwertet werden hierbei er-worbene Rechte an Autorenmanuskripten und Imprint-Geschäften sowie Lizenzen für Merchandisingprodukte. Vor dem Druck und der Bindung von Buchprodukten erfolgen die (Layout-)Gestaltung, eine Auswahl der technischen Hilfsmittel sowie die Koordination des häufig an externe Druckereien ausgelagerten Produktionspro-zesses (Schuengel 2003, S. 19). Die Distribution geschieht traditionell über den Groß- bzw. Zwischenhandel, auch wenn vereinzelt eine direkte Belieferung des Einzelhandels stattfindet. Insbesondere von Klein- bzw. Eigenverlagen oder Auto-ren wird partiell auch ein Direktvertrieb vollzogen.

Abb.  2   Mögliche Wertschöpfungsstruktur bei Zeitungen, Zeitschriften sowie Buchprodukten. (Quelle: Darstellung der Verfasser in Anlehnung an Wirtz 2009, S. 180 ff.)

Informations-beschaffung

Generierung vonInhalten

Werbeakquisition

RedaktionWerbeplatzierung

PackagingderProdukte

Print Distribution

Informations-beschaffung

Generierung von Inhalten

RedaktionLektorat

Lizenz- undRechtehandel

Print Distribution

Wertschöpfungsprozess bei Zeitungen und Zeitschriften

Wertschöpfungsprozess bei Buchprodukten

Einsatzpotenziale des Web 2.0 zur erlebnisorientierten Kundenintegration

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2.3   Emotionen als Grundlage erlebnisorientierter Handlungsoptionen

Erlebnisse gehören in der Realität zu den von allen Mitgliedern einer Gesellschaft täglich erfahrenen Phänomenen (Müller 2006, S. 9). Dabei sind insbesondere Ein-kaufsvorgänge von Konsumenten nicht ausschließlich von rationalen Bedürfnissen geleitet, sondern stellen einen umfassenden sozialen Prozess dar, in dem emotio-nalen Ereignissen eine zentrale Rolle zukommt (Trommsdorff 2009, S. 66). Theo-retisch scheint das Konstrukt Erlebnis ausreichend erschlossen zu sein, dennoch lassen seine Beeinflussung durch persönliche Lebenserfahrungen sowie die sehr unterschiedliche Interpretation dieses Terminus, beispielsweise aufgrund der ab-wechslungsreichen subjektiven Vorstellungen der Menschen von Erlebnissen, eine auf Dauer tragfähige begriffliche Bestimmung kaum zu (Müller 2006, S. 9). Allge-mein kann ein Erlebnis im positiven Sinne als subjektives, außergewöhnliches und situationsbezogenes emotionales Ereignis im Leben eines Individuums definiert werden, welches diesem zugleich Freude vermittelt (Silberer 1989, S. 61; Pieper 2009, S. 24). Da Erlebnisse vorwiegend emotional geprägt sind, werden diese auch als „Bündel“ von Emotionen bezeichnet (Pieper 2009, S. 31 ff.). Der erlebnisorien-tierte Konsument strebt prinzipiell nach einer emotionalen Verwirklichung seiner Ansprüche und ist durch ein hohes Maß an Individualität gekennzeichnet (Kroe-ber-Riel et al. 2008, S. 139 f.). Aufgrund dieser Erkenntnisse beschränken sich die folgenden Darlegungen auf die Vermittlung von Erlebnissen mittels einer Aktivie-rung von Emotionen bei den Nachfragern. Wegen des fehlenden Erlebnissynonyms im englischsprachigen Bereich erscheint eine Fokussierung auf die rein positive Sichtweise des Begriffs sinnvoll, da der Ausdruck „Experience“ meist eine bipolare Anwendung findet (Pieper 2009, S. 31).

Emotionen, als Schlüsselkomponenten von Erlebnissen, sind angenehm oder unangenehm empfundene, zentralnervöse Erregungsmuster, die auf das eigene Erleben gerichtet sind, i. d. R. subjektiv und bewusst wahrgenommen werden so-wie eng mit individuellen Interpretationen verbunden sind (Foscht und Swoboda 2009, S. 44; Kroeber-Riel et al. 2008, S. 99 ff.). Die bekanntesten und inhaltlich weitgehend konformen Emotionstheorien sind in diesem Kontext die Ansätze von Plutchik (2003) und Izard (2007). Beide Autoren stimmen darin überein, dass sog. Basisemotionen, als phylogenetische bzw. stammesgeschichtliche Anpassungs-mechanismen, im Kern eine evolutionär-neurobiologische Grundlage besitzen, Auswirkungen auf das menschliche Verhalten haben sowie eine Gefühlskompo-nente auslösen können. In einer überarbeiteten Fassung seiner Theorie führt Izard das Interesse und die Freude als positive fundamentale Emotionen auf, welche zugleich das Erleben des Menschen prägen (Izard 2007, S. 261). Laut Plutchik empfinden Individuen Freude, Akzeptanz, Erwartung und Überraschung als be-jahende und auf genetischer Grundlage basierende Emotionen (Plutchik 2003, S. 102 ff.). Aus kombinativen originären Empfindungen können sich weitere se-kundäre Emotionen, wie beispielsweise Faszination, Neugier, Selbstsicherheit oder Akzeptanz, ergeben.

Das Interesse als die am häufigsten auftretende Form der Emotion bezeichnet Izard als normative Erregung im Bewusstsein des Menschen, wobei sich deren Er-

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gebnis wiederum auf das Entstehen und Erleben weiterer Emotionen auswirkt (Izard 2007, S. 261 ff.). Interesse hat eine aufmerksame Haltung sowie eine Intensivierung der Sinneswahrnehmung zur Folge und kann zugleich Gefühle wie Faszination, Neugier, Gefallen oder Selbstsicherheit auslösen (Kroeber-Riel et al. 2008, S. 134). Interesse spiegelt sich auch bei Plutchik als schwächere Ausprägung der Basisemo-tion Erwartung wider (Plutchik 2003, S. 102 ff.). Diese beruht wiederum auf einem Erkundungsverhalten von Individuen und steht folglich in engem Zusammenhang mit Neugier bzw. dem Wunsch, Wissen über bestimmte Sachverhalte zu erlangen (Kroeber-Riel et al. 2008, S. 133 f.). Vertrauen bzw. Akzeptanz oder Bewunderung dienen evolutionsbiologisch dazu, Mitgliedern der eigenen Gruppe Unterstützung zukommen zu lassen (Plutchik 2003, S. 102 ff.). Akzeptanz und Vertrauen können das wahrgenommene Risiko der Konsumenten minimieren und zugleich eine Si-cherheitsfunktion implizieren (Winder 2006, S. 56). Als ein Nebenprodukt und we-niger als ein direktes Resultat von Gedanken oder Handlungen wird die Freude als emotionale Ausprägungsform betrachtet, welche zugleich der persönlichen (An-)Bindung dient (Plutchik 2003, S. 102 ff.). Jeweils niedrigere bzw. höhere Intensi-tätsstufen von Freude sind Heiterkeit und Begeisterung. Eine in diesem Kontext mögliche Kombination aus Freude und Ärger ergibt Stolz, welcher häufig als Kon-sequenz des eigenen Handelns entsteht, beispielsweise bei der Erreichung eines Ziels oder einer als besonders kompetent empfundenen Selbsteinschätzung (Weiner 1986, S. 117 ff.). Die Dimension Überraschung wird durch eine Konfrontation mit neuen Gegebenheiten hervorgerufen und stellt eine relativ kurzfristige Handlungs-tendenz dar. Der Übergang von Überraschung zu einer anderen Ausprägung der Emotion kann erst nach einer positiven bzw. negativen Bewertung eines Reizes erfolgen (Winder 2006, S. 58).

Die weiteren Überlegungen beziehen sich auf die rein positiven Sichtweisen der Begriffe Erlebnis und Emotionalität. Darauf aufbauend wird analysiert, inwiefern Verlage Konsumenten einen Nutzen durch Emotionen mithilfe des Einsatzes von Web-2.0-Instrumenten vermitteln und diese dadurch zugleich langfristig an das Unternehmen binden können.

3   Web-2.0-Anwendungen im Wertschöpfungsprozess  der Verlagsbranche

3.1   Ausgangspunkte und Leistungsfähigkeit des Erlebnisweb

Die zunehmende Nutzerbeteiligung im World Wide Web fördert die Möglichkei-ten einer Personalisierung und Individualisierung sowie einer stärkeren Orientie-rung des Leistungsangebotes an den Bedürfnissen der Rezipienten (Schenk 2007, S. 35 f.). Der Erfolg von Internetanwendungen beruht verstärkt auf einzigartigen Daten, die häufig durch den Anwender selbst erstellt werden (sog. User-generated Content) und denen Verlagsunternehmen größere Aufmerksamkeit schenken sollten (O’Reilly 2005; Schenk 2007, S. 45). Darüber hinaus verändert das Web 2.0 das Verhältnis von Individualität und Kollektivität hin zu einer virtuellen, mit jedem

Einsatzpotenziale des Web 2.0 zur erlebnisorientierten Kundenintegration

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neu hinzukommenden Individuum dazulernenden gemeinschaftlichen Intelligenz (Richard 2008, S. 95). Dabei impliziert die kooperative Überprüfung, Systemati-sierung und Bewertung von Wissen eine steigende Qualität, sodass wiederum ein Zusatznutzen für den einzelnen Teilnehmer entstehen kann (Kollmann und Häsel 2007, S. 7). Dieser Mehrwert erhöht sich mit jedem neu gewonnenen User (Netz-werkeffekt) und entwickelt innerhalb dieser Gemeinschaften Zusammengehörig-keits- und insbesondere auch Erlebnisgefühle (Kollmann und Häsel 2007, S. 7; Möhlenbruch et al. 2007, S. 228).

Derartige Potenziale im Rahmen des Web 2.0 reichen allein jedoch nicht aus, die Motivation von Internetnutzern zur Bereitstellung von Informationen und Inhalten zu fördern (Schenk 2007, S. 45). Stattdessen kann eine Darstellung der individuellen Persönlichkeit über die Veröffentlichung von Interessen, Meinungen, eigenen Leis-tungen oder Ähnlichem als einer der stärksten Antriebsfaktoren für eine kommuni-kative Beteiligung angenommen werden (Mühlenbeck und Skibicki 2008, S. 48). Damit eng verbunden sind der starke Mitteilungsdrang einzelner Nutzer sowie die Suche nach sozialen (virtuellen) Kontakten, die auf vielfältige Weise bedient und dementsprechend als zentrale Erfolgsfaktoren dieser Applikationen fungieren kön-nen (Sassenberger 2008, S. 68). In Abgrenzung zur Selbstdarstellung beschränkt sich der vielfach vorhandene Kommunikationswunsch nicht auf die eigene Person, sondern eher auf Wissen oder Meinungen zu allen Bereichen des Lebens – von Kunst, Kultur oder Zeitgeschehen über Politik bis hin zu Einschätzungen von Mar-ken, Produkten oder Unternehmen (Kreutzer und Merkle 2008, S. 153).

3.2   Interaktive Nutzungspotenziale zur Kundenintegration

Vornehmlich Weblogs und Wikis bieten Zeitungs-, Zeitschriften- und Buchverlagen umfassende Möglichkeiten einer Kundenintegration, da diese Anwendungen in na-hezu idealer Weise Informationen (Input- und Outputfaktor von Printprodukten) zu einem wirtschaftlichen Gut verknüpfen können (Geiger 2002, S. 13). Die nachfol-gende Abb. 3 zeigt beispielartig, welche Bereiche im Wertschöpfungsprozess von Verlagsunternehmen mittels Web-2.0-Instrumenten unterstützt und durch eine Er-schließung kollektiver Leistungsbestandteile verbessert werden können.

3.3   Integration im Bereich Informationsbeschaffung  und Redaktion

Insbesondere in der Wertschöpfungsstufe der Informationsbeschaffung leisten interaktive Instrumente des Web 2.0 einen profunden Beitrag zur Generierung von Wissen und stellen somit ggf. wichtige Inputfaktoren für Verlagsunternehmen dar.

Ein Blog (Weblog) wird i. d. R. von einem Autor geschrieben und hat die Form eines Onlinetagebuchs, in dem zu ausgewählten Themen Beiträge erstellt und in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden (Wolff 2007, S. 3). Grundsätzlich sind Blogs frei zugänglich und einzelne Aspekte darin durch die Leser zu kommentieren.

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Will sich ein Blogger (Autor eines Weblogs) auf den Inhalt eines anderen Blogs be-ziehen, so kann er eine Verlinkung zu diesem setzen. Am Ende des Artikels wird der Link zum Referenzbeitrag aufgeführt und dessen Entstehung (bzw. die Begründung dafür) kann zurückverfolgt werden. Zusätzlich erscheint in den verlinkten Beiträ-gen der Hinweis auf die Verwendung. Diese Funktionen sind unter dem Begriff Trackback bekannt (Groß und Hülsbusch 2004, S. 44). Durch das Kommentieren, die Möglichkeit des Trackbacks und die „Verschlagwortung“, dem sog. Tagging, bieten Blogs eine ideale Plattform für eine schnelle und weitläufige Kommunika-tion. Die dialogorientierte Weblog-Community, welche sowohl durch emotionale Beziehungen der Blogger untereinander als auch zu den potenziellen Verlagen ge-kennzeichnet ist, kann als lohnenswertes Investitionsobjekt zur Gewinnung von loyalen Lesern und damit möglicherweise von Inhalteanbietern gesehen werden (Wolff 2007, S. 125). Hierbei können eine Vernetzung der Blog-Community sowie das Teilhaben bzw. die erhöhte Identifikation der Nutzer zu einer intensiven emotio-nalen Kundenbindung mit dem Leistungsangebot führen (Enderle und Wirtz 2008, S. 37; Möhlenbruch und 2007, S. 210).

Insbesondere Corporate Blogs lassen sich aufgrund ihrer dialogorientierten Merkmale der Kommunikationspolitik dem Instrumentalbereich des Marketings zuordnen (Wolff 2007, S. 126). Für Buchverlage besteht hierbei die Möglichkeit, durch Blogs in einen direkten Dialog mit sonst anonymen Lesern zu treten. Da-her sollte das Marketinginstrumentarium nicht wie bisher im Wesentlichen auf den klassischen Vertriebskanal des Buchhandels ausgerichtet sein, sondern verstärkt

Abb. 3   Einsatzpotenziale im Wertschöpfungsprozess. (Quelle: Darstellung der Verfasser)

Web

2.0

Ein

satz

po

ten

zial

eWertschöpfungsprozess bei Zeitungen und Zeitschriften

Wertschöpfungsprozess bei Buchprodukten

Blogautoren in Informa-tionsgenerierung einbe-ziehen

Wikis zur Dokumentation von Hintergrundinformat-ionen nutzen

Kommentare und Track-backs für die Erschließung neuer Informationsquellen

Web

2.0

Ein

satz

po

ten

zial

e

Iterativer Prozess zwischen Leser und Autor

Feedback-Schleifen

Austausch zwischen Verlag und Autor unterstützen

Überarbeitung von Artikeln mittels Wikis

Benutzer-Feedback aus Blog-Kommentaren

Erhöhung der Transparenz von Redaktionsleistungen

mittels Kundenbewert-ungen relevante Manuskripte ermitteln

Remissionsquoten senken und Buchsortiment optimieren

Verbesserung der Zeitschriften-und Artikelsuche

Erhöhung der Usability des Webauftritts

Tags zur Katalogi-sierung bei Online-Händlern

Buchempfehlungen

Nutzung der Vorteile des Social Shopping

Distribution der Artikelinhalte in Podcasts und sozialen Netzwerken

Informations-beschaffung

Generierung vonInhalten

Werbeakquisition

RedaktionWerbeplatzierung

PackagingderProdukte

Print Distribution

Informations-beschaffung Redaktion

LektoratLizenz- und

RechtehandelPrint Distribution

Generierung vonInhalten

Einsatzpotenziale des Web 2.0 zur erlebnisorientierten Kundenintegration

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einer Interaktion mit dem Leser und somit erlebnisorientierten Beziehungsaspek-ten dienen (Hoffmann 2002, S. 63). So bietet beispielsweise der O’Reilly-Verlag die Möglichkeit, Manuskripte von Autoren online zu lesen, diese mit Kommenta-ren zu bewerten und infolgedessen kundenbezogene Feedbacks zu erhalten (Safari Books Online 2010). Die Blogger werden dadurch in einen kreativen Prozess der Bucherstellung integriert, nehmen nicht länger ausschließlich die Rolle eines Ver-brauchers ein und können somit sogar an der Prozessoptimierung beteiligt werden. Als weiteres Beispiel für einen erfolgreichen Blogeinsatz kann der Buchverlag C. H. Beck mit seinem „Experten Blog“ angeführt werden, bei dem sich Juristen in ihrem jeweiligen Fachgebiet über aktuelle Rechtsthemen äußern oder publizierte Meinungen kommentieren (beck blog 2010).

Im Bereich lokaler Zeitungsverlage kann als Nachweis für die Leistungsfähig-keit dieses Web-2.0-Instrumentes der Blog der Lübecker Nachrichten genannt wer-den, in dem die Redakteure alles publizieren, was ihnen bedeutungsvoll erscheint (LN Online Blog 2010). Als sehr fortschrittlich gilt zudem die New York Times, die es sog. Super-Bloggern ermöglicht, ihre Beiträge aufgrund einer nachgewiesenen Relevanz für die Lesergruppe auf einem eigens dafür eingerichteten „User-Gene-rated Portal“ zu veröffentlichen und diese Mitarbeit durch die Redaktion vergüten lässt (Hubert Burda Media 2008, S. 22). Auch die Zeitschrift FOCUS nutzt den „Augen Geradeaus!“-Blog von Wiegold, der über Aspekte der Verteidigungspolitik publiziert und damit Leser möglicherweise über Hintergrund- bzw. Expertenwissen an das Verlagsangebot bindet (Focus Online 2010a). So weist z. B. auch Steiger, Chefredakteur des Wall Street Journals, auf ein hohes Potenzial bei der Zusammen-arbeit mit Bloggern im Bereich einer weiterführenden und hintergründigen Bericht-erstattung hin (Kramp und Weichert 2009, S. 45).

Unter dem Begriff Wiki werden offene, kooperative Autorensysteme für Websei-ten verstanden, die i. d. R. von allen Benutzern gleichermaßen in Echtzeit bearbeitet werden können. Sie stellen ein Gruppenprodukt mehrerer Autoren dar, in denen die Inhalte kollektiv zusammengetragen werden und einzelnen Personen nicht direkt zuzuordnen sind. Wikis sind gleichzeitig Autoren-, Diskussions- und Kollabora-tionswerkzeuge und besitzen sowohl in der Phase der Informationsbeschaffung als auch insbesondere in der redaktionellen zweiten Stufe der Wertschöpfungskette von Verlagsunternehmen umfassende Einsatzpotenziale (Groß und Hülsbusch 2004, S. 44 ff.). Zudem ermöglichen sie vor allem Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen, weiterführende Mitteilungen zu dokumentieren, um z. B. Hintergrundinformatio-nen festzuhalten, in denen der Nutzer recherchieren kann und gegebenenfalls zu einem Beitrag an einem kooperativen Wikiartikel ermutigt wird. Die Qualitätskon-trolle erfolgt mittels einer Auflistung der letzten Änderungen und Beobachtungs-listen der Wikisoftware (Ebersbach et al. 2008, S. 34). Verlage können dadurch komplexe Prozesse der Wissensgenerierung ohne erhöhte Transaktionskosten zum Nutzer auslagern, was am Beispiel der erfolgreichen Onlineenzyklopädie „Wiki-pedia“ deutlich wird (Knappe und Kracklauer 2007, S. 24).

Da sog. hedonistische Buchverlagsprodukte (im Sinne von Werken, die ein in-tensives Leseerlebnis versprechen) vor einer Konsumtion aufgrund ihrer Erfah-rungs- und Vertrauenseigenschaften durch die Kunden nur schwer überprüfbar

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sind, bieten insbesondere Wikis, analog den Weblogs, eine gute Möglichkeit, diese informationsökonomischen Barrieren zu überwinden und Buchprodukte im Prozess der Kaufentscheidung unter Zuhilfenahme von Prüfqualitäten besser zu beurteilen. Verlage können z. B. Ausschnitte von Büchern in Wikis veröffentlichen, um Rezen-sionen und Rückmeldungen zu erlangen, die fortlaufend in den Entstehungsprozess einer Publikation als Ergebnis einer iterativen Leser-Autor-Feedbackschleife ein-gehen (Blömeke et al. 2008, S. 293). Diese Formen der Interaktion und des erleb-nisorientierten Dialogs, welche durch Blogs und Wikis erst ermöglicht werden, er-höhen die Transparenz der Redaktionsarbeit auch bei Zeitungen bzw. Zeitschriften und können somit Entscheidungen des Lektorats unterstützen (Kramp und Weichert 2009, S. 20 f.).

Eine erfolgreiche Anwendung von Wikis bei Buchverlagen stellt beispielsweise das von der Hueber Verlag GmbH & Co. KG eingesetzte Wiki „99 Stichwörter“ dar, mit dem die Zielsetzung verfolgt wird, ein praktisches und hilfreiches Nachschlage-werk zu allen Themen der Methodik und Didaktik des Fremdsprachenunterrichts zu bieten (Hueber Verlag 2010). Erste aussichtsreiche Umsetzungen bei regionalen Zeitungen lassen sich anhand des Regio-Wikis der Hessische/Niedersächsische All-gemeine (HNA) dokumentieren, welches als reines „Kassel-Wiki“ startete und der-zeit als freie Enzyklopädie für Nordhessen, Südniedersachsen und Nordthüringen weiter entwickelt wird (HNA 2010). Für den Leser der HNA ergibt sich durch die Mitarbeit bzw. das Teilhaben an diesem Regio-Wiki ein höheres regionales Iden-tifikationspotenzial. Zudem bieten sich Chancen einer stärkeren Kundenbindung an das Leistungsangebot des Verlages sowie einer zusätzlichen Informations- und Inhaltsgenerierung, die durch die Redaktionsmitglieder alleine nicht zu bewältigen wären (Kretzschmar et al. 2008, S. 65).

Des Weiteren können Zeitungs- und Zeitschriftenverlage die umfangreichen Recherchetätigkeiten zahlreicher Onlinenutzer ohnehin kaum unmittelbar leisten, sodass diese Kundenintegration im Sinne des Crowdsourcing (Beiträge und Bewer-tungen aus der Gemeinschaft) zu einer erheblichen Arbeitsentlastung führen kann, da die Community ggf. jederzeit einen nützlichen Wikibeitrag für journalistische Zwecke liefert (Lucke 2008, S. 139).

3.4   Integration im Bereich Packaging und Distribution

Die Technologie des Tagging ermöglicht den Nutzern das Beschreiben von Inhalten, indem diese eine beliebige Ressource mit einem selbst gewählten Stichwort (Tag) belegen. Hierbei wird eine zuvor definierte Menge an Anhaltspunkten vorgegeben und dem Nutzer freigestellt, eine eigene Kategorisierung festzulegen (Smolnik und Riempp 2006, S. 21). Inhalte werden auf diese Weise durch verschiedene subjektiv gewählte Schlagworte beschrieben. Die aus dem Tagging resultierenden Vernetzun-gen erreichen oftmals umfassendere Informationsmöglichkeiten als Suchmaschinen (Bächle 2006, S. 123).

Das Tagging ist vor allem für Verlagsunternehmen eine sinnvolle Möglichkeit, den Leser in den Prozess der Katalogisierung bzw. Einordnung von Artikeln und

Einsatzpotenziale des Web 2.0 zur erlebnisorientierten Kundenintegration

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Hintergrundberichten einzubeziehen. Auf zahlreichen Webseiten von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen existieren verschiedene Menü- und Klassifikationsstrukturen, die sehr abwechslungsreich sind und zu Konfusionen bei den Konsumenten führen können. Beispielsweise unterteilt „Spiegel Online“ die Startseite in Home, Politik, Wirtschaft, Panorama, Sport, Kultur, Wissenschaft, UniSPIEGEL, SchulSPIEGEL, Reise und Auto, während „FOCUS Online“ die Klassifikationen Politik, Finanzen, Wissen, Gesundheit, Kultur, Panorama, Sport, Digital, Reisen, Auto, Karriere und Immobilien verwendet (Spiegel Online 2010; Fokus Online 2010b). Die Verschie-denartigkeit der Bereiche zeigt die Komplexität dieser Aufgabe, welche der Web-sitenutzer bewältigen muss, um relevante Artikel in unterschiedlichen Kategorien zu finden. Zudem besteht ein Entscheidungsproblem aufseiten der Redaktionen, Artikel in die richtigen Hierarchiestufen einzuordnen, ohne die Websiteusability zu gefährden (Smith 2008, S. 13).

Ein Beispiel für den Einsatz von Tags stellt der Axel Springer Verlag dar, der mit dem sog. AuthorMapper die Möglichkeit bietet, wissenschaftliche Beiträge mit Tags zu kombinieren, geografisch und zeitlich einzugliedern sowie diese Informa-tionen verknüpft nach Forschungsstand und beispielsweise Herkunftsland zu sortie-ren und zu visualisieren (AuthorMapper 2010). Auch in dem ebenso von Springer unterstützten Projekt CiteULike zeigt der Verlag weitreichende Chancen, die sich durch den Einsatz von Tags ergeben (CiteULike 2010). So lassen sich Zitate voll-automatisch aus der wissenschaftlichen Literatur in einer persönlichen virtuellen Büchersammlung zur Verfügung stellen und mit eigenen Tags versehen, um die-se mit weiteren Onlinebibliotheken zu teilen. Zudem können Buchverlage dieses Technologie einsetzen, um die Bücherdistribution über Onlineshops zu erkunden. Allerdings ist hierbei der Systematisierungsaufwand sehr groß, da sich der zu kata-logisierende Buchbestand um ein Vielfaches umfangreicher darstellt als bei Zeitun-gen und Zeitschriften. Deshalb nutzt z. B. der Onlinebuchhändler Amazon Tags, um die interne Suche zu verbessern und dem Kunden die Möglichkeit zu geben, sich an seine Produkte zu „erinnern“ und Artikel so zu kennzeichnen, dass er diese jederzeit wiederfinden kann (Amazon 2010). Grundsätzlich sollte aber eine Kombination aus Tags, Kategorisierung und Suche eingesetzt werden, um alle Leistungsangebote eines Verlages zu finden, da unpopuläre Bücher oder Artikel möglicherweise keine Tags durch die Anwender bekommen und somit nicht auffindbar sind (Sinclair und Cardew-Hall 2008, S. 28).

Sogenannte Social Networks als Weiterentwicklung der virtuellen Communities bezeichnen Webseiten, die Beziehungen von Usern untereinander als virtuelles Interaktionsgeflecht darstellen (Hippner 2006, S. 13; Schroll und Neef 2006, S. 2). Nutzer derartiger Seiten können ein persönliches Profil entwerfen und sich zudem an Diskussionsforen, die ihren individuellen Interessen entsprechen, beteiligen. Zu-sätzlich nimmt ggf. das Social Shopping einen hohen Stellenwert innerhalb der Dis-tribution ein. Hierbei werden soziale Netze gebildet, um Einkäufe zu tätigen bzw. vorzubereiten. Social Shopping basiert auf dem Prinzip der Gruppendynamik, in-dem eine große Einheit von Usern Produkte gegenseitig empfiehlt und gemeinsam Kaufentscheidungen trifft (Komus 2006, S. 37 f.).

Weitere Web-2.0-Instrumente, wie beispielsweise Pod- oder Videocasts, sind für Zeitungs- und Zeitschriftenverlage eher unterstützende Werkzeuge, da diese ur-

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sprünglich auf klassischen Printmedien aufbauen und die Aufbereitung redaktio-neller Print- in audiovisuelle Digitalinhalte ermöglichen. Hierbei sind erfolgreiche Kooperationen zwischen Film und Fernsehen sowie der Zeitungs- und Zeitschrif-tenbranche entstanden, wie der Podcast des „elektrischen Reporters“, als Kopro-duktion zwischen dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) und dem Handelsblatt, zeigt (TeachersNews 2007).

Eine detaillierte Analyse der sich aufgrund der Ausführungen ergebenden Abb. 4 sowie eine mögliche Ableitung von Handlungsoptionen für Verlage sollen im fol-genden Abschnitt diskutiert und begründet werden.

4   Emotionen als Basis für wertschöpfendes Erleben  in der Verlagsbranche

Aus den bisher gewonnenen Erkenntnissen lässt sich eine sinnvolle Systematisierung der Anwendungen des Web 2.0 im Wertschöpfungsprozess der Verlagsbranche für traditionelle Produkte begründen. Die damit verbundenen Potenziale sowie eine in diesem Zusammenhang mögliche Emotionalisierung durch Kundenintegration wer-den nachfolgend überblicksartig veranschaulicht und anschließend näher erläutert.

Weblogs bieten Verlagsunternehmen die Gelegenheit, Konsumenten im Rahmen der Generierung von Inhalten, Redaktion und Distribution in den Wertschöpfungs-prozess zu integrieren. Durch eine aktive Beteiligung der Kunden lassen sich zu-gleich emotionale Erlebnisse wie Akzeptanz, Vertrauen und schließlich Freude

Abb. 4   Emotionalisierung mittels Web-2.0-Anwendungen entlang des Wertschöpfungsprozesses von Verlagsunternehmen. (Quelle: Darstellung der Verfasser)

Web

2.0

-A

nw

end

un

g

Informations-beschaffung

Generierung von Inhalten

Werbeakquisition

RedaktionWerbeplatzierung

Packaging derProdukte

Print Distribution

Informations-beschaffung

Generierung von Inhalten

RedaktionLektorat

Lizenz- undRechtehandel

Print Distribution

Wertschöpfungsprozess bei Zeitungen und Zeitschriften

Wertschöpfungsprozess bei Buchprodukten

Wiki

Weblog

Tagging Social Network

Pod-/VideocastWeblog

Web

2.0

-A

nw

end

un

g

Bas

is-

Em

oti

on

Weblog

Wiki

Wiki

Weblog

Kundenrezension

Social Network

Pod-/VideocastWeblog

Tagging

Weblog

Wiki

Leserrezension

VERTRAUEN /

AKZEPTANZ

INTERESSE /

ERWARTUNG

VERTRAUEN /

FREUDE

ERSTAUNEN /

AKZEPTANZ

Einsatzpotenziale des Web 2.0 zur erlebnisorientierten Kundenintegration

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vermitteln. Insbesondere eine intensive Teilnahme an den bereits angesprochenen Feedbackschleifen oder eine Auswahl von Büchern für die Verlage im Rahmen von Weblogs können häufig positive Assoziationen und die beschriebenen Erlebnisse bei Bloggern auslösen. Ein Mitwirken am Entstehungsprozess eines Buches för-dert gegebenenfalls darüber hinaus die Selbstsicherheit sowie die Motivation der Prosumer, da persönliche Kompetenzen unter Beweis gestellt werden können. Die Möglichkeit, eigene Rezensionen nicht nur in einem begrenzten Wirkungskreis, beispielsweise unter Freunden, sondern quasi global zu verbreiten, vergrößert außerdem den sozialen Bezugsrahmen der Blogger, sodass positive Emotionen wie Freude bis hin zu Faszination auftreten können.

Web-2.0-Inhalte, die User auf Onlineplattformen speichern, können Verlage zu-dem nutzen, um diese schließlich in Zeitungen und Zeitschriften zu integrieren. So bedient sich der Gruner  +  Jahr Verlag in seiner Zeitschrift „View“ des vom Nutzer bereitgestellten und freigegebenen Onlinebildmateriales, um einerseits redaktionel-le Beiträge zu bereichern und die Beschaffungskosten zu senken sowie andererseits die Relevanz für den Leser dadurch zu erhöhen, dass Konsumenten in den Entste-hungsprozess des Zeitschriftenmagazins integriert werden (Werner und Schikora 2007, S. 208). Auch Zeitungsverlage und Nachrichtenagenturen, wie beispielsweise Reuters oder Chronicle, nutzen Blogartikel für die Veröffentlichung in ihren Onli-ne- und Printausgaben. Dies ist z. B. beim Blogaggregator „Blogburst“ möglich, wobei den Bloggern zugleich Anreize in Form von Paid Content sowie eine Steige-rung von Besucherzahlen zugesagt werden (Future Zone ORF 2006). Auch Online-feedbacks zu aktuellen Nachrichten können am darauffolgenden Erscheinungstag wiederum in der Printausgabe verwendet werden (Thurm 2002, S. 64). Eine der-artige Einbeziehung der Prosumer in den Prozess der Informationsgenerierung bei Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen kann ein hohes Bindungspotenzial und eine verbesserte Unternehmensakzeptanz zur Folge haben.

Wikis bieten Verlagsunternehmen bei der Integration von Konsumenten in die Informationsbeschaffung sowie in den redaktionellen Teil der Wertschöpfungskette die Möglichkeit, emotionale Erlebnisse wie Interesse zu wecken oder Erwartungen zu generieren. Analog zu Weblogs können auch Wikis Verlagslektoren Hilfestel-lungen bieten oder deren Aufgaben teilweise übernehmen, indem neue Inhalte der Buchautoren partiell freigegeben, durch die Nutzer überprüft und ihr Feedback in die Buchentwicklung einbezogen werden (Blömeke et al. 2008, S. 291). Im Rah-men einer aktiven Beteiligung an einem Wikiartikel kann ein Anwender, ebenso wie bei Weblogs, sowohl extrinsisch als auch intrinsisch motiviert sein, indem er sich einen Mehrwert von der Teilnahme verspricht (Hippner et al. 2010, S. 701 f.). Im Vordergrund steht hierbei zunächst das Interesse, das eigene Wissen zu erweitern, darüber hinaus zu bereits formulierten Gedanken etwas beizutragen und zugleich Teil eines größeren Ganzen zu sein (Strerath und Poser 2010, S. 38). Ansatzpunkte einer erlebnisorientierten Integration der Konsumenten in den Wertschöpfungspro-zess bietet folglich die Perspektive, eigenständig einen Beitrag zu schreiben oder die Qualität bereits existierender Artikel zu verbessern. Dem Nutzer bietet diese In-tegration die Möglichkeit einer Selbstverwirklichung bzw. -darstellung, weil posi-

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tive emotionale Erlebnisse, wie die Freude, etwas Bleibendes zu hinterlassen, ge-boten werden. Zugleich bedeutet die Beteiligung an Wikis die Vernetzung mit wei-teren Nutzern. Das sich daraus ggf. ergebende Gemeinschaftsgefühl kann analog zu Weblogs positive Erlebnisse wie Freude oder Begeisterung hervorrufen und den Nutzer auch auf diese Weise emotional begeistern. In diesem Zusammenhang bie-ten zudem die Erkenntnisse der Referenzgruppentheorie interessante Perspektiven, da das Kaufverhalten wesentlich durch die Mitgliedschaft in einer sozialen Gruppe determiniert wird. Die vorgestellten interaktiven Instrumente ermöglichen dieses gemeinschaftliche Erleben und intensivieren somit die Beziehung zum anbietenden Unternehmen. Des Weiteren stellt die Möglichkeit, Emotionen wie Neugier, Inter-esse oder Erwartungen in einer großen und globalen Gemeinschaft befriedigen zu können, eine weitere Gelegenheit erlebnisorientierter Integration von Konsumen-ten in den Wertschöpfungsprozess dar. Die stetig steigende Zahl an Weblogs und Wikibeiträgen ist nicht zuletzt ein Indiz dafür, dass der „moderne Rezipient“ ein Mitteilungsbedürfnis hat.

Verlage sollten ebenso die Effekte des Tagging nutzen, weil diese den Lesern bzw. Anwendern das Gefühl vermitteln, dass deren Meinung Bedeutung für das Unternehmen hat (Steigerung der Partizipation) (Maurice 2007, S. 16). Neben einer nutzerfreundlichen Auffindbarkeit der Information kann eine Analyse der Tags zu einer Überarbeitung der vorhandenen Hierarchiestrukturen führen und Erkenntnisse im Hinblick auf das Verständnis der Artikel durch die Leser bieten. Hinsichtlich einer emotionalen Ansprache bzw. erlebnisorientierten Integration der Konsumen-ten in den Wertschöpfungsprozess stellen Tags ein Instrument dar, neue Interessen bei den Nutzern zu wecken und folglich Emotionen wie Neugier, Erwartungen, Wachsamkeit oder Überraschung auszulösen. Nicht zuletzt der Aspekt der Grup-penbildung von Personen mit gleichen Meinungen bzw. der Nutzung eines homo-genen Vokabulars im Rahmen dieser Tags kann die Konsumenten emotional berüh-ren. Emotionen wie Heiterkeit, Freude bzw. Begeisterung können dabei gefördert werden.

Da bei Austauschplattformen wie sozialen Netzwerken der Kommunikation zwischen den Mitgliedern eine herausragende Bedeutung zukommt, besteht die Chance, die Aufmerksamkeit auf die eigenen Bücher und Artikel zu lenken. Zahl-reiche Autoren besitzen Userprofile in entsprechenden sozialen Netzwerken und auch Buchverlage nutzen häufig die Möglichkeit, ihre Neuerscheinungen mithilfe neuer Applikationen, wie etwa „iread“ von Facebook, beziehungsweise mittels Le-seempfehlungen rasch bei den Freundesgruppen der Nutzer zu verbreiten (Damke 2009, S. 221). Auch bei Verlagsprodukten ist anzunehmen, dass Kundenmeinun-gen größere Impulswirkungen auf die Konsumenten sozialer Netzwerke haben als klassische Anzeigen in Print- und TV-Medien. Da die Strukturen dieser interper-sonalen Netzwerke eine soziale Beeinflussung erst ermöglichen, werden hier Ad-optionsentscheidungen lediglich in geringem Maße alleine getroffen (Göbel 2009, S. 73). Somit leisten soziale Netzwerke für Verlage einen Beitrag bei der Qualitäts-bewertung ihrer Produkte, indem sie Unsicherheiten durch Produktempfehlungen, Listen, Meinungen und Bewertungen reduzieren und damit die genrespezifische

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und individuelle Gefahr eines Fehlkaufs verringern (Clement et al. 2009, S. 14). Daher sollten speziell Buchverlage die digitale „Mund-zu-Mund-Kommunikation“ sozialer Netzwerke als Chance sehen und die Kunden bei der Vermarktung von Büchern aktiv in den Distributionsbereich des Wertschöpfungsprozesses einbinden (Huber und Möller 2008, S. 308). So hat z. B. der Marktführer im Segment der Kochbücher, der Gräfe und Unzer Verlag, eine eigene Community (Kuechengoetter.de) mit umfangreichen, anspruchsvollen Rezeptideen aufgebaut und transportiert damit Leistungsbündel des Verlages (Roszinsky-Terjung 2009, S. 56). Auch soll-ten sich die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage den großen sozialen Netzwerken stärker annähern, um professionelle Nachrichten auf diesem neuen Vertriebsweg zu verbreiten und das partizipatorische Prinzip der Nachrichtengenerierung im Sinne einer gleichgewichtigen symbiotischen Austauschbeziehung zwischen Journalist und Rezipient nutzen (Kramp und Weichert 2009, S. 47).

Viele Zeitungs- und Zeitschriftenverlage sind bereits in sozialen Netzwerken mit Userprofilen und Fanseiten vertreten, jedoch zeigen sich hierbei deutliche Unter-schiede hinsichtlich der Interaktion und des Kundennutzens. Die Berliner Morgen-post Online (http://www.facebook.com/morgenpost) und auch die Süddeutsche Zei-tung (www.facebook.com/sueddeutsche) interagieren beispielsweise sehr intensiv mit den Mitgliedern des Netzwerkes Facebook. Es gibt allerdings auch Beispiele, wie die Facebook-Fanseite der Bild-Zeitung (www.facebook.com/bild), welche die Websitebesucher lediglich mit aktuellen Nachrichten versorgt, allerdings kaum de-ren Meinungen in der Community berücksichtigt. Hier sollte mehr dem Sinn der Interaktion sozialer Netzwerke entsprochen und Erkenntnisse der integrierten Kom-munikation genutzt werden (Bruhn 2009, S. 85 f.).

Betrachtet man hingegen die Produktpalette eines Buchverlages, so ist fest-zustellen, dass nur ein geringer Teil der angebotenen Bücher einen positiven De-ckungsbeitrag erzielt. Daher ist es für die Verlage von großer Bedeutung, die rich-tigen Inhalte zu generieren (Bücher, Manuskripte auswählen), den Marktbedarf ständig zu überprüfen und die Bücher optimal in den Markt einzuführen (Prostka und Schmidt-Stölting 2009, S. 110).

Im Vordergrund einer aktiven Beteiligung an sozialen Netzwerken stehen für deren Nutzer in erster Linie die Bedürfnisse, Mitglied einer bestimmten Gruppe mit gleichen Interessengebieten sowie Werten zu sein und gleichzeitig innerhalb dieser Gemeinschaft soziale Beziehungen abbilden und pflegen bzw. verwalten zu können. Diese Form der elektronischen Interaktion im Rahmen von sozialen Netz-werken bietet Verlagsunternehmen die Chance, Emotionen wie Begeisterung, Freu-de oder auch Stolz, einer großen und vor allem globalen Gemeinschaft anzugehö-ren, beim Konsumenten auszulösen. Neben der Kontaktpflege der Mitglieder dieser Netzwerke stehen nicht zuletzt extrinsische Motive, wie Selbstdarstellung oder Wissensaustausch, im Fokus der Betrachtung. Die Teilnehmer finden sich i. d. R. aufgrund gemeinsamer Interessen zusammen und entwickeln untereinander sowie mit dem entsprechenden Unternehmen Interaktionsbeziehungen, was grundsätzlich der Zielstellung einer Wirkungskette entspricht und somit eine Kundenbindung be-günstigen kann (Hippner et al. 2010, S. 699).

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Neben den genannten Ansatzpunkten sollten auch weitere Web-2.0-Instrumente analysiert werden. Mikrobloggingdienste, wie beispielsweise Twitter.com, bieten dem Nutzer einen zusätzlichen, im Vergleich zu sozialen Netzwerken sogar schnel-leren Kommunikationskanal. Im Rahmen des sog. Mikroblogging können die Be-nutzer kurze, SMS-ähnliche Textnachrichten mit meist weniger als 200 Zeichen veröffentlichen. Die einzelnen Postings sind entweder privat oder öffentlich zu-gänglich und werden ähnlich einem Blog chronologisch dargestellt. Diese können über verschiedene Kanäle, wie SMS, E-Mail, Instant Messaging oder das Web, er-stellt und abonniert werden. Laut einer Studie von „compete“ hat sich Twitter nach Facebook.com und MySpace.com mittlerweile zum drittgrößten sozialen Netzwerk entwickelt (Kazeniac 2009).

Verlage können diese neue Art der Kommunikationsvernetzung für eine schnelle virale Verbreitung ihrer Artikel und auch für die Präsentation neuer Bücher nutzen (Publishing Trends 2009). So zeigt sich beispielsweise, dass Spiegel Online mit einer Reihe von Twitter-Accounts vertreten ist und damit seine Nachrichten zu ver-schiedenen Themen an interessierte Nutzer kommuniziert (Spiegel Online 2008). Obwohl Twitter ein erhebliches Wachstum aufweist, dokumentieren die Zahlen einer aktuellen empirischen Studie, dass weniger als 6 % der deutschsprachigen Internetnutzer den Dienst lediglich einmal pro Monat nutzen, sodass Twitter hinter anderen Web-2.0-Anwendungen bei Weitem zurückbleibt und sich damit derzeit eher geringe Einsatzmöglichkeiten für Verlage ergeben (Fittkau und Maaß Consul-ting 2009).

Dennoch ist das Gefühl für den Nutzer von Mikrobloggingdiensten, quasi live am Geschehen teilzunehmen sowie schnell und direkt Informationen auszutau-schen, bei keinem anderen dargestellten Web-2.0-Instrument derart ausgeprägt. Damit ergibt sich eine völlig neue Art der Kommunikation. Da im Rahmen von Mi-krobloggingdiensten vorwiegend Menschen mit ähnlichen Interessen zusammen-treffen, werden den Nutzern auch nur für sie relevante Informationen zur Verfügung gestellt. Insbesondere hinsichtlich einer Vermittlung von Erlebnissen bleibt somit festzustellen, dass eine intensive persönliche Beziehung mit hohem Vertrauen zum sog. Twitterer entstehen kann, die bei Journalisten nur selten möglich ist.

5   Fazit

Die zahlreichen Möglichkeiten des Web 2.0 bieten vielfältige Wege, den Kunden aktiv und zugleich erlebnisorientiert in den Wertschöpfungsprozess von Verlags-unternehmen einzubinden. Hierbei bildet vor allem eine Vermittlung von spezifi-schen Erlebnissen zum Aufbau eines emotionalen Verlagsprofils wichtige strategi-sche Ansatzpunkte.

Die schnelle sowie zeitlich, räumlich und sprachlich unabhängige Generierung und Verbreitung von Informationen wird durch die vorgestellten Web-2.0-Anwen-dungen für Verlage erleichtert. Leser, die durch traditionelle Kommunikationska-

Einsatzpotenziale des Web 2.0 zur erlebnisorientierten Kundenintegration

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näle nicht umfassend erreicht werden, können durch eine dialogorientierte, offene und authentische Ansprache über Web-2.0-Anwendungen (wieder) an einen Verlag gebunden werden. Die Beziehungen zu bereits bestehenden Kunden erfahren damit häufig eine Intensivierung. Obwohl der Kontrollverlust durch die Einbindung der Nutzer Risiken in sich birgt, bieten die beschriebenen Instrumente den Verlagen zahlreiche Chancen, zusammen mit dem Prosumer im Rahmen einer interaktiven Wertschöpfung qualitativ hochwertige Artikel und Nachrichten einerseits sowie er-folgreiche Buchprodukte andererseits zu generieren. Verlagsunternehmen sollten ihren Kunden daher einen emotionalen Zusatznutzen bieten, um langfristig ihren wirtschaftlichen Erfolg zu sichern. Insbesondere für einen ganzheitlichen E-Com-merce-Ansatz eignen sich die Web-2.0-Anwendungen in hervorragender Weise als ein Instrument des Kundenbindungsmanagements. Im Hinblick auf die Ziel-setzung der Untersuchung, die Einsatzmöglichkeiten von Web-2.0-Anwendungen in der Verlagsbranche zu analysieren, sind aufgrund der schnellen Entwicklung und des begrenzten praktischen Einsatzes dieser Instrumente Restriktionen zu beach-ten. Zudem fehlen zeitraumbezogene Studien zur Vorteilhaftigkeit einer Nutzung der einzelnen Web-2.0-Instrumente. Somit erscheint eine weitergehende Forschung notwendig, um die Einsatzmöglichkeiten und Potenziale auch hinsichtlich einer er-lebnisorientierten Kundenintegration empirisch zu prüfen. Insbesondere die Moti-vation, die Schaffung von Anreizen und das Koordinationsproblem der vielen Nut-zer beim Einsatz des Erlebniswebs sind auf der Grundlage von empirischen Studien zukünftig zu untersuchen.

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Einsatzpotenziale des Web 2.0 zur erlebnisorientierten Kundenintegration

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Zusammenfassung 

Web-Communities bieten bislang nicht dagewesene Möglichkeiten zum Infor-mations- und Meinungsaustausch und erfreuen sich daher steigender Beliebtheit seitens der Internetnutzer. Auch Unternehmen haben Communities bereits als Kommunikationskanal für sich entdeckt. Mit hohen Investitionen wollen sie von der kumulativen Reichweite dieser Onlineplattformen profitieren. Im Rahmen des Erlebnismarketing stellen virtuelle Communities ein wichtiges Kommuni-kationsinstrument zur Übermittlung von Informationen, aber auch Emotionen, dar. Daher befasst sich auch die Marketingwissenschaft zunehmend mit der Er-forschung von Web-Communities. Bisherige Studien vernachlässigen jedoch die Analyse der Wirkung von Interaktion zwischen verschiedenen Akteuren und dem damit wahrgenommenen Erlebniswert in der Community. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass die Interaktionsmöglichkeiten und das daraus resul-tierende Community-Erlebnis aufseiten der Konsumenten wichtige Instrumente zur Steuerung zentraler Marketingkonstrukte sind.

1   Communities als Instrument der Erlebniskommunikation

Das Internet hat das Informations- und Kommunikationsverhalten von Konsumenten verändert. Menschen auf der ganzen Welt können sich heutzutage mit nur wenigen Klicks auf elektronischem Weg miteinander austauschen (Kozinets 1999, S. 253). Dabei bieten besonders virtuelle Communities nie dagewesene Möglichkeiten zur Interaktion mit anderen und somit zum schnellen Informations- und Meinungsaus-tausch (Bagozzi und Dholakia 2002, S. 3). Zahlreiche Unternehmen haben Com-munities bereits als neuen Kommunikationskanal entdeckt. Dies verdeutlichen die

Interaktion in Web-Communities als Erfolgsfaktor der Erlebniskommunikation

Hans H. Bauer, Achim Botzenhardt und Daniel Heinrich

A. Botzenhardt ()Universität Mannheim, Mannheim, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_8, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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zum Teil enormen Investitionen der vergangenen Jahre seitens der Wirtschaft (Koch et al. 2007, S. 448). Die bekanntesten Beispiele sind die Übernahme von YouTube durch Google oder die Beteiligung von Microsoft am sozialen Netzwerk Facebook.

Aus Unternehmenssicht scheinen sich diese Investitionen langfristig zu rech-nen, da die Einsatzfelder von Communities vielfältig sind (Bughin und Hagel 2000, S. 237). Auf Plattformen wie Facebook, StudiVz oder LinkedIn tauschen Mitglieder Informationen und Wissen aus und knüpfen zudem soziale und berufliche Kontakte (Rudolph et al. 2008, S. 11). Communities helfen aber auch bei der Kaufentschei-dungsfindung. So können Konsumenten in Produktbewertungs-Communities wie ciao.de, dooyoo.de oder kelkoo.de vor dem Kauf Erfahrungsberichte anderer stu-dieren und Informationen unverblümt austauschen. Folglich besteht die Möglich-keit, durch Interaktion in Communities jede Phase des Kaufentscheidungsprozesses zu beeinflussen (Algesheimer 2004, S. 8). Darüber hinaus bieten Communities im Rahmen des Erlebnismarketing enormes Potenzial. Sie sind ein starkes Instrument zur Umsetzung erlebnisorientierter Kommunikationspolitik und bieten Unterneh-men die Möglichkeit, durch gezielte Vermittlung eines Erlebniswerts Zielgruppen emotional zu stimulieren.

Aufgrund der enormen Praxisrelevanz befasst sich auch die wissenschaftliche Forschung vermehrt mit der Analyse von Communities. Bisherige Arbeiten kon-zentrieren sich auf die Erforschung der Auswirkungen von Interaktion in Brand Communities auf unternehmerische Zielgrößen wie Kundenloyalität oder auf das Involvement der Konsumenten und deren Bereitschaft zur aktiven Teilnahme an Diskussionen in virtuellen Communities (Rudolph et al. 2008, S. 11). Bisher uner-forscht ist jedoch der Einfluss von Interaktion innerhalb einer Community auf das wahrgenommene Community-Erlebnis sowie die daraus resultierenden Auswirkun-gen auf zentrale Marketingkonstrukte wie Kaufabsicht oder Weiterempfehlungs-bereitschaft.

Daher ist das erste Ziel dieser Studie, die Wirkungsweise der Interaktion zwi-schen verschiedenen Akteuren innerhalb virtueller Communities in Bezug auf das wahrgenommene Erlebnis der User zu untersuchen. Anschließend wird eine mög-lichst optimale Ausgestaltungsform der Interaktionsmöglichkeiten identifiziert, mit dem Ziel, das wahrgenommene Community-Erlebnis zu steigern. Darüber hinaus werden die Auswirkungen der Interaktion sowie die des Community-Erlebnisses auf zentrale Outcome-Variablen analysiert.

2   Grundlagen zu Communities

2.1   Etymologie

Der englische Begriff „Community“ ist im deutschen Sprachgebrauch als Subs-titut oder Synonym für den deutschsprachigen Begriff „Gemeinschaft“ zu sehen und geht auf das lateinische „communio“ zurück (Diemers 2001, S. 132). Der Aus-druck wird von „munire“ abgeleitet, was sich mit „stark befestigen“, „stärken“ oder

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„schützen“ übersetzen lässt und so viel bedeutet wie „mit einer Schanze umgeben“. Der Teilbegriff „munus“ steht ebenfalls in enger Verbindung mit dem Wort „com-munio“, womit eine gemeinsam vollbrachte Leistung oder Aufgabe gemeint ist, bei der man aufeinander angewiesen ist (Kellner 1998, S. 137). Zusammengefasst ergeben beide Bedeutungsrichtungen, dass mit „communio“ eine Ansammlung von Menschen gemeint ist, die in einem bestimmten Bereich beheimatet und durch eine gemeinsame Aufgabe oder ein gemeinsames Gut miteinander verbunden ist. Dies entspricht auch der im mittellateinischen entstandenen Bedeutung „Gemeinschaft“ (von Balthasar 1972, S. 4). Analog dazu bedeutet das lateinische „communis“ ur-sprünglich „gemeinsam dienstbereit“ bzw. „mitverpflichtet“. Darauffolgend wurde mit dem Wort auch die Bedeutung „gemeinsam“, „gemeinschaftlich“, „allgemein“ und „öffentlich“ verbunden (Diemers 2001, S. 132).

2.2   Typologie

In der wissenschaftlichen Literatur existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Typo-logisierungen von Communities, welche sich aus verschiedenen Blickwinkeln er-geben und daher nicht frei von Überschneidungen sind. Bis heute existiert nicht die „eine“ weithin akzeptierte Typologisierung von virtuellen Communities (Porter 2004, S. 2). So postulieren Lee et al. (2003, S. 52), dass „none of the classificati-ons of virtual community covers every aspect, or fits under every circumstance“. Im Folgenden sollen deshalb kurz zwei ausgewählte Typologisierungen vorgestellt werden, die auch das Verständnis dieses Beitrags widerspiegeln.

Eine der bekanntesten Typologisierungen stammt von Hagel und Armstrong (1997, S. 135). In dieser stehen die Motivation bzw. die Bedürfnisse der Mitglieder im Vordergrund. Die Autoren unterscheiden hierbei zwischen Transaktionsgemein-schaften (communities of transaction), Interessengemeinschaften (communities of interest), Fantasie- und Spielgemeinschaften (communities of fantasy) sowie Be-ziehungsgemeinschaften (communities of relationship). Eine Einteilung dieser Art ist jedoch insofern als problematisch zu bezeichnen, als dass die eindeutige Zuord-nung einer Community zu einem der genannten Typen nur bedingt erfolgen kann. So können häufig mehrere verschiedene Motive für die Teilnahme eines Mitglie-des gleichzeitig vorliegen. Infolgedessen ist eine große Zahl an Überschneidungen kaum vermeidbar.

Im Gegensatz zu Hagel und Armstrong kategorisiert Figallo (1998, S. 38) Com-munities nicht nach dem Inhalt, sondern nach der Art des Mitgliederverhaltens. Da-bei unterscheidet er zwischen drei verschiedenen Kontinua, die sich auf das Verhal-ten der Mitglieder bezüglich der Interaktivität, der Fokussierung und der Kohäsion beziehen (Abb. 1).

Die beiden Pole des ersten Kontinuums ergeben sich aus dem Grad der personel-len Interaktivität der Mitglieder in einer Community. Bei der Interaktion an einem virtuellen Ort stellt die Interaktivität der Mitglieder untereinander sowie die sich daraus ergebenden Beziehungen das Hauptziel der Community dar. Im anderen Fall steht die Interaktion bezüglich eines Themas im Mittelpunkt der Community. Das

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Kennenlernen anderer Mitglieder sowie das direkte Aufbauen einer Beziehung zu diesen werden dabei vernachlässigt. Das zweite Kontinuum bezieht sich auf die Schärfe der Fokussierung. Diese beschreibt die Intensität, mit der sich die Mit-glieder einer Community mit einem bestimmten Thema befassen. Während sich eine spezialisierte Community meist auf einen bestimmten Teilbereich eines The-mas konzentriert, wird in einer generalisierten Community ein breites Spektrum des Themenbereiches abgedeckt. Als drittes Kontinuum sehen die Autoren den Zu-sammenhalt der Community. Der Grad der Kohäsion kann sich dabei von lose über schwach verbunden bis hin zu stark verbunden mit familiärem Charakter erstre-cken. Communities können daher auf Basis dieser Kriterien charakterisiert werden.

3   Interaktion als Schlüsselvariable  des Community-Erlebnisses

Im Rahmen der Kommunikation sind drei wichtige Elemente zu unterscheiden (vgl. Abb. 2). Als erstes die Community, welche das Medium des Kommunikationsflus-ses darstellt. Innerhalb dieser Community agieren wiederum verschiedene Akteure, welche schließlich Botschaften in Form von verschiedenen Informationen übermit-teln. Zusammen können diese Elemente als Dreiklang der Kommunikationsüber-mittlung bezeichnet werden. Dabei bildet die Interaktion der Akteure den Schlüssel zur Schaffung eines Erlebnis innerhalb der Community.

Nachfolgend werden Hypothesen zur Wirkung der Interaktion in Communities erstellt und einer empirischen Überprüfung unterzogen. In einem ersten Schritt soll die Schlüsselrolle der Interaktion als Einflussfaktor des wahrgenommenen Commu-nity-Erlebnisses untersucht werden.

Im Hinblick auf die Beweggründe von Individuen bezüglich einer Interaktion mit anderen Individuen in virtuellen Communities spielt das empfundene Gemein-schaftsgefühl eine wichtige Rolle (Albers et al. 1999, S. 955). Streben Individuen an, über eine Mitgliedschaft in der Gemeinschaft Freunde zu finden und Beziehungen aufzubauen, so führt dies nach Wang und Fesenmaier (2003, S. 42) zu einer häufige-ren und intensiveren Interaktion innerhalb der Community. Durch die gegenseitige Kommunikation und das Verfassen eigener Beiträge wird ein Individuum zum Teil

Abb. 1   Kontinua des Mitgliederverhaltens

Grad der personellen Interaktivität

Schärfe der Fokussierung

Kohäsion der Mitglieder

Interaktion aneinem virtuellen Ort

generalisiert

lose

Interaktion zueinem Thema

spezialisiert

familiär

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einer virtuellen Gemeinschaft. Dies zeigt auch eine Untersuchung von Okleshen und Grossbart (1998, S. 277), wonach sich mit steigender Interaktion das Zugehö-rigkeitsgefühl von Community-Mitgliedern signifikant verstärkt. Vor diesem Hin-tergrund wird in der sozial-psychologischen internetbezogenen Community-For-schung von der Annahme einer intrinsischen Motivierung von Konsumenten durch die Vermittlung eines sozialen Nutzens ausgegangen (Hennig-Thurau 2004, S. 180).

Ein solcher Zusammenhang zwischen der Interaktion und dem wahrgenom-menen Community-Erlebnis wird durch mehrere empirische Studien bestätigt. So identifizieren Hennig-Thurau und Hansen (2001, S. 570) in ihrer Studie Communi-ty-Erlebnis als Faktor, welcher als Motivstruktur der sozialen Interaktion in Virtual Communities gilt. Die Autoren können nachweisen, dass das Verfassen von Beiträ-gen in virtuellen Communities insbesondere dadurch motiviert ist, dass Konsumen-ten durch den Austausch Teil einer Onlinegemeinschaft werden. Darüber hinaus konnten Okleshen und Grossbart (1998, S. 277) in ihrer empirischen Studie zeigen, dass die Interaktionshäufigkeit einen positiven Einfluss auf die Wahrnehmung der Mitgliedschaft hat und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Community-Mitglie-der signifikant verstärkt. Sie postulieren, dass „posting creates and reflects a sense of continuity and group cohesion because those who post use the medium to build relationships through personal comments, opinions, information, and expertise“. Somit wird klar, dass sowohl die Interaktion zwischen Usern als auch zwischen Usern und Experten ein Erlebnis für alle Beteiligten darstellt. Dieses Community-Erlebnis kann folglich durch die Interaktion positiv beeinflusst werden. Auf Grund-lage dieser Ausführungen wird deshalb folgende Hypothese aufgestellt:

H1: Je größer die Interaktionsmöglichkeiten innerhalb der virtuellen Produkt-Community, desto größer ist das wahrgenommene Community-Erlebnis.

3.1   Experimentelle Versuchsanordnung der Studie

Um Aufschluss über den Einfluss der Interaktion auf das Community-Erlebnis zu erhalten, wird die Zusammenhangsvermutung mittels einer Onlinebefragung und einer Varianzanalyse überprüft. Für die Studie wird als Erhebungsmethode ein internetbasiertes Feldexperiment gewählt. Das Experiment simuliert den Internet-

Abb. 2   Dreiklang der Kommunikationsübermittlung

Medium

Sender

Botschaft

Community

Akteur

Information

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auftritt eines fiktiven Herstellers von Mobilfunkgeräten. Auf dieser speziell für die Studie programmierten Homepage wird ein Produkt des fiktiven Herstellers vorge-stellt, das innovative Mobiltelefon „Di1“. Die Auswahl des Produkttyps erfolgt auf-grund der hohen Durchdringung der Haushalte mit Mobilfunkgeräten sowie deren Popularität. Zentrales Element des experimentellen Designs dieser Studie bildet ein Versuchsplan mit Zufallsgruppenbildung. Charakteristisch für diese Art des Experi-mentaldesigns ist die zufällige Aufteilung der Probanden auf zwei oder mehr Unter-gruppen. Dieses Experiment umfasst drei Treatmentgruppen: Die Kontrollgruppe 1 (keine Interaktionsmöglichkeiten), die Experimentalgruppe 2 (Interaktion mit an-deren Usern) sowie die Experimentalgruppe 3 (Interaktion mit anderen Usern und Experten/Unternehmensvertretern). Alle Gruppen durchlaufen denselben Versuchs-ablauf. Im Fall der Treatmentgruppen 2 und 3 enthält die Homepage des fiktiven Herstellers ein interaktives Diskussionsforum. Bei der Experimentalgruppe 2 haben die Probanden die Möglichkeit, sich in diesem Forum miteinander auszutauschen und gemeinsam zu interagieren. Im Forum der Experimentalgruppe 3 haben die Probanden zusätzlich die Möglichkeit, mit fiktiven Unternehmensvertretern, also Experten, zu interagieren. Diese sind durch die Verwendung des Herstellerlogos sowie einer entsprechenden Signatur in ihrem Useraccount als Unternehmensan-gehörige gekennzeichnet. Es existiert ein spezieller Bereich (Thread) für die Inter-aktion mit Experten sowie ein Bereich für die Interaktion der User untereinander. Im Gegensatz dazu entfällt bei der Kontrollgruppe 1 das Forum gänzlich und somit jegliche Möglichkeit der Interaktion. Der zugewiesene Typ der Interaktionsmög-lichkeit nimmt somit in Gestalt der jeweiligen Homepage die Funktion des mani-pulativen Faktors ein.

Die Untersuchung setzt sich aus insgesamt drei Phasen zusammen. Zu Beginn der ersten Phase findet nach Angabe einer validen E-Mailadresse und Anklicken eines Buttons, welcher zu einer Login-Seite führt, die Einteilung der Probanden in die einzelnen Treatmentgruppen statt. Diese Einteilung wird entsprechend dem Versuchsplan mittels Randomisierung (Zufallsgruppenbildung) vorgenommen. In der zweiten Phase werden die Versuchspersonen nach erfolgreichem Login auf die Homepage des fiktiven Herstellers weitergeleitet. Diese Seite können sie dann mit-samt ihren Funktionen nach eigenem Interesse erkunden. Durch die Zusendung einer Registrierungsbestätigung per E-Mail (mit integriertem Auto-Login-Link zum Experiment), hat der Proband die Möglichkeit, die Homepage zu einem späte-ren Zeitpunkt noch einmal zu besuchen bzw. zu betrachten. Nach Betätigung eines Log-out-Buttons, am oberen Bildrand der Homepage, beginnt die dritte Phase des Experiments. Hier erfolgt für alle Treatmentgruppen einheitlich die Präsentation des Fragebogens. Die darin enthaltenen Fragen befassen sich mit den im Rahmen der Hypothesenerstellung berücksichtigten Konstrukten, wie bspw. der Kaufabsicht oder dem Weiterempfehlungsverhalten. Am Ende des Fragebogens werden die So-ziodemografika der Versuchsteilnehmer erfasst. Nach dem vollständigen Ausfüllen des Fragebogens können die Teilnehmer ihren Namen und ihre E-Mail-Adresse angeben, sofern sie an der angebotenen Verlosung von Sachpreisen (zur Incenti-vierung) teilnehmen möchten. Abbildung 3 zeigt einen Screenshot der virtuellen Produkt-Community des fiktiven Herstellers.

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3.2   Datenanalyse und Interpretation

Die Datenerhebung erstreckte sich über einen Zeitraum von vier Wochen. Dabei wurde eine Nettostichprobe von n  =  298 erreicht, welche sich zu 48,2 % aus weib-lichen und zu 51,8 % aus männlichen Teilnehmern zusammensetzt. Das Durch-schnittsalter der Probanden beträgt 34,12 Jahre. Die Verteilung weist nahezu Re-präsentativität für die deutsche Bevölkerung auf.

Die Auswertung des Omnibustests, welcher im Rahmen der multivariaten Varianzanalyse (MANOVA) durchgeführt wurde, weist statistisch signifikan-te Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen nach. Die Prüfgrößen Wilks-Lambda (F  =  16,955; p < 0,001) und die größte charakteristische Wurzel nach Roy (F  =  34,846; p < 0,001) fallen hochsignifikant aus. Folglich kann die Nullhypothese gleicher Vektoren der Mittelwerte der Variablen (in den verschiedenen Gruppen) auf einem Signifikanzniveau von p < 0,001 verworfen und die Ergebnisse interpre-tiert werden.

Zur genaueren Analyse des wahrgenommenen Community-Erlebnisses werden separat berechnete, univariate Varianzanalysen herangezogen. Diese werden von SPSS im Rahmen der MANOVA zusätzlich bereitgestellt und im Folgenden analy-siert. Dabei zeigen sich für das Community-Erlebnis statistisch signifikante Unter-schiede (F  =  62,936; p < 0,001) zwischen allen drei Treatmentgruppen. Aus dem Vergleich der Mittelwerte zwischen den Gruppen wird deutlich, dass der Erlebnis-wert in einer Community mit User- und Experteninteraktion im Vergleich zu einer Community mit reiner Userinteraktion als deutlich stärker wahrgenommen wird. In Communities ganz ohne Interaktion fällt dieser Erlebniswert folglich noch geringer aus (vgl. Abb. 4). Die Möglichkeiten zur Interaktion mit anderen Usern sowie mit

Abb. 3   Screenshot einer virtuellen Produkt-Community

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Unternehmensvertretern führen also zu einer Erhöhung des gefühlten Erlebnisses innerhalb der Community. Folglich kann Hypothese H1 bestätigt werden.

4   Interaktion und Community-Erlebnis als Erfolgsfaktoren  zur Beeinflussung des Konsumentenverhaltens

Nachdem im ersten Teil der Studie die Abhängigkeiten der Interaktion und des wahrgenommenen Community-Erlebnisses nachgewiesen wurden, soll in einem weiteren Untersuchungsschritt überprüft werden, ob die experimentelle Variation der Interaktionsmöglichkeiten und die daraus resultierenden unterschiedlichen Le-vel des wahrgenommenen Community-Erlebnisses auch einen Einfluss auf zentra-le Marketingkonstrukte ausüben. Im Folgenden werden Wirkungshypothesen der Interaktion und des damit verbunden Community-Erlebnisses auf die Kaufabsicht, die Weiterempfehlungsabsicht sowie das Vertrauen in die Community hergeleitet und anschließend einer empirischen Überprüfung unterzogen.

4.1   Kaufabsicht

Als Indikator des tatsächlichen Kaufverhaltens wird in der Kaufverhaltensfor-schung das Konstrukt der Kaufabsicht herangezogen. Howard (1994, S. 41) defi-niert dieses als „a mental state that reflects the buyer’s plan to buy some specific number of units of a particular brand in some specified time period“. Im Rahmen

Abb. 4   Ergebnisse der Varianzanalyse

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dieser Studie wird allerdings dem weiter gefassten Begriffsverständnis von Dodds et al. (1991, S. 307) gefolgt, welche Kaufabsicht als die vom Konsumenten indi-viduelle zukünftige Kaufwahrscheinlichkeit eines bestimmten Produkts oder einer bestimmten Marke definieren.

Zur theoretischen Fundierung eines möglichen Zusammenhangs zwischen Inter-aktion in einer virtuellen Produkt-Community und Kaufabsicht des in der Com-munity präsentierten Produkts kann die Theorie der kognitiven Dissonanz heran-gezogen werden. Die Kernaussage der Theorie besagt, dass Individuen innerhalb ihres kognitiven Systems stets ein harmonisches kognitives Gleichgewicht anstre-ben (Festinger 1978, S. 17). Existieren nun kognitive Inkonsistenzen aufseiten des Konsumenten, so kann die Interaktion mit anderen Usern oder mit Experten inner-halb einer virtuellen Produkt-Community zu einem Abbau bzw. einer Reduktion der kognitiven Inkonsistenzen beitragen. Gefällt einem Konsumenten bspw. zwar ein Produkt, hat er jedoch Bedenken hinsichtlich des Preises oder der Funktionalität, so kann der Austausch von Meinungen, Erfahrungen und Kenntnissen zur Wieder-herstellung des kognitiven Gleichgewichts führen.

Dabei können durch den Austausch von positiven Meinungen und Erfahrungs-berichten nicht nur Inkonsistenzen oder Unsicherheiten aufseiten der Konsumenten abgebaut werden, sondern auch neutrale Mitglieder hinsichtlich ihres Kaufverhal-tens beeinflusst werden (Pentina et al. 2008, S. 114). Dies untermauert eine Untersu-chung von Hennig-Thurau und Hansen (2001, S. 573), welche empirisch nachwei-sen konnten, dass der Austausch von positiven Erfahrungsberichten und Meinungen einen signifikant positiven Einfluss auf das Kaufverhalten von Konsumenten hat. Auch McMillan kommt in einer Arbeit zu dem Schluss, dass „there is a widespread hope that increased interactivity will lead to increased likelihood of behaviors such as […] purchasing from a website“ (McMillan 2002, S. 278). Es kann also gefolgert werden, dass die Interaktion der Mitglieder in einer virtuellen Produkt-Community die Kaufabsicht hinsichtlich des in der Community präsentierten Produktes positiv beeinflusst. Dies führt zur Formulierung folgender Hypothese:

H2: Je größer die Interaktionsmöglichkeiten innerhalb der virtuellen Produkt-Community, desto größer ist die Kaufabsicht (hinsichtlich des in der Commu-nity präsentierten Produkts).

4.2   Weiterempfehlungsabsicht

Unter dem Begriff Weiterempfehlung oder Mund-zu-Mund-Kommunikation ist ein mündlicher Austausch positiver Informationen zwischen Individuen zu verstehen (Arndt 1967, S. 291). Die in der englischsprachigen Literatur häufig verwendete Entsprechung der deutschen Begriffe ist „Word-of-Mouth“ (WOM). Arndt definiert WOM als „oral, person-to-person communication between a receiver and a commu-nicator whom the receiver perceives as non-commercial, concerning a brand, a pro-duct or a service“ (1967, S. 190). Eine Erweiterung dieser Definition stammt von Röthlingshöfer (2008, S. 27), welcher die Informationsübertragung durch Bilder, Videos oder jede andere Kommunikationsmöglichkeit explizit in die Definition der

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Mundpropaganda mit einschließt. Diese weiter gefasste Definition scheint in An-betracht der Entwicklungen der neuen Medien wie Internet und Web 2.0 als probat und soll auch in dieser Studie zugrunde liegen.

Eine theoretische Fundierung des Word-of-Mouth liefern die klassischen Aus-tauschtheorien. Die Kernaussage dieser Theorien unterstellt ein angestrebtes Gleichgewicht aus Anreiz und Beitrag zwischen den Austauschpartnern. Die sozia-le Interaktion wird dabei als ein Austausch von Belohnung und Strafreizen aufge-fasst (Wiswede 1995, S. 99). Soziale Beziehungen werden theoriegemäß nur dann über den Zeitablauf aufrechterhalten, wenn die erhaltenen Belohnungen, sprich der Nutzen, die eingesetzten Kosten des Austauschs übersteigen (Foscht und Swoboda 2007, S. 282). Neben monetären Aspekten führen dabei auch nichtmonetäre As-pekte, wie bspw. Informationen, zu einer positiven Bewertung (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 477). Durch die Informationsweitergabe mittels Word-of-Mouth erlangt der Kommunikator positiven Nutzen, da er Wissen und Information über einen Sachverhalt oder ein Produkt besitzt. In der wissenschaftlichen Literatur wer-den als Nutzen unter anderem das Streben nach sozialem Status und Macht, Selbst-achtung und Selbstbestätigungsgründe, Zufriedenheit und Gerechtigkeit genannt. Die klassischen Austauschtheorien erklären somit grundsätzlich die Entstehung und Bedeutung des Word-of-Mouth und legen die Vermutung eines Zusammenhangs zwischen der Interaktion und der Weiterempfehlungsabsicht nahe.

Empirische Bestätigung für diese Vermutung findet sich in der Studie von Song und Zinkhan (2008, S. 99), welche in ihrer Arbeit die Determinanten der wahr-genommen Interaktivität einer Website untersuchen. Die Autoren können einen positiven Zusammenhang zwischen der wahrgenommenen Interaktivität und der Weiterempfehlungsabsicht bezüglich positiver Einkaufserlebnisse der Probanden sowie zwischen einem schnellen Zugang (im Sinne von wenigen „Clicks“) zu Inter-aktionsmöglichkeiten und der Weiterempfehlungsabsicht bezüglich positiver Ein-kaufserlebnisse nachweisen. Darüber hinaus konnten Gremler und Gwinner (2000, S. 82) eine positive Wirkung wahrgenommener Interaktion auf das Weiterempfeh-lungsverhalten nachweisen. McMillan postuliert schließlich, dass „there is a wide-spread hope that increased interactivity will lead to increased likelihood of behavi-ors such as returning to a website, referring others to the website“ (McMillan 2002, S. 278). Auf Basis dieser wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie den theoretischen Überlegungen gilt auch für diese Studie:

H3: Je größer die Interaktionsmöglichkeiten innerhalb der virtuellen Produkt-Community, desto größer ist die Weiterempfehlungsabsicht (hinsichtlich des in der Community präsentierten Produkts).

4.3   Vertrauen

Die Grundlage für zwischenmenschliche Beziehungen in einer Community bildet das Vertrauen (Schoberth und Schrott 2001, S. 518). Virtuelle Communities kön-nen das Entstehen von Vertrauen dahingehend fördern, als dass sie es den Mitglie-dern ermöglichen, miteinander in soziale Interaktion zu treten. Dadurch können

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die Community-Mitglieder Informationen und Erfahrungen austauschen. Darüber hinaus können sich die Mitglieder im Laufe der Zeit durch ihre verfassten Beiträge, sprich ihr Verhalten, eine Reputation innerhalb der Community aufbauen. Diese Re-putation kann wiederum in der virtuellen Community kommuniziert werden. In der allgemeinen Vertrauensforschung wird der Reputation des Austauschpartners hohe Bedeutung beigemessen (Bruhn 2002, S. 483). Die Reputation ermöglicht, ähnlich wie das Vertrauen, eine Reduktion der Komplexität, indem sie eine Abschätzung der Wahrscheinlichkeit der Erfüllung der Erwartungen gegenüber einer Person er-möglicht (Johnson und Grayson 2000, S. 19). Dabei baut die Reputation einer Per-son in entscheidendem Maße auf den bisher erbrachten Leistungen dieser Person auf. Im Hinblick auf das Vertrauen in eine virtuelle Produkt-Community kommt der sozialen Interaktion demnach eine bedeutende Rolle zu. Die Austauschpartner können sich mit jeder einzelnen Interaktion besser kennenlernen. Somit kann sich durch eine stetige Interaktion und dem damit verbundenen Informationsaustausch Vertrautheit und gegenseitiges Verständnis aufseiten der Austauschpartner entwi-ckeln (Inkpen und Curral 1998, S. 8). Folglich kann die Frequenz der Interaktionen das Vertrauen der Austauschpartner erhöhen. Bestätigung für diese Überlegungen findet sich in der Arbeit von Williams, welcher in einer Metaanalyse diverser For-schungsarbeiten zu dem Schluss kommt, dass „researchers from diverse fields agree that trust develops through repeated social interactions that enable people to update their information about trustworthiness“ (Williams 2001, S. 379). Neben der Repu-tation kann die erlebte Kompetenz in empirischen Studien als weitere Determinante des Vertrauens nachgewiesen werden (Sargeant und Lee 2002, S. 784). Kompetenz kann definiert werden als subjektiv wahrgenommene Fähigkeit des Austauschpart-ners zur Bewältigung einer vorliegenden Problemstellung (Stäudel 1987, S. 54). Ein Austauschpartner gilt dann als kompetent, wenn sein Gegenüber ihn als besonders erfahren oder sachverständig hinsichtlich der in der Botschaft enthaltenen Thematik einschätzt. Die fachliche Kompetenz eines Verkäufers bzw. eines Experten stellt nach Sirdeshmukh et al. (2002, S. 17) eine bedeutsame Bestimmungsgröße für den Aufbau von Vertrauen dar. Darüber hinaus bezeichnen Moorman, Desphandé und Zaltman Fachwissen sogar als Basis für Vertrauen (Moorman et al. 1993, S. 83). Übertragen auf den vorliegenden Kontext kann angenommen werden, dass einem Experten in der virtuellen Produkt-Community aufgrund von zwei Tatsachen eine hohe wahrgenommene Kompetenz von Seiten der User zugeschrieben wird. Zum einen aufgrund der klaren Kennzeichnung als Unternehmensvertreter innerhalb des Forums. Zum anderen durch die Interaktion der User mit dem Experten und dem damit verbundenen Austausch von fachlich fundierten und verifizierten Informatio-nen. Darüber hinaus gelangt ein Experte durch eine transparente Darstellung seiner bereits verfassten Interaktionsbeiträge zu Reputation. Da durch eine hohe wahrge-nommene Reputation und Kompetenz auch das ihm entgegengebrachte Vertrauen zunimmt, ist folglich davon auszugehen, dass mit einer steigenden Interaktion mit Experten in virtuellen Produkt-Communities auch das Vertrauen des Austauschpart-ners in diese Community steigt. In Konsequenz der angeführten Überlegungen kann daher angenommen werden, dass mit steigender Anzahl der Interaktionsmöglich-keiten das Vertrauen in den Ort des Informationsaustausches, nämlich die Commu-nity, wächst. Dies führt zu folgender Hypothese:

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H4: Je größer die Interaktionsmöglichkeiten innerhalb der virtuellen Produkt-Community, desto größer ist das Vertrauen in die virtuelle Produkt-Commu-nity.

4.4   Ergebnisse

Analog zur Auswertung im ersten Teil der Studie soll nachfolgend durch die Be-trachtung der Zwischensubjekteffekte univariater Varianzanalysen genauer unter-sucht werden, wie sich die einzelnen Variablen in Abhängigkeit der Treatmentgrup-pen voneinander unterscheiden.

Durch die Signifikanzprüfung wird ersichtlich, dass ein von der experimen-tellen Variation der Interaktionsmöglichkeiten ausgehender Unterschied für die abhängige Variable „Kaufabsicht“ besteht (F  =  23,560; p < 0,001). So sind die Mittelwerte von Probanden, welche keine Möglichkeit zur Interaktion innerhalb der virtuellen Produkt-Community haben, im Vergleich zu den Mittelwerten von Probanden der Experimentalgruppen deutlich größer (vgl. Abb. 5). Der größte Unterschied (Δ  =  1,54) besteht zwischen der Experimentalgruppe 3 (Interaktion mit Usern und Experten) und der Kontrollgruppe. Somit zeigt sich, dass mit stei-genden Interaktionsmöglichkeiten und somit höherem Erlebniswert innerhalb der Community auch die Kaufabsicht hinsichtlich des in der Community präsentierten Produktes steigt.

Des Weiteren kann ebenfalls bezüglich der Weiterempfehlungsabsicht ein statis-tisch signifikanter Unterschied zwischen allen drei Treatmentgruppen festgestellt werden (F  =  17,806; p < 0,001). Eine Mittelwertbetrachtung zeigt bei beiden Ex-perimentalgruppen deutlich höhere Werte im Vergleich zur Kontrollgruppe (vgl. Abb. 5). Die größte Mittelwertdifferenz von Δ  =  1,39 besteht auch hier zwischen der Community mit User und Experteninteraktion sowie der Community ohne Interaktionsmöglichkeiten. Die Weiterempfehlungsabsicht hinsichtlich des in der Community präsentierten Produkts wird folglich durch die verschiedenen Interak-tionsmöglichkeiten beeinflusst.

Die Auswertung der Varianzanalyse offenbart letztendlich auch, dass die abhän-gige Variable „Vertrauen in die Community“ in den verschiedenen Gruppen vari-iert. Diese Unterschiede sind jedoch nicht bei allen Gruppen statistisch signifikant. Ein Mittelwertvergleich zeigt die näheren Zusammenhänge (vgl. Abb. 5). So be-steht zwischen den Mittelwerten der Kontrollgruppe und der Experimentalgruppe 2 (Interaktion mit Usern) zwar eine Differenz von Δ  =  0,27, diese ist jedoch nicht auf dem signifikanten 10 %-Niveau (F  =  2,496; p  =  0,116). Hingegen kann der Mit-telwertunterschied von Experimentalgruppe 3 (Interaktion mit Usern und Exper-ten) zur Experimentalgruppe 2 und zur Kontrollgruppe als statistisch signifikant bezeichnet werden (F  =  12,266; p < 0,001 bzw. F  =  21,289; p < 0,001). Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die Möglichkeit zur Interaktion mit Unternehmensver-tretern bzw. Experten innerhalb einer virtuellen Produkt-Community einen starken Einfluss auf das Vertrauen in die Community hat.

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5   Managementimplikationen und Forschungsausblick

Die Studie belegt die positive Wirkung von verschiedenen Interaktionsmöglichkei-ten einerseits auf das wahrgenommene Community-Erlebnis. Zudem wurden die Abhängigkeiten von Interaktion, Community-Erlebnis, Weiterempfehlungsabsicht, Kaufabsicht sowie Vertrauen aufgedeckt. Auf Basis der empirischen Ergebnisse las-sen sich folgende zentrale Erkenntnisse für die Marketingpraxis festhalten:• Die Möglichkeit zur Interaktion mit anderen Usern in einer Community führt

zu einer signifikanten Steigerung des wahrgenommenen Community-Erlebnis-ses aufseiten der Konsumenten. Bietet man den Usern zusätzlich zur Interaktion mit anderen Usern auch die Möglichkeit, sich mit Unternehmensvertretern, also Experten, auszutauschen, so steigt das wahrgenommene Community-Erlebnis.

• Die verschiedenen Möglichkeiten der Interaktion mit Usern und Unternehmens-vertretern und dem daraus resultierenden Community-Erlebnis führen zu einer signifikanten Steigerung der Kaufabsicht sowie der Weiterempfehlungsabsicht aufseiten der Konsumenten.

• Es besteht kein signifikanter Unterschied hinsichtlich des wahrgenommenen Ver-trauens von Usern in eine Community ohne Interaktionsmöglichkeiten und einer Community mit reiner Userinteraktion. Mit anderen Worten, die Interaktion mit anderen Usern führt nicht automatisch zu einer Steigerung des Vertrauens in die Community. Will man dies bewirken, müssen zusätzlich Unternehmensvertreter, also Experten, der Community zur Verfügung stehen. Ist dies der Fall, steigt das wahrgenommene Vertrauen in die Community deutlich.

Zusammenfassend können somit folgende Key-Take-Aways für Marketingplaner und -entscheider konstatiert werden:1. Die Interaktion und das Community-Erlebnis sind mächtige Stellhebel zur Steue-

rung zentraler Marketingkonstrukte wie Kaufabsicht und Word-of-Mouth.2. Zur Schaffung von Vertrauen müssen Unternehmensvertreter in Communities

entsendet werden, welche sich aktiv an der Diskussion mit anderen beteiligen.3. Communities sollten immer einen Erlebnischarakter aufweisen.

Abb. 5   Einfluss auf zentrale Marketingkonstrukte

2,652,88 2,91

3,373,58

3,18

4,19 4,27

3,92

Kaufabsicht

Ohne Interaktion User-Interaktion User u. Experten-Interaktion

Vertrauen in CommunityWord of mouth

Interaktion in Web-Communities als Erfolgsfaktor der Erlebniskommunikation

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Interaktion in Web-Communities als Erfolgsfaktor der Erlebniskommunikation

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Zusammenfassung 

Um bei der steigenden Informationsflut aufzufallen, müssen Werbebotschaften heutzutage aktivierend verpackt werden. Ein steigender Werbedruck durch klas-sische Kommunikationsinstrumente reicht dabei meist nicht mehr. Die innovative Marketingform Guerilla-Marketing setzt auf Aktionen, die gezielte Aufmerksam-keit durch Neuartigkeit und Anderssein hervorrufen und zeigt großes Potenzial im Kampf um die Aufmerksamkeit der werbeübersättigten Konsumenten. Trotz der unverkennbaren Potenziale wurde das Phänomen wissenschaftlich bislang unzu-reichend behandelt. Entsprechend besteht das zentrale Anliegen dieses Beitrages in der Identifikation derjenigen Gestaltungsfaktoren, von denen der Erfolg einer Guerilla-Marketing-Kampagne abhängt. Mit diesem Wissen ist die Erfolg ver-sprechende Ausgestaltung solcher Aktionen für Werbetreibende möglich.

1   Zur Relevanz von Guerilla-Marketing-Wirkungsforschung

Vor dem Hintergrund qualitativ ausgereifter und funktional austauschbarer Produk-te wird der Wettbewerb in zahlreichen Märkten und damit der Kampf um die knap-pe Ressource Aufmerksamkeit zunehmend schärfer. Eine reine Erhöhung des Wer-bedrucks ist häufig nicht mehr zielführend. Durch die abnehmende Wirksamkeit der klassischen Above-the-Line-Kommunikationsinstrumente, wie Printanzeigen oder TV- und Funkspots, entstehen zunehmend innovative, stärker individualisier-te Formen der Kommunikation, denen über eine höhere Aufmerksamkeitswirkung deutliche Effizienzsteigerungen zugesprochen werden (Auer und Diederichs 1993, S. 9; Zerr 2005, S. 466). Diese sogenannten Below-the-Line-Instrumente setzen im Gegensatz zur klassischen Werbung auf eine gezielte Kundenansprache, Medien

Guerilla-Marketing-Aktionen

Frank Huber, Frederik Meyer und Andrea Weihrauch

F. Huber ()Gutenberg-Universität Mainz, Mainz, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_9, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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der Individualkommunikation, einen hohen Grad an Zielgruppenpassung sowie eine vielmehr unterschwellige und nur mittelbare Werbekonfrontation (Bruhn 1995, S. 34; Reinhard 2007, S. 22). Neben mittlerweile etablierten Below-the-Li-ne-Instrumenten zeigt ein weiteres, bislang in Deutschland nur zurückhaltend ein-gesetztes Instrument großes Potenzial im Kampf um die Aufmerksamkeit der wer-beübersättigten Konsumenten (Kimmel 2005, S. 2). Guerilla-Marketing setzt auf den Überraschungseffekt, auf Aktionen, mit denen niemand rechnet und bietet den Unternehmen darüber hinaus die Chance, sich von den Konkurrenzangeboten zu differenzieren und gezielte Aufmerksamkeit zu generieren. Dies geschieht zudem häufig mit einem vergleichbar vernachlässigbaren Budgetaufwand (Auer und Die-derichs 1993, S. 201; Zerr 2005, S. 466).

Trotz der unverkennbaren Potenziale dieser innovativen Marketingform wurde das Phänomen Guerilla-Marketing bislang wissenschaftlich nur unzureichend be-handelt, sodass vor allem ein Mangel an empirischen Beiträgen über die Wirkweise des Guerilla-Marketing zu verzeichnen ist. Um diesem Defizit entgegenzuwirken, besteht das zentrale Anliegen dieses Beitrages in der Identifikation derjenigen Fak-toren, von denen der Erfolg einer Guerilla-Marketing-Kampagne abhängt. Zudem gilt es, den Unternehmen, über die Analyse der Wirkungsweise des Guerilla-Mar-keting hinaus, Methoden zur Wirkungskontrolle zur Verfügung zu stellen, sowie Implikationen für die Marketingpraxis und -forschung abzuleiten.

2   Konzeptionelle Grundlagen zum Guerilla-Marketing

2.1   Begriff des Guerilla-Marketing

Als Verkleinerungsform des spanischen Wortes Guerra (Krieg) bedeutet Guerrilla übersetzt so viel wie Kleinkrieg oder Partisanenkampf (Schulte 2007, S. 28). Wider-standskämpfer und Revolutionär Ernesto Che Guervara hat den Begriff während der kubanischen Revolution in den 50er Jahren besonders geprägt (Toedter 2006, S. 11). Guervara beschreibt die Guerilla Taktik dabei folgendermaßen: Sieg über den Feind als ultimatives Ziel – gezielte Angriffe mit variablen Mitteln und Methoden – Ein-satz von Überraschungseffekten – Schnelligkeit – Beweglichkeit – taktische Flexi-bilität – Täuschung und Kampf aus dem Hinterhalt (Guervara 1990, S. 68 ff.).

Die Übertragung der charakteristischen Eigenschaften der Guerillataktik auf das Marketing erfolgte Mitte der 1960er Jahre in den USA als Antwort auf den Wan-del vom Verkäufer- zum Käufermarkt (Kanbach 2007, S. 27; Schulte 2007, S. 18). Insbesondere für ressourcenarme, kleine und mittelständische Unternehmen kon-zipiert, die vor der Herausforderung standen sich erfolgreich von der Konkurrenz abzugrenzen und sich am Markt neben den größeren Unternehmen zu positionie-ren, setzt das Guerilla-Marketing neben den klassischen Erfolgsgrößen Kapitalstär-ke, Marktmacht und Größe vor allem auf Eigenschaften wie Flexibilität, Unkon-ventionalität, Kreativität und Einfallsreichtum (Zerr 2005, S. 466; Schulte 2007, S. 18). Insbesondere aufgrund der mangelnden Akzeptanz der Konsumenten gegen-über der konventionellen, klassischen Werbung und der zunehmenden Reizüber-

F. Huber, F. Meyer und A. Weihrauch

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flutung setzen auch mehr und mehr Global Player, wie beispielsweise BMW oder PUMA, die Guerilla-Philosophie zur Profilierung ihrer Marken ein (Garber 2002, S. 84; Reinhard 2007, S. 25). Im Folgenden soll die Definition von Schulte gelten. Er beschreibt Guerilla-Marketing als „die Kunst, den von Werbung und Marketing übersättigten Konsumenten, größtmögliche Aufmerksamkeit durch unkonventio-nelles bzw. originelles Marketing zu entlocken. Dazu ist es notwendig, dass sich der Guerilla Marketeer möglichst (aber nicht zwingend) außerhalb der klassischen Werbekanäle und Marketing-Traditionen bewegt“ (Schulte 2007, S. 11).

2.2   Prinzipien des Guerilla-Marketing

Drei zentrale Prinzipien des Guerilla-Marketing, abgeleitet aus den Grundsätzen des Guerillakampfes, sind die Auslösung von Überraschung bei den Rezipienten, die Infragestellung etablierter Werte und die epidemische Verbreitung der Werbe-botschaften (Zerr 2005, S. 467 ff.). Um einen erfolgreichen Überraschungseffekt zu erreichen, sollte die Guerilla-Marketing-Aktion mit den Erwartungen an die bewor-bene Produktkategorie möglichst wenig übereinstimmen. Ein Beispiel für eine Mar-ke, die immer wieder auf unerwartete, überraschende und aufmerksamkeitsstarke Marketingmaßnahmen setzt, ist die Marke MINI des Automobilherstellers BMW. So wurde der MINI zur Einführung in den USA zwischen den Besuchern eines Bas-ketballspiels in den Zuschauerrängen platziert (Pradel und Schulte 2004, S. 85 f.). Guerilla-Marketing-Aktionen zielen außerdem darauf ab, die etablierten Werte und Funktionsweisen der klassischen Werbung infrage zu stellen sowie die Werte der Konkurrenz zu destabilisieren (Zerr 2005, S. 468). Ein Beispiel hierfür liefert das Sportartikelunternehmen PUMA. So trug der britische Sprinter Linford Christie auf der Pressekonferenz nach seinem Sieg bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta Kontaktlinsen mit dem Logo der Firma PUMA. Das Brisante dabei, der of-fizieller Sponsor der Olympischen Spiele war Hauptkonkurrent Adidas (Pradel und Schulte 2004, S. 93). Guerilla-Marketing-Aktionen müssen also so originell, un-erwartet und aufmerksamkeitsstark sein, dass sie sich auf Anhieb herumsprechen. Dabei setzen die Guerilleros auf Multiplikatoren wie die vorab informierte Presse und Passanten. Durch die resultierende exponentielle Reichweitenerhöhung las-sen sich gegenüber der konventionellen Werbung deutliche Effizienzsteigerungen erreichen (Zerr 2005, S. 469). Ein bekanntes Beispiel in diesem Zusammenhang ist das von der Whiskeymarke Johnnie Walker 1999 als Werbemaßnahme in Um-lauf gebrachte Onlinespiel Moorhuhnjagd. Das Spiel wurde innerhalb eines Jahres 40 Millionen Mal heruntergeladen (Schminke et al. 2007, S. 37).

2.3   Instrumente des Guerilla-Marketing

In der Praxis wird das Guerilla-Marketing unter Einsatz verschiedenster Instrumente umgesetzt. Die Guerilla-Philosophie nimmt Einfluss auf alle vier Instrumente des Marketingmix. Da der weitaus größte Teil der Guerilla-Aktionen als Kommuni-kationsmaßnahme geplant und eingesetzt wird (Jäckel 2007, S. 5; Reinhard 2007,

Guerilla-Marketing-Aktionen

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S. 27; Schulte 2007, S. 21), sind als Guerilla-Marketing-Instrumente vor allem Vi-ral-Marketing, Ambush-Marketing, Ambient Media sowie Sensation-Marketing zu nennen. Gleich der epidemischen Verbreitung biologischer Viren zielt das Viral-Marketing auf die eigendynamische und exponentielle Verbreitung der Werbebot-schaften ab (Carls 2007, S. 15; Schulte 2007, S. 58). „Virales Marketing ist die geplante und gezielte Stimulation von Kommunikation in sozialen Netzwerken, von Mund zu Mund, von Maus zu Maus oder von Mobile zu Mobile“ (Schulte und Pradel 2006, S. 52), wobei dem Internet als besonders schnellem Verbreitungsme-dium die größte Bedeutung zukommt (Schulte 2007, S. 58 f.). Mit einem minimalen finanziellen Aufwand werden die Konsumenten so zu kostenlosen Werbeträgern für das Unternehmen (Dye 2000, S. 140 f.). Beim Ambush-Marketing geht es da-gegen um den gezielten Angriff der Wettbewerber (Schulte 2007, S. 74). Ambus-her machen sich die mediale Aufmerksamkeit von Großveranstaltungen zunutze, ohne selbst Sponsor des Events zu sein (Carls 2007, S. 15). Während die offiziellen Sponsoren für die Kontaktmöglichkeit mit der Zielgruppe erhebliche finanzielle Mittel aufwenden müssen (Schminke et al. 2007, S. 37), versuchen Ambusher über ungewöhnliche, überraschende und provokative Aktionen, die Aufmerksamkeit auf das eigene Unternehmen und die eigenen Produkte zu lenken (Bruhn und Ahlers 2003, S. 273; Schulte 2007, S. 74). Verwurzelt in der klassischen Außenwerbung, bezeichnet Ambient Media das Werben an unerwarteten Orten und auf ausgefalle-nen Werbeträgern im direkten Lebensumfeld der Zielgruppe (Schulte 2007, S. 84; Toedter 2006, S. 41). Der Kreativität sind dabei keine Grenzen gesetzt. Beispiele sind Wash-Away-Grafittis sowie Werbung in Golfplatz-Löchern oder auf Pizzakar-tons. Selbst die Bäuche von Kühen und die Stirn von Studenten wurden bereits als Werbe-träger eingesetzt (Jäckel 2007, S. 6 f.; Schulte 2007, S. 84; Wehleit 2004, S. 28 ff.). Ein weiteres Instrument gegen die sinkende Aufmerksamkeit der Kon-sumenten ist das Sensation-Marketing, auch Ambient Stunts genannt, das zumeist einmalig und nicht wiederholbar ist. Über die Erzeugung eines AHA-WOW-Effekts soll die Werbebotschaft nachhaltig in den Köpfen der Konsumenten verankert und die Weiterverbreitung der Botschaft stimuliert werden (Schulte 2007, S. 40; Wehleit 2004, S. 21 ff.).

2.4   Gefahren des Guerilla-Marketing

Nicht alle Guerilla-Marketing-Aktionen, die unkonventionell, überraschend, an-steckend und / oder aufmerksamkeitsstark sind, bringen automatisch Vorteile. Im Gegenteil: Die Prinzipien des Guerilla-Marketing bergen einige nicht zu unterschät-zende Risiken. Wird eine Aktion, die zunächst überrascht hat, wiederholt durch-geführt, verliert sie schnell den Reiz des Außergewöhnlichen (Diehl 1985, S. 618; Toedter 2006, S. 66; Zerr 2005, S. 472). Ablehnung und Reaktanzeffekte können resultieren (Toedter 2006, S. 66; Zerr 2005, S. 472). Es liegt zudem in der Natur des Guerilla-Marketing, dass es sich teilweise in rechtlichen, moralischen und ethi-schen Grauzonen bewegt. Rechtliche Konsequenzen, meistens in Verbindung mit Geldstrafen, sind möglich (Welling 2005, S. 44 ff.), sowie das Risiko, dass eine unkonventionelle Botschaft zwar wahrgenommen wird, die Konsumenten diese je-

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doch als unangenehm, aufdringlich oder geschmacklos bewerten. Dies kann lang-fristig zu Imageverlusten, der Zerstörung der Grundwerte der Marke oder einem Kaufboykott führen (Kanbach 2007, S. 49; Zerr 2005, S. 471). Die wohl größte Gefahr des Guerilla-Marketing geht von der nur eingeschränkten Kontrollierbarkeit der angestoßenen Mund-Propaganda aus. Was bei erfolgreichen Kampagnen als deutlicher Vorteil gesehen werden kann, kann bei erfolglosen Kampagnen zu Um-satzverlusten und einer massiven Beeinträchtigung des Unternehmens- und Mar-kenimages führen (Schulte 2007, S. 144; Toedter 2006, S. 66 f.; Zerr 2005, S. 472).

3   Konzeptualisierung eines Untersuchungsmodells zur Erklärung der Wirkweise von Guerilla-Marketing-Aktionen

3.1   Determinanten der Kreativität einer Guerilla-Marketing-Kampagne

Die Relevanz der Untersuchung für die Marketingpraxis besteht vor allem in der Aufdeckung der entscheidenden Gestaltungsfaktoren von Guerilla-Marketing-Ak-tionen. Ein Anbieter kennt damit die Stellgrößen, mit denen er die Word-of-Mouth-Absicht wie auch die Kaufabsicht der Konsumenten gezielt beeinflussen kann. Ausgangspunkt des aufgestellten Modells sind vier, die Kreativität der Guerilla-Marketing-Aktion determinierende, Variablen: das Differenzierungspotenzial, der Innovationsgrad, die Überzeugungskraft und die Nutzenstiftung der Aktion. Die Kreativität steht hierbei zunächst im Mittelpunkt der Betrachtung. Kreative Wer-bung stellt einen kognitiven, schemainkonsistenten Stimulus dar, der in der Lage ist Wahrnehmungsbarrieren zu überwinden sowie gezielte Aufmerksamkeit durch Neuartigkeit und Anderssein hervorzurufen (Ang und Low 2000, S. 835; Lischka 2006, S. 35). Nach Scheffler /Sladek sticht kreative Werbung heraus, ist aufmerk-samkeitsstärker, spricht Emotionen stärker an, überrascht, erzeugt Neugierde, passt nicht in übliche Schemata und führt so zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit dem Stimulus (Scheffler und Sladek 2004, S. 40).

Was eine kreative Werbemaßnahme ausmacht, welche Eigenschaften sie erfül-len muss, wird in der Literatur allerdings kontrovers diskutiert. In den meisten zu diesem Aspekt vorliegenden Arbeiten besteht lediglich Übereinstimmung darüber, dass die Neuartigkeit ein notwendiges Merkmal für kreative Produkte ist (Becker 2006, S. 38; Petri 1992, S. 84). Neuartigkeit bezieht sich dabei auf das Ausmaß der Unerwartetheit der Werbung (Ang und Low 2000, S. 836). Kreativität darf je-doch nicht mit Erregung von Aufmerksamkeit gleichgesetzt werden (Becker 2006, S. 50). So ist die Neuartigkeit eines Stimulus zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für ein kreatives Produkt (Finke 1990, S. 4). Neben der Originalität und Unerwartetheit muss der Stimulus für den Rezipienten auch Sinn machen (Ang und Low 2000, S. 837). Die Verzahnung von Unerwartetheit und Sinnhaftigkeit lässt sich mithilfe der Schematheorie erklären. Das durch den neu-artigen Stimulus bei den Rezipienten ausgelöste dissonante Gefühl der Inkongruenz führt zu einer intensiven kognitiven Auseinandersetzung mit dem Reiz. Nur wenn

Guerilla-Marketing-Aktionen

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der Stimulus über die Neuartigkeit hinaus auch Sinn macht, wird es zu einer Auf-lösung der Inkongruenz kommen (Binsack 2003, S. 69). Guerilla-Marketing folgt dem Prinzip der Kreativität, indem es zum einen auf die Erregung von Aufmerk-samkeit über von der Norm abweichende Botschaftsinhalte, ungewöhnliche Farben, besonders große Elemente, überraschende Formen der Informationsübermittlung und unerwartete und originelle Platzierungen, zum anderen jedoch auch auf eine verständliche Botschaftsvermittlung, Zielgruppenorientierung und Beachtung des Unternehmensimages setzt (Manz 2004, S. 46; Patalas 2006, S. 62). Basierend auf den Erkenntnissen der oben diskutierten Sachverhalte können, in Anlehnung an Becker, zwei Kreativitätsdimensionen identifiziert werden: Neuartigkeit / Origina-lität sowie Sinnhaftigkeit / Strategiebezug (Becker 2006, S. 43 f. und S. 52). Aus Gründen des Informationsgewinns wird die Dimension Neuartigkeit / Originalität in der vorliegenden Arbeit in die beiden Konstrukte Differenzierungspotenzial und Innovationsgrad und die Dimension Sinnhaftigkeit / Strategiebezug in die Konst-rukte Überzeugungskraft und Nutzenstiftung aufgespalten. Somit lassen sich die folgenden vier Hypothesen postulieren:

H1: Je größer das Differenzierungspotenzial der Guerilla-Marketing-Aktion, desto kreativer wird die Aktion beurteilt.

H2: Je höher der Innovationsgrad der Guerilla-Marketing-Aktion, desto kreati-ver wird die Aktion beurteilt.

H3: Je größer die Überzeugungskraft der Guerilla-Marketing-Aktion, desto kreativer wird die Aktion beurteilt.

H4: Je höher die Nutzenstiftung der Guerilla-Marketing-Aktion, desto kreativer wird die Aktion beurteilt.

3.2   Die Rolle der Emotionalen Reaktion auf  die Guerilla-Marketing-Kampagne

Ang und Low identifizieren zudem eine dritte Dimension: Den emotionalen Bezug, der sich auf die Gefühle bezieht, die durch die Werbung generiert werden (Ang und Low 2000, S. 835 f.). Der emotionale Bezug wird als eigenständiger, der Kreativität kausal nachfolgender Faktor in das Modell aufgenommen. Die Arbeitsdefinition des Begriffs Emotion orientiert sich an Kroeber-Riel und Weinberg, die Emotionen als „innere Erregungsvorgänge, die angenehm oder unangenehm empfunden und mehr oder weniger bewusst erlebt werden“ beschreiben (Kroeber-Riel und Wein-berg 2003, S. 106). Emotionale Reaktionen auf einen Werbestimulus wurden inten-siv erforscht (Wiles und Cornwell 1990). 1987 entwickelten Holbrook und Batra ein hierarchisches Kommunikationsmodell, um die Rolle der Emotionen auf die Werbeeffekte darzustellen ( vgl. Abb. 1). Das von Holbrook und Batra vorgeschla-gene Modell basiert auf den Ergebnissen zahlreicher Studien, welche die vermit-telnde Rolle der Einstellung gegenüber der Werbung zwischen der Art der Werbung und der Einstellung gegenüber der Marke dokumentiert haben. Holbrook und Batra

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unterscheiden verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten der Werbung, so unter ande-rem den Einsatz kreativer Werbestimuli (Holbrook und Batra 1987, S. 405).

Emotionen sind außerordentlich komplexe und vielschichtige Vorgänge. Zur Klassifikation der Fülle an Emotionen haben sich zahlreiche Emotionsforscher mul-tivariater Verfahren zur Datenreduktion bedient. Das sogenannte PAD-Paradigma dient der Beschreibung emotionaler Reaktionen und beinhaltet drei Dimensionen: Pleasure (Vergnügen), Arousal (Erregung) und Dominance (Dominanz) (Richins 1997, S. 128; Thyri 2003, S. 75). Nach Durchsicht zahlreicher Studien gelangen Olney et al. zu der Auffassung, dass auf die dritte Dimension des PAD-Paradigmas (Dominanz) verzichtet werden kann, da ihr keine wesentlichen Wirkungen nach-gewiesen werden konnten (Olney et al. 1991, S. 443). Während das Vergnügen auf das durch einen Umweltstimulus ausgelöste positive Gefühl abzielt, beschreibt die Erregung den Grad der Aktivierung auf einem Kontinuum zwischen Schlaf und to-taler Aufregung (Schiel 2006, S. 184). Entsprechend den angestellten Überlegungen lassen sich die folgenden beiden Hypothesen aufstellen:

H5: Je kreativer die Guerilla-Marketing-Aktion, desto größer ist das durch die Aktion ausgelöste Vergnügen der Rezipienten.

H6: Je kreativer die Guerilla-Marketing-Aktion, desto höher ist die subjektiv wahrgenommene Erregung der Rezipienten.

Guerilla-Marketing-Aktionen sind unerwartete, neuartige Ereignisse, die sich nicht in die vorhandenen Schemata integrieren lassen und typischerweise bei den Rezi-pienten Überraschung auslösen (Izard 1999, S. 313). Dabei steigt das Ausmaß an Überraschung mit der Unerwartetheit des Stimulus (Lischka 2006, S. 39 und S. 96). Zur Erklärung dieses Zusammenhangs kann auf das wiederholt empirisch bestä-tigte Bielefelder Modell zurückgegriffen werden (Schützwohl und Krefting 2001). Dem Modell zufolge führt ein von einem aktiven Schema abweichender Stimulus zu Überraschung bei den Rezipienten (Meyer et al. 2000, S. 255). Auf Basis der dargestellten Aspekte wird neben den beiden emotionalen Dimensionen Vergnügen und Erregung auch die spezifische Emotionsqualität Überraschung als Wirkung der Guerilla-Marketing-Kreativität in das Modell integriert. So lässt sich die folgende Hypothese formulieren:

H7: Je kreativer die Guerilla-Marketing-Aktion, desto größer ist die durch die Aktion ausgelöste Überraschung der Rezipienten.

Abb. 1   Hierarchisches Modell der Werbewirkung nach Holbrook und Batra

Art derWerbung

EmotionaleReaktion

Einstellung ggü. derWerbung

Einstellung ggü. derMarke

Guerilla-Marketing-Aktionen

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3.3   Wirkung der Einstellung gegenüber einer Guerilla-Marketing-Kampagne

Nach Levinson, dem Begründer des Guerilla-Marketings, bringt Kreativität im Marketing Menschen dazu, ihre Einstellung zu ändern (Levinson 1984, S. 6). Der Piecemeal-and-Category-Based-Theorie zufolge führt ein schemainkongruenter Stimulus zu einer intensiven kognitiven Auseinandersetzung mit dem Ziel, die be-obachtete Inkongruenz aufzulösen (Fiske und Pavelchack 1986). Gelingt dies, zieht der Stimulus eine positive Einstellung nach sich (Gierl et al. 2006, S. 132). Zahlrei-che Studien bestätigen den Einfluss der Art der Werbung auf die Einstellung gegen-über der Werbung (Holbrook und Batra 1987; Lutz et al. 1983). Daraus ergibt sich folgende Hypothese:

H8: Je kreativer die Guerilla-Marketing-Aktion, desto positiver ist die Einstel-lung gegenüber der Aktion.

Gemäß Kroeber-Riel und Weinberg stehen Emotionen, Motivationen und Einstel-lungen in enger Verbindung zueinander. Während die Emotionen der Rezipienten positiven Einfluss auf deren Motivation zu einer bestimmten Handlung nehmen, determinieren die Motivationen die Einstellungen der Rezipienten gegenüber einem bestimmten Objekt (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 53 ff.). Basierend auf dieser Wirkfolge kann angenommen werden, dass die Emotionen der Rezipienten einen positiven Einfluss auf deren Einstellungen ausüben. Die Wirkung emotio-naler Reaktionen auf Werbestimuli wurde intensiv erforscht. Zahlreiche Untersu-chungen lassen vermuten, dass durch Werbung ausgelöste Emotion die Einstellung gegenüber der Werbung beeinflussen kann (Ang und Low 2000, S. 845). Holbrook und Batra wie auch Olney et al. postulieren und bestätigen, dass die beiden Dimen-sionen emotionalen Erlebens, Vergnügen und Erregung, klare Mediatoren zwischen der Gestaltung der Werbebotschaft und der Einstellung gegenüber der Werbung sind (Holbrook und Batra 1987, S. 417; Olney et al. 1991, S. 443). Was die Wirkung der emotionalen Reaktion auf die Guerilla-Marketing-Aktion anbetrifft, können somit die drei folgenden Hypothesen formuliert werden:

H9: Je größer das Vergnügen der Befragten, desto positiver ist die Einstellung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion.

H10: Je höher die subjektiv empfundene Erregung der Befragten, desto positiver ist die Einstellung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion.

H11: Je größer die Überraschung der Befragten, desto positiver ist die Einstel-lung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion.

Nach Schweiger und Schrattenecker wie auch Trommsdorff stehen Einstellungen untereinander in Beziehung, sodass eine Einstellungsänderung Einfluss auf an-dere Einstellungen nimmt (Schweiger und Schrattenecker 2005, S. 23; Tromms-dorff 2004, S. 159). Eine Erklärung für die Wirkung der Einstellung gegenüber der Werbung auf die Einstellung gegenüber der Marke liefert die Balance-Theorie von

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Heider. Der Theorie zufolge sind Menschen harmoniebedürftig und daher stets um ein kognitives Gleichgewicht ihrer Gedanken bemüht. Bewertet ein Individuum die Elemente einer gedanklichen Verbindung unterschiedlich, verfällt es in einen Zu-stand kognitiver Dissonanz (Kroeber-Riel und Weinberg 2003, S. 68). Zur Vermei-dung bzw. Aufhebung der Dissonanz werden die beiden Elemente, hier die Gueril-la-Marketing-Aktion und die Marke, gedanklich verbunden und die Einstellungsas-pekte von der Aktion auf die Marke transferiert (MacKenzie et al. 1986, S. 132). Im Rahmen der Werbewirkungsforschung konnten zahlreiche empirische Studien die signifikante Erklärungskraft zwischen den Einstellungen dokumentieren. Nach dem Dual-Mediation-Modell von MacKenzie et al. wirkt sich die Einstellung gegenüber der Werbung direkt positiv auf die Einstellung gegenüber der Marke aus (MacKen-zie et al. 1986, S. 132). Hypothese H12 fasst die Überlegungen zusammen:

H12: Je positiver die Einstellung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion, desto positiver ist die Einstellung gegenüber der Marke.

3.4   Kaufabsicht und Word-of-Mouth-Absicht als verhaltensbezogenes Resultat einer Guerilla-Marketing-Kampagne

Die beiden Konstrukte Kaufabsicht und Word-of-Mouth-Absicht repräsentieren die resultierenden Größen des postulierten Modells. Da direktes Verhalten nur unter großem Aufwand messbar ist, werden die Kaufabsicht und die Word-of-Mouth-Ab-sicht als verhaltensnächste Größen herangezogen. Ersetzt man die im Rahmen der Theorie des geplanten Verhaltens abgeleitete Einstellung gegenüber dem Verhalten durch die Einstellung gegenüber der Marke und spezifiziert die Verhaltensinten-tion als die Absicht der Konsumenten, diese zu kaufen, kann aus der Theorie der Einfluss der Einstellung gegenüber der Marke auf die Kaufabsicht erklärt werden (Ajzen 1993, S. 45). In Übereinstimmung dazu postulieren und bestätigen MacKen-zie et al. in allen vier von ihnen aufgestellten Modellen zur Wirkung der Einstel-lung gegenüber der Werbung einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen der Einstellung gegenüber der Marke und der Kaufabsicht (MacKenzie et al. 1986, S. 131 ff.). Auf dieser Grundlage wird die folgende Hypothese formuliert:

H13: Je positiver die Einstellung gegenüber der Marke, desto größer ist die Absicht der Konsumenten diese zu kaufen.

Im Zentrum verbreiteter Werbewirkungsmodelle, wie beispielsweise des Dual–Me-diation-Modells, steht die Annahme, dass die Einstellung gegenüber der Werbung auf die Einstellung gegenüber der Marke wirkt, welche ihrerseits die Kaufabsicht des Rezipienten beeinflusst (MacKenzie et al. 1986, S. 131). Neben diesem indirek-ten Einfluss der Einstellung gegenüber der Werbung auf die Kaufabsicht ist auch eine direkte Beziehung möglich. So postulieren MacKenzie et al. in einer der vier

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von ihnen aufgestellten Hypothesen zur Wirkung der Einstellung gegenüber der Werbung (Independent-Influences-Hypothese), in Bezugnahme auf Howard (Ho-ward 1977, S. 22 f.), einen direkten Einfluss der Einstellung gegenüber der Wer-bung auf die Kaufabsicht (MacKenzie et al. 1986, S. 132). Daraus folgt:

H14: Je positiver die Einstellung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion, desto größer ist die Absicht der Konsumenten, die beworbene Marke zu kaufen.

Neben der Kaufabsicht wird im vorliegenden Untersuchungsmodell die Word-of-Mouth-Absicht als weitere Verhaltensintention berücksichtigt. Word-of-Mouth wird definiert als „a form of interpersonal communication among consumers con-cerning their personal experiences with a firm or a product“ (Sundaram et al. 1998, S. 527). Im vorliegenden Beitrag wird nicht ein Unternehmen oder ein Produkt bzw. eine Marke, sondern ein Werbestimulus respektive eine Guerilla-Marketing-Aktion als Auslöser für die Word-of-Mouth-Kommunikation betrachtet. Batra et al. sind der Auffassung, dass Werbung in der Lage ist, die Word-of-Mouth-Kommunikation zu stimulieren (Batra et al. 1996, S. 47). Guerilla-Marketing setzt auf überraschen-de, außergewöhnliche, Aufmerksamkeit erregende Aktionen, die idealerweise so originell sind, dass sie sich herumsprechen. Die Auslösung von Word-of-Mouth-Kommunikation zählt zu den zentralen Prinzipien des Guerilla-Marketings. Die von Ajzen und Fishbein formulierten Überlegungen zur Theorie des geplanten Ver-haltens legen die Schlussfolgerung nahe, dass die Einstellung gegenüber dem Ver-halten die Verhaltensintention determiniert (Ajzen und Fishbein 1975, S. 288 ff.). Tauscht man die Einstellung gegenüber dem Verhalten durch die Einstellung gegen-über der Guerilla-Marketing-Aktion aus und spezifiziert die Verhaltensintention als die Absicht der Konsumenten, Freunden, Kollegen und Bekannten von der Aktion zu berichten (Word-of-Mouth-Absicht), lässt sich folgende Hypothese postulieren:

H15: Je positiver die Einstellung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion, desto größer ist die Absicht der Konsumenten, über die Aktion zu sprechen.

3.5   Moderierende Wirkungen auf das postulierte Wirkgefüge zur Erklärung der Wirkweise einer Guerilla-Marketing-Kampagne

Über die Konzeptualisierung des Untersuchungsmodells hinaus lassen sich weitere, differenziertere Erkenntnisse durch die Untersuchung des Einflusses moderierender Variablen auf Form und Stärke der Konstruktzusammenhänge gewinnen. Stimmun-gen und Emotionen stehen in engem Zusammenhang, dürfen jedoch nicht gleichge-setzt werden. Als „momentane, subjektiv erfahrene Befindlichkeit“ (Schwarz 1987, S. 2) beschreiben Stimmungen im Gegensatz zu Emotionen mittel- bis langfristige emotionale Veränderungen, die in der Regel weniger intensiv erlebt werden, nicht so häufig divergieren, das Verhalten und kognitive Prozesse nicht unterbrechen und keinen Auslöser im Sinne eines bestimmten Ereignisses oder Objekts erfordern

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(Silberer und Jaekel 1996, S. 18 ff.; Trommsdorff 2004, S. 72 f.). Stimmungen kön-nen auf Emotionen verstärkend oder moderierend einwirken (Foscht und Swoboda 2007, S. 50). Nach Silberer und Jaekel führen Persuasionsversuche bei gehobener Stimmung zu positiveren Einstellungen, Einstellungen bei schlechter Stimmung sind verhaltenswirksamer (Silberer und Jaekel 1996, S. 125). Der Einfluss der Stim-mung auf die Einstellung gegenüber der Marke ist durch eine Vielzahl von Studien belegt (Petty et al. 1993, S. 9 ff.). Gemäß der Reduction-in–Motivation-Theorie von Breckler führt eine gehobene Stimmung zu einer geringeren Neigung, Informatio-nen elaboriert zu verarbeiten (Breckler 1993, S. 467). So folgt:

H16: Die Stärke der Konstruktzusammenhänge des konzipierten Hypothesen-systems zur Untersuchung der Wirkung von Guerilla-Marketing-Aktionen steht in signifikantem Zusammenhang mit der Stimmungslage.

4   Überprüfung der Wirkweise von Guerilla-Marketing  am Beispiel einer Kampagne der Automobilmarke MINI

4.1   Konzeption der Studie, Datenerhebung und Stichprobenzusammensetzung

Um das aufgestellte Hypothesensystem mit der Realität konfrontieren zu können, wurde eine empirische Studie in Deutschland durchgeführt. Zunächst muss dazu ein geeigneter Untersuchungsgegenstand ausgewählt werden, anhand dessen das Phäno-men Guerilla-Marketing betrachtet werden kann. So findet die vorliegende Untersu-chung am Beispiel der Automobilmarke MINI statt. Mit dem Automobilsektor wurde eine Branche gewählt, die durch nur schwer wahrnehmbare Qualitätsunterschiede zwischen den Produkten der einzelnen Markenanbieter sowie erhebliche Werbeinves-titionen (Wibbelt 2007, S. 63), was auf eine Informationsüberflutung der potenziellen Konsumenten und ein hohes Maß an Konkurrenzintensität hindeutet, gekennzeichnet ist. Damit ist die Automobilbranche prädestiniert für den Einsatz des Guerilla-Mar-ketings. Aus der außerordentlichen Anziehungskraft des MINI und dem extremen Erfolg seit seiner Wiedereinführung im Jahr 2002 kann außerdem auf eine hohe Be-kanntheit geschlossen werden. BMW hat zudem als einer der ersten Global Player bei der Einführung der Marke MINI auf unerwartete, überraschende und aufmerksam-keitsstarke Guerilla-Marketing-Aktionen gesetzt (Schulte und Pradel 2006, S. 63).

Im vorliegenden Beitrag wird auf eine schriftliche Online-Befragung mithilfe eines standardisierten Fragebogens zurückgegriffen um das entsprechende Daten-material zu generieren. Der für die Untersuchung konzipierte Fragebogen kann in vier Bereiche unterteilt werden. Als Einstieg in den Fragebogen wurden die Proban-den zunächst nach ihrer momentanen Befindlichkeit befragt. Im Anschluss wurde den Probanden ein Bild von einer Guerilla-Marketing-Aktion der Marke MINI in-klusive kurzer Szenariobeschreibung vorgelegt. Nach der Präsentation des Bildes

Guerilla-Marketing-Aktionen

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erfolgte der eigentliche Hauptteil des Fragbogens, der die zur Operationalisierung der Konstrukte des Hypothesengeflechts erforderlichen Indikatorvariablen abfragt. Zum Abschluss der Befragung wurden grundlegende Soziodemographika der Pro-banden zum Zweck deskriptiver Auswertungen erfasst. Die hinzugezogenen Indi-katorvariablen werden über einheitlich gestaltete siebenstufige Likert-Skalen, mit den beiden Extrempolen trifft überhaupt nicht zu und trifft voll und ganz zu, ab-gefragt. Die aus der Literatur übernommenen, identifizierten Items wurden dabei jeweils so angepasst und formuliert, dass ein Bezug zur Untersuchung hergestellt werden kann. Sämtliche Konstrukte des aufgestellten Modells können als die Ursa-che ihrer Indikatoren interpretiert werden, was auf einen reflektiven Zusammen-hang zwischen dem jeweiligen Konstrukt und seinen Indikatoren schließen lässt (Fornell 1989, S. 163).

Als Datengrundlage für die empirische Analyse dienten 227 verwertbare Frage-bögen. Die Stichprobendaten zeigen, dass die Studienteilnehmer überwiegend zwi-schen 20 und 39 Jahren alt (72,69 %) sowie ledig (81,50 %) sind. Bezüglich der Ge-schlechter liegt eine nahezu gleichmäßige Verteilung der Probanden vor. Betrachtet man die beruflichen Tätigkeitsfelder der Befragten, lässt sich erkennen, dass sich die Studie aus rund zwei Drittel Studenten (63,88 %) zusammensetzt. Da Studenten im Allgemeinen über ein ausreichendes Maß an Marken- bzw. Kauferfahrung ver-fügen, ist die Aussagekraft der Daten durch den hohen Studentenanteil nicht gefähr-det. Neben den demographischen Merkmalen ist es für die spätere Interpretation der Ergebnisse zudem von Interesse, wie interessiert die Probanden an Autos im Allgemeinen sind. Es zeigt sich, dass rund 56 % der Probanden interessiert bis sehr interessiert und nur knapp 20 % weniger bis gar nicht an Autos interessiert sind.

4.2   Ergebnisse zur Messmodellebene, Strukturmodellebene  und Hypothesenprüfung

Um das aufgestellte Hypothesensystem mit der Realität konfrontieren zu können, wurde Partial Least Squares (PLS) als geeignetes mathematisch-statistisches Ver-fahren ausgewählt. Als varianzbasiertes Verfahren besitzt der PLS-Ansatz einen wesentlichen Vorteil gegenüber kovarianzbasierten Verfahren wie LISREL, da eine Modellschätzung mittels PLS bereits bei einer relativ geringen Stichprobengröße durchführbar ist. Dies ist von besonderer Relevanz, wenn Subgruppen im Modell-vergleich, wie im Fall dieses Beitrages, kleiner als 100 Probanden sind (Huber et al. 2007, S. 10).

Die aus der Literatur identifizierten Indikatoren wurden anhand konservativer Prüfkriterien für PLS-Modelle auf Messmodellebene analysiert (Huber et al. 2007, S. 45). Im Zentrum der Gütebeurteilung reflektiver Messmodelle stehen die Höhe der Ladung der Indikatoren auf das Konstrukt sowie deren Signifikanz (Hahn 2002, S. 105). Zur Konvergenzprüfung lassen sich die Konstruktreliabilität sowie die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) heranziehen. Zusätzlich werden die In-dikatoren auf Diskriminanzvalidität und Unidimensionalität geprüft (Huber et al. 2007, S. 89 f.; Gefen et al. 2000, S. 25). Keine der überprüften Indikatoren musste aufgrund einer Verletzung der Gütekriterien eliminiert werden.

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Die Ergebnisse der Hypothesenprüfung zeigen, dass die antezedenten Konstrukte Differenzierungspotenzial, Innovationsgrad, Überzeugungskraft und Nutzenstiftung einen direkten positiven Einfluss auf die Kreativität der Guerilla-Marketing-Aktion ausüben. Die drei theoretisch postulierten positiven Einflüsse der Kreativität der Gue-rilla-Marketing-Aktion auf die Emotion, Überraschung, Erregung und Vergnügen der Probanden müssen ebenfalls nicht falsifiziert werden. Die Kreativität der Gue-rilla-Marketing-Aktion sowie die Emotionsdimensionen Erregung und Vergnügen haben allesamt einen direkten positiven Einfluss auf die Einstellung der Probanden gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion. Zudem hält der positive direkte Effekt der Einstellung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion auf die Word-of-Mouth-Absicht der potenziellen Konsumenten der Konfrontation mit der Realität stand. Und auch die Hypothese, dass die Einstellung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion einen positiven Einfluss auf die Einstellung gegenüber der Marke hat, erweist sich als zutreffend. Schließlich muss der postulierte Einfluss der Einstellung gegenüber der Marke auf die Kaufabsicht nicht abgelehnt werden. Zwei der insgesamt 15 Hypo-thesen halten der empirischen Prüfung hingegen nicht stand und müssen falsifiziert werden. So hat die Emotion Überraschung im vorliegenden Modell keinen signifi-kanten Einfluss auf die Einstellung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion (H11), und auch der in der Literatur vielfältig diskutierte direkte Einfluss der Einstellung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion auf die der Absicht der Konsumenten, die beworbene Marke zu kaufen, kann nicht bestätigt werden (H14; vgl. Abb. 2).

Aus den berechneten Strukturparametern lässt sich auf die Einflussstärke eines Konstrukts auf ein kausal nachfolgendes schließen. So besteht der stärkste Ein-fluss des postulierten Beziehungsgefüges mit einem Strukturparameter in Höhe von 0,651 zwischen der Kreativität der Guerilla-Marketing-Aktion und der ausgelös-ten Emotion Überraschung. Annähernd bedeutsam sind die beiden direkten Effekte auf die resultierenden Größen Kaufabsicht (0,591) und Word-of-Mouth-Absicht (0,607) ( vgl. Abb. 2).

Im Anschluss an die Überprüfung des Strukturmodells auf Plausibilität und sta-tistische Signifikanz soll nun die Eignung der Determinanten des Untersuchungs-modells zur Erklärung der Wirkung von Guerilla-Marketing-Aktionen auf die Kaufabsicht und Word-of-Mouth-Absicht der Konsumenten untersucht werden. Das Bestimmtheitsmaß R² drückt den erklärten Anteil der Varianz eines Konstrukts aus (Huber et al. 2007, S. 42). Das R² des Zielkonstrukts Kaufabsicht nimmt einen Wert in Höhe von 0,334 und das R² des Zielkonstrukts Word-of-Mouth-Absicht einen Wert von 0,369 an. Daraus lässt sich folgern, dass die in das Kausalmodell einbezogenen Determinanten die Entstehung der Kaufabsicht bzw. der Word-of-Mouth-Absicht hinreichend gut erklären. Das Konstrukt Kreativität der Guerilla-Marketing-Aktion wird sogar zu 64,2 % durch die im Modell berücksichtigten und auf die Kreativität wirkenden Konstrukte Differenzierungspotenzial, Innovations-grad, Überzeugungskraft und Nutzenstiftung erklärt. Gleiches gilt mit einem R²-Wert von 0,703 für das endogene Konstrukt Einstellung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion.

Neben der Bestimmung der erklärten Varianz sind die endogenen, latenten Konstrukte des Modells auf Multikollinearität (Variance Inflation Factor, VIF) und Vorhersagevalidität (Q² nach Stone-Geisser) zu überprüfen. Die Berechnung des

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VIF ergibt für alle endogenen Konstrukte einen Wert kleiner zehn, womit das Vor-handensein von Multikollinearität im vorliegenden Modell ausgeschlossen werden kann. Für die in der Untersuchung relevanten Konstrukte Kreativität, Überraschung, Einstellung gegenüber der Aktion, Kaufabsicht und Word-of-Mouth-Absicht liegt der jeweils ermittelte Q²-Wert über dem geforderten Minimum von Null (Huber et al. 2005, S. 32).

Um die emotionale Wirkung der Guerilla-Marketing-Aktion auf die Kaufabsicht und Word-of-Mouth-Absicht möglichst adäquat und realitätsnah erklären zu kön-nen, reicht eine isolierte Betrachtung der direkten Effekte nicht aus. Die zusätzliche

Abb. 2   Ergebnisse der Hypothesenprüfung

Erregung

Word-of-Mouth-Absicht

Einstellung gegenüber der Marke

Kaufabsicht

InnovationsgradÜberzeugungs-

kraft

0,182 (2,031)

0,400 (3,959)

0,233 (2,788)

0,115 (1,738)

0,651 (16,424)

0,531 (10,633)

0,484 (8,561)

0,480 (8,624)

0,337 (8,316)

0,100 (1,707)

0,073 (1,069)

–0,029 (0,444) 0,486

(8,607)

0,607 (11,953)

0,591 (8,355)

Nutzenstiftung Differenzierungs

-potential

Kreativität der

Aktion

Vergnügen Überraschung

Einstellunggegenüber der Aktion

bestätigte Hypothesen abgelehnte Hypothesen

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Berechnung der indirekten Effekte wie auch der Gesamteffekte auf die Kaufabsicht und die Word-of-Mouth-Absicht gibt Aufschluss darüber, durch welche Faktoren die beiden resultierenden Konstrukte besonders stark beeinflusst werden. Die Er-gebnisse der Berechnungen zeigen, dass der Einstellung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion zwar kein direkter Einfluss auf die Kaufabsicht der potenziellen Konsumenten nachgesagt werden konnte, die Kaufabsicht jedoch indirekt über die Einstellung gegenüber der Marke recht deutlich beeinflusst wird. Des Weiteren wir-ken sich die emotionale Dimension Vergnügen wie auch das Konstrukt Kreativität der Guerilla-Marketing-Aktion indirekt über die Einstellung gegenüber der Aktion auf die Word-of-Mouth-Absicht aus.

4.3   Modellvergleich zur Überprüfung des Einflusses moderierender Variablen

Nach der Evaluierung des auf Basis theoretischer Überlegungen aufgestellten Hypothesensystems zielt der folgende Abschnitt auf die Untersuchung des Vorlie-gens eines Einflusses moderierender Variablen auf das postulierte Beziehungsgefü-ge. Der Gruppenvergleich nach Chin ermöglicht es „ein für unterschiedliche Erhe-bungspopulationen geschätztes Modell auf Unterschiede in den Schätzern“ (Huber et al. 2007, S. 118) zu überprüfen.

Für die moderierende Wirkung der Stimmung wurde die Gesamtstichprobe von insgesamt 227 Probanden mithilfe des Medians der Mittelwerte in zwei Grup-pen aufgeteilt. So ließen sich letztlich 99 Probanden der Gruppe gedrückte Stim-mung und 106 Probanden der Gruppe gehobene Stimmung zuordnen. Betrachtet man die Ergebnisse der nach Chin berechneten t-Werte, lässt sich erkennen, dass sich die Stimmungslage signifikant auf den Zusammenhang zwischen der Einstel-lung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion und der Word-of-Mouth-Absicht (t-Wert  =  2,620) auswirkt. Des Weiteren ergeben sich signifikante Unterschiede für die Zusammenhänge zwischen der Einstellung gegenüber der Marke und der Kauf-absicht (t-Wert  =  2,073) sowie zwischen der Kreativität der Guerilla-Marketing-Aktion und der durch die Aktion ausgelösten Erregung (t-Wert  =  2,154). Die Er-gebnisse zeigen unter gehobener Stimmung jeweils deutlich stärkere Einflüsse. Da sich für die beiden zentralen Einflüsse auf die zu erklärenden Größen Kaufabsicht und Word-of-Mouth-Absicht signifikante Unterschiede zeigen, kann die aufgestellte Hypothese, dass die Stimmungslage der Konsumenten auf die Wirkung von Gueril-la-Marketing-Aktionen Einfluss nimmt, im Großen und Ganzen bestätigt werden.

5   Fazit

Um bei der steigenden Informationsflut aufzufallen, müssen Werbebotschaften ak-tivierend verpackt werden. Folglich kommt der Gestaltung der Werbebotschaft eine zentrale Bedeutung zu. Guerilla-Marketing setzt auf Aktionen, die die Wahrneh-

Guerilla-Marketing-Aktionen

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mung vor eine unerwartete Aufgabe stellen, um so gezielte Aufmerksamkeit durch Neuartigkeit und Anderssein hervorzurufen. Die Ergebnisse der Studie zeigen die zentrale Bedeutung einer positiven Einstellung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion zur Stimulierung der Word-of-Mouth-Absicht wie auch der Kaufabsicht der Konsumenten. Aus diesem bedeutenden Einfluss kann man schließen, dass das werbende Unternehmen der Gestaltung der Guerilla-Marketing-Aktion viel Auf-merksamkeit schenken sollte, um eine möglichst positive Reaktion auf den Werbe-stimulus zu generieren. Als direkte Einflussgrößen der Einstellung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion konnten im Rahmen der Untersuchung die Kreativität der Aktion sowie das durch die Aktion ausgelöste Vergnügen identifiziert werden. Es empfiehlt sich daher, die vorhandenen Ressourcen in die kreative Ausgestaltung der Aktion zu investieren. Als direkte Einflussgrößen der Beurteilung der Kreativi-tät der Guerilla-Marketing-Aktion konnten in der Untersuchung das Differenzie-rungspotenzial, der Innovationsgrad, die Überzeugungskraft und die Nutzenstiftung der entsprechenden Aktion identifiziert werden. Sämtliche Größen sind durch das Unternehmen beeinflussbar. Die größte Beachtung bei der Planung einer Gueril-la-Marketing-Aktion sollte dem Innovationsgrad der Aktion geschenkt werden. Von dem Urteil der Konsumenten, wie innovativ, unerwartet und überraschend die Guerilla-Marketing-Aktion ist, ist die Einschätzung der Kreativität der Aktion am stärksten abhängig. Hier ist in besonderem Maße auf den Überraschungseffekt zu achten, da sich der Konsument bei der Beurteilung des Innovationsgrades vor al-lem darauf stützt, wie überraschend die Guerilla-Marketing-Aktion in seinen Augen ist. Überraschungseffekte können beispielsweise über das Werben an unerwarte-ten Orten oder auf ausgefallenen Werbeträgern, über von der Norm abweichende Botschaftsinhalte, über besonders große Elemente oder auch über überraschende Formen der Informationsübermittlung generiert werden. Darüber hinaus zeigt die Studie jedoch auch, dass die Neuartigkeit und das Unerwartete nicht ausreichen. Vielmehr muss die Guerilla-Marketing-Aktion auch Sinn machen, um als kreativ beurteilt zu werden. Aus diesem Grund sollten die Unternehmen bei der Planung einer Guerilla-Marketing-Aktion auf eine verständliche Botschaftsvermittlung achten und die Zielgruppe und das Unternehmensimage nicht aus den Augen las-sen. Passt die Guerilla-Marketing-Aktion nicht zur Zielgruppe oder zum Image des Unternehmens, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass die Aktion keine oder im schlimmsten Fall sogar eine negative Wirkung entfaltet.

Mit Blick auf die Ergebnisse der beiden durchgeführten Modellvergleiche lassen sich weitere, differenziertere Handlungsempfehlungen ableiten. Da der Einfluss der Einstellung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion auf die Word-of-Mouth-Ab-sicht wie auch auf die Kaufabsicht unter gehobener Stimmung deutlich stärker als unter gedrückter Stimmung ist, dürfte ein Beeinflussungsversuch unter gehobener Stimmung mehr Erfolg haben. Dementsprechend sollte die Guerilla-Marketing-Ak-tion nach Möglichkeit in einem Umfeld durchgeführt werden, in dem anzunehmen ist, dass die Konsumenten positiv gestimmt sind (beispielsweise bei Freizeitbeschäf-tigungen wie Kino- oder Konzertbesuchen). Ist die Stimmung der Konsumenten beim Kontakt mit der Guerilla-Marketing-Aktion nur schwer abschätzbar, hat das

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werbende Unternehmen die Möglichkeit, vor dem Beeinflussungsversuch zunächst eine positive Stimmung bei den Konsumenten zu generieren (beispielsweise über ansprechende Musik). Dabei ist jedoch im besonderen Maße darauf zu achten, dass der Überraschungseffekt der Aktion nicht verloren geht. Im Zweifelsfall sollte auf eine Beeinflussung der Stimmung lieber verzichtet werden.

Abschließend bleibt anzumerken, dass es aufgrund des für eine hohe Wirksam-keit erforderlichen Innovationsgrades kein allgemeingültiges Patentrezept oder Vorgehensmuster für die Durchführung einer Guerilla-Marketing-Aktion geben kann. Vielmehr sind die Unternehmen zu einer soliden Analyse der Ausgangslage angehalten.

Neben den Handlungsempfehlungen für die Marketingpraxis lassen sich aus den Erkenntnissen der Untersuchung zudem Implikationen für die Marketingfor-schung ableiten. Während das postulierte Hypothesengefüge auf der einen Seite einen wertvollen Beitrag zur Klärung der Varianz des zentralen Konstrukts Einstel-lung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion sowie der resultierenden Größen Kaufabsicht und Word-of-Mouth-Absicht der Konsumenten leistet, deuten die Er-gebnisse dennoch auf weitere Einflussgrößen hin, die nicht im Modell berücksich-tigt sind. Betrachtet man die bisherigen Forschungsbemühungen im Rahmen des Guerilla-Marketings, so gingen diese kaum über rein theoretische Überlegungen hinaus. Dementsprechend besteht ein enormer empirischer Forschungsbedarf. Die vorliegende Untersuchung ist lediglich ein erster Schritt in Richtung einer Guerilla-Marketing-Wirkungsforschung. Um konkretere Handlungsempfehlungen ableiten zu können, wie eine Guerilla-Marketing-Aktion effektiv zur Steigerung der Kauf-absicht und Word-of-Mouth-Absicht beitragen kann, sind zahlreiche weitere Unter-suchungen erforderlich. Zukünftige Forschungsansätze sollten an der Validierung des postulierten Hypothesengefüges, wie der Aufnahme weiterer Determinanten der Einstellung gegenüber der Guerilla-Marketing-Aktion, der Kaufabsicht und der Word-of-Mouth-Absicht, der Überprüfung des Untersuchungsmodells in anderen Wirtschaftszweigen oder der Übertragung des Modells auf den Business-to-Busi-ness-Bereich, ansetzen.

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Guerilla-Marketing-Aktionen

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Zusammenfassung 

Dieser Beitrag beschreibt das Phänomen des Ambush-Marketing. In der Werbe-literatur bezeichnet man damit Aktivitäten von Unternehmen, die sich im Kon-text von Sportgroßveranstaltungen werblich präsentieren, ohne selbst Sponsor zu sein. Zunächst werden Beispiele für diese Werbepraxis aufgeführt. Sodann wird auf Basis bereits vorliegender Studien gezeigt, dass Konsumenten eine neutrale Einstellung zu dieser Werbeform haben und dazu tendieren, Ambusher mit Spon-soren zu verwechseln. Eine neue empirische Studie zeigt, dass Konsumenten einen positiven Effekt auf Produktbewertungen korrigieren, wenn sie erfahren, dass es sich bei dem werbenden Unternehmen um einen Ambusher handelt. Ver-anstaltern und Sponsoren von Sportgroßereignissen wird empfohlen, sich durch eine Aufklärung der breiten Öffentlichkeit vor einer Ausbeutung durch Ambusher zu schützen, indem Ambusher über „schwarze Listen“ publik gemacht werden.

1   Einführung

Alan Bayless verwendete in einem 1988 im Wall Street Journal verfassten Aufsatz erstmals den Begriff Ambush-Marketing (Farrelly et al. 2005, S. 340). Übersetzt bedeutet der Begriff so viel wie „Marketing aus dem Hinterhalt“ oder „Trittbrett-fahrermarketing“. Dieser Begriff wurde insbesondere für den Bereich der Werbung übernommen. Sandler und Shani (1989, S. 11) definieren diese Werbeform wie folgt: „A planned effort (campaign) by an organization to associate themselves indi-rectly with an event in order to gain at least some of the recognition and benefits that are associated with being an official sponsor“. Üblicherweise wird in der Literatur von Ambush-Marketing gesprochen, wenn Unternehmen einen Zusammenhang zwischen ihren Produkten und einem medialen Großereignis wie z. B. mit einer

Ambush-Marketing

Heribert Gierl und Karin Stiegelmayr

H. Gierl ()Universität Augsburg, Augsburg, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_10, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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Fußballweltmeisterschaft, der Tour de France oder Olympischen Spielen herstellen, obwohl sie dieses Ereignis nicht sponsern.

Ein aktuelles Beispiel für Ambush-Marketing war der medienwirksame Auftritt der „Beer Babes“ der holländischen Brauerei Bavaria anlässlich der Fußballwelt-meisterschaft 2010 in Südafrika. Diese Werbung lief wie folgt ab: Als Däninnen verkleidete Models besuchten in der Rolle als Zuschauerinnen das Fußballspiel Nie-derlande gegen Dänemark. Während des Spiels entledigten sie sich ihrer dänischen „Verkleidung“, waren als orange gekleidete Holländerinnen ersichtlich und trugen am Minikleid eine kleine Werbeaufschrift für die Brauerei. Die Models, die Plätze in der Nähe des Spielfeldrands eingenommen hatten, lärmten so laut, dass Fernseh-kameras sie mehrmals aufnahmen und weltweit zeigten. Die Models wurden „ver-haftet“, wodurch die Brauerei einen beachtlichen PR-Erfolg erzielen konnte, indem Videofilme sowohl in Nachrichtenportalen im Internet als auch in redaktionellen TV-Beiträgen gezeigt wurden. Abbildung 1 enthält Fotos aus dieser Kampagne.

2   Formen des Ambush-Marketing

In Anlehnung an Pechtl (2007, S. 3) können verschiedene Formen von Ambush-Mar-keting unterschieden werden. Diese Typen und Beispiele sind in Tab. 1 dargestellt.

Abb. 1   Beer Babes der hol-ländischen Brauerei Bavaria

H. Gierl und K. Stiegelmayr

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Typen BeispieleVerwendung von nicht autorisierten veran-staltungsbezogenen Kennzeichen

• Unternehmen bieten Fußbälle oder Gedenkmünzen mit der Auf-schrift „Euro 2004“ oder „WM Germany 2006“ an

• Spielpläne als Werbegeschenke• „Public Viewing“ in Gastronomiebetrieben• Herausgabe von Erinnerungsbüchern

Durchführung eigener Werbung im media-len Umfeld des Sportevents

• Während der Olympischen Spiele 1988 war Kodak Programm-sponsor für die Übertragung der sportlichen Wettkämpfe (Offiziel-ler Sponsor war Fuji)

• Anheuser-Bush zeigte während der Übertragungen des Super Bowls „Bud Bowl“-Spots. Die Biere Budweiser und Bud Light kämpften in einem fiktiven Football-Spiel um den „Bud Bowl“ (Sponsor war die Brauerei Miller)

Vortäuschen einer Sponsorenschaft

• Während der Fußball-WM 2010 malte ein Flugzeug ein Herz und einen Fußball, die für die Botschaft „Love = Football“ von Puma stehen, in den Himmel

• Quantas versuchte, Werbebanner während der Fußball-WM 2006 über ein Stadion fliegen zu lassen

• Quantas warb während der Olympischen Spiele 2000 in Sydney mit dem Slogan „Spirits of Australia“, der dem Slogan des Spon-sors Ansett „Share the spirit“ ähnlich war

• American Express nutzte während der Olympischen Spiele 1988 Anzeigen, die die Eröffnungszeremonie der Asian Games im Stadion von Seoul zeigten

• AOL warb mit einem Transparent, das am Firmensitz in der Nähe des Stadions angebracht war, mit „AOL Arena – Austragungsort der WM 2006“

Angriffe wegen der Sponsorenschaft

• Charles Barkely und Michael Jordan, die von Nike gesponsert wurden, verdeckten bei der Medaillenverleihung während Olym-pia 1992 die Logos des offiziellen Sponsors des amerikanischen Basketballteams Reebok mit einer US Flagge

• American Express warb im Umfeld der Olympischen Spiele 1994 in Lillehammer, deren offizieller Sponsor Visa war, mit „If you’re travelling to Norway this winter, you’ll need a passport but you don’t need a visa“

Durchführung eigener Werbung und Präsenta-tion eigener Marken-symbole im Umfeld des Sportevents

• Nike eröffnete während der Olympischen Spiele 1994 in Atlanta in der Nähe des Stadions ein Nike-Center, mietete Werbeflächen und verteilte Flaggen

• Nike verteilte vor dem Finale der Fußball-WM 1994 Baseballcaps in den Farben der Brasilianer und mit dem Nike-Logo; während der Übertragung glich das Stadion einem „Nike-Meer“

• Die niederländische Brauerei Bavaria verkaufte orangefarbene Lederhosen mit ihrem Logo; 1000 niederländische Fans mussten bei der Fußball-WM 2006 vor dem Spiel der Niederlande gegen die Elfenbeinküste die Hosen ausziehen, um ins Stadion eingelas-sen zu werden, und erweckten große Aufmerksamkeit

• Puma stattete während der Fußball-WM 2006 Velotaxis in Berlin mit seinem Logo aus; die Velotaxis durften sich in unmittelbarer Stadionnähe aufhalten

• Der 100-Meter-Läufer Linford Christie trug während einer Presse-konferenz anlässlich der Olympischen Spiele 1996 blaue Kontakt-linsen, die das Logo von Puma zeigten (Sponsor war Reebok)

• Die Schwimmerin Claudia Poll trug bei der Medaillenübergabe ein Pepsi-T-Shirt (Sponsor war Coca Cola)

Tab. 1   Beispiele für Ambush-Marketing

Ambush-Marketing

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Typen BeispieleSportevent als Leitidee für die eigene Kommu-nikationsstrategie

• Benetton betrieb während der Olympischen Spiele 1992 Werbung mit fünf bunten Kondomen, die in Form der Olympischen Ringe angeordnet waren

• Media Markt warb bei der Fußball-WM 2006 mit „bester Fanaus-rüster“. Nach dem Ausscheiden der Niederlande schaltete Media Markt einen Spot, in dem Oliver Pocher niederländischen Fans den Pokal mit „Das wäre ihr Preis gewesen“ präsentierte

• Der Schreibgerätehersteller Edding bewarb während der Fuß-ball-WM 2006 Edding-Marker, die in den Farben schwarz, rot und gold die deutsche Flagge nachzeichneten, und verwendete den Slogan „Wir halten durch bis zum Finale“

• Wrigley warb auf Produktverpackungen von Airwaves während der Fußball-WM 2010 mit dem Slogan: „Elfmeter. Das Eckige muss ins Runde“

• Iveco warb während der Fußball WM 2010 mit „Deutschlands beste Viererkette. […] So fahren Sie sorglos bis zur nächsten WM!“

• Erdinger betrieb während der Fußball-WM 2010 Werbung für sein Weißbier mit Franz Beckenbauer und dem Slogan „Das Weissbier der Fussball Fans“

• Während der Fußball-WM 1994 warb McDonald’s mit „Inoffiziel-ler Nahrungslieferant der deutschen Fußball Fans“

• Während der Olympischen Spiele 2004 offerierte die Baumarkt-kette Hornbach unter dem Motto „Hornbach Sommerspiele“ ver-schiedene Produkte wie z. B. „400 m Rollrasen der Herren“

Sponsoring von Subkategorien

• Bitburger sponserte während der Fußball-EM 2004 die deutsche Fußballnationalmannschaft

• Nike sponserte während der Fußball-EM 2004 z. B. die National-teams von Italien und Holland

Einsatz von Teilneh-mern in der eigenen Werbung

• Burger King führte während der Fußball-EM 2004 die Burger King Kahn Aktion durch

• Erdinger warb während der Fußball-WM 2006 mit Franz Becken-bauer, dessen Werbespruch dem offiziellen Slogan stark ähnelte

• Nike schaltete im Vorfeld der Fußball-WM 2010 einen Spot, der z. B. das zukünftige Leben von Wayne Rooney und Cristiano Ronaldo zeigte, falls sie während des Turniers erfolgreich bzw. erfolglos sind

• Das Versicherungsunternehmen Hanse Merkur veranstaltete wäh-rend der Fußball-WM 2010 ein Weltmeisterquiz mit Mario Gomez

• Ferrero legte im Umfeld von Fußballweltmeisterschaften den Verpackungen von Hanuta und Duplo Stickermotive der deutschen Fußballer bei

Soziale Aktionen • Der Spirituosenhersteller Seagram führte während den Olym-pischen Spielen 1988 die Aktion „Send the families“ durch und übernahm die Reisekosten für 500 Familienmitglieder der Athleten

Tab. 1  (Fortsetzung)

H. Gierl und K. Stiegelmayr

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3   Gründe für Ambush-Marketing

Die Kosten für das Recht, in der Werbung als offizieller Sponsor eines Großereig-nisses auftreten zu dürfen, sind vergleichsweise hoch. Pitt et al. (2010, S. 281) be-richten, dass Unternehmen, die als offizielle Sponsoren der Olympischen Winter-spiele in Turin 2006 und der Olympischen Sommerspiele in Peking 2008 auftreten wollten, insgesamt 866 Mio. US$ an das IOC zu zahlen hatten; dies bedeutete eine Kostensteigerung in Höhe von 31 % gegenüber dem vorausgegangenen Zyklus, für den 663 Mio. US$ an das IOC zu entrichten waren. Pro multinationalem Sponsor fielen 2006 bzw. 2008 Kosten in Höhe von rund 72 Mio. US$ an. Hierbei ist zu be-denken, dass dieser Betrag nur für das Recht, mit der Sponsorenschaft werben zu dürfen, entrichtet wird. Weiterhin fallen naturgemäß die Kosten für die Erstellung und das Senden der Werbung an.

Unternehmen, die Ambush-Marketing betreiben, entziehen sich der Kosten, die mit der Sponsorenschaft verbunden sind und gelangen auf diese Art und Weise zu einer billigeren Möglichkeit, den Bekanntheitsgrad ihrer Produkte zu steigern und die Einstellung gegenüber ihren Produkten zu verbessern (Sandler und Shani 1989, S. 9; Meenaghan 1994, S. 77; McDaniel und Kinney 1998, S. 386).

Des Weiteren existiert im Fall von Olympischen Spielen oder Fußballweltmeis-terschaften die Praxis, dass pro Branche nur jeweils ein Unternehmen als Sponsor auftritt (Séguin et al. 2005, S. 217; Preuss et al. 2008, S. 247). Wettbewerber, die sich im Kontext dieser Sportgroßereignisse präsentieren möchten, könnten dann nur entweder als Sponsoren von Subkategorien (z. B. Teams eines bestimmten Landes) auftreten, oder sie müssten Möglichkeiten des Ambush-Marketing ergreifen.

Unternehmen, die Ambush-Marketing einsetzen, können vom mangelnden Wis-sen der Konsumenten profitieren, bei welchen Firmen es sich um die tatsächlichen Sponsoren handelt. Sportevents sind in hohem Maße „kommerzialisiert“, weswe-gen Konsumenten zu Fehleinschätzungen gelangen, welche Firmen einen Beitrag leisten, um das Zustandekommen der Events zu finanzieren, und welche Firmen sich dieser Mitfinanzierung entziehen (McDaniel und Kinney 1998, S. 386; Bruhn und Ahlers 2003, S. 278; Grohs et al. 2004, S. 120). Des Weiteren könnten Konsu-menten selbst im Fall, dass sie wissen, wer Sponsor ist und wer nicht, Ambush-Mar-keting aufgrund der Kommerzialisierung von Sportgroßevents als unproblematisch erachten.

4   Stand der empirischen Forschung

Die bisherige empirische Forschung zum Ambush-Marketing behandelte die Fra-gen, welche Einstellung Konsumenten zu Ambush-Marketing haben und inwieweit Konsumenten Ambusher mit offiziellen Sponsoren verwechseln. Diese Befunde werden nachfolgend vorgestellt.

Ambush-Marketing

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4.1   Einstellung von Konsumenten zu Ambush-Marketing

Einige Autoren führten Befragungen durch, um die Einstellung von Konsumenten zu Ambush-Marketing zu messen. Tabelle 2 enthält eine Übersicht über diese Stu-dien.

In zwei dieser Studien wurde dieselbe Skala verwendet (Shani und Sandler 1998; Lyberger und McCarthy 2001). Die verwendeten Statements werden – exem-plarisch für Statements, die in ähnlichen Studien verwendet wurden – im Folgenden aufgeführt:• Es ist unethisch, sich mit … in Verbindung zu bringen, wenn man kein offizieller

Sponsor ist.• Es ist fair, sich mit … in Verbindung zu bringen, wenn man kein offizieller Spon-

sor ist.• Wenn man kein offizieller Sponsor von … ist, sollte man Konsumenten nicht

glauben machen, dass man einer ist.• Es verdrießt mich, wenn sich Unternehmen mit … in Verbindung bringen, ob-

wohl sie keine offiziellen Sponsoren sind.Sandler und Shani (1993) stellten z. B. bei nur 21 % der Befragten eine Zustimmung zu dem Statement „Ich ärgere mich sehr über Unternehmen, die versuchen, sich mit den Olympischen Spielen in Verbindung zu bringen, ohne diese selbst zu spon-sern“ fest. Auch einige Jahre später ermittelten Shani und Sandler (1998) eine in der Tendenz indifferente Position von Konsumenten gegenüber Ambush-Marketing. In dieser Folgestudie stimmten die Personen dem Statement „Es verdrießt mich, wenn sich Unternehmen mit den Olympischen Spielen in Verbindung bringen, obwohl sie

Tab. 2   Studien zur Einstellung von Konsumenten zu Ambush-MarketingQuelle Stichprobe Land Event Messung SkalaSandler und Shani (1993)

189 Mit-glieder eines Sportvereins

USA Olympi-sche Spiele 1992 in Barcelona

Zwei Statements

5-stufige Skala

IOC (1997), zitiert nach Meenaghan (1998)

Keine Angaben

Neun Länder

k. A. Vier Statements Ja/nein-Antworten

Shani und Sandler (1998)

209 Personen USA Olympische Spiele 1996 in Atlanta

Vier Statements 7-stufige Skala

Lyberger und McCarthy (2001)

486 Personen USA Endspiel der National Football League

Vier Statements 7-stufige Skala

Drengner und Sachse (2005)

364 Studenten Deutschland Fußball-EM 2004 in Portugal

Neun Statements

5-stufige Skala

H. Gierl und K. Stiegelmayr

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keine offiziellen Sponsoren sind“ im Mittel auf einer 7-stufigen Skala mit 4,54 zu. Unter Verwendung derselben Statements und bei Nutzung einer 5-stufigen Skala gelangten Lyberger und McCarthy (2001) zu einem Durchschnittswert von 2,72. Drengner und Sachse (2005) ermittelten für das Statement „Ein Unternehmen, das nicht offizieller Sponsor ist, sollte nicht mit der Fußball-EM 2004 werben dürfen“ auf einer 5-stufigen Skala einen Mittelwert in Höhe von 3,0.

Diese in den USA und in Deutschland durchgeführten Studien liefern insgesamt das Ergebnis, dass es Konsumenten im Mittel egal ist, ob Unternehmen Ambush-Marketing betreiben oder nicht. Sie wünschen diese Werbeform nicht, aber artiku-lieren auch keine Vorbehalte gegenüber solchen Aktivitäten.

4.2   Ergebnisse aus Recall- und Recognition-Tests

Eine Reihe von Autoren untersuchte des Weiteren mittels Recognition- und Re-call-Tests, zu welchem Anteil Unternehmen, die Sportgroßereignisse sponserten, tatsächlich als Sponsoren identifiziert werden, und zu welchem Anteil Verwechs-lungen auftreten, d. h. Unternehmen als Sponsoren bezeichnet werden, obwohl sie keine Sponsoren sind (Drengner und Sachse 2005; Séguin et al. 2005).

Sandler und Shani (1989) befragten zwei Wochen nach dem Abschluss der Olympischen Winterspiele, die 1988 in Calgary in Kanada stattfanden, 210 Per-sonen (Dozenten, Studenten, Mitarbeiter) an einer Universität. Sie ermittelten, wie häufig echte Sponsoren und sonstige Firmen als Sponsoren genannt wurden. Diese Studie wiederholten diese Autoren für die Olympischen Sommerspiele 1992 in Bar-celona. Zwei Wochen nach diesen Olympischen Spielen befragten die Autoren 189 Mitglieder eines Sportklubs. Die Autoren zeigen, dass ca. ein Viertel der Befragten Ambusher fälschlicherweise als offizielle Sponsoren einstuft (Tab. 3).

Michaelis et al. (2008) untersuchten am Beispiel der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland, welche Fluggesellschaft als offizieller Sponsor der FIFA wahrgenommen wurde. Die Befragung fand in Deutschland statt. Die Besonderheit war, dass die Fluggesellschaft Emirates der wahre Sponsor war, während Lufthansa nur als „Offizieller Partner des deutschen Teams“ auftrat. Von den Personen, die vor der WM die Lufthansa mit dem offiziellen Sponsor der FIFA verwechselten, waren nach der WM nur noch 43 % davon überzeugt, dass dies so sei. Von den Personen,

Tab. 3   Häufigkeit der Verwechslung von Sponsorenschaft in der Studie von Sandler und ShaniHäufigkeit, mit der Unternehmen als Sponsoren bezeichnet wurdenSandler und Shani (1989) Sandler und Shani (1993)

Offizielle Sponsoren der Olympischen Spiele

46 % 63 %

Firmen, die während der Olympischen Spiele intensiv Werbung betrieben (Ambusher)

25 % 22 %

Andere Firmen 28 % 14 %

Ambush-Marketing

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die vor der WM keinen Sponsor angeben konnten, glaubten 36 %, Emirates sei der wahre Sponsor, und 17 % meinten, die Lufthansa sei der wahre Sponsor. Diese Stu-die zeigt, dass ein hoher Anteil von Konsumenten ein auf einem niedrigen Niveau angesiedeltes Sponsoringengagement mit dem Haupt-Sponsorship verwechselt (Tab. 4).

Auch McDaniel und Kinney (1996, 1998) untersuchten, ob Werbung im Umfeld eines Sportevents bewirkt, dass Konsumenten derartige Unternehmen mit Spon-soren verwechseln. Sie präsentierten 107 Studenten an einer amerikanischen Uni-versität einen Videofilm, der ein Wettrennen der Kategorie Freestyle-Ski zeigte, das im Rahmen der Olympischen Winterspiele 1994 in Lillehammer, Norwegen, stattgefunden hatte. Dieser Videofilm war durch drei Werbepausen unterbrochen. Die Autoren teilten die Stichprobe in zwei Gruppen ein. Die erste Gruppe sah in den Werbepausen Spots von zehn Unternehmen, in denen Produktwerbung gezeigt wurde. Vier dieser Spots enthielten die Information, es handle sich um die offiziel-len Sponsoren dieses Wettbewerbs (McDonalds, Visa, Chrysler und John Hancock). Die zweite Gruppe sah ebenfalls zehn TV-Spots. Allerdings waren die Spots für die Sponsoren durch Spots für Konkurrenzmarken ersetzt (Wendy’s, American Ex-press, Ford und Northwestern Mutual). Die Personen mussten vor und nach dem Betrachten des Videofilms – ohne Vorgabe von Markennamen durch die Autoren – angeben, wer die offiziellen Sponsoren sind. Die Autoren stellten fest, dass die Befragten auch die Unternehmen als Sponsoren erachteten, die keine wahren Spon-soren waren (Tab. 5).

Pitt et al. (2010) führten eine ähnliche Studie drei Tage nach dem Ende der Olym-pischen Sommerspiele in Peking 2008 durch. Teilnehmer waren 1.331 Chinesen, die online befragt wurden. Die Autoren ermittelten per Recognition-Test, welche Unternehmen als Sponsoren bzw. Nichtsponsoren eingeschätzt wurden. Darunter befand sich auch ein Ambusher. Der letzte Fackelläufer, ein Läufer namens Li Ning, besaß eine Firma, die Sportschuhe unter der Marke Li Ning herstellte. Offizieller Sponsor in diesem Bereich war jedoch Adidas. 62,6 % der befragten Chinesen iden-tifizierten Adidas zu Recht als Sponsor, 67,4 % identifizierten die Firma Li Ning zu Unrecht als Sponsor.

Das Fazit aus diesen Studien lautet, dass Unternehmen, die Ambush-Marketing betreiben, häufig mit Sponsoren verwechselt werden (Sandler und Shani 1989, 1993). Ferner werden Sponsoren von Teilen des Events mit Hauptsponsoren ver-wechselt (Michaelis et al. 2008). Ein Unternehmen, welches Ambush-Marketing betreibt, kann diese Verwechslung durch Werbung im Umfeld des Events (McDa-

Tab. 4   Häufigkeit der Verwechslung der Hauptsponsorenschaft in der Studie von Michaelis/ Woi-setschläger/Hartleb

Häufigkeit, mit der … als offizieller Sponsor der FIFA WM bezeichnet wirdVor der WM Nach der WM

Emirates Lufthansa Sonst/keineEmirates 71 70 (99 %) 0 (0 %) 1 (1 %)Lufthansa 65 31 (48 %) 28 (43 %) 6 (9 %)Keine 89 32 (36 %) 15 (17 %) 42 (47 %)

H. Gierl und K. Stiegelmayr

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niel und Kinney 1996, 1998) oder durch andere kreative Maßnahmen herbeiführen (Pitt et al. 2010).

4.3   Kritik

Grundsätzlich ist die Aussagekraft der hier vorgestellten Studien, was die Wirkung von Ambush-Marketing anbelangt, begrenzt. In den Studien, in denen Personen im Wege der Zustimmung von Statements ihre Einstellung gegenüber dieser Aktivität artikulieren sollten, setzten sich die Auskunftspersonen intensiv mit dieser Thema-tik auseinander. Im Fall von Werbekontakten mit Ambushern spielen viele andere Faktoren eine Rolle, weswegen diese Ergebnisse eine geringe Aussagekraft für die Werbewirkung aufweisen.

In Recognition- und Recall-Studien besteht die Gefahr, dass Personen bekannte Unternehmen (Crompton 2004, S. 6) und insbesondere Unternehmen, die bei an-derer Gelegenheit als Sponsoren auftraten, als Sponsoren bezeichnen, unabhängig davon, ob sie tatsächlich Sponsoren sind. Wenn wahre Sponsoren nicht als solche erkannt werden, könnte die Ursache auch darin begründet liegen, dass die Kom-munikation der Sponsorenschaft nicht ausreichend ist. Ferner ist es in aller Regel nicht das Ziel von Sponsoren, durch den Auftritt bei Sportgroßereignissen den Be-kanntheitsgrad zu steigern. Unternehmen wie Sony, McDonalds, Adidas oder Coca Cola haben ohnehin einen überragenden Bekanntheitsgrad. Demzufolge ist es von größerem Interesse, zu analysieren, ob es Ambushern ebenso wie Sponsoren ge-lingt, die Einstellung von Konsumenten zu Produkten dieser Unternehmen zu ver-bessern. Eine Studie, die auf diese Frage eine Antwort geben soll, wird im nächsten Abschnitt vorgestellt.

Ambush-Marketing

Tab. 5   Häufigkeit der Verwechslung der Sponsorenschaft in der Studie von McDaniel/KinneyPersonen, die Spots für Produkte des Sponsors in den Werbepausen sahen

Personen, die Spots für Produkte anderer Unternehmen in den Werbe-pausen sahen

Anteil der Personen, die vor dem Kontakt angaben, dass der Sponsor tatsächlich der Sponsor ist

Anteil der Per-sonen, die nach dem Kontakt angaben, dass der Sponsor tatsächlich der Sponsor ist

Anteil der Per-sonen, die vor dem Kontakt angaben, dass der Ambusher tatsächlich der Sponsor ist

Anteil der Perso-nen, die nach dem Kontakt angaben, dass der Ambusher tatsächlich der Sponsor ist

Fastfood 75 % 100 % 23 % 94 %Kreditkarten 61 % 96 % 15 % 94 %Autos 15 % 87 % 23 % 94 %Finanzdienstleistun-gen

0 % 93 % 6 % 74 %

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5   Neue empirische Studie

Theoretische Überlegungen: Friestad und Wright (1994) entwickelten das Persua-sion-Knowledge-Modell, in welchem unterstellt wird, dass Konsumenten Wissen über Beeinflussungsversuche besitzen. Über die Zeit hinweg entwickeln Konsu-menten Wissen über Strategien von Unternehmen, die diese zur Beeinflussung verwenden. Konsumenten können z. B. durch eigene Erfahrungen, Interaktionen mit Freunden oder durch die Medienberichterstattung Wissen über Beeinflussungs-versuche erwerben. Dieses Wissen hilft Konsumenten, festzustellen, wie, wann und warum Unternehmen beabsichtigen, sie zu beeinflussen. Werden Konsumen-ten durch Medienberichte auf die Ziele von Unternehmen, die Ambush-Marketing betreiben, und auf die negativen Konsequenzen für die Finanzierung von Events aufmerksam gemacht, könnten sie dieses Wissen heranziehen, um den Beeinflus-sungsversuch des Unternehmens, welches Ambush-Marketing betreibt, zu bewer-ten. In diesem Fall könnten Konsumenten versuchen, den Beeinflussungsversuch abzuwehren. Da sie, wie die in Abschn. 4.1 vorgestellten Ergebnisse zeigen, Ambush-Marketing aber eher neutral gegenüber stehen, ist zu erwarten, dass sie keine negativen Assoziationen auf das Ambush-Marketing betreibende Unterneh-men übertragen und lediglich den positiven Effekt, der durch das Event zustande kommt, korrigieren.

Experimentelles Design: Die neue Studie, deren Ablauf und Ergebnisse hier dar-gestellt werden, hatte ein experimentelles 2 (Art des Unternehmens: Sponsor vs. Ambusher) × 3 (Werbeform: ohne Bezug zum Event, mit Bezug zum Event ohne Aufklärung, mit Bezug zum Event mit Aufklärung) Design.

Testobjekte: Als Event wurde die Tour de France betrachtet. Als Werbetreibende wurde mit Festina (Armbanduhren) ein tatsächlicher Sponsor und mit Shimano (Gangschaltungen und Bremsen für Fahrräder) ein vermeintlicher Sponsor der Tour de France ausgewählt. Weiterhin wurden Bongrain (Käse) und Isostar (Energy Drink), die die Tour de France nicht sponserten, als Werbetreibende in die Unter-suchung einbezogen.

Teststimuli: Für jede der vier Marken wurden zwei Varianten einer Werbeanzeige gestaltet. In der einen Variante war kein Bezug zur Tour de France vorhanden. In der anderen Variante war dieser Bezug hergestellt. Abbildung 2 zeigt diese bei-den Versionen der Printanzeigen für drei der vier Marken. In der oberen Zeile sind die Versionen ohne Bezug zum Event, in der unteren Zeile sind die Versionen mit Bezug zum Event dargestellt.

Pro betrachtete Marke existierten drei Experimentalgruppen. Die erste Gruppe sah die erste Version der Werbeanzeige, d. h. die Werbung ohne Bezug zum Sport-event, und die zweite sowie die dritte Gruppe sahen die zweite Version, d. h. die Werbung mit Bezug zum Event. Die zweite Gruppe erhielt keine Information, ob die Marke tatsächlich Sponsor des Events ist oder nicht. Die dritte Gruppe bekam

H. Gierl und K. Stiegelmayr

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einen Text nach Art eines redaktionellen Zeitungsartikels zu lesen. In diesem Arti-kel war die Information enthalten, dass viele Unternehmen als Trittbrettfahrer von Events auftreten. Diese wollten nur die Vorteile der Werbung mit dem Event nutzen, ohne selbst Sponsorengelder zu bezahlen. Darunter würden die Finanzierung der Events und die Wirkung der Werbung von echten Sponsoren leiden.

Ablauf der Datenerhebung: Die an der Studie mitwirkenden Auskunftspersonen sahen eine Printanzeige und mussten das beworbene Produkt bewerten. Weiterhin mussten sie Angaben zur Konsumhäufigkeit des beworbenen Produkts bzw. hin-sichtlich ihres Interesses an dieser Art von Produkten machen. Schließlich lieferten sie Daten zu ihrem Interesse an der Tour de France.

Abhängige Variable: Damit die Auskunftspersonen das ihnen präsentierte Produkt bewerten konnten, wurden ihnen sechs Statements vorgelegt („innovativ“, „qualita-tiv hochwertig“, „ansprechend“, „gut“, „würde ich gerne ausprobieren“ und „wäre meine erste Wahl“). Zur Messung dienten 7-stufige Ratingskalen. Die Messvariab-len wurden arithmetisch gemittelt (Cronbachs Alpha  =  0,917).

Ergebnis: In Bezug auf die Konsumhäufigkeit der beworbenen Produkte bzw. hin-sichtlich des Interesses an diesen Produkten sowie an dem Event waren die Gruppen strukturgleich. Ferner existierten auch keine auffälligen Abweichungen zwischen den

Abb. 2   Werbeanzeigen für die neue Studie

Ambush-Marketing

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Gruppen in Bezug auf das Alter oder das Geschlecht der Teilnehmer. Tabelle 6 enthält das Ergebnis dieses Experiments. Pro Datenzelle lieferten ca. 38 Personen Daten.

Diese Untersuchung zeigt, dass die Unternehmen von Ambush-Marketing bzw. Sponsoring profitieren konnten. Die Bewertung der Produkte verbesserte sich. Wurden die Personen jedoch zusätzlich auf die Probleme des Ambush-Marketing hingewiesen, hatte die Werbung mit dem Event im Fall der Unternehmen, die als Ambusher bezeichnet wurden, keinen Effekt, d. h. deren Werbung hatte weder eine positivere noch eine negativere Wirkung zur Folge.

Interpretation: Werden Konsumenten über den Tatbestand des Ambush-Marke-ting aufgeklärt, erzielen Unternehmen, von denen Konsumenten wissen, dass sie Ambush-Marketing betreiben, keine Verbesserung der Bewertung ihrer Produkte. Die Produkte dieser Unternehmen werden jedoch auch nicht abgewertet. Mit nicht aufgedecktem Ambush-Marketing kann also eine positivere Produktbewertung erzielt werden, im Fall der Aufklärung hat diese Werbung keinen Effekt.

6   Fazit

Sponsoren tragen zur Finanzierung von Großevents bei. Andere Unternehmen, die sich ebenfalls in diesem Umfeld präsentieren, ersparen sich die Kosten, die für das Recht anfallen, sich als Sponsor bezeichnen zu dürfen. Für die Werbepraxis sind folgende Erkenntnisse nützlich.• Konsumenten haben eine neutrale Einstellung zu Ambush-Marketing

(Abschn. 4.1). Weder befürworten sie diese Marketingpraxis, noch lehnen sie diese ab.

• Ambusher können dieselbe Werbewirkung erzielen wie Sponsoren. Sie werden mit Sponsoren verwechselt (Abschn. 4.2) und können ebenso wie Sponsoren von Verbesserungen der Bewertung ihrer Produkte profitieren (Abschn. 5).

• Werden Konsumenten über den Tatbestand, dass Unternehmen als Ambusher ak-tiv sind, aufgeklärt, haben Werbemaßnahmen dieser Unternehmen keinen Effekt (Abschn. 5).

H. Gierl und K. Stiegelmayr

Tab. 6   Ergebnisse der neuen StudieWerbung ohne Bezug zur Tour de France

Werbung mit Bezug zur Tour de France MittelwertvergleichOhne Aufklärung

Als Ambusher bezeichnet

als Sponsor bezeichnet

t(1) vs. (2) t(2) vs. (3)

(Gruppe 1) (Gruppe 2) (Gruppe 3)Bongrain 4,44 4,74 4,41 –

+1,531* −1.471*Isostar 4,40 4,66 4,40 –Festina 4,32 4,98 – 4,90

+ 2,659** −0,786Shimano 5,18 5,75 – 5,51

Skala: 1 = negative, 7 = positive Bewertung des beworbenen Produkts, *p < 0,10, **p < 0,01

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Die Literatur bietet umfangreiche Diskussionen, wie sich Veranstalter von Sport-großereignissen und Sponsoren dieser Ereignisse vor Ambushern schützen können und welche rechtlichen Maßnahmen hierfür zur Verfügung stehen (Townley et al. 1998; Pechtl 2007; McKelvey und Grady 2008). Die Befunde der hier vorgelegten Studie legen nahe, dass sich Veranstalter und Sponsoren auch durch eine Aufklä-rung der Öffentlichkeit vor Ambushern schützen, indem sie darauf abzielen, Kon-sumenten durch redaktionelle Beiträge in den Medien zu informieren, welche Be-deutung Sponsoren für Großevents haben und dass deren Finanzierung in Zukunft gefährdet sein kann, wenn andere Unternehmen Ambush-Marketing betreiben. Zu-sammenschlüsse der Sponsoren und von Veranstaltern, die „Schwarze Listen“ ver-öffentlichen, könnten ein besonders starkes Medieninteresse nach sich ziehen.

Ambush-Marketing wird bisher fast ausschließlich im Kontext mit Sportgroß-ereignissen diskutiert. Allerdings existieren weitere Arten von Events, die werblich von Unternehmen ausgenutzt werden. Beispiele sind Hochzeiten von Royals. So-fern es die Steuern der Bürger aus diesen Ländern ermöglichen, derartige Events zu finanzieren, und in Medien anderer Länder über diese Events ausführlich berichtet und in diesem Kontext Werbung durchgeführt wird, liegt ebenfalls Ambush-Mar-keting vor. Wenn z. B. eine Papstwahl als Anlass genutzt wird, um Produkte wie ein Papstbier anzubieten, ist diese Situation ebenfalls gegeben. Letztendlich profi-tiert auch die „Weihnachtsindustrie“, die Produkte wie Süßwaren oder Christbaum-schmuck herstellt, von demselben Prinzip. Insofern bieten sich vielfältige Möglich-keiten für Ambush-Marketing, die über den Sportbereich weit hinausgehen und in breiten Bevölkerungskreisen allgemein akzeptiert werden.

Literatur

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Crompton, J. L. (2004). Sponsorship ambushing in sport. Managing Leisure, 9(1), 1–12.Drengner, J., & Sachse, M. (2005). Die Wirkungen von Ambush-Marketing: Ausgewählte Ergeb-

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Ambush-Marketing

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McKelvey, S., & Grady, J. (2008). Sponsorship program protection strategies for special sport events: Are event organizers outmaneuvering ambush marketers?. Journal of Sport Manage-ment, 22(5), 550–586.

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Verzeichnis zitierter Internet-Quellen

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H. Gierl und K. Stiegelmayr

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Zusammenfassung 

Die Erforschung der Wirkung von emotionalen Erlebnissen und unbewusst ge-bildeten Gedächtnisleistungen und Einstellungen sind bislang in der Sponso-ringforschung größtenteils vernachlässigt worden. Der vorliegende Beitrag stellt theoretische Grundlagen und ausgewählte empirische Erkenntnisse vor, die ver-deutlichen, dass Konsumenten kommunizierte Botschaften von in Assoziation mit Sportveranstaltungen stehenden Marken sowohl explizit als auch implizit verarbeiten können. Gemäß einer ersten empirischen Studie sind die impliziten Effekte stärker für Sponsoren als für Ambusher, wobei alle betrachteten Mar-ken ihre Kommunikationsmaßnahmen langfristig betrieben. Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen werden Empfehlungen für künftige Forschungsak-tivitäten sowie für das Markenmanagement und die Ausrichter von sportlichen Großveranstaltungen abgeleitet.

1   Einleitung und kritische Bestandsaufnahme

Lassen Sie uns die aus deutscher Sicht einschneidenden Bilder des Sportjahres 2010 vor das innere Auge holen: Die alpine Skifahrerin Maria Riesch strahlt nach dem Gewinn ihrer zweiten Olympiagoldmedaille mit einem lilafarbenen Milka Stirn-band um die Stirn in die Fernsehkameras, verspürt jedoch auch gemischte Emotio-nen, da ihre Schwester zuvor ausgeschieden ist und ihre Tränen nicht mehr unter-drücken kann. Die Fußballspieler des FC Bayern München feiern das Double der Bundesligameisterschaft und des DFB-Pokalsiegs. Trainer Louis van Gaal kann der traditionellen Weißbierdusche aus einem der riesigen Erdinger Weißbiergläser, die den Spielern zuvor übergeben wurden, nicht entgehen. Die deutsche Fußballnatio-

Sportsponsoring und Ambushing

Andrea Gröppel-Klein und Jörg Königstorfer

A. Gröppel-Klein ()Universität des Saarlandes, Saarbrücken, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_11, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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nalmannschaft ist mit dem Auftrag zur Weltmeisterschaft nach Südafrika gereist, den „vierten Stern“ zu holen, wie Fernsehwerbespots von Mercedes-Benz in Anleh-nung an die Doppeldeutigkeit des Begriffs für die Trikotgestaltung zum einen und das Markenlogo von Mercedes-Benz zum anderen vermitteln. Diese Bilder lassen Zuschauer solcher Veranstaltungen Emotionen wie Freude, Stolz und Zufrieden-heit miterleben; oder auch Trauer, Ärger und Neid – vor allem dann, wenn der gewünschte Erfolg ausbleibt – bzw. gar Emotionen positiver und negativer Valenz zur gleichen Zeit. So können Zuschauer begeistert sein von dem „Event an sich“, zum Beispiel von der beeindruckenden Zuschauerkulisse, den vielen prominenten Gesichtern, den angebotenen Zusatzveranstaltungen (Auftritt von Musikgruppen oder Cheerleaders) oder auch schlicht von einer reibungslosen Organisation. Zu-gleich empfinden Zuschauer jedoch Trauer oder Ärger, wenn ihre Lieblingsmann-schaft oder ihr Favorit nicht gewinnt. Auch umgekehrt ist der Fall denkbar, dass das aufregendste Sportereignis negativ erinnert wird, wenn die Organisation der Veranstaltung nicht funktioniert, sich die Teilnehmer durch die Menschenmassen beklommen fühlen oder sie sich über das „stundenlange im Stau stehen“ vor oder nach der Veranstaltung ärgern. Somit ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass Mischemotionen bei vielen Sportereignissen entstehen.

Positive, negative und auch gemischte Emotionen können prägend sein für die Einstellungen und das Verhalten gegenüber den Veranstaltungen, Sportlern oder dem Sport an sich. Doch auch die Marken, die mit den Sportevents in Assoziation stehen, also als Sponsoren auftreten oder als Ambusher – letztere sind Marken, die sich mit einer Veranstaltung assoziieren, ohne die offiziellen Sponsorenrechte er-worben zu haben – agieren, können durch die emotionalen Erlebnisse während des Ereignisses bzw. durch die Erinnerung an diese Vorgänge in ihren Einschätzungen verändert werden. In der Folge kann das Kaufverhalten dieser Marken beeinflusst werden. Nicht von ungefähr gibt es mittlerweile eine hohe Anzahl von empirischen Untersuchungen, die sich mit der Wirkung von Sponsoring auf die Einstellung zur Marke beschäftigen bzw. Faktoren analysieren, die die Effizienz des Sponsoring erhöhen (z. B. „Fit“ zwischen Marke und Sportereignis oder Sportler, Platzierung des Markenlogos z. B. auf den Spielfeldbanden, Unterstützung durch zeitgleiche Fernsehwerbung). Aus wissenschaftlich-methodischer Sicht nutzen solche Untersu-chungen in der Regel „Forced exposure“-Experimente, bei denen einer Gruppe von Versuchspersonen die Verbindung zwischen (in der Regel positiv dargestelltem) Sportereignis oder Sportler und Marke gezeigt wird, einer zweiten Gruppe von Ver-suchspersonen dagegen nicht. Anschließend wird geprüft, ob in der ersten Gruppe vorteilhaftere Einstellungswerte zu verzeichnen sind als in der zweiten Gruppe. Ein weiterer, mit höherer externer Validität einhergehender Weg ist die Messung der Einstellung zu einer Marke direkt vor und nach dem Sportereignis.

Die empirischen Analysen der skizzierten Fragestellungen sind wertvoll und konnten die Faszinationskraft der Themen Sponsoring und Sportwerbung im Mar-keting herausstellen. Allerdings können nach Cornwell (2008, S. 41) immer noch erhebliche Forschungslücken identifiziert werden. Sie weist darauf hin, dass Spon-soringwirkungen auf Rezipienten bislang unzureichend und nur wenig theoriege-leitet erforscht wurden und weiterhin Unklarheiten bestehen, welche Marketing-

A. Gröppel-Klein und J. Königstorfer

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empfehlungen an die Praxis zur effizienten Gestaltung des Sponsoringengagements gegeben werden können. Neben dieser generellen Kritik besteht unserer Ansicht nach ein konkreter Forschungsbedarf in Bezug auf folgende Fragen:• Sind die mit den Sportereignissen einhergehenden Erlebnisse so einschneidend

(im Sinne von „Critical events“), dass sie langfristig die Einstellungen zur Marke beeinflussen oder gilt hier das Phänomen „aus den Augen, aus dem Sinn“, das dazu führen würde, dass die Einstellungen zur Marke nach einiger Zeit losgelöst vom Sponsoringevent nur noch durch die alltäglichen Markenbegegnungen be-stimmt werden?

• Zu fordern wären auch Langzeituntersuchungen, die prüfen, ob durch die im-mer wiederkehrenden Sponsoringaktivitäten einer Marke bei prinzipiell gleich-bleibenden Sportereignissen (z. B. bei Olympischen Spielen oder Fußballwelt-meisterschaften) im Rahmen einer emotionalen Konditionierung langfristige Imageeffekte zu verzeichnen sind. Der Konsument „lernt“ dann über die Jahre, bestimmte Marken mit Großveranstaltungen zu verbinden und weiß beispiels-weise, dass Budweiser das „Weltmeisterschaftsbier“ ist.

• Ebenfalls interessiert die Frage, wie Sportereignisse erinnert werden. Gibt es hier die typischen Gedächtnisverzerrungen, in dem Sinne, dass manche Aspekte des Gefallens oder Missfallens während der Veranstaltung in der Erinnerung sehr viel dramatischer erlebt werden als im Moment des Entstehens und in der Folge einen überproportional erhöhten Einfluss auf das Markenimage ausüben? Oder verflüchtigen sich die Eindrücke so stark, dass der Teilnehmer sich gar nicht mehr an alle Details, wie die Namen der Sponsoren, bewusst erinnern kann? Finden Verwechslungen von Sponsoren und Ambushern statt? Wie werden die angesprochenen gemischten Emotionen nach einiger Zeit erinnert? „Überlebt“ nur die positive Emotion und führt sie in der langfristigen Folge zu Imagegewin-nen in Bezug auf das Ereignis selbst als auch die damit direkt (Sponsoren) oder indirekt (Ambusher) verbundenen Marken?

• Schließlich haben die meisten bisher vorliegenden Studien bei der Einstellungs-messung explizite Methoden verwendet, was durchaus legitim ist, da der Besuch einer Sportveranstaltung in der Regel mit hohem Involvement einhergeht und Verfahren der bewussten Einstellungsänderung somit anwendbar sind. Auch bei „Forced exposure“-Experimenten (Germelmann und Gröppel-Klein 2009) emp-fehlen sich explizite Verfahren. Doch vielfach werden Marken auch unbewusst mit einem Sportereignis verbunden. Um es schärfer zu formulieren: Auf eine sol-che unbewusste Verbindung zielt das Ambush-Marketing ausgeklügelt ab; Kon-sumenten sollen Ambusher mit einem aufregenden Sportevent assoziieren, aber keineswegs die bewusste Kognition eines „nicht zahlenden Trittbrettfahrers“ auslösen. Dies könnte durch implizite Einstellungswerte gemessen werden: Sind diese bei Ambushern ähnlich positiv ausgeprägt wie bei den „zahlenden“ Spon-soren, würden sie die Effizienz einer solchen Guerillastrategie aufzeigen. Zudem können (unabhängig von der Frage der rechtlichen Legimitation) bei bekann-ten Marken in der Folgezeit unbewusste Verschiebungen der Einstellungswerte stattfinden, bei bis dato unbekannten, aber unbewusst wahrgenommenen Marken kann sich im Zeitverlauf eine implizite affektive Haltung zu der Marke aufbauen

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(Stichwort „Mere Exposure“-Effekt, s. u.). Zusammenfassend empfiehlt es sich daher, neben expliziten auch implizite Wirkungen zu untersuchen.

Im Rahmen dieses Beitrags werden wir nicht alle hier aufgeworfenen Fragen be-antworten können. Ziel des vorliegenden Beitrags ist es in einem ersten Schritt, auf die genannten offenen Fragen aufmerksam zu machen. In einem zweiten Schritt sol-len die Bedeutung von Emotionen und Mechanismen der impliziten Einstellungs-bildung für Sponsoren von Sportveranstaltungen auf der Basis verhaltenswissen-schaftlicher Theorien herausgearbeitet werden. Neben offiziellen Sponsoren wer-den in diesem Artikel auch die Aktivitäten von Ambushern betrachtet; Ambusher sind, wie gesagt, Marken, die sich an ein besonderes Ereignis durch entsprechende Werbeaussagen anlehnen, ohne die offiziellen Sponsorenrechte erworben zu haben. In einem dritten Schritt werden ausgewählte Erkenntnisse eigener empirischer Stu-dien skizziert.

2   Bedeutung von Emotionen für das Verfolgen von Sportereignissen bzw. für die Beziehung zu Marken

Der sportliche Erfolg ist einer der größten Einflussfaktoren auf das emotionale Er-leben von Sportzuschauern (Madrigal und Dalakas 2008, S. 859 ff.), besonders bei Zuschauern, die eine Zuneigung zu einem bestimmten Sportler oder einer be-stimmten Mannschaft haben (Madrigal 2008, S. 307 ff.; Madrigal und Chen 2008, S. 725 ff.; Wann et al. 1994, S. 350 ff.). Aus wissenschaftlicher Sicht lassen sich Emotionen definieren als innere Erregungen, die mehr oder weniger bewusst als angenehm oder unangenehm erlebt werden und mit neurophysiologischen Vor-gängen sowie häufig mit beobachtbarem Ausdrucksverhalten (Gestik und Mimik, nonverbale Kommunikation) einhergehen (Kroeber-Riel et al. 2009, S. 100). Freu-de beispielsweise ist eine grundlegende Emotion, die subjektiv als das Gefühl von Selbstvertrauen und Bedeutsamkeit, des Geliebtwerdens und liebenswert zu sein er-lebt wird. Neurophysiologisch äußert sich Freude unter anderem in Reaktionen des autonomen Nervensystems, was sich auch anhand des Gesichtsausdrucks, häufig in Form eines Lachens oder Lächelns, beobachten lässt (Izard 1991, S. 134 ff.). Freude ist eine der spezifischen Emotionen, die typischerweise beim Verfolgen von Sport-veranstaltungen mit einem für Rezipienten positiven Ausgang erlebt wird. Zudem wurde in empirischen Studien das Erleben von Erleichterung, Stolz, Zufriedenheit, Bewunderung und Respekt nachgewiesen (Kerr et al. 2005, S. 1860 ff.; Madrigal 2003, S. 33 ff.; Königstorfer und Uhrich 2009, S. 77; für einen Überblick siehe Ma-drigal und Dalakas 2008, S. 859 ff.). Diese Studien zeigen ebenfalls, dass bei nega-tivem Ausgang die spezifischen Emotionen Enttäuschung, Verdrossenheit, Demut, Trauer, Ärger und Angst dominieren. Welche spezifischen Emotionen Rezipienten erleben, hängt dabei zum einen von der vorherigen Erwartungshaltung (Madrigal und Dalakas 2008, S. 863 ff.), zum anderen von der Attribution des als gewünscht bzw. unerwünscht eingetretenen Ereignisses ab (Madrigal 2003, S. 28). An die-ser Stelle soll auf die grundlegende Diskussion verzichtet werden, dass Emotionen

A. Gröppel-Klein und J. Königstorfer

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zum einen biologisch programmiert sind (also unmittelbar im limbischen System generiert werden), zum anderen auch auf der Basis individueller „Appraisal“-Pro-zesse entstehen können, bei denen Zielerreichungsgrade mit Wunscherwartungen verglichen werden und entsprechende emotionale Reaktionen (z. B. Überraschung, Enttäuschung) auslösen. Verwiesen sei hier auf die ausführlichen Ausführungen bei Kroeber-Riel et al. (2009). Auch die Intensität der Reize wirkt sich auf die Stärke des Erlebens der Emotionen aus (Kroeber-Riel et al. 2009, S. 60 ff.). Als Zwischen-fazit ist somit festzuhalten, dass Emotionen eine elementare Bedeutung für das Er-leben und die Bindung von Zuschauern an Personen und Ereignisse bzw. Institutio-nen des Sports haben.

Emotionen nehmen jedoch auch für die Beziehung von Konsumenten zu Mar-ken eine wichtige Rolle ein (Gröppel-Klein et al. 2010, S. 59 ff.). Bagozzi et al. (1999, S. 201) führen aus, dass emotionale Erlebnisse beim Konsum von Produk-ten und Dienstleistungen einstellungs- und verhaltensprägende Effekte haben, die über die Wirkungen von reiner Kundenzufriedenheit hinausgehen. Dies wird durch die Erkenntnisse aus Studien der verhaltenswissenschaftlichen Marketingforschung bestätigt (z. B. Bougie et al. 2003, S. 381 ff.; Louro et al. 2005, S. 835 ff.; Zeelen-berg und Pieters 2004, S. 451 f.). Die positiven spezifischen Emotionen, die mit der Verbundenheit von Konsumenten mit einer Marke im Zusammenhang stehen (unabhängig von der Positionierung der Marke), sind vor allem Freude, Stolz, Zu-friedenheit, Bewunderung und Respekt und stimmen dabei nahezu mit den zuvor genannten Emotionen überein, die auch von Sportzuschauern erlebt werden (Gröp-pel-Klein et al. 2010, S. 63 f.).

Ziel des Sportsponsoring aus der Sicht des Markenmanagements ist es, von den positiven Wirkungen einer Sportveranstaltung zu profitieren, indem sich die positi-ven emotionalen und kognitiven Merkmale der Einstellungen von der Veranstaltung auf die Marke übertragen (Gwinner 1997, S. 145 ff.). Explizite, d. h. bewusst geäu-ßerte Einstellungsveränderungen konnten in der Literatur bereits empirisch belegt werden (z. B. Coppetti et al. 2009, S. 25 ff.; Huber und Matthes 2007, S. 97 ff.; Rifon et al. 2004, S. 33 ff.; Speed und Thompson 2000, S. 233 ff.). Zu den emo-tionalen Wirkungen, die sowohl bewusst als auch unbewusst ablaufen können, gibt es dagegen weniger empirische Forschungsergebnisse (Dudzik und Gröppel-Klein 2005, S. 56 ff.). Bevor diesbezüglich theoretische Fundierungen und erste empiri-sche Erkenntnisse präsentiert werden, soll zunächst auf den Kontext eingegangen werden, in dem Konsumenten in Kontakt mit Sportveranstaltungen und in Assozia-tion stehenden Marken kommen.

Sponsoren können sich über verschiedene Wege und Kanäle mit einer Sportver-anstaltung assoziieren, wobei man sich die größten Wirkungen am Ort der Sport-veranstaltung und über medial vermittelte Inhalte erhofft. Ambushern stehen diese Möglichkeiten so lange zur Verfügung, wie sie die Rechte der offiziellen Sponsoren nicht verletzen. Ihr Ziel ist es, die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit von offi-ziellen Sponsoren, die häufig auch Konkurrenten im Markt sind, weg auf die eigene Marke zu ziehen (Meenaghan 1994, S. 79; Sandler und Shani 1989, S. 9). Dies bedeutet für Sponsoren, dass sie vor allem die Wirkungsvorteile nutzen sollten, die ihnen Exklusivität gegenüber Ambushern garantieren (und somit auch die Kosten

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des Sponsoringengagements rechtfertigen). Dies umfasst die Präsenz der Marke am Ort der Veranstaltung und die Wahrnehmung von Werbe- und Medienrechten, wie beispielsweise die bevorzugte Behandlung bei der Belegung von Werbespots im Umfeld von Fernsehübertragungen.

Doch inwiefern können Emotionen die Annäherung von Konsumenten an eine Marke in solchen Kontexten fördern? Am Ort der Veranstaltung tragen das eige-ne emotionale Erleben und die Emotionen der vor Ort ebenfalls anwesenden Zu-schauer zur dortigen Atmosphäre bei. Die Atmosphäre beschreibt einen Zustand des präferenzgerechten Ergriffenseins von Rezipienten in einer Umwelt (Uhrich 2008, S. 62) und stellt eine wichtige Einflussgröße auf den (Wieder-)Besuch und die Weiterempfehlung von Sportveranstaltungen dar (Uhrich und Königstorfer 2009, S. 338 f.). Gelingt es einer Marke, Bestandteil einer positiv erlebten Atmosphäre zu werden, so sind positive Effekte zu erwarten. Beispielsweise könnte die Mar-ke Allianz davon profitieren, wenn die Atmosphäre im nach der Marke benannten Stadion als einzigartig wahrgenommen wird („Solch eine Atmosphäre habe ich hier [in der Allianz-Arena] noch nie erlebt, und viele andere Spieler auch nicht. Wir sind begeistert“; Interview mit Mario Gomez vom 30.3.2010 nach dem Champi-ons-League-Spiel gegen Manchester United). Auch die Biermarke Erdinger könnte Bestandteil dieses Erlebens werden, wenn Zuschauer darauf hinfiebern, zu sehen, welchem Spieler es gelingt, Louis van Gaal eine Weißbierdusche zu verpassen.

Marken können jedoch auch im Medienkontext von den positiven emotiona-len Wirkungen eines Sportevents profitieren. Beispielsweise gelingt es der Mar-ke McDonald’s, kurz vor Beginn der Spiele der Fußballnationalmannschaften und während des Abspielens der Nationalhymnen, durch die McDonald’s Spielereskor-ten als Sponsor der Europa- bzw. Weltmeisterschaften in den Medien visuell präsent zu sein, ohne gleichzeitig mit einer Vielzahl an Marken konkurrieren zu müssen, die sich auch den Kontext zunutze machen wollen. Im Rahmen dieser Sponsoringakti-vitäten begleiten 22 mit speziellen Trikots ausgestattete Kinder die Fußballspieler auf den Rasen. Hierdurch verschafft sich McDonald’s zwei Vorteile: Zum einen ist von einer hohen Aktivierung von Konsumenten am Beginn der Übertragung aus-zugehen, zum anderen hat sich McDonald’s durch diese kreative Maßnahme eine gewisse Exklusivität gegenüber den anderen werbenden Marken gesichert.

Auch könnten Bahnungseffekte bewirken, dass Marken, die beim Verfolgen einer Sportveranstaltung nur unbewusst wahrgenommen werden (z. B. auf den Trai-ningsanzügen oder auf der Bandenwerbung) und später in einer im Umfeld geschal-teten Werbung erneut erscheinen (z. B. in einem Fernsehwerbespot während oder nach der Veranstaltung), stärkere Gedächtnisleistungen bewirken als einzelne Maß-nahmen. Bahnung („Priming“) bezeichnet die Tatsache, dass ein zuerst wahrge-nommener Reiz die Verarbeitung eines darauf folgenden Reizes beeinflusst, indem das implizite Gedächtnis aktiviert wird (Bargh 2006, S. 151). Dies bedeutet, dass Individuen selbst ohne Bewusstwerden einem Sponsor vorteilhafter gegenüberste-hen, wenn der zuvor wirkende Prime ebenfalls positiv gerichtet ist. Dieser Zusam-menhang könnte sich umso stärker gestalten, je größer die inhaltliche Kongruenz der Darstellung der Marke in dem Sportkontext und in der folgenden Werbung ist. Kongruenz beschreibt die inhaltliche Nähe von zwei Konzepten. Die Relevanz des

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kongruenten Priming kann anhand eines Beispiels erklärt werden: Im Brustbereich der Trainingsanzüge der deutschen Fußballnationalmannschaft sind drei Sterne (als Symbol für die Anzahl der früheren Weltmeistertitel) sowie das Logo von Merce-des-Benz sichtbar. Nimmt Mercedes-Benz im späteren Fernsehwerbespot auf diese Sterne und das Erreichen des „vierten Sterns“ Bezug, dürften zuvor gebahnte Kon-sumenten diesen Stimulus positiver (unter der Bedingung, dass sie den zuvor Ge-zeigten „drei Sternen“ ebenfalls positiv gegenüber stehen) wahrnehmen.

3   Wirkungen des Sponsoring bzw. Ambushing  von Sportereignissen auf Zuschauer

3.1   Theoretische Grundlagen zu den Wirkungsmechanismen

Eine geschlossene Theorie über die Wirkung von Sportsponsoring kann derzeit nicht ausgemacht werden (Cornwell et al. 2000, S. 120). Die Effekte werden mit einem Set unterschiedlicher theoretischer Bausteine erklärt (z. B. Woisetschläger 2006, S. 62 ff.; Königstorfer 2009, S. 139 f.), die im Folgenden kurz vorgestellt werden, sofern sie einen Beitrag zur Erklärung emotionaler bzw. unbewusster Pro-zesse liefern:• Assoziative Netzwerke (z. B. Anderson und Bower 1973). Sponsoringengage-

ments führen dazu, dass Konsumenten Markenwissen erlangen. Dieses Wissen ist im Gedächtnis in Form von assoziativen Netzwerken organisiert. Automatis-men werden im impliziten Gedächtnis gespeichert und müssen von Individuen nicht mehr bewusst abgerufen werden (Schacter 1987, S. 505 ff.). Die Stärke der Verlinkung einer Marke mit einer Veranstaltung wird durch die Anzahl und Qua-lität der Verknüpfungen in den Netzwerken repräsentiert (Keller 1993, S. 2 ff.).

• Die somatische Marker-Hypothese (Bechara und Damasio 2005; Damasio 2004) geht davon aus, dass sich der menschliche Körper (emotional) bedeutsame Er-eignisse als angenehm oder unangenehm „merkt“ und bei ähnlichen Situationen mit antizipatorischen Aktivierungsreaktionen reagiert. Somatische Marker sind somit einschneidende Erlebnisse von Individuen, die in ihrer persönlichen Ver-gangenheit mit Bestrafungen und Belohnungen verknüpft waren und in einem emotionalen Erfahrungsgedächtnis gespeichert werden. Treten Situationen auf, die Individuen mit diesen Erlebnissen verbinden, stellt der menschliche Körper automatisch Entscheidungshilfen bereit, mit dem Ziel, negative emotionale Zu-stände zu vermeiden und positive emotionale Zustände herzustellen. Somatische Marker können unbewusst wirken und auch kognitive Prozesse unterstützen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Sportereignisse im emotionalen Erfahrungs-gedächtnis gespeichert werden, da sie mit hoher Aktivierung (Gröppel-Klein 2004) einhergehen; folglich würden auch die damit einhergehenden Marken hier gespeichert. Beispielsweise könnte ein Sportzuschauer ein bestimmtes Sport-ereignis in seinem Erfahrungsgedächtnis gespeichert haben, das ihn besonders geprägt hat. Adidas könnte eine Marke sein, die davon profitiert (hat). So über-

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raschend die deutsche Fußballnationalmannschaft 1954 in Bern die Weltmeister-schaft gegen die scheinbar übermächtigen Ungarn gewonnen hat, so sehr steht die Marke adidas mit diesem Erfolg in Verbindung: Angefangen bei den von Adolf Dassler gefertigten Schuhen bis hin zu den Trikots mit den drei Streifen. Dieses Ereignis könnte im emotionalen Erfahrungsgedächtnis von Zeitzeugen verankert sein und eine implizite, stark affektive Zuneigung zur Marke adidas erklären. Allerdings ist anzumerken, dass bisher noch keine empirischen Bewei-se zur Wirkung von somatischen Markern im Sportsponsoring vorliegen. Die Konsumentenverhaltensforschung bietet erste Ansätze, solche Erfahrungen, die lange zurückliegen und bis in die Kindheit gehen können, messbar zu machen und mit der Bedeutung von Marken zu verknüpfen (z. B. Braun-LaTour et al. 2007, S. 46 ff.).

• Mere Exposure-Effekte (z. B. Zajonc 1968). Die wiederholte Präsentation einer Marke in Form ihres Namens oder Logos in Assoziation mit einem Sportereig-nis führt dazu, dass Konsumenten diese nicht nur häufiger (implizit) erinnern, sondern auch affektiv positiver bewerten (Bennett 1999, S. 304 ff.; Olson und Thjømøe 2003, S. 249 ff.; Wakefield et al. 2007, S. 67 f.). Diese Darbietung kann auch außerhalb des Bewusstwerdens ablaufen. Dies ist bei Sportveranstaltungen häufig der Fall, denn Rezipienten verfolgen ein Sportereignis und nehmen Wer-bung am Veranstaltungsort nur peripher wahr (wie z. B. Bandenwerbung) (Herr-mann et al. 2010; d’ Ydewalle et al. 1998, S. 480 ff.).

• Klassische Konditionierung (z. B. Kroeber-Riel 1984). Dieses lerntheoretische Prinzip geht davon aus, dass Reizreaktionen auf Stimuli übertragen werden kön-nen, und zwar auf solche Stimuli, die zuvor noch keine bestimmte Bedeutung hatten (in unserem Fall eine Marke). Voraussetzung hierfür ist das mehrfache Darbieten eines unbedingten Reizes (eines Reizes, der ohne Lernvorgänge zu einer Reaktion führt; in unserem Fall das Verfolgen der Sportveranstaltung, bei der automatisch ausgelöste Emotionen erzeugt werden) mit einem neutralen Reiz in örtlicher bzw. zeitlicher Nähe. Letzterer wird in erlernter Form als bedingter Reiz bezeichnet, der dann eine bestimmte Reaktion auslösen kann (z. B. Freude). Olson und Fazio (2001, S. 415 ff.) zeigen, dass die klassische Konditionierung auch implizite Einstellungen beeinflusst. In der Sportsponsoringforschung zogen Erdtmann (1989, S. 130 ff.) und Speed und Thompson (2000, S. 229 f.) diese theoretische Grundlage heran.

• Elaboration-Likelihood-Modell (Petty und Cacioppo 1984). Sportzuschauer weisen in der Regel ein hohes Involvement in Bezug auf die Sportveranstaltung auf. Diese Motivation ergibt sich aus dem Verfolgen bzw. dem Besuch einer solchen Veranstaltung. Jedoch ist anzunehmen, dass dieses Involvement den im Umfeld werbenden Marken nicht in selbem Maße entgegengebracht wird. In die-sem Fall finden Low-Involvement-Prozesse der Einstellungsänderung statt, die überwiegend durch periphere Reize beeinflusst werden (z. B. die Attraktivität einer Werbeperson oder auch einer Sportveranstaltung). Dies wird auch als peri-pherer Verarbeitungsweg bezeichnet (vgl. im Sportsponsoring z. B. Dudzik und Gröppel-Klein 2005, S. 59; Olson und Thømøe 2003, S. 244).

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• Kongruenz- (z. B. Cornwell 1995) und Konsistenztheorien (z. B. Heider 1958; Festinger 1957). Die Kongruenztheorie von Srull (1981) postuliert, dass Stimu-li, die den Erwartungen von Individuen entsprechend gemeinsam präsentiert werden, höhere Gedächtnisleistungen bewirken als Stimuli, die eine geringe er-wartete Nähe zueinander aufweisen. Diese Zusammenhänge konnten in einer Vielzahl von Studien zur Kongruenz von Sponsoren und Veranstaltungen nach-gewiesen werden (z. B. Cornwell et al. 2006, S. 316 ff.; Ferrand und Pages 1996, S. 287 ff.; Johar und Pham 1999, S. 302 ff.; McDaniel 1999, S. 176 ff.; Rifon et al. 2004, S. 33 ff.; Speed und Thompson 2000, S. 233 ff.). Konsistenztheorien gehen davon aus, dass Individuen auftretende Inkongruenzen, Ungleichgewichte oder Dissonanzen in ihrem Einstellungssystem nicht tolerieren und versuchen, diese abzubauen, um ein emotionales Gleichgewicht zu erfahren. Dean (1999, S. 4 und 2002, S. 79) überträgt dieses Prinzip auf Sportsponsoringwirkungen, wobei kritisch anzumerken ist, dass sich Konsumenten vermutlich in realen Um-welten aufgrund fehlender Betroffenheit nicht so stark involviert fühlen, dass sie über diese Zusammenhänge bewusst nachdenken und kognitiv tätig werden.

• Attributionstheorie (Kelley 1967). Die Attributionstheorie geht ebenfalls davon aus, dass Individuen kognitive Leistungen erbringen, und zwar in dem Sinne, dass sie versuchen, die Ursachen von bestimmten Ereignissen (in unserem Fall von Sponsoringengagements) zu ergründen. Dean (2002, S. 79 f.) und Rifon et al. (2004, S. 31 f.) beziehen sich auf die Attributionstheorie zur Erklärung von Sponsoringwirkungen. Zudem zeigen empirische Erhebungen, dass Konsu-menten Sponsoren dann positiver bewerten, wenn sie ein altruistisches Motiv des Sponsoringengagements vermuten (Rifon et al. 2004, S. 33 ff.). Allerdings ist auch hier anzumerken, dass unklar ist, inwieweit Konsumenten diese Ursachen-zuschreibungen von sich aus vornehmen und inwieweit diese nicht durch die Befragung an sich erst thematisiert werden. Die klassische Attributionstheorie unterstellt bewusste kognitive Verarbeitungsprozesse und ist für die in diesem Artikel skizzierten Fragestellungen somit weniger relevant. Interessanterweise beschäftigt sich die Attributionstheorie in jüngerer Zeit auch mit unbewussten Zuschreibungen von Ursachen. Es könnte aus dieser Perspektive vermutet wer-den, dass Konsumenten Ambusher weniger positiv einschätzen, weil sie (viel-leicht aus einem unbewussten Gerechtigkeitssinn), die „Trittbretterfahreraktio-nen“ der Ambusher ablehnen. Genauso denkbar ist jedoch auch, dass andere Konsumenten Ambusher als „erfolgreiche Piraten“ gegen das „Establishment UEFA bzw. FIFA“ (als Veranstalter der weltgrößten Fußballveranstaltungen) be-wusst oder unbewusst wertschätzen.

• Theorie der sozialen Identität (Tajfel und Turner 1979). Diese in der Sozialpsy-chologie entwickelte Theorie besagt, dass sich Individuen mit sozialen Gruppen identifizieren und sich auch als Teil dieser sozialen Gruppe verhalten. Soziale Gruppen können Zuschauer von Sportlern bzw. Mitglieder von Sportmannschaf-ten sein. In dieser sozialen Gruppe sind Individuen bestrebt, ihre Identität weiter-zuentwickeln und sich gegenüber anderen auszudrücken. Gelingt es einer Marke, Bestandteil dieses Identifikationsprozesses zu sein (z. B. durch Trikotwerbung auf der Kleidung, Nennung in der Umgangssprache), sind positive Sponsoring-

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wirkungen zu erwarten (z. B. Cornwell und Coote 2005, S. 269 ff.; Madrigal 2000, S. 13 ff.).

3.2   Explizite Wirkungsmechanismen

Explizite Erinnerungswirkungen sind im Bewusstsein von Individuen verankert und können aus diesem Grunde direkt erfasst werden. Recall und (Un-/Aided) Re-cognition sowie Assoziationstests sind die am meisten verwendeten Messmethoden der Erinnerungsleistungen von Sponsoringengagements von Marken (z. B. Corn-well et al. 2006; Johar und Pham 1999; Pham und Johar 2001). Allerdings ist die Messung solcher Erinnerungsleistungen nicht selten mit einem Bias behaftet. Es konnte beispielsweise gezeigt werden, dass sich Konsumenten, wenn sie befragt werden, Heuristiken bedienen, um Marken als Sponsoren zu identifizieren. Dabei werden Marken bevorzugt genannt, die eine hohe Bekanntheit haben und die bereits früher als Sponsor aufgetreten sind und deshalb die Erwartungshaltungen von Kon-sumenten prägen. Auch könnten Konsumenten angeben, Marken zu erinnern, die gar kein Sponsoringengagement betrieben haben, um nicht unwissend gegenüber dem Forscher auszusehen (z. B. Johar und Pham 1999, S. 302 ff.; Pham und Johar 2001, S. 133 ff.; Wakefield et al. 2007, S. 67 ff.; vgl. zum Problem der sozialen Er-wünschtheit King und Bruner 2000).

Neben Erinnerungsleistungen werden in praktischen und wissenschaftlichen Studien unter anderem deshalb auch häufig explizite Einstellungen als Erfolgsgrö-ße von Sponsoringengagements herangezogen (z. B. Coppetti et al. 2009; Gwinner und Eaton 1999). Die Einstellung ist eine latente Variable, die beschreibt, wie vor-teilhaft bzw. unvorteilhaft Individuen Objekte oder Personen hinsichtlich der Tat-sache bewerten, dass diese zur Befriedigung einer bestimmten Motivation beitragen (Eagly und Chaiken 1993, S. 1; Kroeber-Riel et al. 2009, S. 211 ff.). Zunächst soll auf explizite, d. h. bewusste, Einstellungen eingegangen werden. Im folgenden Ab-schnitt beschäftigen wir uns mit impliziten, unbewussten Einstellungen.

Empirische Feldstudien konnten belegen, dass Sponsoringengagements positive Erinnerungsleistungen bewirken und explizite Einstellungen von Rezipienten zum Vorteil der agierenden Marken prägen können (z. B. Bennett 1999, S. 304 ff.; Ni-cholls et al. 1999, S. 373 ff.; Pope und Voges 1999, S. 22 ff.; Tripodi et al. 2003, S. 446 ff.; Turley und Shannon, 2000, S. 327 ff.). Diese Erkenntnisse konnten unter kontrollierten Laborbedingungen bestätigt werden (z. B. Johar und Pham 1999, S. 302 ff.; Pham und Johar 2001, S. 133 ff.; Rifon et al. 2004, S. 33 ff.; Speed und Thompson 2000, S. 233 ff.). Dudzik und Gröppel-Klein (2005, S. 61 ff.) fanden wei-terhin heraus, dass Sponsoringaktivitäten in Form von Printanzeigen unterschied-liche Wirkungen entfalten, je nachdem, welche Elemente die Rezipienten erinnern: Werden textliche Zusatzinformationen in der Anzeige erinnert, wird die Einstellung zur Marke direkt beeinflusst. Erinnern die Rezipienten jedoch bildliche Elemente ohne Zusatzinformationen, wirkt der periphere Pfad der Einstellungsbildung.

Was die Unterschiede in der Wirkung auf explizite Einstellungen zwischen Sponsoren und Ambushern anbetrifft, sind die Erkenntnisse uneinheitlich. McDa-

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niel und Kinney (1996, S. 154 ff. und 1998, S. 391 ff.) zeigen, dass Zuschauer der Olympischen Winterspiele zwar Sponsoren aus der Kreditkartenbranche positiver bewerten als Ambusher, jedoch bestehen in den Kategorien Fast-Food-Restaurants und Automobile keine Unterschiede. Michaelis et al. (2008, S. 527 ff.) betrachten Einstellungsveränderungen über den Zeitraum der Fußballweltmeisterschaft hin-weg und zeigen, dass die als Sponsor auftretende Airline positive Effekte nach-weisen kann, wohingegen für den konkurrierenden Ambusher keine Veränderungen feststellbar sind. Allerdings konnten in dieser empirischen Studie die unterschied-lichen Herkunftsländer der Marken nicht berücksichtigt werden, sodass diese Er-gebnisse als vorläufig betrachtet werden müssen.

Weitere Felder der Sponsoringforschung beschäftigen sich mit den Fragen, wel-che Marken aufgrund ihrer Positionierung inhärente Vor- bzw. Nachteile bezüglich der zu erzielenden Kommunikationswirkungen haben, wie diese jeweils ausgebaut bzw. wettgemacht werden können und unter welchen Umständen die Sponsoring-effekte bestmöglich gesteigert werden können („Leveraging“). Die wahrgenomme-ne Kongruenz des Sponsors zum gesponserten Event (häufig auch als „Fit“ oder „Match“ bezeichnet) wurde als eine wichtige Erfolgsgröße für wirkungsvolles Sportsponsoring identifiziert (z. B. Coppetti et al. 2009, S. 18 f.; Cornwell et al. 2006, S. 313; Gwinner und Eaton 1999, S. 48 f.; Johar und Pham 1999, S. 299 f.; Pham und Johar 2001, S. 133 ff.; Rifon et al. 2004, S. 33 ff.; Roy und Cornwell 2003, S. 380 f.; Speed und Thompson 2000, S. 229 f.). Unter hoher Kongruenz versteht man die Wahrnehmung von einhergehenden Zielen, Produkten, Märkten, Technolo-gien, Attributen, Markenkonzepten oder Kernassoziationen zwischen zwei Objek-ten, in unserem Fall zwischen dem Sponsor und dem gesponserten Event (Simmons und Becker-Olsen 2006, S. 155). Fleck und Quester (2007, S. 981 ff.) bieten einen Überblick über die empirischen Studien, die zu dem Einfluss der Kongruenz auf die Wirkungen des Sponsoring auf Konsumenten durchgeführt wurden. Beispiels-weise konnten Johar und Pham (1999, S. 302 ff.), Cornwell et al. (2006, S. 316 ff.) sowie Pham und Johar (2001, S. 133 ff.) zeigen, dass sich eine hohe Kongruenz positiv auf Recall und Recognition der Sponsoren auswirkt. Gwinner und Eaton (1999, S. 53) und Coppetti et al. (2009, S. 25 ff.) weisen stärkere Einstellungsände-rungen für hohe (versus niedrige) Kongruenzen zwischen Marken und geförderten Events in empirischen Studien nach (siehe auch Roy und Cornwell 2003, S. 386). Ebenfalls wurden positive Effekte auf die Glaubwürdigkeit der Marke (Rifon et al. 2004, S. 33 ff.; Speed und Thompson 2000, S. 233 ff.), die Markenwahl von Kon-sumenten (Pracejus und Olson 2004, S. 637 ff.) sowie den Börsenwert von Unter-nehmen (Cornwell et al. 2001, S. 22 ff.) festgestellt. Fasst man die Erkenntnisse dieser Forschungsbemühungen zusammen, so ist festzuhalten, dass als kongruent wahrgenommene Sponsoren die Potenziale eines Sponsoringengagements besser ausschöpfen können als inkongruente Sponsoren. Cornwell et al. (2006, S. 316 ff.) zeigen jedoch, dass letztere Marken ihre inhärenten Nachteile dadurch kompensie-ren können, dass sie durch begleitende Kommunikationsmaßnahmen eine Kongru-enz zwischen ihrer Marke und der Veranstaltung artikulieren.

Wakefield et al. (2007, S. 67 ff.) beschäftigen sich mit verschiedenen Stufen des Sponsorings und zeigen, dass umfangreichere Sponsoringpakete größere Wirkun-

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gen entfalten als weniger umfangreiche. Nur Marken, die bereits am Markt bekannt sind, werden unabhängig vom Umfang des Sponsoringpakets erinnert. Dies bedeu-tet, dass vor allem Marken mit einer geringen Bekanntheit darauf achten sollten, als Sponsor eine möglichst hohe Reichweite zu erlangen.

3.3   Implizite Wirkungsmechanismen

Implizite Einstellungen sind Spuren vergangener Erfahrungen, die durch Selbstwahr-nehmung (Introspektion) nicht oder nicht korrekt identifiziert werden können und die einen Einfluss auf die Entstehung positiver oder negativer Emotionen, Kognitionen oder Verhaltensweisen in Bezug auf ein Meinungsobjekt ausüben (Greenwald und Banaji 1995, S. 8; Kroeber-Riel et al. 2009). In Bezug auf Sportereignisse erklären Cornwell et al. (2005, S. 29), dass “an individual’s implicit memory of advertising brands in the surroundings of a sporting event may create joint connections in the brain and lead to the formation of implicit attitudes to sponsors and ambushers”.

Bei der impliziten Einstellungsmessung werden die Probanden nicht direkt nach ihrer Einstellung gefragt, sondern sie arbeiten an einer Zielaufgabe („Objective task“), die nicht offensichtlich mit dem Einstellungsobjekt in Verbindung steht. Die Einstellung wird indirekt über die Variation in der Leistung bei der Aufgabe ge-messen (z. B. durch die Erfassung der Reaktionszeit auf eingeblendete Wörter bzw. Wortpaare); der Zusammenhang mit der Aufgabe ist den Probanden dabei nicht bekannt. Um implizite Einstellungen messen zu können, muss also ihr unbewusster Charakter berücksichtigt werden. Es ist daher nicht möglich, implizite Einstellun-gen durch Messungen auf der subjektiven Erlebnisebene, auf der die Einstellung also zunächst ins Bewusstsein gerufen werden muss, zu erfassen. Stattdessen wird auf indirekte Messverfahren zurückgegriffen, die darauf verzichten, die Probanden nach verbalen Äußerungen zum Zielkonstrukt zu fragen. Dies hat den Vorteil, dass die Messungen frei von Verzerrungen (z. B. durch sozial erwünschtes Antwortver-halten) bleiben (Kroeber-Riel et al. 2009).

Der Implizite Assoziationstest (IAT) ist ein solches Verfahren, das in der sozial-psychologischen Forschung weitreichende Verwendung findet. Dieser von Green-wald et al. (1998) vorgestellte Test basiert auf einer Kombination von semantischem und affektivem Priming. Bei diesem Testverfahren lernen die Probanden zunächst, zwei Varianten des Einstellungsobjekts (also z. B. „Marke A  =  Sponsor“ versus „Marke B  =  kein Sponsor“) zu unterscheiden und auf die visuelle Präsentation die-ser beiden Varianten mit unterschiedlichem Tastendrücken (Marke A rechter, Marke B linker Tastendruck) zu reagieren. In der zweiten Phase folgt die Unterscheidung zwischen negativen und positiven Attributen (z. B. angenehme vs. unangenehme Wörter wie „glücklich“, „Unfall“, „Geschenk“ oder „Hass“) als Bewertungsattribu-te. Hier lernt der Konsument, bei positiven Wörtern die rechte Taste, bei negativen Wörtern die linke Taste zu drücken (weitere Einübungsphase). In der dritten Phase („Initial combined task“) folgt eine erste Kombination zwischen beiden Aufgaben: Auf Marke A muss ebenso wie bei den angenehmen Wörtern mit der rechten, auf

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Marke B und den unangenehmen Wörtern mit einem Druck auf die linke Taste re-agiert werden. Im vierten Schritt („Reversed target-concept discrimination“) folgt eine Umkehrung der Reaktionsaufgabe für die Einstellungsobjekte: Auf Marke A muss nun mit der linken, auf Marke B mit der rechten Taste reagiert werden. Den entscheidenden Abschluss bildet die letzte Phase mit der sogenannten „Reversed combination task“, die eine Umkehrung der dritten Phase darstellt: Auf Marke A muss jetzt mit der linken, auf angenehme Wörter mit der rechten Taste reagiert werden; auf Marke B mit der rechten und auf die unangenehmen Wörter mit einem Druck auf die linke Taste. Die Ergebnisse lassen sich nun wie folgt interpretieren: Wenn die implizite Einstellung des Konsumenten zu Marke A positiv und zu Marke B negativ ist, dann wird er die Aufgabe des Drucks auf die richtige Taste schneller und mit weniger Fehlern bewältigen, wenn auf Marke A und die positiven Attribute mit der gleichen Taste reagiert werden muss, da die Assoziationen zwischen Marke A und den positiven Assoziationen enger sind als zu den negativen Assoziationen. Bei Marke B ist es umgekehrt: Hier wird die Aufgabe leichter gelöst, wenn die ne-gativen Assoziationen sich die Reaktionstaste mit Marke B teilen.

Ein solcher IAT wurde von den Autoren zur Wirkung von Sponsoren und Ambus-hern durchgeführt (Gröppel-Klein et al. 2010), d. h. es wurden die impliziten Ein-stellungswerte gemessen und geprüft, ob hier zwischen Sponsoren und Ambushern Unterschiede bestehen. Eine berechtigte Frage lautet, ob Konsumenten Sponsoren unbewusst stärker mit den Sportveranstaltungen assoziieren und somit positivere implizite Einstellungen formen als zu Ambushern, was das finanzielle Engagement rechtfertigen würde. Solche Tests sollten dabei nicht nur direkt nach dem Sport-ereignis durchgeführt werden, sondern in einem zeitlichen Abstand von dem Event, wenn die Erinnerungen diffus sind. Zudem decken implizite Einstellungswerte auf, ob sich Sponsoren langfristig gegenüber Ambushern behaupten können und stellen somit eine Maßzahl für den längerfristigen Erfolg von Sponsoringaktivitäten dar.

Hier wurden die Teilnehmer gebeten, Stimuli, die auf dem Computerbildschirm projiziert wurden, schnellstmöglich korrekt zu klassifizieren. Die relevanten Kate-gorien waren „offizieller Sponsor“ bzw. „kein Sponsor”. Die Attribute sollten ein-geordnet werden in die Gruppen „Die Welt des (Fußball-)Sports” bzw. „neutral”. Abbildung 1 zeigt die Stimuli (Logos und Wörter mit und ohne Bezug zum Sport).

Die Teilnehmer absolvierten insgesamt sieben Phasen: fünf Übungsphasen und zwei Phasen, die relevant sind für die Errechnung des impliziten Einstellungswerts (dies sind die Phasen 4 und 7; Phase 4: Markenlogo  =  „offizieller Sponsor“ ver-sus „kein Sponsor“, Phase 7: Stimulus „neutral“ versus „Welt des Sports“). Der Test wurde sechs Monate nach dem Fußballevent mit 100 Testpersonen und den in Abb. 1 ersichtlichen Marken – allesamt langjährige Sponsoren bzw. Ambusher der Fußballweltmeisterschaften und -europameisterschaften – durchgeführt.

Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Phasen. Eine positive implizite Einstel-lungswirkung zugunsten der Sponsoren kann unterstellt werden, wenn bei einem offiziellen Sponsor schneller auf Wörter aus der Fußballwelt reagiert wird als bei Ambushern. Anders ausgedrückt müssten sich kürzere Reaktionszeiten seitens der Teilnehmer bei Kongruenzbedingungen (Sponsoren und Sportwörter bzw. Nicht-

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sponsoren und neutrale Wörter) im Vergleich zu Inkongruenzbedingungen (Nicht-sponsoren und Sportwörter, Sponsoren und neutrale Wörter) ergeben.

Auf der Basis des Auswertungsschemas von Greenwalds et al. (2003, S. 212) wurden die Werte berechnet (Reaktionszeiten über 10.000 Millisekunden wurden nicht beobachtet, zwei Testpersonen mit Reaktionszeiten unter 300 Millisekunden wurden ausgeschlossen, daher n  =  98). 9,82 % der Stimuli wurden nicht korrekt klassifiziert, 90,18 % korrekt. Der Differenzwert D zwischen den beiden kritischen Phasen 4 und 7 wurde wie folgt berechnet: (kongruente Bedingung: offizieller Sponsor  +  Sportwörter, kein offizieller Sponsor  +  neutrale Wörter) – (inkongruente Bedingung: kein offizieller Sponsor  +  Sportwörter, offizieller Sponsor  +  neutrale Wörter) dividiert durch die Standardabweichungen der Reaktionszeiten. Der D-Wert kann wie folgt interpretiert werden: Ein positiver Wert bedeutet, dass die Testper-sonen signifikant schneller reagieren, wenn ein offizieller Sponsor mit „Sportwör-

Abb. 1   Zielkategorien und Attribute des impliziten Assoziationstests

Tab. 1   Ablauf der Versuchsblöcke des Impliziten AssoziationstestsPhase Anzahl der

VersucheFunktion Items der linken Antworttaste Items der rechten

Antworttaste1 20 Übung Bilder offizieller Sponsoren Bilder Nichtsponsoren2 20 Übung Fußball-WM/EM-Wörter Neutrale Wörter3 20 Übung Bilder offizieller Spon-

soren  +  Fußball-WM/EM-Wörter

Bilder Nichtsponso-ren  +  neutrale Wörter

4 40 Test Bilder offizieller Spon-soren  +  Fußball-WM/EM-Wörter

Bilder Nichtsponso-ren  +  neutrale Wörter

5 20 Übung Bilder Nichtsponsoren Bilder offizieller Sponsoren6 20 Übung Bilder Nichtsponso-

ren  +  Fußball-WM/EM-Wörter

Bilder offizieller Sponso-ren  +  neutrale Wörter

7 40 Test Bilder Nichtsponso-ren  +  Fußball-WM/EM-Wörter

Bilder offizieller Sponso-ren  +  neutrale Wörter

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tern“ in Verbindung gebracht wird, als wenn sie die Aufgabe für Nichtsponsoren (hier Ambusher) bewerkstelligen sollen. Dies lässt auf eine stärkere Verzahnung der Sponsoren mit der Erlebniswelt des Sports schließen. In unserem Versuch, bei dem Sponsoren mit Ambushern verglichen wurden, war der D-Wert positiv, die Differenz statistisch signifikant ( D  =  0,882 ( ± 0,310), t(97)  =  28,15, p < 0,001). Die durchschnittliche Reaktionszeit betrug in der kongruenten Bedingung 712 ( ± 167) Millisekunden verglichen mit 1166 ( ± 302) Millisekunden für die inkongruente Bedingung. Somit können positive implizite Wirkungen zugunsten der zahlenden Sponsoren zumindest für diesen Versuch bestätigt werden, der unseres Wissens der erste dieser Art im Kontext des Sponsoring ist.

4   Fazit

In diesem Artikel wurden Forschungsfragen aus dem Bereich des Sportmarketings, einer sehr faszinierenden Erlebniswelt, aufgedeckt und vorliegende theoretische und empirische Erkenntnisse im Sinne eines „State of the Art“-Artikels aufgeführt. Den Autoren ist durchaus bewusst, dass dies nur ein eklektizistisches Unterfangen sein kann.

Jedoch dürfte insbesondere auch die Praxis daran interessiert sein, die impli-ziten Wirkungen von Werbemaßnahmen für Erfolgsmessungen nutzen zu können. Eine Leitfrage in diesem Zusammenhang lautet, ob die z. T. enormen Ausgaben für Sponsoring und begleitende Maßnahmen tatsächlich gerechtfertigt sind. IEG (2007) beispielsweise fand heraus, dass Unternehmen pro 1,00 US$ Ausgaben für Sponsoringrechte durchschnittlich 1,90 US$ in begleitende Maßnahmen investie-ren. Zwar kann dieser Beitrag diese Frage nicht abschließend beantworten, jedoch lassen die vorliegenden Erkenntnisse den Schluss zu, dass Sponsoringwirkungen sowohl in impliziter als auch in expliziter Form quantifizierbar und von positiver Valenz (auch gegenüber Ambushern) sind. Ebenfalls können positive emotionale Reaktionen von Ereignissen auf Sponsoren übertragen werden, was langfristig zu positiven impliziten und expliziten Einstellungen führt. Diese Wirkungen gehen über Verbesserungen der bewusst abgefragten Recall- und Recognition-Werte, wie sie zuvor in der Literatur nachgewiesen wurden (z. B. Crimmins und Horn 1996, S. 13 ff.; Johar und Pham 1999, S. 302 ff.; Rifon et al. 2004, S. 33 ff.; Speed und Thompson 2000, S. 233 ff.; Wakefield et al. 2007, S. 67 ff.) hinaus.

Abschließend ist festzuhalten, dass viele Fragen, die zu Beginn dieses Artikels angesprochen wurden, nur teilweise oder vorläufig beantwortet werden konnten. Jedoch sollte der Artikel auch fruchtbare theoretische Grundlagen und inspirie-rende Lösungsvorschläge liefern, die in künftige wissenschaftliche und praktische Sponsoringforschung einfließen können. Wir sind daher davon überzeugt, dass das Thema Sportmarketing auch in den nächsten Jahren ein spannendes und bewegtes Forschungsfeld darstellen wird.

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Literatur

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Sportsponsoring und Ambushing

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Teil IIIInstrumente passiver 

Erlebniskommunikation

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Zusammenfassung 

Architektur ist Kommunikation – ob beabsichtigt oder nicht. Architectural Bran-ding ist für Unternehmen eine einzigartige Möglichkeit, ihre Markenwerte nach-haltig für Mitarbeiter und Kunden erlebbar zu machen. Architectural Branding ist mehr als Corporate Architecture – im Sinne einer Orientierung an formalen Designrichtlinien oder der Anbringung des Logos. Architectural Branding ist ge-baute Markenidentität. Architectural Branding schöpft das gesamte kommunika-tive und relationale Potenzial von Architektur aus, beeinflusst markenbezogene Einstellungen und Verhaltensweisen und kann im Ergebnis messbare Effekte auf markenbezogene Erfolgsgrößen erzielen. Der vorliegende Beitrag zeigt die Stärken dieses neuen Instruments der Markenkommunikation anhand von zahl-reichen Beispielen auf. Er diskutiert Umsetzungsstrategien, zeigt Wege der ef-fektiven Nutzung von Architectural Branding im Kontext anderer Instrumente der Markenkommunikation und identifiziert Potenziale für die Schaffung von Markenerlebnissen.

1   Zur Relevanz von Architectural Branding

Getrieben durch die Eröffnung des Guggenheim Museums in Bilbao – eine der größten Erfolgsgeschichten in der jüngeren Architekturgeschichte – und durch in-vestitionsstarke Pionierprojekte in der Automobilindustrie, ist die Bedeutung von Architectural Branding bei Öffentlichkeit und Unternehmen gestiegen. Die inten-sive Presseresonanz auf unterschiedlichste Architectural-Branding-Projekte, die Gründung von Architectural-Branding-Awards, das Aufkommen von Konferenzen, und die Entstehung von Studiengängen, die sich gezielt mit dem Medium Archi-

Architectural Branding

Wie die Marke in Architektur erlebbar wird

Ursula Raffelt und Anton Meyer

U. Raffelt ()Ludwig-Maximilans-Universität, München, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_12, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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tectural Branding auseinandersetzen, zeigt dies eindrücklich. Ein Beispiel für Ar-chitectural Branding – im Sinne gebauter Markenidentität – ist die BMW Welt in München (Abb. 1).

Von Coop Himmeb(l)au designt und im Jahr 2007 eröffnet, verkörpert die BMW Welt die Marke BMW dreidimensional. Durch ihre visuelle Analogie zu einem Wir-belsturm, der ein Dach an Wolken hinter sich herzieht, soll sie Kernmarkenwerte wie dynamic und challenging zum Ausdruck bringen (Feireiss und Kwinter 2007, S. 16 ff.). Der zielgerichtete Einsatz von Materialien und Farben, sowie die Ähn-lichkeit zum BMW-Logo stärken die intendierte Repräsentation der Marke zusätz-lich. Betrachtet man die BMW Welt, ist offensichtlich, dass das Design über das funktionale Ziel, eine Auslieferungsstätte und einen Ort des Produkterlebnisses zu schaffen, hinausgeht.

Mit zum Teil hohen Investments in derlei außergewöhnliche architektonische Formen oder für das Engagement bekannter Architekten (man denke an die zuneh-mende Zahl sogenannter Signature Buildings namhafter Architekten wie Frank O. Gehry, Zaha Hadid oder Norman Forster) demonstrieren Unternehmen branchen-übergreifend ihren Glauben an die Leistungsfähigkeit des Mediums Architektur. So gewann der Flagshipstore der FREITAG lab. ag, welche Taschen aus LKW-Planen herstellt und deren Store aus Containern besteht, im Jahr 2008 den Award für Marketing + Architektur. Auch die Märkte der österreichischen Supermarktket-te MPREIS, welche meist durch junge regionale Architekten designt werden, sich individuell in das landschaftliche Bild des jeweiligen Standorts einfügen und so die Marke repräsentieren, erhielten bereits zahlreiche Preise für ihr Architectural Branding.

Architectural Branding ist nicht auf Gebäude begrenzt, zu deren primärem Zweck die Markenkommunikation zählt, wie z. B. Markenwelten, Markenmuseen, Messedesigns oder Flagshipstores. Es werden zunehmend auch solche Gebäude in den Dienst der Markenkommunikation gestellt, deren primäre Funktion in anderen Bereichen liegt, wie z. B. Verwaltungsgebäude (z. B. der sogenannte Vierzylinder der BMW AG in München, Architekt Karl Schwanzer) oder Produktionsgebäude (z. B. die Gläserne Manufaktur von Volkswagen in Dresden, Henn Architekten).

Die gemeinsame Hoffnung, die hinter dieser Vielfalt an Konzepten steht, ist das Bestreben der Unternehmen – jenseits der klassischen Anforderungen an Funktion und Ästhetik – einen Kontaktpunkt mit der Marke zu schaffen, der die Marken-wahrnehmung und die Erlebnisse mit der Marke im positiven und nachhaltigen Sin-ne beeinflusst. Doch welche Leistungspotenziale umfasst Architectural Branding

Abb. 1   BMW Welt, München

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tatsächlich? Und welche Strategien sind für die erfolgreiche Ausschöpfung dieses neuen Instruments der Markenkommunikation geeignet? Diese und ähnliche Fra-gen sollen im Folgenden diskutiert werden.

2   Architectural Branding: Renaissance oder Innovation?

Architectural Branding geht im Grunde zurück bis in die Anfänge der Baugeschich-te. Gebäude wurden stets eingesetzt, um eine bestimmte Botschaft des Bauherrn oder der Bewohner zu vermitteln: Man denke an griechische Tempel, Sakralbauten oder italienische Renaissance-Paläste, welche aufgrund ihrer Bauweise Macht, Ein-flussreichtum oder sozialen Status demonstrierten (Glancey et al. 2007, S. 84 ff.). Das Chrysler Building in New York, welches im Jahr 1930 fertiggestellt wurde, folgte dieser Idee und wird häufig als eines der ersten Beispiele für Architectural Branding genannt. Mit einer Höhe von 319 Metern damals das höchste Gebäude weltweit, sollte das Gebäude die Größe und Macht des Chrysler-Konzerns repräsen-tieren (Messedat 2005, S. 29 ff.). Auch heute sind Wolkenkratzer eine „sichtbare Si-gnatur, ein unverwechselbares Logo für die jeweilige Firma“ (Proske 1991, S. 39).

Im Laufe der Zeit haben sich Intensität und Tragweite des Phänomens Architec-tural Branding fundamental gewandelt: So legte die Entwicklung neuer technisch-konstruktiver Möglichkeiten in den 1960er Jahren die handwerklichen Grundlagen, die Abwendung von den Prinzipien der Moderne, welche im Kern durch die Leit-sätze form follows function (Louis Sullivan 1856–1924) und less is more (Ludwig Mies van der Rohe 1868–1969) zum Ausdruck kommen, die ideologischen Grund-lagen für eine freie Interpretation der Marke in der Architektur.

In der Moderne, welche auch als „Krise der Architektursprache“ (de Fusco 1972, S. 136) bezeichnet wird, bestand Architectural Branding allenfalls in einem forma-len Branding der Fassade. Die Postmoderne (ab ca. 1960), welche sich durch De-komposition und Collagen auszeichnet, und der Dekonstruktivismus (ab ca. 1980) ermöglichten schließlich eine gänzlich neue Formensprache und führten letztlich zu einer Neudefinition der Idee Architectural Branding. Architektur wird seither als Instrument begriffen, geplante Bedeutungen zu vermitteln (Heinrich 1992): „Gro-ße Firmen und Marken haben vielleicht schon früher als viele Architekten selbst erkannt, dass sich gerade der dekonstruktivistische Ansatz – für sie lediglich das Generieren einer neuen, ästhetisch aufregenden Architektursprache – vortrefflich eignet, um die Identität eines Labels oder einer Institution zu transportieren oder erst entstehen zu lassen. Das wäre bei einer Architektur, die auf klassische, analoge, tektonische oder rationalistische Werte beharrt, weitaus schwieriger, zumindest aber im Sinne einer Corporate Identity weitaus weniger aufregend“ (Bürkle 2007, S. 63).

Der Fokus im Bewertungsmaßstab „guter Architektur“ hat sich folglich von Funktionalität und Wirtschaftlichkeit auf die kommunikative Leistungsfähigkeit verlagert (Klingmann 2007, S. 9 und 67): Architektur wird heute ein Ausdrucks-potenzial beigemessen, welches über globale Aussagen hinsichtlich Macht oder

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Status hinausgeht und die Darstellung konkreter Markenwerte wie Kompetenz, Dy-namik oder Innovationskraft durch eine individuelle Gebäudesprache ermöglicht.

Diese Entwicklung wurde durch mediale Fragmentierung und den Kampf um die Aufmerksamkeit der Rezipienten begünstigt. So suchen Unternehmen heute intensiv nach Wegen, Botschaften nachhaltig zu kommunizieren. Im Sinne der Ex-perience Economy (Pine und Gilmore 1998) werden dabei insbesondere solche Me-dien bevorzugt, welche Integration und Interaktion fördern und folglich individuell bedeutsame und emotionale Erlebnisse schaffen (Kirchgeorg und Klante 2003). An dieser Stelle setzt das Potenzial von Architectural Branding an: Die Marke wird in die dritte Dimension übersetzt und räumlich erlebbar. Neben dem Produkt und der Interaktion mit dem Mitarbeiter müssen Unternehmensgebäude somit als wichtiger tangibler Markenkontaktpunkt begriffen werden. Es werden Räume geschaffen, bei deren Betreten Kunden und Mitarbeiter in die Welt der Marke eintreten, von der Marke umgeben werden, und in denen eine Reduktion auf Mensch und Produkt möglich wird.

Im Ergebnis bedeutet dies: Auch wenn sich Architekten in ihrem Selbstverständ-nis oftmals eher als Kreative und nicht als Dienstleister der strategischen Marken-führung sehen und Bedenken bestehen, dass die Verbindung von Kunst und Kom-merz die Architektur leiden lässt, ist Architectural Branding heute ein von vielen Seiten akzeptiertes Phänomen (Stimpel 2008b, S. 28). Wenngleich die Möglichkei-ten eines Architectural Branding zunächst vor allem durch große Unternehmen – al-len voran die Automobilindustrie – aufgegriffen wurden, nutzen heute auch kleinere und mittelständische Unternehmen das Ausdruckspotenzial von Architektur. Dabei wird das kommunikative Potenzial funktionsübergreifend bei Verwaltungsbauten (z. B. BMW Vierzylinder, Architekt Karl Schwanzer), Erlebniswelten (z. B. Mer-cedes Benz Museum, UN Studios), Handelsflächen (z. B. Neugestaltung der Audi Terminals, Architekturbüro Allmann Sattler Wappner) und Produktionsstätten (z. B. Gläserne Manufaktur, Volkswagen, Henn Architekten) eingesetzt.

3   Kommunikative Leistungsfähigkeit  von Architectural Branding

Jedes sinnlich wahrnehmbare Objekt ist stets ein Zeichen und Ausdruck einer ge-wissen Haltung. Als dreidimensionale Skulptur ist Architektur immer auch Sym-bol und drückt eine bestimmte Denkweise oder eine kulturelle Gesinnung aus. Als „Verpackung“ des Unternehmens beinhaltet die Gebäudehülle Informationen über Marke, Unternehmenskultur und Unternehmensphilosophie.

Bereits im 1. Jh. v. Chr. wurden firmness, commodity und delight als zentra-le Dimensionen von Architektur beschrieben, wobei die ästhetische Dimension in neueren Publikationen um eine kommunikativ-bedeutungstragende Dimension er-gänzt wird (z. B. Vilnai-Yavetz et al. 2005; Klingmann 2007, S. 270). Architectural Branding besteht somit im Kern aus einer ästhetisch-evaluativen Ebene, welche zu einem Gefallensurteil führt, und einer semantisch-symbolischen Ebene, welche das

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Potenzial hat, relevante Markenassoziationen zu prägen. Beide Ebenen sind zentral für die Entstehung relevanter Markenerlebnisse.

Die kommunikative Leistungsfähigkeit von Architektur gründet in einer hohen Relationalität zwischen Absender (Marke) und Rezipient (Sipek 1980, S. 12 ff.; Dreyer 2003, S. 3235), der multisensualen, figurativen Ausdrucksfähigkeit archi-tektonischer Sprache, der hohen Dichte an bildlichen Informationen (Mitchell 1986, S. 67 bei Scott 1994, S. 264), und dem autobiografischen Potenzial von architekto-nischen Erfahrungen (Flade 2008, S. 49).

So ist die Wahrnehmung von Architektur stets an persönliche Erlebnisse gekop-pelt. Man stelle sich beispielsweise den Besuch der Swarovski Kristallwelten in Wattens/Tirol, die Einkaufserlebnisse im Apple Store an der 5th Avenue in New York, oder die täglichen Begegnungen mit der Marke als Mitarbeiter im Post To-wer in Bonn oder in einer der zahlreichen MPREIS-Niederlassungen vor. Diese Art autobiografischer Erlebnisse haben eine höhere emotionale Aufladung und eine bessere Zugänglichkeit im Gedächtnis. So werden Gebäude, ähnlich wie Perso-nen, gerade aufgrund ihrer lebendigen, alle Sinne umfassenden Wahrnehmbarkeit im Gedächtnis verankert: „Häuser könnten sich ins Gedächtnis einprägen wie die individuellen Antlitze anderer Menschen. Wenn sie das schaffen, dann produzie-ren sie Vertrautheit mit dem Ort, erlauben Aneignung und schaffen Verständnis für das gebaute Gegenüber“ (Stimpel 2008a, S. 26). Architekturerlebnisse tragen zumeist holistischen Charakter; sie umfassen Begegnungen mit dem Produkt, mit der Marke, mit dem Mitarbeiter. Sie ermöglichen die Wahrnehmung der Marke mit unterschiedlichen Sinnen, appellieren an das ästhetische Empfinden und erzeugen Emotionen.

Kommunikation durch Architektur zeichnet sich ferner durch eine hohe raum-zeitliche Stabilität aus und trägt somit zu einer auf Nachhaltigkeit und Kontinuität angelegten Markenkommunikation bei.

4   Von Branded Buildings und Brand Buildings

Wie bereits angedeutet, deckt Architectural Branding ein breites Spektrum unter-schiedlichster Konzepte ab: von Raumkonzepten bis hin zu Gebäudekonzepten, von temporären Installationen wie dem Messebau bis hin zu dauerhaften Architekturen; von Markenerlebniswelten wie den Swarovski Kristallwelten bis hin zu Ausliefe-rungszentren wie der BMW Welt; von Storekonzepten (wie Niketown, den Apple Stores, oder den Nivea Häusern in Hamburg, Berlin und Dubai) bis hin zu Ver-waltungsgebäuden (wie dem BMW Vierzylinder in München, dem Post Tower in Bonn oder dem Hearst Tower in New York) und Industriebauten (wie die Gläserne Manufaktur in Dresden, welche die Produktionsprozesse der Marke Volkswagen erlebbar macht, oder das Hochregallager der Leuchtenfirma ERCO, welches als Lichtskulptur die Marke dreidimensional umsetzt); von kundenorientierten Gebäu-den bis hin zu einer gezielten Inszenierung der Marke für die Mitarbeiter.

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Diese kurze Aufzählung zeigt, dass sich eine Differenzierung von Architectural Branding aus einer funktionalen Sicht im Wesentlichen entlang von drei Kernach-sen bewegt: der Dauer der Markenarchitektur (temporär/dauerhaft), dem Fokus der architektonischen Gestaltung (Innenraum/Außengestaltung) und der Gebäudefunk-tion, eng verbunden mit der zielgruppenspezifischen Ausrichtung (Industriebau/Verwaltung/Handel/Erlebnis).

Aus Markensicht sind – jenseits dieser funktionalen Typisierung – zwei Fragen von besonderer Bedeutung: Welche markenbezogenen Kommunikationsziele sind durch Architectural Branding grundsätzlich beeinflussbar? Und: wie sollten Gebäu-de gestaltet sein, um bestimmte Ziele der Markenkommunikation zu erreichen?

Bracklow (2004, S. 149 ff.) unterscheidet hierzu Architektur als Kommunika-tionsträger, als Kommunikationsmotiv und als Kommunikationsmittel, wobei letz-tere im Sinne einer Erlebnis- oder Erkenntniskommunikation gestaltet sein mag. Klingmann (2007, S. 47 ff.) unterscheidet in Anlehnung an Schmitts (1999) An-satz des Experiential Marketing Sense-, Feel-, Think-, Act- und Relate-Architektu-ren. Messedat (2005, S. 262 ff.) argumentiert, dass sich Architectural Branding am Architekten, an den Unternehmensleitsätzen, am Unternehmensinhalt oder an den Markenwerten orientieren kann; es kann ferner als Abbild des Produkts gestaltet sein oder auf reine Wiedererkennung abzielen. Schönbeck (2009, S. 45) betont, dass die Marke, der Architekt oder – im Sinne eines Co-Branding – beide gleichermaßen im Vordergrund stehen mögen.

Vereinfachend, erscheint eine Differenzierung zwischen zwei Kernstrategien, welche ich als Branded Building und als Brand Building bezeichnen möchte, be-sonders eingängig und markentheoretisch begründbar (Abb. 2, vgl. auch Raffelt et al. 2009). Sie entspricht der immer wiederkehrenden, grundlegenden Dichotomie zwischen identification und identity, zwischen brand awareness und brand image (Keller 1993), zwischen der Marke als Logo und der Marke als Set an Markenasso-ziationen (z. B. de Chernatony und Dall’olmo Riley 1998), sowie den unterschied-lichen Konnotationen mit dem Begriffspaar corporate identity (im Sinne einer for-mal-visuellen Identität, z. B. Melewar 2003) und brand identity (im Sinne einer inhaltlichen Leitlinie, z. B. Kapferer 1992, S. 11).

Branded Buildings sind durch ein formales Branding des Gebäudes durch äußer-lich sichtbare Anbringung des Logos und/oder des Markennamens gekennzeichnet, ohne dass die Marke in einer spezifischen architektonischen Sprache Ausdruck fin-

Abb. 2   Kernformen von Architectural Branding function > brand

brand:building syntax:building semantics:

formal signformal branding, CIfocus on function

‚brand building‘

‚branded building‘

corearchitecturalbrandingstrategies

form followsfunction

form followsidentity

brand > functionbrand:building syntax:building semantics:

brand identityfree interpretation-icon, symbol, metaphor-co-branding, geography, history

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det. Die Funktionalität des Gebäudes wird vor die Markenkommunikation gestellt. Die Verknüpfung zur Marke entsteht durch Addition markenbezogener Elemente, die als Hinweis auf den Absender des Gebäudes fungieren. Der Gebäudetyp kommt häufig bei Filialisierungs- oder Franchisingkonzepten zur Anwendung, wobei die formal-visuelle Integration und die Wiedererkennung der Marke im Vordergrund stehen. Die Gebäude geben Orientierung. In Hinblick auf die Prägung von Marken-assoziationen sind sie vergleichsweise kommunikationsarm, wenngleich natürlich – im Sinne von Paul Watzlawicks „man kann nicht nicht kommunizieren“ – auch im Nicht-Design eine markenrelevante Aussage zu sehen ist. Beispiele für Branded Buildings sind: Aldi, McDonald’s, IKEA sowie die Handelsniederlassungen der meisten Automobilhersteller.

Der Begriff Corporate Architecture legt wegen seiner terminologischen Ähnlich-keit zum Begriff des Corporate Designs eine Fokussierung auf die Anwendung stan-dardisierter Designelemente – und somit auf die Spielart des Branded Buildings – nahe. Er scheint daher ungeeignet, um die Ausdruckspluralität von Architektur als Instrument der Markenkommunikation zu beschreiben.

Brand Buildings nutzen dagegen das volle Potenzial architektonischer Aus-drucksfähigkeit. Sie kommunizieren die Markenwerte durch die Kombination unterschiedlichster architektonischer Gestaltungselemente (z. B. durch Standort, Form- und Materialsymbolik). Eine Homogenität in der Botschaftsvermittlung ist – auch bei unterschiedlicher gestalterischer Umsetzung – erzielbar. So repräsentie-ren sowohl die BMW-Niederlassungen, die BMW-Messeinstallationen (z. B. BMW Dynaform) als auch die BMW Welt die Marke BMW treffend. Dieser Gebäude-typ findet sich in unterschiedlichsten Funktionsbereichen (Produktionsstätten, Mu-seumsbauten, Erlebniswelten, Flagshipstores, Headquarters) und wird oft im Sinne eines Co-Branding in Kooperation mit prominenten Architekten realisiert. Das pri-märe markenbezogene Ziel dieser Bauten ist weniger auf die Wiederkennung zent-raler Markenelemente (im Sinne des Corporate Designs) als auf den Aufbau starker, einzigartiger Markenassoziationen ausgerichtet. Durch innovatives Design, hohe Investitionsvolumina und exponierte Orte wird mit dieser Strategie zudem häufig eine hohe mediale Aufmerksamkeit erzielt.

Die Ausdrucksfähigkeit von Architektur ist von der Existenz eines gemeinsamen Zeichenrepertoires – oder eines gemeinsamen symbolischen Sprachraums – von Architekt und Betrachter abhängig (Grütter 1987, S. 16). So sind Farb-, Form- und Materialsymbolik durch den kulturellen Kontext bestimmt; auch das ästhetische Bewusstsein sowie die architektonische Expertise des Betrachters können die Inter-pretation der Architektur beeinflussen. Die Kenntnis der Marke bzw. das Wissen über die Markenidentität kann als Leitplanke verstanden werden, welche die sinn-hafte Interpretation der Architektur bedingt oder zumindest erleichtert.

Nachdem die beiden Grundformen des Architectural Branding dargestellt wur-den, sollen in den folgenden Kapiteln unterschiedliche Wege zur Stärkung der zen-tralen markenbezogenen Kommunikationsziele – Markenbekanntheit, Markeniden-tität und Markenerlebnis – vorgestellt werden.

Architectural Branding

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5   Von Bekanntheit, Identität und Experience

5.1   Stärkung der Markenbekanntheit

Der PR-Wert von Architektur ist, wagt man einen Blick in die Presse, direkt ersicht-lich: Allein neun Artikel hat die Süddeutsche Zeitung im Jahr 2008 zum Thema „Markenkommunikation durch Architektur“ publiziert. In den ersten beiden Wo-chen nach Eröffnung des Mercedes Museums gab es weltweit 900 Presseartikel. Die BMW Welt ist auch knapp drei Jahre nach Eröffnung eine der am stärksten frequentierten Touristenattraktionen Münchens. 462.000 Treffer bei Google für die BMW Welt, 351.000 Treffer für das Porsche Museum und immerhin 36.700 Treffer anlässlich der Eröffnung der Audi Terminals sprechen für sich (Suche am 25.08.2010).

Markenbekanntheit kann durch unterschiedliche Architectural-Branding-Strate-gien gestärkt werden (Abb. 3). Architekturen, die durch ihre Einzigartigkeit eine gute Erinnerbarkeit der Marke erzeugen, sind hier im Besonderen zu nennen (z. B. Apple Store in New York, 5th Avenue). Zusätzlich erreichen oftmals auch Macht-architekturen, die das Prestige und die Marktposition eines Unternehmens kom-munizieren, durch ihre imposante Gestaltung und das Brechen immer neuer archi-tektonischer Rekorde hohe Resonanz (z. B. Swiss Re Hochhaus, London, Foster and Partners, oder Central China Television, Bejing, OMA). Auch durch das En-gagement von Stararchitekten kann mediale Aufmerksamkeit erzielt werden (z. B. BMW Werk, Leipzig, Zaha Hadid). Vorsicht ist jedoch geboten: So repräsentiert die Handschrift eines Architekten, wie sie in diesen sogenannten Signature Buildings zum Ausdruck kommt, nicht zwangsläufig die Marke; auch können unterschiedli-che Marken, setzen sie auf die gleichen Stars, in der Wahrnehmung der Öffentlich-keit austauschbar werden.

Um die Wiedererkennbarkeit der Marke zu stärken, ist es auch im Bereich Archi-tectural Branding ratsam, auf ein konsistentes Erscheinungsbild zu setzen. Dies hat vor allem im Retailbereich Relevanz (vgl. Ausführungen zu Branded Buildings).

Abb. 3   Strategien zur Stärkung von Markenbekanntheit und Wiedererkennbarkeit

Kohärenz

[z.B. Mc Donalds]

Einzigartigkeit

[z.B. Apple Stores]

Dimensionalität

[z.B. Swiss Re London]

Stars

[z.B. BMW, Leipzig]

U. Raffelt und A. Meyer

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5.2   Kommunikation der Markenidentität

Es können unterschiedlichste Wege gefunden werden, den Werten bzw. der Identität einer Marke – wie Innovation, Kompetenz oder Sportlichkeit – Ausdruck zu verlei-hen. Markenidentität kann durch geografische Bezüge, historische Bezüge, Bezü-ge zu bekannten Architekten und die architektonische Gestaltung selbst (ikonisch, symbolisch, metaphorisch) zum Ausdruck gebracht werden (Abb. 4).

Geografische Bezüge entstehen, wenn das Gebäude am Ort der Firmengrün-dung errichtet wird. Hierdurch kann effektiv auf das Erbe einer Marke hingewiesen werden. Dieses Potenzial wird von den meisten Automobilherstellern erfolgreich genutzt, wenn sie ihre Auslieferungszentren, Verwaltungsgebäude oder Markenmu-seen in München (BMW AG), Ingolstadt (Audi AG) und Stuttgart (Mercedes-Benz GmbH) errichten.

Die Nutzung historischer Gebäude ist oftmals nicht nur vor dem Hintergrund städtebaulicher Restriktionen notwendig; historische Gebäude können auch Werte, für die das Unternehmen steht, treffend zum Ausdruck bringen. So scheint der Mar-kenfit gegeben, wenn sich die Modemarke Mango in einem ehemaligen Gebäude des Nähmaschinenherstellers Singer in New York Soho repräsentiert. Auch scheint es gelungen, wenn die Unternehmensberatung Boston Consulting Group mit ihrem Münchner Sitz in einem historischen Gebäude auf der Ludwigstraße Kompetenz und Erfahrung kommuniziert.

Architectural Branding kann – auch auf der Markenidentitätsebene – von der Zu-sammenarbeit mit bekannten Architekten profitieren. Diese kommunizieren durch ihre spezifische Handschrift und ihre Persönlichkeit selbst bestimmte Werte. Sie spielen oftmals die Klaviatur des Brand-Managements ebenso geschickt wie eta-blierte Marken und können so im Sinne eines Co-Branding die Markenidentität anreichern. Das Design-Unternehmen Vitra nutzt dieses Potenzial erfolgreich: das Vitra Design Museum wurde von Frank O. Gehry gestaltet, das Vitra Feuerwehr-haus war eines der ersten Werke der Architektin Zaha Hadid.

Zuletzt kann die Marke durch symbolische Architektur zum Ausdruck gebracht werden. Dies ist beispielsweise durch Rekursion auf eine etablierte Symbolsprache möglich (die Farbe weiß steht beispielsweise für Reinheit und Schönheit). Die ös-terreichische Supermarktkette MPREIS setzt auf architektonische Symbolik, indem

Abb. 4   Strategien zur Stärkung der Markenidentität

GeografischerBezug

[z.B. BMWGebäude, München]

Historischer Bezug

[z.B. BCG,München]

Co-Branding

[z.B. Vitra, Weilam Rhein]

SymbolischesDesign

[z.B. MPREIS,Achenkirchen]

MetaphorischesDesign

[z.B. BMW Welt,München]

IkonischesDesign

[z.B. Rimowa,Köln]

Architectural Branding

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sie ihre Markenwerte (u. a. Offenheit, Individualität und regionale Vielfalt) durch einzigartige Designs, welche durch unterschiedliche junge Architekten jeweils für die spezifischen örtlichen Gegebenheiten entwickelt werden, zum Ausdruck bringt. Im Sinne einer visuellen Rhetorik nutzt metaphorische Architektur die assoziative Kraft von Bildkommunikation, kreiert visuelle Metaphern und appelliert damit an das Vorstellungsvermögen der Rezipienten. Der Doppelkegel der BMW Welt weckt aufgrund seiner Verbindung mit einem Wirbelsturm die Assoziation von Kraft und Dynamik (Coop Himmelb(l)au, 2007). Ikonische Gebäude setzen auf Ähnlichkeit zum Produkt. Ein Beispiel ist die Rimowa Kofferfabrik in Köln, welche in Form und Material eines Koffers gestaltet ist (Architekten Gatermann und Schlossig, 1993).

5.3   Generierung von Brand Experience

Die letzten beiden Abschnitte haben gezeigt, dass Markenbekanntheit und Marken-identität durch die architektonische Gestaltung umfassend gestärkt werden können – selbst vor dem eigentlichen Betreten eines Gebäudes.

Darüber hinaus ist Architectural Branding eine Bühne für intensive Begegnun-gen mit der Marke. Diese werden vor allem durch die geschickte Inszenierung der Marke in den Innenräumen ermöglicht. Marken schaffen „dritte Orte“ (Mikunda 2004), halböffentlich inszenierte Lebensräume; Räume, die emotional sind; Räu-me, die Geschichten erzählen, die verführen, an denen Menschen verweilen, einen Teil ihrer Lebenszeit verbringen, und dabei fast beiläufig Markenwissen erwerben. Durch Architectural Branding wird die Marke sichtbar, sinnlich erfahrbar.

Erst wenn man die Potenziale der Brand Experience, definiert als „subjective, internal consumer responses (sensations, feelings, and cognitions) and behavioral responses evoked by brand-related stimuli that are part of a brand’s design and iden-tity, packaging, communications, and environments“ (Brakus et al. 2009, S. 53) mit einbezieht, wird das volle Potenzial von Architectural Branding begreifbar.

Architektur kann als eine Form des stetigen Dialogs zwischen Betrachter und Gebäude verstanden werden (Sipek 1980, S. 12 ff.; Dreyer 2003, S. 3235). Kunden und Mitarbeiter durchschreiten Architektur (bisweilen täglich), erleben dabei den Raum mit allen Sinnen, erfahren seine Dimensionalität, erspüren die Atmosphäre, sind von ihm umgeben.

Der Raum hat die Möglichkeit, über eine geschickte narrative Inszenierung Ge-schichten zu übermitteln (vgl. Museumsarchitekturen, wie z. B. das Mercedes-Benz Museum in Stuttgart). Er kann durch die stimmige Kombination von Gerüchen, Lichtdesigns, Akustik und Temperatur eine bestimmte Atmosphäre schaffen (Bit-ner 1992) und Mitarbeiter sowie Kunden in eine bestimmte Stimmung versetzen. Architektur ist die Bühne und der Rahmen für Begegnungen mit dem Produkt, dem Mitarbeiter, der Marke. Architektur schafft einen Erlebnisraum, der einen hohen Grad an Authentizität mit sich bringt. Diese Erlebnisse werden oft angereichert durch museale Inhalte, Shops, Gastronomie und Werksführungen.

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So ist die BMW Welt nicht nur „ein neues, emotionales Wahrzeichen für die Marke“ (Ganal 2006, S. 503). Die Marke BMW präsentiert sich Besuchern und Kunden, die ihre Fahrzeuge in der BMW Welt abholen, auch als Markenerlebnis. Dem Credo „mit allen Sinnen erleben“ (Experteninterview mit Rudolf Wiedemann, damals Leiter der BMW Welt, 2008) folgend, steht sie für Kommunikation und Dialog mit der Marke.

Durch Architectural Branding wird es Kunden und Mitarbeitern möglich, die Marke auf allen Ebenen, denen im Rahmen des Experiential Marketings Relevanz zugesprochen wird, zu erleben: sense, feel, think, act und relate (Schmitt 1999, Abb. 5).

Sense: Architektur kann ästhetische Erlebnisse schaffen, Schönheit, Aufregung, sinnliche Freude. Feel: Architektur kann intensive Gefühle wie Romantik, Freude oder Friedlichkeit durch ihre thematische Gestaltung und die Stimmungen, die die Räume hervorrufen, wecken. Think: Architektur kann Markenwissen trans-portieren und zur kreativen gedanklichen Auseinandersetzung mit der Marke und den Produkten anregen. Act: Architektur kann dazu anregen, im Raum zu ver-weilen, Produkte, die dort präsentiert werden, zu testen und mit Mitarbeitern in Kontakt zu treten. Hat der Raum ähnliche Qualitäten wie das Produkt, erfahren Kunden das Produkt bereits implizit, allein durch das bloße Betreten des Raumes. So ist bspw. der Audi Terminal (das neue Handelskonzept der Audi AG) dem Fahr-erlebnis selbst nachempfunden. Relate: Aufgrund der sozialen Sichtbarkeit von Architektur, ihrer Stadtbild prägenden Funktion und ihrem Bestreben selbst ein sozialer Ort zu sein, ist Architektur ein geeignetes Medium, um den sozialen und kulturellen Kontext einer Marke zum Ausdruck zu bringen. Architektur kann einen Raum schaffen, um mit anderen Kunden in Kontakt zu treten und soziale Identität zu stärken.

Die Wahrnehmung von Architektur ist in der Regel mit persönlichen Erlebnissen verbunden (z. B. Abholung des neuen Autos). Orte sind folglich nicht nur prägend zum Zeitpunkt ihres Erlebens. Sie dienen auch als Erinnerungsanker für individuell bedeutsamen Erlebnisse. Solch autobiografische Erinnerungen haben eine höhere emotionale Aufladung und eine bessere Zugänglichkeit im Gedächtnis. Sie stärken das episodische Markenwissen und beeinflussen somit die Stärke, Einzigartigkeit und Zugriffsfähigkeit der Markenassoziationen.

Abb. 5   Brand Experience durch Architectural Branding

FEEL

THINK

ACT

RELATE

sensorische Wahrnehmung

> im dreidimensionalen Raum

Gefühle, Emotionen> durch intensives

physisches Erleben

individuelle Handlungen und Lifestyles> Produkte erleben, mit Mitarbeitern in

Kontakt treten

Kognition,Markenwissen

> Assoziationen und Gedanken zur Marke

Beziehungen mit dem Unternehmen> Raum für Begegnung mit der

Markencommunity

SENSE

Architectural Branding

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Insbesondere Gebäude, welche zum Zwecke des Markenerlebnisses erbaut wur-den (wie Erlebniswelten, Markenmuseen oder Flagshipstores), fördern solch inten-sive Begegnungen mit der Marke. Erste Beispiele zeigen jedoch, wie das Erleb-nispotenzial von Architektur auch für solche Gebäude erfolgreich genutzt werden kann, welche nicht primär im Dienste der Markenkommunikation stehen, wie z. B. Produktionsanlagen (Schönbeck 2009).

5.4   Architectural Branding im Kontext  anderer Marketingmaßnahmen

Der Nutzen von Architectural Branding muss im Kontext anderer Instrumente der Markenkommunikation gesehen werden und kann durch ein integriertes Marken-management weiter gestärkt werden.

Im Rahmen des Interaktionsmanagements ist die architektonische Gestaltung in ihrer Funktion als Bühne für Mitarbeiter-Kunden-Interaktionen zu verstehen. Sie steuert wechselseitig Erwartungen und Verhalten und beeinflusst die Kaufentschei-dung am Point of Sale. People Branding und Architectural Branding stehen in enger Beziehung (Specht et al. 2008).

Architektur ist ein Ort, an dem Kunden und potenzielle Kunden die Marke ganz-heitlich und mit allen Sinnen erleben können. Markenspezifisch gestaltete Räume bieten sich somit besonders als Ort für Kundenevents (z. B. kulturelle Events der Herbert-Quandt Stiftung im Doppelkegel der BMW Welt) und Kundenschulungen (z. B. Produktschulungen, die direkt in den Apple Stores durchgeführt werden) an.

Im Sinne eines integrierten Markenmanagements können zentrale Designele-mente in anderen visuellen Medien aufgegriffen werden (z. B. Produktdesign, Mit-arbeiterkleidung, Logodesign, Typefacedesign, Kampagnenmotive), sodass im Er-gebnis ein kohärentes Erscheinungsbild entsteht. Auch kann das Gebäude selbst als Motiv in Werbekampagnen genutzt werden. Die Eröffnung neuer Markengebäude oder andere architekturbezogenen Aktivitäten können wirkungsvoll für die Public Relations inszeniert werden (z. B. der Urban Future Award, der von der Audi AG ins Leben gerufen und erstmalig im Jahr 2010 anlässlich der Internationalen Archi-tekturausstellung der Biennale Venedig verliehen wurde).

Mit Blick auf die Mitarbeiter beziehungsweise das innengerichtete Markenma-nagement haben Studien, die am Institut für Marketing für drei Automobilhersteller im Premiumsegment durchgeführt wurden, gezeigt, dass Architectural Branding einen positiven Einfluss auf die Identifikation der Mitarbeiter mit der Marke hat (Raffelt et al. 2011). Dieser Effekt wird mit der sozialen Sichtbarkeit des Gebäudes gestärkt (z. B. wenn das Gebäude als Motiv in der Werbung genutzt wird oder in der Presse umfassend über das Gebäude berichtet wird). Markenspezifische Gebäude sind schlussendlich auch ein geeigneter Ort für Mitarbeiterschulungen, da diese die Marke dort mit allen Sinnen erleben können.

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6   Ausblick: von der Idee zu wissenschaftlicher Erkenntnis

Einer zunehmenden Anzahl von Architectural-Branding-Projekten steht bislang ein geringer Forschungsstand hinsichtlich (1) der Designdimensionen, die Ar-chitectural Branding bestimmen sowie (2) der kommunikativen Wirkungen, die durch Architectural Branding bei unterschiedlichen Stakeholdergruppen erzielt werden können, entgegen. Durch die notwendige Zusammenarbeit zweier sehr unterschiedlicher Disziplinen (Architektur und Brand-Management) entstehen in der Planung und Umsetzung häufig Kommunikationsbarrieren. Auch wenn es bei der Ausschreibung von Architectural-Branding-Projekten oftmals ausgefeilte Briefings gibt und in einigen Unternehmen Abteilungen existieren, die Architec-tural-Branding-Projekte betreuen, werden Entscheidungen häufig basierend auf Intuition und individuellem (ästhetischem) Empfinden getroffen. Diese Art des Managements von Architectural Branding steht im Gegensatz zu dem Bestreben von Unternehmen, Architectural Branding als Marketinginstrument zu verstehen, das systematisch genutzt werden kann, um die Wahrnehmung der Marke bei Mit-arbeitern und Kunden zu steuern.

Der grundlegende Einfluss von Umwelten auf Verhalten wird seit langem an-erkannt und ist seit den 1970er-Jahren in einer eigenen Forschungsdisziplin, der Environmental Psychology, repräsentiert. Auch in Teilen der marketing- und wirt-schaftspsychologischen Forschung wurde die grundlegende Bedeutung von Archi-tektur bereits aufgegriffen. Dabei lag der Fokus mit der Gestaltung sogenannter Servicescapes bislang im Dienstleistungsmanagement sowie dem Innovationsma-nagement. Erste Ansätze, die auf die Schnittstelle von Architektur und Marken-kommunikation hinweisen, finden sich bei Vertretern des Experiential Marketings (z. B. Schmitt 1999). Die Raumgestaltung stand hierbei bislang im Vordergrund (vgl. Überblicksartikel von Eroglu und Machleit 2008).

Mit Blick auf das Phänomen des Architectural Branding sind erst in den letz-ten Jahren erste (wissenschaftliche) Arbeiten erschienen (Bracklow 2004; Mess-edat 2005; Knittel-Ammerschuber 2006; Klingmann 2007; Schönbeck 2009). Sie haben wesentlich dazu beigetragen, das Verständnis von Architectural Bran-ding zu verbessern und unterstreichen die Relevanz dieses noch jungen Themas. Allerdings tragen diese Arbeiten durchweg konzeptionellen und qualitativ-de-skriptiven Charakter.

Mit dem Ziel erstmalig die Leistungsfähigkeit von Architectural Branding zu quantifizieren, wurden am Institut für Marketing der Ludwig-Maximilians-Univer-sität München im Rahmen eines größeren Forschungsprojektes mehrere Studien – z. T. in Kooperation mit der Audi AG – durchgeführt (Raffelt, im Erscheinen). Die folgenden Zeilen stellen das Projekt zusammenfassend dar:

Der Bezugsrahmen der visuellen Rhetorik, der dem Forschungsprojekt zugrunde gelegt wurde, hat sich als besonders geeignet erwiesen, um die kommunikativen Wirkungen von Architectural Branding zu analysieren. Ergebnisse aus Experimen-talstudien zeigen, dass symbolische Kommunikation zu besonders intensiver ge-

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danklicher Auseinandersetzung führt, was sich beispielsweise in einem höheren Abstraktionsgrad und einer stärkeren Lebendigkeit der Markenassoziationen mani-festiert. Symbolische Markenarchitektur wurde im Ergebnis positiver bewertet als klassisch-funktionale oder ikonische Architektur.

Basierend auf diesem Kernergebnis wurden umfassende empirische Studien bei Architekten und Studenten der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften durchgeführt mit dem Ziel eine symbolische Architectural-Branding-„Sprache“ zu entwickeln. Es sollte die Frage beantwortet werden, durch welche konkreten Designelemente unterschiedliche Markenwerte zum Ausdruck gebracht werden können. Erste Ana-lysen zeigen, dass sich die Vielfalt symbolischer Architektur auf vier grundlegende Architectural-Branding-Designs reduzieren lässt (disruptive, harmonious, progres-sive und massive), die sich signifikant in fünf identifizierten Designqualitätsdimen-sionen unterscheiden und letztlich zu jeweils unterschiedlichen Markenpersönlich-keitsassoziationen führen.

Das Forschungsprojekt fundiert die Leistungsfähigkeit von Architectural Bran-ding konzeptionell und empirisch. Es liefert klare Empfehlungen für die optimale Ausgestaltung von Architectural Branding, ohne den kreativen Freiraum von Desig-nern und Unternehmen zu beschneiden, und leistet schließlich einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung einer ganzheitlichen markenbezogenen Designtheorie.

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Fotoverzeichnis

Apple Store New York, Boston Consulting Group München, Vitra Designmuseum Weil am Rhein: eigene Aufnahmen.

Architectural Branding

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BMW Hochhaus München, BMW Welt München, BMW Werk Leipzip: © BMW Group, mit freundlicher Genehmigung der BMW Group.

McDonald’s: mit freundlicher Genehmigung von McDonald’s Deutschland Inc., München.MPREIS Achenkirchen: © Lukas Schaller, mit freundlicher Genehmigung der MPREIS Waren-

vertriebs GmbH, Völs.Rimowa Köln: mit freundlicher Genehmigung der Rimowa GmbH und V.COMMUNICATION

München.Swiss Re, London: © Swiss Re/Thomas Jantscher, mit freundlicher Genehmigung von Giger

Creative Services Zürich.

U. Raffelt und A. Meyer

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Zusammenfassung 

Aufgrund zunehmender technischer Konvergenz und immer ähnlicher werden-der Produkte auf reifen Märkten versuchen die Hersteller, Mehrwert in Form von emotionalem Nutzen zu schaffen. Dies führt nicht nur zu einer Emotiona-lisierung der klassischen Kommunikation, sondern auch zu einem verstärkten Fokus auf Markenerlebnisse, die im Vergleich zu klassischer Kommunikation als einprägsamer eingestuft werden. Als Schauplatz von Markenerlebnissen eig-net sich insbesondere die Kommunikationsform der Markenwelt (auch: Brand-land), der aufgrund ihrer eigenen Multisensualität und Interaktivität ein großes Wirkungspotenzial zugeschrieben und die inzwischen von zahlreiche Herstellern unterschiedlichster Branchen genutzt wird. Die Vielfalt ihrer praktischen Um-setzung wird anhand von gelungenen Beispielen aus verschiedenen Branchen – dem Legoland, den Swarovski Kristallwelten, dem Nivea-Haus sowie der BMW Welt – aufgezeigt.

1   Emotionalisierung der Markenkommunikation

Auf reifen Märkten ist häufig eine sogenannte „Commoditisierung“ der angebote-nen Produkte zu beobachten: Die verschiedenen Angebote gleichen sich technisch immer stärker an, bis die Produktkerne von den Kunden als austauschbar wahr-genommen werden (Freundt 2006, S. 9). Bestehende Preisunterschiede zwischen konkurrierenden Angeboten lassen sich also kaum durch objektive Qualitätsunter-schiede erklären (Esch und Wicke 2001, S. 18). Vielmehr verschiebt sich mit der Angleichung der physischen und technischen Eigenschaften auch die Bedeutung der einzelnen Komponenten eines Produkts, die den Konsumenten Nutzen stiften

Markenwelten als Schauplatz für Markenerlebnisse

Lorenz Zimmermann und Martina Littich

L. Zimmermann ()Ludwig-Maximilans-Universität, München, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_13, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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und die deren Zahlungsbereitschaft maßgeblich beeinflussen. An Bedeutung ge-winnt die Marke, unter der ein Produkt angeboten wird, und damit die vom Produkt-kern am weitesten entfernt liegende Komponente. Über die bloße Markierung des Produkts und die Funktion als Qualitätssignal hinaus stiftet eine Marke auch selbst Nutzen, indem sie einen Erlebniswert vermittelt und von den Konsumenten zur Selbstdarstellung und zum Ausdruck einer Gruppenzugehörigkeit oder des sozialen Status genutzt werden kann (Homburg und Krohmer 2006, S. 628 f.).

Die beschriebene Veränderung der nutzenstiftenden Produktkomponenten hat auch Auswirkungen auf die Inhalte und die Bedeutung der Marketingkommuni-kation. Während es in der Vergangenheit wichtig und ausreichend war, die Kon-sumenten auf neuartige funktionale Eigenschaften eines Produkts hinzuweisen, basieren abstrakte Nutzenversprechen durch die verwendete Marke nicht auf über-legenen Ingenieursleistungen. Vielmehr sind Nutzenversprechen durch eine Marke nicht greifbar und entstehen erst durch deren kommunikative Positionierung, die zunehmend Raum in den Kommunikationsbotschaften der Hersteller einnimmt. Während in der Vergangenheit kognitiv-rationale Inhalte dominierten, versuchen markenführende Unternehmen heute deshalb zunehmend, emotionale Botschaften zu vermitteln.

Diese Tendenz zu emotionalen Kommunikationsinhalten wird an zwei kon-kreten Beispielen aus der Automobilindustrie greifbar: In den 1960er-Jahren stellte Volkswagen die Zuverlässigkeit der hergestellten Autos in den Vorder-grund („Der VW läuft und läuft und läuft…“), seit einigen Jahren steht vermehrt die persönliche Beziehung zum Fahrzeug und die damit verbundene Freiheit und Individualität im Zentrum der Werbung. In den Jahren 2003 bis 2007 wurde so-gar mit dem Claim „Aus Liebe zum Automobil“ geworben. Abbildung 1 stellt einer Print-Anzeige von Mercedes-Benz aus den 1960er-Jahren ein aktuelles Motiv gegenüber und macht daran den starken Wandel in den vermittelten In-halten deutlich.

Um eine Marke klar in der Kundenwahrnehmung zu positionieren, ist die Nutzung klassischer Kommunikationsinstrumente allein jedoch nicht mehr aus-reichend. Vielmehr stehen Markenhersteller vor der Herausforderung, die Inhalte einer Marke für die Konsumenten erlebbar zu machen und die Marke als unver-wechselbar zu positionieren, um sich so langfristig vom Wettbewerb abzugrenzen. Da affektive Eindrücke das Kundenverhalten direkt beeinflussen (Holbrook und Hirschman 1982), prägen emotionale Erfahrungen die Markenwahrnehmung be-sonders stark (Lofman 1991). Vor allem positive Markenerlebnisse, die der Kunde nicht erwartet und deren Fehlen nicht zu Unzufriedenheit führt, die aber ein großes Begeisterungspotenzial bieten, sind entscheidend (Oguachuba 2009, S. 250). An-bieter streben deshalb heute danach, Marken richtiggehend zu inszenieren und sie für die Konsumenten erlebbar zu machen. Produkte sind damit nicht länger eine Ansammlung funktionaler Eigenschaften, sondern vielmehr ein Transportmittel zur Erlebnisvermittlung (Schmitt 1999a, S. 54). Konsequent lässt sich die Entstehung einer „Erlebniswirtschaft“ als Fortsetzung und letzte Stufe der Entwicklung von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft beobachten (Pine und Gilmore 1998), in der Anbieter Wettbewerbsvorteile auf Basis überlegener Kundenerlebnisse suchen (Shaw und Ivens 2002).

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2   Emotionalisierung durch Markenerlebnisse

Vor diesem Hintergrund findet der in den 1990er-Jahren entwickelte Ansatz des Erlebnismarketings zunehmend starke Beachtung. Er geht zurück auf Weinberg (1992) und wurde von Schmitt (1999b) maßgeblich weiterentwickelt. Ziel sind „sinnliche Konsumerlebnisse, die in der Gefühlswelt der Konsumenten verankert sind und ihre Werte, Lebensstile und Erwartungen beeinflussen“ (Weinberg 1992, S. V). Markenerlebnisse können in allen Phasen des Kaufprozesses auftreten – wäh-rend der Informationssuche, des Kaufs und des Konsums (Haeckel et al. 2003). Bra-kus et al. (2009, S. 52 f.) unterteilen Markenerlebnisse daher in Produkterlebnisse, Kauf- und Serviceerlebnisse sowie Konsumerlebnisse: Produkterlebnisse entstehen sowohl durch den direkten physischen als auch durch den indirekten, etwa durch Werbung vermittelten Kontakt mit dem Produkt – und damit auch vor dem Kauf, wenn sich der Konsument einen Überblick über die Produktalternativen verschafft und diese bewertet. Kauf- und Serviceerlebnisse entstehen durch die Interaktion mit der Umgebung oder dem Personal während des Kaufs.

Erlebnisse sind „einprägsam“ (Pine und Gilmore 2000, S. 29); ihre besondere Wirksamkeit lässt sich darauf zurückführen, dass sie multidimensional sind und hedonistische Dimensionen beinhalten (Addis und Holbrook 2001, S. 59), also etwa „feelings, fantasies and fun“ (Holbrook und Hirschman 1982, S. 132). Der Kunden-nutzen dieser Erlebnisse ist idealerweise so hoch, dass der funktionale Nutzenbei-trag einer Leistung ergänzt oder sogar ersetzt wird. Dies ist vor allem dann möglich,

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Abb. 1   Wandel der Kommunikationsinhalte bei Mercedes-Benz. (Quelle: Mercedes-Benz)

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wenn ein Konsument ein Ereignis direkt beobachtet oder selbst daran teilnimmt (Schmitt 1999b). Erlebniskäufe führen – im Vergleich zu Nicht-Erlebniskäufen und den durch sie ausgelösten reinen Besitztumseffekten – zu einem höheren Glücks-gefühl (Van Boven und Gilovich 2003, S. 1193). Allerdings können sich Marken-erlebnisse im Grad ihrer Intensität unterscheiden und von den Konsumenten als unterschiedlich stark und intensiv wahrgenommen werden. Ebenso kann die Valenz und damit die Wertigkeit der Markenerlebnisse variieren: Markenerlebnisse können als sehr positiv, aber durchaus auch als negativ wahrgenommen werden. Sowohl die Intensität als auch die Valenz eines Markenerlebnisses beeinflussen dabei die Verarbeitung des Erlebten, seine Verankerung im Bewusstsein der Konsumenten und damit auch die Kurz- oder Langlebigkeit des Erlebnisses (Brakus et al. 2009, S. 53). Im Idealfall sind Markenerlebnisse überzeugend, fesselnd und unvergesslich für die Rezipienten und können von den Unternehmen langfristig eingesetzt werden (Bekmeier-Feuerhahn 2004, S. 884).

Kritisch betrachtet sind Markenerlebnisse „verführerisch“ („seductive“, Hoch 2002), da Konsumenten sie als stärker anziehend empfinden als objektiv gerecht-fertigt wäre. Dies geschieht aus unterschiedlichen Gründen: Die aktive Teilnahme an einem lebhaften Geschehen steigert die Aufmerksamkeit der Konsumenten, wo-durch sich diese im Nachhinein besser an das Erlebte erinnern als sie rein kogni-tiv vermittelte Inhalte behalten könnten. Gleichzeitig erscheinen Markenerlebnisse unparteiischer, unabhängiger und damit glaubwürdiger als klassische Werbung, gerade auch weil negative Erlebnisse möglich sind und die transportierte Werbe-botschaft subtiler dargestellt wird als in der klassischen Kommunikation. Die Re-zipienten werden dadurch besonders empfänglich für die vermittelten Inhalte. Ihr gleichzeitig oft mehrdeutiger Charakter lässt den Konsumenten Raum für eigene Interpretationen, der im eigenen besten Interesse gefüllt und sogar im Nachhinein veränderten Präferenzen und Vorstellungen angepasst werden kann (Brakus et al. 2009). Dadurch entstehen laut Brakus et al. (2009) sowohl eine direkte Wirkung auf Kundenzufriedenheit und -loyalität als auch eine indirekte Wirkung über das Konstrukt Markenpersönlichkeit.

3   Markenwelten: Grundlagen und Ziele

Zahlreiche Unternehmen haben die Bedeutung einer erlebnisorientierten Positio-nierung ihrer Produkte und Marken in den letzten Jahren erkannt und versuchen die beschriebenen Formen von Markenerlebnissen in dem neuen Kommunikationskon-zept der Markenerlebniswelt – kurz Markenwelt oder „Brandland“ (Kilian 2008b, S. 62) – umzusetzen. Steinecke (2004) definiert Markenwelten als „multifunktio-nale Einrichtungen […], die von Unternehmen der Konsumgüterbranche betrieben werden; sie fungieren vorrangig als Plattform für die Markenkommunikation und nutzen architektonische, theatralische, bildnerische, museale und technische Mittel, um die Marke erlebnisorientiert zu inszenieren“ (Steinecke 2004, S. 214 f.). Im Gegensatz zu virtuellen und/oder temporären Markenerlebnissen stellen sie eine reale und dauerhafte Kommunikationsform dar (Zanger 2008, S. 71). Opaschowski

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(2000, S. 33 ff.) bezeichnet Markenwelten als eine Kombination aus Natur-, Kul-tur-, Freizeit- und/oder Konsumerlebnis in einer künstlich geschaffenen Umgebung. Dieses vielfältige Spektrum an Freizeit- und Shoppingangeboten spiegelt auch der Begriff „Mixed-Use-Centers“ (Steinecke 2000, S. 19 f.) wider. Die Hersteller nut-zen die Markenwelten um direkten Kontakt zu ihren Kunden herzustellen. An die-sen Orten der persönlichen Begegnung können sie ihren Kunden multisensuale Ein-drücke vermitteln: Durch akustische Eindrücke, taktile Stimuli, olfaktorische sowie punktuell auch gustatorische Reize wird der Point of Sale zum Point of Experience (Kilian 2008a, S. 47). Hauptkennzeichen einer Markenwelt sind also Interaktivität und Multisensualität.

Die Literatur nennt verschiedene Erfolgsfaktoren von Markenwelten. Gerade weil das Entstehen von Emotionen vom Anbieter nicht garantiert werden kann, können sie dazu anleiten, das Potenzial für positive Effekte beim Konsumenten zu steigern. Die richtige Kombination aus markenspezifischen Kernbestandteilen (z. B. Produkte, Produkthistorie, Herstellung) und Zusatzangeboten mit Erleb-nis- und Freizeitwert ist entscheidend (Zanger 2008, S. 82). Wichtig ist dabei eine konsequente Umsetzung der Corporate Identity, um eine stete Wiedererkennbarkeit der Marke in der Markenwelt zu gewährleisten. Überraschungen – ausgelöst etwa durch visionäre oder technische Aspekte – können die semantischen Spuren, die ein Erlebnis im Gedächtnis hinterlässt, verstärken (Kilian 2008b, S. 63). Dabei sollte das Konzept leicht zugänglich und verständlich sein, da es sich in der Regel an eine breite Zielgruppe richtet (Zanger 2008, S. 82). Ein wichtiger Aspekt ist auch im Behavioral Branding (Esch et al. 2005) zu sehen, da das markenkonforme Verhalten der als Markenbotschafter agierenden Mitarbeiter zu einem positiven Erleben des Markenversprechens führen kann. Eine entsprechende Schulung der Mitarbeiter ist somit unerlässlich.

4   Markenwelten: Beispielhafte Umsetzung in verschiedenen Branchen

Die ersten Markenwelten entstanden Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA: Be-reits 1907 eröffnete in Hershey (Pennsylvania) der gleichnamige Schokoladenher-steller nahe seiner Fabrik den Hersheypark. Weitere Lebensmittelhersteller folgten Hersheys Beispiel mit der typischen Kombination aus Freizeit- und Shoppingange-boten. Weitere Meilensteine waren das 1955 in Kalifornien eröffnete Disneyland und die seit 1971 bestehende Walt Disney World in Florida. Vor allem in den letzten 20 Jahren entstanden in den USA zahlreiche neue Markenwelten (z. B. Nike, Coca-Cola, Kellog’s; Zanger 2008, S. 73). Auch in Deutschland und Europa wird das Konzept der Markenwelt vermehrt umgesetzt (für eine Übersicht der Markenwelten in Deutschland vgl. Zanger 2008, S. 74). Erste europäische Markenwelt war das im Jahr 1968 im dänischen Billund eröffnete Legoland, das seit Mitte der 1990er-Jah-re weltweite Ableger hat. Neben dem Legoland in Günzburg stellen die Swarovs-ki Kristallwelten im österreichischen Wattens, das Nivea Haus in Hamburg sowie die BMW Welt in München besonders prominente Beispiele für Markenwelten im

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deutschsprachigen Raum dar, anhand derer wir im Folgenden die praktische Um-setzung und Varianten von Markenwelten darstellen.

4.1   Legoland

Das in der Nähe zu Legos Firmensitz gelegene Legoland verbindet das Konzept der Markenwelt mit Elementen eines Freizeitparks: Auf 14 Hektar Fläche bietet es sei-ner Zielgruppe – jungen Familien – vielseitige Produkterlebnisse in verschiedenen Themenwelten wie dem Miniland, in dem weltweite Sehenswürdigkeiten im Klein-format aus Legosteinen nachgebaut sind, oder dem Duploland für die kleinsten Be-sucher (vgl. Abb. 2). Von Beginn an hat das Legoland Billund hohe Zahlen von Be-suchern angezogen, den 625.000 Gästen im Eröffnungsjahr (Legoland 2010a, S. 1) folgten in seinem 42-jährigen Bestehen bis heute etwa 45 Mio. weitere Besucher (Legoland 2010b, S. 12).

Um mit den Markenerlebnissen des Legolands noch größere Teile der Legokun-den zu erreichen, wurden seit Mitte der 1990er-Jahre weltweite Ableger des Parks eröffnet. Nach Legoland Windsor (England) 1996 und Legoland Carlsbad (Kali-fornien) 1999 eröffnete 2002 das erste Legoland in Deutschland. Durch die Lage in Günzburg befindet sich die für 150 Mio. Euro errichtete Markenwelt (Legoland 2010a, S. 2) zwar außerhalb der deutschen Ballungszentren, ist aber durch die Nähe zu den Autobahnen A7 und A8 aus allen Richtungen leicht zu erreichen und verzeich-net ähnlich wie die übrigen Legoland-Parks mehr als eine Million Besucher jähr-lich. Auch das Konzept des Legolands Günzburg ist mit dem der übrigen Parks ver-gleichbar: Neben dem bekannten Miniland gibt es eine Vielzahl an Attraktionen, die die Besucher im Sinne von Konsumerlebnissen gezielt in das Geschehen einbezie-hen und die an die verschiedenen Lego-Produktfamilien angelehnt sind. So können Kinder in Elektroautos eine Fahrschule absolvieren und als Ritter, Rennfahrer oder Pirat Abenteuer selbst erleben, die sonst ihren Spielzeugfiguren vorbehalten blei-ben. In der parkeigenen Fabrik sehen die Besucher zu, wie Legosteine gegossen werden und dürfen als Andenken einen pressfrischen Stein mitnehmen. Seit 2008 schließt sich dem Legoland Günzburg das Legoland Feriendorf an, in dem Besucher in thematisierten Ferienhäusern und auf einem Campingplatz übernachten können.

Anders als die meisten Markenwelten befinden sich die Legoland-Parks nicht mehr im Besitz des Unternehmens Lego sondern gehören seit 2005 zum englischen Freizeitunternehmen Merlin Entertainments Group, das auch eine große Zahl wei-terer Freizeit- und Erlebniseinrichtungen betreibt. Für die kommenden Jahre plant das Unternehmen weitere Legoland-Parks in Florida, Malaysia und Dubai (Lego-land 2010b, S. 2).

4.2   Swarovski Kristallwelten

Eine besonders künstlerisch ambitionierte Umsetzung des Konzepts der Marken-welt bieten die Swarovski Kristallwelten am Stammsitz des Unternehmens im öster-

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reichischen Wattens. Im Jahr 1995 eröffnete der Kristallhersteller zum einhundert-jährigen Firmenjubiläum inmitten einer frei zugänglichen Parklandschaft eine vom Künstler André Heller gemeinsam mit Kollegen wie Brian Eno und Niki de Saint Phalle geschaffene wasserspeiende Riesengestalt (vgl. Abb. 3), in deren Inneren die Besucher eine Fantasiewelt rund um „the magic of crystal“ (Zanger 2008, S. 75) erwartet. Von verschiedenen Künstlern sind 14 „Wunderkammer“ genannte Räume gestaltet worden. Diese beschäftigen sich auf unterschiedliche Weise mit dem The-ma Kristall und machen die Kristallwelten zu einem „Ort des Staunens“ (Swarovski Kristallwelten 2010), dessen Kern ein Kristalldom bildet, der mit hunderten von Spiegeln den Besuchern das Gefühl vermittelt, sich im Inneren eines Kristalls zu befinden. Neben solchen künstlerischen und multidimensionalen Eindrücken durch die Installationen der Künstler bieten die Kristallwelten auch Raum für Swarovskis Sammlung zeitgenössischer Kunst und eine Werkstatt, in der Besucher unter fach-männischer Anleitung selbst mit Kristallelementen arbeiten und Schmuck und Mo-deaccessoires herstellen können. Bestandteil der Kristallwelten sind daneben auch eine Dokumentation der Unternehmensgeschichte, eine VIP-Lounge für Mitglieder von Swarovskis Kunden- und Sammlerclub „Crystal Society“ und – zur Ermög-lichung von Kauferlebnissen – eine Einkaufswelt, die den Besuchern die gesamte Produktpalette präsentiert.

Angelehnt an die Vielschichtigkeit von Kristallen werden die Swarovski Kris-tallwelten regelmäßig gezielt verändert und umgestaltet und dienen als Bühne für vielfältige Ausstellungen und Inszenierungen. Nach Ende der täglichen Öffnungs-zeiten sind die Kristallwelten als Eventlocation buchbar und dienen regelmäßig als Ort für Musik- und Tanzveranstaltungen. Mit jährlich etwa 700.000 Besuchern

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Abb. 2   Legoland Billund. (Quelle: The Lego Group)

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(Swarovski Kristallwelten 2010) gehören die Kristallwelten zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Österreichs und wurden in den Jahren 2003 und 2007, eben-falls unter der künstlerischen Leitung André Hellers, in größerem Umfang umge-staltet und erweitert.

4.3   Nivea Haus

Seit 2006 will das Hamburger Nivea Haus (vgl. Abb. 4) nach eigenem Anspruch „zentrale Anlaufstelle für alle Entspannungssuchenden in Hamburgs Innenstadt“ (Beiersdorf 2006) sein und seinen Besuchern die vielfältigen Anwendungsmög-lichkeiten von Niveas Produktpalette vermitteln. Neben den Nivea-Produkten selbst, die im Nivea Haus erworben werden können (Produkt- und Kauferlebnis), bietet das Nivea Haus deshalb Kurzzeit-Wellness, bestehend aus verschiedenen Anwendungen, Massagen und kosmetischen Behandlungen ohne vorherige Ter-minvereinbarung sowie Haar- und Hautanalysen, die für die Besucher auch die Forschung erlebbar macht, die sonst hinter den verschlossenen Türen der Beiers-dorf AG stattfindet (Konsumerlebnis). Durch die unkomplizierten und kostengüns-tigen Kosmetikanwendungen will das Nivea Haus auch Zielgruppen ansprechen, die bisher nie ein Spa besucht haben und sieht sich auch nicht in Konkurrenz zu diesen. Vielmehr bekommt die Marke Nivea durch das Nivea Haus „erstmals ein eigenes Zuhause“ (Beiersdorf-Vorstandsvorsitzender Quaas in Beiersdorf 2006), das das zentrale Markenversprechen „Pflege“ für die Konsumenten direkt erleb- und erfahrbar macht. Dies wiederum soll Niveas Markenidentität steigern. Gleich-

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Abb. 3   Swarovski Kristallwelten. (Quelle: Swarovski AG)

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zeitig sollen Dialog und direkter Kontakt mit dem Verbraucher geschaffen werden (Beiersdorf 2008).

Ähnlich dem Legoland hat auch das Nivea Haus mittlerweile Ableger an weite-ren Standorten: 2008 eröffnete das Nivea Haus in Dubai, 2009 folgte eine Depen-dance Unter den Linden in Berlin.

4.4   BMW Welt

Im Automobilbereich ist die vom Architektenteam Coop Himmelb(l)au entworfene und im Jahr 2007 eröffnete Münchener BMW Welt (vgl. Abb. 5) ein prominentes Beispiel für Markenwelten. Die Marke BMW präsentiert sich mit den Gebäuden ihrer Hauptzielgruppe, den Kunden, aber auch allen übrigen Stakeholdergruppen. Mit jährlich rund zwei Millionen Besuchern ist die BMW Welt mittlerweile eine der meistbesuchten Attraktionen Münchens (BMW Group 2009). Sie bietet „Branded Entertainment“, bestehend aus einer Vielfalt an Unterhaltungsmöglichkeiten (Fei-reiss 2007, S. 45 f.; Brauer 2008, S. 12) und garantiert damit die Wiedererkennbar-keit der Marke, was eine der beschriebenen zentralen Erfolgsvoraussetzungen für eine Markenwelt ist. Jeder Besuch in der BMW Welt ist unweigerlich mit einem Produkterlebnis in Form von direktem Kontakt mit den Produkten der BMW Group verbunden, deren aktuelle Modelle in der Erlebniswelt ausgestellt sind. Darüber hinaus bieten sich zahlreiche Möglichkeiten für Kauf- und Konsumerlebnisse: Shopping, kulinarische Genüsse oder kulturelle Veranstaltungen als „Beiprodukt“, die virtuelle Probefahrt mit einem BMW oder die tatsächliche Ausfahrt durch die und aus der BMW Welt heraus mit dem eigenen Neufahrzeug lassen Kauf- und Konsumerfahrung zu einem gewissen Grad verschmelzen. Gleichzeitig richtet sich

Abb. 4   Nivea-Haus Hamburg. (Quelle: Beiersdorf AG)

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das Unterhaltungsangebot der Markenerlebniswelten keineswegs nur an Erwachse-ne: Das Angebot von Erlebnisführungen im Rahmen des Junior Campus bietet das Potenzial möglichst positiver Erlebnisse für die ganze Familie. Die Markenwelt erfüllt dabei eine Vielzahl an heterogenen Funktionen für völlig unterschiedliche Zielgruppen, die bewusst nicht räumlich voneinander getrennt werden, um so die gleichzeitige Erfahrung unterschiedlicher Arten von Markenerlebnissen zu ermög-lichen und den Besucher zu einem „Beteiligten“ des Geschehens zu machen. Das Ziel der BMW Welt ist die Schaffung eines intensiven und äußerst positiven Mar-kenerlebnisses, um so langlebige positive Assoziationen zur Marke herzustellen. Nicht zuletzt die Wandelbarkeit der (Innen-)Architektur und die ständige Änderung von Farben und Themen ermöglichen die Erzeugung von wandelbaren Marken-erlebnissen.

Einen zusätzlichen Erfolgsfaktor stellt die Gebäudearchitektur dar, die – im Gegensatz zu klassischer Markenkommunikation – tatsächlich erlebbar ist und des-halb besser in Erinnerung bleibt (Tulving 2002, S. 5). Der leitende Architekt Wolf Dieter Prix rückt mit seinem Entwurf für die BMW Welt vor allem die Markenwerte Dynamik und Kultiviertheit in den Vordergrund: „[W]hat really intrigued me about BMW Welt was to create an architectural language that adequately expresses this dynamism and elegance“ (Prix in Feireiss 2007, S. 20). Die Kernwerte der Marke BMW werden damit architektonisch umgesetzt (Wallisser 2008, S. 219) und die BMW Welt kann als gelungenes Beispiel gebauter Kommunikation und „neues, emotionales Wahrzeichen für die Marke“ (Ganal 2006, S. 506) angesehen werden.

5   Fazit

Im Gegensatz zur klassischen Kommunikation integriert Erlebniskommunikation die Rezipienten und macht sie zu aktiven Teilnehmern. Damit wird eine emotionale Positionierung von Marken möglich, die auch die Vermittlung kognitiver Inhalte

Abb. 5   BMW Welt. (Quelle: BMW Group)

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unterstützt. Dass Markenerlebnisse sowohl vor, während als auch nach dem Kauf eines Produkts oder einer Dienstleistung auftreten können, macht ihren Einsatz be-sonders flexibel. Produkterlebnisse, Kauf- und Serviceerlebnisse sowie Konsum-erlebnisse wirken dabei auf direktem und indirektem Weg positiv auf zentrale Mar-ketingzielgrößen wie Kundenzufriedenheit und -loyalität. Dieses Potenzial nutzen heute zahlreiche Unternehmen verschiedenster Branchen mit ihren Markenwelten, die sich bei den Konsumenten angesichts der genannten hohen Besucherzahlen offensichtlich großer Beliebtheit erfreuen. Neben markenspezifischen Kernbe-standteilen, die die abstrakte Marke für den Besucher erlebbar machen, bieten alle Markenwelten Zusatzangebote mit Freizeit- oder Erlebniswert: Das obligatorische Produkterlebnis wird durch Konsumerlebnisse (z. B. das Spa-Treatment im Niveau Haus oder die virtuelle BWM-Probefahrt in der BMW Welt) sowie Kauferlebnisse (z. B. Swarovski-Kristalle oder Lego-Bausteine) ergänzt.

Dennoch ist die Kommunikation durch Markenwelten mit Einschränkungen behaftet. Die architektonische Umsetzung einer Marke in einem Gebäude ist eine langfristig orientierte, statische Form der Kommunikation und kann nur sehr be-grenzt verändert und an sich wandelnde Markenwerte angepasst werden. Da die Errichtung einer Markenwelt eine große Investition darstellt, beinhaltet sie auch ein größeres finanzielles Risiko als klassische Kommunikationsformen, die bei Nicht-erreichen der Werbeziele schnell wieder eingestellt werden können. Gleichzeitig ist eine Markenwelt an einen Standort gebunden und damit für den größten Teil der Zielgruppen nur mit einem gewissen Reiseaufwand erreichbar. Darüber hinaus scheint die Übertragbarkeit des Konzepts auf Branchen mit weniger emotionalen Produkten schwierig. Markenwelten ersetzen klassische Kommunikation deshalb nicht, können diese aber in bestimmten Branchen sinnvoll ergänzen und zu einem erfolgreichen Konzept integrierter Marketingkommunikation beitragen.

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Markenwelten als Schauplatz für Markenerlebnisse

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Zusammenfassung 

Luxusmarken versprechen eine sinnliche Erfüllung über funktionale Produkt-eigenschaften und den reinen Besitz hinaus. Das erlebnisorientierte Marketing von Luxusgütern erfordert ein umfassendes Verständnis der Treiber, auf die Kun-den besonders emotional reagieren. Ziel des vorliegenden Beitrags ist die Identi-fikation möglicher Gestaltungsansätze, die im Rahmen der Schaffung multisen-sualer Erlebniswelten im Luxusgütermarketing von besonderer Bedeutung sind. Auf Basis des Zusammenspiels zwischen wahrgenommenen Nutzendimensionen einer Luxusmarke und multisensualer Konzepte der emotionalen Produkt- und Markendifferenzierung werden wesentliche Ansatzpunkte einer multisensualen Erlebniskommunikation im Luxusgütermarketing präsentiert.

1   Einleitung

Mit Blick auf die stetig steigende Informationsüberlastung und zunehmende Wer-bereaktanz auf Konsumentenseite stehen Unternehmen vor der Herausforderung, effektivere Wege der Marketingkommunikation zu identifizieren und zu beschrei-ten. In Verbindung mit der gestiegenen Erlebnisorientierung der Konsumenten hängen sowohl die Aufmerksamkeit als auch die Akzeptanz werblicher Maßahmen entscheidend von deren Erlebnisqualität ab. Das Streben nach mehr Freizeit und Hedonismus fördert das Ausleben emotionaler Bedürfnisse (Diehl 2000, S. 85). Er-lebniswerte wie Liebe, Glück, Freiheit, Prestige oder Luxus sind von zunehmender Bedeutung und werden auch in der Werbung aufgegriffen (Linxweiler 2004, S. 99).

Vor allem im Bereich des Luxusgütermarketings sind anspruchsvolle Konzepte der emotionalen Produkt- und Markendifferenzierung gefordert, die eine ganzheit-

Multisensuale Gestaltungsansätze der Erlebniskommunikation im Luxusgütermarketing

Klaus-Peter Wiedmann und Nadine Hennigs

K.-P. Wiedmann ()Leibniz Universität Hannover, Hannover, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_14, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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liche Markenerlebniswelt kreieren, wobei nicht die Produkte selbst im Vordergrund stehen, sondern die Inszenierung der Marke insgesamt. Im Hinblick darauf, dass eine Botschaft im Gehirn eines Menschen um ein Vielfaches schneller ankommt, sobald mehrere Sinne gleichzeitig angesprochen werden (Häusel 2007, S. 169), gewinnt der gezielte Einsatz multisensualer Elemente bei der Stärkung kommunikations- und distributionspolitischer Maßnahmen an Relevanz (Lindstrom 2005; Springer 2008). Die multisensuale Ansprache im Rahmen der Marketingkommunikation zielt darauf ab, in einer Kombination äußerer Reize wie Bilder ( visuell), Töne ( auditiv), Hautkontakt ( haptisch), Gerüche ( olfaktorisch) und Geschmackserlebnisse ( gusta-torisch) die Wahrnehmung der Konsumenten durch die Erfahrung eines „totalen Er-lebnisses“ (Gebhardt 2000, S. 20) zu beeinflussen (Von Campenhausen 1993, S. 4).

Im Rahmen des vorliegenden Beitrags sollen wesentliche Gestaltungsansätze einer multisensualen Markenerlebniswelt im Bereich des Luxusgütermarketings auf-gezeigt werden. Im Anschluss an das einführende Kapitel werden im zweiten Kapitel die grundlegenden Charakteristika des Luxusgütermarketings erläutert. Hierbei er-folgt nach einer Definition und Abgrenzung des Luxusbegriffs in Abschn. 2.1 eine kurze Darstellung der verhaltensprägenden Faktoren und Motive des Luxuskonsums in Abschn. 2.2. In Abschn. 3 wird ein konzeptioneller Bezugsrahmen der multisen-sualen Ansprache von Luxuskonsumenten entwickelt, indem das Zusammenspiel der wahrgenommenen Nutzendimensionen der Luxusmarke sowie deren wesentliche Treiber aus Konsumentensicht in Verbindung mit den multisensualen Optionen der erlebnisorientierten Kommunikationsaktivitäten von Unternehmensseite verdeutlicht werden. Im Anschluss werden im Abschn. 4 wesentliche Ansatzpunkte der multisen-sualen Erlebniskommunikation von Luxusmarken präsentiert. Ausgehend von allge-meinen Herausforderungen der wertorientierten Kommunikation im Bereich von Lu-xusmarken werden Elemente der Gestaltung und Übermittlung multisensualer Erleb-nisse im Luxusgütermarketing aufgezeigt. Den Abschluss der Arbeit bildet Abschn. 5 mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Erkenntnisse sowie einem Ausblick bezüglich künftiger Anforderungen an das Marketingmanagement von Luxusmarken.

2   Charakteristika des Luxusgütermarketings

2.1   Definition und Abgrenzung des Luxusbegriffs

Die Schwierigkeit seiner konkreten Definition von Luxus liegt darin, dass der Be-griff Luxus zugleich ein Konzept bzw. eine Kategorie, ein subjektives Empfinden und eine unterschwellige moralische Kritik zum Ausdruck bringt (Kapferer 2001, S. 347; Valtin 2005, S. 19). Etymologisch kann der Luxusbegriff von den latei-nischen Wörtern „luxus“ und „luxuria“ hergeleitet werden und steht für „üppige Fruchtbarkeit“, einen „unangemessenen, ausschweifenden Lebensstil” sowie „Ge-nuss-, und Verschwendungssucht“ (Mühlmann 1975, S. 22 ff.).

In der Literatur finden sich in Abhängigkeit verschiedener Epochen, des jeweili-gen politisch-ökonomischen Umfelds und der moralisch-ethischen Sichtweise unter-schiedliche Interpretationsansätze (Lasslop 2005, S. 472), sodass ein Eingrenzen auf

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eine bestimmte Interpretation bereits eine subjektive Werteinstellung dem Begriff „Luxus“ gegenüber bedeuten würde (Kapferer 2001, S. 347). Im Sinne einer ökono-mischen Definition wird zur Abgrenzung von Luxusgütern gegenüber Grundbedarfs-gütern (Varian 1996, S. 267) häufig die mathematische Berechnung der Einkom-menselastizität der Nachfrage herangezogen (Breyer 2005, S. 141 f.). Da Luxus ein subjektiver und relativer Begriff ist (Jäckel und Kochhan 2000, S. 75), unterscheidet sich die Definition von Luxus gegenüber Notwendigkeit nicht nur vom Standpunkt des Betrachters aus (Phau und Prendergast 2000, S. 122 ff.), sondern auch in Ab-hängigkeit von Zeit und Ort. So haben sich ehemalige Luxusgüter wie etwa ein Auto oder ein Farbfernseher im Laufe der Zeit zu alltäglichen Massenprodukten gewandelt (Berry 1994, S. 239 ff.). Mit dem Begriff Luxus werden dabei nicht nur Sachobjekte, sondern auch Dienstleistungen (Gröppel-Klein und Germelmann 2004, S. 187) sowie immaterielle Werte wie Freiheit und individuelles Wohlergehen bezeichnet (Dubois und Laurent 1994, S. 274; Berry 1994, S. 5 ff.). Aus einer wirkungstheoretischen und wahrnehmungsorientierten Perspektive heraus können Luxusgüter unabhängig von der Produktkategorie anhand der nachstehenden konstitutiven Merkmale charakte-risiert werden (Dubois et al. 2001; Meffert und Lasslop 2003, S. 5). Anzumerken ist, dass diese Merkmale individuell aus Sicht der Konsumenten interpretiert wer-den müssen und somit subjektiven und situativen Einflüssen unterliegen (Metz 2008, S. 7). Da im Allgemeinen ein Produkt als Luxusgut bezeichnet wird, sobald dieses von einer Luxusmarke stammt (Jäckel und Kochhan 2000, S. 87 ff.), sind die fol-genden Eigenschaften auch auf Luxusmarken übertragbar (Lasslop 2005, S. 473 f.):• Ein hoher wahrgenommener Preis sowohl mit Blick auf die absoluten Werte als

auch in Relation zu anderen Marken derselben Produktkategorie,• die exzellente Qualität der verarbeiteten Materialien und der anschließenden

Verarbeitung,• die Exklusivität und Einzigartigkeit im Sinne einer Knappheit bzw. schweren Er-

hältlichkeit,• die Ästhetik von Formgebung und Farbe, die einen alle Sinne ansprechenden Er-

lebnisnutzen schafft,• die Historie und Bekanntheit durch einen ganzheitlichen, kontinuierlichen Mar-

kenauftritt und• die Nichtnotwendigkeit, da symbolische Werte die funktionalen Eigenschaften

dominieren: „More than other products, luxury items are bought for what they mean, beyond what they are” (Dubois und Paternault 1995, S. 71).

Zusammenfassend können Luxusprodukte als „the highest level of prestigious brands encompassing several physical and psychological values“ (Wiedmann et al. 2007, S. 3) bezeichnet werden. Diese Definition wird im Folgenden übernommen, wobei die Begriffe Luxusprodukte, Luxusgüter sowie Luxusmarken synonym ver-wendet werden.

2.2   Verhaltensprägende Faktoren und Motive des Luxuskonsums

Gemäß der Konsumsymbolik nutzen Individuen vermehrt Produkte aufgrund ihrer symbolischen Bedeutung, um sich selbst zu definieren und mit ihrer sozialen Um-

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welt zu kommunizieren (Schuster 1994, S. 112 f.; Stihler 1998, S. 55 f.). Eine starke Symbolkraft geht insbesondere von Luxusprodukten aus (Stihler 1998, S. 61), die häufig zum Ausdruck persönlicher Werte dienen: „Many people buy such goods for what they symbolize, (…) and purchasing luxury goods represents an extreme form of expressing one’s values“ (Dubois und Duquesne 1993, S. 43). Während prestigeorien-tierte Konsumenten ihrem gehobenen Lebensstil im Zusammenhang mit einem Gel-tungsmotiv (Veblen 1993, S. 79 ff.) dadurch Ausdruck verleihen, indem sie Luxusgü-ter in der Öffentlichkeit konsumieren (Sihler 2007, S. 178 f.; Bearden und Etzel 1982, S. 185), drücken genussorientierte Konsumenten, die als absolute Kenner auf einem Produktgebiet auftreten, ihren guten Geschmack eher durch privaten oder diskreten Luxus aus (Drissen 2006, S. 74). Auch sozioökonomische Faktoren wie ein höheres verfügbares Haushaltseinkommen oder beruflicher und finanzieller Erfolg beeinflus-sen das Kaufverhalten von Luxusgütern (Dubois und Duquesne 1993, S. 40 ff.).

Mithilfe des Konsums von Luxusmarken befriedigen Individuen somit sowohl individuelle Bedürfnisse wie eigene Wertvorstellungen als auch soziale Bedürfnisse wie die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder Status und Prestige (Belz 1994, S. 647; Meffert und Lasslop 2003, S. 334 ff.; Lasslop 2005, S. 478 f.). Der Pro-zess dieser symbolischen Kommunikation durch Luxuskonsum beinhaltet sowohl eine intrinsische als auch eine extrinsische Funktion (Valtin 2005, S. 49). Die in-trinsische Funktion von Luxusmarken ergibt sich demnach aus Motiven der Selbst-verwirklichung sowie Selbstbelohnung im Sinne einer Übereinstimmung zwischen dem Selbstbild des Konsumenten und dem Markenfremdbild, wodurch es zu einer Festigung oder Erhöhung des Selbstkonzepts kommen kann (Lasslop 2005, S. 479). Wird das Image der Luxusmarke von der relevanten Umwelt der Nachfrager geteilt, fungiert die Marke im Sinne der extrinsischen Funktion und dem Bedürfnis nach Ab-grenzung von bzw. Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen als nonverbaler Kommu-nikationskanal zwischen Individuum und sozialer Umwelt (Lasslop 2005, S. 477 ff.). Der Konsument kann durch die Wahl der Marke folglich eine gezielte Reaktion sei-ner sozialen Umwelt hervorrufen (Dubois et al. 2001, S. 22 f.; Lasslop 2005, S. 479). Erfolgt diese Reaktion in intendierter Weise, führt dies wiederum zu einer Erhöhung oder Bestätigung des Selbstkonzepts des Konsumenten (Lasslop 2005, S. 479).

Unter Einbezug individueller und sozialer Motive des Luxuskonsums nehmen Wiedmann et al. (2007) eine Erweiterung um den funktionalen und finanziellen Nutzen von Luxusgütern vor und arbeiten somit vier Nutzendimensionen eines multidimensionalen Modells zur Erfassung des wahrgenommenen Luxuswertes eines Gutes oder einer Marke heraus, die eine umfassende Betrachtung der Funktio-nen von Luxusmarken aus Konsumentensicht ermöglichen (Wiedmann et al. 2007 und 2009):• Die finanzielle Dimension umfasst die direkten monetären Aspekte, die den di-

rekten Wert des Produkts angeben bzw. die Opportunitätskosten widerspiegeln.• Die funktionale Dimension schließt die Kernleistungen eines Produktes ein, die

sich der Konsument von der Luxusmarke erhofft, etwa die Qualität, die Einzig-artigkeit, die Nützlichkeit, die Zuverlässigkeit und die Haltbarkeit.

• Die individuelle Dimension betrifft die persönliche Einstellung des Konsumen-ten und den Konsum von Luxusgütern aus hedonistischen Gründen, materiellem Streben und zur Stärkung des Selbstwertgefühls.

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• Dem Besitz von Luxusgütern wird innerhalb der sozialen Dimension eine starke interpersonale Funktion zugeschrieben, welche zu einem Nutzen durch Prestige und Auffälligkeit innerhalb einer sozialen Gruppe führt.

Das Verständnis der multidimensionalen Motive des Luxuskonsums ist für ein ge-zieltes Marketingmanagement unabdingbar und stellt damit die grundlegende Vor-aussetzung für den Erfolg von Luxusmarken dar (Wiedmann et al. 2007 und 2009). Im Folgenden wird nun auf Basis der vorstehend skizzierten Dimensionen zur Er-fassung des wahrgenommenen Luxuswertes ein konzeptioneller Bezugsrahmen der multisensualen Ansprache von Luxuskonsumenten vorgestellt.

3   Genese eines konzeptionellen Bezugsrahmens  des multisensualen Luxusgütermarketings

Vor dem Hintergrund eines Wandels hin zur Erlebnisgesellschaft (Schulze 2005, S. 15) verbunden mit dem Verlangen nach einem zusätzlichen Mehrwert von Pro-dukten bzw. Dienstleistungen (Zöller 2006, S. 14), handeln immer mehr Konsu-menten erlebnisorientiert und richten auch ihren Einkauf danach aus (Opaschowski 1995, S. 53; Liebmann und Zentes 2001, S. 546). Als Ergebnis einer Reihe von Emotionen (Weinberg und Nickel 2007, S. 37) setzen sich Erlebnisse durch die Kombination eines objektiv arrangierten Ereignisses, individuellen Erinnerungen sowie der subjektiven Wahrnehmung eines Individuums zusammen (Förster und Kreuz 2006, S. 95). Durch das Anregen der Sinne wird insgesamt ein innerer Prozess ausgelöst, den der Konsument eigens anstrebt (Schulze 2005, S. 40 f.). Erlebniskon-sum bedeutet somit, ein solches Ereignis zu konstruieren und weiterzuentwickeln (Turley und Milliman 2000, S. 209), das auf verschiedenste Wertvorstellungen der Konsumenten eingeht (Weinberg 1992, S. 3) und langfristig in deren Gefühlswelt positiv verankert bleibt. Die Gesamtheit an marketingrelevanten Erlebnissen wird als Erlebniswelt bezeichnet, die den Konsumenten vielfach anspricht und auf eine mehrfache Befriedigung des Strebens nach Erlebnissen setzt (Koller 2005, S. 367). Das Ziel der langfristigen Kundenbindung kann insbesondere bei gleichzeitiger An-regung mehrerer Sinnesorgane erzielt werden (Herbrand 2008, S. 102).

Im Rahmen der Erlebniskommunikation und der Einstellungsbildung einem Produkt bzw. einer Marke gegenüber kommt der simultanen Ansprache der Sin-nesorgane Augen, Ohren, Nase, Mund und Haut besondere Bedeutung zu (Tur-ley und Milliman 2000, S. 193 f.). So sind Individuen eher von etwas überzeugt und weniger misstrauisch, wenn mehrere Sinne gleichzeitig gereizt werden (Roth 1997, S. 145). Zudem lassen sich durch die Mehrschichtigkeit der Sinnesansprache Emotionen intensivieren und zu einem Gesamterlebnis verbinden (Weinberg und Diehl 2001, S. 201). Zusammenfassend kommt Emotionen als Hauptelementen zur Schaffung einer Erlebniswelt entscheidende Bedeutung bei der Aktivierung äußerer Reize bzw. der Sinnesorgane zu (Meffert et al. 2008, S. 111 f.). Um eine Erlebnis-welt zu schaffen, die Zufriedenheit des Konsumenten zu erreichen und diesen zu einem loyalen Kunden zu machen, bedarf es allerdings noch dessen Motivation zur zielführenden Handlung (Beisswenger 2007, S. 43). Als Einflussfaktoren und

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Antriebskräfte des Konsums im Luxusgüterbereich sind in diesem Zusammenhang die in Abschn. 2.2 skizzierten Nutzendimensionen und wahrgenommenen Wertbe-standteile der Luxusmarke anzuführen.

Der in Abb. 1 dargestellte Bezugsrahmen verdeutlicht das Zusammenspiel der wahrgenommenen Nutzendimensionen der Luxusmarke sowie deren wesentlichen Treiber aus Konsumentensicht in Verbindung mit den multisensualen Optionen der erlebnisorientierten Kommunikationsaktivitäten von Unternehmensseite. Aufbau-end auf diesem Bezugsrahmen erfolgt im nachstehenden Abschnitt eine Konkreti-sierung der zentralen Bestandteile, um mögliche multisensuale Gestaltungsoptionen einer erlebnisorientierten Kommunikation im Luxusgütermarketing aufzuzeigen.

4   Ansatzpunkte der multisensualen Kommunikation  im Luxusgütermarketing

4.1   Herausforderungen der wertorientierten Kommunikation  im Bereich von Luxusmarken

Insgesamt betrachtet ist die Kommunikation von Luxusmarken durch eine Zurück-haltung in klassischen Massenmedien gekennzeichnet (Braun 1997, S. 34). Vor-wiegend in hochwertigen Wirtschafts- und Modezeitschriften platziert, tritt das Nutzenversprechen gegenüber symbolischen Botschaften und der Betonung von

Abb. 1   Konzeptioneller Bezugsrahmen

FunktionalerWert

Luxus-wert

FinanziellerWert

IndividuellerWert

SozialerWert

Ökonomischer Nutzen

Identifikationsnutzen

Demonstrationsnutzen

Identifikations-nutzen

HedonistischerNutzen

MaterialistischerNutzen

Gebrauchs-tauglichkeit

Qualitätsnutzen

Einzigartigkeit

Preiswürdigkeit

DemonstrativerNutzen

Prestige-Nutzen

Grundnutzen

Auditive Reize

VisuelleReize

HaptischeReize

Olfakto-rische Reize

Sehen

Fühlen

Riechen

Hören

Gustato-rische Reize

Schmecken

Farben

Formen

Musik/Klänge

Materialien

Düfte

Geschmack

Schaufenster

Location

Beleuchtung

Store Layout

Personal

Dekoration

Design

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Markenästhetik und -inszenierung in den Hintergrund (Kapferer und Bastien 2009, S. 220; Lasslop 2005, S. 488). Der wahrgenommene Kern einer Luxusmarke muss dabei zielgruppenadäquat im Rahmen eines ganzheitlichen Marketings mit Blick auf finanzielle, funktionale, individuelle und soziale Wertbestandteile berücksich-tigt werden (zu den nachstehenden Ausführungen ausführlich Wiedmann et al. 2007 und 2009):• Die finanzielle Nutzendimension kann etwa durch die Korrelation zwischen

Preisniveau und Absatzmenge im Sinne einer Rarität betont werden (Lasslop 2005, S. 485; Braun 1997, S. 83). Überdies gilt im Sinne einer preisorientierten Qualitätsbeurteilung der Preis nicht selten als Indikator für die Qualität einer Marke (Gierl 1995, S. 589). Eine zurückhaltende Rabattpolitik sowie die Sicher-stellung und Kommunikation eines konstanten Preisabstandes zu Nichtluxus-marken innerhalb der jeweiligen Produktkategorie können daher als zentrale Bestandteile der finanziellen Nutzenwahrnehmung von Luxusmarken betrachtet werden (Kapferer und Bastien 2009, S. 189; Keller 2008, S. 291 f.).

• Die funktionale Nutzendimension umfasst die Sicherstellung und Vermittlung einer überragenden Qualität sowohl im Hinblick auf funktionale Produkteigen-schaften als auch in kulturell-ästhetischer Hinsicht (Lasslop 2005, S. 484). Die Generierung einer Anmutungswirkung der Produkte von Luxusmarken erfolgt mithilfe von Form- und Farbgebung sowie grafischen Elementen im Rahmen des Produktdesigns (Kisabaka 2001, S. 165 ff.). Zudem kommt der Wahl einer hochwertigen Verpackungsgestaltung ein hoher Stellenwert zu (Lasslop 2005, S. 484). Überdies zeichnen sich Luxusmarken durch dauerhaft höchste funk-tionale Anforderungen hinsichtlich Zuverlässigkeit und Haltbarkeit, besonderes handwerkliches Geschick und umfassende Qualitätssicherungssysteme aus. Die Kommunikation des Merkmals der Knappheit und Einzigartigkeit etwa über li-mitierte Sondereditionen oder durch selektiven Vertrieb erhöht nicht selten den wahrgenommenen funktionalen Wert einer Luxusmarke (Allérès 1993, S. 195 f.; Kapferer und Bastien 2009, S. 203).

• Luxusmarken eignen sich besonders als symbolische Kommunikationsobjek-te (Meffert und Lasslop 2003, S. 934). Den Kern der individuellen Nutzendi-mension von Luxusmarken bildet deren Konsumsymbolik und Eignung eines Produkts, das idealistische Selbstbild von Konsumenten zu repräsentieren (Sir-gy 1982, S. 287). Insgesamt verbessern Luxusgüter die individuelle Selbstein-schätzung (Dubois et al. 2001, S. 13) und reflektieren ein Selbstbild, nach dem Konsumenten auch unter dem Einfluss ihrer Bezugsgruppe streben (Mehta 1999, S. 81). Darüber hinaus eignen sich Luxusgüter zur Ansprache der hedonistischen und materiellen Facetten des Konsumentenverhaltens, die sich auf Konsumfreu-de bzw. Besitzstreben beziehen (Hirschman und Holbrook 1982, S. 92; Richins und Dawson 1992, S. 304). Individuell nutzenorientierte Konsumenten schätzen Luxusmarken, um durch sie Glück zu erreichen und bewerten mit ihrer Hilfe ihren persönlichen als auch den Erfolg anderer (Vigneron und Johnson 2004, S. 490).

• Die soziale Nutzendimension des Luxuskonsums bezieht sich auf die Bestim-mungsgründe eines status- und prestigegeleiteten Konsumentenverhaltens und

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den Einfluss der jeweiligen Bezugsgruppe auf die konsumierte Marke. Unter Verwendung demonstrativer Luxusgüter signalisieren Konsumenten ihren sozia-len Status sowie eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit (Festinger 1954, S. 137). Luxusmarken zeichnen sich in diesem Zusammenhang durch ihre Demonstra-tionsfunktion und dem Bedürfnis der Konsumenten nach Status und Prestige aus (Leibenstein 1950, S. 202 ff.). Überdies besitzen das Motiv der Konformität und das Bedürfnis der sozialen Anerkennung durch Zugehörigkeit zu einer bestimm-ten Referenzgruppe im Bereich des Luxuskonsums besondere Relevanz (Vig-neron und Johnson 2004, S. 6 f.). Im Gegensatz dazu steht das Bedürfnis nach Differenzierung von Gruppen, die sich eine sehr exklusive Luxusmarke nicht leisten können, indem seltene Luxusgüter Bewunderung und Respekt bei ihrem Besitzer hervorrufen (Valtin 2005, S. 40).

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich das Marketing von Luxusmarken am Markenkern und den wahrgenommenen Nutzendimensionen von Luxusmarken orientiert. Insgesamt muss im Rahmen der Kommunikation von Luxusmarken auf eine inhaltliche, räumliche und zeitliche Abstimmung sowie die Wahrung qualita-tiver Standards geachtet werden: „The magazines selected for advertising (…), the movies in which the brand appears, the celebrities and pop icons seen wearing the brand – all contribute to the brand image“ (Nueno und Quelch 1998, S. 64). Da weniger die Produktinformation über den Preis oder einzelne Produktbestandteile im Vordergrund steht, sondern die Darstellung der Produkte im Kontext des „Ge-fühls“, das mit der jeweiligen Luxusmarke verbunden wird, ist für eine positive Wahrnehmung der markenspezifischen Erlebniswelt die gleichzeitige Ansprache der Sinneswahrnehmungsvorgänge auf Kundenseite entscheidend (Solomon et al. 2001, S. 60).

4.2   Gestaltung und Übermittlung multisensualer Erlebnisse  im Luxusgütermarketing

Beim Kauf von Luxusmarken spielen mehr als bei anderen Marken Aussehen, Ge-räusche, Gerüche, Geschmack, Funktionalität und das Gefühlserlebnis, insgesamt also das persönliche Erlebnis der Produkte und Marken, eine große Rolle (Kapferer und Bastien 2009, S. 208; Okonkwo 2009, S. 304). Um den Konsumenten über die Übermittlung multisensualer Erlebnisse im Rahmen des Luxusgütermarketings eine überwältigende, erinnerungswürdige, unterhaltsame und insgesamt positive Erfahrung zu ermöglichen, ist zwischen visuellen, auditiven, haptischen, olfaktori-schen und gustatorischen Wahrnehmungselementen zu unterscheiden:• Die visuellen Reize stellen den wichtigsten Emotionen auslösenden Faktor dar,

da ein Großteil der Informationsübermittlung über die Augen geschieht. Da bei Luxusmarken in der Markenkommunikation häufig mit dem Image des Desig-ners und symbolischen Botschaften, z. B. der Handwerkskunst und der Historie, gearbeitet wird, liegt es nahe, die Marke zu inszenieren. Dies bedeutet, dass die optischen Eindrücke der Kommunikationselemente für den Kunden eine an-genehme Atmosphäre schaffen müssen. Speziell von Luxusmarken wird insge-

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samt eine äußerst hochwertige und ansprechende Visualisierung gefordert, die auf die gesamte Markenstrategie abgestimmt sein muss, um die Kundenerwar-tungen bezüglich der Exklusivität der Marke erhalten zu können (Okonkwo 2007, S. 188). Die zu beachtenden Kommunikationselemente sind dabei extrem vielfältig, beginnend mit der für die Anregungsphase wichtigen Gestaltung der Werbemittel bis hin zum in der Realisierungsphase bedeutsamen Schaufenster und Interieur des Luxusstores, der einen exklusiven Lebensstil transportiert. Die Farbkombination ist dabei ein Element, das einen hohen symbolischen Cha-rakter aufweist und Unterschiede in der Wirkung auf das menschliche Empfin-den zeigt. So stellt Rot eine anregende, Blau eine beruhigende und Weiß eine kalte, kraftlose Farbe dar (Rompilla 2005, S. 167). Zudem sorgen Farben im typischen Design der Luxusmarke sowie die Verwendung bekannter Logos als Schlüsselelemente für eine eindeutige Wiedererkennung auf Konsumentensei-te. Der Eintritt in eine Erlebniswelt im Sinne einer Traumwelt des Glamours über Betrachten einer Printanzeige, einer unternehmenseigenen Website oder eines Schaufensters kann bei Konsumenten bereits Emotionen auslösen, indem Erinnerungen und Neugierde geweckt werden sowie Vertrautes wieder erkannt wird. Im Innenbereich eines Luxusstores ist auf eine effektive Kombination von Layout, Größe, Dekoration, Farbgebung, Beleuchtung und Warenpräsentation zu achten. Die wohl offensichtlichste visuelle Komponente ist die Farbgebung sowie damit verbunden die Beleuchtung eines Stores. Neben der Beleuchtung können hochwertige Materialen eine angemessene Atmosphäre schaffen und den hohen Design- und Qualitätsanspruch der Kollektionen und Produkte unter-streichen.

• Auditive Reize können durch Musik und Klänge ausgelöst werden, die für eine angenehme bzw. anregende Beschallung sorgen (Grewal et al. 2003, S. 261 f.). Unterschiedliche Geräusche beeinflussen dabei unterbewusst die Gefühlslage und Stimmung von Konsumenten, sodass der Kunde entspannter ist und das Kaufverhalten positiv beeinflusst wird (Blood et al. 1999, S. 383; Tauchnitz 1990, S. 38 ff.): „You can look away from many things in a store, but you can’t listen away from sound” (Fickes 1999). Die auditive Wahrnehmung kann somit bewusst wahrgenommen werden, geschieht allerdings auch ungewollt und damit intuitiv (Hellmann und Schrage 2005, S. 188). In einem Werbespot oder einem Luxusstore sind mit Blick auf den Sound die Faktoren Lautstärke, Geschwindig-keit, Tonhöhe, Jingles und Störgeräusche zu beachten (Salzmann 2007, S. 28). Studien belegen Unterschiede der Wirkungen auf das Konsumentenverhalten. Während Popmusik, die relativ schnell und etwas lauter ist, die Kunden zu Im-pulskäufen anregen soll (Baun 2003, S. 154), wobei sich die Verweildauer in Grenzen hält, ist in einem Luxusstore hingegen eine ruhigere Hintergrundmusik typisch, die zu einer längeren Verweildauer einlädt.

• Die Haut als Sinnesorgan beeinflusst die haptische Wahrnehmung von Sinnes-reizen. Neben der Berührung und der Möglichkeit Produkte zu ertasten, gehören auch Temperaturreize zur Haptik (Winkelmann 2006, S. 209). Somit ist es für eine ganzheitlich konstruierte Erlebniswelt wichtig, dass eine positive Wahr-nehmung über eine „Wohlfühltemperatur“ herrscht. Die haptischen Wahrneh-

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mungselemente sind gerade in einem Luxusstore entscheidend, da der Kunde hier die Möglichkeit hat, das physische Produkt erstmalig zu spüren. Neben der wahrgenommen Ästhetik kann somit auch die hochwertige Qualität entdeckt werden. Um ein ganzheitliches Fühlen zu schaffen, wird in den Verkaufsräumen von Luxusstores oft ein hochwertiger Teppich anstatt Steinböden verwendet, um Wohlfühlatmosphäre zu vermitteln und der Tatsache Rechnung zu tragen, dass sich Kunden auf glatten Böden schneller bewegen, was eine kürzere Verweildau-er an den präsentierten Waren zur Folge hätte.

• Düfte und Gerüche zur olfaktorischen Wahrnehmung sind in den vergangenen Jahren ebenfalls in den Fokus von Marketingaktivitäten gerückt. Es hat sich ge-zeigt, dass Düfte wie auch Farben und Musik je nach Einsatz eine beruhigende oder anregende Wirkung vermitteln können (Knoblich et al. 2003, S. 5 f.) sowie bestimmte Erinnerungen wachrufen (Lorenz 2008, S. 120). Die olfaktorische Komponente innerhalb eines Luxusgüterstores umfasst Düfte, Gerüche und die wahrgenommene Frische. Da viele Luxusmarken auch Düfte und Kosmetika im Sortiment führen, hat diese Komponente im Bezug auf verschiedene Storekon-zepte an Bedeutung gewonnen. Zur Schaffung einer Erlebniswelt für den Kun-den ist somit der Duft der Hausmarke ebenfalls Grundlage, um Emotionen der Vertrautheit zu wecken. Beim Einsatz von Düften zur olfaktorischen Reizung ist aber entscheidend, dass der Geruch von den Kunden nicht als störend empfunden wird.

• Als fünfter Sinn sind die Geschmacksnerven zu nennen, die durch Essen und Trinken gustatorische Reize auslösen. Viele Luxusmarken versuchen auch in ihren Geschäften alle Sinne anzusprechen, ohne den Geschmackssinn auszu-schließen. Wie auch bei der Aufnahme von Düften in das Sortiment neigen im-mer mehr Luxusgüterhersteller dazu, neben den Stammprodukten auch luxuriöse Waren für den Verzehr zu produzieren. Giorgio Armani, Roberto Cavalli oder Pierre Cardin bieten eigens für ihre Marke produzierte Süßigkeiten, Schokola-de, Wein, Champagner, Wodka oder Kaffee an. Zudem kann bei Kunden auch durch das Servieren eines Champagners der fünfte Sinn angesprochen werden und ebenfalls positive Emotionen auslösen (Okonkwo 2007, S. 87).

Zusammenfassend ist die ganzheitliche Sinnesansprache eine der wesentlichen He-rausforderung für die Markenkommunikation im Bereich von Luxusgütern, da die Wirkung der Elemente dann besonders hoch ist, wenn die Informationen multi-sensual unter gleichzeitigem Einsatz mehrerer Reizmodalitäten vermittelt und von der Zielgruppe als sinnliches Erlebnis aufgenommen werden (Weinberg und Diehl 2001).

5   Fazit

Luxusmarken versprechen eine sinnliche Erfüllung über funktionale Produkteigen-schaften und den reinen Besitz hinaus. Das Marketing von Luxusgütern erfordert ein umfassendes Verständnis der multisensualen Treiber, auf die Kunden besonders

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emotional reagieren. Der ehemalige Geschäftsführer für internationale Entwick-lung bei Hermès, Christian Blanckaert, fasste die Bedeutung von Emotionen für die Luxusgüterbranche wie folgt zusammen: „Hérmes is not in the luxury business; Hérmes is in the dream business. Our object is to charm, to surprise.“ Während mit Blick auf global vertretene Luxusmarken überragende Produkteigenschaften und perfekter Service als Standard gelten, werden künftig erfolgreiche Luxusmarken „diejenigen sein, die es schaffen, großartige Träume zu verkaufen“, erklärt entspre-chend der Präsident von Baccarat, Victor Luis.

Das Ziel des vorliegenden Beitrags bestand in der Identifikation möglicher Ge-staltungsansätze, die im Rahmen der Schaffung einer multisensualen Erlebniswelt im Luxusgütermarketing von besonderer Bedeutung sind. Die Kommunikation unter Einbezug multisensualer Elemente erfordert neben der strategischen Aus-richtung einer Luxusmarke auch die operative Umsetzung an der Schnittstelle zum Kunden (Haase und Krafft 2005, S. 87). In diesem Zusammenhang wurden die rele-vanten theoretischen Grundlagen des Luxusgütermarketings und der wesentlichen Nutzendimensionen aus Kundensicht herausgearbeitet und in einem konzeptionel-len Bezugsrahmen den visuellen, auditiven, haptischen, olfaktorischen und gusta-torischen Wahrnehmungselementen gegenübergestellt. Festzuhalten bleibt, dass ein multisensuales Erlebnis das Ergebnis des simultanen Zusammenspiels einer Reihe von Emotionen ist, die im Gehirn durch die Reizung von Wahrnehmungselementen ausgelöst werden.

Für das Luxusgütermarketing bedeutet dies, eine Erlebniswelt der harmonischen Zusammensetzung der reizauslösenden Faktoren zu inszenieren, die stimmig in das Luxusmarkenimage eingebettet ist. Im Rahmen des Beitrags konnte gezeigt werden, dass es – intendiert oder nicht – automatisch zu einer multisensualen Wahrnehmung kommt, da Individuen etwa Geräuschen nicht entkommen können. Da jeder Stör-faktor bzw. jede strategisch und operativ nicht beachtete Sinneswahrnehmung zu einem vorzeitigen Abbruch des Kaufentscheidungsprozesses führen kann, wird die enorme Relevanz einer vertiefenden Erforschung dieser Thematik deutlich. Hierbei wird offensichtlich, dass zur gezielten Umsetzung eines multisensualen Marketing-ansatzes im Luxusgüterbereich noch vertiefende Untersuchungen im Bereich des Neuromarketings erforderlich sind. Diesbezüglich wären Primäranalysen sinnvoll, die Erkenntnisse liefern, welche Elemente in ihrer Kombination welche impliziten Eindrücke fördern, um letztlich die Inszenierung und Positionierung von Luxus-marken entsprechend zu optimieren und ein sinnliches Erlebnis zu konstruieren.

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Zusammenfassung 

In der heutigen reizüberfluteten Medienwelt werden im Bereich der Printwer-bung nur ca. zwei Prozent der abgedruckten Werbeinformationen aktiv von den Lesern wahrgenommen. Werbetreibende setzen daher zunehmend auf innovative formale Gestaltungselemente im Rahmen ihrer Printwerbung, um aus der Masse der Werbedarbietungen herauszustechen und bei den Konsumenten ein Leseer-lebnis zu kreieren. Hierfür erfährt die Drucktechnik der Hochveredelung, welche sich durch die Kreation von Glanzeffekten, haptischen Elementen und Premium-Papierqualität auszeichnet, in der Werbepraxis zunehmende Beliebtheit. Trotz deren hoher Praxisrelevanz fehlen wissenschaftliche Untersuchungen zu dem Themengebiet gänzlich. Das Ziel des vorliegenden Beitrags besteht darin, die in-novative Printtechnik der Hochveredelung, gestützt auf eine experimentellen Er-hebung hinsichtlich der dadurch generierten Werbewirkung, zu untersuchen. Die Ergebnisse dieser Studie belegen eine einzigartigere und prestigeträchtigere Be-urteilung hochveredelter Printwerbung im Vergleich zu nichtveredelten Druck-stücken. Die Hochveredelung eines Printmediums führt zudem zu einem Über-raschungserlebnis, dem sogenannten Perceived-„Wow“-Effekt. Darüber hinaus weist die Studie neben einer positiveren Einstellung seitens der Konsumenten zu Werbung und Marke eine höhere Kauf- und Weiterempfehlungsbereitschaft durch hochveredelte vs. konventionelle Printtechnik nach.

Mit hochveredelten Printmedien ein Leseerlebnis schaffen

Hans H. Bauer, Daniel Heinrich und Stefan Hampel

D. Heinrich ()Universität Mannheim, Mannheim, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_15, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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1   Hochveredelung macht Printwerbung erlebbar

Sonderwerbeformen, zu denen die hochveredelte Printwerbung zählt, stellen das „gewisse Extra“ dar, um der immer schwieriger werdenden Erreichbarkeit der Konsumenten entgegenzuwirken (Bücker 2007). Mit den innovativen Gestaltungs-formaten der Hochveredelung wird eine erlebnisorientierte Wirkung verbunden, welche die Aufmerksamkeit der Betrachter weckt. Beispielsweise wird durch den Einsatz hochveredelter Printtechnik ein schnelles Weiterblättern verhindert (Stadik 2002; Bücker 2007). Trotz des großen Praxiseinsatzes von Sonderwerbeformen im Allgemeinen und hochveredelten Printmedien im Speziellen fehlen bislang wissen-schaftliche Untersuchungen zu deren Werbewirkung (Stadik 2002; Fösken 2006). Die Zielsetzung des vorliegenden Beitrags besteht daher darin, die existente For-schungslücke zu schließen.

Die Bruttoinvestitionen für Sonderwerbeformen in Publikumszeitschriften stiegen in der Zeit von 1999 bis 2006 allein um über 70 % (Fösken 2006). Im an sich rückläufigen klassischen Anzeigengeschäft legten sogenannte Special-Ads, also Sonderwerbeformen, gegen den Trend in den letzten Jahren weiter deutlich an Umsatz zu und machen inzwischen einen Anteil von über 10 % des Anzeigen-umsatzes aus. Auch die klassischen Zeitungsverbände, wie der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und der Bundesverband Deutscher Anzeigen-blätter (BDVA), stehen dem Thema Sonderwerbeformen aufgeschlossen gegenüber (Gieseking 2003). Trotz der höheren Kosten für Sonderwerbeformen (Fösken 2005) gewinnen diese laut dem Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) immer mehr an Bedeutung (Rehberger 2003). Die Zeitung Die Welt sorgte bundesweit für Aufsehen, als sie hochveredelte Drucktechnik zur Eröffnung der AOL-Arena in Hamburg einsetzte und die Titelseite in blau färbte (Gieseking 2003). Die Marke Rolex warb beispielsweise in einer Ausgabe der Zeitschrift Focus mit einer hoch-veredelten Anzeige mit aufgedampftem Gold-Silber-Druck. Die Firma Miele ver-edelte eine ihrer Produktbroschüren mit haptischen Wassertropfen, um das Wasch-erlebnis greifbarer zu machen. Die genannten Beispiele werden in Abb. 1 illustriert.

In Deutschland beträgt in Bezug auf Printmedien die Informationsüberlastung zwischen 95 und 98 %. Von den in Druckmedien angebotenen Werbeinformatio-nen nehmen Konsumenten damit nur circa 2 bis 5 % wahr, der Rest bleibt nahezu wirkungslos (Kroeber-Riel et al. 2009; Esch 2008a). Esch (2006) spricht in diesem Zusammenhang von einer Verschiebung vom Produkt- zum Kommunikationswett-bewerb. Das Wachstum der Onlinemedien, welche mit hohen Reichweiten und zu-gleich günstigen Kosten aufwarten können, ist als stärkste Konkurrenz der Print-werbung zu klassifizieren (Belch und Belch 2009). Dennoch liegen die Ausgaben für Printwerbung im Vergleich aller Medien weltweit weiter auf Platz 1. Dabei stie-gen die Bruttowerbeausgaben für klassische Medien in Deutschland in den ersten sieben Monaten 2010 auf über 13 Mrd. Euro, wobei Printmedien noch den Löwen-anteil mit ca. 5 Mrd. Euro ausmachen (Nielsen Media Research 2010).

Angesichts der beschriebenen Entwicklung sehen sich Werbetreibende gestie-genen Herausforderungen gegenüber, wie sie die Aufmerksamkeit der Rezipienten weiterhin erreichen können. Der Suche nach Möglichkeiten zur Generierung eines

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Kommunikationserlebnisses kommt demnach eine immer höhere Bedeutung zu (Meffert et al. 2008) und erfordert von Unternehmen nicht zuletzt in der Werbege-staltung Mut zu Innovationen, um zumindest dort eine Differenzierung vom Wett-bewerb zu erlangen (Arens et al. 2009). Eine erlebnisorientierte Kommunikation ist insbesondere auf gesättigten Märkten ein strategischer Erfolgsfaktor, um die Gunst der Konsumenten zu erlangen (Esch 2008b).

2   Definitorische und konzeptionelle Grundlagen

In der wissenschaftlichen Literatur existieren eine Vielzahl unterschiedlicher Defi-nitionen von „Werbung“, woraus Richards und Curran (2002, S. 74) folgende De-finition konzipieren: „Advertising is a paid, mediated form of communication from an identifiable source, designed to persuade the receiver to take some action, now or in the future.“ Speziell für Werbung in Printmedien wird in der wissenschaftli-chen Literatur häufig der Begriff Advertisement verwendet (z. B. Djafarova 2008; Abernethy und Laband 2004). Grønhaug et al. (1991) definieren Advertisements als kostenpflichtige, zielorientierte Aktivitäten, bei denen Werbetreibende versuchen, ihre Zielgruppen hinsichtlich Einstellungen, Präferenzen und der Kaufabsicht für ihre Produkte positiv zu beeinflussen.

Aus letztgenannter Begriffsbestimmung werden mögliche Ziele der Werbung deutlich, die in der Beeinflussung von Konsumenten bestehen. Weilbacher (2001, S. 19) fordert dabei „advertising must […] produce some mental change in the consumer“. Solche kommunikativ-psychischen Größen werden dem Begriff der Werbewirkung zugeordnet (Herrmanns 1979). Hingegen werden unter dem Werbe-erfolg ökonomische Dimensionen wie Werbegewinn, Werbeertrag oder Marktanteil verstanden (Kloss 1998).

Abb. 1   Beispiele für hochveredelte Printmedien

Mit hochveredelten Printmedien ein Leseerlebnis schaffen

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Printmedien sind als gedruckte und transportable Werbeträger definiert (Bruhn und Homburg 2004) und können in vielfältiger inhaltlicher und/oder formaler Weise gestaltet werden. Die Hochveredelung stellt eine solche formale Gestaltungsmög-lichkeit der Printwerbung dar und ist als Sonderwerbeform zu betrachten. Sonder-werbeformen, auch Special Ads oder Ad Specials genannt, sind spezielle, von der Norm divergierende formale Gestaltungsvarianten eines (Print-)Mediums (Bücker 2004; Fösken 2003; Fösken 2006). Diese Werbeformen heben sich dabei von der traditionellen Werbegestaltung in vielfältiger Form ab. Beispielsweise sei die Ver-wendung von Duftstoffen, Hologrammen, Lenticular-Technik und akustischen Bei-lagen in Printmedien genannt.

Die Hochveredelung wird im Rahmen des vorliegenden Beitrags durch drei Aus-prägungen operationalisiert: Unter dem Terminus Glanz der Printwerbung (GLO) werden durch spezielle Drucktechniken generierte optische Glanzeffekte subsu-miert. Die Verwendung haptischer Elemente (HAP) im Printmedium als zweite Determinante ist durch tast- und fühlbare Ausprägungen bzw. Ausstanzungen des Papiers gekennzeichnet. Als drittes Element der Hochveredelung wird die verwen-dete Papierqualität (PAP) betrachtet. Hierunter wird die in g/m2 gemessene Dichte des verwendeten Papiers verstanden. Papier von höherer Dichte zeichnet sich dabei durch geringere Transparenz und höhere Festigkeit aus.

Um der Frage nachzugehen, ob die Hochveredelung als formales Gestaltungs-element der Printwerbung ausgewählte Werbeeffektmaße signifikant beeinflusst, wird im folgenden Abschnitt ein zu testendes Hypothesensystem generiert.

3   Herleitung eines Hypothesensystems zur Erklärung  der Wirkung hochveredelter Printwerbung

3.1   Determinanten der Hochveredelung

Innerhalb der vorliegenden Studie werden die Determinanten der Hochveredelung – Glanz des Werbestimulus, die Verwendung haptischer Elemente und die Papierqua-lität – als Manipulation-Check verwendet. „Manipulation checks assess the ‚take‘ of the manipulation, and it is hoped that the pattern of intended treatment effects are observed on these indicators“ (Sawyer et al. 1995, S. 581). Es soll damit überprüft werden, ob hochveredelte Printwerbung durch die formale Gestaltung im Vergleich zur unveredelten Version des Werbestimulus auch als hochveredelt wahrgenommen wird. Die theoretische Fundierung des Manipulation-Checks zu den Determinanten der Hochveredelung liefert die Wahrnehmungspsychologie. Die Wahrnehmung ist dabei als „bewusste sensorische Erfahrung“ (Goldstein 2008, S. 6) definiert. Unter Wahrnehmung ist aus psychologischer Sicht ein Prozess zu verstehen „… in dessen Verlauf der distale Reiz aus Informationen des proximalen Reizes erschlossen wird“ (Zimbardo und Gerrig 2008, S. 114). Unter distalen Reizen sind dabei äußere Ge-gebenheiten im Sinne von physikalischen Objekten oder Ereignissen zu verstehen, die bemerkt und wahrgenommen werden. Direkt abhängig davon ist der proximale

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Reiz, welcher die Sinnesaktivität darstellt (Zimbardo und Gerrig 2008). Dies ver-deutlicht die Notwendigkeit von Manipulation-Checks, da objektive Gegebenheiten subjektiv unterschiedlich wahrgenommen werden können. Die Studie überprüft da-bei, ob die objektiv vorhandenen hochveredelten Elemente der Werbestimuli auch subjektiv wahrgenommen werden. Daraus resultieren folgende Hypothesen:

H1: Bei der hochveredelten Printversion wird der Glanzeffekt des Werbestimulus stärker wahrgenommen als bei der unveredelten Version.

H2: Bei der hochveredelten Printversion werden die haptischen Elemente des Werbestimulus stärker wahrgenommen als bei der unveredelten Version.

H3: Bei der hochveredelten Printversion wird die Papierqualität des Werbesti-mulus hochwertiger beurteilt als bei der unveredelten Version.

3.2   Der Einfluss hochveredelter Elemente  auf ausgewählte Konstrukte

3.2.1   Einzigartigkeit der Werbung

Durch einzigartig gestaltete Werbung (UAD) können sich Unternehmen kommu-nikationspolitisch von ihren Wettbewerbern differenzieren (Boulding et al. 1994). Gemäß der „what is scare is also good – Heuristik“ von Snyder (1992) profitieren Unternehmen dabei durch eine seltene, einzigartige Werbegestaltung von einer hö-heren Wertschätzung, die sich in einer positiveren Bewertung der Werbung durch die Konsumenten niederschlägt. Differenziell oder außergewöhnlich gestaltete Werbung bezeichnen Wells et al. (1971, S. 13) als „distinguished from the run of the mill“.

Netemeyer et al. (2004) postulieren, dass Werbung, die durch „differentiating advertising claims“ gestaltet ist, zu höherer wahrgenommener Einzigartigkeit führt. Wells et al. (1971) gehen dabei von einer einzigartigen Beurteilung differenziell gestalteter Werbung aus. Es wird dabei vermutet, dass die hochveredelten Elemente diese spezielle, differenzierte Gestaltung verkörpern, was in folgender Hypothese resultiert:

H4: Hochveredelte Printwerbung wird von Konsumenten als einzigartiger wahr-genommen als unveredelte Printwerbung.

3.2.2   Prestige

Grundsätzlich lässt sich Prestige als eine Art Wertschätzung definieren, die ein In-dividuum durch andere erfährt und somit sozialen Belohnungswert darstellt (Adl-warth 1983). Prestigeorientierte Marken stellen ein Mittel für Konsumenten dar, um ihr Selbstkonzept auszudrücken (Park et al. 1991). Die Beurteilung des Prestiges von Marke (PBR) und Werbung (PAD) ist als subjektives, wertendes Urteil der Konsumenten hinsichtlich der Wertschätzung und Exklusivität der Marke bzw. der Werbeanzeige definiert (Dubois und Czellar 2002).

Mit hochveredelten Printmedien ein Leseerlebnis schaffen

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Für eine prestigeträchtige Beurteilung werden in der Literatur Kriterien wie das der Besonderheit, des Außergewöhnlichen, der Extravaganz, der Auffälligkeit, der ästhetischen Attraktivität, der Statusträchtigkeit oder der Exklusivität gefordert (Kirmani et al. 1999; Vigneron und Johnson 1999). Es wird hierbei angenommen, dass durch die Hochveredelung die angeführten Merkmale der Prestigeträchtigkeit stärker ausgeprägt sind als in der unveredelten Version des Werbestimulus. Dadurch wird vermutet, dass gemäß den Erkenntnissen der Gestaltpsychologie die einzelnen prestigeträchtigen Merkmale der Hochveredelung in einer prestigeträchtigeren Be-wertung hochveredelter Printwerbung resultieren (Schlosser 2003; MacInnis und Price 1987). Basierend auf den theoretischen Überlegungen wird folgende Hypo-these formuliert:

H5: Hochveredelte Printwerbung wird von Konsumenten als prestigeträchtiger wahrgenommen als unveredelte Printwerbung.

Gemäß Dahléns Ausführungen des Congruity Principles (Dahlén 2005) wird an-genommen, dass die (durch die Hochveredelung vermutete) höhere Prestigeträch-tigkeit des Werbestimulus auch auf die Marke übertragen wird. „The medium and the advertised brand converge and become similar in consumers’ minds.“ Assmus (1978, S. 4) spricht dazu von „vehicle source effects“ und belegt empirisch den Ein-fluss des Werbemediums auf die Wahrnehmung der beworbenen Marke. Weiter fun-diert wird die aus der Hochveredelung resultierende prestigeträchtige Beurteilung der Marke durch die in der wissenschaftlichen Forschung oft nachgewiesene Match-Up-Hypothese (Till und Busler 2000; Kamins 1990; Solomon et al. 1992). Werb-liche Bestandteile suggerieren demnach Informationen, die sich auf die Bewertung der beworbenen Marke niederschlagen können. Kamins (1990, S. 5) schreibt dazu: „This ‚match up‘ hypothesis … suggests that the visual imagery contained in the ad conveys information over and above that contained in explicit verbal arguments.“ Aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen wird folgende Hypothese abgeleitet:

H6: Durch hochveredelte Printwerbung wird die Marke von Konsumenten als prestigeträchtiger wahrgenommen als durch unveredelte Printwerbung.

3.2.3   Perceived „Wow“

Mit dem Perceived „Wow“ (WOW) wird ein neues Konstrukt generiert. Das Percei-ved „Wow“ ist als emotionale Erregung der Rezipienten, ausgelöst durch eine be-eindruckende, faszinierende, neuartige oder überraschende Gestaltung der Print-werbung, definiert. Das Konstrukt dient somit zur Beurteilung der affektbezogenen Effektivität einer Werbemaßnahme, im Sinne des dadurch generierten Erlebnisge-halts. Edell und Burke (1987, S. 430) postulieren dazu „feelings matter in assessing the effectiveness of advertising“.

Emotionen sind innere Erregungen, die angenehm oder unangenehm empfunden und mehr oder weniger bewusst erlebt werden (Kroeber-Riel et al. 2009). Ausgelöst werden können diese durch einen Werbestimulus, wie ihn die (hochveredelte) Print-

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werbung darstellt (Kover und Abruzzo 1993; Edell und Burke 1987). Wie Berlyne anführt, sind besonders neuartige Reize dazu geeignet, Erregung hervorzurufen. Er begründet dies gemäß seiner Habituation Hypothese damit, dass neuartige Stimuli „… noch keine Gelegenheit gehabt haben, Wirkungen zu verlieren …“ (Berlyne 1974, S. 41). Erkenntnisse von Mayer und Illmann (2000) belegen eine faszinieren-de Wahrnehmung neuartiger Gestaltungsmöglichkeiten. „People react emotionally to an unexpected stimulus“, wie Ang und Low (2000, S. 838) konstatieren.

Wie in den vorangegangenen Ausführungen dargelegt, ist es möglich, durch Überraschung, Neuartigkeit, Beeindruckung oder Faszination ein Perceived „Wow“ hervorzurufen. Ang und Low (2000) fordern dafür für einen Stimulus eine von der Norm divergierende, einzigartige oder originelle Gestaltung. Dies ist durch die Hochveredelung gegeben. Holbrook und Zirlin (1985, S. 21) schreiben ästhetisch gestalteten Reizen dabei die Wirkung einer „experience that is enjoyed purely for its own sake without regard for other more practical considerations“ zu. Dass in Ab-hängigkeit von formaler Werbegestaltung die emotionale Erregung bei Rezipienten beeinflusst werden kann, belegen empirische Ergebnisse von Sundar und Kalya-naraman (2004). Die Autoren weisen dabei für Onlinewerbung nach, dass die Ver-wendung von Fast vs. Slow Animation Ads zu einem höheren Arousal führt. Weiter identifizieren Day et al. (2006) in einer Studie die Verwendung von Flash Ban-ners als Quelle emotionaler Erregung. Die Hochveredelung stellt dabei in Adaption an Printmedien ebenfalls eine formale Gestaltungsmöglichkeit dar, durch die eine höhere emotionale Erregung in Form des Perceived „Wow“ als durch unveredelte Printwerbung vermutet wird. Folgende Hypothese resultiert aus den wissenschaft-lichen Erkenntnissen und angeführten Überlegungen:

H7: Hochveredelte Printwerbung führt zu einem höheren Perceived „Wow“ als unveredelte Printwerbung.

3.2.4   Einstellung

Die Einstellung zur Werbung (AAD) ist nach Park und Young (1986, S. 12) als „an individual’s evaluation of and/or affective feelings about an advertisement“ defi-niert. Lutz (1985) bezeichnet die AAD als individuelle Prädisposition, in einer posi-tiven oder negativen Weise gegenüber einem Werbestimulus zu reagieren. Die Ein-stellung zur Marke (ABR) ist analog als subjektive, innere Bewertung einer Marke durch ein Individuum definiert (Mitchell und Olson 1981).

MacKenzie und Lutz (1989) machen im Rahmen ihres Attitude Toward The Ad Modells (ATTA) die Wahrnehmung eines Werbemittels (Ad Perception) als eine der fünf Hauptdeterminanten der Einstellung zur Werbung aus. „Ad perceptions are de-fined as a multidimensional array of consumer perceptions of the advertising stimu-lus, including executional factors but excluding perceptions of the advertised brand“ (MacKenzie und Lutz 1989, S. 51). Da die formale Gestaltung eines Werbestimulus einen solchen Executional Factor darstellt, begründet sich daraus in Abhängigkeit der Veredelung der Printwerbung ein unterschiedliches Niveau zur Einstellung zur Wer-bung (MacKenzie und Lutz 1989). Modellgemäß wird damit durch eine intensivier-

Mit hochveredelten Printmedien ein Leseerlebnis schaffen

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258

te Gestaltung eines Werbestimulus mit Execution Characteristics, welche die hoch-veredelten Elemente in Bezug zur Studie darstellen, eine positivere Einstellung zur Werbung vermutet als durch unveredelte Printwerbung ohne Execution Cues (Shimp 1981). Eine positivere Einstellung zur Werbung führt gemäß dem ATTA-Modell auch zu einer positiveren Einstellung zur Marke (Mitchell 1986; Sicilia et al. 2006).

Experimentelle Ergebnisse von Lohse und Rosen (2001) belegen, dass hoch-qualitative, farbige, in Fotoqualität gedruckte Werbeanzeigen zu einer positiveren Einstellung zur Werbung führen, als schwarz-weiß in Line-art-Qualität gedruckte Werbeanzeigen. Eine signifikante Steigerung der Einstellung zu Werbung und Mar-ke durch Congruent Creative Media Choice im Vergleich zu traditioneller Zeitungs-werbung dokumentieren empirische Studienergebnisse von Dahlén (2005). Auf der Grundlage der theoretischen und empirischen Erkenntnisse und Überlegungen wer-den folgende Hypothesen formuliert:

H8: Hochveredelte Printwerbung führt bei Konsumenten zu einer positiveren Einstellung zur Werbung als unveredelte Printwerbung.

H9: Hochveredelte Printwerbung führt bei Konsumenten zu einer positiveren Einstellung zur Marke als unveredelte Printwerbung.

3.2.5   Kaufabsicht

Die Kaufabsicht (PIN) wird in vorliegender Studie als individuelle Absicht des Er-werbs eines bestimmten Produktes oder einer bestimmten Marke verstanden (Young et al. 1998; Morrison 1979; Dodds et al. 1991).

Eine höhere Kaufabsicht durch hochveredelte Printwerbung wird durch das Modell von Schlosser (2003) zum Einfluss von mentalen Bildern auf Verhaltens-absichten fundiert. MacInnis und Price (1987, S. 473) sprechen dabei von Mental Imagery als „processsing mode in which multisensory information is represented in a gestalt form in working memory“. Durch die hochveredelten Elemente ist eine multisensorische Wahrnehmung der Printwerbung auf haptischem und visuellem Weg möglich, die in der Gesamtwahrnehmung der Hochveredelung in der zitierten „gestalt form“ resultiert. Schlosser (2003) postuliert in ihrem Modell dabei einen direkten positiven Einfluss von mentalen Bildern auf die Kaufabsicht. Dabei weist sie nach, dass in Abhängigkeit der formalen Gestaltung eine interaktive Gestaltung zu „more vivid mental images“ und zu einer höheren Kaufabsicht führt als eine pas-sive Gestaltung. Analog wird dazu eine durch die hochveredelte im Vergleich zur unveredelten Printwerbung einhergehende höhere Kaufabsicht vermutet. Krishnan und Jain (2006, S. 1957) schreiben dazu: „Advertising is one of the key marketing tools managers have at their disposal to influence their customers into purchasing“.

Eine in Abhängigkeit der formalen Gestaltung der Werbung variierende Kaufab-sicht von Individuen belegen zahlreiche empirische Studienergebnisse. Eine aktuelle Erhebung von Burda Community Network und der Verlagsgruppe Milchstraße weist eine Steigerung der Kaufabsicht um 117 % durch die Verwendung eines Folienbei-hefters im Vergleich zu klassischer Anzeigengestaltung nach. Dass der Einsatz von Touch-Elementen in einer Werbebroschüre zu einer Steigerung der Verhaltensabsicht führen kann, wird durch ein Experiment von Peck und Wiggins (2006) deutlich. Mi-

H. H. Bauer, D. Heinrich und S. Hampel

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niard et al. (1991) belegen in ihrer Studie eine höhere Kaufabsicht, die durch die Ver-wendung von attraktiven Bildern in der Werbung im Gegensatz zu weniger attraktiven Bildern hervorgegangen ist. Eine signifikante Steigerung der Kaufabsicht durch die Verwendung von High vs. Low Imagery Advertisements weisen Bolls und Muehling (2007) empirisch nach. Basierend auf den theoretischen und empirischen Erkenntnis-sen sowie den angeführten Überlegungen wird folgende Hypothese aufgestellt:

H10: Hochveredelte Printwerbung führt zu einer höheren Kaufabsicht der Kon-sumenten als unveredelte Printwerbung.

3.2.6   Weiterempfehlungsbereitschaft

Im Rahmen dieses Beitrags wird der Definition der Weiterempfehlungsbereit-schaft (WOM) von Arndt (1967, S. 190) als „oral, person-to-person communication between a perceived non-commercial communicator and a receiver concerning a brand, a product, or a service offered for sale“, ergänzt mit dem Verständnis von Rö-thlingshöfer (2008), gefolgt, das die Informationsübertragung durch Bilder, Videos oder jeder anderen Kommunikationsmöglichkeit inkludiert.

Klassische Medien fungieren den Ausführungen von Keller (2007) zufolge als positive Einflussfaktoren der Weiterempfehlungsbereitschaft. Empirische Resultate von Bayus (1985) belegen, dass Werbung ein geeignetes Mittel darstellt, um die Weiterempfehlungsbereitschaft für den Werbeinhalt zu steigern. Den Kriterien der Exklusivität und Überraschung, welche durch die Hochveredelung stimuliert wer-den, wird dabei äußerste Wirksamkeit zugeschrieben, um Mundpropaganda anzure-gen und zu steigern (Röthlingshöfer 2008). Wilson (1991) empfiehlt zur Steigerung der Weiterempfehlungsbereitschaft, attraktive Präsentationsformen für den werbli-chen Inhalt einzusetzen. Den Ergebnissen von Bone (1992) zufolge stellt Neuartig-keit eine Determinante der Weiterempfehlungsbereitschaft dar. Allsop et al. (2007) machen die persönliche Erfahrung als zentrale Einflussgröße auf die Weiteremp-fehlungsbereitschaft aus. Da hochveredelte Printwerbung durch haptische Elemente oder Glanzeffekte einen direkten Kontakt ermöglicht und die genannten Kriterien der Exklusivität, Attraktivität und Neuartigkeit aufweist, wird eine damit einherge-hende höhere Weiterempfehlungsbereitschaft vermutet. Es gilt:

H11: Hochveredelte Printwerbung führt zu höherer Weiterempfehlungsbereit-schaft der Konsumenten als unveredelte Printwerbung.

4   Empirische Überprüfung des Hypothesensystems

4.1   Untersuchungsdesign und Datenerhebung

Zur Untersuchung der Wirkung hoch- vs. unveredelter Printwerbung kommt neben der Werbeanzeige in einer Publikumszeitschrift eine Werbebroschüre zum Einsatz.

Mit hochveredelten Printmedien ein Leseerlebnis schaffen

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260

Als Werbeanzeige wird eine reale, in der Publikumszeitschrift Focus erschienene Werbeanzeige der Marke Rolex verwendet. Die Anzeige ist durch eine spezielle Drucktechnik zur Erzeugung von Glanzeffekten hochveredelt und hebt sich weiter durch die Verwendung besonders hochwertigen und festen Papiers von der rest-lichen Zeitschrift ab.

Als zweites Printmedium wird die real existierende Werbebroschüre der Marke Miele des Premiumprogramms Elektrogeräte Haushalt verwendet. Die Broschü-re ist durch die Veredelung mittels tastbarer, haptischer Elemente der Deckseite, durch spezielle Drucktechnik generierte Glanzeffekte sowie des Drucks auf be-sonders hochwertigen und festen Papiers gekennzeichnet. Um testen zu können, ob die Verwendung der hochveredelten Elemente einen signifikanten Einfluss auf ausgewählte Konstrukte ausübt, wurden die Werbestimuli erneut in unveredelter Version erstellt.

Zur Überprüfung der in Abschn. 3 aufgestellten Hypothesen zur Wirkung der Hochveredelung wird ein experimentelles Vorgehen gewählt. Wissenschaftliche Experimente gelten als zuverlässigste und exakteste Methode zur Untersuchung von a priori theoretisch und sachlogisch fundierten Annahmen über Ursache-Wir-kungs-Zusammenhänge (Aronson et al. 1990). Durch einen Manipulation-Check wird vorab mittels experimenteller Variation des dargebotenen Werbestimulus überprüft, ob Printwerbung durch hochveredelte Elemente auch als hochveredelt im Vergleich zur gänzlich unveredelten Version des (ansonsten) identischen Print-mediums wahrgenommen wird.

Das experimentelle Design der vorliegenden Studie umfasst je Untersuchungs-kategorie (Miele, Rolex) zwei Treatmentgruppen: Gruppe M1 (Experimentalgruppe Miele: hochveredelte Werbebroschüre), Gruppe M2 (Kontrollgruppe Miele: unver-edelte Werbebroschüre), Gruppe R3 (Experimentalgruppe Rolex: hochveredelte Werbeanzeige), Gruppe R4 (Kontrollgruppe Rolex: unveredelte Werbeanzeige). Das Experimentaldesign wird schematisch in Abb. 2 dargestellt.

Abb. 2   Überblick über den Ablauf des Experiments Zuweisung der Probanden zu den Untersuchungsgruppen

Untersuchungskategorie Miele Untersuchungskategorie Rolex

Gruppe M1(Miele-Ex)

Gruppe M2(Miele-K)

Gruppe R3(Rolex-Ex)

Gruppe R4(Rolex-K)

Ausfüllen der Fragebögen durch die Probanden

Darbietung des jeweiligen Stimulus

Pha

se 1

Pha

se 2

Pha

se 3

H. H. Bauer, D. Heinrich und S. Hampel

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261

In Phase 1 der Untersuchung werden die Probanden, randomisiert zu Experimen-tal- oder Kontrollgruppe, in die beiden Untersuchungskategorien (Miele, Rolex) zu-gewiesen. Die Präsentation des jeweiligen Werbestimulus erfolgt im Anschluss in Phase 2 des Experiments. Die Probanden werden dazu instruiert, den Werbestimu-lus primär nach formalen Kriterien zu beurteilen. Hierzu wird eine circa einminüti-ge Betrachtungs- und Begutachtungszeit der Anzeige gewährt. Im Anschluss erfolgt in Phase 3 die Trennung vom Stimulus und die Aushändigung eines Fragebogens zur betrachteten Printwerbung. Nach Beendigung des Fragebogens werden die Ver-suchspersonen über den experimentellen Charakter der Untersuchung aufgeklärt und incentiviert.

Die Gewinnung der Versuchsteilnehmer erfolgte über persönliche verbale An-sprache auf öffentlichen Plätzen in zwei deutschen Großstädten. Während der Datenerhebung nahmen 357 Probanden (49,6 % weiblich und 50,4 % männlich, Durchschnittsalter 35,8 Jahre) ohne Incentivierung an der Studie teil.

Die Messung der Modellkonstrukte erfolgt über alle Konstrukte einheitlich anhand vier Items. Dabei kommt eine 7-stufige Likert-Skala mit den Extrema „1  =  stimme gar nicht zu“ und „7  =  stimme voll zu“ zum Einsatz. Nach Durch-führung mehrerer Voruntersuchungen mit anschließender Modifikation der Items können schließlich im Rahmen der Pretests für die Untersuchungskategorien Miele (n  =  42) und Rolex (n  =  46) Inventare entwickelt werden, die überzeugende Güte-kriterien aufweisen. Tabelle 1 zeigt die Gütebeurteilung der Konstruktoperationa-lisierung, die den wissenschaftlichen Ansprüchen in hohem Maße genügt (Gerbing und Anderson 1988).

4.2   Überprüfung der Hypothesen und Ergebnisinterpretation

Die in Abschn. 3 in den Hypothesen H1–H11 postulierten Ursache-Wirkungs-Zusam-menhänge werden nachfolgend anhand des empirisch erhobenen Datenmaterials mittels Varianzanalyse auf ihre Gültigkeit hin überprüft. In einem ersten Schritt wird für jede Untersuchungskategorie der stimuliabhängige Manipulation-Check zur Wahrnehmung der Hochveredelung durchgeführt, um festzustellen, ob hochver-edelte Printwerbung im Vergleich zu unveredelter Printwerbung auch als hochver-edelt wahrgenommen wird. Im Anschluss wird in einem zweiten Schritt überprüft, ob abhängig von hoch- vs. unveredelter Gestaltung der Printwerbung signifikante Unterschiede bei den untersuchten Werbewirkungsgrößen resultieren.

Die unabhängige Variable der experimentellen Untersuchung besteht aus zwei Faktorstufen. Diese ergeben sich aus der Zuteilung zur Experimentalgruppe, in der Individuen die hochveredelte Printwerbung betrachten, und der Zugehörigkeit zur Kontrollgruppe, in welcher Probanden die gänzlich unveredelte Printversion dar-geboten wird. Stimuliabhängig ergeben sich für den Manipulation-Check die ab-hängigen Variablen Glanz der Printwerbung, haptische Elemente und Papierqualität für die Untersuchungskategorie Miele. Bei der Untersuchungskategorie Rolex sind für den Manipulation-Check die abhängigen Variablen Glanz der Printwerbung und Papierqualität auszumachen. Die Konstrukte Einzigartigkeit der Werbung, Prestige

Mit hochveredelten Printmedien ein Leseerlebnis schaffen

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von Werbung und Marke, Perceived „Wow“, Einstellung zu Werbung und Marke, Kaufabsicht und Weiterempfehlungsbereitschaft stellen die acht abhängigen Va-riablen vorliegender Studie dar.

Die zur Anwendung einer Varianzanalyse nötigen Voraussetzungen der Unab-hängigkeit der Beobachtungswerte, das Kriterium der Zufallsauswahl, das metri-sche Skalenniveau aller abhängigen Variablen, eine normalverteilte Grundgesamt-heit sowie Varianzhomogenität sind gegeben, weshalb die multivariate Varianzana-lyse zur Berechnung verwendet wird. Die zentralen Ergebnisse der Varianzanalyse werden in den Abb. 3–6 mittels Mittelwertdiagrammen zunächst grafisch veran-schaulicht und nachfolgend im Detail erläutert.

Vor der eigentlichen Auswertung zur Wirkung hochveredelter Printwerbung auf ausgewählte Konstrukte wird zunächst je Untersuchungskategorie (Miele, Rolex) ein Manipulation-Check zur Wahrnehmung der Hochveredelung durchgeführt.

Die Auswertung des Manipulation-Checks mittels MANOVA zur Untersu-chungskategorie Miele liefert das Ergebnis statistisch signifikanter Unterschiede. Die Prüfgrößen Pillai-Spur (F  =  64,395; p ≤ 0,001) und Wilks-Lambda (F  =  64,395; p ≤ 0,001) ergeben hochsignifikante Resultate und dürfen folglich interpretiert wer-

Tab. 1   Kennwerte zur Operationalisierung der verwendeten KonstrukteKonstrukt Inventar in

Anlehnung anItemanzahl Cronbachs α Erklärte

VarianzDurchschnitt-lich erfasste Varianz

Faktor- reliabilität

Gloss Eigene Konzeption

4 0,921 80,9 % 0,75 0,92

Haptic Eigene Konzeption

4 0,966 90,7 % 0,88 0,97

Paper Quality

Eigene Konzeption

4 0,887 74,7 % 0,67 0,89

Unique-ness of the Ad

Dean (1999); Netemeyer et al. (2004)

4 0,900 76,9 % 0,70 0,90

Prestige of the Ad

Kirmani et al. (1999)

4 0,905 77,9 % 0,71 0,91

Prestige of the Brand

Kirmani et al. (1999)

4 0,910 78,9 % 0,72 0,91

Perceived „Wow“

Holbrook und Batra (1988)

4 0,835 67,0 % 0,56 0,84

Attitude toward the Ad

MacKenzie und Lutz (1989)

4 0,913 79,5 % 0,73 0,91

Attitude toward the Brand

Lee und Mason (1999)

4 0,905 77,9 % 0,71 0,91

Purchase Intention

Dodds et al. (1991)

4 0,907 78,3 % 0,71 0,91

Word of Mouth

Gremler und Gwinner (2000)

4 0,910 78,9 % 0,72 0,91

H. H. Bauer, D. Heinrich und S. Hampel

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den. Die Prüfgrößen in der Untersuchungskategorie Rolex (Pillai-Spur (F  =  89,516; p ≤ 0,001), Wilks-Lambda (F  =  89,516; p ≤ 0,001)) fallen ebenfalls hochsignifikant aus. Dies ermöglicht auch hier eine Interpretation. Die Nullhypothese gleicher Vek-toren der Mittelwerte der Variablen kann somit auf einem Signifikanzniveau von p ≤ 0,001 für beide Untersuchungskategorien verworfen werden.

Durch separat berechnete univariate Varianzanalysen in Bezug auf die Determi-nanten der Hochveredelung wird der Manipulation-Check genauer analysiert. Zu-nächst wird hierzu die Untersuchungskategorie Miele betrachtet. Für den Glanz der Printwerbung zeigt sich dabei ein signifikanter Unterschied zwischen Experimen-tal- und Kontrollgruppe. Aus dem Vergleich der Mittelwerte der beiden Gruppen wird deutlich, dass in der Experimentalgruppe M1 die hochveredelte Printwerbung als deutlich stärker glänzend wahrgenommen wird als der unveredelte Werbesti-mulus in der Kontrollgruppe M2 (MM1_GLO  =  4,89; MM2_GLO  =  3,45). Dies führt

Abb. 3   Mittelwertdiagramme Wahrnehmungskonstrukte Miele

3.45

4.89

2.62

4.63

3.40

4.61

3.86

4.78

3.33

4.78

4.04

4.66

Gloss Haptic Paper Quality

Miele unveredelt Miele hochveredelt

Uniqueness ofthe Ad

Prestige of theAd

Prestige of theBrand

Mit hochveredelten Printmedien ein Leseerlebnis schaffen

Abb. 4   Mittelwertdiagramme Konsumentenverhaltenskonstrukte Miele

3.15

4.20

3.81

4.71

4.35

4.89

3.80

4.42

3.83

4.52

Preceived WoW Attitude towardthe Ad

Attitude towardthe Brand

PurchaseIntention

Word of Mouth

Miele unveredelt Miele hochveredelt

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264

zur Bestätigung von Hypothese H1 für die Kategorie Miele. Signifikante Unter-schiede der Wahrnehmung der haptischen Elemente lassen sich ebenfalls zwischen Experimental- und Kontrollgruppe feststellen. Ein Vergleich der Mittelwerte zeigt deutlich höhere Werte für die Experimental- verglichen zur Kontrollgruppe. Die im hochveredelten Werbestimulus der Experimentalgruppe verwendeten haptischen Elemente werden damit wahrgenommen (MM1_HAP  =  4,63; MM2_HAP  =  2,62). Dies führt zur empirischen Unterstützung von Hypothese H2 für die Untersuchungskate-gorie Miele. Hinsichtlich der wahrgenommenen Papierqualität bestehen ebenfalls signifikante Unterschiede zwischen der Experimental- und Kontrollgruppe. Hypo-these H3 lässt sich für die Untersuchungskategorie Miele aufgrund eines Mittelwert-unterschieds mit deutlich höheren Werten in der Experimentalgruppe bestätigen (MM1_PAP  =  4,61; MM2_PAP  =  3,40). Die Hochveredelung des Werbestimulus durch höhere Papierqualität in der Experimentalgruppe wird somit wahrgenommen.

Für die Untersuchungskategorie Rolex werden ebenfalls zunächst die Tests der Zwischensubjekteffekte für den Manipulation Check ausgewertet. Die Ergebnisse

Abb. 6   Mittelwertdiagramme Konsumentenverhaltenskonstrukte Rolex

Rolex unveredelt Rolex hochveredelt

Preceived WoW Attitude towardthe Ad

Attitude towardthe Brand

PurchaseIntention

Word of Mouth

3.21

4.18

3.51

4.77

3.75

4.65

3.90

4.70

3.92

4.64

Abb. 5   Mittelwertdiagramme Wahrnehmungskonstrukte Rolex

Rolex unveredelt Rolex hochveredelt

3.40

5.38

1.89 1.93

3.49

4.47

3.33

4.69

3.23

4.74 4.615.36

Gloss Haptic Paper Quality Uniqueness ofthe Ad

Prestige of theAd

Prestige of theBrand

H. H. Bauer, D. Heinrich und S. Hampel

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für das Konstrukt Glanz der Printwerbung belegen hochsignifikante Unterschiede zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Durch einen Mittelwertvergleich wird ersichtlich, dass die der Experimentalgruppe R3 dargebotene hochveredelte Print-werbung als deutlich stärker glänzend beurteilt wird, als die unveredelte Printwer-bung in der Kontrollgruppe R4 (MR3_GLO  =  5,38; MR4_GLO  =  3,40). Dies führt auch in der Untersuchungskategorie Rolex zur Annahme von Hypothese H1. Für die wahr-genommene Papierqualität werden ebenfalls signifikante Unterschiede zwischen Experimental- und Kontrollgruppe ersichtlich. Beim Vergleich der Mittelwerte wird deutlich, dass die Papierqualität des hochveredelten Werbestimulus in der Experi-mentalgruppe auch als höherwertig wahrgenommen wird als die des unveredelten Printmediums der Kontrollgruppe, was zur Bestätigung von Hypothese H3 auch in der Untersuchungskategorie Rolex führt (MR3_PAP  =  4,47; MR4_PAP  =  3,49). Darüber hinaus zeigt die Varianzanalyse, dass kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der haptischen Elemente zwischen den beiden Gruppen existiert. Die Mittelwerte in der Experimentalgruppe sind nur geringfügig höher als die in der Kontrollgruppe (MR3_HAP  =  1,93; MR4_HAP  =  1,89). Aufgrund nicht existenter haptischer Veredelung des Rolex-Stimulus ist dies plausibel und führt zur Ablehnung von Hypothese H2 in der Untersuchungskategorie Rolex.

Die Ergebnisse des Manipulation-Checks belegen, dass die hochveredelten Ver-sionen der Printwerbung durch Existenz hochveredelter Elemente im Vergleich zu den unveredelten Werbestimuli auch als hochveredelt wahrgenommen werden.

Ob die experimentelle Variation der unabhängigen Variablen (veredelter vs. un-veredelter Werbestimulus) einen signifikanten Einfluss auf die abhängigen Variab-len ausübt, wird in einem nächsten Untersuchungsschritt mittels MANOVA für die Untersuchungskategorien Miele und Rolex analysiert.

Die multivariaten Tests der Prozedur der MANOVA in der Untersuchungska-tegorie Miele ergeben für die Prüfgrößen Pillai-Spur (F  =  15,492; p ≤ 0,001) und Wilks-Lambda (F  =  15,492; p ≤ 0,001) sehr bedeutende Resultate. Auch die Ergeb-nisse für die Untersuchungskategorie Rolex sind für die Pillai-Spur (F  =  13,966; p ≤ 0,001) und das Wilks-Lambda (F  =  13,966; p ≤ 0,001) hochsignifikant. Damit dürfen die nachfolgenden Ergebnisse für beide Untersuchungskategorien inter-pretiert werden. Die Nullhypothese gleicher Vektoren der Mittelwerte der abhän-gigen Variablen für hochveredelte (Experimentalgruppe) und unveredelte Gruppe (Kontrollgruppe) kann damit auf einem Signifikanzniveau von p ≤ 0,001 für beide Untersuchungskategorien verworfen werden. Durch Betrachtung der Zwischensub-jekteffekte univariater Varianzanalysen werden die Wirkungen der experimentellen Variation auf die einzelnen abhängigen Variablen folgend genauer analysiert.

Für die abhängige Variable Einzigartigkeit der Printwerbung kann aus der Signi-fikanz der Varianzanalyse die Schlussfolgerung gezogen werden, dass ein von der experimentellen Variation abhängiger, hochsignifikanter Unterschied besteht. Aus dem Vergleich der Mittelwerte wird deutlich, dass jeweils in der Experimentalgrup-pe M1 und R3 durch Darbietung der hochveredelten Printwerbung deutlich höhere Werte für die empfundene Einzigartigkeit des Werbestimulus resultieren als durch die unveredelte Printversion in der jeweiligen Kontrollgruppe (MM1_UAD  =  4,78;

Mit hochveredelten Printmedien ein Leseerlebnis schaffen

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MM2_UAD  =  3,86; MR3_UAD  =  4,69; MR4_UAD  =  3,33). Hochveredelte Printwerbung wird damit als einzigartiger beurteilt als unveredelte Printwerbung, wodurch Hypo-these H4 für beide Untersuchungskategorien bestätigt wird.

Bei der Überprüfung der Wirkung der experimentellen Variation auf die abhängi-ge Variable Prestige der Werbung wird ebenfalls ein hochsignifikanter Unterschied ersichtlich. Der nachfolgende Vergleich der Mittelwerte zwischen Experimental- und Kontrollgruppe ergibt jeweils deutlich höhere Ausprägungen für das Konst-rukt in der jeweils hochveredelten Experimentalgruppe als in der dazugehörigen unveredelten Kontrollgruppe (MM1_PAD  =  4,78; MM2_PAD  =  3,33; MR3_PAD  =  4,74; MR4_PAD  =  3,23). Die Hochveredelung der Printmedien bewirkt somit im Vergleich zu den unveredelten Stimuli eine prestigeträchtigere Wahrnehmung der Werbung. Folg-lich kann Hypothese H5 für beide Untersuchungskategorien angenommen werden.

Für das Konstrukt Prestige der Marke ergibt sich sowohl für die Miele- als auch die Rolex-Untersuchungskategorie ein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen. Durch die hochveredelten Printversionen, wie sie in den Experimen-talgruppen beider Untersuchungskategorien dargeboten werden, zeigen sich bei der Mittelwertbetrachtung deutlich höhere Werte für das Prestige der Marke als es durch unveredelte Printwerbung in der jeweiligen Kontrollgruppe der Fall ist (MM1_PBR  =  4,66; MM2_PBR  =  4,04; MR3_PBR  =  5,36; MR4_PBR  =  4,61). Das Prestige der Marke wird damit positiv von der Hochveredelung der Printwerbung beein-flusst, sodass Hypothese H6 für die Kategorien Miele und Rolex angenommen wird.

Ein signifikanter Einfluss der unabhängigen Variablen auf die abhängige Va-riable Perceived „Wow“ kann ebenfalls nachgewiesen werden. Der Mittelwertver-gleich zeigt jeweils Differenzen in den Werten für das Perceived „Wow“ zwischen Experimental- und Kontrollgruppe. Das arithmetische Mittel liegt in der Experi-mentalgruppe, bei der der hochveredelte Stimulus verwendet wird, in jeder Unter-suchungskategorie höher als in der Kontrollgruppe mit dem unveredelten Stimulus (MM1_WOW  =  4,20; MM2_WOW  =  3,15; MR3_WOW  =  4,18; MR4_WOW  =  3,21). Die Hoch-veredelung evoziert damit ein höheres Perceived „Wow“ als unveredelte Printwer-bung. Dies führt zur Unterstützung von Hypothese H7 für die Untersuchung in bei-den Kategorien.

Basierend auf der Signifikanz der Varianzanalyse wird für beide Untersuchungs-kategorien ersichtlich, dass ein von der experimentellen Variation ausgehender hochsignifikanter Unterschied für die abhängige Variable Einstellung zur Werbung besteht. Ein Mittelwertvergleich macht deutlich, dass die Individuen in der Ex-perimentalgruppe jeweils eine positivere Einstellung zur Werbung aufweisen als Personen in der entsprechenden Kontrollgruppe (MM1_AAD  =  4,71; MM2_AAD  =  3,81; MR3_AAD  =  4,77; MR4_AAD  =  3,51). Dies belegt eine positivere Einstellung der Kon-sumenten zur Werbung durch hoch- vs. unveredelte Printwerbung, was in der Be-stätigung von Hypothese H8 für beide Untersuchungskategorien resultiert.

Die Unterschiede bezüglich der Einstellung zur Marke zwischen Experimental- und Kontrollgruppe können signifikant auf die experimentelle Variation der unab-hängigen Variablen in beiden Untersuchungskategorien zurückgeführt werden. Bei Betrachtung der Mittelwerte wird deutlich, dass die Probanden der Experimental-

H. H. Bauer, D. Heinrich und S. Hampel

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gruppe durch hochveredelte Printwerbung eine merklich positivere Einstellung zur Marke aufweisen als Individuen in der jeweiligen Kontrollgruppe (MM1_ABR  =  4,89; MM2_ABR  =  4,35; MR3_ABR  =  4,65; MR4_ABR  =  3,75). Dies führt zur Annahme von Hypothese H9 für die Untersuchungskategorien Miele und Rolex.

Bei der Analyse der Zwischensubjekteffekte kann ebenfalls jeweils ein signi-fikanter Unterschied bezüglich des Konstruktes Kaufabsicht zwischen den Grup-pen festgestellt werden. Wie eine Betrachtung der Mittelwerte verdeutlicht, ist die Kaufabsicht bei Individuen durch hochveredelte Printwerbung in der Experimen-talgruppe jeder Untersuchungskategorie höher ausgeprägt als bei Probanden durch den unveredelten Werbestimulus in der jeweiligen Kontrollgruppe (MM1_PIN  =  4,42; MM2_PIN  =  3,80; MR3_PIN  =  4,70; MR4_PIN  =  3,90). Dadurch kann Hypothese H10 für beide Untersuchungskategorien bestätigt werden.

Letztlich wird auch für die abhängige Variable Weiterempfehlungsbereitschaft für beide untersuchten Kategorien ersichtlich, dass durch die experimentelle Varia-tion der unabhängigen Variablen ein signifikanter Unterschied besteht. Ergebnisse des Mittelwertvergleichs zeigen, dass Konsumenten der jeweils hochveredelten Ex-perimentalgruppe eine deutlich höhere Weiterempfehlungsbereitschaft besitzen als Individuen in der entsprechenden unveredelten Kontrollgruppe (MM1_WOM  =  4,52; MM2_WOM  =  3,83; MR3_WOM  =  4,64; MR4_WOM  =  3,92). Dies führt zur Bestätigung von Hypothese H11 für die beiden Untersuchungskategorien Miele und Rolex.

5   Empirische Überprüfung des Hypothesensystems

Das Ziel dieser Studie bestand in der Beantwortung der Forschungsfrage, ob die Hochveredelung eines Printmediums eine signifikante Steigerung ausgewählter Werbeeffektmaße bewirkt. Basierend auf bisherigen wissenschaftlichen Forschungs-ergebnissen wurde dazu ein umfassendes Hypothesensystem generiert. Zur Unter-suchung der Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge wurde die experimentelle For-schungsmethode gewählt. Insgesamt wurden für diese Studie 357 Personen befragt.

Der durchgeführte Manipulation-Check bestätigt, dass der hochveredelte Wer-bestimulus im Vergleich zur bis auf die Veredelung identischen Version tatsächlich von den Probanden als hochveredelt wahrgenommen wird. Die Hochveredelung der Printwerbung führt dabei zu einer signifikanten Steigerung sämtlicher unter-suchter Werbewirkungsgrößen. Hinsichtlich dieser sind im Detail folgende zentrale Erkenntnisse auszumachen:1. Hochveredelte Printwerbung wird im Vergleich zu unveredelter Printwerbung

als einzigartiger und prestigeträchtiger wahrgenommen.2. Das Perceived „Wow“, welches die durch den Werbestimulus induzierte emo-

tionale Erregung und Beeindruckung widerspiegelt, ist bei Individuen durch den hochveredelten Stimulus höher ausgeprägt als bei Probanden nach Betrachtung unveredelter Printwerbung.

3. Der Einsatz hochveredelter Printwerbung führt zu einer prestigeträchtigen Beurteilung der beworbenen Marke im Vergleich zu unveredelter Printwerbung.

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4. Für die beiden Einstellungskonstrukte Einstellung zur Werbung und Einstellung zur Marke zeigen sich positivere Einstellungen der Probanden nach Betrachten der hochveredelten als der unveredelten Printwerbung.

5. Hochveredelte Printwerbung bewirkt bei den Konsumenten eine höhere Kauf-absicht für die beworbene Marke als unveredelte Printwerbung.

6. Die Verwendung hochveredelter Printwerbung führt zu höherer Weiterempfeh-lungsbereitschaft der Individuen als der Einsatz unveredelter Printwerbung.

Aus den dargelegten Forschungsergebnissen lassen sich neben dem wissenschaft-lichen Beitrag zur Werbewirkungsforschung folgende Implikationen für Werbetrei-bende in der Unternehmenspraxis ableiten:• Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die formale Gestaltung eines Werbestimu-

lus mit hochveredelten Elementen von den Rezipienten wahrgenommen wird. Werbetreibenden wird daher die Veredelung ihres Printmediums mittels Glanzef-fekten, hoher Papierqualität oder haptischen Elementen empfohlen, um dadurch einen kommunikativen Mehrwert zu generieren.

• Insbesondere vor dem Hintergrund einer informations- und reizüberfluteten Medienwelt wird der Einsatz hochveredelter Printwerbung empfohlen, um eine (werbliche) Differenzierung zur Konkurrenz zu erlangen. Die Hochveredelung fungiert dabei durch ihre kreative, außergewöhnliche und auffällige Gestaltung als Eyecatcher und hilft aus der Masse der Werbung herauszustechen. Speziell für Unternehmen, welche einzigartige Produkte oder Dienstleistungen offerie-ren, bietet dies eine Möglichkeit, schon in der Vorkaufphase werblich dem Ver-langen der Kunden nach Einzigartigkeit durch unverwechselbare Gestaltung der Printwerbung gerecht zu werden. Eine einzigartigere, differenziertere Gestaltung der Printwerbung durch die Hochveredelung induziert bei den Rezipienten ein hohes Maß an Wertschätzung (Snyder 1992; Dhar und Sherman 1996).

• Die prestigeträchtigere Wahrnehmung des Werbestimulus durch hochveredel-te Printwerbung ist besonders für Premium- und Luxusmarken relevant. Dabei kann schon im werblichen Kontakt mit den Rezipienten das mit der Marke asso-ziierte Prestige vermittelt werden. Die Exklusivität der Gestaltung der Printwer-bung spiegelt damit das Image des Unternehmens wider. Ferner evoziert die ex-klusive und statusträchtige Gestaltung der Printwerbung mittels Hochveredelung eine prestigeträchtigere Wahrnehmung der Marke. Dabei konvergiert das durch die Hochveredelung generierte höhere Prestige der Werbung mit dem Prestige der Marke (Dahlén 2005; Johar und Sirgy 1991). Da das Prestigemotiv als zent-raler Kauftreiber fungiert, wird werbetreibenden Unternehmen empfohlen, hoch-veredelte Printwerbung einzusetzen, um eine prestigeträchtigere Bewertung der Marke zu erfahren.

• Die mit der Hochveredelung einhergehende positivere Einstellung der Rezi-pienten zur gesehenen Werbeanzeige stellt insbesondere für Imagewerbung von Unternehmen, wie beispielsweise von der BASF AG als „the chemical compa-ny“ eingesetzt, eine interessante Erkenntnis dar. Durch die Hochveredelung der Printwerbung werden so die gewünschten psychischen Effekte wie eine Verbes-serung der Einstellung zur Marke generiert. Die Einstellung zur Marke konver-giert dabei mit der Einstellung zur Werbung, welche durch hochveredelte Print-

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werbung positiver ausgeprägt ist. Auch im Bereich sonstiger Printmedien ergeben sich interessante Implikationen für den Einsatz hochveredelter Printwerbung. So können beispielsweise im Bereich Corporate Publishing Konzernberichte durch die Hochveredelung so gestaltet werden, dass Werte des Unternehmens vermit-telt werden. Die Solarworld AG setzte so für ihren Konzernbericht 2007 eine hochveredelte Gestaltung durch besonders haptische Papiersorten und visuelle Glanzeffekte ein. Der Titel ihres Berichts „Unendlich wertvoll“ impliziert die wertvolle Gestaltung durch die Hochveredelung ebenso wie die Assoziation der Werthaftigkeit der Sonnenenergie, dem Kerngeschäft des Unternehmens. Wer-betreibende können durch die Hochveredelung damit bereits durch die formale Gestaltung ihres Werbemediums Grundwerte und Leitlinien des Unternehmens kommunizieren und so wesentlich die Einstellungsbildung bei ihren Stakehol-dern beeinflussen.

• Auch für rein ökonomisch orientierte Unternehmen stellen die Ergebnisse dieser Studie eine interessante Erkenntnis dar. Dabei bietet der gezielte Einsatz hochver-edelter Elemente in der Printwerbung für sie eine gute Chance, auch ihren ökono-mischen Erfolg zu steigern. Durch entsprechende Hochveredelung der Printwer-bung kann die Kaufbereitschaft für das beworbene Produkt gesteigert werden.

• Für Werbekampagnen, deren primäre Intention in der Generierung einer positi-ven Weiterempfehlung besteht, wird ebenfalls die Verwendung hochveredelter Printwerbung empfohlen. Dies kann beispielsweise bei Produktneueinführungen der Fall sein. Die Hochveredelung führt dazu, dass ausgehend vom Adoptions-prozess eines neuen Produktes eine schnellere und positivere Diffundierung durch die Weiterempfehlung stattfindet (Krishnan und Jain 2006; Rogers 2003). Werbetreibende können damit von einer exklusiven, attraktiven Präsentation durch die Hochveredelung profitieren, da diese die Weiterempfehlungsbereit-schaft für die beworbene Marke stimuliert (Keller 2007; Bayus 1985).

Basierend auf den Erkenntnissen dieser Studie lassen sich weitere interessante Forschungsfragen ableiten. Zusätzliche Forschungsbemühungen sollten vor allem darauf fokussiert werden, ob neben der nachgewiesenen signifikanten Steigerung psychologischer Werbewirkungsgrößen auch der monetäre Werbeerfolg durch hochveredelte Printwerbung gesteigert werden kann. Dabei ist zu beachten, dass dies je nach Art der Hochveredelung eine Ver-x-fachung der Herstellungskosten des Werbestimulus verursachen kann. Zu untersuchen wäre dabei, ob die durch die Hochveredelung generierten Mehreinnahmen die Mehrkosten für die Produktion der hochveredelten Werbung übertreffen.

Weiterhin sollte geklärt werden, ob einzelne Elemente der Hochveredelung be-sonders geeignet sind, spezifische Werbewirkungsgrößen zu steigern. Dies könnte untersucht werden, indem ein inhaltlich identischer Werbestimulus in mehreren Va-riationen in unterschiedlicher Kombination der hochveredelten Elemente angefer-tigt wird. Mittels Verfahren der Blickaufzeichnung (Moser 2002) könnten weiter interessante Ergebnisse gewonnen werden, die Implikationen für eine effiziente An-ordnung und Gestaltung der hochveredelten Elemente aufzeigen.

Zusammenfassend gelingt mit der vorliegenden Untersuchung der Nachweis der Wirksamkeit von hochveredelter Printwerbung. Die zunehmende Verbreitung von

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hochveredeltem Druck in der Werbepraxis steht damit auf der gesicherten Erkennt-nis, mit Hochveredelung signifikant bessere Werbewirkungen zu erzielen, als dies mit herkömmlichem Werbedruck möglich wäre.

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Zusammenfassung 

Zweiseitige Botschaften integrieren neben positiven Botschaftselementen auch negative Aussagen in die Kommunikation und heben sich dadurch von den üb-lichen Botschaften der Marketingkommunikation ab. Auf diese Weise kann sich die Wirksamkeit der Kommunikation erhöhen. Für die Marketingkommunika-tion eines Unternehmens können sie daher eine interessante Alternative zur gän-gigen einseitigen Werbung darstellen. Andererseits fürchten viele Unternehmen negative Effekte, die durch das Eingeständnis unvorteilhafter Informationen entstehen könnten. Der Trade-Off zwischen positiven und negativen Effekten zweiseitiger Botschaften soll hier diskutiert werden. Dabei wird auch die Ent-wicklung der Effekte im Zeitablauf berücksichtigt, da der zeitliche Horizont der Wirkungsentwicklung häufig entscheidend ist, aber nur selten explizit berück-sichtigt wird.

1   Entwicklung der Erforschung zweiseitiger Botschaften

Die Erforschung der Wirkung zweiseitiger Botschaften begann bereits vor mehr als 60 Jahren. Die ersten Studien dazu wurden im Rahmen der Kommunikationsfor-schung durchgeführt. Im Mittelpunkt stand dabei die Wirkung von Botschaften, die sowohl unterstützende als auch widerlegende Argumente einer Aussage beinhalten, im Vergleich zu solchen Botschaften, die nur eine Seite wiedergeben (z. B. Hov-land et al. 1949; Lumsdaine und Janis 1953; McGinnies 1966; Wrench 1964). Da-bei wird in den zweiseitigen Botschaften letztendlich dennoch klar eine bestimmte Meinung vertreten, von welcher die Empfänger überzeugt werden sollen (Golden und Alpert 1978).

Zweiseitige Botschaften in der Marketingkommunikation

Franziska Küster

F. Küster ()Freie Universität Berlin, Berlin, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_16, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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Hovland und Kollegen (1949) fanden heraus, dass zweiseitige Kommunikation besser wirkt, wenn die ursprüngliche Meinung der Empfänger konträr zum Fazit der Botschaft ist, während einseitige Kommunikation bei Empfängern mit überein-stimmender Anfangseinstellung überlegen ist. Dies wurde später auch von anderen Forschern bestätigt (z. B. McGinnies 1966). Zudem ist zweiseitige Kommunikation bei höherer Bildung der Empfänger effektiver. Diese Ergebnisse erklären die Au-toren damit, dass Empfänger mit gegenteiliger Meinung oder hoher Bildung die einseitige Kommunikation als besonders verzerrt wahrnehmen, Gegenargumente bilden und so mit starker Abwehr reagieren. Diese Abwehrhaltung wird durch die Wiedergabe beider Perspektiven innerhalb der Botschaft abgemildert, was eine Einstellungsänderung in die durch die Botschaft intendierte Richtung erleichtert (Hovland et al. 1949). Lumsdaine und Janis (1953) erweiterten diese Erkenntnisse, indem sie feststellten, dass die durch zweiseitige Kommunikation generierte Ein-stellungsänderung der Empfänger stabiler und resistenter ist gegenüber späteren Beeinflussungsversuchen in die andere Richtung. Der Grund hierfür liegt darin, dass bei zweiseitiger Kommunikation den Empfängern auch die Gegenargumente präsentiert werden, sodass ihm diese bei späteren, entgegengesetzten Beeinflus-sungsversuchen bereits bekannt sind und so keine große Überzeugungswirkung mehr entwickeln können (Lumsdaine und Janis 1953).

Eine Übertragung der Ergebnisse auf den Kontext der Marketingkommunikation und eine explizite Erforschung zweiseitiger Werbung fand jedoch lange nicht statt, obwohl diese in der Praxis teilweise schon vereinzelt angewendet wurde (Golden und Alpert 1978). Die erste Studie zur Wirkung zweiseitiger Botschaften in der Werbung kam zu dem Ergebnis, dass zweiseitige Werbung zwar glaubwürdiger ist, aber zu unvorteilhafteren Beurteilungen der beworbenen Produkte führt und da-her insgesamt weniger effektiv für die Einstellungsänderung ist (Golden und Alpert 1978). Weitere Forscher untersuchten die Wirkung zweiseitiger Botschaften in der Werbung, teilweise mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen und Interpretationen. Als Ursachen für die Wirkung der Zweiseitigkeit wurden beispielsweise eine ge-ringere wahrgenommene Verzerrung der Botschaft (Chu 1967), geringere Reaktanz seitens der Empfänger (Jones und Brehm 1970), die Verhinderung von Gegenargu-menten (Hass und Linder 1972) oder eine Erhöhung der Quellenglaubwürdigkeit (Settle und Golden 1974; Smith und Hunt 1978; Swinyard 1981) vermutet. Ein frü-her Überblick über Studien zu zweiseitiger Werbung stammt von Belch (1983) und hat zum Ergebnis, dass zweiseitige Werbung zwar die Glaubwürdigkeit der Quelle erhöht und Gegenargumente beim Empfänger unterdrückt, sich darüber hinaus aber nicht unbedingt auch auf die Einstellung zum beworbenen Produkt auswirkt. Hier spielen die Stärke des Glaubwürdigkeitseffekts sowie weitere Variablen (z. B. ver-wendetes Medium, Vertrautheit mit dem Thema und Verfügbarkeit von Gegenargu-menten seitens des Empfängers) eine Rolle. Daher kann letztendlich häufig keine größere Effektivität zweiseitiger Botschaften gezeigt werden (Belch 1983).

Wie sich in den eben beschriebenen Anfängen der Erforschung zweiseitiger Kommunikation bereits andeutet, ist die Wirkung zweiseitiger Werbung durch ver-schiedene Effekte und Einflussfaktoren geprägt, welche im Folgenden genauer be-trachtet werden.

F. Küster

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2   Eigenschaften und Wirkung zweiseitiger Werbung

2.1   Definition und Abgrenzung zweiseitiger Werbung

Zweiseitige Werbung wird nach Crowley und Hoyer (1994) folgendermaßen defi-niert: „Two-sided persuasion consists of a message that provides information about both positive and negative attributes of a product or service, with the negative in-formation included voluntarily.“ (Crowley und Hoyer 1994, S. 562). Unter zweisei-tiger Werbung versteht man also Werbebotschaften, die nicht nur positive, sondern auch negative Informationen über das beworbene Produkt vermitteln, wobei die negativen Informationen freiwillig erfolgen. Damit gehören gesetzlich verordnete Angaben über mögliche Gefahren des Produkts, wie beispielsweise in der Tabak-industrie, nicht zu zweiseitiger Werbung. Andere Autoren fassen den Begriff der zweiseitigen Werbung weiter und schließen erzwungene negative Informationen nicht aus (z. B. Allen 1991; Eisend 2008). Aufgrund der Unfreiwilligkeit erzeugen diese Eingeständnisse aber keine positiven Effekte und sind nicht zur Abgrenzung von der Konkurrenz geeignet, daher ist diese Form der zweiseitigen Werbung für die weitere Betrachtung nicht interessant (Pechmann 1990). Wenn auch unfreiwil-lige Eingeständnisse als zweiseitige Werbung angesehen werden, dann ist die Frei-willigkeit der negativen Information also ein Faktor, der darüber entscheidet, ob die Zweiseitigkeit effektiv ist oder nicht (Eisend 2006).

2.2   Wirkungsweise zweiseitiger Werbung

Obwohl es normalerweise Ziel der Werbung ist, das Produkt möglichst vorteilhaft darzustellen und zweiseitige Botschaften in der Marketingkommunikation bisher eher selten angewendet werden, hat zweiseitige Werbung unter Umständen Vor-teile und kann ein sinnvolles Instrument sein, insbesondere wenn Konsumenten eine eher negative Voreinstellung zum Produkt haben oder wenn sie mit negativen Gegendarstellungen des Produkts konfrontiert werden (Crowley und Hoyer 1994; Eisend 2006, 2008).

Ein wesentlicher Vorteil zweiseitiger Werbung ist, dass die Glaubwürdigkeit der Quelle bei zweiseitiger Werbung höher eingeschätzt wird, da die Empfänger glauben, dass die Werbung der Wahrheit entspricht, wenn auch negative Eigen-schaften nicht verschwiegen werden. Die Glaubwürdigkeit steigt mit wachsendem Anteil negativer Information monoton an. Bei der Wirkung auf die Einstellung zum Werbeobjekt gibt es einen Trade-Off zwischen dem positiven Effekt der höheren Glaubwürdigkeit und dem negativen Effekt der unvorteilhaften Information (Crow-ley und Hoyer 1994; Eisend 2006, 2008). Die höhere Glaubwürdigkeit führt zu einer stärkeren Überzeugungskraft der Botschaft. Die negativen Argumente selbst werten das Produkt jedoch ab, sodass an der Wirkung von zweiseitigen Botschaf-ten zwei gegenläufige Effekte beteiligt sind. Abbildung 1 zeigt die grundlegenden Wirkungspfade dieses Trade-Offs schematisch. Welcher der beiden Effekte über-wiegt, hängt von der jeweiligen Kommunikationssituation und den Beteiligten so-

Zweiseitige Botschaften in der Marketingkommunikation

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wie von der Gestaltung der Botschaft ab (Pechmann 1990). So sind auch negative Gesamteffekte zweiseitiger Botschaften feststellbar (Golden und Alpert 1978). Da in der Marketingkommunikation jedoch die fehlende Glaubwürdigkeit häufig ein zentrales Problem darstellt und Werbeobjekte üblicherweise sehr vorteilhaft dar-gestellt werden, ist davon auszugehen, dass der positive Effekt der höheren Glaub-würdigkeit in den meisten Fällen bedeutender sein wird. Settle und Golden (1974) stellen fest, dass es lohnend sei, zumindest ein relativ unbedeutendes Merkmal des Produkts als unvorteilhaft darzustellen, um so das Vertrauen in die Botschaft zu erhöhen. In einer weiteren Studie können Golden und Alpert (1987) eine kurvili-neare Beziehung zwischen dem Anteil negativer Information und der Einstellung zur Botschaft zeigen, nach der sich die Einstellung zur Botschaft durch zusätzliche negative Informationen bis zu einem Anteil von 40 % der Gesamtbotschaft erhöht und erst danach wieder verschlechtert. Allgemein kann davon ausgegangen werden, dass niedrige bis mittlere Anteile negativer Information optimal sind (Crowley und Hoyer 1994). In einer Metaanalyse wird der kurvilineare Zusammenhang zwischen dem Anteil negativer Information und der Einstellung zum Objekt bestätigt. Da-nach sind erst bei einem Anteil negativer Information von mehr als 50 % negative Auswirkungen auf die Einstellung zum Objekt zu erwarten (Eisend 2006, 2008). Lang und Kollegen (1999) empfehlen, zweiseitige Botschaften in Kombination mit Vergleichen zwischen verschiedenen Produkttypen, statt – wie sonst üblich – ver-schiedenen Marken, zu verwenden, weil so bei Erhalt der positiven Effekte der Zweiseitigkeit deren negativen Auswirkungen verringert werden können.

Ein weiterer Vorteil ist, dass zweiseitige Werbung als ungewöhnlich empfunden wird. Aufgrund dieser Neuartigkeit wird die Botschaft mit höherer Aufmerksam-keit und Motivation verfolgt, wodurch die Einstellungsänderung begünstigt wird (Crowley und Hoyer 1994; Eisend 2006).

Wenn auf negative Informationen Gegenargumente folgen oder die negativen Informationen abgestritten bzw. abgewertet werden, erhöht sich zudem der Anteil positiver Gedanken zum Werbeobjekt und Argumente gegen das Objekt werden entkräftet, wodurch die Einstellung verbessert wird und widerstandsfähiger gegen-über Gegenargumenten ist (Eisend 2006). Generell erhöhen zweiseitige Botschaf-ten die positiven kognitiven Gedanken zum Werbeobjekt und reduzieren die Ent-stehung von Gegenargumenten beim Empfänger, was in diversen Studien gezeigt

Abb. 1   Trade-Off bei der Wirkung zweiseitiger Werbung

Einstellung zum Objekt

Zweiseitigkeit der Botschaft

Glaubwürdigkeit der Quelle

↓Botschaft wird überzeugender

Negative Information

↓Objekt wird abgewertet

+

+

+

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werden konnte (z. B. Etgar und Goodwin 1982; Kamins und Assael 1987; Swinyard 1981) und weitestgehend übereinstimmend von allen theoretischen Erklärungsan-sätzen vorhergesagt wird.

Erhöhung der Glaubwürdigkeit, Steigerung der positiven Gedanken und Reduk-tion von Gegenargumenten sowie stärkere Widerstandsfähigkeit der Einstellungen gegenüber Gegenargumenten gehören zu den Wirkungsweisen zweiseitiger Wer-bung, die mit großer Einigkeit unter den Forschern nachgewiesen (z. B. Crowley und Hoyer 1994; Kamins und Assael 1987; Kamins und Marks 1987; Swinyard 1981) und auch metaanalytisch bestätigt wurden (Eisend 2006). Daneben kamen Studien zur Wirkung von zweiseitiger Werbung jedoch teilweise zu recht unter-schiedlichen Ergebnissen. Insbesondere in Bezug auf die Schlüsselvariablen Ein-stellung zur Botschaft, Einstellung zum Objekt und Kaufabsicht gibt es inkonsisten-te Befunde (Crowley und Hoyer 1994; Kamins 1989). Während hier einige Studien positive Effekte der Zweiseitigkeit feststellen konnten (z. B. Etgar und Goodwin 1982; Golden und Alpert 1987; Kamins 1989), zeigte sich in anderen kein Ein-fluss (z. B. Belch 1981; Kamins und Marks 1987) oder gar eine negative Wirkung (z. B. Golden und Alpert 1978). Diese Variablen werden sowohl direkt als auch indirekt durch die negativen Argumente beeinflusst, wobei die Effekte gegenläufig sind (s. o.). Daher hängt die Ausprägung des Gesamteffekts stark von der jeweiligen Situation sowie der Gestaltung der Botschaft (z. B. Anteil und Wichtigkeit negati-ver Information) ab, was die abweichenden Ergebnisse erklärt (Pechmann 1990). Crowley und Hoyer (1994) diskutieren die Wirkung der gegenläufigen Effekte auf diese Variablen ausführlich anhand bestehender Forschungsergebnisse und vermu-ten zwischen Einstellung zur Botschaft, Einstellung zum Objekt sowie Kaufabsicht und Anteil der negativen Informationen eine kurvilineare Beziehung in Form eines umgekehrten U, sodass niedrige bis mittlere Anteile negativer Information optimal sind. In einer Metaanalyse (Eisend 2006) lässt sich insgesamt ein positiver Effekt zweiseitiger Werbung auf die Einstellung zum Objekt und die Kaufabsicht fest-stellen, welcher jedoch schwächer ausfällt als bei der Glaubwürdigkeit oder den kognitiven Gedanken zur Botschaft. Der Grund für die Abschwächung des Effekts liegt unter anderem daran, dass der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Wirkungsvariablen nichtdeterministisch ist. Der kurvilineare Zusammenhang zwi-schen dem Anteil negativer Information und der Einstellung zum Objekt wird be-stätigt. Die Einstellung zur Botschaft wird nach den Ergebnissen der Metaanalyse allerdings durch die Eingeständnisse eher verschlechtert (Eisend 2006).

2.3   Einflussfaktoren auf die Effektivität zweiseitiger Werbung

Basierend auf bisherigen Untersuchungen und Erklärungsansätzen fassen Crow-ley und Hoyer (1994) verschiedene Wirkungsmechanismen und Einflussfaktoren zusammen, welche die Effektivität zweiseitiger Werbung beeinflussen, um so ein ganzheitlicheres und konsistenteres Bild der Wirkungsweise zu erhalten. Eine spä-tere, empirische Überprüfung bestätigt jedoch nicht alle der postulierten Annahmen und Zusammenhänge (Eisend 2007).

Zweiseitige Botschaften in der Marketingkommunikation

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Ist die Voreinstellung der Botschaftsempfänger eher negativ oder neutral bzw. nicht gegeben, wirkt zweiseitige Werbung besser als einseitige Werbung (Etgar und Goodwin 1982). Wenn die Empfänger eine positive Voreinstellung haben, ist es entscheidend, ob sie sich vor der Botschaftspräsentation bereits über die negati-ven Informationen bewusst waren. Bei Bekanntheit der negativen Information sind einseitige und zweiseitige Botschaften gleichermaßen effektiv, bei Unkenntnis der negativen Information jedoch sind einseitige Botschaften effektiver als zweiseitige (Crowley und Hoyer 1994). Eine ähnliche Vermutung stellt auch Pechmann (1990) auf, die davon ausgeht, dass zweiseitige Botschaften dann besonders effektiv sind, wenn die Botschaft den bisherigen Einstellungen widerspricht.

Die Wirkung zweiseitiger Botschaften ist effektiver, wenn sich die negativen Informationen auf Erfahrungs- oder Vertrauenseigenschaften statt auf Sucheigen-schaften beziehen. Da mögliche Nachteile eines Produkts bei den Sucheigenschaf-ten ohnehin vor dem Kauf feststellbar wären, erhöhen diese Eingeständnisse die Glaubwürdigkeit der Kommunikationsquelle nicht wesentlich (Pechmann 1992). Eine Metaanalyse bestätigt dies (Eisend 2006).

Der Anteil und die Wichtigkeit negativer Information sind entscheidend für die Effektivität zweiseitiger Botschaften. In Studien konnte eine kurvilineare Bezie-hung zwischen dem Anteil negativer Information und der Einstellung zur Botschaft gezeigt werden, wobei sich negative Informationen bis zu einem Anteil von 40 % an der Gesamtbotschaft als vorteilhaft erwiesen (Golden und Alpert 1987). Der kur-vilineare Zusammenhang lässt sich durch den oben beschriebenen Trade-Off zwi-schen positiven und negativen Effekten der eingestandenen Nachteile erklären. Da aber auch schon ein negatives Argument die Effektivität der Kommunikation stei-gern kann, liegt nach Ansicht von Crowley und Hoyer (1994) der sinnvolle Bereich für die Integration negativer Argumente zwischen einem einzigen negativen Argu-ment und einem Anteil von zwei Fünfteln der Gesamtbotschaft. Eine Metaanalyse zeigt negative Auswirkungen auf die Einstellung zum Objekt erst bei einem Anteil negativer Information von mehr als 50 % (Eisend 2006, 2008).

Im Zusammenhang damit steht auch die Frage nach der Wichtigkeit der negati-ven Argumente. Je höher die Wichtigkeit der nachteiligen Produktmerkmale, umso mehr steigt die Glaubwürdigkeit, umso stärker wird aber auch der negative Effekt auf Bewertung und Einstellung zum Produkt (Pechmann 1990). Daher sollten die negativen Informationen eher Produkteigenschaften mit niedriger bis mittlerer Wichtigkeit betreffen. Eine Metaanalyse (Eisend 2006) zeigt, dass Wichtigkeit und Anzahl der negativen Argumente die Einstellung zur Botschaft verschlechtern. Die Einstellung zum Objekt dagegen profitiert eher von einem höheren Anteil negativer Informationen. Hier muss allerdings einschränkend angemerkt werden, dass sich diese Feststellung eher auf einen Bereich niedriger bis mittlerer Anteile negativer Information bezieht (Eisend 2006, 2008).

Bezüglich der Anordnung der Argumente lässt sich feststellen, dass hier gegen-läufige Reihenfolgeeffekte wirken (Hovland et al. 1957b; Miller und Campbell 1959). Einerseits ist eine Platzierung der negativen Information am Anfang nicht sinnvoll, da dann der erste Eindruck der Botschaft ein negativer ist, welcher als Ankerpunkt für die weitere Informationsaufnahme dient und so die Wahrnehmung

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der gesamten Botschaft negativ verzerrt (Primacy-Effekt). Andererseits erscheint auch eine Platzierung am Ende nicht empfehlenswert, da diese letzte, negative In-formation die Botschaft abschließt und als solche besonders hervorstechend und gut zugänglich ist (Recency-Effekt). Gleichzeitig ist bei Nennung der negativen Information am Ende der Botschaft deren Aufnahme und Verarbeitung fast abge-schlossen, sodass sich die positiven Effekte der Zweiseitigkeit kaum mehr entfalten können. Hovland und Kollegen setzen sich ausführlich mit Reihenfolgeneffekten bei der Präsentation persuasiver Botschaften auseinander (Hovland et al. 1957b). Der Vergleich zweier ähnlicher Studien mit unterschiedlicher Platzierung der nega-tiven Information zeigt, dass eine Platzierung im mittleren Teil der Botschaft effek-tiver ist als am Anfang (Hastak und Park 1990; Kamins und Marks 1987). Andere Forscher stellen, je nach Vorwissen der Empfänger, unterschiedliche Wirkungen der Reihenfolge fest (Hass und Linder 1972). Insgesamt ist aber nach Crowley und Hoyer (1994) davon auszugehen, dass eine Platzierung der negativen Information ganz am Anfang bzw. ganz am Ende vermieden werden sollte, während eine Plat-zierung im vorderen Teil bzw. in der Mitte sinnvoller erscheint. Eisend (2006) be-stätigt dies teilweise und stellt fest, dass eine Platzierung der negativen Argumente am Anfang unvorteilhaft auf die Glaubwürdigkeit und die Einstellung zur Botschaft wirkt. Andererseits zeigt seine Analyse jedoch, dass die Einstellung zum Objekt durch eine Platzierung der negativen Argumente am Ende am positivsten beein-flusst wird (Eisend 2006).

Die Wirkung der Widerlegung der negativen Argumente wird je nach Erklä-rungsansatz unterschiedlich gesehen. Einerseits ist eine Widerlegung der negativen Information nicht sinnvoll, da dann die positiven Effekte der negativen Informa-tionen auf die Glaubwürdigkeit reduziert werden (Kamins und Assael 1987). An-dererseits werden dadurch auch die negativen Folgen des Eingeständnisses auf die Bewertung des Produkts abgemildert. Die Widerlegung kann daher als Abschwä-chung der negativen Information sinnvoll sein, wenn diese ein besonders wichtiges Merkmal betrifft. In diesem Fall reduziert die Widerlegung die gravierenden nega-tiven Auswirkungen auf die Beurteilung des Produkts, wobei die reduzierte Glaub-würdigkeitssteigerung in diesem Fall weniger bedeutend ist (Crowley und Hoyer 1994). Kamins und Assael (1987) stellen in einer vergleichenden Studie jedoch fest, dass die Widerlegung für die Effektivität zweiseitiger Botschaften kaum eine Rolle spielt. Metaanalysen (Allen 1991; O’Keefe 1999) lassen den Schluss zu, dass Wi-derlegungen bei zweiseitigen Botschaften innerhalb von nichtwerblicher Kommu-nikation zwar durchaus positiv auf die Überzeugungskraft wirken. Innerhalb des Marketingkontexts jedoch ist von Widerlegungen abzuraten, da hier der über die Glaubwürdigkeit laufende Effekt bedeutender ist (Eisend 2006).

Eine ähnliche Wirkung entsteht auch durch die Korrelation zwischen negativen und positiven Produktmerkmalen. Hier werden die negativen Auswirkungen auf die Beurteilung des Produkts abgeschwächt, wenn die Nachteile des Produkts mit dessen Vorteilen im Zusammenhang stehen. Gleichzeitig bestätigt das Eingeständ-nis des negativen Merkmals, dass das korrelierte positive Merkmal tatsächlich ge-geben ist (Pechmann 1992). Da in der Wahrnehmung der Konsumenten bestimmte Merkmale miteinander verbunden sind, wird ein Trade-Off zwischen positiven und

Zweiseitige Botschaften in der Marketingkommunikation

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negativen Merkmalen erwartet und ist daher verzeihbar. So wird einer besonders cremigen und schmackhaften Eiscreme ein hoher Kaloriengehalt zugebilligt, eben-so wie ein besonders sportliches und schnittiges Auto nur ein geringes Platzangebot bieten kann (Crowley und Hoyer 1994). Pechmann (1990) kommt nach einer aus-führlichen Analyse dieses Zusammenhangs sogar zu dem Schluss, dass die Korre-lation von positiven und negativen Produktmerkmalen entscheidend dafür ist, ob zweiseitige Werbung tatsächlich eine effektive Verbesserung der Einstellung zum Produkt und der Kaufabsicht bewirkt. Dies wird auch von Bohner und Kollegen (2003) bestätigt, die in einem Experiment zeigen können, dass zweiseitige Bot-schaften mit Korrelation von positiven und negativen Informationen deutlich ef-fektiver auf die Einstellungsänderung wirken als einseitige Botschaften, während zweiseitige Botschaften ohne Korreliertheit positiver und negativer Produktmerk-male zwar eine höhere Glaubwürdigkeit genießen als einseitige Botschaften, sich dieser Vorteil aber nicht auf die Einstellung zum Produkt fortsetzt. Sie erklären die überlegene Wirkung zweiseitiger Werbung mit korrelierten Produktmerkmalen daher als Kombination zweier Vorgänge: Einerseits steigt die Glaubwürdigkeit, an-dererseits schlussfolgern die Empfänger aus der Existenz des negativen Merkmals auf das Vorliegen des entsprechenden positiven Merkmals (Bohner et al. 2003). Die positive Wirkung der Korreliertheit auf die Einstellung zum Objekt wird auch meta-analytisch bestätigt (Eisend 2006).

Chebat und Kollegen (Chebat et al. 1988; Chebat und Picard 1985, 1988) iden-tifizieren darüber hinaus die Anzahl der in der Botschaft enthaltenen Argumente sowie die Selbstakzeptanz und das Involvement der Botschaftsempfänger als mode-rierende Einflussfaktoren, die mit der Zweiseitigkeit der Botschaft interagieren und entscheidend für deren Effektivität sind. In neueren Studien stellen weitere Autoren auch Zusammenhänge zwischen der Effektivität von zweiseitigen Botschaften und psychologischen Merkmalen der Botschaftsempfänger (Self-Esteem und Regulato-ry Focus) fest (Florack et al. 2008; Sanaktekin und Sunar 2008).

2.4   Erkenntnisse aus Metaanalysen und neueren Studien

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Metaanalysen zu dem Ergebnis kommen, dass zweiseitige Werbung insgesamt effektiver ist als einseitige Werbung (Allen 1991; Eisend 2006; O’Keefe 1999). So bestätigt Eisend (2006) einen positi-ven Einfluss von zweiseitigen Botschaften auf Glaubwürdigkeit, positive Gedanken zum Objekt, wahrgenommene Neuartigkeit, Einstellung zur Marke und Kaufab-sicht. Gegenargumente und negative Gedanken sowie die Einstellung zur Werbung sinken infolge der negativen Informationen. Die Glaubwürdigkeit der Quelle erhöht sich, wenn die negativen Informationen freiwillig erfolgen, Erfahrungs- und Ver-trauenseigenschaften betreffen und nicht am Anfang der Botschaft stehen. Die Ein-stellung zur Marke und die Kaufabsicht verbessern sich durch eine größere Anzahl negativer Informationen und deren Platzierung am Ende der Botschaft sowie durch Korrelation positiver und negativer Produkteigenschaften. Der negative Einfluss auf die Einstellung zur Werbung ist stärker ausgeprägt, je höher Anteil und Wich-

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tigkeit negativer Informationen sind und wenn die negative Information am Anfang steht (Eisend 2006). Insgesamt stellen zweiseitige Botschaften eine Möglichkeit dar, die Glaubwürdigkeit der Marketingkommunikation zu erhöhen. Dadurch kann auch die Wirkung auf die Einstellungen der Empfänger verbessert werden. Dabei besteht jedoch ein Trade-Off zwischen negativen (unvorteilhaftere Bewertung) und positiven (höhere Glaubwürdigkeit) Effekten der Zweiseitigkeit.

In einer sehr aktuellen Untersuchung wird erstmals auch der zeitliche Wirkungs-verlauf zweiseitiger Kommunikation erforscht (Küster-Rohde 2010). Es wird expe-rimentell gezeigt, dass es bei der langfristigen Entwicklung des Einflusses zweisei-tiger Botschaften zu einem Wirkungsverfall kommt. Dabei entwickeln zweiseitige Botschaften zunächst eine stärkere Überzeugungskraft als einseitige Botschaften, wobei der Unterschied jedoch im Zeitablauf verschwindet und sich die beiden Bot-schaftsformen angleichen. Dieser Effekt beruht darauf, dass sich die Glaubwürdig-keit einseitiger und zweiseitiger Botschaften im Zeitablauf angleicht, was sich auf Vergessensprozesse und Unterschiede in der Erinnerungsleistung zurückführen lässt. Die Zweiseitigkeit der Botschaft ist die Ursache für deren höhere Glaubwürdigkeit. Die Erinnerung an die Botschaft schwindet jedoch im Zeitablauf, wobei negative Botschaftselemente im Vergleich mit der gesamten Botschaft besonders stark vom Vergessen betroffen sind. Zudem werden die erinnerten Aussagen später weniger negativ bewertet. Infolgedessen fällt die Erinnerung und Bewertung der zweiseitigen Botschaften positiver aus, wodurch sich einseitige und zweiseitige Botschaften in der Erinnerung der Empfänger im Zeitablauf angleichen. Diese Vergessensprozes-se führen dazu, dass einseitige und zweiseitige Botschaften bei sofortiger Messung noch stark unterschiedlich wahrgenommen werden, bei verzögerter Messung aber schließlich kein Unterschied mehr festgestellt werden kann (Küster-Rohde 2010).

Dieselbe Untersuchung bestätigt auch, dass die Gesamtwirkung zweiseitiger Bot-schaften auf die Einstellung durch entgegengesetzt wirkende Einflüsse geprägt ist, und gibt Einblick in das Zusammenspiel dieser Einflüsse (Küster-Rohde 2010). Ei-nerseits führen zweiseitige Botschaften im Vergleich zu einseitigen Botschaften zu einer höheren Glaubwürdigkeit und besseren Einstellung gegenüber der Botschaft, weil sie durch die enthaltenen negativen Informationen ausgewogener erscheinen. Andererseits resultieren bei zweiseitigen Botschaften die negativen Informationen an sich in einer schlechteren Bewertung des Inhalts und damit in einer negativeren Einstellung als bei einseitigen Botschaften. Diese Ergebnisse bestätigen den von der bestehenden Forschung festgestellten Trade-Off zwischen dem positiven Effekt der höheren Glaubwürdigkeit und dem negativen Effekt der unvorteilhaften Informa-tion (Crowley und Hoyer 1994; Eisend 2006, 2008) und helfen, die inkonsistenten Ergebnisse bestehender Studien in Bezug auf die Einstellung zur Botschaft, Einstel-lung zum Objekt und Kaufabsicht zu verstehen (Crowley und Hoyer 1994; Kamins 1989). Insbesondere kann so erklärt werden, warum einige Studien letztendlich kei-ne Wirkung bei der Einstellung zur Botschaft, der Einstellung zum Objekt oder der Kaufabsicht zeigen konnten (z. B. Belch 1981; Kamins und Marks 1987).

Beide Effekte – sowohl positiv als auch negativ – sind aber abhängig davon, dass die Zweiseitigkeit der Botschaft überhaupt wahrgenommen wird. Da diese Bedin-gung im Zeitablauf aufgrund des überdurchschnittlich schnellen Vergessens nega-

Zweiseitige Botschaften in der Marketingkommunikation

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tiver Botschaftselemente immer weniger gegeben ist, gleichen sich einseitige und zweiseitige Botschaften in ihrer Wirkung an. Die Wirkung zweiseitiger Botschaften ist also nicht nur von gegenläufigen Effekten geprägt, sie ist darüber hinaus auch im Zeitablauf nicht stabil, sondern unterliegt einem Wirkungsverfall (Küster-Rohde 2010).

3   Theoretische Ansätze zur Erklärung  der Wirkung zweiseitiger Botschaften

Die Wirkung zweiseitiger Botschaften wird vor allem mithilfe der Attributions-theorie, der Optimal-Arousal-Theorie und der Inokulationstheorie erklärt (Crow-ley und Hoyer 1994; Eisend 2007, 2008). Eisend (2007) gibt einen vergleichen-den Überblick über die theoretischen Ansätze, testet sie empirisch und diskutiert ihre Anwendbarkeit sowie Vorschläge für Modifikationen. Dabei schlägt er auch die Dualprozesstheorien als ergänzenden Erklärungsansatz vor, weshalb diese hier ebenfalls integriert werden. Als weiteren Erklärungsansatz, der in neueren Reviews allerdings kaum explizit erwähnt wird, wird die Reaktanztheorie vorgestellt.

3.1   Attributionstheorie

Die Wirkung zweiseitiger Botschaften kann mithilfe der Attributionstheorien er-klärt werden. Als erstes leisteten dies Settle und Golden (1974), die sich dazu auf Heider (1958) und Kelley (1972, 1973) beziehen. Nach der Theorie von Kelley (1972, 1973) werden Effekte den Gründen zugeschrieben, mit denen sie kovariie-ren. Je konsistenter die Beziehung zwischen Grund und Effekt ist, umso sicherer ist sich das Individuum. Die in einer Werbebotschaft vorgebrachten Argumente kön-nen entweder auf das Verkaufsinteresse der Quelle (der Werber bzw. das Unterneh-men) oder aber auf tatsächliche Eigenschaften des Produkts zurückgeführt werden. Da bei der normalerweise üblichen einseitigen Werbung jedes Unternehmen sein eigenes Produkt als in jeder Hinsicht überlegen darstellt, liegt keine Kovariation der Aussagen mit den tatsächlichen Produkteigenschaften vor. Dafür lässt sich jedoch eine starke Kovariation zwischen den Aussagen und der Quelle feststellen (Unter-nehmen X sagt, Produkt X sei das Beste, während Unternehmen Y sagt, Produkt Y sei das Beste, usw.). Die Aussagen der Botschaft werden also auf das Verkaufs-interesse der Unternehmen zurückgeführt. Die Empfänger der Botschaft sind daher unsicher über die tatsächlichen Produkteigenschaften, wodurch die Einstellung zum Produkt nicht verbessert wird. Wenn eine Werbebotschaft jedoch Vor- und Nach-teile des Produkts enthält und sich dadurch von den Aussagen anderer Botschaften unterscheidet, wird eine Kovariation mit den Produkteigenschaften statt mit den Interessen der Quelle wahrgenommen. Die Empfänger führen die Aussagen daher auf die tatsächlichen Eigenschaften des Produktes zurück, wodurch die Botschaft geeignet ist, die Einstellungen der Empfänger gegenüber dem Produkt zu beein-

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flussen (Settle und Golden 1974). Der Ansatz von Settle und Golden (1974) wurde jedoch von verschiedenen Autoren kritisiert (z. B. Hansen und Scott 1976; Smith und Hunt 1978).

Smith und Hunt (1978) plädieren dafür, dass die Theorie der korrespondierenden Schlussfolgerungen von Jones und Davis (1965) besser geeignet sei, die Wirkung zweiseitiger Botschaften zu erklären. Danach werden internale und externale Ursa-chen für ein Verhalten unterschieden. Internale Ursachen sind Veranlagungen und Eigenschaften des Individuums, während externale Ursachen situative Einflüsse darstellen. Wenn also in einer Kommunikationssituation die getätigten Aussagen auf internale Ursachen zurückgeführt werden können, reflektieren sie die tatsäch-lichen Überzeugungen der Quelle und sind daher sehr informativ. Werden die ge-tätigten Aussagen dagegen auf externale Ursachen zurückgeführt, gibt es keinen zwingenden Zusammenhang zwischen Aussage und tatsächlichen Überzeugungen, was zur Unsicherheit des Empfängers führt. Wenn sich nun die Quelle entgegen den allgemeinen Erwartungen und Gewohnheiten verhält, wird dieses Verhalten durch internale Ursachen, also deren wahre Überzeugungen, erklärt. In der Werbung ent-sprechen einseitige Darstellungen der Produkte den Erwartungen der Empfänger, wodurch die Aussagen eher auf die Verkaufssituation als auf die wahren Überzeu-gungen der Quelle zurückgeführt werden. Die Präsentation negativer Aussagen wi-derspricht dagegen den Erwartungen der Empfänger und scheint dem Verkaufsziel zu schaden. Daher wird bei zweiseitigen Botschaften die Veranlagung der Quelle zu Ehrlichkeit und wahrheitsgemäßer Darstellung der Fakten als Grund für die Aus-sagen vermutet, was zu einer höheren Glaubwürdigkeit führt. Daraus ergibt sich auch die Implikation, dass zweiseitige Werbung ihre glaubwürdigkeitssteigernde Wirkung teilweise einbüßt, wenn sie in der Praxis eine zu starke Verbreitung findet und daher schon erwartet wird.

Die glaubwürdigkeitssteigernde Wirkung zweiseitiger Botschaften kann auch mit dem Expectation-Confirmation-Ansatz von Eagly und Kollegen (1975, 1978) erklärt werden. Danach werden Aussagen, die den Erwartungen des Empfängers widersprechen, eher darauf zurückgeführt, dass die Quelle eine realitätsgetreue Aussage machen möchte, und erzeugen so hohe Glaubwürdigkeit. Aussagen, die die Erwartungen der Empfänger bestätigen, werden dagegen eher auf externe, si-tuative Umstände und Zwänge zurückgeführt und entwickeln nur geringe Über-zeugungskraft (Eagly und Chaiken 1975; Eagly et al. 1978). Einseitige Werbung entspricht den Erwartungen der Empfänger. Die Aussagen werden daher darauf zurückgeführt, dass die Quelle das Produkt positiv darstellen will, um den Verkauf zu fördern, und sind folglich wenig überzeugend. Zweiseitige Botschaften dagegen stehen im Widerspruch zu den gängigen Erwartungen. Daher wird geschlussfolgert, dass die Quelle den Wunsch hat, die Empfänger wahrheitsgemäß zu informieren, wodurch die Glaubwürdigkeit steigt (Eisend 2006).

Abgesehen von kleineren Unterschieden zwischen den verschiedenen Ansätzen wird die größere Überzeugungswirkung zweiseitiger Werbung im Rahmen der At-tributionstheorie also damit erklärt, dass die Empfänger die in der Botschaft ge-tätigten Aussagen entweder auf die realen Eigenschaften des Produkts oder auf die wirtschaftlichen Interessen der Quelle zurückführen können. Das Einräumen von

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Nachteilen, Problemen oder negativen Produktmerkmalen konterkariert (scheinbar) die Unternehmensinteressen. Das Verhalten der Quelle widerspricht damit den Er-wartungen der Empfänger die eine einseitig positive Darstellung erwarten. Wenn die Aussagen des Unternehmens nicht mehr durch das Verfolgen wirtschaftlicher Ziele erklärt werden können und auch sonst keine plausiblen Erklärungen erkenn-bar sind, bleibt letztlich nur die valide Wiedergabe der Realität als Grund, was in einer hohen Glaubwürdigkeit resultiert.

Die Wirkungsweise von zweiseitigen Botschaften nach den Annahmen der At-tributionstheorie ist in Abb. 2 wiedergegeben. Danach erhöht die Zweiseitigkeit die Glaubwürdigkeit der Quelle, was wiederum die Einstellung zur Quelle (dem Werbetreibenden) verbessert. Daraus folgt eine Verbesserung der Einstellung zur Botschaft sowie der Einstellung zum Objekt (zum beworbenen Produkt). Alle mo-dellierten Zusammenhänge werden in einer Metaanalyse empirisch bestätigt, was für die Eignung des Modells spricht (Eisend 2007).

Die Attributionstheorie stellt eine gute Basis zur Erklärung der Wirkungsweise zweiseitiger Botschaften dar. Sie ist am weitesten verbreitet und liefert eine schlüs-sige Begründung für den wichtigen Glaubwürdigkeitseffekt (Eisend 2006, 2007 und 2008). Dabei steigt die Glaubwürdigkeit mit zunehmendem Anteil negativer Infor-mation an. Der gegenläufige Effekt durch die negativen Informationen wird durch die Attributionstheorie jedoch nicht berücksichtigt (Eisend 2007). Daher lässt sich der zu beobachtende kurvilineare Zusammenhang zwischen dem Anteil negativer Information und der Einstellung zur Botschaft bzw. zum Objekt nicht adäquat erklä-ren (Eisend 2006, 2008; Golden und Alpert 1987). Konkrete Hinweise auf die Ge-staltung und den Aufbau der zweiseitigen Botschaften sind ebenfalls nicht möglich.

Eisend (2008) schlägt eine Erweiterung der Attributionstheorie vor, mit der auch der gegenläufige, negative Effekt der Zweiseitigkeit besser erklärt werden kann. Dazu wird davon ausgegangen, dass der Attributionsprozess mehrere Phasen durch-läuft, wobei der positive Glaubwürdigkeitseffekt in der ersten Phase, der negative Effekt durch die eingestandenen Nachteile jedoch erst in einer späteren Phase ent-steht. Letztere erfordert eine größere kognitive Kontrolle und kann daher bei starker kognitiver Belastung des Empfängers auch entfallen. So lässt sich erklären, dass der Trade-Off je nach kognitiver Belastung des Empfängers durchaus unterschiedlich ausfallen kann (Eisend 2008).

Abb. 2   Wirkung von zweiseitigen Botschaften nach der Attributionstheorie. (Quelle: in Anlehung an Eisend 2007, S. 621)

Zweiseitigkeitder Botschaft

Einstellung zurBotschaft

Einstellung zumObjekt

Glaubwürdigkeitder Quelle

+

+

+

Einstellung zurQuelle

+

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3.2   Inokulationstheorie

Die Inokulationstheorie erklärt die Wirkung zweiseitiger Botschaften damit, dass die kontrollierte, gemäßigte Präsentation von Gegenargumenten und deren Widerlegung wie eine „Impfung“ der Empfänger wirkt und sie immun macht gegen die Verwen-dung der Gegenargumente im Rahmen späterer Beeinflussungen. Die Einstellungen zur Botschaft und zum Objekt der Botschaft werden dadurch positiv beeinflusst und stabilisiert (Eisend 2008). Lumsdaine und Janis (1953) stellen fest, dass die durch zweiseitige Kommunikation generierte Einstellungsänderung der Empfänger sta-biler und resistenter ist gegenüber späteren Beeinflussungsversuchen in die andere Richtung. Als Erklärung führen sie an, dass bei zweiseitiger Kommunikation dem Empfänger auch die Gegenargumente präsentiert werden, sodass ihm diese bei spä-teren, entgegengesetzten Beeinflussungsversuchen bereits bekannt sind und so keine große Überzeugungswirkung mehr entwickeln können (Lumsdaine und Janis 1953).

Der Immunisierungseffekt einer leichten, moderaten Konfrontation mit Gegen-argumenten wurde ausführlich von McGuire und Papageorgis untersucht (McGuire 1961a,b, 1962; McGuire und Papageorgis 1961; Papageorgis und McGuire 1961). In mehreren Studien konnten die Autoren zeigen, dass die Einstellungen der Emp-fänger resistenter gegenüber Gegenargumenten in späteren Beeinflussungsversu-chen sind, wenn sie bereits vorher mit Botschaften mit einer abgeschwächten Form von Gegenargumenten sowie deren Widerlegung konfrontiert wurden. Im Vergleich dazu erweisen sich Botschaften mit ausschließlich unterstützenden Argumenten als weniger dauerhaft wirkungsvoll (McGuire 1961a,b, 1962; McGuire und Papageor-gis 1961; Papageorgis und McGuire 1961).

Thistlethwaite und Kametsky (1955) dagegen bestätigen die positive Wirkung der Widerlegung von Gegenargumenten nicht. Auch Kamins und Assael (1987) stellen fest, dass zweiseitigen Botschaften generell effektiver sind als einseitige Botschaften – ob mit oder ohne Widerlegung spielt dabei nach ihren Untersuchun-gen kaum eine Rolle.

Die Inokulationstheorie steht insofern auch teilweise im Widerspruch zur At-tributionstheorie. Nach den Vorhersagen der Attributionstheorie sollte eine Wider-legung der negativen Argumente deren positive Wirkung auf die Glaubwürdigkeit wieder zunichtemachen, da ein Widerlegen negativer Argumente den erwarteten, verkaufsfördernden (externale Ursache) Verhaltensweisen eines Werbetreibenden entspricht (Eisend 2008). Kamins und Assael (1987) überprüfen und vergleichen die Aussagekraft der Attributionstheorie und der Inokulationstheorie in einer Unter-suchung. Dazu vergleichen sie einseitige Botschaften, zweiseitige Botschaften ohne Widerlegung und zweiseitige Botschaften mit Widerlegung anhand verschiedener Wirkungsmaße, wobei sie die Überlegenheit zweiseitiger Botschaften unabhängig von der Widerlegung feststellen. Die Ergebnisse unterstützen beide Theorien, so-dass die Autoren keine von beiden als klar überlegen bezeichnen können (Kamins und Assael 1987). Die Inokulationstheorie wird zwar in verschiedenen Studien zur Erklärung der Wirkung zweiseitiger Botschaften verwendet (z. B. Bither et al. 1971; Kamins und Assael 1987; Szybillo und Heslin 1973), ist allerdings deutlich weniger verbreitet als die Attributionstheorie. In einer empirischen Überprüfung verschiede-

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ner Theorien zur Erklärung der Wirkung zweiseitiger Botschaften erreicht das auf der Attributionstheorie basierende Modell einen deutlich besseren Fit als das Mo-dell auf Basis der Inokulationstheorie, was die Attributionstheorie als Erklärungs-grundlage geeigneter erscheinen lässt (Eisend 2007).

Abbildung 3 zeigt die Vorhersagen der Inokulationstheorie zur Wirkungsweise zweiseitiger Botschaften. Demnach verbessert die zweiseitige Botschaft mit Wi-derlegung bei den Empfängern die Aufmerksamkeit und die Motivation zur Infor-mationsverarbeitung, was wiederum die positiven Gedanken zur Botschaft erhöht und die Gegenargumente reduziert. Die Zweiseitigkeit wirkt zusätzlich auch direkt erhöhend auf die positiven Gedanken und reduzierend auf die Gegenargumente. Die positiven Gedanken zur Botschaft verbessern die Einstellung zum Objekt, wäh-rend die Gegenargumente die Einstellung zum Objekt verschlechtern. Eine meta-analytische Überprüfung (Eisend 2007) bestätigt die modellierten Zusammenhänge jedoch nur teilweise, was die Eignung der Inokulationstheorie zur Erklärung der Effektivität zweiseitiger Botschaften infrage stellt. So zeigt sich kein Einfluss von zweiseitigen Botschaften mit Widerlegung auf die Aufmerksamkeit und Motivation zur Informationsaufnahme. Auch die vorhergesagte Wirkung der zweiseitigen Bot-schaft mit Widerlegung auf die Gegenargumente und von dort auf die Einstellung zum Objekt ist nicht oder nur marginal signifikant.

Kritisch anzumerken ist zudem, dass weder Aussagen über die kausalen Ursachen des Immunisierungseffektes noch über die konkrete Gestaltung der zweiseitigen Botschaften getroffen werden (Crowley und Hoyer 1994). Da zudem Metaanalysen den Widerlegungen der negativen Argumente innerhalb des Marketingkontexts kei-nen entscheidenden Einfluss bestätigen, ist die Eignung der Inokulationstheorie zur Erklärung zweiseitiger Werbung fraglich (Eisend 2008).

3.3   Optimal-Arousal-Theorie

Die Optimal-Arousal-Theorie (Berlyne 1960, 1971) wird von Crowley und Hoyer (1994) als ein weiterer Ansatz zur Erklärung der Wirkung zweiseitiger Botschaften

Abb. 3   Wirkung von zweiseitigen Botschaften nach der Inokulationstheorie. (Quelle: in Anleh-nung an Eisend 2007, S. 621)

Zweiseitigkeitder Botschaft +

Widerlegung

Aufmerksamkeit

Positive kognitiveGedanken

Einstellung zumObjekt+

+

Negative kognitiveGedanken /

Gegenargumente

+

+

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herangezogen. In der Optimal-Arousal-Theorie wird davon ausgegangen, dass Sti-muli mit moderatem Neuheitsgrad und moderater Komplexität bevorzugt werden (Berlyne 1960, 1971). Gemäß der Adaptionsniveautheorie (Helson 1964) dient da-bei der Vergleich mit dem Adaptionsniveau, welches sich aus den bisherigen Er-fahrungen und Gewohnheiten ableitet, als Maßstab. Kleinere Abweichungen vom Adaptionsniveau wirken sich positiv aus, während zu große Abweichungen negati-ve Effekte hervorrufen. Bezogen auf zweiseitige Botschaften wird also davon aus-gegangen, dass die Neuartigkeit und Ungewöhnlichkeit zweiseitiger Botschaften aufmerksamkeitssteigernd wirkt, was wiederum die Aufnahme und Verarbeitung der Botschaft fördert und damit deren Potenzial zur Einstellungsänderung erhöht. Entsprechend der Assimilations-Kontrast-Theorie (Hovland et al. 1957a; Sherif et al. 1958) ist dieser positive Effekt aber nur bis zu einem gewissen Grad an Neu-heit wirksam, danach werden Abweichungen vom Adaptionsniveau nicht akzeptiert und führen zu Ablehnung (Crowley und Hoyer 1994; Eisend 2008).

Damit kann die Optimal-Arousal-Theorie die Verbesserung der Einstellungen gegenüber Botschaft und Objekt erklären. Die Optimal-Arousal-Theorie stellt außerdem die optimale Gewichtung negativer und positiver Argumente in den Fo-kus und ist gut geeignet, die positive Wirkung von wenigen, gemäßigt negativen Argumenten innerhalb einer Botschaft zu erklären. Bei sehr wichtigen oder zahl-reichen negativen Informationen ist dagegen eher ein negativer Effekt zu erwarten, da die starke Abweichung vom Adaptionsniveau hier zur Ablehnung der Botschaft führt (Crowley und Hoyer 1994). Dies deckt sich durchaus mit der Feststellung, dass die Einbeziehung zusätzlicher negativer Botschaftselemente bis zu einer be-stimmten Menge positiv auf die Einstellung wirkt, sich die Beziehung danach je-doch umkehrt und jeder weitere eingestandene Nachteil negative Auswirkungen hat. Der empirisch beobachtbare, kurvilineare Zusammenhang zwischen dem Anteil der negativen Information und den Einstellungsmaßen lässt sich also mithilfe der Opti-mal-Arousal-Theorie gut erklären. Eine ähnliche Erklärung dieses Zusammenhangs wäre allerdings alternativ auch durch die Schema-Theorie möglich (Maoz und Ty-bout 2002; Meyers-Levy und Tybout 1989). Konkurrierende Konzepte, wie das Processing-Fluency-Modell, sagen dagegen klar eine negative Beziehung zwischen dem Grad der Abweichung und den Einstellungen vorher (Lee und Labroo 2004; Reber et al. 1998; Winkielman und Cacioppo 2001). Die Anwendung der Optimal-Arousal-Theorie auf die Wirkung zweiseitiger Werbung ist zudem noch relativ neu und noch nicht explizit empirisch überprüft worden. Insgesamt ist der spezifische, eigene Beitrag der Optimal-Arousal-Theorie zur Erklärung der Wirkung zweiseiti-ger Werbung daher noch unklar (Eisend 2007, 2008).

Abbildung 4 zeigt die Wirkungsmechanismen zweiseitiger Botschaften nach den Annahmen der Optimal-Arousal-Theorie, wobei hier davon ausgegangen wird, dass es sich um niedrige bis mittlere Anteile negativer Information handelt – Be-reiche also, in denen Abweichungen noch als angenehm empfunden werden. Zwei-seitige Botschaften erhöhen die wahrgenommene Neuartigkeit der Botschaft. Die Neuartigkeit verbessert die Einstellung zur Botschaft und lässt die Aufmerksam-keit und Motivation der Empfänger zur Informationsverarbeitung ansteigen, was sich wiederum zusätzlich positiv auf die Einstellung zur Botschaft auswirkt. Die erhöhte Aufmerksamkeit und die verbesserte Einstellung zur Botschaft wirken

Zweiseitige Botschaften in der Marketingkommunikation

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schließlich positiv auf die Einstellung zum Objekt. Dieses Modell kann anhand einer Metaanalyse (Eisend 2007) jedoch nur teilweise empirisch bestätigt werden. Deren Ergebnisse zeigen keinen Einfluss von der wahrgenommenen Neuartigkeit auf die Aufmerksamkeit und Motivation zur Informationsaufnahme. Stattdessen zeigt sich, entgegen der Vorhersagen, ein negativer Einfluss der Neuartigkeit auf die Einstellung zur Botschaft, was entweder als Bestätigung für das konkurrierende Processing-Fluency-Modell angesehen werden kann oder aber dafür spricht, dass der negative Einfluss bei zu großen Abweichungen bedeutender ist als der positive Einfluss bei geringen bis moderaten Abweichungen. Insgesamt rechtfertigen die Er-gebnisse die oben genannten Bedenken bezüglich der Anwendbarkeit der Optimal-Arousal-Theorie (Eisend 2007).

3.4   Reaktanztheorie

Darüber hinaus ist eine Erklärung der Wirkung zweiseitiger Botschaften mithilfe der Reaktanztheorie (Brehm 1966) möglich, auch wenn diese Interpretation wegen ihrer eher geringen Bedeutung in neueren Arbeiten zu zweiseitiger Werbung kaum noch berücksichtigt wird (Crowley und Hoyer 1994; Eisend 2007, 2008). Die Re-aktanztheorie geht davon aus, dass freie Individuen mit Reaktanz auf Druck und Zwänge reagieren, was in einer Abwehrhaltung resultiert. Sieht ein Individuum also seine Entscheidungsfreiheit durch einen Beeinflussungsversuch bedroht, reagiert es darauf, indem es der Beeinflussungssituation widersteht, um seine Freiheit wie-derherzustellen (Brehm 1966). Wenn sich Individuen darüber bewusst sind, dass es zwei Perspektiven zu einem Thema gibt, dann fühlen sie sich durch einseitige Botschaften stärker unter Druck gesetzt, die in der Botschaft vertretene Position an-zunehmen und reagieren darauf mit Reaktanz, wodurch eine Einstellungsänderung verhindert wird. Zweiseitige Botschaften mildern diese Reaktanz ab und erleich-tern so die Überzeugungswirkung der Botschaft. Sind die Empfänger jedoch nicht über das Thema informiert und wissen daher nicht, dass es zweierlei Sichtweisen gibt, wird die einseitige Botschaft nicht als Zwang wahrgenommen und die Reak-

Abb.  4   Wirkung von zweiseitigen Botschaften nach der Optimal-Arousal-Theorie. (Quelle: in Anlehnung an Eisend 2007, S. 621)

Zweiseitigkeitder Botschaft

Aufmerksamkeit

Einstellung zurBotschaft

Einstellung zumObjektNeuartigkeit

+

+

+

+

+

+

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tanz bleibt aus. In diesem Fall wirken einseitige Botschaften besser, da sie weniger mehrdeutig sind (Jones und Brehm 1970). Diese Interpretation ist konsistent mit der ursprünglichen Erklärung von Hovland und Kollegen (1949) und konnte von Jones und Brehm (1970) auch experimentell belegt werden. Auch die Reaktanz-theorie macht jedoch keine Aussagen zur optimalen Gestaltung und Gewichtung der verschiedenen Argumente. Die Reaktanztheorie findet als theoretische Basis für die Erklärung der Wirkung zweiseitiger Botschaften in neueren Arbeiten, Reviews oder metaanalytischen Überprüfungen kaum Beachtung (Crowley und Hoyer 1994; Eisend 2007, 2008). Auch für die vorliegende Arbeit ist sie nicht von besonderer Relevanz, da Glaubwürdigkeit in der Reaktanztheorie keine besondere Rolle spielt.

3.5   Dualprozesstheorien

Grundsätzlich lässt sich aus den Dualprozesstheorien ableiten, dass für die volle Entwicklung der Wirkung zweiseitiger Botschaften hoch involvierte Empfänger notwendig sind, da die Botschaft inhaltlich verarbeitet werden muss. Nach den Aussagen des Elaboration–Likelihood-Modells (Cacioppo und Petty 1984; Petty und Cacioppo 1986; Petty et al. 1983; Petty und Wegener 1999) können zweiseitige Botschaften die Empfänger je nach Involvement auf zweierlei Weise beeinflussen.

Einerseits geschieht dies bei geringem Involvement durch die Anzahl der Argu-mente. Wenn durch die zusätzlichen negativen Informationen die Gesamtzahl der Argumente ansteigt, wirken diese als peripheral cue und erhöhen so die Glaubwür-digkeit. Das Involvement wird erhöht, wenn die negativen Informationen besonders wichtige Eigenschaften betreffen (Eisend 2008).

Andererseits findet die Beeinflussung bei hohem Involvement durch die Qualität der Argumente statt, wobei die Glaubwürdigkeit steigt und positiv auf die Einstel-lungsänderung wirkt, gleichzeitig aber ein gegenläufiger Effekt durch die negative Information entsteht. Wie stark die negativen Argumente die Bewertung des Pro-duktes beeinträchtigen, ist dabei abhängig von der kognitiven Belastung der Emp-fänger, wobei eine starke kognitive Auslastung die negative Wirkung unterdrückt und der Trade-Off positiver ausfällt (Eisend 2008).

Das Involvement kann also als wichtiger Einflussfaktor für die Wirkung zweiseiti-ger Werbung angesehen werden (Eisend 2008). Tabelle 1 fasst die unterschiedlichen Wirkungsweisen der Zweiseitigkeit in Abhängigkeit des Involvement zusammen.

Bei einer empirischen Überprüfung bestehender theoretischer Ansätze zur Erklä-rung der Wirkung zweiseitiger Botschaften stellt Eisend (2007) fest, dass die Dual-prozesstheorien sinnvoll in diese Modelle integriert werden können. Die Wirkung zweiseitiger Botschaften wurde bisher vornehmlich unter der Annahme analysiert, dass die Empfänger hoch involviert sind und die Botschaft dementsprechend auf-wendig verarbeiten. Dies ist – insbesondere im Marketingkontext – jedoch nicht immer vorauszusetzen. Durch die Berücksichtigung eines alternativen Verarbei-tungsweges unter niedrigem Involvement können die existierenden Modelle deut-lich verbessert werden (Eisend 2007).

Zweiseitige Botschaften in der Marketingkommunikation

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4   Zusammenfassung und Fazit

Zweiseitige Botschaften sind Botschaften, die nicht nur die positiven Aspekte kom-munizieren, sondern auch negative Elemente enthalten. In Bezug auf Werbung werden hier also auch die Schwächen oder Nachteile eines Produktes nicht ver-schwiegen. Zweiseitige Botschaften und ihre Verwendung im Rahmen der Mar-ketingkommunikation werden seit vielen Jahrzehnten wissenschaftlich untersucht, dabei wurde die Wirkungsweise der Zweiseitigkeit anhand verschiedener Theorien und Ansätze erklärt. Obwohl seit langem bekannt ist, dass zweiseitige Werbung positive Effekte haben kann und durchaus interessante Möglichkeiten für die Mar-ketingkommunikation bietet, wird sie bisher nur vereinzelt angewendet. Diese Zurückhaltung lässt sich vor allem damit erklären, dass Unternehmen befürchten, durch die Eingeständnisse negative Effekte hervorzurufen und ihre Produkte in einem negativen Licht erscheinen zu lassen. Wie die vorangehenden Ausführungen zeigen, ist diese Sorge nicht ganz unbegründet, da die Wirkung von zweiseitigen Botschaften durch einen Trade-Off von negativen und positiven Effekten gekenn-zeichnet ist: Einerseits erhöht die Zweiseitigkeit die Glaubwürdigkeit der Botschaft und verstärkt damit deren Überzeugungskraft, andererseits wirken die negativen Informationen per se nachteilig auf die Einstellung der Empfänger. Es konnte aber gezeigt werden, dass der positive Effekt der gesteigerten Glaubwürdigkeit in den meisten Fällen bedeutender ist und der negative Effekt erst bei sehr hohem Anteil

F. Küster

Tab.  1   Wirkungsmechanismen zweiseitiger Botschaften in Abhängigkeit des Involvement. (Quelle: in Anlehnung an Eisend 2008, S. 321)

Involvement niedrig Involvement hochWichtigkeit der negativen Information

Kognitive Belastung des Rezipienten

niedrig hoch niedrig hochWirkungs-mechanismus

Anzahl der Argu-mente als peri-pherer Hinweis ist wichtig

Involvement wird erhöht

Positiver Glaub-würdigkeitseffekt, Korrektur aufgrund der negativen Information

Positiver Glaub-würdigkeitseffekt, keine Korrektur aufgrund der nega-tiven Information

Effekt kurzfristige Erhöhung der Einstellung

siehe hohes Involvement

kurvilinearer Effekt zwischen Negativität und Einstellung, Optimum bei niedriger bis moderater Negati-vität; langfristiger Einstellungseffekt

kurvilinearer Effekt zwischen Negativität und Einstellung, Optimum bei moderater bis hoher Negativi-tät; langfristiger Einstellungseffekt

Empfehlung Anzahl der Argu-mente erhöhen

siehe hohes Involvement

Niedrige bis moderate Anzahl weniger wichtiger negativer Informa-tionen verwenden

Moderate Anzahl moderat wichti-ger bis wichtiger negativer Informa-tionen verwenden

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negativer Informationen relevant wird. Es wurden verschiedene Faktoren erörtert, die diesen Trade-Off und damit die Gesamtwirkung zweiseitiger Botschaften beein-flussen. Bei Berücksichtigung dieser Faktoren können Unternehmen die Chancen der zweiseitigen Werbung nutzen und dabei die Risiken minimieren.

Zudem zeigen neuere Studien, dass die Wirkung einseitiger und zweiseitiger Werbung sich im Zeitablauf angleicht, wodurch also sowohl das Risiko als auch der Nutzen zeitlich beschränkt sind: Einerseits ist so der Vorteil der höheren Glaubwür-digkeit nicht haltbar, andererseits verschwindet aber auch die negative Wirkung der eingestandenen Nachteile auf die Einstellung und Beurteilung des beworbenen Ob-jekts. Die Befürchtung vieler Unternehmen, durch unvorteilhafte Eingeständnisse das Image des Produkts dauerhaft zu schädigen ist also unbegründet. Für die Unter-nehmen bedeutet das, dass bei der Entscheidung über die Verwendung zweiseitiger Werbung auch der zeitliche Rahmen berücksichtigt werden sollte. Je nachdem, über welchen Zeitraum sich die Wirkung der Kommunikation entfalten soll, kann die Einbeziehung negativer Informationen mehr oder weniger sinnvoll sein.

Insgesamt stellt zweiseitige Werbung tatsächlich eine interessante, abwechs-lungsreiche und glaubwürdige Alternative zur üblichen einseitigen Werbung dar und verdient als Option innerhalb der Marketingkommunikation durchaus stärkere Berücksichtigung.

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Zusammenfassung 

In der Neurolinguistischen Programmierung (NLP) wird unter „Reframing“ eine Kommunikationstechnik verstanden, die zur Meinungsbildung von Personen be-sonders wirksam ist. Sprachmuster, die sich der Technik bedienen, sind häufig in der aktuellen Werbung zu erkennen, beispielsweise in einem aktuellen Volkswa-gen-Spot: „Vielleicht sind wir Deutschen nicht die Humorvollsten, aber wer will schon ein Auto, über das man lacht!“ Die negative Eigenschaft der deutschen Marke Volkswagen wird in einem neuen Rahmen erlebbar gemacht, indem sie eine positive Bedeutung erhält. Die positiven Effekte zeigen sich auf Ebene der Aktivierung, Glaubwürdigkeit und Inszenierung von Marken-eigenschaften, die sich langfristig auf die ökonomische Größe der Kauf-wahrscheinlichkeit auswir-ken. In diesem Beitrag werden der konzeptionelle Aufbau von Brand Reframing dargestellt, verschiedene Einsatzfelder in der Markenkommunikation gezeigt und die Wirkungsweisen sowie Einflussgrößen diskutiert, die mit dieser Kom-munikationstechnik verbunden sind.

1   Einleitung – Effizienzprobleme  in der Markenkommunikation

Aufgrund der zunehmenden Kommunikationsbarrieren wird es immer schwieriger den Konsumenten über Werbemaßnahmen zu erreichen (Kroeber-Riel 1987, S. 257 ff.; Esch 2010b, S. 25 ff.). Daher lautet das Credo der Markenkommunikation schon seit einigen Jahren: „Man muss laut schreien, um gehört zu werden“ (Kroeber-Riel und Esch 2010, S. 169). Der Wirkungsgrad der Werbung ist immer dann hoch, wenn das Gewohnte durchbrochen wird (Kroeber-Riel 1988, S. 50). Dieser Ansatz sollte jedoch

Brand Reframing

Wir sind vielleicht nicht die Humorvollsten, aber wer will schon eine Marke, über die man lacht!

Niels Neudecker und Franz-Rudolf Esch

N. Neudecker ()EBS Universität für Wirtschaft und Recht, Wiesbaden, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_17, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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nicht unreflektiert verfolgt werden, denn Markenkommunikation sollte stets den öko-nomischen Prämissen der Effektivität und Effizienz folgen (Kroeber-Riel und Esch 2010, S. 204). Wird ausschließlich die erste Prämisse erfüllt, bleibt Werbung „l’art pour l’art“, die kunstvoll ihrem Selbstzweck dient. Damit können Werbeagenturen zwar mitunter Kreativpreise gewinnen, jedoch geben die Anzeigenmotive bei den Konsumenten oftmals neben der Ablenkung von der eigentlichen Markenbotschaft (z. B. durch Humor) oder durch die ausgelöste Irritation auch Rätsel auf und schwä-chen damit das Markenbild (Kroeber-Riel und Esch 2010, S. 184). Erst die Gewähr-leistung der Effizienz, im Sinne der gewünschten Werbewirkung (z. B. Stärkung des Markenimages), lässt ein effektives Vorgehen sinnvoll erscheinen. Dies gilt in glei-cher Weise für häufige Kampagnenwechsel. Kurzfristig kann dadurch zwar Aufmerk-samkeit erlangt werden, für eine langfristige Stärkung der Marke kann ein solches Vorgehen jedoch nicht effizient sein (Esch 2010c, S. 199). Somit lautet der Grundsatz für eine erfolgreiche Markenkommunikation: „Kontinuität ohne Langeweile“.

Kaum etwas scheint spontan derart einleuchtend und doch so schwer zu befol-gen. Wie kann man sich selbst treu bleiben und gleichzeitig mit Neuem überra-schen? Innovation und Kontinuität werden oftmals als zwei Seiten eines Kontinu-ums betrachtet. Dies lässt sich nur überwinden, wenn man sich von der linearen Betrachtung löst und die konstant bleibenden Markeneigenschaften um die Dimen-sionen von Kontext und Perspektive erweitert (Neudecker 2011). Setzt man sich mit der Bedeutung von Eigenschaften in verschiedenen Kontexten und Perspektiven auseinander, spricht man von Reframing (Watzlawick et al. 2009, S. 118), bei der Markenkommunikation von Brand Reframing (Esch 2010a).

2   Postmoderne als Zugang effizienter Markenkommunikation

Werbung war schon immer postmodern, auch wenn dies in der Marketingdiskussion oftmals vernachlässigt wird. In der Postmoderne ist Konsum nicht nur ein materieller Nutzen, sondern auch immer ein Erlebnis, dessen Vermittlung durch die Marken-kommunikation erfolgen muss (Kirchler und Meier-Pesti 2003, S. 427 f.). Allerdings entpuppen sich die facettenreichen und oftmals paradoxen Annahmen, die mit einer postmodernen Sichtweise verbunden sind, als nebliges Terrain für Wissenschaft und Praxis. Selbst der französische Philosoph Lyotard, der den Begriff der Postmoderne mit dem Gründungsdokument „La condition postmoderne“ 1979 wesentlich geprägt hat, gesteht sich ein: „Ich bemühe mich zwar zu verstehen, was sie [die Postmoderne] ist, aber ich weiß es nicht. Die Diskussion darüber fängt ja auch gerade erst an“ (Lyo-tard 2009, S. 74). So ist es nicht verwunderlich, dass das Thema bereits Mitte der 1990er-Jahre im Lichtkegel der Marketingdiskussion erschien, jedoch bis heute noch immer im Schatten der klassischen Marketingansätze steht (Brown 2008). Dies be-gründet sich einerseits darin, dass die Postmoderne kein Konzept an sich ist, sondern vielmehr eine Denkhaltung, mit deren Hilfe Schwächen bestehender Ansätze aufge-deckt und effizienter gestaltet werden können. Zudem fällt es dem Marketing selbst schwer, neben dem „in the box“ und „out of the box“ auch noch „about the box“ zu

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denken (Brown 2008, S. 20). Hierbei sind Nachbardisziplinen, wie beispielsweise die Soziologie und Psychologie, meist einen Schritt voraus. Diese haben sich mit der Thematik nicht nur eingehend beschäftigt, sondern auch längst erkannt, dass Marken und deren Kommunikation selbst ein Phänomen der Postmoderne sind (Penz und Kirchler 2007, S. 41). Aber auch in der Konsumentenforschung werden die neuen wissenschaftlichen Ansätze und Erkenntnisse bereits als „postmoderne Renaissance“ bezeichnet (Kroeber-Riel et al. 2009, S. 25). Postmodern bedeutet in diesem Zusam-menhang die Fokussierung auf das subjektive Erleben der Welt, die der rein objek-tiven, naturwissenschaftlichen Perspektive der Moderne gegenübersteht. Als Aus-prägungen postmodernen Konsumverhaltens werden häufig symbolischer Konsum, Fragmentierung von Lebensstilen und Hyperrealitäten genannt (Penz und Kirchler 2007, S. 43). Dabei handelt es sich jedoch nur um die sichtbare Spitze eines Eisbergs, dessen mächtiger Unterbau im Wesentlichen aus drei wissenschaftlichen Paradigmen gespeist wird: Konstruktivismus, Kontextualismus und Perspektivismus.

2.1   Konstruktivismus und die Bedeutung von Kommunikation

In einer Gesellschaft, in der Fernsehen, Computer und Internet zu ständigen Le-bensbegleitern zählen, ist die wahrgenommene Wirklichkeit zunehmend das, was durch die Medien vermittelt wird (Kroeber-Riel et al. 2009, S. 598 f.). Bezogen auf die Medien wird zwischen der Realität erster Ordnung, die man selbst erfährt, und zweiter Ordnung, die man von den Medien erfährt, unterschieden (Luhmann 2009a, S. 12). In einer weiter gefassten Sichtweise bezieht sich die Realität erster Ordnung auf die materiell erlebte Welt und die Realität zweiter Ordnung auf die Bedeutung, die wir diesem Erlebnis zuschreiben (Watzlawick 2010, S. 38 ff.). Die Realität ist somit nicht gegeben, sondern das Resultat des subjektiven Erlebens. Vertreter des radikalen Konstruktivismus gehen sogar davon aus, dass kein Individuum die Gren-zen seiner persönlichen Erfahrung überschreiten kann und damit die Realität im Sinne von „objektivem Wissen“ niemals erfahrbar ist (Von Glasersfeld 1995, S. 30).

Die Konfrontation des Individuums mit der Umwelt führt zu einem ständigen Abgleich zwischen vorhandenen Wissensstrukturen und neuen Informationen, wo-durch es zu einer schrittweisen Anpassung der konstruierten mit der erlebten Wirk-lichkeit kommt. Neue Situationen und Informationen werden in vorhandene Deu-tungsmuster integriert (Assimilation). Unerwartete Ergebnisse bewirken eine Ver-änderung von Wissensstrukturen (Akkommodation; Piaget 2010, S. 53 ff.). „Unser Gehirn lernt immer. Unsere Gehirne [können] gar nicht anders […], als alles Wich-tige um uns herum in sich aufzunehmen und auf effektivste Weise zu verarbeiten“ (Spitzer 2002, S. 19 f.). Dieser ständige Abgleich erfolgt im Gehirn selbsttätig und selbsterhaltend, indem es wichtige Informationen selektiert, auf frühere Erfahrun-gen aufbaut und indem Prozesse mitunter unbewusst ablaufen. Das Gehirn ist so-mit nicht nur das Zentrum, sondern auch der „Gatekeeper“ unserer Wahrnehmung. Auch neurowissenschaftliche Erkenntnisse bestätigen die Vermutung, dass es im Gehirn keinen abbildhaften Zusammenhang zwischen den Inhalten des Erlebten und den Geschehnissen in der Welt gibt (Roth 2010, S. 84).

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Für die Kommunikation von Marken führen die Annahmen des Konstruktivis-mus zur gleichen Aussage wie im Rahmen der Neurolinguistischen Programmie-rung: „The map is not the territory“ (Korzybski 2005, S. 58). Diese Aussage spiegelt den Kernkonflikt zwischen Moderne und Postmoderne wider. Dabei steht „territory“ für die objektive Welt der Moderne. Der Begriff „map“ steht für das subjektiv „ge-filterte“ Abbild der Welt, dass sich der Postmoderne zuordnen lässt. Möchte man einen Unterschied im Erlebnis eines objektiven Gegenstandes oder Ereignisses (ter-ritory) erreichen, egal ob in der Markenkommunikation oder Neurolinguistischen Programmierung, muss man an dessen qualitativer Bedeutung (map) ansetzen (Grin-der und Bandler 1989, S. 7; Weinberg 1992, S. 3; Esch und Andresen 1996, S. 81). Beispielsweise besitzen die beiden Automarken BMW und Audi auf quantitativer Ebene eine vergleichbare Ausprägung in der Imagedimension Sportlichkeit. Durch eine effiziente Markenkommunikation schafft Audi auf qualitativer Ebene allerdings einen erlebbaren Mehrwert für den Konsumenten hinsichtlich der Interpretation von Sportlichkeit als progressiv, technisch sowie modern und kann sich damit von BMW erfolgreich differenzieren (Esch et al. 2010, S. 8 ff.). Was in der Marketingpraxis heute noch immer erfolgreiche von weniger erfolgreichen Unternehmen unter-scheidet, hat Watzlawick bereits in den 1970er-Jahren durch die Verknüpfung der Kommunikationstheorie mit der konstruktivistischen Erkenntnistheorie erkannt: Die Wirklichkeit ist nicht vorgegeben, sondern „[…] das Ergebnis von Kommunikation“ (Watzlawick 2010, S. 11). Gerade in Zeiten gesellschaftlichen Wandels, in denen sich Kundenbedürfnisse stark ändern können, müssen Unternehmen sich damit aus-einandersetzen, ob die kommunizierte Bedeutung festgelegter Markeneigenschaften obsolet ist und wie sich neue Bedeutungen gegebenenfalls konstruieren lassen. Die kommunikativen Stellhebel des Erlebens sind dabei der Kontext und die Perspektive (siehe Abb. 1).

Abb.  1   Konstruktivismus, Kontext und Perspektive in der Postmoderne. (Quelle: Neudecker 2011)

Konstruktivismus:Realität ist nicht gegeben, sondern konstruiert

Kontext Perspektive

Info

rmat

ion

Bed

eutu

ng

„[c]ontextualinformation is always

infomation that isidentified in relation tosomething else that is

the primary focus of ourattention“

(Schiffrin 2006, S. 363)

„Wir sehen alle Dinge durch denMenschenkopf an und können diesen

Kopf nicht abschneiden“ (Nietzsche, 1884)

„Die Welt, die wir in diesem Rahmenkonstituieren, ist [...] eine Perspektive, dieauch von der organischen Ausstattungder Menschen [...] kontingent abhängt.“

(Habermas, 1985, S. 524)

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2.2   Kontextualismus als Rahmung von Erlebnissen

Jede Information erhält ihre Bedeutung erst durch den Kontext. Einerseits kann eine Information dadurch niemals ohne Kontext bestehen und andererseits existie-ren für eine einzige Information unendlich viele Kontexte und damit auch unend-lich viele Bedeutungen (Schiffrin 2006, S. 362). Dies eröffnet sowohl in der Mar-kenkommunikation als auch im strategischen Marketing vielfältige Möglichkeiten für Innovationen (Herrmann 1999, S. 145 f.). Die Ausrichtung der Marketingmaß-nahmen muss sich dabei an den zentralen Motiven, Bedürfnissen und Wünschen der Kunden in den verschiedenen Kontexten orientieren. Durch die verschiedenen Kontextfacetten können dadurch spezifische Emotionen, Motive und Bedürfnisse im gesamten Konsumzusammenhang betrachtet werden (Esch und Knörle 2010, S. 25 f.). Dies wird bereits an einem relativ einfachen Produkt wie Tee ersichtlich: Im sozialen Kontext unterscheidet sich der Five-o’clock-Tee deutlich vom Eistee, den Jugendliche aus der Dose trinken. Im kulturellen Kontext unterscheiden sich russische Teezeremonien von solchen in Japan. Und im zeitlichen Kontext unter-scheidet sich der Hallo-Wach-Tee in seinem Image vom Gute-Nacht-Tee. Nicht nur aus jedem Kontext selbst, sondern auch aus dessen Kombination ergibt sich eine Fülle von Innovationen (Esch 2010b, S. 200 f.). Die Typologie sowie Terminologie verschiedener Kontexte sind in der Kommunikationstheorie recht unterschiedlich. In der folgenden Auflistung kann man allerdings die Vielfalt von Kontextausprä-gungen erahnen: allgemein (Ort, Zeit, Handlungszusammenhang), subjektbezogen (Mutter oder Kind?), objektbezogen (Haus oder Hütte?), gesellschaftlich (Museum oder Nachtclub?), ideell (Ehe oder Affäre?), sozial (Freund oder Feind?), verbal (Prosa oder Poesie?), nonverbal (Freude oder Trauer?) (Bußmann 2008, S. 289). Solche Ad-hoc-Auflistungen geben zwar einen Überblick, jedoch haben sie niemals Anspruch auf Vollständigkeit, sodass hier einzig eine Negativdefinition zweckmä-ßig erscheint: „[c]ontextual information is always information that is identified in relation to something else that is the primary focus of our attention“ (Schiffrin 2006, S. 363).

2.3   Perspektivismus als Standpunkt des Betrachters

In ein und demselben Kontext kann die erlebte Wirklichkeit zudem von Stand-punkt und Eigenschaften des betrachtenden Individuums abhängen. Dieser Standpunkt bezieht sich sowohl auf die physische Position des Beobachters im Raum, als auch auf dessen psychische und organische Kondition (Habermas 1985, S. 524), denn „[w]ir sehen alle Dinge durch den Menschenkopf an und können diesen Kopf nicht abschneiden (Nietzsche 1884, zitiert nach Gerhardt 2006, S. 124)“. Dazu zählen Denkstile, Anschauungsformen und Deutungsmus-ter, die nicht nur kognitiv sondern auch emotional geprägt sind. Die Verknüpfung des Erlebten mit dem körperlichen Empfinden begründet Damasio mit dem Kon-zept des „somatischen Markers“ (Damasio 1994, S. 173; Esch und Möll 2009, S. 24). Demnach erfolgt durch Sozialisation, aber auch durch regulatorische

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Dispositionen, eine emotionale Markierung von Erlebnissen im sogenannten Er-fahrungsgedächtnis. Dieses Gedächtnis zeigt bei Entscheidungssituationen emo-tionale Tendenzen auf, die als Grundlage für die weitere kognitive Auseinander-setzung dienen.

Für die Marktforschung, als vorgeschaltete Instanz der Markenkommunikation, sei Vorsicht geboten vor „ewig gestrigen“ Ansätzen, da sie Klischeevorstellungen zutage fördern, die für die Marke gefährlich sind. Daher bedarf es der Anwendung und Entwicklung neuer Methoden (Kroeber-Riel et al. 2009, S. 25). Gerade in An-betracht des perspektivischen „blinden Flecks“ der Wahrnehmung, nachdem der „Beobachter (…) nicht sehen [kann], dass er nicht sehen kann, was er nicht sehen kann“ (Luhmann 2009b, S. 141) sind qualitative Forschungsmethoden einzuset-zen, die über die bloße Befragung hinausgehen. Zudem bedürfen die emotionalen Aspekte des Erlebens, die schwer verbalisierbar sind, des Einsatzes neuroökonomi-scher Methoden (Esch 2010b, S. 604 ff.).

Für die Kommunikation von Erlebnissen und den damit verbundenen Emotionen gilt: Die bestehenden Strukturen sind relativ stabil, jedoch innerhalb bestimmter Driftzonen veränderbar. In der Neurolinguistischen Programmierung kann dazu ein technischer Zugang gefunden werden.

3   Herleitung des Brand Reframing aus der Neurolinguistischen Programmierung

Die Kommunikationstechnik des Reframing stammt ursprünglich aus der psychothe-rapeutischen Praxis der Neurolinguistischen Programmierung (Dilts 2008; Bandler und Grinder 2010). Die Basis dazu legten Bandler und Grinder in den 1970er-Jah-ren, indem sie erfolgreiche Psychotherapeuten (u. a. Milton Erickson, Virginia Satir, Fritz Perls) auf gemeinsame Kommunikationsmuster hin untersuchten.

In den letzten Jahren konnte man zunehmend eine Übertragung auf verschiedene wirtschaftswissenschaftliche Teildisziplinen beobachten, wie z. B. Unternehmens-führung (Gouillart und Kelly 1995), Personalführung (McDermott und O’Conner 1999), Verkauf (Bandler und Donner 1999), Markenführung (Herrmann 1999) und Werbung (Seuhs-Schoeller 2000). Die verschiedenen Ansätze gehen jedoch nur sel-ten mit einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung einher. Dies wäre allerdings erforderlich, denn bei der Neurolinguistischen Programmierung handelt es sich nicht um eine geschlossene wissenschaftliche Theorie, sondern vielmehr um eine Sammlung heuristischer Verfahren (Dilts 2008, S. 99).

Auch wenn die NLP im Ganzen noch keine wissenschaftliche Bestätigung ge-funden hat, so lässt sich die Wirkung der Technik des Reframing mit Bezug auf die Framingtheorie wissenschaftlich begründen. Die aus den beiden vorgestellten Erkenntnistheorien des Kontextualismus und Perspektivismus abgeleiteten Kom-munikationstechniken des Kontext- und des Bedeutungsreframing können daher als Ansatzpunkte für die Markenkommunikation dienen.

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3.1   Vom Framing zum Brand Reframing

Der Begriff des „Frame“ bzw. des „Framing“ wurde ursprünglich 1954 von Bateson eingeführt, um ein psychologisches Konstrukt zu beschreiben, mit dessen Hilfe Kom-munikation interpretiert wird, z. B. als Streitgespräch oder als Witz (Bateson 1972). Bis heute hat der Framingbegriff Einzug in viele Wissenschaftsbereiche gehalten.

Frames können als flexible Form kognitiver Prototypen verstanden werden (Herrmann 1999, S. 135). Versucht man sich beispielsweise einen Vogel vorzustel-len, werden einem wahrscheinlich ein Spatz oder ein Rotkehlchen einfallen. Wür-de man sich dazu den Kontext Antarktis vorstellen, kämen wohl eher Pinguine in den Sinn. Solche Rahmenwechsel, die die Bedeutung von Sachverhalten verändern, werden als Reframing bezeichnet.

Einen anwendungsbezogenen Zugang zum Reframingbegriff liefern Watzlawick und Kollegen: „To reframe means to change the conceptual and/or emotional set-ting or viewpoint in relation to which a situation is experienced and to place it in an-other frame which fits the facts of the same concrete situation equally well or even better, and thereby changing the entire meaning“ (Watzlawick et al. 2009, S. 95). Übertragen auf die Markenkommunikation bedeutet dies: „Unter Brand Reframing versteht man die Veränderung der konzeptuellen und/oder emotionalen Sichtweise, in der eine Marke erlebt wird. Die Marke wird in einen neuen Rahmen (Frame) ge-setzt, der die Markeneigenschaften der gleichen Marke ebenso gut oder sogar besser repräsentiert und dadurch die komplette Bedeutung der Marke verändert“ (Esch 2010a). Wie sich die Technik sinnvoll in der Markenkommunikation einsetzen lässt, zeigte Mercedes Ende der 1990er-Jahre nach den vernichtenden Ergebnissen des sogenannten Elchtests. Auf die negative Berichterstattung reagierte Mercedes nicht nur durch den Einbau der S-Klassen-Elektronik ESP sondern auch durch eine Kom-munikationskampagne mit dem Claim: „Stark ist, wer keine Fehler macht. Stärker, wer aus seinen Fehlern lernt“.

Für das Brand Reframing gibt es zwei zentrale Ansätze, die wiederum unter-schiedlich ausgestaltet sein können (Neudecker 2011). Darauf wird im Folgenden eingegangen.

3.2   Kontextreframing durch Rahmenwechsel

In der Neurolinguistischen Programmierung geht man davon aus, dass keine Eigen-schaft bzw. kein Verhalten oder Erlebnis per se gut oder schlecht ist, sondern man im-mer einen Rahmen findet, in welchem es nützlich ist (Dilts 2008, S. 19; Bandler und Grinder 2010, S. 13). Dieser Ansatz entspricht der Ansicht Spinozas, nach der jeder Mensch im Laufe seiner Entwicklung zunehmend erkennt, dass die Welt weder positiv noch negativ ist, sondern neutral. Nach seiner Ansicht verfügt derjenige, der von „gut“ oder „schlecht“ spricht, nur über oberflächliches Wissen (Damasio 2003, S. 265 ff.). Ähnlich formulierte es Shakespeare: „For there is nothing either good or bad but thin-king makes it so“ (Shakespeare 1602, zitiert nach: Thompson und Taylor 2008).

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Ein plastisches Beispiel dazu liefert eine alte chinesische Taogeschichte (Bandler und Grinder 2010): „ [Die Geschichte] erzählt von einem Bauern […], er besaß ein Pferd. […] Eines Tages lief sein Pferd davon. All seine Nachbarn riefen, wie schrecklich das sei, aber der Bauer meinte nur ‚vielleicht‘. Ein paar Tage später kehrte das Pferd zurück und brachte zwei Wildpferde mit. Die Nachbarn freuten sich alle […] aber der Bauer sagte nur ‚vielleicht‘. Am nächsten Tag versucht der Sohn des Bauern, eines der Wildpferde zu reiten; das Pferd warf ihn ab und er brach sich das Bein“ (Bandler und Grinder 2010, S. 13). Die Geschichte kann un-endlich weiterzählt werden und mit jedem erneuten Wandel wird ersichtlich, dass die Bedeutung eines Ereignisses oder Verhaltens vom Rahmen abhängt, in dem wir es wahrnehmen. Können wir den wahrgenommenen Rahmen ändern, ändert sich damit auch die Bedeutung von Eigenschaften (Watzlawick et al. 2009, S. 116).

Ziel der Kommunikation sollte es sein, die Marke in einem Kontext zu kom-munizieren, in dem der Betrachter ihre Bedeutung als genauso nützlich oder noch nützlicher bewertet. Der durch den Rahmenwechsel erzeugte Überraschungseffekt erweist sich dabei als wirkungsvolle Kommunikationstechnik (Esch 2010a).

Am Beispiel des Werbespots von Cab (Abb. 2) zeigt sich, wie ein Rahmenwech-sel humorvoll in der Markenkommunkation umgesetzt werden kann.

Mit der Aussage „I work form nine to five…“ könnte sich die erlebnisorientier-te Zielgruppe von Cab vermutlich nicht identifizieren, jedoch erhält die Aussage durch die Rahmenerweiterung um den Zusatz „…every night!“ nicht nur eine über-raschende Wendung, sondern eine zielgruppengerechte Bedeutung.

3.3   Bedeutungsreframing durch Perspektivwechsel

Beim Bedeutungsreframing (auch Inhaltsreframing) wird nicht der Rahmen als solcher verändert, sondern der bestehende Rahmen aus einer anderen Perspektive

Abb. 2   Kontextreframing in der Werbung am Beispiel Cab

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betrachtet. Dadurch soll eine Neubewertung der Situation oder einzelner Eigen-schaften innerhalb des vorhandenen Rahmens bewirkt werden (Dilts 2008, S. 42 f.).

In der Neurolinguistischen Programmierung zeigt ein therapeutischer Fall an-schaulich den Einsatz von Bedeutungsreframing: Eine Frau litt unter Putzwahn, so-dass sie sogar die Glühbirnen abstaubte. Ihre Familie kam mit der Situation soweit zurecht, bis auf die Bemühungen der Mutter, den Teppich zu pflegen. Ständig ver-suchte sie jegliche Spuren davon zu beseitigen. Bei jedem Fußabdruck darauf wur-de die Mutter cholerisch und litt darunter sogar körperlich. Die Therapeutin bat die Frau sich den Teppich bildlich vorzustellen, sauber und flauschig, ganz ohne Makel. Die Frau schloss die Augen und lächelte. Dann sprach die Therapeutin: „Machen sie sich bewusst, dass dies bedeutet, dass sie vollkommen alleine sind; die Menschen […] die sie lieben sind nirgendwo in ihrer Nähe“. Die Frau fühlte sich entsetzlich. Die Therapeutin fuhr fort: „Setzen Sie ein paar Fußstapfen darauf […] und sie wis-sen, dass die Menschen, die Ihnen in der Welt am wichtigsten sind, in Ihrer Nähe sind“ (Bandler und Grinder 2010, S. 17).

Für die Markenkommunikation bietet der Perspektivenwechsel durch das Bedeu-tungsreframing vielfältige Möglichkeiten, Markeneigenschaften für den Betrachter aus einer neuen, geeigneten Sicht erlebbar zu machen, ohne den Kern der Marke zu verändern (Esch 2010a). In der aktuellen Werbung wurde diese Technik in der Kampa-gne der Automarke Dacia umgesetzt (Abb. 3). Bei dieser vergleichenden Werbung mit verschiedenen Luxusautos wird das Bedürfnis der Zielgruppe nach Anerkennung neu gerahmt, indem die Profilierung über Statussymbole als Schwäche dargestellt wird.

3.4   Gestaltungsmöglichkeiten von Brand Reframing

Die grundsätzliche Entscheidung zwischen Kontext- und Bedeutungsreframing hängt im Wesentlichen vom Kommunikationsinhalt ab (Dilts 2008). Für die Um-deutung von konkreten Produkt- oder Markeneigenschaften eignet sich eher die Veränderung des Kontextes. Nicht humorvoll zu sein, ist beispielsweise für Volks-

Abb. 3   Bedeutungsreframing in der Werbung am Beispiel Dacia

Date Abends ineinem Café. Mannerzählt von seinemspannenden Beruf.Frau hört ihmbegeistert zu.

Mann prahlt: „Tja, daverdient man nichtschlecht“. Zeigt aufPorsche Cayenne undergänzt stolz:„120.000 Euro“

Begeisterung derFrau schwenkt inMitleid um: „Oh, dastut mir Leid.Möchtest du darüberreden?“

„Leiden Sie anStatus-Symptomen?Fragen Sie nachDeutschlandsgünstigsten SUV!“

Brand Reframing

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wagen im Rahmen deutscher Ingenieursarbeit eher positiv besetzt. Für bestimmte Markenereignisse, wie beispielweise die Markenkrise der A-Klasse beim Elchtest, eignet sich eher der Perspektivenwechsel.

Neben Produkt- und Markeneigenschaften sowie Markenereignissen wird in der Werbepraxis auch das Reframing von Konsumenteneigenschaften eingesetzt (Abb. 4).

Zudem sind in der Werbung auch „bezugslose“ Reframes denkbar, die weder Be-zug auf Marken-, Produkt- noch Konsumenteneigenschaften nehmen. Dabei sollte man allerdings bedenken, dass eine mangelnde inhaltliche Anbindung an die Mar-ke zu einer starken Austauschbarkeit der Werbung führen kann (Kroeber-Riel und Esch 2010, S. 57).

Auch wenn in der Werbung häufig eine Umdeutung von negativen zu positiven As-pekten zu erkennen ist, handelt es sich dabei um keine Voraussetzung von Reframing, denn gemäß Definition kommt es auf den „Fit“ des neuen Frames an (Watzlawick et al. 2009, S. 95), der sich durch die Zweckmäßigkeit ergibt. Beispielsweise wechselt die Umweltschutzorganisation Greenpeace in ihrem Kinospot von einem entspannenden zu einem bedrohlichen Kontext, um auf den Meeresschutz hinzuweisen: „Atmen sie ein, atmen sie aus. Sie sind das Meer. Spüren sie ihre Weite. Spüren Sie ihre Tiefe. Sie atmen ein, sie atmen aus. Sie vergessen den Ölteppich der auf ihnen treibt. Atmen Sie ein und die Klimaerwärmung breitet sich in Ihnen aus. Vergessen Sie nicht zu atmen.“

In der Werbekampagne „Beauty is…“ von Nivea wird ersichtlich, dass es auch zweckmäßig sein kann, den Kontext zu wechseln, obwohl die Markeneigenschaft schon positiv wahrgenommen wird. Schließlich ist das Ziel von Reframing, eine Bedeutung zu finden, die ebenso gut oder sogar besser passt. Was besser passt, liegt hierbei im subjektiven Empfinden des Konsumenten. Es geht nicht zwingend darum, vom Negativen zum Positiven zu wechseln (Watzlawick et al. 2009, S. 118). Auf der Nivea-Website stellt das Unternehmen seinen Konsumenten die Frage „Ni-vea is beauty. What is beauty to you?“ Jeder, der eine Antwort darauf hat, kann diese direkt mit einem passenden Foto auf die Website laden. Dadurch sammeln sich vielfältigste Bedeutungsfacetten der Marke Nivea an, die starken Bezug zur Mar-keneigenschaft „Schönheit“ haben. Im Sinne der integrierten Kommunikation sollte jedoch stets überprüft werden, ob die neu kommunizierten Facetten in die Richtung der angestrebten Positionierung zielen (Esch 2010c; Esch et al. 2010, S. 13).

Aus diesen Überlegungen lässt sich für die inhaltliche Ausgestaltung von Brand Reframing eine Systematik auf drei Betrachtungsebenen ableiten (Abb. 5).

Abb. 4   Brand Reframing mit Bezug zu Konsumenteneigenschaften

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Dabei kann Brand Reframing ohne Markenbezug zwar einen Werbeeffekt haben, jedoch nur bedingt das Markenimage stärken. Selbst ohne diese Gestaltungsform bleiben diverse Möglichkeiten zur Umsetzung effizienter Markenkommunikation durch Brand Reframing. Einen Ansatz zum Auffinden geeigneter Umdeutungen bieten Sleight-of-Mouth-Sprachmuster (Dilts 2008).

Brand Reframing kann ferner verbal und/oder nonverbal (bildlich) gestaltet wer-den. Es ist anzunehmen, dass Kombinationen von verbaler und nonverbaler Gestal-tung aufgrund der Kombination von Textverständnis und Bildhaftigkeit wesentlich stärkere Werbeeffekte erzielen als rein verbales oder rein nonverbales Reframing (Kroeber-Riel und Esch 2010, S. 151). Beim nonverbalen Brand Reframing in Abb. 6 ist es aufgrund fehlender verbaler Hinweise schwierig, die Aussage zu er-fassen, wodurch der Werbekontakt sehr wahrscheinlich abbricht. Mitunter kommt man erst nach einigem Nachdenken dahinter, dass der beworbene Permanent-Mar-ker auch im Kontext der dauerhaften Markierung aufmüpfiger Zwillinge Verwen-dung finden kann. Beim nonverbalen Brand Reframing ist der Übergang zum For-schungszweig der visuellen Rhetorik (McQuarrie und Mick 1996) fließend, sodass die Werbegestaltung sich auf deren Erkenntnis stützen sollte.

4   Wirkung von Brand Reframing  in der Markenkommunikation

Werbung muss wirken, und zwar sowohl im Sinne der Effektivität als auch dem der Effizienz (Kroeber-Riel und Esch 2010, S. 204). Dazu bedarf es eines fundierten Zielsystems, das die relevanten Zielgrößen darstellt, die Beziehungen zwischen den

Abb. 5   Inhaltliche Gestal-tungsmöglichkeiten von Brand Reframing. (Quelle: Neudecker 2011)

Sleight-of-Mouth Sprachmuster

Bedeutungs-Reframing

Kontext-Reframing

Markeneigenschaften

Markenereignisse

Konsumenteneigenschaften

Kein Bezug zur Marke

kein Wechselpositiv zu negativ

negativ zu positiv

Abb. 6   Bildhaftes Reframing (links) gegenüber verbalem Reframing (rechts)

Brand Reframing

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einzelnen Zielgrößen darlegt und die Kausalbeziehung zwischen den Zielgrößen aufzeigt (Esch 2010b, S. 71).

In der Werbepraxis gilt Werbung dann als erfolgreich, wenn sie eine bestimmte Verhaltensabsicht auslöst, z. B. einen Kauf. Allerdings besteht zwischen der Wer-bemaßnahme und dem Verhalten keine direkte Beziehung (Kroeber-Riel und Esch 2010, S. 35). Trotz allem ist bei Werbetreibenden heute noch immer die Meinung weit verbreitet, dass allein Werbekontakt, Reichweite oder Sehbeteiligung valide In-dikatoren der Werbewirksamkeit sind (Sieglerschmidt 2008, S. 49). Die Qualität der Werbemaßnahme, die sich auf Ebene affektiver und kognitiver Prozesse des Konsu-menten abbildet, bleibt dabei zumeist unbeachtet. Dazu zählen sowohl die Wirkung während des Werbekontaktes (Kroeber-Riel und Esch 2010, S. 39) als auch die langfristige Gedächtniswirkung, die im Markenwissen zum Ausdruck kommt (Esch et al. 2006, S. 98 ff.). Aus diesen Überlegungen lässt sich ein Bezugssystem der Werbewirkung erstellen (Abb. 7), dessen Bestandteile sich im Folgenden auf die Kommunikationstechnik des Brand Reframing beziehen und erläutert werden.

4.1   Wirkung während des Werbekontakts

Werbekontakte finden oft in Situationen mit niedrigem Involvement statt. Die Be-reitschaft sich mit der Werbebotschaft auseinanderzusetzen ist entsprechend gering (Esch 2010c, S. 114). Deshalb muss man den Betrachter möglichst stark aktivieren, um seine Aufmerksamkeit zu erhalten. Zu den Grundtechniken zählen hierbei die Aktivierung durch physisch intensive, durch emotionale und durch überraschende Reize (Kroeber-Riel und Esch 2010, S. 173). Die Aktivierung durch Brand Refra-ming lässt sich am ehesten den überraschenden Reizen zuordnen, da sie eine ko-gnitive Auseinandersetzung mit dem Werbeinhalt fordert. Voraussetzung hierfür ist, dass das Brand Reframing auf den ersten Blick wahrgenommen werden kann. Ansonsten vollzieht sich die Wirkung durch andere aktivierende Reize erst auf den zweiten Blick, was in Low-Involvement-Situationen allerdings riskant ist.

Die Wirkung von Brand Reframing kann in Teilen mit der Wirkung von Humor in der Werbung verglichen werden, denn es kann bereits dadurch Humor erzeugt

Abb. 7   Bezugssystem der Werbewirkung für Brand Reframing. (Quelle: Neudecker 2011)

Verhaltens-absicht desKonsumenten

DauerhafteGedächtnis-wirkung

Wirkung während desWerbekontakts

Aktivierung,Glaubwürdig-

keit und Einstellung

Involvement,Need for Cognition,Regulatory

Focus

Werbe-medium,

Werbeinhalt,Kontakt-

häufigkeit

Heutigerund

zukünftigerKauf sowie

Probier-interesse

Wahrnehmungs-filter des Konsumenten

Kontakt mitWerbe-maßnahme

Marken-bekanntheit,Markenbild

und Marken-beziehung

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werden, dass ein Objekt (Produkt oder Marke) in einen anderen Kontext gesetzt wird, in dem es einen humoristischen Charakter annimmt. Der Überraschungseffekt (wahrgenommene Neuartigkeit) und die Assoziation anfänglich nicht verbundener Wissensstrukturen bilden die Grundlage der Wirkung von Humor (Alden und Hoy-er 1993, S. 35).

Der Bedeutungswechsel, der mit einem Brand Reframing und Humor einher-geht, kann zudem in ähnlichen affektiven Reaktionen resultieren, wie sie beim Aha-Effekt auftreten (Winkel et al. 2006, S. 149). In neurologischen Studien wurden im Zusammenhang mit Aha-Effekten eine Ausschüttung des „Glückshormons“ Do-pamin sowie eine Aktivierung von Belohnungsarealen im Gehirn festgestellt, was über eine stark affektive Reaktion nicht nur die Informationsverarbeitung, sondern auch die Erinnerungsleistung erhöht (Stark et al. 2004). Fühlt der Betrachter sich durch den Überraschungseffekt angesprochen, so kann dies in einer positiven Ein-stellung zur Werbung resultieren, die sich auf die Einstellung zur Marke übertragen kann (Eisend und Kuß 2008).

Allerdings mindert Humor in der Werbung deren Glaubwürdigkeit: „People do not patronize a clown. There are two things about which men should not joke. One is business, one is home“ (Hopkins 2004, S. 33). In einer aktuellen Metaanalyse über Humor in der Werbung wurden sowohl die Steigerung der affektiven Reaktionen und Aufmerksamkeit als auch der damit einhergehende Verlust an Glaubwürdigkeit bestätigt (Eisend 2009, S. 197). In Bezug auf Brand Reframing wird allerdings an-genommen, dass die Glaubwürdigkeit erhalten bleibt oder sogar steigen kann. Diese Annahme beruht darauf, dass Brand Reframing häufig in einer rhetorischen Struk-tur Verwendung findet, die als zweiseitige Botschaft bezeichnet wird (Crowley und Hoyer 1994). Diese Botschaften enthalten neben positiven auch negative Informatio-nen. Auch wenn die Nennung negativer Eigenschaften in der Werbung vordergründig wenig dienlich erscheint, ergeben sich aus den Überlegungen der Attributionstheorie nützliche Effekte (Jones und Davis 1965). Nach diesem Ansatz fällt die Ursachen-zuschreibung der negativen Argumente auf die ehrlichen Absichten des Verkäufers zurück und wird daher vom Konsumenten als glaubwürdig internalisiert. Zudem werden zweiseitige Botschaften durch die ungewohnte Ehrlichkeit als neuartig emp-funden, was durch die Optimal-Arousal-Theorie (Berlyne 1960) begründet wird.

Das Manko der Kommunikationstechnik der zweiseitigen Botschaft besteht allerdings darin, dass die zweite Phase der Attribution (Inferential Correction) zu einer stärkeren Auseinandersetzung mit den genannten negativen Eigenschaften führt und damit die negativen Gedanken zunehmen (Eisend 2008, S. 317). Darüber hinaus sind die positiven, affektiven Reaktionen bei der zweiseitigen Kommunika-tion gegenüber humorvoller Werbung relativ gering. Deshalb scheint es durchaus sinnvoll, beide Techniken miteinander zu kombinieren (Eisend 2006). Allerdings bietet sich mit der Kommunikationstechnik des Brand Reframing ein Ansatz an, der keine Verknüpfung verschiedener Ansätze bedarf und trotzdem vergleichbare Effekte aufweist. Zudem bietet der Ansatz des Brand Reframing durch den Kon-textwechsel und die Perspektivenerweiterung gerade für die Erlebniskommunika-tion konkretere Ansatzpunkte und Umsetzungsmöglichkeiten als die reine Verket-tung von negativen und positiven Argumenten bei zweiseitiger Kommunikation. Abbildung 8 stellt den erläuterten Zusammenhang in einer Übersicht dar.

Brand Reframing

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4.2   Dauerhafte Gedächtniswirkung und beobachtbare Verhaltenswirkungen

Die Verankerung von Marken in den Köpfen der Konsumenten spielt in kommu-nikativen Maßnahmen eine Schlüsselrolle (Esch 2010b, S. 28). In den Köpfen der Konsumenten besitzen starke Marken klare Vorstellungsbilder und verfügen über eine Bekanntheit und ein klares Markenimage (Esch 2010c, S. 44 f.). Markenbe-kanntheit und -image bilden zusammen das Markenwissen und sind sowohl indi-rekte als auch direkte Einflussgrößen auf beobachtbare Verhaltenswirkungen (Esch et al. 2006, S. 103).

Während sich die Tiefe der Markenbekanntheit darauf bezieht, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass man an eine bestimmte Marke denkt, zielt die Breite darauf ab, möglichst viele Kauf- und Verwendungssituationen einer Marke abzu-decken (Esch 2010b, S. 65). Es wird vermutet, dass beim Brand Reframing die Darstellung bestimmter Markeneigenschaften in verschiedenen Zusammenhängen die Markenbekanntheit in ihrer Breite stärkt. Zudem kann die aktivierende Wirkung von Brand Reframing die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der Konsument sich an die Marke erinnert.

Auch wenn die beworbene Marke bisher nicht „Top of mind“ sondern nur im „Relevant Set“ ist, bietet sich Brand Reframing an. Befindet sich der Konsument in einer Kaufsituation zwischen mehreren Marken und wägt dabei Vor- und Nachteile der einzelnen Marken gegeneinander ab, könnte dies zugunsten der Marke ausfallen, die mithilfe von Brand Reframing beworben wurde. Dies kann mit der Inokulations-theorie begründet werden (Crowley und Hoyer 1994, S. 563). Demnach adaptiert der Konsument mit der Zeit die Argumentationsstruktur des Brand Reframing und setzt diese automatisch zur Abschwächung von Argumenten gegen die Marke ein.

Auch hinsichtlich des Markenimages ist eine positive Wirkung bei Brand Ref-raming zu erwarten. Während viele Marken häufig ihre Werbekampagnen wech-seln, um die Aufmerksamkeit der Konsumenten zu erringen, folgt Brand Reframing dem Grundgedanken der integrierten Kommunikation (Esch 2010c), indem es an

Abb. 8   Vergleich der Wirkung von zweiseitiger Kommunikation, Humor und Brand Reframing. (Quelle: Neudecker 2011)

Zweiseitige Kommunikation Humor

NegativeGedanken

HoheGlaubwürdigkeit

Brand Reframing

NeuartigkeitAffektiveReaktion

NiedrigeGlaubwürdigkeit

N. Neudecker und F.-R. Esch

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den bestehenden Imagestrukturen ansetzt und durch neue Interpretation stärkt. Im Gegensatz zum Einsatz von Humor finden aber keine Ablenkungseffekte von der eigentlichen Markenbotschaft statt (Kroeber-Riel und Esch 2010, S. 184), da gezielt die relevanten Markeneigenschaften thematisiert werden. Damit kann eine hohe Anzahl von Assoziationen mit der Marke aufgebaut werden, die die Kundenbedürf-nisse ansprechen und positive Gefühle wecken (Esch 2010b, S. 68).

4.3   Wahrnehmungsfilter der Konsumenten

Beim Einsatz von Brand Reframing in der Markenkommunikation kann die not-wendige kognitive Auseinandersetzung mit dem Brand Reframing bei Empfängern zu unterschiedlichen Resultaten führen. Hierbei stellen Involvement (Zaichkowsky 1985), Need for Cognition (Cacioppo und Petty 1982) und Regulatory Focus (Hig-gins 1998) drei relevante Aspekte dar.

Unter dem Involvement versteht man das Engagement, mit der sich ein Konsu-ment einer Kommunikation zuwendet. Es kann auf verschiedenen Ebenen betrach-tet werden: Werbereiz, Situation, Persönlichkeit sowie Produkt und Marke (Kroe-ber-Riel und Esch 2010, S. 139). Produkte mit hohem Involvement sind solche, mit denen der Konsument sich intensiv auseinandersetzt, da sie z. B. ein hohes finanzielles oder soziales Risiko darstellen. Weinberger und Kollegen stellten bei Produkten mit hohem Involvement fest, dass sich dort humorvolle Werbung, die einen kognitiven Aufwand erfordert, gegenüber anderen Produkten am besten eig-net. An dieser Erkenntnis kann das Brand Reframing ansetzen.

Einen starken Einfluss auf die Entscheidungssituation hat neben dem situativen auch das persönliche Involvement (Kroeber-Riel et al. 2009, S. 94 f.). Hierzu zählen Persönlichkeit, Einstellungen, Lebenssituation, Kenntnisse und Erfahrungen. Brand Reframing setzt in seiner Kommunikation an bestehenden Assoziationen an, sodass es eine Voraussetzung für den Erfolg dieser Kommunikationstechnik ist, dass der Empfänger Kenntnisse über die Marke bzw. das Produkt hat.

Auf die Persönlichkeit des Konsumenten nehmen Need for Cognition sowie Re-gulatory Focus Bezug. Need for Cognition beschreibt die Neigung eines Individu-ums, sich mit kognitiven Tätigkeiten auseinanderzusetzen und daran zu erfreuen (Cacioppo und Petty 1982). Je höher dies Ausprägung ist, desto wahrscheinlicher wird sich in der Informationsvermittlung der zentrale Weg der Überzeugung eignen, wie er bei Brand Reframing verwendet wird. Dies sollte in Bezug auf die adressierte Zielgruppe sowie das vorgesehene Werbemedium bedacht werden.

Beim Brand Reframing stehen im Zentrum der Betrachtung der Wechsel des Wahrnehmungsrahmens und der Perspektive. Ob dieser Wechsel angenommen wird, hängt stark vom Regulatory Focus des Empfängers ab. Man geht davon aus, dass jeder Mensch dazu neigt seine Bedürfnisse in ein inneres Gleichgewicht zu bringen, in dem er entweder eine Präventions- oder eine Promotionsstrategie wählt (Higgins 1998). Beide Strategien führen zum selben Ziel, jedoch wird beim Ersten versucht, Negatives zu minimieren, beim Zweiten hingegen Positives zu maximie-ren. Diese Unterscheidung lässt vermuten, dass Konsumenten mit einer Promo-

Brand Reframing

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tionsstrategie eher bereit sind, sich auf eine neue Bedeutung einzulassen als solche mit Präventionsstrategie.

5   Fazit – Handlungsempfehlungen für die Praxis

Der Schlachtruf der Postmoderne lautet „anything goes!“. Auf das Erlebnis von Marken in verschiedenen Kontexten und Perspektiven trifft dies sicherlich zu, auf die Gestaltung effektiver und effizienter Werbung allerdings nicht. Hierbei spielen nicht nur der Unterhaltungswert der Anzeige, sondern auch langfristi-ge Wirkungsgrößen eine zentrale Rolle. Die Kommunikationstechnik des Brand Reframing kommt der Forderung nach effizienter Werbung nach, indem sie verschiedene Facetten von Markeneigenschaften erlebbar macht und damit das Markenimage langfristig prägt. Dabei kann der herbeigeführte Bedeutungswech-sel überraschend wirken und neben der kognitiven auch eine affektive Reaktion hervorrufen.

Bei der Suche nach passenden Erlebnisfacetten der Marke ist eine außenorien-tierte Sichtweise durch Markenmanager und Kreative nur wenig zielführend. Eine zweckmäßige Konstruktion von Markenbedeutungen kann nur dann erfol-gen, wenn man sich durch eine geeignete qualitative Marktforschung Einblicke in die Erlebniswelt der Konsumenten verschafft und daran mit der Kommuni-kation anknüpft. Um ein Bild zur aktuellen Wahrnehmung der Marke zu erhal-ten, bedarf es manchmal keiner aufwendigen Marktforschung, sondern lediglich eines Blickes in Diskussionsbeiträge zur eigenen Marke im Internet. Gerade bei schlechten Meinungen über die Marke bietet das Brand Reframing hier einen An-satz, negative Facetten durch einen Kontext- oder Perspektivenwechsel ins rechte Licht zu rücken. Wie man an dem Beispiel der Mercedes A-Klasse sehen konnte, gilt dies in ähnlicher Weise für Markenkrisen. Das Beispiel von Mercedes zeigt allerdings auch eine gewisse Austauschbarkeit des verwendeten Sprachmusters, da von einer allgemein bekannten Redewendung Gebrauch gemacht wird. Es ist daher ratsam, die Formulierung des Brand Reframing spezifisch an das Marken-image anzupassen, wie es im einführenden Beispiel von Volkswagen Anwendung findet.

Zudem muss man beachten, dass die aktivierende Wirkung von Brand Refra-ming erst nach der kognitiven Auseinandersetzung mit der Anzeige erfolgt, sodass die Aufmerksamkeit auf die Anzeige zusätzlich durch klassische Aktivierungstech-niken erfolgen muss. Hierbei sollte bedacht werden, dass beide Elemente der An-zeige eine Einheit bilden müssen, damit sowohl eine integrierte Kommunikation erfolgt, als auch das Verständnis erhöht wird. Letztendlich spielen hierbei die sub-jektiven Wahrnehmungsfilter der Empfänger eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Wenn diese Grundregeln beachtet werden, kann Brand Reframing als effektive und effiziente Kommunikationstechnik zur Vermittlung markenkonformer Erlebnisse genutzt werden.

N. Neudecker und F.-R. Esch

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Teil IVBest-Practice der Erlebniskommunikation

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Zusammenfassung 

Humor und Surprise gewinnen als Gestaltungsformen der Werbung in den letz-ten Jahren stetig an Bedeutung. Konsumenten nehmen humorvolle und über-raschende Werbung mit hoher Aufmerksamkeit wahr und beurteilen diese als einzigartig. Auch können sich humorvolle und überraschende Werbeformen positiv auf die Einstellung der Rezipienten und auf deren Vertrauen gegenüber der werbenden Marke auswirken. Angesichts gesättigter Märkte und einer zu-nehmenden Informationsüberflutung der Konsumenten bietet der Einsatz von Humor und Surprise in der Kommunikation daher Potenzial, sich erfolgreich vom Wettbewerb zu differenzieren. Im Handel ist es der Hornbach Baumarkt AG gelungen, sich durch erlebnisorientierte, kreative Werbeformen zum Kommuni-kationsführer zu etablieren und sich im Gedächtnis der Konsumenten zu veran-kern. Der effiziente und stark differenzierende Einsatz der Hornbach-Werbung, die als prägend für die gesamte Branche bezeichnet werden darf, wird anhand von Beispielen unterschiedlicher Below-the–line-Werbemaßnahmen erläutert.

1   Zur Relevanz von Humor und Surprise in der Werbung

Ein Leben ohne Werbung ist in der heutigen Zeit nicht mehr vorstellbar. Ob Wer-beanzeigen, Funkwerbung, Werbeplakate, Fernsehwerbung, Onlinewerbung oder Werbemails – tagtäglich werden wir mit unterschiedlichen Werbeformen kon-frontiert. Gemäß Angaben des Gesamtverbands der Werbeartikel-Wirtschaft e. V. (2005) sowie des Frankfurter Media-Consulting-Unternehmens Timelabs (2007) sind Menschen an einem Tag 4500 Werbebotschaften ausgesetzt.

Grenzenlose Erlebniskommunikation durch Humor- und Surprise-Advertising

Isabel Martin

I. Martin ()Hornbach Baumarkt AG, Bornheim, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_18, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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Es zeigt sich jedoch, dass nur ein geringer Teil der angebotenen Kommunika-tionsbotschaften die anvisierten Empfänger tatsächlich erreicht. Nach Berechnun-gen des Instituts für Konsum- und Verhaltensforschung werden in Deutschland weniger als zwei Prozent der durch Massenmedien angebotenen Informationen wahrgenommen (Kroeber-Riel und Weinberg 2003). Die Folge eines solchen Über-angebots von Informationen stellt eine selektive Wahrnehmung und Aufnahme der verfügbaren Informationen durch den Konsumenten dar (Kroeber-Riel und Esch 2004). Dabei zeigt sich, dass insbesondere die Botschaften aufgenommen werden, welche aktivierend wirken und zugleich schnell verständlich und unterhaltsam sind (Friedrichsen und Friedrichsen 2004). Unternehmen stehen demnach vor der Her-ausforderung, Werbebotschaften in einer Form zu gestalten, welche die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung durch die Konsumenten sicherstellt. Eine Möglich-keit stellen Humor und Surprise (Überraschung) in der Werbung dar.

In den 1970er-Jahren herrschte unter Werbefachleuten vornehmlich die Mei-nung, Humor habe in der Werbung nichts zu suchen. Die häufig zitierte Aussage von Ogilvy, einem der bekanntesten Werber, welcher das berühmte Zitat „People don’t buy from clowns“ von Hopkins aus dem Jahr 1923 aufgreift, unterstreicht diese Einstellung: „Späße sollten ein Gräuel für jeden Werbefachmann sein, der genau weiß, dass sich ein dauerhafter Erfolg kaum auf Frivolitäten aufbauen lässt und dass niemand von einem Clown kauft“ (Ogilvy 1988, S. 12).

Jedoch ist in den letzten Jahrzehnten eine kontinuierliche Zunahme an humor-voller Werbung im Fernsehen, Radio und inzwischen auch im Internet zu verzeich-nen (Eisend 2003; Gamillscheg et al. 2010). Humor gilt inzwischen als eine der meisteingesetzten Strategien in der Werbung (Alden et al. 2000; Eisend und Kuß 2009). Das Marktforschungsinstitut Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) klas-sifizierte in den Jahren 1999 und 2000 mit einem Anteil von 27,4 % mehr als jeden vierten Werbespot im deutschen Fernsehen als humorvoll (Mattenklott 2002). Eine aktuelle Befragung des deutschen Markforschungsinstitutes Innofact AG (2010) zum Thema Werbung bestätigt die zunehmend steigende Akzeptanz von humor-voller Werbung mit der Aussage, dass etwa 81 % der Deutschen am liebsten lustige und humorvolle Werbung sehen. Zudem zeigt die Studie, dass Nutzer von Sozialen Netzwerken sowie junge Verbraucher bis 29 Jahre für humorvolle Werbung beson-ders empfänglich sind.

Der Einsatz von Suprise in der Werbung wurde im Rahmen der Emotionsfor-schung in den 1980er-Jahren zum beliebten Forschungsgegenstand. In ihrer Unter-suchung von 54 unterschiedlichen TV-Spots zeigen Zeitlin und Westwood (1986), dass Surprise nach Freude, Akzeptanz, Erwartung und Ekel eine durch Werbung erzeugte Emotion darstellt. Ein interkultureller Vergleich aus den frühen 1990er-Jahren zeigt, dass in Deutschland, den USA, Thailand und Südkorea mindestens 59 % der TV-Spots inkongruente Elemente enthalten, deren Auflösung beim Re-zipienten Überraschung hervorrufen (Alden et al. 1993). Laut Sebastian Turner, Vorstandsvorsitzender und Mitbegründer der Agentur Scholz & Friends Berlin, ist das Geheimnis des Werbeerfolgs gar kein Geheimnis. Er zieht das Fazit, dass nur überraschende Werbung funktioniert (Turner 2000).

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2   Konzeptionelle Grundlagen des Humor-  und Surprise-Advertising

2.1   Begriffliche Grundlagen

„Humor ist, wenn man trotzdem lacht“ – dieser Aphorismus des deutschen Schrift-stellers Otto Julius Bierbaum ist altbekannt. Jedoch existiert in der wissenschaft-lichen Literatur kein allgemeingültiger Humorbegriff (McGhee 1979; Sternthal und Craig 1973). Goldstein und McGhee (1972) vertreten in ihrem sozialpsychologi-schen Werk zur Humorforschung die Auffassung, es sei unmöglich, eine allgemein-gültige Definition zu finden.

Im konventionellen Sprachgebrauch ist der Begriff Humor sehr weit gefasst und wird allgemein als überlegene, grundsätzlich heitere innere Einstellung zum Le-ben definiert, welche die Menschen und die menschlichen Verhältnisse, aber auch sich selbst in den Unzulänglichkeiten und Schwächen versteht und verzeiht (Dorsch 2004). Der Duden beschreibt Humor als „Fähigkeit und Bereitschaft, der Unzuläng-lichkeit der Welt und der Menschen, den Schwierigkeiten und Missgeschicken des Alltags mit heiterer Gelassenheit zu begegnen“ (O.V. 2003, S. 807).

Wurde Humor in der Vergangenheit zumeist mehr einseitig unter kognitiven As-pekten oder als feststehendes Persönlichkeitsmerkmal betrachtet, so fokussieren ak-tuelle wissenschaftliche Studien die Mehrdimensionalität des Humorbegriffs. Das Modell von Nevo et al. (2007) postuliert, dass sich humorvolles Erleben und Verhal-ten aus motivationalen, kognitiven, emotionalen, sozialen Komponenten und Verhal-tenskomponenten zusammensetzt. Verhält sich eine Person humorvoll, liegt dem eine positive Einstellung gegenüber Nutzen und Bedeutsamkeit von Humor zugrunde. Auf kognitiver Ebene muss die Person sowohl über geeignete Humortechniken – zum Beispiel Übertreibungen, Umkehrungen oder Wortspiele – als auch über die Fä-higkeit, gedanklich schnelle Perspektivwechsel vorzunehmen, verfügen. Wesentlich erscheint auf emotionaler Ebene die Fähigkeit, emotionale Wechsel zu vollziehen, über sich selbst lachen zu können oder Gefühle mittels Humor auszudrücken. Bei der sozialen Komponente ist eine Sensibilität für soziale Normen und Strukturen von grundlegender Bedeutung, damit Humor angemessen in interpersonalen Situationen eingebracht werden kann. Schließlich geht es bei der Verhaltenskomponente um die Fähigkeit, Humor produzieren, verstehen und genießen zu können (Nevo et al. 2007).

Der Großteil der begrifflichen Definition von Surprise, im Deutschen als Überra-schung bezeichnet, stammt aus der Psychologie (Vanhamme und Lindgreen 2001). Suprise wird in diesem Kontext als eine kurzzeitig anhaltende Emotion definiert (Charlesworth, und Kreutzer 1973; Derbaix und Pham 1991; Ekman und Friesen 1985; Meyer et al. 1994; Niepel et al. 1994) welche als ein Zusammenspiel von Re-aktionen konzeptualisiert werden kann (Reisenzein 2000; Reisenzein et al. 1996). Surprise setzt sich dabei aus physischen Veränderungen wie bspw. Änderungen der Herzfrequenz oder Atmung sowie verhaltensbezogenen Änderungen, z. B. verän-derter Gesichtsausdruck oder Unterbrechung einer Tätigkeit, zusammen. Weitere Bestandteile von Surprise sind subjektive Reaktionen, wie spontane „Oh!“- und „Ah!“- Ausrufe bzw. das subjektive Gefühl des Überraschtseins (Vanhamme 1999).

Grenzenlose Erlebniskommunikation durch Humor- und Surprise-Advertising

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Obwohl die Surprise-Emotion als neutral bezeichnet werden kann, ist sie häufig mit einer weiteren Emotion verbunden. Diese kann entweder positiv (z. B. Freude) oder negativ (z. B. Angst) ausgeprägt sein, was sich in den Äußerungen über eine gute oder böse Überraschung widerspiegelt (Ekman und Friesen 1975; Meyer et al. 1994). Durch seinen intrinsische Charakter wirkt Surprise als Affektverstärker, d. h. Individuen, welche Freude (Angst) empfinden, nehmen nach einer Überraschung eine stärkere Freude (Angst) war, als im Falle einer ausbleibenden Überraschung (Charlesworth 1969; Desai 1939).

Suprise wird durch Produkte, Dienstleistungen oder Merkmale ausgelöst. Dabei kann Surprise zum einen entstehen, wenn ein Ereignis eintritt, welches nicht anti-zipiert wird und zum anderen, wenn exakt das Gegenteil des erwarteten Ereignisses realisiert wird (Berlyne 1960; Darwin 1872; Ekman und Friesen 1975; Izard 1977; Meyer 1988; Plutchik 1980; Scherer 1984).

2.2   Konsequenzen des Einsatzes von Humor  und Surprise in der Werbung

In Deutschland werden Millionen Euro jährlich dafür ausgegeben, die Betrachter von Werbung zu überraschen und zum Lachen zu bringen. Bei Betrachtung der Jahr für Jahr prämierten Spots der Cannes-Rolle drängt sich eine Gleichsetzung von hu-morvoller bzw. überraschender und guter Werbung geradezu auf. Zu den möglichen Konsequenzen humorvoller Werbemaßnahmen zählen eine höhere Aufmerksamkeit gegenüber der Werbung und somit gegenüber dem werbetreibenden Unternehmen, eine positive Stimmung der Rezipienten, welche sich in deren positiver Kaufab-sicht niederschlägt, sowie eine höhere Vertrauenswürdigkeit gegenüber dem Sen-der. Positive Mund-zu-Mund-Propaganda (Word-of-Mouth), Kundenzufriedenheit, Kundenbindung und Wiederkaufabsicht können als kaufverhaltensrelevante Folgen überraschender Werbung genannt werden.

Eines der wichtigsten Ziele der Werbung stellt die emotionale Aktivierung der Rezipienten dar (Gleich 2000). Humorvolle Werbestimuli werden von den Rezi-pienten bevorzugt wahrgenommen und wecken beim Betrachter eine besonders hohe Aktivierung im Sinne einer aktiven und gesteigerten Aufmerksamkeit (Erbel-dinger und Kochhan 1998; Madden und Weinberger 1982). Dies lässt sich dadurch erklären, dass der Betrachter durch das Auftreten eines humorvollen Stimulus in Form einer Inkongruenz zusätzliche Motivation erhält, die Werbung aufmerksam zu betrachten, um die Inkongruenz aufzulösen.

Dabei sollte zur Steigerung der Aufmerksamkeit eine Form des Humors ange-wandt werden, der im Einklang mit der Werbebotschaft steht und einen direkten Bezug zum Produkt herstellt, indem etwa Elemente des beworbenen Produkts oder das Produkt als Ganzes in den humorvollen Spot einbezogen werden (Cline und Kellaris 2007; Fatt 2002; Scott et al. 1990). Humor sorgt zudem insbesondere dann für eine Steigerung der Aufmerksamkeit, wenn die direkten Wettbewerber in ihrer Produktwerbung keinen Humor anwenden und sich die Werbung somit stark dif-ferenziert (Duncan 1979; Young 2004). Eine durch humorvolle Werbung bedingte

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hohe Aufmerksamkeitswirkung kann folglich dazu führen, dass der Rezipient ihr mehr Beachtung schenkt als anderen Werbungen, und dass er eine positive emotio-nale Einstellung zu dieser Werbung und in der Konsequenz zu dem werbetreiben-den Unternehmen entwickelt (Eisend 2009; Moser 2007).

Neben dem Potenzial humorvoller Werbung, Aufmerksamkeit für ein Produkt oder eine Marke zu generieren und zu erhöhen, besteht eine ihrer wertvollsten Leis-tungsmöglichkeiten darin, gute Laune und eine positive Grundeinstellung zu schaf-fen. So kann Werbung ein vorzüglicher Verkaufshelfer sein, wenn ihre Gestaltung dazu führt, dass sich die Stimmung des Rezipienten verbessert und dieser sich durch die Werbung nicht zu offensichtlich beeinflusst und zum Kauf gedrängt fühlt (Gass 1958; Soulages 2006). Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass eine gehobene Stimmung nach Betrachtung eines Werbespots positive Auswirkungen auf die Einstellung zur Werbung sowie auf die Einstellung zur Marke haben kann (Batra und Stayman 1990). Zudem beeinflusst gute Laune auch kognitive Prozesse wie Produktevaluierung und Entscheidungsfindung positiv (Bagozzi et al. 1999). Humor bietet demnach die Möglichkeit, die Kaufabsicht von Konsumenten positiv zu beeinflussen, ohne dass diese es bemerken.

Bezüglich der Wirkung humorvoller Werbung auf das Image des Werbetreiben-den sowie dessen Vertrauenswürdigkeit liegen heterogene empirische Forschungs-ergebnisse vor (Weinberger und Gulas 1992). Einerseits wird attestiert, dass der Einsatz von Humor bei glaubwürdigen Marken die Überzeugungskraft von Bot-schaften steigert (Engel 1986). Sternthal und Craig (1973) zufolge führt die Ver-wendung von Humor in der Werbung zu einer Erhöhung der Glaubwürdigkeit der Quelle. Auch Philips (1992) unterstützt diese Auffassung mit der Feststellung, dass Humor bei den Rezipienten neben Sympathie in erster Linie Vertrauen erzeugt. An-dererseits liegen Erkenntnisse vor, dass insbesondere solche Unternehmen von Hu-mor profitieren, deren Image ursprünglich als nicht sehr positiv eingeschätzt wurde (Engel 1986; Erbeldinger und Kochhan 1998).

Im Marketingkontext beschäftigen sich nur wenige Studien mit den Effekten von Surprise auf konsumentenverhaltensrelevante Variablen wie Kundenzufriedenheit, Kundenbindung, Kaufabsicht oder Word-of-Mouth (beispielhaft genannt seien Der-baix und Vanhamme 2000, 2003; Vanhamme 1999; Vanhamme et al. 1999). In einer exploratorischen Studie weisen Oliver et al. (1997) einen positiven Zusammenhang zwischen Überraschung von Kunden und dem Customer Delight nach. Customer Delight wird dabei verstanden als „[…] the reaction of customers when they receive a service or product that not only satisfies, but provides unexpected value or unanti-cipated satisfaction“ (Chandler 1989, S. 30). Auch in der psychologischen Literatur wird von Customer Delight als ein Resultat aus Überraschung und Beglückung ge-sprochen (Plutchik 1980). Zu den indirekten Auswirkungen von Surprise über Cus-tomer Delight auf die Kaufabsicht der Kunden liegen hingegen widersprüchliche empirischen Ergebnisse vor (Oliver et al. 1997; Rust und Oliver 2000).

Andere Studien weisen einen direkten positiven Einfluss von Surprise der Kun-den durch Werbung auf deren Zufriedenheit und Wiederkaufabsicht nach (Bergeron und Roy 2008; Oliver 1997; Oliver und Westbrook 1993; Rust et al. 1995; West-brook und Oliver 1991). Positive Überraschung kann auch den ungeplanten Zusatz-

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kauf positiv beeinflussen, wie eine Studie von Heilman et al. (2002) im Lebensmit-teleinzelhandel zeigt. Diesen Forschungsergebnissen zufolge spielt Surprise eine bedeutende Rolle für die Zufriedenheit von Kunden, welche sich wiederum positiv auf die Kundenbindung auswirkt. Vanhamme et al. (1999) berücksichtigen zudem das Konstrukt des affektiven Commitments. Dieses wird als die innere Verbunden-heit gegenüber einem Anbieter verstanden und kennzeichnet folglich die emotional geprägte intrapsychische Bindung an eine Geschäftsbeziehung (Martin 2009). Posi-tive Suprise wirkt wiederum positiv auf Kundenzufriedenheit, welche das affektive Commitment beeinflusst, das selbst einen positiven Effekt auf die Kundenbindung ausübt (Vanhamme et al. 1999).

Als eine weitere Konsequenz von überraschender Werbung kann die Mund-zu-Mund-Propaganda, im Englischen als Word-of-Mouth bezeichnet, genannt werden. Darunter ist das Teilen einer erfreulichen Erfahrung mit anderen Personen zu ver-stehen (Anderson 1998). Durch Werbung positiv überraschte Kunden haben die Absicht, das werbetreibende Unternehmen durch Mund-zu-Mund-Propaganda wei-terzuempfehlen (Bergeron und Roy 2008). Dabei konnte festgestellt werden, dass die Intensität der Überraschung signifikant mit dem Weiterempfehlungsverhalten korreliert – sowohl im positiven als auch im negativen Sinne (Derbaix und Van-hamme 2003).

Neben den in diesem Absatz dargestellten potenziellen positiven Konsequenzen humorvoller und überraschender Werbung existierten auch mögliche Gefahren die-ser Werbeformen, welche im nächsten Abschnitt dargelegt werden.

2.3   Potenzielle Gefahren von Humor- und Suprise-Advertising

Der Einsatz von Humor in der Werbung birgt für den Werbenden potenzielle Ge-fahren und negative Auswirkungen. Freberg, ein amerikanischer Comedian und Kreativ-Direktor der Werbeagentur Freberg Ltd., der in der Zeitschrift Advertising Age als „father of funny advertising“ bezeichnet wurde (Garfield 1992, S. 52), weist mit einem Aphorismus auf die Gefahren von Humor in der Werbung hin: „Humor in advertising is like a gun in the hands of a child. You have to know how to use it. Otherwise it can blow up on you.“ (Miller 1976, S. 12).

Insbesondere die Art des verwendeten Humors stellt einen Unsicherheitsfaktor für Unternehmen dar. Aufgrund der subjektiven Perzeption von Humor kann ein und derselbe Stimulus auf den einen Betrachter humorvoll wirken, einem anderen jedoch unlustig oder gar geschmacklos erscheinen. Wird zu spezieller oder bizarrer Humor verwendet, kann es durch die Subjektivität des Humors mitunter zu sehr kontroversen Reaktionen kommen (Schumacher und Hammer 2000). Folglich eig-nen sich Humorformen, die Angst oder Ärger auslösen, in der Regel nicht zur werb-lichen Nutzung, da die Reaktion des Lachens in dieser Beziehung einen negativen Ausdruck im Sinne von „jemanden bloßstellen“ impliziert. So können insbesondere die Humorformen Satire, Ironie, Karikatur oder klischeehaft dargestellte zweideu-tige Anspielungen ungewollt negative Assoziationen hervorrufen, die oftmals pein-lich oder verletzend wirken (Diehl 1984). Nach Gierl (2007) birgt humorvolle Wer-

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bung auch die Gefahr eines Vampir-Effekts: Da dieses Stilmittel insbesondere bei hohem situativen Involvement von relevanten Informationen ablenkt, vermindert es die Wahrscheinlichkeit, dass die in einer Werbebotschaft enthaltenen Sachargu-mente kognitiv verarbeitet werden (Schwarz 2010).

Ebenso kann der Einsatz von Surprise in der Werbung mit positiver Wirkungs-intention des Werbetreibenden zur Gefahrenquelle werden. Aufgrund des polari-sierenden Effekts von überraschender Werbung können anstelle positiver Konsu-mentenreaktionen auch negative Empfindungen hervorgerufen werden (Vanhamme 2000; Vanhamme et al. 1999). Da Surprise als ein Effektverstärker sowohl im posi-tiven als auch im negativen Bereich gilt, verstärken sich positive Erfahrungen ange-nehm, negative Erlebnisse wirken hingegen verstärkt erschreckend (Oliver 1997). Negative Surprise stellt somit langfristig eine Belastung für die Unternehmen-Kon-sumenten-Beziehung und kann zudem ethische Bedenken gegenüber dem Werben-den hervorrufen. In der Konsequenz führt dies möglicherweise zur Abwanderung oder sogar zum Boykottverhalten und/oder -aufruf der Konsumenten.

3   Ausgewählte Beispiele zum Einsatz von Humor-  und Surprise-Advertising bei der Hornbach Baumarkt AG

3.1   Viraler Videoclip: Ron Hammer

Im Herbst 2006 setzte Hornbach mit einem Videoclip zum ersten Mal eine um-fassende Viralkampagne um. Auf zahlreichen Internetportalen wurde ein Clip in Umlauf gebracht, der im Stil eines Amateurfilms einen spektakulär verunglückten Motorrad-Stunt zeigt. Der Zuschauer erfuhr, dass es sich bei dem Protagonisten um Ron Hammer handelt, einen weltbekannten Motorrad-Artisten aus den USA, der mit seinem Sprung über einen Baumarkt einen Rekord aufzustellen versucht. Im Vi-deo gut zu erkennen: der Hornbach-Schriftzug über dem Baumarkt (Abb. 1 und 2).

Die Kampagne startete mit einer einwöchigen Teaser-Phase, während der das Ron-Hammer-Amateurvideo ohne Hornbach-Absender viral über Online- und Mo-bile-Maßnahmen verbreitet wurde. Über die virale Verbreitung des Videoclips hi-naus wurden weitere Informationen zum Protagonisten gezielt kundgetan, um die Figur Ron Hammer lebendig erscheinen zu lassen. Das Ziel, einen viralen Effekt in Foren und Blogs zu erzeugen, wurde damit erfüllt. Es folgte eine sechswöchige TV-Kampagne, in welcher der Videoclip auch als Spot mit Absender Hornbach auf al-len großen TV-Sendern gezeigt wurde. Vier Wochen nach Start der Kampagne wur-de die Wahrheit über den erfundenen Protagonisten Ron Hammer bekanntgegeben.

Mit dem Rekordversuch – dem Sprung über den Hornbach-Baumarkt – wurde das Motto der Kampagne: „Für manche zu groß. Für Heimwerker genau richtig“ zielgruppengerecht umgesetzt. Die Kunstfigur Ron Hammer ermöglichte es, die Größe der Hornbach Baumärkte aufmerksamkeitsstark und multimedial zu insze-nieren. Den Kunden wurde auf diese Weise eine Vorstellung über die Ausmaße der Märkte vermittelt: Die Größe der Baumärkte im Vergleich zu Wettbewerbern, die

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Vorrätigkeit der Produkte – auch Volumenprodukte – zählten zu den Kommunika-tionszielen dieser Kampagne. Auch vor dem Hintergrund der Mehrwertsteuererhö-hung ist dies eine relevante Botschaft. Mit dem viralen Videoclip „Ron Hammer“ kommunizierte Hornbach die inhaltliche Botschaft der Größe der Hornbach Bau-märkte auf unterhaltsame und humorvolle Weise.

3.2   Kurzfilm: Das grenzenlose Haus

Zu Beginn der Kampagne „In jeder Hütte steckt ein Heim“ startete Hornbach im Sommer 2010 den ersten Versuch, die 60-Sekunden-Werbegrenze zu durchbrechen und produzierte einen Kurzfilm unter dem Namen „Das grenzenlose Haus“. In diesem Kurzfilm, der zugleich als Stummfilm mit poetischen Bildern bezeichnet werden darf, wird die Geschichte eines jungen, ambitionierten und sympathischen Mannes erzählt, der nach dem Erwerb einer kleinen Hütte seiner Kreativität freien Lauf lässt und damit beginnt, sein Projekt Eigenheim zum Leben zu erwecken. Dank eigener Ideen und letztlich durch die Unterstützung seiner Nachbarn entsteht aus der ehemaligen Bruchbude ein wahrer Abenteuerspielplatz (Abb. 3 und 4).

Zur Ankündigung des Kurzfilms wurden vorab Social Media wie der Hornbach-eigene Twitter-Account und die Facebook-Fanpage genutzt. Mit Fotos und Videos wurde den Besuchern ein Einblick in die Dreharbeiten gegeben und so die eigent-liche Kampagne auf Spannung erzeugende Art und Weise vorbereitet. Schließlich

Abb. 1 und 2   Fantasiefigur Ron Hammer

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mündeten die Ankündigungen des Kurzfilms in einer exklusiven Preview für alle Facebook-Fans. Dem Start des Kurzfilms folgten TV-Spots mit Ausschnitten aus dem Film. Einige Wochen war „Das grenzenlose Haus“ zudem in den Kinos zu sehen. Des Weiteren wurde die Geschichte nach Ende des Films weiter erzählt, zum Beispiel mit den Profilseiten der Charaktere aus dem Film auf Facebook oder mit dem zugehörigen Kinderbuch.

In dem Kurzfilm verpackt die Kampagne die Leidenschaft für das Heimwerken in eine bewegende und unterhaltsame Geschichte. Die knapp zehn Minuten regen die Zuschauer dazu an, selber die Initiative zum Heimwerken zu ergreifen und stellt Hornbach als den idealen Partner für ihr Vorhaben dar. Der Kurzfilm „In jeder Hüt-te steckt ein Heim“ übermittelt auf abwechslungsreiche und unerwartete Art die Botschaft, dass jedes Projekt es wert ist, angepackt zu werden und regt getreu dem Motto „Es gibt immer was zu tun“ zum Selbermachen an.

3.3   TV-Spots: Nörgler, Klugscheißer und Beißzange

Pünktlich zum Start der Heimwerkersaison im Frühjahr 2010 setzte Hornbach eine Preiskampagne im TV um. Hierzu wurden drei Spots konzipiert, mit denen die Dauer-tiefpreise der Hornbach Baumarkt AG auf humorvolle und überraschende Weise kom-muniziert wurden. Die Dauertiefpreisphilosophie garantiert den Kunden, dass sie bei Hornbach immer alle Produkte günstiger einkaufen als bei den Wettbewerbern. Hierzu wird gezielt auf Lockvögelangebote, Aktionspreise und Rabatte verzichtet (Abb. 5).

Abb. 3 und 4   Das grenzenlose Haus

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In den Spots werden typische Zweifler gezeigt, die einfach nicht glauben wol-len, dass bei Hornbach stets Niedrigpreise angeboten werden. Der Spot „Nörg-ler“ stellt einen vermeintlichen Kunden dar, der in einem Hornbach Baumarkt mit skeptischem Blick Laminat betrachtet. Seine Gedanken werden dem Zuschauer auf dem Bildschirm im Untertitel mitgeteilt: „Ach was? So günstig? Sicher nur, wenn ich 1000 kaufe. Nicht mit mir.“ Überraschend und wie aus dem Nichts erscheint eine Hand, die dem nörgelnden Mann eine Ohrfeige gibt. Sodann erscheint der Slogan: „Hand drauf: Keine Rabatte. Sofort günstig.“ und der Abspann mit dem Logo „Hornbach. Es gibt immer was zu tun.“, unterlegt von dem bekannten Yip-piehjajajayippieyippieyea-Jingle. Auch der zweite TV-Spot, intern „Klugscheißer“ benannt, spielt in dem bekannten Hornbach–Baumarkt-Umfeld und stellt einen Besucher dar, der sich in der Maschinenabteilung umschaut. Kritisch und abfällig lächelnd sichtet er ein Modell und denkt sich dabei „Ja, ja, Freunde heute günstig, morgen garantiert wieder teuer!!!“ Auch dieser Mann erhält unerwartet eine Ohr-feige mit den drauffolgenden Schlagwörtern „Hand drauf. Keine Aktionspreise. Immer günstig.“ sowie dem bekannten Hornbach-Abspann. Demselben Aufbau folgt der dritte Spot der Serie, „Beißzange“ tituliert. Eine potenzielle Kundin steht vor einer Wand mit Armaturen im Hornbach-Baumarkt und begutachtet spöttisch einen bestimmten Artikel, den sie in der Hand hält mit dem Gedankengang „Schon klar. Das hier günstig und der Rest bestimmt teuer!“ Der TV-Spot nimmt seinen gewohnten Lauf mit der finalen Belehrung „Hand drauf: Keine Lockvögel. Alles günstig.“ (Abb. 6 und 7)

Ziel der „Nörgler“-, „Klugscheißer“- und „Beißzangen“-TV-Spots war es, die Aufmerksamkeit der Rezipienten auf den Verzicht des Unternehmens auf kurzfristi-ge Preis- und Rabattaktionen zu lenken. Das gute Preis-Leistungs-Verhältnis sowie die günstigen Preise von Hornbach wurden dazu auf humorvolle Weise mit Über-raschungseffekt inszeniert und somit das Preisimage gestärkt.

3.4   Printanzeigen: „Women at Work“

„Women at Work. Keine Worte notwendig“ lautet der Titel der Hornbach Kampa-gne, mit welcher Hornbach sich mit eigens für Frauen gestalteten und in Frauen-magazinen platzierten Motiven Frauen als die besseren Heimwerker vorstellt. Die Printwerbung wurde von August bis Oktober 2003 in Frauen-Zeitschriften wie Al-legra, Maxi, Petra und Brigitte geschaltet. Ergänzend wurde in einer 24-seitigen Broschüre auf ironische Weise klassische Frauenthemen wie Mode, Farbpsycho-

Abb. 5   Dauertiefpreise TV Kampagne

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logie oder Fitness aufgegriffen und deren Parallelen zum Heimwerken dargestellt (Abb. 8).

Gespielt wird in der „Women-at-Work“-Kampagne mit Klischees und Vorurtei-len, denen heimwerkende Damen gelegentlich begegnen. Ein Printmotiv zeigt eine beratungsresistente Frau, die auf die guten Ratschläge von Ehemann und Sohn nicht hören will. Mittels solider Nägel und einem Hammer von Hornbach gelingt es ihr jedoch mühelos, die kritischen Herren an der Wand aufzuhängen. Der ironische Spruch „Frauen hören sich gut gemeinte Ratschläge immer gerne an“ unterstreicht das Szenario. Ein weiteres Motiv soll untermauern, dass Frauen weniger wehleidig sind als Männer – auch wenn sie sich schon mal beim Heckenschneiden ein Bein mit absägen. „Frauen jammern wenigstens nicht gleich bei jedem Kratzer“ ist die Aussage auf diesem Bild. Die Hornbach „Women-at-Work“-Printserie spricht mit weiblichen Motiven vor allem von Projekten, mit denen die weibliche Zielgruppe wachsen kann. Das leuchtend gelbe „Women-at-Work“-Logo zierte jede der Print-anzeigen und erreichte bei Hornbach mit über 20.000 verkauften T-Shirts bald Kult-status (Abb. 9).

Abb. 6 und 7   Nörgler und Beißzange

Abb. 8   „Women-at-Work“-Printanzeige

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Die Kampagne „Women at Work“ richtete sich an die weibliche Zielgruppe. Etwa ein Drittel aller Heimwerker sind Frauen, Tendenz steigend. Frauen sind somit heute nicht mehr nur Entscheider, sondern packen Projekte immer öfter selbst an – auch allein. Ziel war es, die für Hornbach nicht zu vernachlässigende, strategische Zielgruppe der 20- bis 39-jährigen Frauen zu erreichen. Realisiert wurde dieses Ziel im Rahmen der Printanzeigen durch ein nicht geringes Maß an Selbstironie, Auf-greifen von Klischees und einer großen Portion schwarzem Humor.

4   Fazit

Humorvolle und überraschende Werbung hat für Unternehmen in den letzten Jah-ren an Relevanz gewonnen. Diese beschriebenen Ausgestaltungen bergen ein hohes Potenzial: Humor und Surprise in der Werbung ermöglichen es Unternehmen, sich aus der bezeichnenden Informationsflut an Werbemaßnahmen abzuheben. Die be-sagten Werbeformen führen insbesondere dann zur Steigerung der Aufmerksam-keit, wenn die direkten Wettbewerber keinen Humor bzw. Überraschungseffekt anwenden und sich die Werbung somit von den Wettbewerbern differenziert. Das Kaufverhalten der Konsumenten kann mittels des Einsatzes von Humor und Surpri-se in der Werbung positiv beeinflusst werden.

Im Falle der Hornbach Baumarkt AG kann konstatiert werden, dass der insbe-sondere für ein Handelsunternehmen als ungewöhnlich kreativ zu bezeichnende Auftritt das Unternehmen stark von seinen Wettbewerbern differenziert. Mittel-punkt der humorvollen und überraschenden Werbeform von Hornbach bleibt stets der zentrale Gedanke, dass es sich bei Hornbach um einen Projektbaumarkt handelt. Hornbach zeigt sich als der Baumarkt für Kunden, die ein Badezimmer renovieren, das Dach dämmen oder eine Wand streichen wollen, die also große oder kleine Projekte in Angriff nehmen – eine Philosophie, die in jeder Werbekampagne trans-portiert wird. Die einzigartige Werbeform der Hornbach Baumarkt AG verleiht dem Unternehmen eine klare Persönlichkeit mit eindeutiger Zielrichtung. Der Projekt-

Abb. 9   „Women-at-Work“-Printanzeige

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baumarkt vermittelt dabei seine Botschaften erlebnisorientiert und tritt somit als facettenreiches, dynamisches Handelsunternehmen auf.

Beliebtheit, Kreativität, Überraschungseffekt und Originalität von Werbemaß-nahmen stellen jedoch noch keine Garantie für einen späteren Erfolg eines Unter-nehmens oder eines Produktes am Markt dar. Es muss beachtet werden, dass Humor und Überraschungseffekte verwendet werden, welche die Zielgruppe richtig ent-schlüsseln kann, der Einsatz in Relation zum Produkt oder zur Marke steht und mit der Werbebotschaft vereinbar ist, die vermittelt werden soll.

Auch die Hornbach Baumarkt AG ist sich den Gefahren ihres teilweise provo-kativen Werbeauftritts durchaus bewusst. Entscheidungen für oder gegen einen humorvollen und überraschenden Werbeauftritt werden auf Basis von Marktfor-schungsstudien sowie mit der entsprechenden Portion gesunden Menschenverstand und Gespür für die Zielgruppe getroffen. Geschmacklosigkeit und Tabubruch sind die natürlichen Grenzen.

Abschließend ist festzuhalten, dass sich die die Hornbach Baumarkt AG durch immer wieder aufs Neue überraschende, humorvolle und berührende Werbekampa-gnen zum Kommunikationsführer der Branche etabliert hat. Humor und Surprise stellen demnach vielversprechende Gestaltungsformen der Werbung dar und sollten von Unternehmen bei der Wahl ihrer Kreativstrategie in Betracht gezogen werden.

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I. Martin

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333

Zusammenfassung 

Im deutschen Automobilmarkt liefern sich aktuell 53 Marken in 12 Fahrzeug-segmenten mit rund 500 Baureihen und gut 3.000 Modellvarianten einen sport-lichen Wettbewerb um die Gunst der Kunden. Der Abverkauf erfolgt bei vielen Herstellern über Rabattschlachten mit eher kurzfristigen Effekten. Insbesondere Hersteller im Hochpreissegment wecken den Bedarf über eine Modellpolitik, die immer wieder neue Nischen erfindet. Vor diesem Hintergrund wird die Orien-tierung für die Autokäufer immer schwieriger. Die Folge ist eine deutliche Ver-schiebung vom Produkt- zum Kommunikationswettbewerb. Und starke Marken sind mehr denn je die Gewinner um die Gunst der Kunden. Der folgende Arti-kel beschreibt, wie es Toyota Deutschland erfolgreich gelingt, mit emotionalen Markenerlebnissen Kunden zu binden und neue Interessenten für die Marke zu begeistern.

1   Toyota in Deutschland: solide Produkte, blasse Marke

Seit der Markteinführung in Deutschland im Jahre 1971 hat sich Toyota vom an-fangs skeptisch beäugten Japan-Importeur zum zuverlässigen Garant für höchste Qualität im Automobilbau entwickelt. Toyota ist mit regelmäßigen Top-Platzierun-gen eine feste Größe unter anderem in den renommierten TÜV-/ADAC-Statistiken.

Mit diesem grundsoliden Image ausgestattet, trifft Toyota den Nerv vieler deut-scher Autofahrer. Toyota besitzt viele treue Kunden, denen Qualität und Zuver-lässigkeit ihres Autos wichtiger ist als ein besonderes Image der Automarke. Die positive Folge: Toyota hat sich hierzulande vom Anbieter billiger Kleinwagen zum hochrespektierten Volumenhersteller entwickelt.

Emotionalisierung einer Marke durch partizipierende Erlebniskommunikation

André Schmidt

A. Schmidt ()Toyota Deutschland GmbH, Köln, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_19, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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Wer respektiert wird, wird noch lange nicht geliebt. Trotz der insgesamt posi-tiven Entwicklung für Toyota besitzt die Marke in Deutschland bis dato ein eher indifferentes, blasses Image und weckt wenige Emotionen bei Neuwagenkäufern. Toyota fehlen noch immer emotionale Ankerpunkte bzw. Markenerlebnisse, die vielen europäischen und insbesondere deutschen Premium-Herstellern in die Wiege gelegt wurden. Regelmäßige Umfragen bei Verbrauchern bestätigen dieses Bild: Die Marke wird spontan mit Qualität und Zuverlässigkeit in Verbindung gebracht, weckt aber wenig Leidenschaft.

In der Konsequenz wenden sich viele Interessenten anderen Marken zu, da für diese Kunden allein rationale Kriterien zum finalen Kaufentscheid nicht ausreichen. Emotionale Markenerlebnisse für das große Potenzial der Neuwagenkäufer zu schaf-fen ist gerade bzgl. der Erwartungshaltung deutscher Autokäufer eines der zentralen Elemente der Toyota-Kommunikation. Anhand von zwei Praxisbeispielen wird im folgenden Beitrag erläutert, wie es Toyota Deutschland erfolgreich gelingt, neue Zielgruppen durch vernetzte Erlebniskommunikation für die Marke zu gewinnen.

2   Das Toyota-Kommunikationsfundament

2.1   Inhalte, Bausteine und Ausrichtung der Kommunikation

Qualität, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit sind die vertrauten Kernwerte der Mar-ke Toyota. Und als Pionier in der Entwicklung nachhaltiger Antriebstechnologien nimmt Toyota mit der Vollhybrid-Technologie Hybrid-Synergy-Drive seit vielen Jahren die Umweltführerschaft in der Automobilbranche ein.

Dies sind die zentralen Eckpfeiler der Marke, die im gesamten Kommunika-tionsmix eine Rolle spielen: von klassischer Werbung, über PR, Direktmarketing, Events, Sponsoring, Online-Aktivitäten und Handelsmarketing bis hin zur Ver-kaufsförderung.

Zum Aufbau von Bekanntheit, Produktkenntnis und Sympathie kommen in der Regel klassische Medien mit großer Reichweite zum Einsatz: TV, Publikumszeit-schriften und Tageszeitungen. In der Phase der Kauferwägung werden zur Hin-führung in den Handel regional Funk-Spots und Tageszeitungen genutzt. Gezielte Direktmarketingmaßnahmen kommen in der Phase der Präferenzbildung hinzu. Im Handel werden Events zur Traffic-Steigerung sowie spezifische Verkaufsförde-rungsaktivitäten eingesetzt.

Zur Kanalisierung, Bündelung und Vertiefung des Interesses gewinnen Online-medien im Mediamix eine immer größere Bedeutung und sind über alle Phasen des Kaufentscheidungsprozess unverzichtbarer Bestandteil der Toyota-Kommuni-kation.

Kanalspezifischen Eigenschaften geschuldet können nicht in allen Phasen Mar-kenkernwerte und spezifische Produktvorteile direkt erlebbar vermittelt werden. Daher kommt der Erlebniskommunikation eine besondere Bedeutung zu. Wie Toyota immer wieder emotionale Anlässe zur direkten Begegnung mit Marke und Produkten schafft, wird im folgenden Abschnitt dargestellt.

A. Schmidt

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2.2   Das Verständnis von Erlebniskommunikation bei Toyota

Um Menschen die Produkte von Toyota näher zu bringen, sind spezifische Produkt- und Markenerlebnisse zum Beziehungsaufbau mit Interessenten und zur Kunden-bindung besonders wichtig. Toyota folgt der Maxime, Menschen dort anzusprechen und positiv zu involvieren, wo sie sich wohl fühlen, wo sich das Autofahren mit ihren Freizeitinteressen trifft. Die folgenden drei exemplarischen Beispiele sollen das verdeutlichen.

2.2.1   Die „Entdecker-gesucht“-Offroad-ChallengeToyota bietet Offroadern mehr als Händler-Probefahrten. Unter dem Motto „Ent-decker gesucht“ konnten ausgewählte Geländewagen-Fans eine Sechs-Tage-Tour mit dem neuen Toyota Land Cruiser von Köln nach Kroatien erleben und erhielten dabei spannende Einblicke in den Alltag eines professionellen Autotesters (Abb. 1).

2.2.2   Die Auris-Hybrid-SommertourAutofahrer mit Interesse an nachhaltiger Mobilität hatten die Gelegenheit, in ihren Städten oder an ihren Ferienorten in Deutschland den neuen Auris Hybrid ausgiebig zu erleben – bei der Auris–Hybrid-Sommertour.

Die Aktion fand im Sommer an zwölf Standorten statt. Die Sommertour war mit einem aufmerksamkeitsstarken Standdesign ausgestattet, welches dem innova-tiven Fahrzeugkonzept entsprach. Vor dem Start fanden multimediale Einführungen statt, bei denen die Technologie und der Nutzen der Hybrid-Techologie zunächst anschaulich vermittelt wurden. Die anschließenden Probefahrten wurden von Toyo-ta-Testfahrern begleitet.

Nach dem Start am Timmendorfer Strand machte die Tour Station auf dem Bun-despressestrand in Berlin. Von dort ging es zum Open Air am Meer in Norddeich. Die deutschen Meisterschaften im Beachvolleyball waren dann Anlass für eine Vi-site am Strand von Cuxhaven. Ferner gastierte die Tour auch noch in großen Metro-polen und ging am letzten August-Wochenende in Köln zu Ende (Abb. 2).

Abb. 1   Auf steinigem Weg nach Kroatien: der Toyota Landcruiser in Aktion

Emotionalisierung einer Marke durch partizipierende Erlebniskommunikation

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2.2.3   Toyota ist offizieller Mobilitätspartner  des Deutschen Alpenvereins

Ein weiteres positives Beispiel ist die Kooperation mit dem Deutschen Alpenverein (DAV). Der DAV und Toyota haben vom Grundsatz ein identisches Leitbild im Bereich Umweltschutz und Umweltverträglichkeit. Toyota ist offizieller Mobili-tätspartner des DAV und unterstützt die „Berg.Schau!“ und weitere Aktivitäten des Verbands, der gut 780.000 Mitglieder zählt.

Toyota kommt hier mit ökologisch besonders sensibilisierten Menschen ins Ge-spräch, die eine umweltverträgliche Option für ihre individuelle Mobilität suchen. Die Kooperation mit dem Deutschen Alpenverein wird zudem je nach Anlass in die nationale Kommunikation integriert und wird auch bei nationalen Händler-Promo-tions genutzt.

3   Toyota-Erlebniskommunikation: Fallbeispiele

3.1   Ein herausragendes Beispiel im Bereich Produktkommunikation

Die folgenden Ausführungen beschreiben, wie es Toyota gelungen ist, im hart um-kämpften Kleinstwagensegment ein neues Modell erfolgreich bei für die Marke

Abb. 2   Auris Hybrid und Testfahrer in Aktion

Abb. 3   DAV und Toyota

A. Schmidt

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neuen und jüngeren Zielgruppen zu etablieren. Schwerpunkt der Modellneueinfüh-rung waren starke Erlebniskommunikationsbausteine.

3.1.1   Der neue iQ: ein Auto mitten im Leben der ZielgruppeIm Jahr 2009 wurde ein ungewöhnliches neues Modell vorgestellt: der iQ. Ein Modellname, der neugierig macht; ein Modellname, der Programm ist: eine Inno-vation im Kleinstwagen-Segment, nur eine DIN-A4-Seite länger als der SMART, aber mit 4 Sitzen, ein perfektes Auto für den modernen Großstadtbewohner. Noch vor Verkaufsstart sollte auf das Produkt aufmerksam gemacht und das innovative Fahrzeugkonzept erlebbar gemacht werden. Besonders im Fokus: Neukunden, die bisher noch nicht Toyota fahren.

Erreicht werden sollten schwerpunktmäßig „Stadtmenschen“, wohnhaft in Me-tropolen und urbanen Umfeldern. Jüngere Menschen zwischen 30 und 40 Jahren, die durch das Leben in der Stadt besondere Einstellungen zur Mobilität besitzen. Anspruchsvolle, autonome und unabhängige Paare oder Singles mit guter Bil-dung und höherem Einkommen, die auf kleinere Fahrzeuge umsteigen, ohne auf Komfort und Sicherheit verzichten zu wollen. Ein konsumfreudiges Käuferklien-tel, das üblicherweise nur mit sehr hohem Mitteleinsatz über klassische Medien zu erreichen ist.

Pre-Launch-Phase 2008Wie bringt man die neue, urbane Zielgruppe zum Toyota iQ? Gar nicht. Das Auto kommt zur Zielgruppe, mitten in ihr Leben: eine Wohnung in der Großstadt.

Für jeweils vier Wochen wurden sechs leere Ladenlokale in Top-City-Lagen zu JOHNS APPARTEMENT, ein stylisher „Erlebnisraum“ für junge Trendsetter, di-rekt im Lebensumfeld urbaner Menschen, also in angesagten Einkaufsstraßen. Dort, wo sie tagsüber unterwegs sind und shoppen.

JOHNS APPARTEMENT ist ein ungewöhnlicher Raum für ein Auto, das selbst innovativ mit dem Raum umgeht. Besucher begegneten dem Wagen und ihrer Le-benswelt: JOHNS APPARTEMENT war offen für alle. Chillen auf der Couch. Kaf-fee trinken. Musik hören. Lesen oder Party feiern. Und mittendrin: der Toyota iQ. In

Emotionalisierung einer Marke durch partizipierende Erlebniskommunikation

Abb. 4   Pre-Launch Event-Flyer Abb. 5   Eröffnung in München

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Köln, Berlin, Frankfurt am Main, München (Abb. 5), Hamburg und Stuttgart. Vier Wochen pro Stadt mit insgesamt 76 Events.

Nach einer 14-tätigen Awareness-Media-Campaign mit crossmedialer Ankündi-gung über lokale Plakatflights, Funk, Musik- und Stadtmagazine, einer Microsi-te, Social-Media-Kanälen (Abb. 6 und Abb. 7) und über Promotionteams in den Städten öffnete JOHNS APPARTEMENT. Mit tollem Ambiente, freiem Eintritt und freier Sicht auf den iQ.

JOHNS APPARTEMENT war kein gewöhnlicher Schauraum, sondern ein tren-diger Erlebnisraum für junge Menschen. Wer chillen wollte, den erwartete eine stylishe Lounge, eine Coffee-Bar, WLAN-Access und Musik. Alles passend zum iQ, der sich aber nicht aufdrängte. Wer mochte, informierte sich umfassend über das Fahrzeug, konfigurierte sich virtuell seinen eigenen iQ oder ließ sich für eine Probefahrt vormerken. Das niveauvolle Gesamtbild von JOHNS APPARTEMENT und den Lifestyleaspekt des iQ rundeten Premium-Sponsoringpartner aus der Mö-belindustrie, der Genussmittelbranche und der Unterhaltungselektronik ab. Später abends wurde JOHNS APPARTEMENT dann zum Entertainment-Spot mit einer Vielzahl von DJ-Sets, Lesungen und Live-Acts.

Zur Eröffnung in Köln bot Toyota-Formel-1-Pilot und Weinproduzent Jarno Trulli (Abb. 9) einige seiner edlen Tropfen zur Verkostung an. In Hamburg waren

Abb. 6   iQ auf YouTube Abb. 7   iQ auf VBS.TV

Abb. 8   Alexander Marcus in München Abb. 9   Jarno Trulli in Köln

A. Schmidt

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die Handball-Weltmeister Pascal Hens und Johannes Bitter zu Gast. Der Tischki-cker-Weltmeister Oktay Mann lud Besucher zum Probespiel. In Stuttgart live erlebt werden konnten z. B. der Comedian Achim Knorr, der Autor Matthias Keidtel und der Jazzmusiker Bob Chisolm. Die Redaktion der Kult-Fußballzeitschrift 11 Freun-de gab Anekdoten rund um den Ballsport zum Besten.

Launch-Kommunikation 2009Januar 2009. Phase 2 der iQ-Einführung. Das Fahrzeug wird über kreative TV-Son-derformate auf jungen TV-Sendern beworben (Abb. 11).

Zum Verkaufsstart wurden die Appartement-Besucher gezielt zur Probefahrt ein-geladen. Die Aktion fand an sechs Wochenenden in den Städten der Pre-Launch-Kampagne statt. In mobilen JOHNS APPARTMENTs konnten sich registrierte In-teressenten dort zur Testfahrt auf einem speziellen iQ-Parcours anmelden und das Fahrzeug gegen Wettbewerber testen. Auch im Handel wurde der iQ über zielgrup-pengerechte Lifestyle-Events inszeniert. Die Interessenten fanden sich in der Welt

Abb. 10   Tübinger Straße in Stuttgart und iQ Inszenierung in Berlin

Abb. 11   iQ auf GZSZ (RTL) und auf GRIP (RTL II)

Emotionalisierung einer Marke durch partizipierende Erlebniskommunikation

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wieder, die sie bereits in JOHNS APPARTMENT erleben konnten. Entsprechend der Konzeptidee, jungen Trendsettern entgegenzukommen, ihnen einen Erlebnis-raum zu verschaffen, wurden in lokalen Szenetreffpunkten und Clubs unterschied-liche Events wie z. B. Modenschauen veranstaltet.

3.1.2   Ergebnisse des iQ-Launch• Mit einer Eroberungsrate von 70 % übertraf die iQ Markteinführung alle Erwar-

tungen.• Das Abverkaufvolumen lag weit über Ziel.• Die angestrebte Käuferzielgruppe wurde erreicht.• Fast 40.000 Personen besuchten JOHNS APPARTEMENT.• In der gesamten Launch-Phase konnten ca. 16.000 iQ Interessenten und 5.600

Probefahrtenanfragen generiert werden.• JOHNS APPARTEMENT wurde prämiert und erhielt den 1. Preis beim EVA

Award 2008 und beim Deutschen Mediapreis 2008.

3.2   Die Marke im Leben der Zielgruppe

Erlebniskommunikation spielt bei Toyota auch produktübergreifend eine wichtige Rolle. Ein ideales Beispiel hierfür ist Toyotas Handball-Sponsoringengagement.

Mit dem bislang umfangreichsten Sportsponsoring im Hause Toyota werden überdurchschnittlich viele junge Menschen sowie Personen mit höherem Bildungs-grad und höherem Einkommen erreicht. Handballinteressierte werden in ihrer Frei-zeit bei einem Hobby angesprochen, bei dem sie hochemotional involviert sind.

Abb. 12   iQ Night im Siegener Lokschuppen

A. Schmidt

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Handball steht in all seinen Facetten für Dynamik und Leidenschaft – Werte, von denen die Marke profitieren möchte.

3.2.1   Der Toyota-Handball-Sponsoring-ErfolgDas umfangreiche Toyota-Handball-Engagement umfasst die Sponsoring-Pakete, nationale Kommunikation, Integration des Handels und die lokalen Partnerschaften zwischen Autohäusern und Vereinen. Alle vier Ebenen bieten Chancen für eine er-lebnisorientierte Ansprache der Zielgruppe.

a) Sponsoring-Pakete: Namensrecht und HauptsponsorSeit der Saison 2007/2008 ist Toyota exklusiver Fahrzeugpartner beim Deutschen Handball Bund (DHB) und Sponsor der Handball-Bundesliga, die seitdem offiziell Toyota Handball-Bundesliga heißt (Abb. 13). Hinter dem Namenssponsoring, das ein Novum in der Geschichte der Handball-Bundesliga ist, verbirgt sich ein ganz-heitliches Engagement des Unternehmens, das sich als großer Erfolg für die Marke herausstellt.

Neben Namensgebung und Logopräsenz, z. B. auf Banden und auf Spielertri-kots, umfasst das Sponsoring auch Werbeauftritte in den Hallen aller 18 Bundes-

Abb. 13   Toyota Logo-Präsenz beim Handball

Emotionalisierung einer Marke durch partizipierende Erlebniskommunikation

Abb. 14   Toyota Handball-Präsenz in der Halle

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liga-Vereine (Abb. 14). Außerdem werden Besucher umfangreich mit Give-Aways ausgestattet. Zur Anfeuerung ihrer Mannschaft werden vor Anpfiff z. B. Lärminst-rumente an die Fans verteilt. So wird das emotionale Handballerlebnis positiv mit der Marke Toyota verknüpft.

b) Handball in der nationalen KommunikationAuch in der klassischen Kommunikation wird das Handball-Engagement genutzt. So wurden zum Beispiel TV-Spots mit Handballbundestrainer Heiner Brand geschaltet. In Anzeigen und im Direktmarketing wird das Engagement ebenfalls aufgegriffen.

Während Handball einen positiven Imagetransfer zur Marke bei der klassischen Kommunikation leisten kann, wird durch zahlreiche Aktivitäten seitens Toyota auch ein positiver Transfer von der Marke zum Handball erzeugt (Abb. 15).

3.2.2   Markenerlebnisse für die Fans: Toyota-Handball.deToyota bietet den Fans im Internet die Möglichkeit, sich mit Freunden und Team-kollegen auszutauschen. Mit der Fan-Community stellt Toyota eine attraktive, in-formative und spannende Plattform (Abb. 16) rund um den Handball zur Verfügung. Die Plattform ist inzwischen die größte Handball-Fan-Community Deutschlands mit aktuell über 5000 aktiven Community-Mitgliedern.

Toyota-Handball.de ist mehr als nur eine Community, denn User können sich persönliche Startseiten einrichten, um direkten Zugriff auf News, Informationen, Ergebnisse zu ihrem Verein zu erlangen und um Bilder und Kommentare einzustel-len und auszutauschen. Spannend und informativ sind die monatlichen Homestorys, in denen zahlreiche Stars den Fans einen Einblick in ihr Privatleben gewähren. Wer seine Stars live erleben möchte, hat die Chance über den Ticket-Pool Eintrittskarten der ersten Kategorie für die Spiele seiner Mannschaft zu gewinnen. Das beliebte Toyota-Handball-Bundesliga-Tippspiel bietet den Fans Möglichkeiten auf weitere attraktive Gewinne: vom Toyota iQ über Reisen zur Handball-EM 2012 bis hin zu Toyota Handball-Fanpaketen.

Abb. 15   Beidseitiger Transfer zwischen Sport und Marke

Marke

Sport

Transfer zum Sport

Transfer zur Marke

• Aufbau einer Fan-Community

• Involvierung und Stimmung durch Lärminstrumente und andere Give-Aways

• soziales Engagement in der jugendarbeit

• Bereitstellung von Mobilität

• Awareness durch Markenbotschafter Heiner Brand

• Dynamik + Leidenschaft

• Visibilität vor Ort (Werbung/Modelle)

• Gewinnung von Interessenten

A. Schmidt

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c) Integration des Handels: Toyota beim Handball erlebenEin wichtiger Baustein für eine erlebnisorientierte Ansprache der Zielgruppe im Bereich Handball ist die Integration der Toyota-Handelspartner. Hier unterstützt Toyota seinen Händler mit zahlreichen Maßnahmen und Materialien, zur direk-ten Ansprache und Bindung lokaler Handballfans. Hierzu zählen individualisier-bare Werbevorlagen (wie z. B. Anzeigen oder Funk-Spots) sowie Give-Aways und Gewinnspiele.

Die Toyota-Händler nutzen den Breitensport Handball, den Toyota national be-setzt hat, erfolgreich in ihrem lokalen Umfeld. Sie sind in der Jugendförderung engagiert und unterstützen Mannschaften der Bezirks- und Regionalligen. Ferner sind die Händler bei Bundesligaspielen vor Ort präsent, stellen dort Fahrzeuge aus und können in entspannter Freizeitatmosphäre Gespräche führen und Interesse für Toyota wecken.

Toyota unterstützt die Händler vor Ort mit Handball-Aktionspaketen. So kön-nen die Fans sich zum Beispiel am Toyota-Stand in ihren Vereinsfarben schminken lassen. In der Halbzeit können sie sich mit einem gekonnten Wurf auf die Toyota-Torwand VIP-Tickets für das Spiel ihrer Wahl sichern oder am „Speedgoal“ die Ge-schwindigkeit ihres Wurfes messen lassen. So macht Toyota den Handballbesuch für den Fan zu einem echten Erlebnis.

Außergewöhnliche Erlebnisse bieten die Händler mit exklusiven „Money-can’t-buy-Events“ wie z. B. Karten für Sonderspiele (Final Four, AllStar Game), Blicke hinter die Kulissen, Meet’n’Greets mit Spielern und Offiziellen oder aber Einladun-gen zu VIP-Partys.

d) Aktionen im Handel: lokale Partnerschaften mit Handball-VereinenNeben den Auftritten vor Ort weitet sich das Engagement auf den lokalen Han-del aus. Handballinteressierte werden motiviert, die Autohäuser zu besuchen. Dort können Fans Spieler ihrer Mannschaft bei Autogrammstunden oder Fototerminen hautnah erleben.

Abb. 16   Fan-Community www.toyota-handball.de

Emotionalisierung einer Marke durch partizipierende Erlebniskommunikation

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Unter dem Motto „Fans on tour“ werden von den lokalen Toyota-Händlern re-gelmäßig Fan-Fahrten organisiert. Interessenten können sich für die begehrten Plät-ze im „Toyota-Bus“ bewerben. Nach einem gemeinsamen Frühstück im Toyota-Autohaus fahren die Teilnehmer zu den Auswärtsspielen, um dort ihre Mannschaft nach Kräften zu unterstützen.

In der nächsten Stufe wird das Engagement der Toyota-Händler im Jugendbe-reich ausgebaut. Hierfür wurde das Projekt „Handball Stars go School“ ins Leben gerufen, bei dem der regionale Handballnachwuchs die Chance bekommt, mit ihren Idolen zu trainieren und direkt von den Profis aus der Toyota Handball-Bundesliga zu lernen.

3.2.3   Ergebnisse des Toyota Handball-SponsoringDas Handball-Engagement von Toyota ist erfolgreich, die Zusammenarbeit wurde frühzeitig um zwei weitere Jahre verlängert.

Die Imagewerte von Toyota bei den Handballinteressierten konnten im Laufe des Engagements kontinuierlich ausgebaut werden (Abb. 17). Toyota wird durch das Handball-Engagement dynamischer, sympathischer und attraktiver wahrgenommen.• In der Saison 2009/2010 haben über 350.000 Besucher die Marke Toyota bei den

Bundesliga-Spielen erlebt.• Von den lokalen Händlern wurden zahlreiche Fan-Fahrten organisiert. Etwa

5.000 Fans fuhren bereits mit Toyota zu den Auswärtsspielen ihrer Mannschaft.• Die Teilnehmerzahlen bei Vor-Ort-Aktionen (z. B. Fan-Schminken, „Speedgo-

al“) konnten kontinuierlich gesteigert werden und haben sich inzwischen ver-doppelt.

• Toyota ist der mit Abstand bekannteste Sponsor im Bereich Handball (Abb. 18).Nicht nur die zahlreichen Zielgruppenkontakte machen das Handball-Engagement zu einem effizienten Investment für Toyota. Auch die hohe Akzeptanz bei den Händlern trägt mit zum Erfolg des Handball-Sponsorings bei. Das lokale Engage-ment der Toyota-Händler steigt kontinuierlich.

Abb. 17   Toyota-Imagewerte im Handballumfeld

Top-2-Box: „Trifft voll und ganz zu” + „Trifft zu”

Nullwelle 8/07 3. Welle 2/09

Dynamisch

Sympathisch

Attraktiv

20 25 30 35Basis: Handballinteressierte zwischen 14 und 69 jahren

Quelle: Sport + Markt AG 2009

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4   Fazit

In einer digital vernetzten Welt sind cross-mediale Aktivierungen zur Schaffung erlebbarer Marken- und Produktkommunikation, die Kunden und Interessenten nachhaltig involviert, ein neuer aber mittlerweile unverzichtbarer Bestandteil der Kommunikation.

Verbraucheransprachen werden durch digitale Technologien/Plattformen zuneh-mend ausdifferenziert. Klassische Werbeformate vernetzen sich mit Social-Media-Plattformen, online und mobile.

Das dynamische Social Web ist durch seine partizipative Natur Multiplikator für alle Themen und Erlebnisse, die Menschen leidenschaftlich gerne miteinander teilen. Unternehmen bzw. Marken, die hier mitreden wollen, müssen mehr bieten als ihre Produkte, nämlich interessante Themen und Geschichten liefern.

Klassische Medien wie TV, Print und Funk bleiben für Unternehmen Impuls-geber: zur Generierung von Aufmerksamkeit, Neugierde und Interesse. Sie sind immer noch unverzichtbarer Bestandteil der Kommunikation, aber sie nehmen eine andere Rolle im Kommunikationsmix ein: insbesondere als Ankündigungs- und Transfermedium in Richtung digitaler Erlebnisräume. Und wer sich in digitalen Er-lebnisräumen trifft, schwärmt anschießend gerne gemeinsam aus, um in der realen Welt tolle Erlebnisse zu teilen.

Anhand der aktuellen Auris Hybrid Markteinführung demonstriert Toyota, was im Bereich analog/digital vernetzter Erlebniskommunikation heute schon möglich ist.

Abb. 18   Bekanntheit von Handballsponsoren

Ungestützte Bekanntheit von Sponsoren im Handball

Total (n = 800)

sehr stark Handballinteressierte (n = 280)

HBL-TV-Zuschauer(n = 575)

Besucher von HBL-Spielen(n = 473)

Basis: 800 Handballinteressierte zwischen 14 und 59 Jahren

Frage: An welche Unternehmen können Sie sich spontan erinnern, die sich als Sponsoren oder Werber im Handball engagieren?

21%

9%

9%

7%

5%

3%

keine Angabe/weiß nicht = 37%

33%

20%

15%

11%

6%

7%

keine Angabe/weiß nicht = 19%

25%

12%

12%

8%

6%

4%

keine Angabe/weiß nicht = 31%

27%

13%

13%

9%

6%

4%

keine Angabe/weiß nicht = 24%

Toyota

Provinzial

Sparkasse

Adidas

Lufthansa

Kempa

Emotionalisierung einer Marke durch partizipierende Erlebniskommunikation

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Ausblick: Beispiel Auris Hybrid Launch Im September 2010 führte Toyota den ersten Vollhybriden in der Kompaktklasse ein, den Auris Hybrid. Bereits im Vor-feld sollte Awareness und Interesse bei affinen Zielgruppen geschaffen werden. Die Lösung war eine bis dahin ungesehene, technisch innovative und visuell hoch-kreative, völlig emissionsfreie Probefahrt: Die sauberste Probefahrt der Welt, ein virtuelles Erlebnis direkt auf dem Schreibtisch. Möglich gemacht durch technische Innovationen im Bereich „Augmented Reality“. Über Banner, Newsletter, Social Media Plattformen und Anzeigen wurden QR-Code-Marker gestreut (Abb. 19).

Auf auris-hybrid.de konnte der User den Auris Hybrid mit QR-Markern und Webcam spielerisch probefahren: das Auto interagierte mit weiteren Markern, z. B. Bäumen, Ampeln oder Tankstellen. Mittels direkt vor der Kamera platziertem Mo-biltelefon konnte eine 3D-Probefahrt auch direkt auf dem Handy stattfinden.

Die User kreierten hundertfach Probefahrszenarien in eigenen, kleinen Filmen. Die Videos wurden auf auris-hybrid.de eingestellt und tauchten darüber hinaus bald auf Youtube (Abb. 20), Vimeo und anderen Video-Plattformen im Internet auf.

Abb. 19   Anzeigen und Plakate mit QR-Codes

Abb. 20   Zwei von hunderten Probefahrten auf YouTube

A. Schmidt

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Tausende sauberste Probefahrten der Welt wurden von Usern auf der ganzen Welt gemacht. Hunderttausende Marker wurden auf Social-Media-Plattformen wie Facebook getauscht. In der Pre-Launchphase konnte das höchste Leadvolumen ver-zeichnet werden, das Toyota jemals bei einer Produktneueinführung erzielte.

Zudem wurde zum Modell-Launch die Print-Ausgabe des Stern exklusiv von Toyota belegt. Auf 58 Seiten wurde nicht nur das Fahrzeug gezeigt, sondern die Le-ser des Magazins wurden mit interessanten Inhalten und Bilderstrecken zum Thema Nachhaltigkeit emotional involviert und neugierig gemacht auf den neuen Auris Hybrid. Alle Toyota-Inhalte des Magazins waren auch Online auf auris-hybrid.de und auf stern.de abrufbar.

Der Toyota Auris Hybrid Launch mit den Elementen „Augmented Reality“ und der Stern-Vollbelegung demonstriert, wie bereits heute mit dem Bindeglied Social Web multiple Inhalte mit multiplen Medien intelligent vernetzt werden, und da-durch zu völlig neuen Erfahrungen und Erlebnissen führen.

Abb. 21   Auris Hybrid auf Stern.de

Emotionalisierung einer Marke durch partizipierende Erlebniskommunikation

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Zusammenfassung 

Der deutsche Mobilfunkmarkt ist seit einigen Jahren von Sättigungstendenzen und fehlenden Differenzierungsmerkmalen zwischen Anbietern geprägt. Die Deutsche Telekom begegnet dieser Herausforderung, indem sie auf Basis ihres Markenversprechens „Life is for sharing“ ein Kampagnen-Framework entwi-ckelt, das über Ländergrenzen hinweg auf die langfristige emotionale Bindung zwischen Kunden und Marke einwirken soll. Der Grundgedanke dabei ist, dass in sämtlichen Kommunikationsmaßnahmen außergewöhnliche Momente im Mittelpunkt stehen, die mithilfe von Telekom-Produkten kreiert und geteilt werden können. Die Inszenierung spontaner Momente wie „Dance“ oder „Chor ohne Grenzen“ schaffte es erfolgreich, das Markenversprechen der Deutschen Telekom einzulösen und aufgrund der überwältigenden Resonanz positiv auf die Markenpersönlichkeit einzuwirken. In zahlreichen Menschen wurde das natür-liche Bedürfnis geweckt, jene emotionalen und einmaligen Ereignisse mit ihrer Familie oder mit Freunden zu teilen.

1   Relevanz der Schaffung eines klaren  Markenbildes auf dem Mobilfunkmarkt

Die vergangenen Jahre in der Mobilfunkbranche waren aus Sicht der Kunden vor al-lem von drei Entwicklungen geprägt. Zum einen entstand eine fast unüberschaubare Angebotsvielfalt von Mobilfunktelefonen und Tarifmöglichkeiten, weil der Kampf um Marktanteile hauptsächlich mit taktischen Mitteln wie beispielsweise Preis- und Tarifangeboten bestritten wurde. Die resultierende Orientierungslosigkeit sorgte für eine Abnahme der Kundenloyalität. Zwei Drittel der deutschen Konsumenten geben

Markenpositionierung durch emotionale und erlebnisorientierte Kommunikation

Wolfgang Kampbartold

W. Kampbartold ()Deutsche Telekom AG, Bonn, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_20, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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daher mittlerweile an, dass sich die großen Mobilfunkanbieter nicht auffällig von-einander differenzieren.

Zum anderen zeigt die Teilnehmerentwicklung am deutschen Mobilfunkmarkt eine deutliche Sättigungstendenz auf. Seit 2008 liegt die Zahl der Mobilfunkver-träge in deutschen Mobilfunknetzen konstant bei etwa 107,2 Mio. Dies entspricht einer Penetrationsrate von 118 % und führt zu dem Schluss, dass bereits annähernd jeder fünfte Deutsche über einen zweiten Mobilfunkvertrag verfügt (Quelle: Bun-desnetzagentur). Jene Sättigungstendenzen in Verbindung mit der Finanzkrise in den vergangenen Jahren tragen verstärkt zum Konkurrenzkampf bei. Dies führte dazu, dass Deutschland heute einer der wettbewerbintensivsten Märkte Europas ist.

Ein weiterer nicht zu unterschätzender Trend ist schließlich die gestiegene Nutzung von Festnetz- und Mobilfunksubstituten. Weit verbreitet ist das Tele-fonieren über das Internet mittels sogenannter VoIP-Software. Diese Software hat mittlerweile auch in Form von Applikationen ihren Weg auf das Mobiltelefon gefunden.

Die Deutsche Telekom ist eines der weltweit führenden Telekommunikations- und Informationstechnologieunternehmen. Das Unternehmen operiert mit den Marken „T-Mobile“, sofern in einem Markt lediglich Mobilfunkangebote ange-boten werden, und „Telekom“, wenn z. B. wie in Deutschland integrierte Ange-bote erhältlich sind, seien es Mobilfunk, Festnetz oder Onlineverbindungen bzw. -dienste.

Durch die oben beschriebenen Markttrends mit klaren Sättigungstendenzen, all-gemein sinkender Konsumentenloyalität sowie einer gestiegenen Anzahl von Pro-duktsubstituten stand die Marke „Telekom“ vor der Herausforderung, sich mithilfe einer klaren Markenpersönlichkeit von der Konkurrenz zu differenzieren. Statt auf den Preis als entscheidenden Faktor im Wettbewerb zu setzen, verfolgt die Deut-sche Telekom die Strategie, Kunden langfristig emotional an die Marke zu binden. Voraussetzung hierfür ist der Aufbau einer starken und international aufgestellten Marke.

Abb. 1   Teilnehmerentwicklung in deutschen Mobilfunknetzen

Teilnehmerentwicklung und Penetration in deutschen Mobilfunknetzen

17,0%

28,6%

58,7%68,1% 71,6%

78,6%86,4%

96,1%

105,9%

118,1%

130,8% 130,8% 130,7%

0

20

40

60

80

100

120

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 Q1 2009 Q2 2009

Tei

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in M

io.

0%

20%

40%

60%

80%

100%

120%

140%Teilnehmerzahl in Mio.Penetration

W. Kampbartold

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2   Vom Produkt- zum Kommunikationswettbewerb

Der Grundstein für die international starke Marke „Telekom“ wurde bereits 2008 mit der klaren Positionierung „Erleben, was verbindet.“ gelegt. Dieses Markenver-sprechen sagt aus, dass Menschen ihre unvergesslichen Augenblicke mithilfe von Produkten und Technologien der Deutschen Telekom bestmöglich miteinander tei-len können. Diese Leitidee zieht sich stringent durch alle Aktivitäten des Unter-nehmens. Produkte, Verkaufsaktivitäten, Kundenservice und Markensprache wer-den konsequent darauf ausgerichtet. Die Positionierung „Erleben, was verbindet.“ (international „Life is for sharing.“) gilt neben Deutschland auch in allen anderen Ländern, in denen die Deutsche Telekom vertreten ist, und drückt den entschei-denden Kundennutzen aller Telekom-Produkte und -Services aus. Als Basis dieses weitreichenden Versprechens dienen die Markenwerte Innovation, Kompetenz und Einfachheit.

Sämtliche Kommunikationsmaßnahmen dienen im Rahmen der Markenstrategie dazu, die definierte Positionierung der Deutschen Telekom für den Kunden erleb-bar zu machen. Daher müssen die Kommunikationsmaßnahmen selbst zwangläufig erlebnisorientiert sein.

Um das Markenversprechen konsequent in der Kommunikation umzusetzen, wurde ein länderübergreifendes Kampagnen-Framework entwickelt, das über alle Medienkanäle verschiedene Zielgruppen bedienen kann und neben klassi-schen Medien auch einen starken Fokus auf Webinhalte und Social-Media-Platt-formen legt.

Das Kampagnen-Framework basiert auf dem Gedanken, dass es im Leben un-vergessliche Momente, sogenannte „Memorable Moments“, gibt, die die Men-schen miteinander teilen möchten. Es gibt eine Reihe von Momenten, die Men-schen miteinander verbindet: die Geburt eines Kindes, ein schönes Konzert, ein interessantes Erlebnis o. ä. In der Kommunikation kreiert oder greift die Telekom kontinuierlich große und kleine reale Momente auf und nutzt diese zur Verdeut-lichung des Nutzens der jeweils beworbenen Produkte sowie der Markenpersön-lichkeit. Die Marke wird so unmittelbar für den Kunden erlebbar gemacht: Das Leben ist schöner, wenn man es mit anderen teilen kann. Voraussetzung ist, dass die ausgesuchten Momente immer im direkten Zusammenhang zur Marke stehen. Dadurch wird die Werbung selbst zu einem emotionalen Moment, über den die Kunden sprechen möchten.

Die Produkte werden innerhalb der eigentlichen Handlung wirkungsvoll in Sze-ne gesetzt. Sie sind einerseits Hilfsmittel, um den unvergesslichen Moment zu pla-nen (z. B. ein schönes Event), andererseits ermöglichen sie es den Akteuren, die Emotionen des Moments mit ihren Freunden und Bekannten zu teilen.

Um die gesamte Kommunikation effektiv auszurichten, wird jede Kampagne da-raufhin untersucht, ob sie ihrer spezifischen Anforderung, die Marke und Produkte zu transportieren, gerecht wird

Markenpositionierung durch emotionale und erlebnisorientierte Kommunikation

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352

3   Erfolgreiche Kampagnen im Rahmen  der LIFS-Markenpositionierung

3.1   Dance

Die Kampagne „Dance“ bildete den Auftakt innerhalb des definierten Kampag-nen-Frameworks. Ein stark frequentierter Bahnhof in London diente der Deutschen Telekom als Szenerie für Filmaufnahmen und Fotoshootings für diese Kampagne. Im Februar 2009 wurde im alltäglichen Trubel der Liverpool Street Station ein sog. Flashmob inszeniert. Zur Hauptverkehrszeit begannen 400 Menschen nacheinander damit, vor den Augen überraschter Unbeteiligter eine aufwändig einstudierte Cho-reografie zu tanzen. Die spontane Tanzeinlage wurde von Musik untermalt, die aus zuvor installierten Musikboxen drang. Sofort begannen Passanten damit, sich zu beteiligen und den Moment vor dieser beeindruckenden Kulisse mithilfe ihres Mo-biltelefons fotografisch festzuhalten. Freunde oder Bekannte wurden angerufen, um diesen schönen und überraschenden Moment mit ihnen zu teilen. Dadurch wurden Produkte und Services der Deutschen Telekom beiläufig, aber umso wirksamer in den Werbespot integriert. Zwischen dem „Dance“-Event und der Erstausstrahlung des Fernsehspots lagen nur 24 h. Für den ersten Spot wurde eine komplette Wer-bepause der britischen Ausgabe von Big Brother belegt. Die Zuschauerzahl stieg während der Ausstrahlung des Spots um eine halbe Million.

Das Event und die darauf folgende Kampagne waren ein voller Erfolg. Sie zeig-ten, wie beeindruckend die neu kreierte Kommunikationsplattform funktionierte. Die Kampagne wurde im TV, Online, Print, Digital Outdoor, PR und am Point of Sale umgesetzt. Sie kreierte einen außerordentlichen Hype und generierte, über die reine Mediabuchung hinaus, viel Aufmerksamkeit. Die Presse berichtete weitrei-chend über die plötzliche Tanzeinlage auf einem der größten Bahnhöfe Englands. Der „Flash Mob Dance“ wurde im TV als außergewöhnliches Ereignis gefeiert, das den tristen Pendlertalltag für viele Anwesende aufhellte. In Blogs wurde die Kampagne von der großen Mehrheit als innovativ und unterhaltsam aufgenommen.

Abb. 2   Kampagne „Dance“

W. Kampbartold

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353

Das YouTube-Video des Events wurde bis heute über 22 Mio. Mal aufgerufen. Der „Life is for sharing“-YouTube-Channel entwickelte sich zum meistbesuchten Wer-bekanal in England. Die Kampagne animierte Menschen sogar dazu, einen eigenen, über Facebook organisierten Flashmob ins Leben zu rufen. Tausende tanzten nur mit Kopfhörern ausgestattet im Stile von „Dance“ in der Liverpool Street Station. Der Andrang war so groß, dass der Bahnhof für knapp zwei Stunden abgesperrt werden musste. Die Kampagnenidee wurde mehrfach adaptiert und wurde sogar Teil der Oprah Winfrey Show, einer der beliebtesten Fernsehshows der Vereinigten Staaten von Amerika. Bei einem im Rahmen der Oprah Winfrey Show organisierten Konzert der Black Eyed Peas überraschte ein von der Deutschen Telekom organi-sierter „Flashmob“ die Gastgeberin. Tausende von Menschen tanzten simultan zur Livemusik und nutzen T-Mobile-Handys, um sich zu filmen und Fotos des Spekta-kels aufzunehmen oder Freunde zu informieren. Der Flashmob wurde im Fernsehen übertragen und erreichte mehr als 9 Mio. Zuschauer.

3.2   Singalong

Aufbauend auf dem großen Erfolg von „Dance“ wurde länderübergreifend das Konzept „Singalong“ entwickelt. Das Event als Startpunkt der Singalong-Kampag-ne hatte zum Ziel, den emotionalen Effekt von „Dance“ noch zu steigern, indem er auf eine umfangreichere Partizipation von Passanten setzte.

Früh am Morgen des 30. April 2009 wurde auf dem größten öffentlichen Platz Londons, dem Trafalgar Square, eine überdimensionale Leinwand aufgebaut. Im Vorfeld wurden Handzettel verteilt, die auf das große Nachfolgeevent von „Dance“ verwiesen. Lokale Radiostationen kündigten ein außergewöhnliches Event an. An jenem Abend initiierte die Deutsche Telekom die größte Karaokeveranstaltung der Welt. Alle Passanten vor Ort waren aufgerufen, zur Karaokeversion von Musik-hits wie „Hey Jude“, „Is this the way to Amarillo“, „Summer Lovin“ oder „Piece of my heart“ einzustimmen. Die Resonanz war überwältigend. Mehr als 13.000

Abb. 3   Kampagne Singalong – London, Trafalgar Square

Markenpositionierung durch emotionale und erlebnisorientierte Kommunikation

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Passanten nahmen spontan an der Karaokeparty teil und wurden dabei sogar von einem Überraschungsgast unterstützt. Die international erfolgreiche Sängerin Pink tauchte inmitten des Publikums auf und sorgte für zusätzliche Überraschung und Begeisterung.

Insgesamt 27 Kameras sowie zahlreiche Fotografen dokumentierten diesen Mo-ment und lieferten vielfältiges Material für die Bespielung der unterschiedlichen Kommunikationskanäle. Dabei war es aus Markensicht wichtig, die Szenen so na-türlich und spontan wie möglich festzuhalten. Auch wurden individuell länderspe-zifische Szenen vorbereitet, um die Kampagne in sieben europäischen Ländern zu implementieren. Beispielsweise wurde für den kroatischen Markt der lokale Popstar Nina Badric zu dem Event eingeladen und gefilmt. Ziel aller Maßnahmen war eine authentische Dokumentation eines „Memorable Moments“ und den damit einher-gehenden spontanen und natürlichen Reaktionen der Menschen vor Ort.

In ganz Europa fand die Kampagne reges Medieninteresse, selbst russische und brasilianische Medien griffen das Event auf. Noch vor der Erstausstrahlung des Wer-bespots existierten bereits mehr als 150 Videos des Events auf YouTube. Auf Flickr wurden durch Nutzer mehr als 450 Fotos veröffentlicht und die gegründete Face-book-Gruppe zählte nach einigen Tagen bereits 17.000 Anhänger. Auch Pink selbst zeigte sich begeistert: „What a fantastic experience. Everyone singing along toge-ther in the middle of London – it was incredible. I was thrilled to be a part of such an amazing event and to share it with so many people“. Erneut hatte es die Deutsche Telekom geschafft, ihr Markenversprechen „Erleben, was verbindet.“ einzulösen.

3.3   Chor ohne Grenzen

Im November 2009 kreierte die Deutsche Telekom einen weiteren unvergesslichen Moment. Zum 20-jährigen Jubiläum des Falles der Berliner Mauer verwandelte sich der Leipziger Hauptbahnhof in eine gigantische Chorkulisse. Im Rahmen der Kampagne „Chor ohne Grenzen“ stimmten an einem Sonntagvormittag 352 Chor-sänger Beethovens „Ode an die Freude“ an, eine Hymne der deutschen Wiederver-einigung. Den Leipzigern fehlte es nicht an Spontaneität, und so unterstützte eine große Anzahl von ihnen bereits nach wenigen Momenten den Chor. Während ande-re Passanten noch erstaunt um sich blickten, erhielten die Mitsingenden unerwar-tete Unterstützung von Paul Potts, dem sympathischen englischen Opernsänger, bekannt aus einer der vorhergehenden Werbekampagnen der Deutschen Telekom in Deutschland. Das Markenversprechen „Erleben, was verbindet.“ wurde abermals durch dieses außergewöhnlichen Event zum Leben erweckt. Viele Beteiligte zück-ten ihr Mobiltelefon und teilten diesen unvergesslichen Moment mit Verwandten und Freunden. Das Event weckte Emotionen und schaffte ein Gemeinschaftsgefühl, das in Form von Bildern und Filmmaterial in die danach lancierte deutsche Werbe-kampagne einfloss.

Die ersten Meldungen zu „Chor ohne Grenzen“ wurden über die Blogging-Plattform Twitter verbreitet. Den einmaligen Hinweisen über das Event bei Twitter folgten Kommentare und Diskussionen in allen sozialen Netzwerken, die zu einem

W. Kampbartold

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positiven Stimmungsbild führten. Die Resonanz wurde überwältigend, als Videos des Events auf Videoplattformen zu finden waren und auf diversen anderen Seiten verlinkt wurden. Alleine auf YouTube wurden die Videos mehr als 360.000 Mal aufgerufen und über 1500 Nutzerstimmen gezählt. Die Botschaft „Es gibt Momente im Leben, die es verdienen, mit anderen geteilt zu werden“ transportierte erneut die Leitidee der Deutschen Telekom.

3.4   Weitere Beispiele

Die Markenpersönlichkeit „Erleben, was verbindet.“ („Life is for Sharing.“) zieht sich durch alle Kommunikationsaktivitäten der Deutschen Telekom. Die Deutsche Telekom bezieht in Kommunikationsaktivitäten zunehmend Kunden mit ein, die dabei unterstützt werden sollen, eigene unvergessliche Momente zu schaffen, die mit anderen geteilt werden können. Ein gutes Beispiel dafür ist die Kampagne „Philippe’s Projekt“ in Österreich. In einem TV-Spot wurden Zuschauer offen ge-fragt, welche Träume sie gerne umsetzen würden. Im Zuge der Umfrage machte der 20-jährige Phillippe auf sich aufmerksam. Er wollte durch eine außergewöhnliche Aktion möglichst viele Menschen dazu bewegen, dem Thema Aids eine größere Aufmerksamkeit zu schenken. Dafür wanderte er zu Fuß von Bregenz nach Wien. Zur Organisation seiner Reise, um Kontakt zu seinen Fans zu halten, zur Aufklä-rung zum Thema Aids etc. nutzte er die Produkte der Deutschen Telekom. Die einzelnen Stationen seiner Reise sowie die Situationen, in denen die Produkte der Telekom ihm bei der Erfüllung seines Traumes halfen, wurden sinnvoll in die Kom-munikation integriert. Die Kampagne gab Philippe die Plattform, seinen Traum medienwirksam zu dokumentieren. Die erfolgreiche Kampagne war wochenlang in den österreichischen Medien vertreten und wurde im Internet rege diskutiert. In-nerhalb von nur 5 Wochen zählte die Facebook-Seite der Kampagne bereits 60.000 Fans. Auch auf YouTube wurden die Videostationen von Phillippe insgesamt

Abb. 4   Kampagne „Chor ohne Grenzen“

Markenpositionierung durch emotionale und erlebnisorientierte Kommunikation

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mehr als 38.000 Mal aufgerufen. Zahlreiche Presseberichte und Radiointerviews konnten die Aufmerksamkeit für die Kampagne und die Relevanz des Themas HIV weiter verstärken.

Die US-amerikanische Sängerin Katy Perry ist ein weiteres prominentes Gesicht in der Kommunikation der deutschen Telekom. Fans aus acht Ländern erhielten 2010 die Möglichkeit, im damals aktuellen Musikvideo der Musikerin „Fireworks“ mitzuwirken. In einer Rekrutierungsphase rief Katy ihre Fans in einem TV-Spot persönlich dazu auf, sich zu bewerben und in selbst gedrehten Videoclips zu zei-gen, ob sie Talent haben. Die Kampagne wurde über eine Vielzahl unterschiedlicher Kanäle kommuniziert, z. B. lief die Bewerbung der Fans als Akteure für das Video komplett auf einer eigenen Facebook-Seite. Freunde der einzelnen Bewerber mo-tivierten und mobilisierten wiederum über ihre eigenen Facebook-Seiten andere, für das Video zu stimmen. Die Gewinner konnten ihren Traum verwirklichen und an dem Videodreh teilnehmen, somit ihre Leidenschaft im Rahmen des Musikvi-deos mit dem Rest der Welt teilen. Die Resonanz war enorm. Katy Perry verfügte alleine auf Twitter über 3,8 Mio. Fans, auf Facebook waren es sogar über 4,6 Mio. Die Kampagne nutzte konsequent dieses Potenzial. Die Social-Media-Plattformen dienten im Verlauf der Kampagne dazu, die Geschichten der Gewinner und ihre Vorbereitung auf den Dreh des Musikvideos zu dokumentieren. Auch hier erfüllte die Deutsche Telekom ihr Markenversprechen, indem sie mit ihrer hohen Bandbrei-

Abb. 6   Katy Perry

Abb. 5   „Philippe’s Projekt“

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te an Produkten die Möglichkeit schafft, persönliche und emotionale Momente von zuhause oder unterwegs mit anderen zu teilen.

Musik als Thema wird bei der Deutschen Telekom jedoch nicht nur in der klassi-schen Kommunikation genutzt: Ähnlich wie in den Werbekampagnen schafft es die Deutsche Telekom auch im Sponsoring, unvergessliche Momente zu kreieren. Ein Beispiel ist Electronic Beats, ein internationales Musik- und Lifestyleprogramm. Einer jungen Zielgruppe sollen durch moderne elektronische Musik unvergess-liche, emotionale Momente geboten werden, die sie miteinander verbinden. Die Herausforderung ist, ein urbanes Publikum anzusprechen, das technisch hochaffin ist und Trends setzt, klassischen Marketingaktivitäten jedoch tendenziell kritisch gegenüber steht. Electronic Beats schafft es, die Marke „Telekom“ im Rahmen von Live- und Clubevents in Europas Metropolen effektiv erlebbar zu machen. Darüber hinaus werden moderne Festivals mit Ikonen der urbanen Clublandschaft präsen-tiert und einflussreiche neue Bands vorgestellt. Künstler wie Faithless, Gorillaz, Tiefschwarz und Moby sind nur einige wenige der Acts, die im Rahmen von Elec-tronic Beats der Zielgruppe live zugänglich gemacht wurden.

Über verschiedene Medien wird das Sponsoring lifestyleorientiert in Szene gesetzt. Zum Beispiel veröffentlicht die Deutsche Telekom das vierteljährlich er-scheinende Electronic Beats Magazin, das von ca. 620.000 Community-Anhängern gelesen wird. Die Produkte der Deutschen Telekom werden dabei sinnvoll in das Sponsorship integriert. So gab es etwa – in Kooperation mit einem der führenden Endgerätehersteller – eine exklusive Electronic Beats Handyedition. Auf diese Wei-se werden unvergesslich Momente mit der Marke „Telekom“ und ihren Produkten in Verbindung gesetzt. Die Wahrnehmung der Innovationskraft der Marke wurde dadurch sehr positiv beeinflusst.

Electronic Beats feiert in diesem Jahr bereits sein 10-jähriges Jubiläum und hat sich zum erfolgreichsten Musik-Community-Programm Europas entwickelt. Jeden Monat wird die Website von bis zu 500.000 Musikinteressierten aufgesucht. Durch das langjährige Programm stärkt die Deutsche Telekom auf effiziente Weise ihren innovativen Charakter und ihre klare Markenpositionierung.

Auch im Sportsponsoring der Deutschen Telekom wird die Marke für eine breite Zielgruppe erlebbar gemacht. In diesem Rahmen bedient sich die Deutsche Tele-kom insbesondere des Themas Fußball: Fußball schafft emotionale Momente in-nerhalb einer sehr breiten Zielgruppe. Das Engagement in diesem Bereich lädt die Marke positiv auf und hilft dabei, Kunden langfristig zu binden.

Seit der Bundesligaspielzeit 2010/11 sucht die Deutsche Telekom z. B. in re-gelmäßigen Abständen Fußballfans, die als Reporter über spannende Nachrichten, Events und Spiele ihrer Lieblingsmannschaft berichten, z. B. live vor ca. 60.000 Fans im Stadion. Für insgesamt sechs Monate werden die Fanreporter dafür mit den Produkten der Deutschen Telekom ausgestattet. Dadurch wird ihnen die Möglich-keit gegeben, ihre emotionalen Fußballmomente mit anderen Fußballfans zu teilen und zu diskutieren.

Dass es sich bei den Fanreportern um Menschen aus dem echten Leben handelt, bewirkt eine hohe Glaubwürdigkeit der Aktion. Die Steigerung der Aufmerksam-

Markenpositionierung durch emotionale und erlebnisorientierte Kommunikation

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keit, eine wirkungsvolle Produktpräsentation sowie der Austausch zwischen Tele-kom-Kunden und Nichtkunden sind die Ziele der Aktivitäten.

4   Ergebnisse und Erfolgsfaktoren

Die Kommunikation im Rahmen von „Erleben, was verbindet.“ („Life is for Sha-ring.“) erhielt seit 2009 eine Vielzahl von Auszeichnungen. Bei den bedeutendsten internationalen Werbefestivals wurden unter anderem Preise für „Innovative Me-dia“, das beste „Live Commercial“, „Best TV Commercial of the Year“ und der „Euro Effie“, ein Preis für herausragend effiziente Werbung, gewonnen. Außerdem erhielt die Deutsche Telekom den „Best Corporate Publishing“-Preis für das Elec-tronic Beats Magazin.

Die großen Erfolge der Kommunikationsaktivitäten belegen die konzeptionelle Güte der Markenplattform. Die gesamten Kommunikationsmaßnahmen trugen bei der Neupositionierung der Marke hinsichtlich der Markenpersönlichkeit in den Te-lekom-Ländern maßgeblich zum Erfolg bei.

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor war die Einführung von bestimmten Kriterien für die Marken- und Produktkommunikation sowie die Sponsoringmaßnahmen. Jede Kampagne und jedes Event muss eine konsistente Befolgung der Kommunikations-logik sicherstellen, um erfolgreich das Markenversprechen umzusetzen. In erster Linie soll durch die Marke ein unvergesslicher Moment geschaffen oder intensiviert werden, den man mit anderen teilen möchte. Botschaften müssen glaubwürdig und die geschaffenen Momente nah am Menschen sein. Die Kommunikation muss das Versprechen der Marke – „Erleben, was verbindet.“ – stützen und selbst so mit-reißend sein, dass man sie mit anderen teilen möchte. Die Rolle, die die Marke dem Produkt verleiht, sollte außerdem nachvollziehbar sein. Letztendlich ist zudem wichtig, die Idee in den ausgewählten Medien und Kanälen entsprechend ihrer spe-zifischen Anforderungen umsetzen zu können.

Um länderübergreifend eine starke Marke aufzubauen, ist es notwendig, mar-kenkonsistente Kampagnenkonzepte international umzusetzen, wobei man sich auf

Abb. 7   Logo Electronic Beats

W. Kampbartold

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verschiedenen Märkten unterschiedlichsten Herausforderungen und Komplexitäten stellen muss. Hierbei variieren die Anforderungen an eine Kampagne im Detail. Voraussetzung für eine erfolgreiche internationale Kampagne sind konkrete Kennt-nisse dieser Marktgegebenheiten, beispielsweise Kulturunterschiede oder Wettbe-werbsverhältnisse. Im Zusammenspiel mit den verschiedenen Ländern sind daher hohes politisches Geschick, persönliche Diplomatie sowie exzellent funktionieren-de Netzwerke über Ländergrenzen hinaus von hoher Bedeutung.

Um alle Märkte optimal zu bedienen, müssen internationale Kampagnenkon-zepte diesen nationalen Anforderungen gerecht werden (im Event selbst und in der daraus resultierenden Kampagne). Der modulare Aufbau des Kampagnen-Frame-works garantiert, dass Kampagnen länderübergreifend eingesetzt werden können. Obwohl die Events den Menschen und nicht das Produkt in den Mittelpunkt stellen, wurden die Produkte der Deutsche Telekom in den Kampagnen effektiv vermark-tet. Je Kampagne, Land und Zielgruppe wurden unterschiedliche Produkte sinnvoll integriert.

„Erlebniskommunikation“ eröffnet Möglichkeiten, emotional tiefgehende, au-thentische und nicht gestellte Situationen einzufangen. Dadurch wird Werbung realer, authentischer und glaubwürdiger. Solche emotionalen Momente entstehen jedoch spontan und verlangen vom Film/Fototeam ein hohes Maß an Professiona-lität. Die Vorbereitungen für einen Dreh müssen daher viele Eventualitäten berück-sichtigen. Das kann sich gegebenenfalls in Mehrkosten im Vergleich zur Kommu-nikation klassischer Prägung (TV, Plakat, Print) und einem höheren Arbeitsaufwand für Agentur und Kunde niederschlagen.

Der Erfolg der Erlebniskommunikation hängt schließlich auch maßgeblich vom passenden Mediamix ab. Wichtig für das Gelingen ist die Sicherstellung hoher Auf-merksamkeit des Themas von Anfang an. Dabei hilft die frühe Einbindung von PR und Social-Media-Aktivitäten. Von erheblicher Bedeutung ist daher die konsequen-te Umsetzung der Kampagnen im Sinne einer umfassenden 360-Grad-Herangehens-weise in ATL, BTL, Online, POS, PR, Social Media etc. Alle Kanäle müssen eine Sprache sprechen und identifizierbar zur gemeinsamen Kampagnenlinie passen.

Abb. 8   Umsetzung der Kampagne „Singalong“ in verschiedenen Ländern

Markenpositionierung durch emotionale und erlebnisorientierte Kommunikation

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Zusammenfassung 

Der Wettbewerb im Apothekenmarkt wächst. Neben Kostendruck aus der Poli-tik und zunehmend kritischen und preisbewussten „Patienten“ erhalten die Apo-theken verstärkt Konkurrenz vom Versandhandel sowie von Drogeriemärkten und dem Lebensmitteleinzelhandel. Kurz: Der Apothekenkunde hat immer mehr Gelegenheiten, seiner vertrauten (Stamm-)Apotheke untreu zu werden. Der fol-gende Beitrag beschreibt anhand der Marke vivesco, wie der Apotheker seine Kunden mit einem erlebnisorientierten Markenversprechen von sich überzeugen und an sich binden kann.

1   Der deutsche Apothekenmarkt im permanenten Umbruch

Der deutsche Pharmamarkt ist mit rund 36 Mrd. Euro (auf Basis des Apotheken-abgabepreises) der größte innerhalb Europas und der drittgrößte weltweit. Auch im nationalen Umsatzvergleich mit anderen Einzelhandelsbranchen nehmen Apothe-ken eine bedeutende Stellung ein – Tendenz steigend.

Der Apothekenmarkt in Deutschland ist durch selbstständig geführte Apotheken geprägt. Laut Fremd- und Mehrbesitzverbot dürfen nur Apothekerinnen und Apo-theker eine Apotheke besitzen und auch nicht mehr als vier gleichzeitig. Die Anzahl der Apotheken blieb mit ca. 21.500 in den letzten zehn Jahren nahezu unverändert. Mit einer Apothekendichte von ca. 3.800 Einwohnern je Apotheke (Quelle: AB-DA-Statistik 2009, alle übrigen Länder letztes verfügbares Jahr laut ÖBIG) liegt Deutschland im europäischen Vergleich im Mittelfeld.

Aber auch ohne dass Kapitalgesellschaften Apotheken betreiben dürfen, ist der Wettbewerbsdruck in den vergangenen Jahren stark angestiegen. Die letzte gro-

Das beste Rezept für die Apotheke der Zukunft

Thomas Hofmann und Wolfgang Schlutter

T. Hofmann ()vivesco Apotheken-Partner GmbH, Frankfurt, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_21, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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ße Gesundheitsreform 2004 entließ die sogenannten „OTC-Präparate“ (Over The Counter) aus der Erstattung der Krankenkassen und gab den Apotheken die Mög-lichkeit, die Preise für diese Mittel selbst festzusetzen. Dies führte zum verstärk-ten Aufkommen von Versandapotheken, die mit preisaggressiven Angeboten die nun selbstzahlenden Patienten umwarben. Unter den stationären Offizinapotheken dauerte es eine Weile, bis auch hier die ersten Preissenkungen für OTC-Artikel zu

Abb. 1   Umsätze ausgewählter Einzelhandelsbranchen 2007. (Quelle: EHI, BTE, ABDA, GFU)

14

14

29

37

56

125

in Mrd. €

Lebensmitteleinzelhandel

Textilhandel

Apotheken

Möbeleinzelhandel

Drogeriemärkte

Unterhaltungselektronik

Abb. 2   Apothekenzahl (inkl. Filialapotheken). (Quelle: ABDA)

21569

21465

21305

21392

21476

2155121570

21602

21548

Jahr2001

Jahr2002

Jahr2003

Jahr2004

Jahr2005

Jahr2006

Jahr2007

Jahr2008

Jahr2009

T. Hofmann und W. Schlutter

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finden waren. Heute sind in zahlreichen Apotheken Angebote und Sonderpreise für Teile des OTC-Sortiments gang und gäbe.

Gleichzeitig entdeckten auch andere Handelsunternehmen den Zukunftsmarkt Gesundheit und haben damit begonnen, eigene Sortimente mit Gesundheitspro-dukten aufzubauen. Das gilt vor allem für Drogeriemärkte und Lebensmitteleinzel-händler.

Der bislang fast ausschließlich heilberuflich orientierte Apotheker in seiner sta-tionären Offizinapotheke sieht sich nun vor neue Herausforderungen gestellt: Die Themen Strategie/Differenzierung, Organisation, Marketing und Verkaufsförde-rung werden in seiner täglichen Arbeit immer wichtiger.

Aber nicht nur der Apothekenmarkt hat sich in den letzten Jahren verändert, auch bei den Patienten ist ein Wandel zu beobachten, der vor allem durch drei Entwick-lungen gekennzeichnet ist:1. Die Krankenkassen erstatten OTC-Präparate nur noch im Ausnahmefall. Das

führt zu einer höheren Eigenverantwortung bei der Gesundheitsvorsorge und zu einer wachsenden Preissensibilität gegenüber diesen Präparaten. Aus Patienten werden sozusagen Kunden.

2. Gleichzeitig steigt das Interesse der Bevölkerung an Gesundheitsthemen. Der Markt für entsprechende Medienangebote wächst seit einiger Zeit. Dies führt auch zu einem erhöhten Beratungs- und Erklärungsaufwand bei Ärzten und Apo-thekern, da die Patienten immer aufgeklärter sind.

3. Darüber hinaus wird die Nachfrage nach medizinischer Versorgung und Gesund-heitsprodukten eher steigen, auch dank einer immer älter werdenden Gesell-schaft. Der Gesundheitsmarkt wird sich weiter ausdifferenzieren und sich von einem regulierten Angebots- zu einem Nachfragemarkt entwickeln. Dies drückt sich auch darin aus, dass wir nicht mehr länger vom „Gesundheitswesen“ sprechen, sondern immer häufiger von der „Gesundheitswirtschaft“ oder der „Gesundheitsbranche“.

Diese beiden Entwicklungen werden wesentlich getrieben durch die Erkenntnis der politisch Verantwortlichen, dass die Gesundheitsversorgung der deutschen Bevölke-rung nicht mehr in dem Maße und nach dem bisher angewandten Prinzip finanziert werden kann. Die Folge: Die öffentliche Diskussion im Gesundheitswesen wird durch Fragen der Finanzierung und der Kostensenkung bestimmt. Die hohe Qualität der medizinischen Versorgung in Deutschland, die weltweit führend ist, wird da-gegen als selbstverständlich erachtet. In anderen Ländern hat hier bereits ein Para-digmenwechsel stattgefunden: Gesundheit wird nicht länger als Eigenschaft oder Kostentreiber, sondern als Ressource und Wachstumstreiber für Wirtschaft und Be-schäftigung wahrgenommen.

Die Apotheken sehen sich also einem Wettbewerb gegenüber, der vor allem durch folgende Merkmale geprägt ist:• Der Wettbewerb findet innerhalb eines ansonsten stark gesetzlich regulierten Ge-

sundheits- und Medikamentenmarktes statt.• Medikamente sind eine besondere Ware, die sich nicht mit normalen Konsum-

gütern vergleichen lässt. Deshalb ist ein höherer Absatz und Verbrauch politisch

Das beste Rezept für die Apotheke der Zukunft

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nicht erwünscht. Dies führt aber zu einer großen Herausforderung für Apothe-ken, die sinkende Einnahmen dank niedriger Preise nur schwer durch entspre-chenden Mehrabsatz kompensieren können.

• Rund 80 % ihres Umsatzes macht die stationäre Apotheke noch immer im Seg-ment der verschreibungspflichtigen Präparate, in dem die Preise durch den Ge-setzgeber festgelegt sind. Eine Differenzierung im Markt für die einzelne Apo-theke ist somit schwierig.

• Der Wettbewerb im OTC-Segment findet zumeist auf dem Sektor „Preis“ statt – zum Vorteil der Versandapotheken, die einen wesentlich höheren Absatz je Produkt erzielen können. Entsprechend stieg das Umsatzvolumen des Versand-handels 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 31,6 %, während das der stationären Apotheken mit 0,9 % leicht rückläufig war.

Die anderen Bezugsmöglichkeiten von OTC-Präparaten außerhalb der Apotheken zeigen ebenfalls mit 3,4 % eine steigende Tendenz. Dazu gehören Drogeriemarkt-ketten wie dm, Schlecker oder Rossmann, die mit Versandhandelsapotheken ko-operieren und die Präparate innerhalb eines Tages nach Bestellung ihren Kunden in der Filiale zur Abholung bereitstellen.

Aber auch der traditionelle Lebensmitteleinzelhandel (LEH) arbeitet an entspre-chenden Wettbewerbskonzepten: So bietet der EDEKA-Discounter Netto beispiels-weise unter der Bezeichnung „Netto-Hausapotheke“ freiverkäufliche Arzneimittel an (Quelle: apotheke adhoc, 10.03.2010). Auch LIDL hat seinen Eintritt in diesen Markt als Onlinekooperation mit der Leipziger Versandapotheke „Apo-Discount“ bereits angekündigt (Quelle: DAZ.online, 13.8.2010).

2   Das rote Apotheken„A“ reicht  als Trustmark nicht mehr aus

87 % der Bundesbürger haben ein hohes Vertrauen in die Apotheke (Quelle: ABDA, Readers Digest, 2010), 82 % bewerten die Servicequalität der Apotheken als gut und küren sie damit zu den besten Dienstleistern Deutschlands (Quelle

Abb. 3   Selbstmedikation – Markt für rezeptfreie und freiverkäufliche Arznei- und Gesundheitsmittel in Milliar-den Euro (Veränderung zum Vorjahr). (Quelle: Handels-blatt vom 13.8.2010)

Gesamtvolumen 2009: 6,4 Mrd. Euro

4,85 (+3,4%)

0,61 (+31,6%)

0,94 (–0,9%)

in der Apotheke

im Versandhandel

außerhalb derApotheke

T. Hofmann und W. Schlutter

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ABDA, Allensbach 2008). Und 65 % der Bundesbürger gehen bei kleinen gesund-heitlichen Beschwerden zuerst in die Apotheke (Quelle: ABDA, YouGovPsycho-nomics 2008). Dieses Vertrauen bündelt sich im roten Apotheken-„A“, das unver-ändert seit 60 Jahren zu einem der bekanntesten Markenzeichen in Deutschland zählt. An über 20.000 Stellen in Deutschland sorgt es für vertraute Orientierung in Sachen Medikamente. Doch gleichzeitig birgt es ein elementares Problem: Es bietet kein Differenzierungspotenzial für die einzelne, inhabergeführte Apotheke. An attraktiven Standorten, beispielsweise in der Nähe von Ärztehäusern, stehen zahlreiche Apotheken mit dem gleichen Markenzeichen im unmittelbaren Wett-bewerb zueinander.

Will sich die einzelne Apotheke auf ihrem lokalen Markt – der oft nur aus einem Umkreis von einigen (Kilo-)Metern besteht – unterscheiden, ein eigenes Kompe-tenzprofil entwickeln und sich für Kunden und Konsumenten attraktiver machen sowie ihren Absatz im OTC-Segment erhöhen – dann braucht sie qualifizierte Mar-ketingunterstützung. Die wenigsten Apotheken können dies aus eigener Kraft stem-men. Darum stehen zahlreiche Berater und Dienstleister zur Verfügung. Oder der Apotheker schließt sich einer Apothekenkooperation an, die für ihn die Aktionspla-nung, die Kommunikation und die Erfolgskontrolle plant und mit ihm gemeinsam auswertet und optimiert.

Abb.  4   Aufbau des Apothekenmarktes in der Zukunft. (Quelle: ISM-Studie: Apothekenmarkt 2015)

InhabergeführteEinzelapotheke

InhabergeführteApotheke mit

Filialen

Apotheke alsEinheit einer

Kette

Arzneimittelab-gabe in sonst.Einzelhandel

Versand-apotheke

-inner- städtische Lauflage oder

-ländlicher Alleinversorg- er

-hoher Umsatz und/oder

-kein Wettbewerb

-regionale Marktab- deckung

-hoher Marktanteil

-Differenzierung über Services, Schwerpunkte

-Ergebnis vertikaler Integration eher als

-Ergebnis horizontaler Integration

-große Markenstärke

-Abgabe frei verkäuflicher Medikamente (geringes Maß)

-Shop-in-Shop- Systeme, dann:

-Vollsortiment- Management (Lebensmittel, Drogeriemarkt, Arzneimittel, Brillen etc.)

-Nutzung bestehender Infrastruktur, Logistik

-Nutzung moderner Vertriebskanäle

-eigenständig oder als

-Auftragnehmer von Apotheken und Ketten

-Anbieter informatorischer Services (Content, CRM)

Unab-hängigkeit

RegionalerMarkenver-

bund

Überre-gionalerMarken-verbund

Qualitätsführer

Preisführer

Das beste Rezept für die Apotheke der Zukunft

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366

3   Erfolgsfaktor „Apothekenkooperation“

Aktuell nutzen etwa 16.000 Apotheken Angebote von Apothekenkooperationen, wobei 2.400 von ihnen Mehrfachmitgliedschaften besitzen (Quelle: Pharmarund-schau, Mai 2010). Insgesamt gibt es in Deutschland über 40 Apothekenkoopera-tionen (Quelle: Bundesverband deutscher Apothekenkooperationen, 2010) unter-schiedlichster Ausprägung und Größe. Lange war für Apotheker der Einkaufsvor-teil im Freiwahl- oder OTC-Sektor aufgrund von Mengenbündelung das schlagende Argument für den Beitritt zu einer Kooperation. Zunehmend gewinnt heute aber eine starke Marke in Verbindung mit einem differenzierenden Versprechen für den Kunden, die den teilnehmenden Apotheken einen hohen Zusatznutzen bietet, an Bedeutung bei der Entscheidung.

Die 2003 als hundertprozentige Tochter des Pharmagroßhändlers Andreae-No-ris Zahn AG (ANZAG) gegründete vivesco Apotheken-Partner GmbH zählt heute mit über 1.100 kooperierenden unabhängigen Apotheken neben „Gesund leben“ (Gehe), „meine Apotheke“ (Sanacorp), und „Linda“ (Phönix) zu den großen Apo-thekenkooperationen im Markt.

Nach dem Aufbau einer schlagkräftigen Organisation und der Entwicklung eines umfassenden Leistungs- und Kommunikationsangebotes für die einzelnen Apo-theken hat die vivesco im März 2010 damit begonnen, ihren Markennamen natio-nal für den Endkunden bekannter zu machen. Das klare Ziel: Mehr Kunden in die Partnerapotheken zu bringen und dabei gleichzeitig die Stärke der selbstständigen Apotheke – die Kompetenz und Persönlichkeit des unabhängigen Apothekers – zu bewahren. Denn Fakt ist: Apothekenkooperationen sind in Deutschland bei den Konsumenten bzw. Patienten – also außerhalb von Fachkreisen – noch weitgehend unbekannt. So konnten in einer von vivesco durchgeführten repräsentativen, unge-stützten Umfrage über zwei Drittel der Befragten keine Marke für eine Apotheken-kooperation nennen.

4   Der Ansatz von vivesco: Gesund-Bleiben  als Markenversprechen

Bisher hat es folglich noch keine Apothekenkooperationsmarke geschafft, ein rele-vantes und differenzierendes Markenversprechen bei der Zielgruppe zu etablieren.

Bei der Analyse von typischen Kommunikationsinhalten im Pharma-, Gesund-heits- oder auch Apothekenbereich trifft man häufig auf austauschbare Inhalte rund um Krankheiten (Problem) und Lösung (durch das Produkt/die Leistung). Die Kommunikation findet in einer Krankheitswelt statt, thematisiert ein Prob-lem und konfrontiert die Zielgruppe mit Leid und einer negativen, grauen Welt. Dies hat zur Folge, dass erstens die kommunizierten Inhalte und Werte sich auf das Image der jeweiligen Marken übertragen, diese folglich mit einer negativen, kranken Welt in Verbindung gebracht werden und zweitens eine hohe Austausch-

T. Hofmann und W. Schlutter

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barkeit entsteht, die folglich auch zu einer Verwechslung der Marken bei der Ziel-gruppe führt.

Es galt also für vivesco, ein differenzierendes (im Vergleich zum Wettbewerb) und relevantes (für die Zielgruppen) Markenterritorium zu belegen. Um auf solch ein Markenterritorium vorzustoßen, muss man seine Zielgruppe genauestens erfor-schen und kennenlernen. Diverse qualitative und quantitative Marktforschungsstu-dien ermöglichten bereits einen tiefen und auch breiten Blick auf die Zielgruppe und ihre Bedürfnisse in Hinblick auf die Themen Krankheit, Gesundheit und Apo-theken. Wenn man jedoch direkt mit der Zielgruppe über die Themen Krankheit, Gesundheit, Medizin und auch Apotheke spricht, interessiert sie eigentlich nur eines: Ihre persönliche Gesundheit und die dadurch gegebene Möglichkeit, weiter-hin am Leben teilnehmen zu können. Gesundheit ist für die Zielgruppe also kein originäres Ziel an sich – sie ist Mittel zum Zweck, für all die kleinen und großen Ziele im Leben.

vivesco wird auf dieser Basis das Thema Gesundheitsmarketing und -kom-munikation für den Markt neu und differenzierend angehen: Anstatt Krankheiten und Probleme zu thematisieren, spielt die vivesco-Markenwelt in einer positiven, lebensbejahenden Umgebung, die die Ereignisse des Lebens in den Vordergrund rückt. Somit ist auch eine positive Abstrahlung auf die Marke gesichert, die im Ver-gleich zur Konkurrenz und anderen Teilnehmern im Gesundheitswesen in Zukunft nicht mit Krankheiten, sondern mit den positiven Erlebnissen des Lebens in Ver-bindung gebracht werden wird.

Es galt für dieses Erlebnisterritorium eine strategische und kommunikative Klammer, eine ganzheitliche, sogenannte „Organising Idea“, zu schaffen. Für die vivesco wurde folgende Idee definiert: „Es gibt immer einen Grund, gesund zu sein.“ Das daraus resultierende Erlebnisversprechen für den Kunden muss von den Apothekern und Apothekerinnen gestützt und bewiesen werden. Die Idee: Die Apo-theker reichen ihren Kunden eine helfende Hand im Leben, bei allem, was sie vor-haben – nicht nur im Krankheitsfall. Dabei geht es um alle Bereiche der Gesund-heit der Kunden – um die vielen großen und kleinen Ziele im Leben, für die es sich lohnt, gesund zu sein. Denn es gibt nicht nur eine Gesundheit, sondern viele „Gesundheiten“. Die Rolle des Apothekers im neuen Markenterritorium war somit definiert: Der Apotheker soll in jeder Phase des Lebens da sein. Begleiter sein bei allem, was Sie vorhaben.

5   Die „neue“ Rolle des vivesco-Apothekers

Wie kann der vivesco-Apotheker durch seine neue Rolle die „Organising Idea“ „Es gibt immer einen Grund, gesund zu sein“ stützen?

Üblicherweise suchen Kunden die Apotheke auf, wenn sie akut etwas benö-tigen. Hier ist der Apotheker häufig nur der schnelle Helfer. Wenn der vivesco-Apotheker jedoch in Zukunft in diversen Lebenslagen eine helfende Hand reichen

Das beste Rezept für die Apotheke der Zukunft

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soll, erweitert sich sein Wirkungsfeld – denn es gibt nicht nur eine Gesundheit, sondern es gibt viele „Gesundheiten“ – in allen Lebenslagen. Ganz egal, ob es die Allergien der Tochter oder die Kopfschmerzen im Studium sind oder einfach nur die Schürfwunde vom Sport. Der Apotheker soll in Zukunft der Lebensbegleiter sein, der in Sachen Gesundheit hilft und mit Rat und Tat zur Seite steht. Er küm-mert sich um das Wohl des Einzelnen und das der ganzen Familie. Ziel ist es, als Lebensbegleiter Teil des individuellen Gesundheitsplans und Lebens der Apothe-kenkunden zu werden.

Somit schafft die neue Rolle des Lebensbegleiters mehr Anlässe zum Besuch in der Apotheke. Diese Positionierung generiert folglich auch nachhaltig mehr Fre-quentierung der Apotheke und mehr Geschäft für den Apotheker.

Die Rolle des vivesco-Apothekers als Lebensbegleiter und das Territorium des „gesund seins, um den Erlebnissen des Lebens nachgehen zu können“, vereinen sich somit in der „Organising Idea“: „Es gibt immer einen Grund, gesund zu sein“ und dem daraus abgeleiteten Slogan: „Wir wollen Sie gesund“.

Dieser Slogan stärkt nochmals deutlich nach Außen (zur Zielgruppe) die Rol-le des Apothekers und schafft gleichzeitig ein hohes Maß an Identifikation und Einbindung seitens des Apothekers (nach Innen). Letzteres ist ein entscheidendes Kriterium für Erfolg und Misserfolg eines Markenversprechens einer Apotheken-kooperationsmarke. Denn der Apotheker selbst sieht sich und seine Leistung als

Abb. 5   vivesco als Lebensbegleiter

T. Hofmann und W. Schlutter

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das entscheidende und differenzierende Erfolgselement seines Geschäftsmodells. Somit muss ein Markenversprechen diese Leistung auch „honorieren“ und mit ein-beziehen.

Die Positionierung als Lebensbegleiter und das Markenversprechen im Slogan „Wir wollen Sie gesund“ differenziert und geht über das Angebot des Wettbewerbs hinaus. Und macht damit den wesentlichen Unterschied bei der Entscheidung für den Besuch einer vivesco-Apotheke aus.

6   Wie wird die Marke vivesco zum „Ausweis für die bessere Apotheke“?

Die Voraussetzung für die gelungene Umsetzung der Markenstrategie und die Realisation der Kampagne war die enge Zusammenarbeit von Strategen, Marke-tingfachleuten, Gesundheitsexperten und Apothekern. Die gemeinsam entwickelte Strategie wurde in vielen Gesprächen diskutiert und geprüft.

Eine Vorstellung der Marketingkampagne in einer Roadshow mit insgesamt über 1500 Teilnehmern aus dem Kreis von Industrie und Apothekern war der „Härtetest“ für Strategie und Umsetzung.

Erfolgsrezept für die sehr emotionale Kommunikationskampagne war neben der exzellenten strategischen Grundlage die hervorragende kreative Entwicklungs-arbeit von Saatchi & Saatchi, die es schafften, den konzeptionellen Gedanken in aufmerksamkeitsstarke und differenzierende Gestaltung umzusetzen.

Die Stärke der kreativen Idee liegt unter anderem auch in der prägnanten Umset-zung in Form einer sympathischen Wortmechanik „…gesund“, die mehrere Vorteile hat: Das Kreativkonzept lässt sich sowohl über alle medialen Kanäle (TV, Print, Funk, Online etc.) und promotionalen Aktivierungen als auch für alle Zielgruppen umsetzen. Und das sowohl in der nationalen Imagekampagne als auch in der regio-nalen und lokalen Kommunikation, die oft mehr angebotsorientiert ausgerichtet ist. Auch mit überschaubarem Budget lässt sich so eine durchgängige aber trotzdem differenzierende Kommunikation erreichen und die Marke so schnell und prägnant in den Köpfen der Zielgruppe verankern.

In der Handels- und Dienstleistungskommunikation ist die Erfahrung am POS das mit am meisten prägende Markenerlebnis. Hier wird neben den medialen Kanä-len der Fokus der zukünftigen Marketingaktivitäten der vivesco liegen. Den Apo-thekern Themen und Maßnahmen an die Hand zu geben, um das Versprechen „Le-bensbegleiter“ gegenüber Kunden und Patienten mit Leben zu füllen und täglich einzulösen und so den Apothekenbesuch in ein „gesundes“ (Marken-)Erlebnis zu verwandeln.

Das beste Rezept für die Apotheke der Zukunft

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Die nationale vivesco-Einführungskampagne 2010: ausgewählte Kom-munikationsbeispiele

Abb. 9   TV-Spot

Abb.  6  Die Lemon Lounge als Presse Auftakt-Event in Berlin

Abb. 7  vivesco Weltrekord: größ-tes Fanbuch zur Fußball-WM

Abb. 10   Anzeigen Publikumszeitschriften

T. Hofmann und W. Schlutter

Abb. 8  Kunden-magazin vive

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Zusammenfassung 

In Hightechmärkten stellt Erlebnismarketing eine besondere Herausforderung dar. In diesen Märkten stehen „harte Fakten“ bei der Entscheidung für oder gegen einen Anbieter oftmals über Faktoren wie dem Markenimage. Dies trifft insbesondere für den sich rasant entwickelnden deutschen Solarmarkt zu, in dem bisher kein Markenbewusstsein herrscht und rationale Größen wie Wirkungs-grad und Preis der Solarmodule als Orientierungshilfen bei der Kaufentschei-dung herangezogen werden. Verstärkt durch die Finanzkrise stellt diese Konstel-lation für SCHOTT Solar zugleich eine Herausforderung und Chance dar. Über die zielgruppengerechte Markenpositionierung und Kommunikation wurde die Grundlage geschaffen, über den Installateur – als SCHOTT-Solar-Markenbot-schafter – die Marke und die Produkte für Endkunden erlebbar zu machen.

1   Die Ausgangslage: orientierungslose Verbraucher  in einem orientierungslosen Markt

1.1   „Ja klar hab ich ne Solaranlage. Welche Modulmarke?  Keine Ahnung“

Im Jahr 2007 sind die Aussichten mehr als sonnig. Ökologisches und gesundes Leben entwickelt sich stetig zum Megatrend. Erneuerbare Energien sind erstmals in aller Munde und Titelthema vieler Medien. Solarstrom ist in. Keine Frage. Die Nachfrage der Konsumenten steigt an und Studien belegen, dass 58 % der Deut-schen eine stärkere Förderung der Solarenergie durch den Staat befürworteten (2006: Stern TrendProfile 3/06). Auch „Merkel setzt sich durch: Zwanzig Prozent

Erlebnismarketing ganz menschlich

Der Installateur wird zum wichtigen Faktor im Kampf um neue Herzen

Dorothea Varlam

D. Varlam ()SCHOTT Solar AG, Mainz, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1_22, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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erneuerbare Energie“ (FAZ vom 10.3.2007) und trifft damit eine wichtige Rich-tungsentscheidung in Bezug auf den deutschen Energiemix 2020. Dank staatlicher Förderung und steigender Energiekosten tut sich ein Millionenmarkt auf.

Speziell bei Eigenheimbesitzern im stadtnahen und ländlichen Bereich sowie bei Landwirten gehört ein mit Solarmodulen gut belegtes Dach immer mehr zum ge-wohnten Stadtbild. Doch wo man ganz selbstverständlich weiß, was für eine Auto-marke vor der eigenen Haustür steht, da herrscht meist blanke Ahnungslosigkeit, wenn es um die Marke der Solarmodule geht. Ein wirkliches Marken- und damit Qualitätsbewusstsein existiert nicht, und das bei einem Produkt, bei dem Zuver-lässigkeit über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren darüber entscheidet, ob sich die ganze Sache lohnt oder nicht. Und umso erstaunlicher, als die Summen, die durchschnittlich für eine Solaranlage investiert werden, durchaus im Bereich eines Mittelklasseautomobils liegen – durchschnittlich immerhin 20.000 €.

Die Indifferenz auf Verbraucherseite wurde 2007 bestärkt durch einen nicht we-niger indifferenten Markt. Es gab keine dominierenden Anbieter, geschweige denn eingeführte und etablierte Solarmodulmarken, sondern nur eine unüberschaubare Anzahl scheinbar homogener Produkte.

Nach rosigen Zeiten mit zweistelligen Wachstumsraten verschärfte sich 2008 plötzlich die Situation. Der Absturz kam aus heiterem Himmel. Eigentlich ver-sprach das Jahr für die Solarbranche ein sehr gutes Jahr zu werden. Der Umsatz boomte und die Zahlen kündigten satte Gewinne an. Doch dann – im September 2008 – kamen die Finanzkrise und der Einbruch des Solarmarktes in Spanien. Und alle Träume vom ungebremsten Solarwachstum nahmen ein jähes Ende.

Statt fünfstellige Eurobeträge für die Installation einer Solaranlage zu investie-ren, hieß nunmehr die Devise bei den privaten und gewerblichen Solarinteressier-ten: erst mal abwarten. Damit verschärfte sich für die deutschen Solarhersteller eine ohnehin kritische Situation: Zum einen, weil der wichtige Exportmarkt Spanien auf-grund der zusammengestrichenen staatlichen Förderungen wegbrach und dadurch einen Modulrückfluss aus Spanien auslöste. Zum anderen, weil asiatische und ins-besondere chinesische Hersteller mit tiefpreisigen Modulen in den deutschen Markt eintraten und ein massiver Preisverfall ausgelöst wurde.

Vorzeigeunternehmen der Solarbranche wie Q-Cells, die einmal als die neu-en deutschen Exportschlager gehandelt wurden und zu Bannerträgern einer er-hofften grünen Energiewende stilisiert wurden, schrieben Mitte des Jahres erst-mals tiefrote Zahlen, Produktionslinien sollten stillgelegt werden und Entlas-sungen waren plötzlich kein Tabuthema mehr. „Der deutschen Solarindustrie droht der Financial Times Deutschland zufolge eine beispiellose Pleitewelle“, schrieb der Spiegel im August 2009. Und die Analysten der Deutschen Bank be-fürchteten eine „brutale Marktbereinigung“.

1.2   SCHOTT Solar

Für SCHOTT Solar, einer der Pioniere der Branche, eine inakzeptable Situation. Die qualitätsbewusste Tochter des internationalen Technologiekonzerns SCHOTT AG konnte und wollte sich von Anfang an keine Differenzierung über den Preis

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leisten. SCHOTT Solar verfügte Anfang 2007 bereits über herausragende 49 Jahre Erfahrung in der Solartechnik, deckte die wesentlichen Kernbestandteile der Wert-schöpfungskette von qualitativ hochwertigen Solarmodulen ab und entwickelte, fertigte und vermarktete auch hocheffiziente Receiver, eine der Schlüsselkompo-nenten für Solarkraftwerke. Das Unternehmen war zu diesem Zeitpunkt richtungs-weisender Markt- und Technologieführer. Doch weder Endverbraucher noch Ins-tallateure waren sich dessen wirklich bewusst. Die spontane Markenbekanntheit bei Hausbesitzern lag damals bei 2 %, bei der wichtigen Zielgruppe der Landwirte sogar bei 0 % (tnsInfratest 2007).

Ziel musste es daher sein, vom unbekannten Qualitätsanbieter zur begehrten Marke zu werden, vom Mauerblümchen mit inneren Werten zum Mercedes unter den Modulen, von der Trustmark zur Lovemark.

1.3   Die übergeordneten, kommunikativen Ziele

Konkret wurden als Geschäftsziele die Steigerung der Markenbekanntheit und Erst-präferenz bei allen Zielgruppen und die Umsatzverdopplung in den Jahren 2008 und 2009 definiert. Die Marke sollte am Markt eine relevante Positionierung auf Basis des definierten Markenkerns „dauerhaft“ und den Markenattributen „zuverlässig, erfahren, kundennah und zukunftsweisend“ beziehen und damit kommunikativ die Markenführerschaft ergreifen. Die „egal was kommt“- Kampagne, die Anfang 2008 an den Start ging, sollte der erste – richtungsweisende – Schritt für den nachhaltigen Aufbau einer starken Marke sein.

Das langfristige Ziel bestand darin, zu allen Zielgruppen eine nachhaltige Be-ziehung aufzubauen. Denn wo ursprünglich keine zwischenmenschliche Kommu-nikation stattfand, verbanden die Menschen mit der Marke bestenfalls den soliden, deutschen Handwerker, der einen guten Job macht. Aber mehr auch nicht. 2009 wurde deshalb der zweite, wesentlichere Schritt zu erlebbaren Marke getan. Mit einer Kampagne, die einen Multiplikator nutzt, der bei den Endverbrauchern die mit Abstand höchste Glaubwürdigkeit und damit auch die höchste Überzeugungs-kraft besitzt: die Installateure. Diese wichtige Zielgruppe sollte im Anschluss an den Markenlaunch als Markenbotschafter gewonnen werden, um so für die Endver-braucher eine Vielzahl von potenziellen Erlebnispunkten zu kreieren.

2   Die Strategie. Vom anonymen Installateur zum SCHOTT-Solar-Markenbotschafter

2.1   Jedem seine eigene Botschaft. Kommunikation mit Doppelfokus

Um das übergeordnete Ziel, SCHOTT Solar in der Kategorie als Top-of-mind-Mar-ke zu etablieren, galt es von Anfang an zu beachten, dass sich die generelle Ziel-gruppe der Solarstrominteressenten in mehrere Untergruppen mit unterschiedlichen

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Erwartungshaltungen differenzieren lässt. Neben Hausbesitzern und Landwirten – die die Endverbraucher der Produkte bilden – gibt es auch noch die wichtige Busi-nesszielgruppe der Installateure. Bis 2007 hatte das Unternehmen SCHOTT Solar nie direkt mit diesen Zielgruppen, sondern ausschließlich über eine Push-Strategie mit einer kleinen Gruppe von Großhändlern kommuniziert, die die Betreuung der nachgelagerten Installateure eigenständig verantworteten, die wiederum als einzige direkt mit den Endverbrauchern im Kontakt standen.

Doch nun wagte sich das Unternehmen erstmals an eine kombinierte Push-Pull-Strategie und setzte hierzu auf einen 3-stufigen Distributionsweg. Über zielgrup-penspezifische Botschaften sollte die Marke SCHOTT Solar und ihre spezifischen Eigenschaften relevant im Leben der im Distributionsweg nachgelagerten Zielgrup-pen (Installateure und Endverbraucher) verankert und dadurch ein Nachfragesog erzeugt werden.

In einer Marktforschungsstudie wurden die bisher vernachlässigten Zielgruppen untersucht und in zwei unterschiedliche Interessensgruppen unterteilt: die Endver-braucher auf der einen und die Businesszielgruppe Installateure auf der anderen Seite. Beide Cluster unterscheiden sich in Bezug auf die jeweilige Motivation und die jeweiligen Erwartungen.

2.2   Sicherheit und Unabhängigkeit im Fokus der Zielgruppen

Für die Installateure zählen zufriedene Kunden und der eigene Erfolg. Sie sprechen eher wenig und wenn, dann am liebsten über handfeste Fakten, denn die meisten von ihnen sind zwar ausgezeichnete Handwerker, aber keine Verkäufer. Doch ihre Empfehlungen sind Gold wert. Sie sind die Gatekeeper, die bestimmen, welches Modul beim Kunden durchgewunken wird und welches nicht. Denn Hausbesitzer und im Besonderen Landwirte legen bei der Auswahl der Module großen Wert auf die Empfehlung des Installateurs und machen ihn zum wichtigsten SCHOTT-So-lar-Mitarbeiter. Der Installateur beeinflusst 92 % der Hausbesitzer bzw. Landwirte bei der Markenwahl. Starken bis sehr starken Einfluss bei der Markenwahl übt der

Abb. 1   Push-Pull-Strategie im 3-stufigen Distributionsweg

Distributionsweg SCHOTT Solar3 stufiger Vertrieb

SCHOTT SolarDistributions-

partner Installateure

Landwirte

HausbesitzerPush

Pull

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Installateur auf 66 % der Hausbesitzer respektive auf 78 % (Quelle: TNS-Infra-test 2010) der Landwirte aus. Bei der Auswahl der Module zählen für Installateure einerseits eine schnelle und unkomplizierte Installation und eine möglichst hohe Funktionsstabilität, um aufwendige Garantiefälle möglichst gering zu halten.

Hausbesitzer und Landwirte wünschen sich beim Kauf einer Solaranlage etwas, auf das man sich verlassen kann. Für sie geht es nicht nur um Ökologie, sondern um Ökonomie. Es sind also keine reinen Ökofreaks, sondern schlaue Rechner, die in der Solaranlage hauptsächlich eine finanzielle Investition sehen. Bei einer In-vestition im fünfstelligen Eurobereich eine mehr als verständliche Haltung. Diese spiegelt sich in den Beweggründen für eine Investition in eine Solaranlage wider. Für Hausbesitzer spielen finanzielle Aspekte eine dominante Rolle bei der Kaufent-scheidung (Quelle: CR 3000, 2009).

Landwirte gehen noch pragmatischer vor. Für sie ist die Rendite einer Investition in eine Solaranlage, neben weiteren verwandten Motiven, der wichtigste Beweg-grund. Ferner planen im Jahr 2009 bereits 20 % der Landwirte eine Investition in eine Solaranlage innerhalb der nächsten 12 Monate – mit Abstand ein Spitzewert im europäischen Vergleich (TNS 2009, DLG MaFo 2009).

Zudem gibt die Anlage dem Hausbesitzer und Landwirt, psychologisch betrach-tet, außerdem ein Gefühl größerer Autonomie: Denn sich und seine Familie von den Unwägbarkeiten der Welt „da draußen“ unabhängig zu machen, ist sein fundamen-taler Antrieb.

An diesen beiden Motiven setzt die Kreativstrategie an. Die „egal was kommt“ Markenlaunchkampagne trägt dem Rechnung, indem sie aufmerksamkeitsstark SCHOTT Solar als verlässlichen und dauerhaften Anbieter positioniert. Im zweiten Schritt wird mit „Leistungsstabilität“ noch spezifischer Benefit aufgebaut und zum Leben gebracht.

Abb. 2   Installateure beeinflussen 92 % der Kaufentscheidung

Landwirte und Hausbesitzer lassen sich bei der Kaufentscheidungstark bis sehr stark von der Markenempfehlung des Installateursbeeinflussen.

HausbesitzerBesitzerBasis n=53*

LandwirteBesitzerBasis n=77*

25%

48%

41%

30%

17%

13%

9%

1%

8%

8%

sehr stark stark etwas wenig gar nicht

Quelle: TNS-Infratest 2010.

Erlebnismarketing ganz menschlich

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3   Kontaktpunkte zur Zielgruppe

3.1   „Egal was kommt.“ Der erste Schritt zum Herzen der Menschen

Bei der Anschaffung einer Solaranlage sind es in der Regel zwei Kriterien, die bei den Endverbrauchern den finalen Ausschlag geben (wenn die Entscheidung nicht sowieso dem Installateur überlassen wird): Modulwirkungsgrad und Preis. Das Argument „Qualität“ hat demgegenüber einen schweren Stand, denn: Es ist nicht quantifizierbar und bei einem so komplexen und hochtechnischen Produkt wie einem Solarmodul nicht leicht zu definieren.

Aber was nützen der beste Wirkungsgrad und ein attraktiver Preis, wenn die Qualität nicht stimmt und man am Ende draufzahlt? Die strategische Stoßrichtung für den SCHOTT-Solar-Markenaufbau zielt deshalb auf den Markenkern „dauer-haft“. Dauerhaftigkeit sollte als zentrales Markenversprechen zukünftig in allen Zielgruppen das entscheidende Kriterium werden und damit den Markt der Solar-anbieter zugunsten der Marke neu teilen: in Anbieter mit dauerhaften (langlebigen) und mit „kurzweiligen“ Produkten. Und nur mit SCHOTT Solar kauft man sich von Anfang an das gute Gefühl, auf der sicheren Seite zu sein. Und Qualität heißt seit dem Launch der Marke SCHOTT Solar bei Solarmodulen: Langlebigkeit, Dauer-haftigkeit, Beständigkeit, Zuverlässigkeit. Damit sollte bei den Endverbrauchern – die primäre Zielgruppe für diese Kampagne – der angestrebte Pull-Effekt ausgelöst werden.

Ihren kreativen Ausdruck findet diese Positionierung im neu entwickelten Mar-kenclaim: „SCHOTT Solar. egal was kommt.“, der den Menschen als emotionalen Mehrwert „Gelassenheit in einer unberechenbaren Welt“ bietet. Mit qualitativ hoch-wertigen Solarkomponenten von einem verlässlichen Partner wie SCHOTT Solar, mit über 50 Jahren Erfahrung, kann ich auf dauerhafte Erträge vertrauen.

3.2   Vom Installateur zum Markenbotschafter

In Zeiten der Finanzkrise war es umso wichtiger, Menschen starke Argumente an die Hand zu geben, die ihnen die Entscheidung für die Investition in eine Solaranla-ge von SCHOTT Solar erleichtern sollten. Weil Hausbesitzer sich – neben dem gu-ten Gefühl, etwas für die Umwelt getan zu haben – vor allem für das interessieren, was am Ende in harten Zahlen auf dem Konto steht, setzte SCHOTT Solar genau dort an. Denn: Eine hohe und vor allem auch stabile Rendite kann nur dann garan-tiert werden, wenn die Module auch die entsprechend stabile Leistung erbringen. Hier können SCHOTT-Solar-Module richtig punkten, denn sie verfügen nach 24 Jahren noch über 94,5 % Leistungsstabilität ( = 5,5 % Degradation über 24 Jahre) – von einer Leistungsmessung des Fraunhofer-Instituts bestätigt. Demzufolge lautet das Versprechen für die Endverbraucher: mehr Rendite dank der leistungsstabilen Module von SCHOTT Solar.

Weil allen Werbeaufwendungen zum Trotz bei der Kaufentscheidung für oder gegen ein Solarmodul Markenbekanntheit, Qualität oder Herkunft bis heute nur

D. Varlam

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eine untergeordnete Rolle spielen, setzte SCHOTT Solar 2009 zusätzlich zum kon-tinuierlichen Markenaufbau auf ein weiteres Standbein. Das Unternehmen hatte erkannt, dass es letztendlich die Empfehlung des Installateurs ist, die im Markt wirklich zählt.

Um im Markt gleichzeitig neben dem Pull- auch weiter den Push-Effekt zu stär-ken, machte sich SCHOTT Solar die Rolle des Installateurs als Gatekeeper zunutze. Da er überwiegend die Entscheidung des Endverbrauchers, welches Modul durch-gewunken wird und welches nicht, bestimmt, setzte die Kommunikationsstrate-gie für die zweite, große Kampagne von SCHOTT Solar an diesem neuralgischen Punkt an. Mit dieser Maßnahme sollte die Marke den Sprung vom etablierten und soliden, deutschen Unternehmen zum gern gesehenen, vertrauten Freund schaffen.

Zielgruppe der neuen Kampagne waren daher ebenfalls Installateure im gesam-ten Bundesgebiet, die dazu eingeladen wurden, gemeinsam mit SCHOTT Solar örtliches Marketing in eigener Sache zu betreiben. Dass sie dabei als Markenbot-schafter für SCHOTT Solar auftraten, war ein gewünschter Nebeneffekt. Das Ver-sprechen für die Installateure: mehr zufriedene Kunden und mehr Erfolg als Partner von SCHOTT Solar, dank der qualitativ besonders hochwertigen SCHOTT-Solar-Produkte einerseits und einer kompetenten Verkaufsunterstützung andererseits. Kreativ umgesetzt wird daraus die „Partnerinitiative. Schwieriges Wort für einfach mehr Erfolg.“

4   Die kreative Umsetzung. In zwei Schritten zum nachhaltigen Markenerlebnis

4.1   Die Markenlaunchkampagne „egal was kommt“

Jeder Eigenheimbesitzer, der sich eine PV-Anlage aufs Dach stellt, steckt viel Herz-blut (und viel Geld) in eine Sache, die Anfang 2007 noch sehr neu und ungewohnt war. Aber deswegen sind sie noch lange keine Visionäre, denn sie planen keine Luftschlösser, sondern investieren Schweiß und Energie, um Dinge von Dauer zu schaffen. Dinge, die ihnen und ihrer Familie keiner mehr nehmen kann. Daher zählt für diese aufgeklärten Solardachplaner bei der Auswahl der Module umso mehr die langfristige Haltbarkeit gegen äußere Einflüsse. Die kreative Umsetzung spielt genau mit diesem Aspekt und thematisiert, dass SCHOTT-Solar-Module tatsächlich kaum etwas erschüttern kann. „Egal, was kommt“, sie trotzen allen möglichen Wid-rigkeiten. Und – wie in der Kampagne mit einem Augenzwinkern gezeigt wurde – sogar ziemlich unmöglichen. Die Kunden können also immer entspannt bleiben.

Als ersten Schritt zur Implementierung der Pull-Push-Strategie zielte die Media-strategie auf die Steigerung der Markenbekanntheit und auf die Hinführung zur neuen Website von SCHOTT Solar, um den gewünschten Nachfragesog bei den nachgelagerten Zielgruppen zu erreichen. Der Medienmix fokussierte deshalb die klassischen Medien. Print funktionierte als Leitmedium – in der Launchphase mit einem Teasermotiv für alle Zielgruppen zur Positionierung der Marke und in der

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Abb. 3   Anzeigenmotiv der Teaserkampagne

Abb. 4   Anzeigenmotiv Installateur

Abb. 5   Anzeigenmotiv Landwirt

D. Varlam

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Abb. 6   Onlinebanner Endverbraucher

Abb. 7   Messestand auf der Intersolar

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Follow-up-Phase mit spezifischer Zielgruppenansprache, um die Relevanz der neu-en Positionierung aufzuladen – und wurde durch den Launch der Website www.SCHOTTSolar.com und Onlinebanner ergänzt. Außerdem wurde der neue Marken-auftritt in den Messestand und in ein Literaturkonzept übersetzt.

In der Launchkampagne spielte damit der direkte, persönliche Kontakt im Ver-gleich zu den klassischen Massenmedien noch eine untergeordnete Rolle. Das sollte sich mit der „Partnerinitiative“ 2010 ändern.

4.2   Wenn es hart auf hart kommt, zählt die „Leistungsstabilität“

Im zweiten Schritt wurden Anzeigen für den Endkundenmarkt geschaltet, die über die Darstellung des SCHOTT-Solar-Differenzierungsmerkmals „Leistungsstabili-tät“ die Bedürfnisse der Endverbraucher nach Sicherheit und Verlässlichkeit auf-griffen. Sie sollten einen zusätzlichen Nachfragesog entwickeln, den die Installateu-re dann nur noch abschöpfen brauchten.

Abb. 8   Anzeigenmotiv Endverbraucher

D. Varlam

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Zusätzlich ging die Marke SCHOTT Solar sehr viel näher an die Menschen he-ran. Die kreative Umsetzung nutzt die Sperrigkeit des Wortes „Partnerinitiative“, indem sie es – hauptsächlich in einem Mailing und flankierend dazu in den Online- und Printumsetzungen – plakativ in den Mittelpunkt stellt und unmittelbar in ein-fache, relevante Nutzenbotschaften übersetzt: „Schwieriges Wort für einfach mehr Erfolg“.

Die Botschaft, dass der Installateur von einer Partnerschaft mit SCHOTT So-lar in mehrfacher Hinsicht profitiert, war dabei immer an sofort einsetzbare Re-sponsemöglichkeiten gekoppelt, zum Beispiel auf gespendete Antwortkarten auf Anzeigen, Faxvordrucke beim Mailing oder Links im Onlinebereich, die auf die entsprechende Kampagnen-Microsite auf schottsolar.com weiterleiteten. In allen Maßnahmen wurde zudem unübersehbar die neue Hotline kommuniziert, da die Zielgruppe eine unkomplizierte verbale Kontaktaufnahme bevorzugt.

5   Die Ergebnisse. Ein kapazitätensprengender Erfolg

Bereits sechs Monate nach dem Launch der „egal was kommt“-Kampagne Anfang 2008 hatten sich die Markenwerte innerhalb der relevanten Zielgruppen signifikant verbessert.

Abb. 9   Anzeigenmotiv Installateur mit Response

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Das Ziel für die Markenbekanntheit (gestützt und ungestützt) von 5 Prozent-punkten bei den Endverbrauchern und 20 Prozentpunkten bei den Landwirten wur-de übertroffen. Die spontane Markenbekanntheit konnte bei Endverbrauchern von 2 % auf 15 % und bei Landwirten von 0 % auf sogar 21 % gesteigert werden. Auch bei der gestützten Markenbekanntheit konnte sich SCHOTT Solar bei den relevan-ten Zielgruppen deutlich verbessern.

Darüber hinaus verzeichnete SCHOTT Solar bei der Erstpräferenz – gerade im Vergleich zu den identifizierten Wettbewerbern – einen deutlich höheren Zuwachs.

Insgesamt konnte SCHOTT Solar damit im Vergleich zu den definierten Wettbe-werbern stark aufholen bzw. bei den Zielgruppen sogar zur (spontan) bekanntesten Marke im Fotovoltaikbereich aufsteigen.

Ein Imagetracking, das sechs Monate nach Einführung der Kampagne durch-geführt wurde, hat die erfolgreiche Durchsetzung des definierten Markenkerns „dauerhaft“ und der Markenattribute „zuverlässig, erfahren, kundennah und zu-kunftsweisend“ aufgezeigt. Außerdem zeigen die Werte, dass es SCHOTT Solar durch den Markenlaunch gelungen ist, im Vergleich zum Wettbewerb eine differen-zierende Positionierung einzunehmen.

Abb. 10   Mailing Installateure

D. Varlam

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383

Abb. 11   Microsite mit Möglichkeit zur Onlineanmeldung

Abb. 12   Onlinebanner zur Partnerinitiative

Erlebnismarketing ganz menschlich

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Abb. 13   Spontane Marken-bekanntheit bei Endverbrau-chern und Landwirten

Spontane Markenbekanntheit - Endverbraucher

Spontane Markenbekanntheit - Landwirte

20%

15%

10%

5%

0%

20%

15%

10%

5%

0%

+13%

2% 15%

+6%

6% 12%

–5%

14% 9%

Quelle: SCHOTT Sollar Imagetracking tns Infratest

Quelle: SCHOTT Sollar Imagetracking tns Infratest

25%

+21%

0% 21% 10% 16%

+6%

+9%

5% 14%

20072008

20072008

Abb. 14   Gestützte Marken-bekanntheit bei Endverbrau-chern und Landwirten

60%

40%

20%

0%

60%

40%

20%

0%

+5%

38% 43% 56% 56% 43% 36%

–7%

+27%

23% 50%

+9%

35% 44%

+10%

30% 40%

Gestützte Markenbekanntheit - Endverbraucher

Gestützte Markenbekanntheit - Landwirte

Quelle: SCHOTT Solar Imagetracking tns Infratest

Quelle: SCHOTT Solar Imagetracking tns Infratest

20072008

20072008

D. Varlam

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385

SCHOTT Solar konnte damit die definierte Zielsetzung für den Markenlaunch umsetzen: Das Unternehmen hatte Ende 2009 einen global einheitlichen und diffe-renzierenden Markenauftritt sowie eine Kommunikationsidee, die auf den für die Zielgruppen relevanten Markenwerten aufbaute. Alle festgelegten Ziele konnten übertroffen werden.

Mit dem Launch der Kampagne zur „Leistungsstabilität“ rückten SCHOTT So-lar und die Installateure enger zusammen und generierten damit gemeinsam mehr Erfolg! So konnte SCHOTT Solar der Marktsituation 2009, die den deutschen Foto-voltaikherstellern wenig Anlass für Optimismus bot, trotzen. In Bezug auf die Kam-pagne übertrafen die Rückläufe zur „Partnerinitiative“ die Erwartungen bei weitem, weshalb die Maßnahmen für die B2B-Zielgruppe sogar vorzeitig abgebrochen wer-den mussten. Auch die Einführung der SCHOTT-Solar-Hotline erwies sich als ein deren Kapazitäten sprengender Erfolg.

Die Ergebnisse im Einzelnen:• Voller Briefkasten!Mit 779 Antworten von 5.000 angeschriebenen Installateuren betrug der Response auf das postalische Mailing 15,6 % und lag damit knapp 10 % über der für ein B2B-Mailing bereits sehr ambitionierten Zielvorgabe von 6 %. Die gewonnenen Adres-sen wurden dann in einem zweiten Durchlauf qualifiziert und dienen in Zukunft als Basis für ein langfristiges Partnerbindungsprogramm.

Abb. 15   SCHOTT Solar: erste Wahl bei Endverbrau-chern und Landwirten

Erlebnismarketing ganz menschlich

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• Volle Leitung!Die Hotline konnte erfolgreich etabliert werden. Innerhalb des ersten Monats nach Freischaltung der Nummer Anfang August erreichten pro Tag mehr als 110 Anrufe das SCHOTT-Solar-Callcenter. Dabei handelte es sich zum größten Teil (20 %) um Anfragen zur „Partnerinitiative“. Weitere 40 % drehten sich um Produkt- und Wer-bemittelanfragen.• Volle Website!Auch online konnte die Kampagne punkten. Obwohl die Banner für die „Partnerin-itiative“ bereits drei Wochen nach dem On-Air-Termin aufgrund der hohen Anzahl von postalischen Anfragen gestoppt werden mussten, konnten bis zum Ende der Kampagne über die Zielvorgabe hinaus qualifizierte Visits auf der Kampagnensite für die „Partnerinitiative“ verzeichnet werden.

Gleichzeitig trieb vor allem die Endverbraucherkampagne die Besuchszahlen für die Homepage www.schottsolar.com in die Höhe, hier konnte allein innerhalb der ersten Woche ein Zuwachs von 25 % und bis zum Ende der Kampagne sogar von 54 % verzeichnet werden.

Abb. 16   Positionierung des Markenimages über dem Niveau des Wettbewerbs

60%

40%

20%

0%

60%

40%

20%

0%

Markenimage - Hausbesitzer

Markenimage - Landwirte

SCHOTT Solar Solarworld BP Solar

SCHOTT Solar Solarworld BP Solar

Dauerhaft Zuverlässig Erfahren Innovativ Kundennah

Dauerhaft Zuverlässig Erfahren Innovativ Kundennah

+8%

+13%

+6%+1% +1%

+15% +15% +15%

+8%

+32%

D. Varlam

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• Leere Lager!Trotz harter Ausgangssituation gelang es SCHOTT Solar im Zeitraum von 2008 bis 2009, seine abgesetzte Menge um insgesamt 72 % zu steigern. Das Unternehmen konnte somit in einem verschärften Marktumfeld trotz massivem Preisdruck und Überkapazitäten seine Position als Premiumanbieter halten.

Zudem erreichte SCHOTT Solar gegenüber seinen Wettbewerbern bei Installa-teuren im Markenimage hohe Werte. Wegen der Funktion des Installateurs als Gate-keeper ein wichtiger Erfolg. Ein weiteres Indiz dafür, dass sich SCHOTT Solar auf dem Weg zu einer Lovemark befindet, ist die hohe Weiterempfehlungsbereitschaft bei Hausbesitzern von 12 % und bei Landwirten von 11 % (Marktdurchschnitt 4 bzw. 3,5 %).

Die kombinierte Push-Pull-Strategie hat sich mehr als ausgezahlt. Die Marke SCHOTT Solar konnte sich bei den Zielgruppen in relevanten Kategorien gut posi-tionieren. Bei der wichtigen Zielgruppe der Landwirte wurde im Zeitraum von 2007 bis 2010 eine signifikante Steigerung der Markenbekanntheit von 0 auf 36 % er-reicht. Diese konnte bei Hausbesitzern ebenfalls weiter ausgebaut und bei Installa-teuren auf hohem Niveau nochmals gesteigert werden.

Insgesamt wurde mit der „egal was kommt“-Kampagne eine relevante Positio-nierung erreicht, die mit der Kampagne zur „Leistungsstabilität“ den Installateur als Markenbotschafter gewonnen hat. Hierdurch wurde der Grundstein für eine nach-haltige Beziehung mit allen Zielgruppen geschaffen, auf die SCHOTT Solar in den kommenden Jahren aufbauen und zu einer erlebbaren Marke werden kann.

Abb. 17   Signifikante Imagevorteile bei Installateuren

Erlebnismarketing ganz menschlich

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389

Autorenverzeichnis

Dr.  Silke  Bartsch ist stellvertretende Institutsleiterin und Habilitandin am Institut für Marketing, Prof. Dr. Anton Meyer, an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

S. 53

Prof.  Dr.  Hans  H.  Bauer ist Inhaber des Lehrstuhls für ABWL und Marketing II an der Universität Mannheim sowie Direktor des Instituts für Marktorientierte Unternehmens-führung (IMU). Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des Kommunikations- und Markenmanage-ments, der Kaufentscheidungstheorie sowie im strategischen Marketing.

S. 3; 135; 251

Dr.  Nina  Blankenberg war wissenschaftliche Mitarbei-terin am Institut für Marketing, Prof. Dr. Anton Meyer, an der Ludwig-Maximilians-Universität München und ist heute geschäftsführende Gesellschafterin der ServiceLust GmbH, Düsseldorf.

S. 53

Bauer, H. H., Heinrich, D., Samak, M. (Hrsg.), Erlebniskommunikation, DOI 10.1007/978-3-642-21133-1, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012

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390

Autorenverzeichnis

Ina Elste ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Marketing und Han-del an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale). Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des Kundenbindungs- und Markenmanagements sowie der Kom-munikationspolitik im Einzelhandel.

S. 113

Steffen Dölling ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehr-stuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Marketing und Handel an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale). Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Be-reich des Kundenbindungsmanagements, des Web 2.0 sowie der segmentspezifischen Implikationen für die Generation 50+.

S. 113

Prof. Dr.  Manfred Bruhn ist Ordinarius für Betriebswirt-schaftslehre, insbesondere Marketing und Unternehmens-führung, an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel, Schweiz, und Honorarprofessor an der Technischen Universität München.

S. 31

Achim Botzenhardt ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik IV der Uni - versität Mannheim. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich der Community-Forschung und des Software-Produkt - ma nagements.

S. 135

Page 383: Erlebniskommunikation ||

391

Autorenverzeichnis

Dominika Gawlowski ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institute for Automotive Management, EBS Business School.

S. 13

Dr.  Sina Fichtel war wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Marketing, Prof. Dr. Anton Meyer, an der Ludwig-Maximilians-Universität München und ist heute Geschäfts - führerin der AVENA GmbH & Co. KG, Solingen.

S. 53

Prof. Dr.  Franz-Rudolf Esch ist Lehrstuhlinhaber für Mar-kenmanagement und Automotive Marketing und Academic Director des Automotive Institute for Management an der EBS Business School, Direktor des Instituts für Marken- und Kommunikationsforschung an der EBS Business School sowie Gründer und wissenschaftlicher Beirat von ESCH. The Brand Consultants, Saarlouis.

S. 13; 297

Prof. Dr.  Margit Enke ist Professorin und Inhaberin des Lehrstuhls für Marketing und Internationalen Handel an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg.

S. 97

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392

Autorenverzeichnis

Daniel Heinrich ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für ABWL und Marketing II an der Universität Mannheim. Seine Forschungsschwerpunkte sind Konsumentenverhalten, empirische Marktforschung sowie strategisches Marken- und Kommunikationsmanagement.

S. 3; 135; 251

Dr.  Stefan Hampel ist wissenschaftlicher Assistent am Lehr-stuhl für Direct Marketing an der Universität Bayreuth. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Werbewirkung, des Online Marketing und speziell im E-Mail-Marketing.

S. 251

Prof. Dr.  Andrea Gröppel-Klein ist Inhaberin des Lehr-stuhls für ABWL, insbesondere Marketing an der Universität des Saarlandes sowie Direktorin des Instituts für Konsum- und Verhaltensforschung.

S. 185

Prof. Dr. Heribert Gierl ist Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing an der Universität Augsburg.

S. 171

Page 385: Erlebniskommunikation ||

393Autorenverzeichnis

Thomas Hofmann ist Geschäftsführer bei der vivesco Apotheken-Partner GmbH, Frankfurt am Main. Er ist seit Februar 2009 für den nationalen Ausbau der Marke vivesco verantwortlich.

S. 361

Dr.  Nadine Hennigs ist Habilitandin und Akademische Rätin am Institut für Marketing und Management der Leibniz Universität Hannover. Im Rahmen ihrer Tätigkeit betreut sie neben Lehre und Forschung diverse Competence Center zur Förderung der Entwicklung und Umsetzung moderner Managementkonzepte, u. a. im Bereich des Luxusgüter-marketing.

S. 237

Wolfgang Kampbartold ist Leiter Internationale Mar-keting Kommunikation & Sponsoring bei der Deutschen Telekom AG. Er verantwortet europaweit die erfolgreiche und konsistente Umsetzung der Marken Telekom und T-Mobile in Kommunikation und Sponsoring.

S. 349

Prof. Dr. Frank Huber ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing I an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Direktor des Center of Market-Oriented Product and Production Manage-ment (CMPP) an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seine Forschungsschwerpunkte sind Konsumentenverhalten, Marktforschung, Produkt- und Markenmanagement sowie Innovationsnetzwerke und Innovationsmanagement.

S. 151

Page 386: Erlebniskommunikation ||

394

Autorenverzeichnis

Dr.  Theo Lieven ist Habilitand an der Forschungsstelle für Customer Insight (FCI) an der Universität St. Gallen.

S. 73

Dr.  Alexander Leischnig ist wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Marketing und Internationalen Handel von Frau Prof. Dr. Margit Enke an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg.

S. 97

Dr.  Franziska Küster ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Marketing-Department der Freien Universität Berlin. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich Marktforschung und Marketingkommunikation, wobei sie sich speziell mit der kurz- und langfristigen Wirkung von Glaubwürdigkeit beschäftigt.

S. 275

Dr.  Jörg Königstorfer ist wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für ABWL, insbesondere Marketing an der Uni-versität des Saarlandes sowie Mitarbeiter des Instituts für Konsum- und Verhaltensforschung.

S. 185

Page 387: Erlebniskommunikation ||

395Autorenverzeichnis

Dr.  Frederik Meyer ist wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Marketing I an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Seine Forschungsschwerpunkte sind Konsumentenverhalten sowie Marken- und Produktmanagement.

S. 151

Prof. Dr. Anton Meyer ist Ordinarius für Betriebswirt-schaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Vorstand des Instituts für Marketing. Er setzt sich seit 25 Jahren in zahlreichen wissenschaftlichen und praxisorientierten Veröffentlichungen, Projekten und Vorträ-gen mit Fragen der Kundenorientierung, der marktorientierten Unternehmensführung, des Dienstleistungsmarketing und der Markenführung auseinander.

S. 53; 207

Dr.  Isabel Martin promovierte zum Thema Kundenbindung im beratungsintensiven Einzelhandel bei Prof. Dr. Hans H. Bauer an der Universität Mannheim und ist heute Referentin für Kundenbeziehungsmanagement bei der Hornbach Bau-markt AG.

S. 317

Martina Littich ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Marktorientierte Unternehmensführung an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

S. 223

Page 388: Erlebniskommunikation ||

396 Autorenverzeichnis

Prof. Dr.  Dirk Möhlenbruch ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Marketing und Handel an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle (Saale). Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des strate-gischen Handelsmarketing und der Sortimentssteuerung, im Relationship Marketing sowie in der Kommunikationspolitik.

S. 113

Niels Neudecker ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Automotive Institute for Management (AIM), EBS Business School.

S. 297

Dr. Ursula Raffelt ist ehemalige wissenschaftliche Mitar-beiterin und Doktorandin am Institut für Marketing, Lehrstuhl Prof. Dr. Anton Meyer an der Ludwig-Maximilans-Universität in München. Die Schwerpunkte ihrer Forschungs- und Lehr - tätigkeiten liegen im Brand Management sowie in der Ent-wicklung innovativer Methoden der Markenforschung.

S. 207

Vanessa Rühl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Marken- und Kommunikationsforschung, EBS Business School.

S. 13

Page 389: Erlebniskommunikation ||

397Autorenverzeichnis

Michael Samak ist Regional CEO von Saatchi & Saatchi Deutschland und der Schweiz und verantwortlich für die Stand-orte Frankfurt, Düsseldorf, Berlin, Genf und Zürich. Er ist Mit-glied des Operation Boards von Saatchi & Saatchi EMEA.

S. 3

Daniela B. Schäfer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Lehrstuhl für Marketing und Unternehmens-führung an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel, Schweiz.

S. 31

Wolfgang Schlutter ist seit 2007 Management Supervisor bei Saatchi & Saatchi in Frankfurt und verantwortlich für die Beratung der Kunden vivesco, Novartis sowie Sara Lee.

S. 361

André Schmidt ist General Manager Marketing bei der Toyota Deutschland GmbH.

S. 333

Page 390: Erlebniskommunikation ||

398 Autorenverzeichnis

Marko Schwertfeger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Marketing und Internationalen Handel von Frau Prof. Dr. Margit Enke an der Technischen Universität Berg-akademie Freiberg.

S. 97

Karin Stiegelmayr ist Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing an der Universität Augsburg.

S. 171

Prof. Dr. Torsten Tomczak ist Ordinarius für Betriebs-wirtschaftslehre und Marketing an der Universität St. Gallen (HSG) sowie Direktor der Forschungsstelle für Customer Insight (FCI) an der Universität St. Gallen.

S. 73

Dr. Dorothea Varlam ist Head of Global Marketing SCHOTT Solar und verantwortlich, das Unternehmen SCHOTT Solar im wachsenden und stark umkämpften Solar-markt als zukunftsweisende Marke auf internationaler Ebene zu etablieren.

S. 371

Page 391: Erlebniskommunikation ||

399Autorenverzeichnis

Andrea Weihrauch ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Mar-keting I an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Konsumentenverhalten sowie interkulturelle Vergleiche in der Marketingforschung.

S. 151

Prof. Dr.  Klaus-Peter Wiedmann ist ordentlicher Professor für Marketing und Management sowie Direktor des Instituts für Marketing und Management an der Leibniz Universität Hannover. Neben der universitären Tätigkeit liegt eine lang-jährige Erfahrung in den Bereichen Unternehmensberatung, Top-Management-Coaching sowie im Management von Ver-bänden und Public Private Partnerships vor.

S. 237

Lorenz Zimmermann ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Marktorientierte Unternehmensführung an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

S. 223