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Ergebnisse aus zehn Jahren OzonErgebnisse aus zehn Jahren Ozon05. DLR Nachr.96-SCHUMANN 24.02.2000 8:59 Uhr Seite 1

Nach zehn Jahren Ozonforschung ist die Abnahme derOzonschicht in der Stratosphäre nicht nur über derAntarktis (Ozonloch), sondern auch über der Arktis und

Europa ein Faktum, das man heute weitgehend, wenn auchimmer noch nicht vollständig versteht und dessen weitere Ent-wicklung man mit Modellen berechnen kann. Der Stand desWissens wurde in einem umfassenden Bericht „ScientificAssessment of Ozone Depletion: 1998“ unter Federführungder World Meteorological Organisation zusammengestellt.National gibt es eine Dokumentation „10 Jahre DeutscheOzonforschung 1989 bis 1999“. Wissenschaftler des DLR

Von Martin Dameris und Ulrich Schumann

haben zu den Erkenntnissen mit zahlreichen Publikationenwesentlich beigetragen. Einige der Projekte und Ergebnissewerden hier vorgestellt. Mit dem für 2001 geplanten Startdes Umweltsatelliten ENVISAT der ESA erhält das Themaneue Aktualität.

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n Ozonforschung im DLRn Ozonforschung im DLR05. DLR Nachr.96-SCHUMANN 24.02.2000 9:01 Uhr Seite 2

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Im Jahr 1985 hat die Entdeckung des sogenannten Ozonlochs, einer Region über

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der Antarktis mit einer stark verdünntenOzonschicht in der Stratosphäre, weltweitfür größtes Aufsehen gesorgt. Erstmaliggab es messbare Hinweise darauf, dassFluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) ausKühlschränken und Spraydosen die Ozon-schicht, die das Leben auf der Erde vorder ultravioletten Strahlung der Sonneschützt, zerstören. Zwar hatten bereitsAnfang der 70er Jahre M. Molina und

zu Chlornitrat (ClONO2) bindet. Gleichzei-tig fanden amerikanische Kollegen, dassSalzsäuregas (HCl) zusammen mit Chlor-nitrat auf Eis zu Chlorgas und Salpeter-säure zerlegt werden und dass Chlorgasdann sehr schnell Ozon abbauen kann. Inarchivierten Satellitendaten fand man dasOzonloch bereits seit Beginn der 80erJahre. Von Jahr zu Jahr wurde es größerund überstieg bald eine Fläche größer als

F. Rowland (gemeinsam mit P. Crutzen,Nobelpreisträger für Chemie 1995) postuliert, dass FCKW in die Stratosphäreaufsteigen, dort durch die kurzwelligeSonnenstrahlung in hochreaktive Halo-genverbindungen zerlegt werden undOzon abbauen können. Nach Modell-rechnungen sollte dieser Effekt die Ozon-schicht aber vorwiegend in der mittlerenund oberen Stratosphäre, also oberhalbvon etwa 30 Kilometer Höhe, um einigeProzent vermindern. Ozonsonden an Bal-lonen maßen aber über der Antarktis imdortigen Frühjahr (September bis Novem-ber) in Höhen von 14 bis 20 Kilometer einen fast vollständigen Ozonabbau. Einemögliche chemische Erklärung gaben P. Crutzen und F. Arnold im Jahre 1986,die zeigte, dass Salpetersäure (HNO3) ausder Gasphase bei den niedrigen Tempera-turen in der unteren polaren Stratosphärezu festen Teilchen kondensieren kann,wodurch die Konzentration an Stickoxi-

Abb. vorherige Doppelseite: Das DLR-For-schungsflugzeug Falcon während einerMesskampagne in der Arktis.Abb. 1: Polare stratosphärische Wolken(PSCs) von Typ PSC II (Wassereis, Perlmutter-wolken) über Kiruna, Schweden im Januar1997. Foto: Anne Rèchou, IRF Kiruna.

den (NOx) in der Atmosphäre abnimmt,die sonst einen Teil der Chloroxide (ClOx)

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ganz Europa. Es handelte sich also nichtum einen zufälligen dynamischen Pro-zess. Die NASA schickte 1987 ein Höhen-forschungsflugzeug in den antarktischenPolarwirbel. Mit neuen Instrumenten fandman im kalten Polarwirbel tatsächlich ak-tive Chlorverbindungen in hoher Konzen-tration, was den Befund des chemischenOzonabbaus in der Antarktis erhärtete.

Fragen

Diese neuen, aufregenden Erkenntnissebeschleunigten die politische Willensbil-dung und führten zur weltweiten Reduk-tion der FCKW-Produktion, was zunächstnoch recht vorsichtig im Montrealer Pro-tokoll von 1987 vereinbart wurde. Maß-geblich trieb eine Enquetekommissiondes Deutschen Bundestags die Diskussionvoran. Eine umfassende Bestandsaufnah-me des Wissens zeigte, dass noch vieleFragen offen waren: Musste man mit

einem Ozonabbau auch in der Arktis undin Europa rechnen? Konnten die Vorgän-ge in den Polregionen sich auf die Ozon-schicht über den stark besiedelten Regio-nen in mittleren Breiten der Nordhemi-sphäre auswirken? Könnte ein zukünfti-ger Vulkanausbruch in der stark mit Halo-genverbindungen belasteten Stratosphärezu einer plötzlichen katastrophalen Ozon-

abnahme führen? War etwa der Luftver-kehr mit verantwortlich für den Ozonab-bau? Waren die verabredeten FCKW-Re-duktionen ausreichend, um einen weite-ren Anstieg der Halogenkonzentrationenin der Stratosphäre und einen Abbau derOzonschicht in den nächsten Jahrzehntenzu verhindern? Wie lange würde es dau-ern, bis die Ozonschicht wieder zumStand der 70er Jahre zurückkehrte? Diese Fragen führten 1989 zur Einrichtung desOzonforschungsprogramms (OFP) desBundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

Übersicht

Bereits vor Beginn des eigentlichen OFP,im Januar 1989, flogen Wissenschaftlerdes Instituts für Physik der Atmosphäremit einem Flugzeug vom Typ DO-228 desDLR mit einem in den Jahren zuvor fürandere Aufgaben entwickelten Rück-streu-Lidar nach Norwegen, um dortnach polaren stratosphärischen Wolken(polar stratospheric clouds, PSCs) Aus-schau zu halten, die im Verdacht stan-den, Chlorverbindungen zu aktivieren.Diese Wolken sieht man zuweilen mitbloßem Auge. Mit dem Lidar gelang es,ihre Höhe und Breite zu vermessen. Dieseerste Sondierung der Vertikalstruktur vonPSCs über Skandinavien löste eine Serieumfangreicher Forschungsprojekte aus,die wesentlich dazu beitrugen, die Bil-dung von PSCs an Gebirgen und ihrenBeitrag zum Ozonabbau zu verstehen. Inzwischen kann man mit dem Flugzeug-Lidar nicht nur Aerosole, sondern auchOzon und Wasserdampf messen.

Im folgenden Jahrzehnt wurden im OFPvom BMBF 129 Projekte mit einem Finanz-volumen von 92,4 Millionen DM geför-dert. Das Institut für Physik der Atmo-sphäre mit der Lidargruppe, das Institutfür Optoelektronik, das Deutsche Fern-erkundungsdatenzentrum (DFD) und derFlugbetrieb des DLR haben zu diesemForschungsprogramm maßgeblich beige-tragen. Wissenschaftler der genanntenInstitute des DLR haben als Koordinato-ren das OFP mit gesteuert, hierfür neue

Instrumente zur Messung der Spurengaseund Partikel vor Ort (in situ) oder mit Fern-erkundung entwickelt, im Labor die fürdie Fernerkundung wichtigen Eigenschaf-ten von Chlorverbindungen gemessen,Messkampagnen mit Forschungsflugzeu-gen, insbesondere der TRANSALL derBundeswehr und der Falcon des DLRdurchgeführt, Fernmessungen von Ozonmit dem GOME-Sensor auf dem euro-
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päischen Satellit ERS-2 zur Modellvalidie-rung genutzt, Satellitendaten mit Mes-sungen vom Flugzeug aus validiert undganz wesentlich die Modellierung unddas Verständnis der dynamischen undchemischen Prozesse vorangebracht. Fürdie globale Klima-Chemie-Modellierungwurde 1991 eigens eine neue Arbeits-gruppe aufgebaut. Eine kleine Auswahlder in jüngster Zeit erzielten Ergebnissewird hier vorgestellt und diskutiert.

Bildung polarer stratosphärischerWolken

Man unterscheidet zumindest zwei Klassen von PSCs: PSC-Typ I besteht ausSalpetersäure-Wasser-Eispartikeln (NitricAcid Trihydrate: NAT; Typ Ia) oder ausflüssigen Tröpfchen von HNO3, H2O undH2SO4 (Typ Ib). PSC-Typ II besteht aus Par-tikeln aus reinem Wassereis. Wasser ge-friert in der Stratosphäre in etwa 23 Kilo-meter Höhe bei den dort typischen Was-serdampfkonzentrationen bei ca. minus88 Grad Celsius. Derart niedrige Tempe-raturen treten in der Arktis im Vergleichzur Antarktis selten auf, da der polareWirbel im Norden durch planetare Wellenin der Atmosphäre häufiger gestört wirdund sich daher die Luft dort nicht so weitabkühlen kann wie im Süden. Wiederholtwurden PSCs beobachtet, ohne dass diesdurch die großräumige Temperaturvertei-lung in der Atmosphäre erklärbar wäre.Messungen und Modellrechnungen desDLR haben gezeigt, dass sich die PSCs insolchen Fällen in Wellen in der Strato-sphäre bilden, die bei der Überströmungvon Gebirgen auftreten.

Beispielsweise wurden PSCs vom Typ IIam 9. Januar 1997 beobachtet, obwohles nach Berechnungen globaler Modellehierfür zu warm war. Ein Polartief überdem Nordkap führte zu einer starkenLuftströmung über das nordskandinavi-sche Bergmassiv und damit zur Anregungvon Gebirgswellen. Der Wind war schonin Bodennähe sehr stark und änderte sei-ne Richtung wenig mit der Höhe. Daherverursachte die Überströmung auf- und

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abschwingende Wellen in der Atmosphä-re, die sich als Gebirgswellen bis in dieStratosphäre ausbreiteten. Dort wo dieLuftmasse angehoben wurde, kühlte siesich adiabatisch ab und führte über demGebirge und in dessen Lee zu starken lokalen Abkühlungen. Ein solcher meso-skaliger Prozess kühlte am 9. Januar1997 eine Höhenschicht von 23 bis etwa27 Kilometer unter den Frostpunkt ab

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Abb. 2: (a) Horizontalschnitt der Temperaturverteilung in Kelvin (dünne Linien und Farbschattie-rung) und horizontale Windvektoren (lange bzw. kurze Fahnen: zehn bzw. fünf ms-1) in etwa 25Kilometer Höhe. Ergebnisse von Modellrechnungen mit zwölf Kilometer horizontaler Maschen-weite. (b) Ausschnitt aus (a) mit vier Kilometer horizontaler Auflösung. Die grüne Linie zeigt dieOst-West-Flugroute der Falcon am 9.1.1997.

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Abb. 3: Lidarmessungen am 9. Januar1997 entlang der in Abb. 2b gezeigtenFlugroute um 16:15 Uhr (a-c) und um19:00 Uhr (d). (a) Rückstreuverhältnis bei532 nm, (b) Farbverhältnis, (c) Aerosol-depolarisation bei 532 nm und (d) Rückstreu-verhältnis 2:45 Stunden später. Die Zeitachsebezieht sich auf Luftpakete, die sich mit etwa150 km/h durch die Wolke bewegen. DieTemperaturlinien (a) stammen aus Vertikal-schnitten der Modellrechnung mit vier Kilo-meter horizontaler Auflösung. Die weißenLinien markieren die Bahn von Luftpaketen.

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und ermöglichte sodie Bildung vonEispartikeln, diedann mit dem Lidaran Bord der Falconüber dem skandina-vischen Bergrückenbeobachtet wurden.

Während die groß-räumig entstehen-den NAT-Partikel Tage brauchen, umsich zu bilden, kön-nen Partikel ausWassereis bereits innerhalb von Minu-ten entstehen. Da-her spielen meso-skalige Prozesse fürdie Bildung vonPSCs auf der Nord-hemisphäre eineentscheidende Rol-le. Die an Gebirgeninduzierten PSCstragen entscheidendbei zur Aktivierungvon Chlorverbin-dungen. Ihr Effektwird von den globa-len Modellen mitgroben Maschennicht erfaßt, unddaher unterschätzendiese die Ozonzer-störungsraten. DieGebirgs-PSCs sindzum Teil dafür ver-antwortlich, dassauch in der wärme-ren arktischen Stra-tosphäre wie in der

Antarktis Chlor aktiviert und Ozon che-misch abgebaut wird.

Aufnahme von Salpetersäure durchEispartikel?

In mittleren und hohen Breiten der Nord-hemisphäre werden die höchsten relati-ven Ozonverluste von bis zu acht Prozentpro Dekade in der untersten Stratosphäre

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in Höhen zwischen zehn und 15 Kilome-ter beobachtet. Bisher ist dieser Befundnicht ausreichend verstanden. Eine mög-liche Ursache sind heterogene chemischeProzesse an Eispartikeln in den Zirruswol-ken, die häufig in der Tropopausenregionauftreten. Eispartikel in solchen Wolkenkönnen Salpetersäure (HNO3) aufnehmenund sehr reaktive Verbindungen freiset-

zen, die Ozon abbauen. Dass HNO3sich sehr rasch auf der Oberfläche reinerEispartikel niederschlägt und dass dies beiTemperaturen geschieht, bei denen sichnoch keine neuen Salpetersäurepartikelaus der Gasphase bilden, hat man im Labor gefunden. Daher kann das HNO3schon bei relativ hohen Temperaturen ausder Gasphase in die Partikelphase über-gehen. Wenn die Eispartikel groß genugsind, um eine wesentliche Fallgeschwin-digkeit anzunehmen, können sie das auf-genommene HNO3 sedimentieren. Offenwar, ob Zirruswolken tatsächlich in derunteren Stratosphäre auftreten und obsich die aus Labormessungen abgeleite-ten Hypothesen in der Atmosphäre durchMessungen bestätigen lassen.

Zum Verständnis der Rolle der Aerosole inder Polarregion haben daher DLR-Wissen-schaftler mit Partnern aus dem OFP dasPolare Stratosphärische Aerosolexperi-ment (POLSTAR) konzipiert. Dabei kamerstmalig eine Reihe neuer Messsystemezum Einsatz, deren Entwicklung vomBMBF gefördert wurde. Im DLR wurdenneue, sehr empfindliche Instrumente zurMessung der Konzentration von Stick-stoffmonoxid (NO), der Konzentration derSumme aller reaktiven Stickstoffverbin-dungen (NOy) und der von Ozon (O3) fürSondierungen in der unteren Stratosphä-re und oberen Troposphäre entwickeltund ein neuartiges Streulichtlaserspektro-meter (MASP) aufgebaut. Die Instrumen-te kamen erfolgreich auf Ballonen oderForschungsflugzeugen, insbesondere derFalcon des DLR, zum Einsatz. Die neuenInstrumente wurden benutzt, um dieAufnahme von NOy durch Eispartikel zubestimmen.

Im Januar und Februar 1997 und 1998kam die Falcon für das Projekt POLSTARin Kiruna in Nordschweden mit insgesamt14 Messflügen zum Einsatz. Da die Falconnur einen Teil der Instrumente aufneh-men kann, hat man sie auf zwei Flugzeu-gen verteilt, die nebeneinander fliegen.Mit zwei Einlässen am Rumpf der Falcon,einer nach vorne und einer nach hintengerichtet, wurde Außenluft mit und ohneEispartikeln mit Durchmessern größer als

einem Meter aufgenommen und der NOy-Gehalt in der Probenluft nach Verdam-pfung der Eispartikel gemessen. Damitkonnte neben dem NOy-Gehalt in derGasphase auch der an Eispartikeln ge-bundene NOy-Anteil bestimmt werden.Gleichzeitig wurde auf der Falcon Ozongemessen, und Kollegen aus Mainzmaßen die Konzentration von Lachgas
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(N2O). Anhand der Konzentration dieserlangsam reagierenden Gase kann mandie Herkunft der Luft zurückverfolgenund zwischen stratosphärischen und tro-posphärischen Luftmassen unterscheiden.

Bei den Messungen in Kaltgebieten imBereich der Tropopause über Skandinavi-en wurden tatsächlich Zirruswolken auchin der unteren Stratosphäre gefunden.Die Messungen ergaben aber entgegenden Erwartungen relativ hohe NOy-Wertein der Gasphase und sehr niedrige Wertein den Eispartikeln. Die relativ großen ab-soluten NOy-Konzentrationen in der Gas-phase konnten nicht durch Eintrag vonNOy aus größeren Höhen durch sedimen-tierende Eispartikel verursacht sein. Da-gegen sprachen die relativ kleinen Werteder Konzentrations-Verhältnisse von NOyzu O3 und von NOy zu N2O. Offenbar waren im frühen Winter 1996/1997 dieBedingungen für die Bildung von polarenStratosphärenwolken noch nicht gege-ben. Die relativ großen absoluten NOy-Konzentrationen in der Gasphase in derTropopausenregion waren daher wahr-scheinlich auf Flugzeugemissionen zurück-zuführen (was den Ozonabau durch Ha-logene mindert). Im Winter 1997/1998wurden außergewöhnlich niedrige NOy/O3- und NOy/N2O-Verhältnisse gemessen.Sie deuten auf einen Transport von sub-tropischen Luftmassen in die polare unte-re Stratosphäre hin. Die unerwartet nied-rige NOy-Konzentration auf den Eisparti-keln kann daran liegen, dass sich die Eis-wolken in einer Luft mit geringer HNO3-Konzentration bildeten oder dass dieHNO3-Aufnahme durch einen Überzugder Eispartikel mit einer ternären H2O/HNO3/H2SO4-Lösung vermindert wurdeoder dass die Eisoberfläche infolge einerVerschmutzung durch andere adsorbierteSpurengasmoleküle nur wenig HNO3 auf-nehmen konnte. Es sind also noch längstnicht alle Fragen beantwortbar. WeitereMessungen sind notwendig und geplant.

Verbesserungen der Fernerkundung

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Die bei POLSTAR mit der Falcon gemesse-nen Konzentrationen von NO2, O3 undNOy wurden auch benutzt, um die Fern-erkundungs-Daten des ILAS-Instrumentsan Bord des Satelliten ADEOS zu validie-ren. ILAS misst das Emissionsspektrumder Atmosphäre im Infraroten. Aus denSpektren lassen sich Konzentrationsprofi-le für NO2, O3 und HNO3 ableiten. Der

Höhe bzw. potenziellen Temperatur entlang

gesamte reaktive Stickstoff (NOy) bestehtin der untersten Stratosphäre zu etwa 90Prozent aus HNO3. Daher kann man dieNOy-Messungen aus POLSTAR mit denHNO3-Werten von ILAS vergleichen. Eszeigte sich, dass ILAS die HNO3-Werte im Vergleich zu den NOy-Werten vonPOLSTAR um ca. 30 Prozent überschätzt.Die Ozonwerte stimmten dagegen inner-halb von ca. zehn Prozent und damit imRahmen der erwarteten Messfehler derInstrumente überein. Für NO2 liegen dieILAS-Werte in zwölf Kilometer Höhe je-doch um einen Faktor 50 höher als diePOLSTAR-Messungen. Genaue Fernmes-sung von NO2 in diesem Höhenbereichsind offenbar sehr schwierig.

Zur Verbesserung der Fernerkundungbenötigt man genaue Daten über diespektroskopischen Eigenschaften der zumessenden Spurengase. Im Rahmen des

OFP erweiterte das DLR die spektroskopi-sche Datenbasis von Chlornitrat (ClO-NO2), Chlorperoxid (ClOOCl), Ozon (O3)und Distickstoffpentoxid (N2O5). Die Da-ten werden insbesondere für die Auswer-tung der Messungen mit dem MIPAS-Instrument (Michelson Interferometer forPassive Atmospheric Sounding) vom Boden, Ballon, Flugzeug oder vom zu-

künftigen ENVISAT-Satellit aus benö-tigt. ObwohlClOOCl beim pola-ren Ozonabbau eine bedeutendeRolle spielt, existie-ren bislang keineatmosphärischenMessungen. Daherwaren bisher nichteinmal Machbar-keitsstudien zurFernerkundung dieses wichtigenSpurengases mög-lich. Im Institut fürOptoelektronikwurde die spektro-skopische Datenba-sis mit Messungenim Labor entschei-dend verbessert.Für O3 wurde dieDatenbasis allerFundamentalban-den im mittleren Infrarot vollständigüberarbeitet. Diesdient nicht nur derFernerkundung von

O3 selbst, sondern auch anderer Spuren-gase, da O3 aufgrund seiner großen An-zahl von Infrarotsignaturen andere Spu-rengase überlagert.

Veränderungen der Ozonschichtheute und in Zukunft

Die gemessenen Ozon- und Aerosolkon-zentrationen werden zumeist durch diesehr komplexen Bewegungsvorgänge inder Atmosphäre bestimmt. Zum Beispielwird die Ozonverteilung stark durch bre-chende planetare Wellen am Rand desPolarwirbels in der arktischen Winter-Stratosphäre beeinflusst. Die chemischenVeränderungen lassen sich hiervon nur

Abb. 4: Oben: Ozonmischungsverhältnis alsFunktion der geographischen Breite und der

der Flugstrecke eines Lidar-Messfluges am 11.Januar 1995. Ebenfalls eingetragen sind Linienkonstanter Wirbelstärke (ECMWF-PV). Unten:Die für den 11. Januar 1995 berechnete Wir-belstärken-Verteilung auf der 400 Kelvin Isen-tropen. Die Flugroute der Falcon ist weiß mar-kiert. Das Flugzeug hat den Rand des arkti-schen Wirbels etwa bei 67°N erreicht.

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mit Hilfe von Modellanalysen trennen.Die Transportprozesse in der Stratosphärewerden u.a. mit Modellen untersucht, diedie großräumige Bewegung der Luftmas-sen rein dynamisch (ohne Chemie) mithoher räumlicher und zeitlicher Auflö-sung berechnen. Dabei verfolgt man imModell numerisch das Feld einer Luft-eigenschaft, die sich bei rein dynami-schen Prozessen nicht ändert. Ein prak-tisch sehr wichtiges Beispiel ist hierfür dieWirbelstärke (potential vorticity, PV) derAtmosphäre auf Flächen konstanter En-tropie. Durch den Vergleich von Vertikal-schnitten des Ozonmischungsverhältnis-ses entlang eines Messfluges mit Linien

Abb. 5: Zonal gemittelte gesamte Ozon-schichtdicke (in Dobson Einheiten) für denZeitraum 1. Juli 1996 bis 31. März 1999.Die Messungen des Global Ozone Monito-ring Experiments (GOME) vom SatellitenERS-2 der ESA werden zum Vergleich mitModellergebnissen herangezogen. (Daten-bereitstellung durch das DLR-DFD.)

konstanter PV aus den Daten des Euro-pean Center for Medium Range WeatherForcasts (ECMWF) auf isentropen Flächenkann gezeigt werden, dass die in denOzondaten beobachteten Strukturendurch langgezogene PV-Filamente verur-sacht sind, die vom Rand des durch hohePV (PVU = Potenial Vorticity Units) ge-kennzeichneten Polarwirbels abgeschältwerden. Das heißt, ein Großteil derOzonvariabilität ist auf rein dynamischeProzesse zurückzuführen. Dennoch gibtes auch langfristige Ozontrends.

Eine Vorhersage der zukünftigen Ozon-entwicklung ist nur mit Modellen mög-lich. Am DLR wurde daher gemeinsammit den Max-Planck-Instituten für Me-teorologie und für Chemie das globale,

gekoppelte Klima-Chemie-ModellECHAM/CHEM entwickelt. Anhand vonRechnungen für die Jahre 1980 und1990 konnte gezeigt werden, dass dasModell den gegenwärtigen Zustand derErdatmosphäre sowie die Veränderungenwährend der letzten Jahre gut wieder-gibt. Die Modellergebnisse stimmen rechtgut mit Satellitenbeobachtungen überein.Das Modell ermöglicht erstmalig eine

Abschätzung der zukünftigen Entwick-lung der chemischen Zusammensetzungder Atmosphäre sowie des Klimas. Fürdie Zukunft wird für die Rechnungen inrealistischer Weise angenommen, dassdie Konzentration an Chlorkomponentenin der Stratosphäre von 1990 bis 2015gemäß dem Kopenhagener Protokoll umetwa 10 Prozent abnimmt. Gleichzeitigunterstellt das Modell eine Zunahme anTreibhausgasen (Szenario „business asusual“). Trotz abnehmenden Chlorgehaltsfindet das Modell bis zum Jahr 2015 nurgeringe Änderungen der Ozonschicht. Inden Tropen und in mittleren Breiten derSüdhemisphäre sind die Änderungen ge-nerell klein. In der Südpolarregion nimmtdie Ozonschicht sogar noch weiter ab,vor allem in den Monaten September bisNovember. In der Nordhemisphäre er-rechnet das Modell hingegen eine gerin-ge Zunahme der Ozonschicht. Die maxi-male Zunahme findet man in den polarenund mittleren Breiten im Winter undFrühling. Die nur sehr geringe Ozonerho-lung ist eine Folge der erwarteten Zunah-me der Treibhausgase von 1990 bis 2015.Diese lassen die Stratosphäre global in allen Jahreszeiten um ein bis zwei GradCelsius kälter werden. Aufgrund der ge-ringeren Temperaturen bilden sich mehrPSCs und folglich wird Chlor stärker akti-viert, trotz des deutlich reduzierten Ge-samtchlorgehalts. Es ist daher mit einerVerstärkung des Ozonlochs in der Antark-tis in den nächsten Jahren zu rechnen. Inder Nordhemisphäre ist die Bewertungder Modellergebnisse wegen der hohendynamischen Variabilität schwieriger. Ob-wohl sich im Modell die Ozonkonzentra-tion in der mittleren Stratosphäre kaumändert, wird insgesamt mit einer leichtemZunahme der Ozonschicht gerechnet.Diese Zunahme ist im wesentlichen eineFolge der im Szenario 2015 gegenüber1990 erhöhten Stickoxid-Emissionen amErdboden, z.B. durch Verkehr.

Antworten und Ausblick

Diese und andere Ergebnisse des DLRund des gesamten OFP erlauben es heu-te, einige der anfangs gestellten Fragensehr klar zu beantworten. Nicht nur inder Antarktis, auch in der Arktis und überEuropa hat sich inzwischen ein messbarerOzonverlust eingestellt. Besonders starkist der Ozoneinbruch in Wintern mit kal-

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der Stratosphäre und die Erforschung derZusammenhänge zwischen Luftchemie,

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ter Stratosphäre. Starke Vulkaneruptio-nen können die Aerosolkonzentration inder Stratosphäre über Jahre vervielfachenund zeitweilig den Ozonabbau deutlichverstärken. Dies wurde in den Jahrennach Ausbruch des Pinatubo 1991 auchtatsächlich beobachtet. Der heutige Unterschall-Luftverkehr und die wenigenvorhandenen Überschallflugzeuge sindnicht erkennbar am gemessenen Ozon-abbau beteiligt. Aufgrund der verminder-

Abb. 6: Prozentuale Änderung der Ozon-schichtdicke im Zeitraum zwischen 1990und 2015 nach einer Modellrechnung mit

Aerosolen, Zirren und Klima. dem gekoppelten Klima-Chemie-ModellECHAM/CHEM. Grüne Farbtöne stehendabei für eine weitere Ausdünnung derOzonschicht, gelb und rot zeigen eine„Erholung“ der Ozonschicht an. Die Pro-gnose zeigt, dass auf der Nordhalbkugel(obere Bildhälfte) eine Verbesserung, überder Antarktis jedoch eine weitere Ver-schlechterung der Situation erwartet wird.

ten FCKW-Emissionen nimmt der Chlor-gehalt der Atmosphäre derzeit nichtmehr signifikant zu. Es wird allerdingsJahrzehnte dauern, bis die Chlorkonzen-tration wieder auf den Stand der 70erJahre zurückgekehrt ist. Die Entwicklungder Ozonschicht in den nächsten Jahr-zehnten ist noch immer ungewiss. Imgünstigsten Fall wird sich die Ozonschichtin einigen Jahrzehnten wieder erholen. Imungünstigen Fall führen die Zunahmenvon Kohlendioxid und anderen Treibhaus-gasen aber zu einer weiteren Abkühlungder Stratosphäre, dadurch zu mehr Eis-wolken, zu mehr Chloraktivierung unddaher stärkerem Ozonabbau. Dies zeigt,wie wichtig die weitere Erforschung der

Prozesse, die Überwachung der Atmo-sphäre und die Weiterentwicklung derModelle für Klima und Chemie der At-mosphäre sind.

Derzeit laufen neue Forschungsprogram-me zum globalen Wandel im fünftenRahmenprogramm der Europäischen Union an. Anfang 2000 wird von Kirunaaus versucht, die Lidar-Messungen des

DLR mit Messungen der NASA zur Chlor-aktivierung an PSCs zu verbinden. Für2001 bereitet die ESA den Start des europäischen Umweltsatelliten ENVISATvor. Das DFD ist auf den Empfang unddie Verarbeitung der Daten der SensorenSCIAMACHY und MIPAS vorbereitet. Wissenschaftler der beteiligten Instituteplanen Messungen zur Validierung derSatellitendaten, u.a. mit dem russischenHöhenforschungsflugzeug Geophysica.Weitere wichtige Themen der Zukunftstehen an: so die Erklärung der beob-achteten Zunahme an Wasserdampf in

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Prof. Ulrich Schumann ist Direktor des DLR-Instituts für Physik der Atmosphäre, Ober-pfaffenhofen. Dr. Martin Dameris ist Wissen-schaftlicher Mitarbeiter am gleichen Institut.