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Einsatz von Kunststoffen in der Automobilproduktion Teil 2: Lackierung und Folienbeschichtung 346 ATZ Automobiltechnische Zeitschrift 102 (2000) 5 Produktion Kunststoffe 3 Oberflächenbehandlung 3.1 Lackierung von Kunststoffbauteilen Karosserieaußenteile aus Kunststoff kön- nen auf verschiedene Weise lackiert wer- den. Man unterscheidet: die On-line-Lackierung die Off-line-Lackierung die Klarlackierung von gefärbten Kunst- stoffen. Bei der Online-Lackierung werden die Kunststoffanbauteile gemeinsam mit der Blechkarosserie lackiert, wobei beim Trock- nungs- beziehungsweise beim Einbrenn- vorgang Temperaturen von über 160 °C auftreten können. Aufgrund dieser Tempe- raturbelastung und auch wegen der gefor- derten niedrigen Wärmeausdehnung kom- men dafür nur wenige Kunststoffe, von den Thermoplasten praktisch nur Blends aus PPE/Polyamid, in Frage. Der harte Ka- rosserielack kann zu einer Versprödung der ursprünglich relativ zähen Kunststoffe führen. Erste Großserienanwendungen fin- den sich vor allem bei Kotflügeln. Der größte Teil von Karosserieteilen aus Kunststoffen wird off-line, also getrennt von der Blechkarosserie, bei nur maximal 110 °C in Wagenfarbe lackiert, was den Ein- satz zäherer und oft auch preisgünstigerer Werkstoffe erlaubt, zum Beispiel PBT/PC, ASA/PC oder PP/EPDM. Wichtige Anwen- dungen sind Stoßfängerverkleidungen, Spoiler und Verkleidungsteile; hinzu ge- kommen sind Heckklappen, zum Beispiel beim Opel Tigra und der Mercedes-Benz A- Klasse, sowie Kotflügel, etwa beim Audi A2. Die infolge der getrennten Lackierung nicht Aufgrund ihrer Leistungsvielfalt bieten Kunststoffe dem Automobilbau vielfältige Einsatzmöglichkeiten. In der März-Ausgabe der ATZ wurde der Einsatz dieser Werkstoffe in der Automobilproduktion in Fahr- werks-, Karosserie- und Motorkomponenten beschrieben. Der vorlie- gende zweite Teil widmet sich der Thematik der Oberflächenbehand- lung mit Kunststoffen. immer vermeidbaren Farbabweichungen zur Blechkarosserie müssen durch das De- sign kaschiert werden. Eine enge Koopera- tion zwischen den zuständigen Partnern ist deswegen empfehlenswert. Eingefärbte Kunststoffaußenteile stellen im Vergleich zu den on-line oder off-line farblackierten Teilen wegen des Entfalls des aufwendigen Lackierprozesses mei- stens die kostengünstigere Variante dar. Eingefärbte PBT/PC-Blends besitzen im un- lackierten Zustand die beste Tieftempera- turzähigkeit, müssen aber zum Schutz ge- gen UV-Strahlung klarlackiert werden. Die Klarlackierung von in der Masse eingefärb- ten Kunststoffteilen ist eine besondere Art der Off-line-Lackierung. Bei Styrolcopoly- meren wie ASA und ASA/PC kann generell auf eine Klarlackierung verzichtet werden, was deutliche Vorteile hat. Typische An- wendungen sind etwa Kühlergrills und Außenspiegelgehäuse aus witterungsbe- ständigem ASA. All diese Produkte sind in einer Fülle von Farbeinstellungen lieferbar. Effekteinfär- bungen wie Metallic, Flitter, Bronze und Perl führen zu einer deutlichen Reduzie- rung der mechanischen Eigenschaften und durch die Pigmentorientierung zu Bin- denähten, namentlich bei komplexeren Spritzgießteilen. Somit kann keine mit dem Lack der Blechkarosse identische Farbober- fläche erzeugt werden. Die Anwendung bleibt deshalb in Kombination mit Blech- teilen auf farblich abgesetzte Teile be- schränkt. Die preislichen und gestalteri- schen Vorteile machen solche Lösungen aber gerade für Vollkunststoffkarosserien interessant, wie es beim Smart deutlich wurde. Trotz der Erfolge, die Kunststoffe als Werk- stoffe für großflächige Karosserieaußentei- le bisher verzeichnen können, gibt es einige Schwierigkeiten, die, unabhängig von der Art der Lackierung, ihren Einsatz bisher ge- bremst haben: Eine Lackierung kann in der Regel selbst kleine Oberflächenfehler, wie Binde- nähte, Fließlinien oder Einfallstellen, nicht überdecken. Die Bauteilgröße und geometrische Ge- staltung des Formteils sind wegen der begrenzten Fließfähigkeit der Polymere und des Zwangs, Bindenähte im Sicht- bereich zu vermeiden, eingeschränkt. Dr. Uwe Guhr ist Leiter der anwendungstechnischen Abteilung Thermoplaste der BASF AG, Ludwigshafen. Privatdozent Dr.-Ing. Achim Grefenstein ist in der Anwendungs- technik Thermoplaste der BASF AG verantwortlich für die Entwicklung von Karosserie-Außenteilen. Dr. Dirk Reinelt beschäftigt sich bei der BASF AG mit Verwertungs- technologien für Kunststoffe. Dr.-Ing. Christian Hauck ist Leiter der Markt- und Anwendungs- entwicklung Kunststoffe bei der BASF AG. Die Verfasser

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Page 1: Einsatz von Kunststoffen in der Automobilproduktion

Einsatz von Kunststoffen in der AutomobilproduktionTeil 2: Lackierung und Folienbeschichtung

346 ATZ Automobiltechnische Zeitschrift 102 (2000) 5

Produktion Kunststoffe

3 Oberflächenbehandlung

3.1 Lackierung von Kunststoffbauteilen

Karosserieaußenteile aus Kunststoff kön-nen auf verschiedene Weise lackiert wer-den. Man unterscheidet:– die On-line-Lackierung– die Off-line-Lackierung– die Klarlackierung von gefärbten Kunst-

stoffen.

Bei der Online-Lackierung werden dieKunststoffanbauteile gemeinsam mit derBlechkarosserie lackiert, wobei beim Trock-nungs- beziehungsweise beim Einbrenn-vorgang Temperaturen von über 160 °Cauftreten können. Aufgrund dieser Tempe-raturbelastung und auch wegen der gefor-derten niedrigen Wärmeausdehnung kom-men dafür nur wenige Kunststoffe, vonden Thermoplasten praktisch nur Blendsaus PPE/Polyamid, in Frage. Der harte Ka-rosserielack kann zu einer Versprödung derursprünglich relativ zähen Kunststoffeführen. Erste Großserienanwendungen fin-den sich vor allem bei Kotflügeln.

Der größte Teil von Karosserieteilen ausKunststoffen wird off-line, also getrenntvon der Blechkarosserie, bei nur maximal110 °C in Wagenfarbe lackiert, was den Ein-satz zäherer und oft auch preisgünstigererWerkstoffe erlaubt, zum Beispiel PBT/PC,ASA/PC oder PP/EPDM. Wichtige Anwen-dungen sind Stoßfängerverkleidungen,Spoiler und Verkleidungsteile; hinzu ge-kommen sind Heckklappen, zum Beispielbeim Opel Tigra und der Mercedes-Benz A-Klasse, sowie Kotflügel, etwa beim Audi A2.Die infolge der getrennten Lackierung nicht

Aufgrund ihrer Leistungsvielfalt bieten Kunststoffe dem Automobilbauvielfältige Einsatzmöglichkeiten. In der März-Ausgabe der ATZ wurdeder Einsatz dieser Werkstoffe in der Automobilproduktion in Fahr-werks-, Karosserie- und Motorkomponenten beschrieben. Der vorlie-gende zweite Teil widmet sich der Thematik der Oberflächenbehand-lung mit Kunststoffen.

immer vermeidbaren Farbabweichungenzur Blechkarosserie müssen durch das De-sign kaschiert werden. Eine enge Koopera-tion zwischen den zuständigen Partnern istdeswegen empfehlenswert.

Eingefärbte Kunststoffaußenteile stellenim Vergleich zu den on-line oder off-linefarblackierten Teilen wegen des Entfallsdes aufwendigen Lackierprozesses mei-stens die kostengünstigere Variante dar.Eingefärbte PBT/PC-Blends besitzen im un-lackierten Zustand die beste Tieftempera-turzähigkeit, müssen aber zum Schutz ge-gen UV-Strahlung klarlackiert werden. DieKlarlackierung von in der Masse eingefärb-ten Kunststoffteilen ist eine besondere Artder Off-line-Lackierung. Bei Styrolcopoly-meren wie ASA und ASA/PC kann generellauf eine Klarlackierung verzichtet werden,was deutliche Vorteile hat. Typische An-wendungen sind etwa Kühlergrills undAußenspiegelgehäuse aus witterungsbe-ständigem ASA.

All diese Produkte sind in einer Fülle vonFarbeinstellungen lieferbar. Effekteinfär-bungen wie Metallic, Flitter, Bronze undPerl führen zu einer deutlichen Reduzie-rung der mechanischen Eigenschaften unddurch die Pigmentorientierung zu Bin-denähten, namentlich bei komplexerenSpritzgießteilen. Somit kann keine mit demLack der Blechkarosse identische Farbober-fläche erzeugt werden. Die Anwendungbleibt deshalb in Kombination mit Blech-teilen auf farblich abgesetzte Teile be-schränkt. Die preislichen und gestalteri-schen Vorteile machen solche Lösungenaber gerade für Vollkunststoffkarosserieninteressant, wie es beim Smart deutlichwurde.

Trotz der Erfolge, die Kunststoffe als Werk-stoffe für großflächige Karosserieaußentei-le bisher verzeichnen können, gibt es einigeSchwierigkeiten, die, unabhängig von derArt der Lackierung, ihren Einsatz bisher ge-bremst haben:– Eine Lackierung kann in der Regel selbst

kleine Oberflächenfehler, wie Binde-nähte, Fließlinien oder Einfallstellen,nicht überdecken.

– Die Bauteilgröße und geometrische Ge-staltung des Formteils sind wegen derbegrenzten Fließfähigkeit der Polymereund des Zwangs, Bindenähte im Sicht-bereich zu vermeiden, eingeschränkt.

Dr. Uwe Guhr ist Leiterder anwendungstechnischenAbteilung Thermoplaste derBASF AG, Ludwigshafen.

Privatdozent Dr.-Ing.Achim Grefensteinist in der Anwendungs-technik Thermoplaste der BASF AG verantwortlichfür die Entwicklung von Karosserie-Außenteilen.

Dr. Dirk Reineltbeschäftigt sich bei derBASF AG mit Verwertungs-technologien für Kunststoffe.

Dr.-Ing. ChristianHauck ist Leiter der Markt- und Anwendungs-entwicklung Kunststoffe beider BASF AG.

Die Verfasser

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347ATZ Automobiltechnische Zeitschrift 102 (2000) 5

Die Flexibilität des Spritzgießprozesseskann somit nicht vollständig ausge-nutzt werden.

– Die mechanischen Eigenschaften despolymeren Werkstoffs werden beson-ders bei der On-line-Lackierung redu-ziert. Haftungsprobleme können beinicht speziell auf den Kunststoff abge-stimmten Lacksystemen auftreten.

– Unterschiedliche Einfärbungen des Ma-terials können bei teilkristallinen Werk-stoffen zu unterschiedlichen Schwin-gungen und damit Bauteilabmessun-gen sowie zur Verringerung der Zähig-keit im Vergleich zur Naturware führen.

– Die Kosten einer On- oder Off-line-Lackierung sind bei der Herstellung vonKarosserieteilen aus Kunststoff zu zirka70 % an den Bauteilkosten beteiligt. Dasgilt gleichermaßen für thermoplasti-sche wie duroplastische Kunststoffe.

– Die thermische Längenausdehnung derKunststoffe ist noch immer deutlichhöher als die der Metalle. Faserverstärk-te Thermoplaste erreichen zwar deut-lich bessere Werte, sind jedoch für dieseAnwendungen meist zu spröde und zu-dem schlechter lackierbar.

3.2 Coextrudierte Kunststofffolien

Aufgrund der oben genannten Schwierig-keiten bei der Lackierung wurden zukunfts-weisende Alternativen entwickelt. Es bietetsich namentlich die Beschichtung mittelsCoextrusion an. Die lackartige Oberflächewird lösemittel- und emissionsfrei wäh-rend des Coextrusionsprozesses erzeugt,Bild 11. Unterschiedliche thermoplastischeMaterialien werden aufgeschmolzen, in ei-nem geeigneten Werkzeug zusammenge-führt und zu einer mehrschichtigen Foliemit einer Dicke von 0,5 bis 1,0 mm oder zueiner Platte mit einer Dicke von 1,0 bis 5,0mm ausgeformt.

Durch Coextrusion mehrerer dünner, ein-gefärbter Kunststoffschichten innerhalb ei-nes 2- oder 3-Schicht-Verbundes könnenden Lackschichten vergleichbare Schicht-aufbauten hergestellt werden:– eine transparente PMMA-Deckschicht

übernimmt die Aufgabe der Klarlack-schicht

– eine optionale zweite Schicht ausPMMA ermöglicht eine Effekteinfär-bung wie Metallic, Flitter, Bronze, Perloder Schildpatt

– die durchgefärbte Trägerschicht auswitterungsbeständigem ASA oderASA/PC sorgt für eine ausreichendeZähigkeit.

ProduktionKunststoffe

Die Hinterspritztechnologie von konventio-nell lackierten Kunststofffolien ist im Be-reich des Automobilinnenraums bereitsetabliert. Auch für Außenanwendungengab es Ansätze. Ihre großtechnische Umset-zung scheiterte aber hauptsächlich an dennoch zu hohen Preisen und der begrenztenTiefziehfähigkeit der Lackfolien, die nur 100 % zulassen. Eingefärbte coextrudierteFolien mit einem Tiefziehverhältnis vonüber 300 % sind dagegen hervorragendthermoformbar und stellen eine sehr preis-günstige Alternative dar.

Die Vorteile der Coextrusionstechnik lassensich, wie später gezeigt wird, mit denen desSpritzgießverfahrens in optimaler Weiseverbinden, wenn preiswerte coextrudierteFolien tiefgezogen und in einem Spritz-gießwerkzeug hinterspritzt werden. Die soeingesparten Lackierkosten wiegen die zu-sätzlichen Kosten durch Folienherstellung,Thermoformen und Besäumen des thermo-geformten Folienvorformlings bei weitemwieder auf.

Auf dem Markt werden bereits coextrudier-te PMMA/ABS-Verbundplatten als Karosse-riewerkstoff angeboten. Tiefgezogene ein-fache Bauteile daraus finden für Kleinwa-gen, wie dem Ligier oder dem Hotzenblitz,Anwendung. Sie erfüllen die optischen An-forderungen der Automobilindustrie. Me-talliceffekte, vergleichbar mit lackiertenBauteilen, sind darstellbar. PMMA/ABS-Verbunde weisen hinsichtlich der mecha-nischen Eigenschaften, besonders der Tief-temperaturzähigkeit nach entsprechenderWärmealterung, sowie bei den thermi-schen Eigenschaften, wie der Wärmeform-beständigkeit, Defizite auf. Diese können

mit Verbunden auf Basis ASA und ASA/PC-Blends deutlich verbessert werden.

Während der Oberflächenglanz ausschließ-lich durch die PMMA-Deckschicht be-stimmt wird, ist das Material der Folienträ-gerschicht für die Farbkonstanz von ent-scheidender Bedeutung, da die Folie auchnach stärkerer Verstreckung noch witte-rungsstabil sein muss. Bei besonders preis-günstigen zweischichtigen Folien entfälltdie eingefärbte Zwischenschicht ausPMMA, so dass das eingefärbte Trägerma-terial direkt der UV-Strahlung ausgesetztist.

Der Verbund ASA/PC hat gegenüber PBT/PCdeutliche Vorteile. Der Vergleich von je-weils gleichartig eingefärbten und klar-lackierten Blends zeigt, dass ASA/PC insbe-sondere bei hellen Einfärbungen, wo dieMatrixvergilbung eine größere Rolle spielt,beträchtliche Qualitätsvorteile bietet, wiedie unterste Kurve im Vergleich zur ober-sten in Bild 12 zeigt. Noch besseres Bewitte-rungsverhalten lässt sich durch Einfärbungvon reinem ASA erreichen. Die beiden hell-blauen Kurven zeigen die Bewitterungser-gebnisse an blauem PBT/PC. Sie zeigen,dass die UV-Schutzwirkung einer etwa 100μm dicken PMMA-Deckschicht besser istals diejenige eines zirka 30 μm dicken Klar-lacks. Klarlackierte ASA/PC-Blends liegendazwischen. Mit einer entsprechendenPMMA-Deckschicht versehen, sind sie ver-gleichsweise noch einmal deutlich besser.Somit sind coextrudierte Folien aufgrundder witterungsstabileren Farbträgerschichtund der besseren Schutzwirkung der trans-parenten Deckschicht aus PMMA in jedemFall farbechter als eingefärbte und klar-

Bild 11: Herstellung von coextrudierten Hinterspritzfolien

Figure 11: Manufacturing of coextruded films

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lackierte PBT/PC-Blends, wie sie derzeit alsWerkstoff für Bodypanels eingesetzt wer-den.

3.3 Paintless Film Molding

Der Wunsch, die Nachteile der Lackierungzu umgehen und eine kunststoffgerechtereBeschichtungstechnologie anzubieten, hatzur Entwicklung der PFM-(Paintless FilmMolding)-Hinterspritztechnik für die Her-stellung von vertikalen Bodypanels ge-führt. Wesentlicher Bestandteil dieser zu-kunftsweisenden Technologie ist einepreisgünstige und gut umformbare ther-moplastische Folie, Bild 13. Sie besteht ausder Kombination des witterungsbeständi-gen und zähen ASA/PC mit einer Deck-schicht aus kratzfestem und witterungsbe-ständigem PMMA. Diese Folie wird tiefge-zogen und anschließend mit einem geeig-neten Thermoplasten hinterspritzt.

In einer Vorführung auf der K ’98 auf demStand der Firma Engel wurde die vollauto-matische Herstellung einer Heckklappen-Beplankung aus Luran“ S/C (ASA/PC) erst-mals gezeigt. Dieses Material ist insbeson-dere für großflächige Panels mit hohen An-forderungen an die Zähigkeit geeignet.Aber auch faserverstärkte Kunststoffe, wieglasfaserverstärktes PBT/ASA, wurden alsHinterspritzmaterial erfolgreich getestetund ermöglichen steifere Bauteile mitClass-A-Oberfläche. Für kleinere Anbautei-le können vielfach auch preisgünstigereMaterialien wie ASA oder ABS als Hinter-spritzmaterial eingesetzt werden. Alle die-se Werkstoffe wurden hinsichtlich ihrerHaftung zur Folie und ihrer Recyclingfähig-

keit im Gesamtverbund geprüft. DieseTechnologie kann ebenfalls genutzt wer-den zur Herstellung horizontaler Bodypa-nels durch Hinterschäumen mit glasfaser-verstärkten PUR-Systemen, Bild 14.

Faserverstärkte, geschäumte PUR-Systemezeichnen sich durch eine hohe Steifigkeitbei geringstem Gewicht aus. Kostengünsti-ge Fertigungsverfahren für großflächigeBauteile sind verfügbar. Nachteilig für vie-le Anwendungen ist aber auch hier der auf-wendige Lackierprozess, der mit umfang-reicher Nacharbeit verbunden ist. Coextru-dierte Folien können mit PUR hinter-schäumt werden und vermeiden so dieseteuren Handicaps. Die PMMA-Deckschicht

schützt den Verbund durch ihre Medienbe-ständigkeit und Kratzfestigkeit, und dieASA/PC-Schicht (Luran S KR 2861/1 C) ge-währleistet die hervorragende Witterungs-und Wärmealterungsbeständigkeit.

Eine erste Serienanwendung ist das selbst-tragende Dachmodul des MCC-Smart. Beidiesem Dachmodul sind alle Bestandteilewie Dekor, Verstärkungs-/Versteifungsma-terial, Schalldämmelemente und Außen-oberfläche integriert. Ein gezielt entwickel-tes Schaumsystem mit Glasfasern wirdzwischen die tiefgezogene Folie und denStoffhimmel geschäumt und gewährleisteteine gute Haftung zur Folie. In einem Ar-beitsgang entsteht ein fertiges Dachmodul.Da ein solches Dach ohne Lackierung aus-kommt, entstehen keine Emissionen vonLösemitteln. Neben der deutlichen Ge-wichtsreduzierung von 50 % (dies ent-spricht rund 6 kg) bietet die realisierte Lö-sung auch Vorteile im Produktionsablaufdes Smart. Die Zugänglichkeit des Fahr-zeuginnenraums wird erleichtert. Erst nachder Montage von Cockpit und Sitzen wirddas Dach eingeklebt. Das MCC-Dachmodulwurde in enger Zusammenarbeit mit demSystemlieferanten Meritor AutomotiveGmbH, Frankfurt/Gifhorn, dem Folienher-steller Hagedorn AG, Lingen, und der Ela-stogran GmbH, Olching, entwickelt.

Die Eigenschaften der etwa mit Luran S/C(ASA/PC) hinterspritzten PFM-Bauteile sindüberzeugend. Sie sind je nach Pigmentie-rung farbecht bis 5 000 h Xenotest und be-sitzen hohen Glanz auch nach Bewitterung,die auf die Bauteilzähigkeit keinen Einflusshat. Sie zeigen ausgezeichnete Haftung

Produktion Kunststoffe

Bild 12: Farbabweichungen nach Gerätebewitterung (entsprechend DIN 53387)

Figure 12: Color deviation of colored and clearcoated ASA/PC and PBT/PC after artificial weathering (according DIN 53387)

Bild 13: Innovative Karosserieaußenteile aus Kunststoff aus einem Guss mit Paintless Film Molding

Figure 13: Innovative exterior plastic body panels with Paintless Film Molding

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(Dampfstrahltest, Steinschlag etc.), ihreKratzbeständigkeit ist höher als bei 2K-PUR-Lacken, und sie sind hagelschlagresis-tent. Die Wärmeformbeständigkeit HDT Bliegt oberhalb von 125 °C. Leichte Beschädi-gungen sind auspolierbar. Der Kopfauf-pralltest bei 25 beziehungsweise 19 km/hwird ohne Beschädigung bei 23 bezie-hungsweise -20 °C erreicht. Außerdem istein Recycling der Bauteile problemlos mög-lich.

Hinterschäumte Dachmodule weisen diegleichen Oberflächeneigenschaften wie diemit Thermoplasten hinterspritzten Bautei-le auf. Alle zur Serienfreigabe erforderli-chen Prüfungen, inklusive Temperatur-wechseltest, Sonnensimulation etc., wur-den erfolgreich bestanden. Die mechani-schen Eigenschaften werden bei hinter-schäumten Bauteilen durch das langglasfa-serverstärkte PUR stark beeinflusst. Diesesind denen der mit unverstärkten Thermo-plasten hinterspritzten Bauteilen überle-gen.

4 Ausblick

Mit Hilfe der vorgestellten Technologien istes möglich, Karosserieelemente aus unter-schiedlichen Werkstoffen, welche in derKombination nicht lackierfähig sind, mitClass-A-Oberflächen zu versehen. FolgendeHinterspritzwerkstoffe sind dabei je nachAnwendung denkbar:– ASA oder ABS für Spiegelgehäuse, Küh-

lergrill, Verkleidungsteile, Zierleisten etc.– ASA/PC-Blends, ABS-GF oder PBT/ASA-

GF für großflächige Panels wie Türblät-

ter, Kotflügel, Heckklappen oderSchweller

– PUR-GF für Dächer, Motorhauben, Lkw-Windabweiser.

Aufgrund des derzeit noch unterschiedli-chen „Flopverhaltens“ von Metallicfarben(richtungsabhängiger Helligkeitseindruck)zwischen coextrudierten Folien und Lackenist eine Mischbauweise von hinterspritztenund lackierten Bauteilen nur bei entspre-chendem Design möglich. Dieses Problemlässt sich jedoch durch eine enge projektbe-zogene Kooperation zwischen Folien- undLackhersteller lösen.

Für Space-frame-Konzepte mit einer Voll-kunststoff-Karosserie, bei der kein Farbab-gleich nötig ist, kommen die Vorteile dervorgestellten Technologie voll zum Tragen:

ProduktionKunststoffe

Bild 14: Innovative Technologie für Dachmodule: Hinterschäumen von Folie

Figure 14: Innovative technologie for roof modules: Film Insert Foaming

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Page 5: Einsatz von Kunststoffen in der Automobilproduktion

350 ATZ Automobiltechnische Zeitschrift 102 (2000) 5

– Extrudierte Hinterspritzfolien sinddeutlich preiswerter als alle auf demMarkt erhältlichen Lackfolien. Damit istdie Hinterspritztechnik erstmals auchpreislich gegenüber der Lackierung imVorteil.

– Durch die Einfärbung lediglich relativdünner Schichten werden die Pigment-kosten im Vergleich zur Masseeinfär-bung erheblich reduziert. Dies ermög-licht auch den wirtschaftlichen Einsatzvon teuren Effektpigmenten (zum Bei-spiel fluoreszierende oder optisch varia-ble Pigmente).

– Die Kombination von mit PUR hinter-schäumten Folien (für steifere,großflächige Teile wie Dachmodule) mithinterspritzten Bauteilen (Außenspie-gel, Stoßfänger, Kotflügel, Türblätterund andere vertikale Bodypanels) stelltein sinnvolles Gesamtkonzept dar. Beigleicher Oberfläche kann somit der fürdas jeweilige Bauteil geeignetste Werk-stoff zum Einsatz kommen, wobei selbstmit faserverstärkten Hinterspritzmate-rialien eine Class-A-Oberfläche realisier-bar ist.

– Der Bauteilkonstrukteur kann sich deut-lich größere Freiheiten leisten, da Rip-pen, Bindenähte und durch Spritzprä-gen hervorgerufene Markierungen dieClass-A-Oberfläche nicht beeinträchti-gen.

– Für kleinere Serien, zur Prototypherstel-lung oder wenn sehr große Bauteile her-gestellt werden sollen, können aus dengleichen Thermoplasten coextrudierteVerbundplatten (etwa HI-PMMA aufASA/PC) tiefgezogen werden. Die Tief-ziehteile weisen ähnliche Eigenschaftenwie hinterspritzte Verbunde auf und

können somit auch zur Funktionsprü-fung verwendet werden, ohne in einteures Spritzgießwerkzeug investierenzu müssen.

Basierend auf einer Studie von PhilippTownsend zum Vergleich der Kosten zurHerstellung von Karosserieaußenteilen,Bild 15, zeigen die Untersuchungen vonBASF die gute Position etwa von mit ASA/PC hinterspritzten Bauteilen auch im Ver-gleich zu Stahl.

5 Recycling

Die Industrie hat sich bereits frühzeitig Ge-danken gemacht, wie Automobilteile ausKunststoff wiederzuverwerten sind. Sie hathierzu 1991 die Projektgruppe Altautover-wertung der deutschen Automobilindus-trie, kurz PRAVDA, ins Leben gerufen. Auto-mobil- und Kunststoffindustrie untersuch-ten hierin gemeinsam das werkstofflicheRecycling ausgewählter Anwendungennach Demontage wie Kunststoff-Kraftstoff-behälter, Radblenden und Stoßfänger.

Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass einwerkstoffliches Recycling nur für 10 bis 15Gew.-% der Kunststoffe in Altautos tech-nisch realistisch ist. Hierbei handelt es sichjeweils um große Teile. Aber wirtschaftlichist es dennoch meistens nicht. Für die mei-sten Kunststoffanwendungen im Automo-bil, insbesondere für die vielen kleinteili-gen, leichtgewichtigen und sortenver-mischten Anwendungen, zum Beispiel beider Kfz-Elektronik, ist die Verwertung mitder Shredder-Leichtfraktion nach Shred-dern des Altautos sinnvoller. Möglichkeiten

für die Aufbereitung und Verwertung die-ser Fraktion werden durch die Kunst-stoffindustrie eingeleitet, etwa durch die fi-nanzielle Förderung des Baus einer Pilotan-lage zur Aufbereitung von Shredder-Leicht-fraktionen bei R-plus, einer Tochtergesell-schaft der Energie Baden-Württemberg.Ziel ist unter anderem die Herstellung einerheizwertreichen Fraktion, die im Hochofenbeziehungsweise Zementwerk verwertetwerden soll. Die rohstoffliche Verwertungder Shredder-Leichtfraktion (Rohstoffbasisfür die Methanolherstellung) ist bei SVZSchwarze Pumpe möglich.

1997 hat sich die Industrie freiwillig selbst-verpflichtet, die zu beseitigenden Abfällevon heute 25 Gew.-% in Teilschritten bis2015 auf 5 Gew.-% zu reduzieren. Die deut-sche Altautoverordnung bildet seit 1998den gesetzlichen Rahmen für diese Selbst-verpflichtung. Sie lässt alle Verwertungs-verfahren zu, was Sinn macht. Denn wennKunststoffe als intelligent genutztes Erdölanzusehen sind, muss gleichzeitig bedachtwerden, dass Erdöl heute zu über 80 % ener-getisch genutzt wird. Dann darf aber fürdas Kunststoffrecycling aus Altautos dieserVerwertungsweg über die Shredder-Leicht-fraktion nicht ausgeschlossen werden.

Es macht keinen Sinn, durch den Einsatzvon Kunststoffen im Automobilbau erstEnergie und Geld zu sparen, um dieseanschließend wieder mit großem Energie-und Kostenaufwand auszubauen undwerkstofflich unwirtschaftlich zu verwer-ten.

Die europäische Altautorichtlinie stellt einewesentliche Verschärfung gegenüber derdeutschen Altautoverordnung dar, da Quo-te und Weg vorgeschrieben werden. Bei nur5 bis 10 % energetischer Nutzung müssteder überwiegende Teil der Kunststoffestofflich und damit unwirtschaftlich ver-wertet werden. Das würde pro Fahrzeugüber 80 kg Altkunststoffe bedeuten.

Die Gefahren, die sich durch diese regulato-rischen Auflagen ergeben, liegen auf derHand, da die Wahl der ökologisch und öko-nomisch sinnvollsten Verwertungsalterna-tive nur unzureichend möglich ist. Sogareine unproduktive Re-Substitution vonKunststoffen ist denkbar.

Produktion Kunststoffe

Bild 15: Vergleich der Kosten zur Herstellung von Karosserieaußenteilen

Figure 15: Cost comparison of different body panel technologies

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