einige richtlinien in der gallenwegschirurgie

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Einige Richtlinien in der Gallenwegschirurgie 1 Von Prof. Fedoroff, Leningrad. Mit 1 Textabbildung. (Eingeganffen am 11. XII. 1932.) Wer sich mit der Chirurgie der Gallenwege bereits am Ende des vorigen Jahrhunderts (1890) besch~ftigte und noch jetzt auf diesem Gebiete arbeitet, kann nicbt unzufrieden sein mit den Effolgen, die bei der chirurgischen Behandlung der Gallens$einkrankheit~ erzielt wurden. Vollst~ndig verschwunden sind solche unvollkommene Eingriffe wie die Choledocholithotripsie und die zweizeitige Cholecystostomie. Die Chole- cystendyse und die einzeitige Choleeystostomie werden fast gar nicht mehr vorgenommen, und als Operation der Wahl gilt die Cholecystektomie. Die Operationen an den groBen extrahepatischen G~ngen sind zat~eich geworden, und die Gesamtmortalit~t naeh Eingriffen wegen Cholelithiasis ist prozentual stark gQsunken. Wir brauchen nicht mehr mit den Thera- peuten wegen der ehirurgischen Behandlung yon Cholelithiasis zu polemi- sieren, wie dies noch 1913 Kehr getan hat. Die Patienten wenden sieh jetzt oft direk~ an den Chirurgen und lassen die Therapeuten beiseite. Jedoch trotz dieser groi3en Erfolge bei der ohirurgischen Behandlung yon Cholelithiasis gibt es noch viele ungel5ste Fragen, besonders in betreff yon Operationen in verschieppten F~llen, Rezidiven yon Schmerzen und Koliken nach Operationen und Wiederherstellung der Durchg~ngigkeit der groBen extrahepatisehen Galleng~nge. Ich stelle mir nieht die Aufgabe, eine erschSpfende ~bersicht der Frage fiber die chirurgische Behandlung der Cholelithiasis zu liefern, und mSchte deshalb nur versehiedene Einzelheiten beriihren, die m.M.n. bedeutenswert sind, sowohl auf Grund meiner persSnlichen Effahrung, als aueh der letzten Angaben im Schrifttum. Vor allem einige Worte fiber die Resultate der ehinlrgischen Behandlung yon Cholelitlfiasis. Bis jetzt sind in verschiedenen Ls viele 1 Vortrag im ~rztIichen Fortbildungskurse der Chir. Universiti~tsklinik der CharitY-Berlin, 1. XII. 32. Deutsche Zeitschriftfiir Chirurgie. 240.Bcl 46a

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Page 1: Einige Richtlinien in der Gallenwegschirurgie

Einige Richtlinien in der Gallenwegschirurgie 1

Von Prof. Fedoroff, Leningrad.

Mit 1 Textabbildung.

(Eingeganffen am 11. X I I . 1932.)

Wer sich mit der Chirurgie der Gallenwege bereits am Ende des vorigen Jahrhunderts (1890) besch~ftigte und noch jetzt auf diesem Gebiete arbeitet, kann nicbt unzufrieden sein mit den Effolgen, die bei der chirurgischen Behandlung der Gallens$einkrankheit~ erzielt wurden. Vollst~ndig verschwunden sind solche unvollkommene Eingriffe wie die Choledocholithotripsie und die zweizeitige Cholecystostomie. Die Chole- cystendyse und die einzeitige Choleeystostomie werden fast gar nicht mehr vorgenommen, und als Operation der Wahl gilt die Cholecystektomie. Die Operationen an den groBen extrahepatischen G~ngen sind zat~eich geworden, und die Gesamtmortalit~t naeh Eingriffen wegen Cholelithiasis ist prozentual stark gQsunken. Wir brauchen nicht mehr mit den Thera- peuten wegen der ehirurgischen Behandlung yon Cholelithiasis zu polemi- sieren, wie dies noch 1913 Kehr getan hat. Die Patienten wenden sieh jetzt oft direk~ an den Chirurgen und lassen die Therapeuten beiseite.

Jedoch trotz dieser groi3en Erfolge bei der ohirurgischen Behandlung yon Cholelithiasis gibt es noch viele ungel5ste Fragen, besonders in betreff yon Operationen in verschieppten F~llen, Rezidiven yon Schmerzen und Koliken nach Operationen und Wiederherstellung der Durchg~ngigkeit der groBen extrahepatisehen Galleng~nge.

Ich stelle mir nieht die Aufgabe, eine erschSpfende ~bersicht der Frage fiber die chirurgische Behandlung der Cholelithiasis zu liefern, und mSchte deshalb nur versehiedene Einzelheiten beriihren, die m . M . n . bedeutenswert sind, sowohl auf Grund meiner persSnlichen Effahrung, als aueh der letzten Angaben im Schrifttum.

Vor allem einige Worte fiber die Resultate der ehinlrgischen Behandlung yon Cholelitlfiasis. Bis jetzt sind in verschiedenen Ls viele

1 Vortrag im ~rztIichen Fortbildungskurse der Chir. Universiti~tsklinik der CharitY-Berlin, 1. XII. 32.

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zehntausende Gallensteinkranke operiert worden ; die Resultate dieser Ein- griffe sind ver6ffentlieht, und doch k6nnen wir nicht genau mit einer bestimmten Zahl die H6he der Mortalit~tt nach diesen Operationen kennzeichnen.

Angefangen damit, dab das statistisehe Material nieht gleiehartig ist: es kSnnen leichte und schwere, verschleppte Cholelithiasisf~lle sein, und je nach der Zahl dieser oder jener werden die Autoren dieser Statistiken verschiedene Resultate erhalten haben. Zweitens werden in gro6en Statistiken oft Operationen miteinbeschlossen, die vor vielen Jahren (bisweilen Jahrzehnten) ausgeffihrt waren, zu einer Zeit, wo die An- schauungen fiber die Indikationen zur Operation und die Operations- methoden ganz anders waren als gegenw~rtig; auch die technische Fertig- keit des Operierenden mu6te in den ersten Jahren seiner T~tigkeit geringer gewesen sein als in den sp~teren; die grol~en Statistiken mit Tausenden von Fallen gleichen zwar diese Unzul~tnglichkeiten aus; aber die Sehlu~folgerungen bleiben doch nur ann/ihernd. Drittens schlieBlich werden von vielen Autoren in die Operationen an den Gallenwegen auch die Eingriffe wegen Krebs miteinbeschlossen. Es ist noch hervorzuheben, dal3 es glficklichere und weniger glfickliche Chirurgen gibt.

Wenn wir also die grol3en Statistiken der letzten Jahre nehmen: Hotz 12 144 F~lle, Kliniken von Mayo 121/2tausend F~lle (Menzer 1928), Bernhard 4557 Operationen, Poppert 1137 F~lle, Siegmund 850 Operationen und einige andere, so betr~gt die Gesamtmortalit~t nach Operationen an den Gallenwegen 5--9%. Bei mir erreicht die Mortalit~tt auf 641 (1931) F~lle 9,4%. Dies erkl~re ich mit der grSl3eren Erfahrung, die ich in der Chirurgie der Gallenwege erworben habe; denn 1922 betrug die Mortalit~t noch (auf 163 F/~lle) 121/2 %. WAre ich mehr operationslustig, so kSnnte ich eine gr6Bere Statistik zusammenbringen.

Die Statistiken der Therapeuten liefern noch weniger bestimmte Angaben, da sie eine langj~hrige Beobachtung der Kranken erfordern und die l~berzeugung, dal3 der Kranke schlieBlich an den Folgen der Cholelithiasis zugrunde gegangen ist. Deshalb sind die therapeutischen Statistiken, der Zahl der Beobachtung nach, viel kleiner als die chirur- gischen. Nach den vorhandenen Statistiken (Naunyn, Binder, Jaguttis usw.) betr~gt die Mortalit~t von rein konservativ behandelten Gallen- steinkranken etwa 15%; d.h. sie fibertrifft die operative.

Ieh halte es ffir ein gro6es Verdienst von Hotz, da6 er die Angaben seiner Statistik zergliedert und darauf hingewiesen hat, da~ die geringste Mortalit~t bei frfihen Operationen an jugendliehen Patienten vorkommt, und dal3 die Eingriffe wahrend des Anfal]s doppelt so gef/thrlieh sind wie die Operationen im Intervall.

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Diesen Weg haben auch andere Chirurgen eingeschlagen, und der erste Satz yon Hotz kann gegenwi~rtig als anerkannt gelten; was jedoch den zweiten betrifft, so wird er yon einigen bestritten, mit dem Hinweis darauf, dab der yon Hotz ffir Operationen im akuten Stadium angegebene Prozentsatz der Mortalit~t in Wirklichkeit geringer sei. Vielleicht ist dem auch so. Doch erscheint mir die Forderung der Frfihoperation im akuten Anfall (Kirschner, Schnitzler, Stich, Walzel u. a.), wie das ffir die Appendicitis anerkannt ist, bei der Cholecystitis iibertrieben. Die akute Cholecystitis und akute Appendicitis sind nut in gewissem MaBe ithnliche Erkrankungen, da die akute Cholecystitis in der grSBten Mehrzahl yon selbst abklingt und in Heilung ausgeht; die Entfernung der Gallen- blase ist zweifellos schwerer und komplizierter als die Entfernung des Appendix, und beim Operieren sind zufMlige Verletzungen der Gallen- wege leicht mSglich, die spitter schwer gutzumachen sind. Ich will nicht die Notwendigkeit bestreiten, manchmal die Ektomie im Anfall yon Cholecystitis auszuffihren; doch bin ich gegen eine Verallgemeinerung der prinzipiellen Forderung einer Operation wie bei akuter Appendicitis. Vielleicht ist das ein Glficksfall ; ich habe jedoch bei abwartender Behand- lung keinen meiner Patienten an Perforation der Gallenblase verloren. Aber selbstverst~ndlich kann man kein kritikloses Zuwarten anraten.

Man muB sich aber merken, dab die Operation im An/all bei Chole- cystitis gef~hrlicher ist als im Intervall.

Dutch die neusten Statistiken yon Siegmunt (1931) und Kment (1930) wird dies best~tigt. So hatte Siegmunt auf 580 Operationen im Intervall eine Mortalit~t yon 1,32% und 13,73% bei 255 Operationen im Anfall, Kment aber bei Operationen im IntervaU (245 Operationen) 2,04% und im akuten Stadium (117 F~lle) 14,5%.

Deshalb finde ich, dab w~hrend des Anfalls der Eingriff nur im Not- fall vorgenommen werden soll und jedesmal bei individuellen Indikationen.

Die Mortalit~t der friih Operierten in jfingerem Alter (bis zu 40 Jahren) und im Intervall schwankt zwischen 1--2%. Aul~erdem verfiigen zahl- reiche Chirurgen fiber Reihen yon Hunderten yon Operationen ohne tSd- lichen Ausgang. Somit muB als bewiesen gelten, dab die Ektomie bei Cholecystitis, ausgefiihrt unter Beachtung gewisser Bedingungen, nicht gef~hrlicher ist als die Appendektomie.

Haupts~chlich mfissen sich die Chirurgen und besonders die Thera- peuten merken, daI~ die Operationen in verschleppten FAllen einen viel grSBeren Prozentsatz yon Mortalit~t ergeben, und deshalb mull den Kranken die Operation vorgeschlagen werden, solange noch keine Steine und kein entzfindlicher ProzeB in den Galleng~ngen vorhanden sind.

Als Operation der Wahl gilt gegenw~rtig die Ektomie, da sie am besten ein Rezidiv yon Steinen verhfitet und die entziindete Blase ent- fernt, die Infektionsquelle, die nicht gleichgiiltig ist ffir den Organismus

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im allgemeinen und die Leber im besonderen (Hepatitis, Cholangitis). Die Cholecystostomie wird yon den meisten Chirurgen angewandt in den F/illen, wo die Ektomie wegen des sehweren Allgemeinzustandes des Kranken nicht ratsam oder technisch sehr schwierig und sogar unmSglich ist. In letzterem Falle nahm ich meine Zuflucht bisweilen mit Erfolg zu der von Pribram empfohlenen Mukoklase.

Der Ikterus ist eine schwere Komplikation von Cholelithiasis und h/~ngt am h/~ufigsten yon Steinen im Hepato-Choledoehus oder yon Cholangitis ab. Bei ikterischen wie bei acholisehen Kranken, deren Galle lange nicht in den Darm gelangt, treten oft Blutergfisse unter die Haut und Blutungen aus den Schleimhiiuten auf, naeh dem Eingriff aber Blutungen aus der Operationswunde, die nieht selten zum Tode ffihren. Diese Blutungen werden jetzt mit Insuffizienz der Leber erkl/irt, mit StS- rung des Kohlehydratumsatzes und Avitaminose (Mangel an Vitamin D).

Die Mortaliti~t an diesen dyskrasischen Blutungen erreicht nach Hotz 3,3%, nach Bernhardt aber 6,6%. Bei Siegmunt ist sie h6her -- 17,39%.

Bei mir ist die Sterbliehkeit noch h5her - - 36 %, d. h. auf 59 Gestorbene entfallen 21 chol/imische und acholische Kranke, die an Nachblutungen zugrunde gegangen waren.

Man muB sich wundern, wenn Kirschner das Glfick hatte, nie eine Nachblutung bei Ikterus zu erleben.

Nachdem ich effolglos alle vorgeschlagenen Mittel zur Bek~mpfung dieser Blutungen versucht hatte, ring ich an, bereits mit einigem Erfolg in den letzten 5 Jahren, die Bluttransfusion anzuwenden. Beginnende postoperative Blutung k a n n aber sogar durch wiederholte Bluttrans- fusionen durchaus nicht immer gestillt werden, und die Kranken gehen trotz alledem zugrunde. Sicherer wirken Bluttransfusionen, wenn sie 48--24 Stunden vor der Operation vorgenommen werden.

Derselben Ansicht sind Siegmunt, Kubanyi, Grille u. a.

In meiner Klinik werden ikterische und acholische Kranke auf folgende Art zur Operation vorbereitet : Einige Tage vor der Operation werden ihnen reichliehe Fliissigkeitsaufnahme und kohlehydratreiche Kost verordnet, ti~glich subcutan bis 30 g Glucose in LSsung und gleichzeitig 10--20 Ein- heiten Insulin zugefiihrt. Wenn vorhanden, wird Vigantol gegeben. Die ~cholischen aber werden aufgefordert, ihre eigene oder Rindergalle zu trinken. SchlieBlich wird 48--24 Stunden vor der Operation eine Bluttransfusion (500 ccm) vorgenommen, die am Tage der Operation oder an darauffolgenden Tagen wiederholt wird. Am wichtigsten ist es aber, mit Hilfe dieser oder jener Operation den Abflul~ der Galle in den ])arm zu leiten. Der Grad der Senkung der Blutgerinnungsf~thigkeit bei ikterischen Kranken ist kein Indicator mSglicher postoperativer

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dyskrasiseher Blutungen, da an einer solchen bei mir auch Kranke mi~ normater Blutgerinnung gestorben sind.

An einer parenehymat6sen Blutung aus der Wunde ist aueh eine Kranke zu- grunde gegangen, die 12 T. naeh dem Versehwinden des Ikterus operiert women war.

Solche Tatsaehen weisen daraufhin, dab vor Operationen bei ikterisehen Kranken, besonders wenn die Getbsucht fiber 2 Woehen andauert, vor- beugende Bluttransfusion erw/inscht ist.

Wenn wir also in den chol/~mischen und acholischen Blutungen naeh unseren Beobachtungen eine der schwersten Komplikationen bei Opera- tionen an den Gallenwegen sehen mfissen, glaube ich aber zugleich, dab in der vorbeugend angewandten Bluttransfusion ein gutes Mittel zu deren Bek/impfung gefunden ist.

Von Interesse ist noch die Frage fiber den kompletten Verschlufl dsr Bauchh6hle nach Choleeystektomien. Schon lange haben einige Chirurgen, darunter auch ich (seit 1902), manchmal nach Ektomien die BauchhShle primer verschlossen.

1921 hat auch v. Haberer den prim~ren Verschtu$ der Bauchwunde warm empfohlen. Abet' erst vet 4 J. (1929) begaml Pribram yon dem kompletten Ver- schluB in ausgedehntem Mal~e Gebrauch zu machen, indem er auf die Vorziige dieses Verfahrens hinwies; n/imlich seine Ungef~hrlichkeit und den viel leichteren und kiirzeren postoperativen Verlauf. Aul]erdem ist Pribram der Meinung (1928), dal] die Dr~nage der Bauchh5hle zum Auftreten yon Peritonitis, zu Arrosionsblutungen fiihren kann, auf die Herzt/~tigkeit wirkt und zu akuten Magenerweiterungen, Thrombosen und Embotien, Verengerung des Choledochus, Entstehen yon Gallen- fisteln, Pneumonien u.a. geneigt ma.cht. Die VorCeile des kompletten Bauch- verschlusses beweist Pribram, indem er auf seine 200 Operationen ohne letalen Ausgang tfinweist.

Ich babe auch 115 solche Operationen ohne Todesfall. Wie ich abet bereits sagte, linden sich bei vielen Chirurgen Reihen yon Operationen mit 100 und mehr Fiillen, die mi t Drainage behandelt wurden und auch ohne t5dliehen Ausgang verliefen. Diese Frage 1/~l~t sich semis nicht rein statistisch 15sen, um so mehr, als auch bei Pribram unter den n/ichsten 310 F/~llen sich bereits 9 Todesfi~lle finden, was eine Mortaliti~ yon 2,9 % ausmacht.

Diese Mortalit/tt erkl/~rt Pribram dadurch, dall zur zweiten Reihe yon Opera- tionen ganz besonders schwere Krankheitsf/tlle geh0rten.

Bei einer meiner Pat. entstand nach dem kompletten Bauchverschlul] eine Gallenperitonitis; die Kranke erholte sich aber nach 2 iliacalen Einschnitten zur Enr der BauehhOhle.

Wie dem auch sei, der komplette Bauchverschluf] allein 15st nicht voltst/~ndig die Frage fiber die MorSalit/~t nach Ektomien, well auch eine dr/~nlose Behandlung einen letalen Ausgang haben kann. Ich m5chte aber nicht die Gefahren untersch/~tzen, welche gegen die dr/~nIose Methode angefiihrt werden, wie Blutung, Durchsickern yon Galle aus dem

D e u t s c h e Z e i t s c h r i f t f i i r Ch i ru rg ic . 240, B4 . 465

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Cysticusstumpf, aus den N~hten am Schnitt des Choledochus oder aus dem Leberbett. Man mug immer mit diesen MSglichkeiten reehnen und es verstehen, ihnen vorzubeugen. Deshatb mug der Chirurg, wenn er beabsiehtigt, die BauchhShle prim~tr zu schlie~en, yon Anfang an so operieren, daf~ am Ende der Operation geniigend Bauehfell an dem Leberbett und am Choledochus bleibt, um alle Lficken zu peritonisieren, die nach der Entfernung der Blase entstanden sind, d. h. das Leberbett, den Cystieuss~umpf und, wenn nStig, (fie N~hte am Schnitt des Choledoehus. Die Papilie mug natiirlieh auch frei durchg~ngig sein. Nut beim Ein- halten atler dieser Bedingungen ist der komplette VerschluB mSglich; im anderen Fall ~4rd besser die Dr~nage angewandt. Ich dr~niere immer mit Gazestreifen und habe keinen einzigen Fall, in dem man diese Art des Dr~nierens air die Entstehung eiz~er Peritonitis verantwortlich machen kSnnte. Das Drs mit einem Gummirohr allein ist gefs denn ich habe zuweilen bei anderen Chirurgen Peritonitis bei soleher Dri~nage beobachtet. Dad Herausziehen der Gazestreifen ist jedoch viel schmerz- halter als das Entfernen eines Gummidri~ns.

Ich verlor 1906 einen 59j. Pat. u~hrend des Verbandwechsels wegen Schmerzcn und Herzli~hmung (Shock) bei dcr Entfernung der Gazestreifen aus der Bauchh(ihle.

Seitdem entferne ieh die wi~t~'end der Ektomie eingelegten Gazestreifen erst nach einer vorher vorgenommenen Morphiumeinspritzung oder abet unter ~ther- oder Chlor~thylrausch. Der primi~re BauchverschluI~ befreit die Kranken vom Verbandwechsel und den dadureh verursachten Schmerzen und verktirzt in der Mehrz~hl bedeut~nd das Zubettliegen.

Auf Grund des oben Ges~gten bin ieh ffir die komplette Vern~hung der Bauchwunde na~h Ektomien unter den genannten Bedingungen und halte es fiir ein Verdienst yon Pribram, dai3 er auf die MSglichkeit einer Erweiterung der Indikationen zu einer solchen Vern~hung hingewiesen hat.

Der T.]Srmige Drgin yon Kehr wurde in den letzten Jahren viel~ch angegriffen. Einige deutsche Chirurgen behaupteten sogar, dieses Dr~n h~tte die Entwicklung der Chirurgie der Gallenwege etwa um 20 Jahre aufgehalten. Ieh bin damit nicht einverstanden und draniere weiter in passenden Fallen den Hep~tieus oder Choledoehus.

Einmal ril~ wegen schlechter Besch~ffenheit dieses Dr~ns der Querschcnkel ab und blieb im Choledochus. Das abgerissene Stack mu]te ich 51/~ J. nach der erstcn Operation entfernen, weit wieder Koliken mit holler Temperatur nnd Ikterus auf- getreten waren. Seitdem erholte sich die Kranke vollstimdig.

Das Kehrsche Dr~n erreieht viel besser seinen Zweck als andere Improvisationen (ein Gummisehlauch, der an seinem Ende zwei einander gegeniiberliegende (~ffnungen hat, ein Ndlatonkatheter mit einer gegen- fiber dem Fenster eingeschnittenen 0ffnung u.a.) . Jedenfalls habe ieh mit dem Kehrschen Dr~n keine nicht-verheilende Fisteln oder Peri-

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tonitis erlebt. Dieses Dr/~n kann so fest in den Gang eingen/~ht werden, besonders mit peritonisierenden N/~hten, daf~ kein Tropfen Galle an ihm w>rbeikommt. Wenn man den langen Sehenkel zudriiekt, kann die Galle auf Wunseh sofor~ in den Darm geleitet werden. Ieh nehme das Dr/~n nach etwa 2- -3 Woehen heraus, nnd in der Mehrzahl versiegt der Abflug der Galle entweder am selben Tage oder 2--3 Tage spgter.

Die schwersten und unsichersten 0perationen an den Gallenwegen sind die Eingriffe wegen Fisteln der Giinge, die entstanden sind entweder infolge zuf/~lliger Verletzung des Ganges wahrend der Operation oder nach dessen Resekt.ion wegen Striktur oder Krebs.

Zum VerschluB des Defekts yon Hepatieus odor Chotedoehus wurden viete plastische Operationen vorgesehlagen, mit Anwendung yon Lappen aus der Magen- wand (Kehr) odor dem Duodenum (Baschkirov), Ersatz der Lficke durch eine Vene, eine HautrShre, ein sieh resorbierendes Drgn u. a.

Alle diese Verfahren erwiesen sich in der Praxis als ungen/igend. Entweder sind sie iiberhaupt nieht gelungen, oder es entstand naeh mehr odor weniger langer Zeit eine Verengerung des Ganges odor seine vSllige VerSdung, und die acholischen Kranken verwandelten sich in chol/~mische.

Die Gummiprothese nach Wilms hat die weiteste Verbreitung gefunden, jedoch ebenfalls das Problem nicht gelSst, da aueh bei dieser Methode nicht selten Ver- engerungen oder Verwachsungen des Ganges entstehen, odor es erSffnet sieh wieder eine Gallenfistet. Die allm~hliehe Epithelisierung des Ganges nach Abstoftung der Gummiprothese bleibt immer noeh tin frommer Wunsch. Dies mugten andere, wie auch ich, feststellen.

Die 1898 yon Czerny vorgesehlagene Fistulogastro- oder Duodenostomie ist auch wenig aussichtsvoll.

Von 2 F/~llen erzielte ich nur in dem einen relativen Erfolg; d. h. bei der operierten Kranken trat die Galle einige Tage lang in den Darm ein; die Kranke ging aber doch an chol/~mischer Blutung zugrunde.

Der einzige erfolgreiche Fall, der mir aus dem Schrifttum bekannt ist, ist der Fall yon WiUiams, dessen Pat. 16 J. nach einer sotchen Operation lebte.

Alle F/~tle, in denen ich wegen Fisteln odor Strikturen des Choledoehus eingreifen mu6te, waren schon friiher von anderen Chirurgen operiert worden. Zuf/illige Verletzungen des Ganges w/ihrend der Operation kommen wohl vor, doch viel seltener bei Chirurgen, die eine grSSere Erfahrung in der Chirurgie der Gallenwege besitzen.

Kehr hatte bei den ersten 1000 Operationen 1,5% zufatliger Verletzungen des Ganges zu verzeichnen, bei den weiteren keine.

Wenn es somit nicht gelingt oder unmSglich ist, die Durehg/~ngigkeit des Clmledochus wiederherzustelten mittels Anastomose mit dem ~agen oder Darm, plastischer Operation odor Prothesierung des Choledoehus, mfissen die Kranken an Chol/~mie odor Aeholie zugrunde gehen. Die einzige 1V[Sglichkeit, ihnen das Leben zu retten, besteht dann in einer extraabdominalen Prothesierung des Choledochus dureh ein Gummidr/~n,

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702 Fedoroff:

Zu diesem Zweck wird die 0ffnung der vollen Gallenfistel an der Bauch- wand dutch ein Gummidr~n mit der Offnung der am Diinndarm neu- angelegten Fistel verbunden (Abb. 1).

Der Gedanke einer solchen Operation wurde 1906 yon v. Stubenrauch aus- gesprochen und dieses Veffahren yon ibm an Tieren versucht. 1912 machte Krama- renko zwei ~hnliche Operationen an Menschen, wobei der eine Kranke 11/2 J. lang lebte und an Carcinoma pancreatis starb. 1922 machte Orlo]/Mitteilung yon zwei solchen Operationen; der eine seiner Pat. wurde 10 J. nachbeobachtet.

In meiner Klinik wurden seit 1923 sechs solche Operationen ausgefiihrt :

Zwei Kranke starben an Myodege- neration des Herzens und postoperativer Blutung. Zwei befinden sich in aus- gezeichnetem Zustand wahrend 3 und 6 J.

Tiesenhausen und Siebengar, Dobrot- worsky, Elansky haben auch solche F~lle.

Somit ist die grS~te Zahl dieser Operationen yon russischen Chirurgen ausgeffihrt worden.

Die Kranken erlernen es sehr leicht, ihre Fistel zu beaufsichtigen und n6tigenfalls selbst das I)r~n zu

Abb. 1. Extraabdominale Prothesierung wechseln. Sie haben ein gesundes des Choledochus in den D a r m .

Aussehen und sind genfigend arbeits- f~hig. Eine Unbequemlichkeit entsteht nur, wenn die I)armfistel beginnt, den I)arminhalt durchzulassen. Am besten ist es offenbar, eine I)armfistel nach Witzel anzutegen mit der Braunschen Anastomose. Die Y-fSrmige Anastomose nach Roux schiitzt nicht immer vor dem I)urchfliei3en des I)arminhaltes am I)r~nrohr vorbei.

Die Operation des extraabdominalen I)rs des Choledochus in den ])arm mu[~ man fiir die F~lle im Auge behalten, we nichts anderes gemacht werden kann, um die Verbindung zwisehen den Gallenwegen und dem Darm wiederherzustellen, da mit Hilfe dieser Operation das Leben der Kranken gerettet und zuweilen fiir lange Zeit ihre Gesund- heit hergestellt werden kann.

Man mu~ bestrebt sein, alle Hindernisse zum AbfluB der Galle im Hepato-Choledochus zu umgehen (auBer Steinen) mit tIilfe einer Anasto- mose mit dem Duodenum oder dem Magen und am besten durch eine Seit-zu-Seit-Anastomose. Ich warne abet zugleich vor ~-bertreibung, d. h. vor der Anlegung dieser Anastomosen aus theoretischen und prophylak- tischen Grfinden. Vor allem sind diese Anastomosen nicht ungef~hrlich, da sie eine Cholangitis zur Folge haben kSnnen, die oft zum Tode ffihrt. Das Eintreten yon Kontrastmasse in die Gallenwege durch die Anastomose ist schon mehrfach r6ntgenoskopisch und rSntgenographisch bewiesen.

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Enderlen aber entnahm einen El]16ffel roll Resten yon Friiehten und Gemiise aus der Gallenblase eines Kranken, dem 9 Mon. friiher eine Choleeystogastrostomie gemacht wurde.

Au~erdem bilden sich manchma! Duodenalfisteln. In einem meiner letzten F~lle wurde durch einen Sehnitt des retroduodenalen

Teils des Choledochus ein nul~groBer Stein entfernt, und da es nicht gelingen wollte, aus dem Sehnitt des Ganges mit der Sonde die Papille zu durehdringen, wurde die Choledochoduodenost.omie gemacht. Am 7. T. bildete sich eine ~ul~ere Duodenal- fistel, und es gelang nut schwer, die Kranke mittels G.E. zu retten. 1 J. sp~ter war die Pat. vollst~ndig gesund.

Auf Grund des oben Gesagten lege ich Anastomosen n u t bei Ver- engerungen des Choledochus oder der Papille und bei Krebs an. Bei Stauungsblase ist m. A. n. die Anlegung einer Anastomose nicht indiziert. Die Choledochoduodenostomie war im letzten Dezennium eine ziemlich h~ufige Operation in meiner Klinik und gab gute Erfolge.

Zum Schlu[~ mSchte ich noch auf eine besonders vom praktischen Standpunkt wichtige Frage e i n g e h e n - die Fernresultate nach Chole. cystelctomien.

Nach der Statistik sehr vieler Autoren schwankt die Anzahl yon Kolikrezidiven nach Ektomien und yon verschiedenen Schmerzen, die mit dem yon Pribram vorgeschlagenen Ausdruck Residualbeschwerden bezeichnet werden kSnnen, zwischen 5--15%. M . A . n . und auf Grund meines Materials entspricht die zweite Zahl eher der Wirklichkeit.

Es gibt in keiner einzigen Statistik wohl eine wahre Zahl der Rezidiv- schmerzen, da es unm6glich ist, die Fernresultate ffir viele Jahre yon Hunderten und Tausenden yon Fallen zu sammeln, die wegen Chole- cystitis operiert wurden, um so mehr, als die sub~ektive Bewertung des postoperativen Zustands nieht nur yon seiten des Kranken, sondern auch yon seiten des behandelnden Arztes eine nicht geringe Rolle spielt. Kranke, die lange an Cholelithiasis gelitten haben, sind nicht selten geneigt, auf deren Kosten auch andere Defekte ihrer Gesundheit zu schieben, wie z .B. Magen- und Darmerk1"ankungen, die nur sehr ent- fernte oder gar keine Beziehung zur Cholelithiasis haben, und spreehen dann yon einer ,,miBlungenen" Operation. An erster Stelle stehen natiirlich die Kranken, die fiber Riickkehr der frfiheren Koliken oder /ihnticher klagen. Ats Ursaehe ffir diese Sehmerzen kommen in Frage: w~hrend der Operation fibersehene Steine in den Gi~ngen, neugebildete Steine oder Gallensand. Prozentual sind aber solche Rezidive selten. Viel 6fret h~ngen solche Schmerzen yon Hepatit is und Pankreatit is ab. Eine mehr oder weniger ausgepr~gte Erkrankung der Leber bei Chole- lithiasis gfl~ gegenw/irtig als bewiesen auf Grund bakteriologischer Unter- suchtmgen und teilweise klinischer Angaben: es k6nnen Koliken wegen Hepatit is vorkommen, vor der Operation bestehen und nach der Ektomie

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bestehen bleiben. Ich hatte in meiner Praxis einige Patienten, bei denen die Erkrankung der Leber mit typischen Symptomen von Leberkolik verlief; w~hrend der Operation aber wiesen die extrahepatischen Gallen- wege keine Veri~nderungen auf - - es bestand eine Lebercirrhose. Diese Kranken wurden aus der therapeutischen Klinik, wo sie recht lange unter Beobachtung standen, zur Operation iiberwiesen.

Ebenso auf dem Wege dh'ekter Infektion, wegen Einflie6en yon Galle in den Ductus pancreaticus oder durch die Lymphgefs entsteht eine ehronische Pankreatitis, die auch nach Entfernung der Blase die Quelle fiir Sehmerzen bleiben kann. Bei der Operation werden zuweilen breite Verwachsungen der Blase mit benachbarten Organen (Leber, Duodenum, Pankreas) angetroffen, die auf einen friiheren chronischen oder subakuten entzfindlichen ProzeB hinweisen, wie Verdiekung und Triibung der serSsen Hiille der Leber, Perihepatitis, Periduodenitis, Perigastritis, Pericholeeystitis usw. Sie kSnnen ebenfalls postoperative Sehmerzen hervorrufen, wenn nicht die entfernte Blase die Ursaehe dieser entziindliehen Verwachsung war. Ieh kann nicht die Verwachsungen nach Ektomien allein, mit oder ohne Dri~nierung der BauehhShle, ffir die Rezidivschmerzen verantwortlieh maehen, da sich naeh jeder Lapa- rotomie Verwachsungen bilden und in der Regel nicht yon Schmerzen begleitet werden. Wenn vor der Operation eine Cholangitis bestand, so kSnnen auch nach der Ektomie Schmerzen zuriiekbleiben und zuweilen recht lange bestehen. Jedenfalls habe ieh solche Kranke beobachtet. Schliei~lich sind auch diagnostische Fehler mSglich, welche aueh w~hrend der Operation manchmal nicht aufgedeckt werden, d. h. es werden nicht festgestellt Pankreatitis, Steine im Pankreas, Geschwiire im Duodenum u. a. und nur die Ektomie gemaeht. Selbstverst~ndlich treten in solehen Fs nach den Operationen ,,Rezidivschmerzen" auf.

Ich entdeckte einmal, nachdem die Entfernung der Blase bereits beendet war, ein kleines Ulcus duodeni und muBte die Operation mit einer G.E. abschlieBen.

Alle genannten Ursachen (Hepatitis, Cholangitis, Panlu'eatitis usw.) sind" ffir die Rfickkehr von Schmerzen vom anatomischen Standpunkt aus mehr oder weniger erkl~rend.

Leider gibt es aber noch FMle, die auf diesem Wege nicht erkl~rt werden kSnnen. Hier ger~t man auf den zweifelhaften Grund funktioneller StSrungen im System der Gallenwege. Eine besondere Bedeutung wird dabei den Spasmen des Sphinkter Oddi beigemessen. Es wird versucht, dadureh die Rezidivkoliken zu erkl~ren, wenn bei wiederholten Opera- tionen nach Ektomien in den G~ngen weder Steine noch Strikturen gefunden werden.

Hi~tsmann (1924), Chiray und Pavel (1926) u.a. erkliiren die Rezidive von Koliken mit Summierung feiner l~eize des Nervensystems und nehmen an, dab in

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Einige Richtlinien in der Gallenwegschirurgie. 705

der Entstehung der Leberkolik die Reizbarkeit des vegetativen l~ervensystems die Hauptrolle spielt. Nach der Ansicht dieser Autoren sind die Koliken nach Ektomien von spastischen Kontraktionen der Choledochuswandungen bedingt.

Die Rolle des autonomen Nervensystems wird durch die klinisehe Tatsaehe bests da[~ altes, was imstande ist, Reflexe des vegetativen Systems auszulSsen, auch Koliken hervorrufen kann; so kommen ificht selten Anf~lle yon Leberkoliken vor nach Aufregung, Angst, Zorn, Betriibnis und Unannehmlichkeiten. Zm" selben Gruppe der Erkrankungen mul3 gerechnet werden auch der emotionelle Ikterus, der nach starkem Zorn oder sehwerer Betriibnis eintritt.

Der enge Zusammenhang zwischen den einzelnen Abschnitten des visceralen Nervensystems ermSglicht ein leichteres l~berspringen eines irgendwo in der BauchhShle lokalisierten Reizes auf das Gebiet eines anderen Organs in derselben HShle und sogar auf Entfernung. Dadm'ch kSnnen erkl~rt werden die nicht-typischen Ausstrahlungen yon Schmerzen bei Leberkoliken in die linke Seite der Brust und die linke Schulter oder in die rechte Iliacalgegend und die Leiste. Die Reize aus Entfernung her kSnnen ihrerseits krampfhafte Kontraktionen in den Gallenwegen hervor- rtffen, und diese Kr~mpfe kSnnen also die Folge peripherer und centraler nervSser, sowie psychischer Reize sein. Je niedi'iger die Reizschwelle des Nervensystems bei dem Betreffenden ist, desto eher sind schw~chere Reize imstande, bedeutende funktionelle StSrungen hervorzurufen. Ws beim normalen Menschen mit wenig reizbarem Nervensystem sogar ausgesproehene Reize, wie Steine und entziindliehe Vorg~nge in den Gallenwegen, manchmal kehm typischen Koliken hervorrufen, geniigt bei anderen ~enschen mit labilem Nervensystem eine leichte Stauung in den Gallenwegen, um das Bild eines typisehen Kolikanfalls auszulSsen.

Gegenws ist mit Hilfe der RSntgenoskopie und RSntgenographie festgestellt (Westphal), dab die Leberkolik imstande ist, reflektoriseh spastische Kontraktionen des Magens und Darmes hervorzurufen. Dies l~tBt annehmen, da[3 auch umgekehrt reflektorische Reize von diesen Organen Spasmen in den Gallenwegen bedingen, d.h. die Ursache sogenannter dyskinetischer StSrungen in den letzteren sein kSnnen. Leberkoliken infolge eines solchen viscero-visceralen Reflexes, besonders bei Kranken, die lange an Cholelithiasis litten, bin ich geneigt, nach Ekto- mien noch mit einer besonderen Vorbereitung der Innervation der Gallen- wege fiir die Dm'chleitung von Schmerzempfindungen zu erkl~ren. Inwie- welt ich recht habebei der Erklgrung der Wirkung dyskinetischer StSrungen in den Gallenv~egen liar das Rezidivieren von Schmerzen nach Ektomien, ist wieder eine andere Sache. Ich kann aber an Hand meiner Fglle behaupten, da~ die Kranken, welche an rezidivierenden Schmerzen und Koliken litten und weder Steine noch Strikttn'en in den Gallenwegen

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706 Fedoroff.

hatten, nach Choledochoduodenostomien davon oft befreit wurden. Dies ist fiir mich ein Beweis fiir die MSglichkeit des Erseheinens von l~ezidiv- schmerzen wegen Spasmen des Choledochus oder des Sphincter Oddi.

Die Rezidivschmerzen haben eine grol~e praktische Bedeutung; denn die Patienten sind oft von ihresgleichen oder yon ~rzten fiber die MSglieh- keit eines Wiederkehrens yon Sehmerzen aueh nach Operation unter- riehtet, gehen auf eine solehe nicht ein und lassen sich weiter thera- peutisch behandeln. Dies kann zu einer Verschleppung der Krankheit fiihren und zu Operation in derjenigen Krankheitsperiode, wo sie viel gef~hrlieher sind und zuweilen eine hohe )5ortaliti~t ergeben.

Die Jkrzte mfissen das heute wissen und ihren Patienten raten, sich an den Chirurgen zu wenden vor dem Eintreten von Symptomen, die auf eine Affektion der groBen G~nge hinweisen. Bei einer solchen Taktik wird, glaube ieh, die Gesamtmortalit~t prozentual noch mehr sinken und die Zahl der vollst~ndigen Heilungen steigen.

! Zusammen/assung.

Die Sterblichkeit nach Operationen an Galleawegen betr~gt 9 %, eat- spricht also ungef~hr der des Schrifttums. Sie ist kleiner als die Sterblich- kei~ bei rein koaservativ behandelten Gallensteinerkrankungen (nach den Erfahrungea des Weltschrifttums etwa 15%). Eiagriffe w~hrend des ~Anfalles siad doppelt so gef~hrlich wie in der Zwischeazeit. Die Forderuag einer Friihoperation, eatsprechend der der Appendicitis, ist fibertrieben; dean der Eingriff ist schwerer uad umst~ndlicher als die Appendektomie. Deshalb soll man ws des Anfalles aur im Notfall operieren. Die Sterblichkeit der im jfingeren Alter (bis zu 40 Jahrer~) und der im Inter- vall Operierten betr~gt nur 1--2 %. - - Die schwerste Komplikation ist der Ikterus. Zur Vorbereitung bei Ikterischen hat sieh neben Traubenzucker- Insulin noch Bluttransfusion bews Prim~rer Verschlufl der Bauch- h6hle ist nut dana zul~ssig, wenn Leberbett, Cysticusstumpf und eine etwaige Choledochusnaht lfickenlos peritonealisiert sind und die Papille frei durchg~agig ist. Zur Choledochusdr~nage hat sich das T-Rohr aach Kehr am besten bew~hrt. - - Operationen wegen Gallenfisteln sind schwierig und unsicher, Bew~hrt hat sich eine extraabdominale Gummi- prothese zur Fistelfiberbriickung. Das Verfahren wird eingehead be- schrieben. :dnastomosen der Gallenblase mit Magen oder Darm kommen nur bei Verengerung des Choledochus oder der Papille und beim Carcinom in Frage, nicht bei der sogenanaten Stauungsgallenblase. - - Die Ursache der Rezidivschmerzen ist in eiaer besonderen Ansprechbarkeit des vege- tativen Nervcnsystems auf Reize zu suchen. Die geringsten dyskiaetischen St6rungen fiihren dana zu Schmerzanf~llen.