ehlers danlos syndrom - 20 jahre erfahrungen in diagnostik und klassifikation an der...

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308 Originalarbeit DOI: 10.1111/j.1610-0387.2006.05958.x JDDG |4 ˙ 2006 (Band 4) English online version at www.blackwell-synergy.com/loi/ddg © Blackwell Verlag GmbH • www.blackwell.de • 1610-0379/2006/0404-0308 Keywords classification connective tissue disorders Ehlers-Danlos syndrome electron microscopy Zusammenfassung Hintergrund: Das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) umfasst sechs Haupttypen hereditärer Bindegewebserkrankungen, gekennzeichnet durch ein unter- schiedliches Ausmaß an Hyperelastizität der Haut, Überstreckbarkeit der Ge- lenke sowie Fragilität von Gefäßen und Geweben: klassischer Typ, hypermobiler Typ, vaskulärer Typ, kyphoskoliotischer Typ A/B, Arthrochalasis-Typ A/B, Derma- tosparaxis-Typ. Patienten und Methode: Wir berichten über Diagnostik und Klassifikation des EDS unserer Klinik an über 600 Patienten im Zeitraum von 1984 bis 2004. Ergebnisse: Aufgrund der hiesigen speziellen Expertise wurden vor allem die Typen klassifiziert, die sich durch regelmäßige und differenzielle ultrastruktu- relle Veränderungen an Komponenten des dermalen Bindegewebes, insbeson- dere am Kollagen, auszeichnen (insbesondere klassischer, hypermobiler und vaskulärer Typ sowie Arthrochalasis Typ und Dermatoparaxis Typ). Die mög- lichst eindeutige Zuordnung anhand der Kombination von Klinik und Morpho- logie erleichtert bzw. ermöglicht die Auswahl der molekulargenetisch zu unter- suchenden Kandidatengene. Schlussfolgerung: Außer der Haut, dem Bewegungsapparat und den Gefäßen können viele Organsysteme – beispielsweise Augen und Darm – von den Sym- ptomen des EDS betroffen sein, was eine interdisziplinäre Zusammenarbeit vie- ler Fachrichtungen zwingend erfordert (Pädiatrie, Chirurgie, Orthopädie, Rheu- matologie, Neurologie, Genetik). Da das Bindegewebe der Haut am einfachsten für eine diagnostische Untersuchung zugänglich ist, sollten insbesondere Der- matologen über dieses Krankheitsbild gut informiert sein. Summary Background: The Ehlers-Danlos syndrome encompasses a group of hereditary disorders of the connective tissue, characterized by soft, hyperextensible skin, joint hypermobility and differential fragility of the vessels and tissues with va- riable severity.The main forms are classical, hypermobile, vascular, kyphoscolio- tic A/B, arthrochalasis A/B and dermatosparaxis types. Patients and Methods: We our experiences in diagnosis and classification of Ehlers-Danlos-syndrome, especially with the combination of clinical and mor- phological criteria, at the dermatological department of the University of Hei- delberg with more than 600 patients between 1984 and 2004. Ehlers Danlos Syndrom – 20 Jahre Erfahrungen in Diagnostik und Klassifikation an der Universitäts-Hautklinik Heidelberg Ehlers-Danlos Syndrome – 20 years experience with diagnosis and classification Sylvia Proske,Wolfgang Hartschuh, Alexander Enk, Ingrid Hausser Universitäts-Hautklinik Heidelberg JDDG; 2006 4:308–318 Eingereicht: 20. 7. 2006 | Angenommen: 18. 1. 2006 Schlüsselwörter Ehlers-Danlos-Syndrom Elektronenmikroskopie erbliche Bindegewebserkrankungen Klassifikation

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Page 1: Ehlers Danlos Syndrom - 20 Jahre Erfahrungen in Diagnostik und Klassifikation an der Universitäts-Hautklinik Heidelberg

308 Originalarbeit DOI: 10.1111/j.1610-0387.2006.05958.x

JDDG | 4˙2006 (Band 4) English online version at www.blackwell-synergy.com/loi/ddg © Blackwell Verlag GmbH • www.blackwell.de • 1610-0379/2006/0404-0308

Keywords• classification

• connective tissue disorders

• Ehlers-Danlos syndrome

• electron microscopy

ZusammenfassungHintergrund: Das Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) umfasst sechs Haupttypen

hereditärer Bindegewebserkrankungen, gekennzeichnet durch ein unter-

schiedliches Ausmaß an Hyperelastizität der Haut, Überstreckbarkeit der Ge-

lenke sowie Fragilität von Gefäßen und Geweben:klassischer Typ,hypermobiler

Typ, vaskulärer Typ, kyphoskoliotischer Typ A/B, Arthrochalasis-Typ A/B, Derma-

tosparaxis-Typ.

Patienten und Methode: Wir berichten über Diagnostik und Klassifikation des

EDS unserer Klinik an über 600 Patienten im Zeitraum von 1984 bis 2004.

Ergebnisse: Aufgrund der hiesigen speziellen Expertise wurden vor allem die

Typen klassifiziert, die sich durch regelmäßige und differenzielle ultrastruktu-

relle Veränderungen an Komponenten des dermalen Bindegewebes, insbeson-

dere am Kollagen, auszeichnen (insbesondere klassischer, hypermobiler und

vaskulärer Typ sowie Arthrochalasis Typ und Dermatoparaxis Typ). Die mög-

lichst eindeutige Zuordnung anhand der Kombination von Klinik und Morpho-

logie erleichtert bzw. ermöglicht die Auswahl der molekulargenetisch zu unter-

suchenden Kandidatengene.

Schlussfolgerung: Außer der Haut, dem Bewegungsapparat und den Gefäßen

können viele Organsysteme – beispielsweise Augen und Darm – von den Sym-

ptomen des EDS betroffen sein, was eine interdisziplinäre Zusammenarbeit vie-

ler Fachrichtungen zwingend erfordert (Pädiatrie, Chirurgie, Orthopädie, Rheu-

matologie, Neurologie, Genetik). Da das Bindegewebe der Haut am einfachsten

für eine diagnostische Untersuchung zugänglich ist, sollten insbesondere Der-

matologen über dieses Krankheitsbild gut informiert sein.

SummaryBackground: The Ehlers-Danlos syndrome encompasses a group of hereditary

disorders of the connective tissue, characterized by soft, hyperextensible skin,

joint hypermobility and differential fragility of the vessels and tissues with va-

riable severity.The main forms are classical, hypermobile, vascular, kyphoscolio-

tic A/B, arthrochalasis A/B and dermatosparaxis types.

Patients and Methods: We our experiences in diagnosis and classification of

Ehlers-Danlos-syndrome, especially with the combination of clinical and mor-

phological criteria, at the dermatological department of the University of Hei-

delberg with more than 600 patients between 1984 and 2004.

Ehlers Danlos Syndrom – 20 Jahre Erfahrungen

in Diagnostik und Klassifikation an der

Universitäts-Hautklinik Heidelberg

Ehlers-Danlos Syndrome – 20 years experience with diagnosis and

classification

Sylvia Proske, Wolfgang Hartschuh, Alexander Enk, Ingrid HausserUniversitäts-Hautklinik Heidelberg

JDDG; 2006 • 4:308–318 Eingereicht: 20.7.2006 | Angenommen: 18.1.2006

Schlüsselwörter• Ehlers-Danlos-Syndrom

• Elektronenmikroskopie

• erbliche Bindegewebserkrankungen

• Klassifikation

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auch in anderer Zusammensetzung.Da das Bindegewebe der Haut am ein-fachsten für eine diagnostische Unter-suchung zugänglich ist, sollten insbe-sondere Dermatologen über diesesKrankheitsbild geschult sein. Ultrastruk-turelle Veränderungen an Komponentendes dermalen Bindegewebes wurden füreine Reihe von erblichen Bindegewebser-krankungen, z.B. EDS, Cutis laxa, Pseu-doxanthoma elasticum, etabliert [5, 6].Mit der folgenden Zusammenstellungmöchten wir einen Überblick geben überunsere Erfahrungen bei der Diagnostik vonEhlers-Danlos-Syndrom an der Univer-sitäts-Hautklinik Heidelberg innerhalb dervergangenen 20 Jahre. Der Schwerpunktliegt hierbei auf morphologischen Krite-rien im dermalen Bindegewebe. Weiter-führende molekulargenetische Untersu-chungen sind erst in den letzten Jahren inDeutschland möglich geworden. Voraus-setzung für eine solche kosten- und zeitauf-wändige Analyse ist eine sorgfältige kli-nische und morphologische Untersuchung.

PatientengutVon 1984 bis 2004 untersuchten wirüber 600 Patienten, bei denen die Ver-dachtsdiagnose eines EDS gestellt wor-den war. Bei 213 Patienten erfolgte eineambulante Vorstellung nach einer Über-weisung von Pädiatern, Orthopäden,Humangenetikern und Dermatologen.Seit 1995 stellen sich auch Patienten beiuns vor, die entsprechende Informatio-nen über das Internet und die SelbsthilfeGruppe (www.rheuma-online.de/a-z/eh-lers-danlos-syndrom.html ) erhalten ha-ben. In manchen Fällen ergab sich derVerdacht auf ein EDS im Rahmen derAbklärung anderer dermatologischerFragestellungen. In vier Fällen bestandneben dem EDS eine weitere Genoderma-tose (autosomal-dominante Ichthyosis

Einteilung von I–IX abgelöst hat [2–4](Tabelle 1).Darüber hinaus gibt es weitere, sehr sel-tene Nebentypen (z.B. Typ V, Typ VIII,autosomal-rezessiver Typ mit Tenascin-X-Defizienz), auf die hier nicht nähereingegangen wird. Sie beruhen teilweiseauf Einzelbeschreibungen und sind nurunzureichend charakterisiert. Die einzel-nen Haupttypen werden klinisch auf-grund von Haupt- und Nebensym-ptomen definiert. Da Bindegewebeubiquitär im Körper vorkommt, betref-fen die Symptome des EDS viele Organ-systeme, z.B. die Gefäße, Augen, Darmetc. Viele Patienten durchleben eineOdyssee durch verschiedene ärztlicheFachrichtungen (Pädiatrie, Chirurgie,Orthopädie, Rheumatologie, Neurolo-gie, Genetik). In den meisten Fällenkommt eine endgültige Diagnose dahernur durch intensive interdisziplinäre Ko-operation zustande. Die Kardinalsymptome betreffen dieHaut und das Skelettsystem. Das Binde-gewebe der Haut besteht prinzipiell ausden gleichen biochemischen Bestandtei-len, wie andere bindegewebige und beiEDS besonders betroffene Strukturen,z.B. Gefäßwände, Sehnen, Bänder, wenn

EinleitungDas Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS) sum-miert eine Gruppe hereditärer Bindege-webserkrankungen, die in unterschiedli-chem Ausmaß durch eine Hyperelastizitätder Haut, Überstreckbarkeit der Gelenkesowie Fragilität von Gefäßen und ver-schiedenen Geweben gekennzeichnetsind. Ursächlich sind vor allem genetischeVeränderungen am kollagenen Bindege-webe. Bisher wurden sowohl Mutationenin Strukturgenen für Kollagenketten alsauch Mutationen in Genen von Enzymenidentifiziert, die für die Synthese bzw. denZusammenbau von Kollagenfibrillenverantwortlich sind. Auch Veränderun-gen an nicht-fibrillären Bestandteilen derGrundsubstanz, die für die Funktion desGesamtgefüges der extrazellulären Matrixund damit indirekt auch an der Synthesevon Kollagen beteiligt sind, können eineRolle spielen. Im Tiermodell rufen z.B.Veränderungen von Glykosaminoglyka-nen EDS-ähnliche Symptome hervor. Einseltener EDS-Typ konnte kürzlich mitVeränderungen von Tenascin X, einemweiteren Protein der extrazellulären Ma-trix, korreliert werden [1]. Inzwischen unterscheidet man sechsHaupttypen, die die herkömmliche

Results: We classified those types of EDS which are characterized by regular

and characteristic ultrastructural changes in the components of the dermis, es-

pecially on the collagen (especially classical, hypermobile and vascular types as

well as arthrochalasis and dermatosparaxis types). The combination of clinical

and morphologic features facilitates the choice of molecular genetic candidate

genes for investigation.

Conclusions: Besides the skin, the skeleton and the vessels, many organ

systems – for example the eyes and intestine – can be affected in Ehlers-Danlos

syndrome. Accordingly, interdisciplinary cooperation (pediatrics, surgery, or-

thopedics, rheumatology, neurology, genetics) is necessary. As the connective

tissue of the skin is accessible for biopsy and diagnostic investigation, dermato-

logists should be trained in the diagnostic approach and classification of this

syndrome.

Tabelle 1: EDS Haupttypen.

Table 1: Major types of EDS.

Klassischer Typ / früher Typ I oder II: autosomal dominant

Hypermobiler Typ/ früher Typ III: autosomal dominant

Vaskulärer Typ/früher Typ IV: autosomal dominant

Kyphoskoliotischer Typ A/B früher Typ VIA/B autosomal rezessiv

Arthrochalasis Typ/früher Typ VIIA/B autosomal dominant

Dermatosparaxis/früher Typ VIIC autosomal rezessiv

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vulgaris, dominante dystrophische Epi-dermolysis bullosa, Palmoplantarkera-tose, Hyalinosis cutis et mucosae [7]).

Diagnostik1. KlinikZur Erfassung anamnestischer und klini-scher Daten wird bei uns für den Unter-sucher und/oder Einsender ein standar-disierter Fragebogen verwandt; dieser istin Tabelle 2 abgedruckt. Im Wesentlichen wird die Kardinalsym-ptomatik des EDS eruiert. Diesbezüglichweist die Haut oft eine samtartige, weicheKonsistenz auf und ist typischerweise hy-perelastisch und abhebbar (Abbildung 1).In manchen Fällen kann hier eine Über-schneidung bestehen zur Cutis laxa, derüberschüssigen und nicht elastischenHaut. Die Haut kann leicht verletzlichund eine Neigung zur Ausbildung vonHämatomen nach minimalen Traumataund atrophen, z.T. auch hypertrophenund hyper- oder hypopigmentierten Nar-ben zeigen (Abbildung 2a, b). Insbeson-dere bei der Untersuchung von Kindernmuss auf eine ungewöhnliche Narbenbil-dung im Bereich verletzungsgefährdeterKörperareale (Stirn, Knie, Schienbein)geachtet werden. Die Hyperflexibilität der Gelenke kanndie großen und kleinen Gelenke betref-fen (Abbildung 3) und führt häufig zurLuxation. Ein vermehrtes Auftreten vonGelenkschwellungen bzw. -ergüssen undeine Arthritis bzw. Arthrose (verbundenmit einer Versteifung der Gelenke) im re-lativ frühen Lebensalter sind typischeFolgen. Die Hyperflexibilität ist mit ei-ner vermehrten Instabilität der Gelenkeverbunden, wodurch auch eine verzö-gerte motorische Entwicklung bei Kin-dern resultieren kann.Symptome des EDS, die andere Organebetreffen, sind beispielsweise in Tabelle 3zufinden. Die Ausprägung der Sym-ptome soll mit der Einschätzung + bis +++ graduiert werden.

2. Morphologie des BindegewebeMethode: Zur Diagnosesicherung musseine tiefe Probeexzision entnommenwerden, bei der das gesamte Corium er-fasst wird. Die Beurteilung der Dicke derDermis ist ein Kriterium für die Klassifi-kation des EDS. Bevorzugte Lokalisation

Tabelle 2: Abfrage klinischer Symptomatik.

Table 2: Questionnaire for clinical investigation.

Familienanamnese

Sind bei Familienangehörigen Bindegewebserkrankungen bekannt?

Plötzliche Todesfälle nach arteriellen Blutungen, Darmruptur oderUterusruptur in der Schwangerschaft?

Klinische Symptomatik

– Marfanoider Habitus

Dermatologische Symptome

– Überdehnbarkeit der Haut

– Striae

– Dehnbare Ohrläppchen

– Sehr bewegliche Zunge (an die Nasenspitze?)

– Verletzlichkeit der Haut

– Gestörte Wundheilung

– Narbenbildung

– Dehiszente Narben

– Zigarettenpapiernarben

– Molluskoide, hypertrophe Narben

– Hernien

– Dünne durchscheinende Haut mit deutlicher Venenzeichnung

Orthopädische Symptome

– Überstreckbarkeit der Gelenke

– alle Gelenke betroffen

– kleine Gelenke betroffen

– Dislokalisationen/ Luxationen

– Kyphose/ Skoliose

– Platt-/ Senk-/ Spreizfuß

– Schmerzen in den Gelenken

Ophthalmologische Symptome

– Mikrocornea

– Keratokonus

– Andere opthalmologische Probleme

Andere Symptome

– Spontane Hämatome

– Hämorrhagien

– Muskelhypotonie

– Hoher Gaumen

– Entwicklungsrückstand

– Herzfehler

– Kopfschmerzen

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ist die Oberarm-Außenseite oberhalb desEllenbogengelenkes.Lichtmikroskopie: In der histopatholo-gischen Routineuntersuchung werdenHE-Färbung und Elastica-Färbungdurchgeführt.Elektronenmikroskopie: Zur Sicherungder Diagnose sollte immer eine elektro-nenmikroskopische Untersuchung erfol-gen. Unseres Wissens wird diese Unter-suchung bisher deutschlandweit nur ander Hautklinik der Universität Heidel-berg durchgeführt. Dazu muss das ent-nommene Hautmaterial in eine spezielle

Fixierungslösung gegeben werden [5].Eine Zusendung des Biopsats auf postali-schem Weg ist möglich.Differenzielle ultrastrukturelle Verände-rungen der Kollagenfibrillen ermöglichenin Kombination mit der klinischen Sym-ptomatik eine Zuordnung zu einem ent-sprechend charakterisierten EDS-Typ.

ErgebnisseBei unserem Patientengut im Zeitraumvon 1984 bis 2004 konnten wir an 641Patienten die nachfolgenden Diagnosenstellen (Tabelle 4).

Klassischer Typ221 Fälle wurden aufgrund der klini-schen und morphologischen Befundedem klassischen Typ zugeordnet. Zumklassischen Typ werden die beiden frühe-ren EDS Typen I und II zusammenge-fasst, die prinzipiell gleiche Symptome innur unterschiedlicher Ausprägung auf-weisen [8]. Die Patienten präsentiereneine ausgeprägte Kardinalsymptomatikmit Überbeweglichkeit der Gelenke,weicher und ausgeprägt verletzlicher,überdehnbarer Haut, mit atropher Nar-benbildung. Regelmäßig kommt es zurBildung von molluskoiden Pseudotumo-ren, d.h. Ausbildung sukkulenter Ge-schwulste über druckbelasteten Stellen(Ellenbogen, Knie) sowie piezogenenKnötchen seitlich an den Fersen undKnöchelpolstern („knuckle pads“) sowieHänden und Fußrücken. Oft bestehteine Skoliose, ein Mitralklappenprolapsund eine Varikosis, und in einigen Fällenkam es zu spontanen Arterien- undDarmrupturen. Patientinnen haben ge-legentlich Frühgeburten 4 bis 8 Wochenvor Geburtstermin. Lichtmikroskopisch sind nur in sehrausgeprägten Fällen Veränderungen derArchitektur des dermalen Bindegewebeszu sehen. Dann ist das Bindegewebesehr locker gepackt, die Kollagenfasernhaben stark variierende Größen. Die ela-stischen Fasern liegen in unregelmäßiggroßen Gruppen zusammen. In derElektronenmikroskopie ist der Befund

Abbildung 1: EDS vom klassischen Typ: Hyperelastizität der Haut am Ellenbogen (34jährige Patientin).Figure 1: Ehlers Danlos syndrome of classical type: hyperelasticity of the skin at the ellbow (34-year-old female patient).

Abbildung 2: (a) EDS vom klassischen Typ: Aberrante Narbenbildung und indurierte Schienbeine (4jähriges Kleinkind). (b) EDS vom klassischen Typ:Aberrante und dehiszente Narbenbildung am Knie (50jährige Patientin).Figure 2: (a) Ehlers Danlos syndrome of classical type: aberrant scars and indurated lower legs (4-year-old child). (b) Ehlers Danlos syndrome of classicaltype: aberrant and dehiscent scars at the knee (50-year-old female patient).

a b

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sehr regelmäßig und ausgeprägt. DieKollagenbündel sind teilweise normalkompakt, oft aber auch locker aufge-baut. Innerhalb der Kollagenbündel,insbesondere in der retikulären Dermis,finden sich viele ultrastrukturell verän-derte Einzelfibrillen mit unregelmäßigausgefransten, auch „blümchenartig“genannten Umrissen der normalerweisekreisrunden Querschnitte (compositefibrils) sowie seilartigen, verdrilltenStrukturen im Längsschnitt. Die Größeder Fibrillenkaliber kann dabei starkschwanken. Bei manchen Patienten sinddie veränderten Fibrillen stark ver-größert, bei manchen entsprechen siemehr oder weniger den Kalibern dernormalen Fibrillen, bei manchen schwan-ken die Werte (Abbildung 5a–c). DasAusmaß der morphologischen Verände-rungen korreliert nicht immer mit derklinischen Ausprägung. Auch die Mor-phologie der elastischen Fasern ist oft,aber nicht immer verändert; die Ela-stinkomponente ist dann stark inho-mogen und enthält fokale Kalkeinlage-rungen, die Ränder sind unregelmäßigausgefranst.

Hypermobiler Typ121 Fälle wurden dem hypermobilenTyp zugeordnet. Für den hypermobilenTyp, früher Typ III, ist das vorherr-schende Symptom eine ausgeprägteÜberstreckbarkeit der kleinen undgroßen Gelenke, die häufig zu Luxatio-nen führt [8]. Kongenitale Hüftluxatio-nen kommen jedoch normalerweisenicht vor. Aufgrund der Fehlbelastungder Gelenke sind Gelenkschwellungenund eine frühzeitige Arthritis bzw. Arth-rose häufig. Ein charakteristisches Sym-ptom des hypermobilen Typs sindSchmerzen, weshalb bei chronischenmuskuloskelletalen Schmerzen der Beinedifferenzialdiagnostisch ein EDS in Be-tracht gezogen und eine Überstreckbar-keit der Gelenke überprüft werden sollte[9]. Ausgeprägt sind allgemeine Gelenk-schmerzen – viele Patienten werden vonRheumatologen überwiesen. Die Haut-beteiligung ist vergleichsweise gering.Zwar ist die Haut häufig samtartig weichund überdehnbar, es besteht jedochkeine erhöhte Verletzlichkeit. In wenigenFällen lag ein Aneurysma vor.Lichtmikroskopisch ist das dermale Bin-degewebe völlig unauffällig, Kollagenund Elastika sind regelrecht verteilt.Elektronenmikroskopisch finden sich in

Abbildung 3: EDS vom hypermobilen Typ: Hypermobile Fingergelenke (14jährige Patientin).Figure 3: Ehlers Danlos syndrome of hypermobile type: hypermobile finger joints (14-year- oldfemale patient).

Tabelle 3: Symptome des EDS in anderen Organen.

Table 3: Symptoms of the EDS in other organs.

Organ Symptome des EDS

Darm Hernien, Divertikel, Kolonruptur

Gefäße Aneurysmen, spontane Arterienrupturen

Herz Mitralklappenprolaps

Uterus frühzeitiger Blasensprung, Frühgeburt, Uterusruptur

Augen Mikrocornea, Netzhautblutung, Netzhautablösung.

Knochen Gelenk- und Gliederschmerzen

Tabelle 4: Diagnosen von 641 Fällen aus dem Zeitraum von 1984 bis

2004.

Table 4: Diagnosis of 641 cases between 1984 and 2004.

Typ Anzahl der Fälle

Klassischer Typ / früher Typ I oder II 221

Hypermobiler Typ/ früher Typ III 121

Vaskulärer Typ / früher Typ IV 64

Arthrochalasis-Typ / früher Typ VIIA/B 1

Dermatosparaxis / früher Typ VIIC 1

Keine Zuordnung möglich 101

Ausschluss EDS:

Patienten ohne pathologischen Befund 125

Patienten mit nicht auswertbaren Befunden 7

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der retikulären Dermis regelmäßig einzelneoder mehrere ultrastrukturell veränderteEinzelfibrillen in den ansonsten kompak-ten Kollagenbündeln (Abbildung 6). Dieelastischen Fasern sind morphologischunauffällig.

Vaskulärer TypIn 64 Fällen wiesen die Patienten klini-sche und morphologische Symptome i.S.

eines vaskulären EDS, früher Typ IV,auf. Die Patienten haben eine dünne,durchscheinende Haut, die kaum dehn-bar, sondern eher straff ist, und zeigeneine verstärkte Venenzeichnung überBrust (Abbildung 4), Abdomen und Ex-tremitäten. Aufgrund der Fragilität desGewebes besteht eine leichte Verletzbar-keit von Haut und Gefäßen mit dadurchbedingten zahlreichen Hämatomen nach

minimalen Traumata. Dadurch bedingtgerieten in einzelnen Fällen sogar Part-ner oder Eltern in Missbrauchsverdacht.Die Wundheilung ist verzögert. Mit dergeringen Dicke der Haut ist eine ver-mehrte Faltenbildung verbunden. Da-durch erscheinen die Patienten oft vorge-altert (Akrogerie). Im Gesicht sindschmale Lippen und Nase, eingefalleneWangen und prominente Augen typisch.Die Beteiligung des Gefäßsystems um-fasst Arterien und Venen, verbunden miteinem Risiko für spontane Arterien-rupturen, Blutungen aus Aneurysmata,ausgeprägte Varikosis, aber auch Kolon-ruptur, Spontanpneumothorax, Uterus-ruptur oder frühzeitigen Blasensprung.Die meisten unserer Patienten kamenmit der entsprechenden Anamnese einerRuptur oder ungeklärter Blutungsereig-nisse zur Diagnostik. Die Lebenserwar-tung ist deutlich verkürzt. Von vier unse-rer Patienten ist uns bekannt, dass sieinzwischen an einer Organ- oder Ge-fäßruptur und anschließender innererBlutung verstorben sind. Lichtmikroskopisch ist die Haut meist be-reits auffällig durch ein sehr schmales Co-rium, das sehr locker gepackt sein kannund in dem das Verhältnis von Kollagenund Elastika stark in Richtung Elastikaverschoben ist. Elektronenmikroskopischgibt es keine oder nur ganz vereinzelte„composite fibrils“, am auffälligsten sindstark variierende Kaliber der Kollagenfi-brillen, eine lockere Packung der Bündelund insgesamt oft relativ kleine Kaliberder Einzelfibrillen (Abbildung 7).

Kyphoskoliotischer Typ ADer kyphoskoliotische Typ A, früher TypVIA genannt, ist äußerst selten. An derHautklinik Heidelberg haben wir in denvergangenen 20 Jahren selbst keinen Pa-tienten mit diesem EDS-Typ gesehen,wir erhielten jedoch zwei Einsendungenbiochemisch und molekulargenetisch ge-sicherter Fälle. Ein klinisches Hauptmerkmal diesesTyps ist eine ausgeprägte Skoliose, dieoftmals schon bei der Geburt besteht [8].Die Ursache liegt in der muskulären Hy-potonie und Laxheit der Bänder. AlsKardinalsymptom gilt die Beteiligungder Augen (Netzhautblutungen, Netz-hautablösung, Mikrocornea). Dermato-logisch zeigen sich eine erhöhte Vulnera-bilität der Haut, Hämatome und eineabnorme Wundheilung. Bei den Säug-lingen ist eine verzögerte motorische

Abbildung 4: EDS vom vaskulären Typ: Durchscheinende Venenzeichnung (45jährige Patientin).Figure 4: Ehlers Danlos syndrome of vascular type: prominent veins (45-year-old female patient).

a

Abbildung 5: Elektronenmikroskopisches Bild vom klassischen Typ: (a) Querschnitt eines Kollagen-faserbündel mit aberranten Kollageneinzelfibrillen (Vergr � 33). (b) Längsschnitt von Kollageneinzel-fibrillen mit stark vergrößerten Kalibern (Vergr � 33). (c) Kollagenbündel mit chaotisch angeordne-ten Einzelfibrillen (Vergr � 33).Figure 5: Electron microscopic findings of the classical type: (a) collagen with aberrant collagen fibrils(magnification � 33). (b) collagen with increased caliber (magnification � 33). (c) bundles of colla-gen with chaotic single fibrils (magnification � 33).

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Entwicklung auffällig, Stillen ist oftnicht möglich. Aufgrund des niedrigenMuskeltonus spricht man auch voneinem „floppy infant“. Wie beim vas-kulären Typ kann auch hier das Gefäß-system beteiligt sein. Typisch ist dermarfanoide Habitus. Die Morphologie ist lichtmikroskopischunauffällig, auch elektronenmikrosko-pisch finden sich in den beiden Fällennur milde Veränderungen mit locker ge-packten Kollagenbündel. Die geringeFallzahl bei uns ist auch bedingt durchden eindeutigen biochemischen Nach-weis dieses EDS-Typs.

Arthrochalasis-TypEin Patient litt an Arthrochalasis. DasCharakteristikum dieses EDS-Typs,früher Typ VIIA/B ist die ausgeprägteBeteiligung des Bandapparates und derGelenkkapsel. Dies zeigt sich in einerstarken Überbeweglichkeit der kleinenund großen Gelenke mit konsekutivenLuxationen, u.a. einer konnatale bilate-ralen Hüftluxation. Infolge der Kypho-skoliose und der Hüftluxation sind diePatienten, wie auch im vorliegendenFall, in der Regel klein, die Instabilitätder Gelenke macht sie z.T. rollstuhl-pflichtig.Die Morphologie zeigte lichtmikrosko-pisch keine Auffälligkeiten, elektronen-mikroskopisch dafür um so ausgepräg-ter: praktisch alle Kollageneinzelfibrillensind verändert (Abbildung 8).

Dermatosparaxis-TypErst vor wenigen Jahren wurde beimMenschen das EDS VIIC diagnostiziert[10, 11], heute Dermatosparaxis-Typ ge-nannt. Bisher wurden nur 7 Fälle welt-weit beschrieben, einer davon an unsererKlinik [12, 13]. Das klinische Erschei-nungsbild mit blauen Skleren, Lidöde-men, einer Nabelhernie, ausgeprägterFragilität der Haut und Hyperflexibilitätder Gelenke führt mit dem typischen Be-fund von „hieroglyphenartigen“-Kolla-genfibrillen im Elektronenmikroskopzur Diagnose (Abbildung 9).

Keine Zuordnung möglichKlinische und/oder EM-Befunde von101 Patienten deuteten zwar eindeutigauf eine Bindegewebsstörung im Sinneeines EDS hin, eine Zuordnung zu ei-nem definierten Typ war aber nicht mög-lich. Durch die Überschneidung vonSymptomen kann die Zuordnung zu ei-

nem EDS-Typ oftmals erschwert sein.Die für den jeweiligen EDS-Typ charak-teristischen Symptome müssen nicht beiallen Patienten, insbesondere nicht beiallen Familienmitgliedern, auftreten.Zudem sind die Symptome individuellnicht in jedem Alter gleich stark ausge-prägt. So kann beispielsweise eine Hy-permobilität der Gelenke im jugendli-chen Alter später in eine Versteifung derGelenke übergehen. Für einen Teil derFälle lagen uns keine oder nur unzurei-

chende Informationen über die klini-schen Symptomatik vor, teilweise war dieSymptomatik nicht sehr charakteristischoder die Biopsie nicht adäquat auswert-bar, da sie nur obere Anteile der Dermisenthielt. In manchen Fällen war die Fa-milienanamnese unvollständig bzw. er-gab einen ungewöhnlichen Erbgang. Insolchen Fällen raten wir den Patienten zueiner humangenetischen Beratung mitgenauer Feststellung der klinischen Sym-ptomatik und Familienanamnese, evtl.

b

c

Abbildung 5: Fortsetzung.Figure 5: Continued.

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auch weitergehenden biochemischenoder molekulargenetischen Analysen.

Ausschluss EDSIn sieben Fällen erhielten wir Biopsate,die nicht auswertbar waren (z.B. Zusen-dung in NaCl, shaving biopsy ohne we-sentliche dermale Anteile).

125 Patienten zeigten keine morphologi-schen Veränderungen im dermalen Bin-degewebe. Ein Teil dieser Patientensuchte mit eher diffusen, nicht eindeutigfassbaren und objektivierbaren Sympto-men diagnostischen Rat. Von ärztlicherSeite oder durch patienteneigene Infor-mationen war es zur Verdachtsdiagnose

EDS gekommen, die sich jedoch wederklinisch noch morphologisch bestätigte.Aber auch bei Patienten mit einemdeutlichen Hypermobilitätssyndrom, oftauch familiär bedingt, konnten keineaberranten Kollagenfibrillen oder andereultrastrukturelle Abweichungen nachge-wiesen werden. Hier muss daran erinnertwerden, dass wir nicht die betroffeneStruktur, also Bänder und Sehnen, un-tersucht haben, sondern hofften, mit derUntersuchung des dermalen Bindegewe-bes der Pathogenese der Hypermobilitätmit einem indirekten Ansatz über dasdermale Bindegewebe näher zu kom-men. Es ist denkbar, dass die entspre-chenden speziellen Strukturelemente imGelenk qualitativ verschieden betroffensind. Nicht alle Veränderungen, die zueiner Beeinträchtigung der Funktionführen, müssen außerdem ultrastruktu-rell erkennbar sein. Angesichts derschwierigen Abgrenzung der verschiede-nen, bisher noch nicht optimal definier-ten Hypermobilitätsyndrome haben wiruns in unserer Klassifikation zunächstentschieden, den hypermobilen Typ desEDS mit ultrastrukturellen Kollagenver-änderungen zu assoziieren und die übri-gen Fälle getrennt einzuordnen.

3. Weiterführende UntersuchungenGenerell raten wir den Patienten undihren Familien zu einer humangeneti-schen Beratung, um die familiäre Bela-stung genauer darstellen zu lassen. Beimklassischen Typ, vaskulären Typ und TypVII kann dann von dort aus eine mole-kulargenetische Untersuchung von be-kannten Kandidatengenen veranlasstwerden.

Therapeutische MaßnahmenBei Diagnose eines EDS steht die Auf-klärung des Patienten über dieses Krank-heitsbild und die diagnostische Ab-klärung auch bei Familienmitgliedern alsmögliche Betroffene im Vordergrund.Die erbliche Kondition per se kann nichtgeheilt werden, viele Symptome sind je-doch einer Behandlung zugänglich. Lei-der können die oft entstellenden ausge-dehnten Narbenareale kaum chirurgischversorgt werden. In vielen Fällen ist einegezielte Schmerztherapie angezeigt. Wirraten zu einem Muskelaufbautraining,um damit den bindegewebigen Halteap-parat zu entlasten bzw. seine Dysfunk-tion zumindest teilweise auszugleichen.Geeignet sind sportliche Aktivitäten wie

Abbildung 6: Elektronenmikroskopisches Bild vom hypermobilen Typ: Querschnitt eines Kollagen-bündels mit einzelnen aberranten Fibrillen (Vergr � 33).Figure 6: Electron microscopic findings of the hypermobile type: bundles of collagen with singleaberrant fibrils (magnification � 33).

Abbildung 7: Elektronenmikroskopisches Bild vom vaskulären Typ: Kollagenbündel mit Einzelfi-brillen mit starken Kaliberschwankungen (Vergr � 33).Figure 7: Electron microscopic findings of the vascular type: bundles of collagen with single fibrilswith high variation of caliber (magnification � 33).

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Schwimmen und isometrisches Kraft-training. Von gelenkbelastenden Tätig-keiten wie beispielsweise Ballett, Tur-nen, Squash sowie Kontaktsportartenist dringend abzuraten. RegelmäßigeUltraschall-Kontrolluntersuchungen dergroßen Gefäße sind indiziert, um lebens-bedrohliche Aneurysmata frühzeitig zuerkennen, abhängig vom EDS-Typ auchandere fachärztliche Kontrolluntersu-chungen, z.B. eine opthalmologischeUntersuchung.

DiskussionSeit unserer Pilotstudie von 1994 [5] mit85 Patienten wurden inzwischen 641 Pa-tienten untersucht. Die Patienten kamenoder wurden uns zur Abklärung einerBindegewebsstörung überwiesen. Oftbestand die Frage, ob sich bestimmteSymptome, die ein Kollege einer Fach-richtung eruiert hatte, mit einer be-stimmten systemischen Erkrankung er-klären lassen, ob die Kondition erblichbedingt ist und ob durch elektronenmi-kroskopische Untersuchung des derma-len Bindegewebes Aufschlüsse über diePathogenese möglich sind. Daraus ent-wickelte sich schließlich die Klassifika-tion erblicher Bindegewebserkrankun-gen auf der Basis morphologischerKriterien und die entsprechende Eintei-lung der EDS-Typen anhand klinischerund ultrastruktureller Kriterien. Währendsich z.B. eine Cutis laxa durch differenzi-elle Veränderungen an elastischen Fasernauszeichnet [14], wird die Gruppe derEhlers-Danlos-Syndrome durch Verän-derungen am kollagenen Bindegewebeassoziiert. Bis auf die hieroglyphenarti-gen Kollageneinzelfibrillen des EDS-TypVIIC sind die ultrastrukturellen Verän-derungen an sich nicht spezifisch fürEDS oder für einen definierten Gende-fekt. Vielmehr stellt die Kombinationaus klinischer Symptomatik und mor-phologischen Veränderungen ein Musterdar, anhand dessen eine Klassifikation invielen Fällen erfolgen kann.Die EDS Klassifikation ist für die Patien-ten wesentlich als diagnostische Zuord-nung ihres seltenen und immer noch sel-ten erkannten Krankheitsbildes, für dieFamilienplanung (Erbgang) sowie fürprognostische Aussagen und das weiteretherapeutische Procedere. Für manche Typen sind bereits Kandida-tengene bekannt. Ca. 40–50 % der bis-her untersuchten Fälle von klassischemEDS tragen Mutationen in den Genen

für Kollagen-5-Ketten COL5A1 undCOL5A2 [15, 16]. Dies kann zu Verän-derungen in der Konzentration bzw.elektrophoretischen Mobilität von Kol-lagen V führen und ursächlich an derStörung der Regulation der Fibrillen-dicke sowie des Fibrillenabstands betei-ligt sein. Die bisherigen Untersuchungensprechen jedoch auch für eine weitere ge-netische Heterogenie und weitere Kandi-datengene. Dem vaskulären Typ liegenMutationen im Gen für Kollagen III zu-grunde [17]. Die Position der Mutationin COL3A1 lässt Rückschlüsse auf denklinischen Schweregrad zu [18]. Der ky-phoskoliotische Typ A wird durch Muta-tionen im Gen für Lysylhydroxylaseverursacht, die zu einer biochemisch er-kennbaren verminderten Enzymaktivitätsowie zu einem Hydroxylsinmangelführt [2]; für den Typ B gibt es noch keinKandidatengen. Beim Arthrochalasis-Typ liegen Mutationen in alpha1 (Typ A)oder alpha2 (Typ B)-Ketten von Kol-

lagen 1 vor. Wie in den entsprechendenTiermodellen liegen beim Dermatospa-raxis-Typ Mutationen im Gen für dieProkollagen-N-Protease, ADAMTS2 vor[12]. Für den hypermobilen EDS-Typgibt es bisher noch kein Kandidatengen.Im Tiermodell rufen Veränderungen vonGlykosaminoglykanen ähnliche Sym-ptome hervor. Einige autosomal-rezes-sive Fälle mit Hypermobilität oder auchGewebsfragilität konnten kürzlich mitVeränderungen im Tenascin X-Gehaltund Mutationen im entsprechendenGen korreliert werden [19, 20]. TenascinX ist kein Strukturprotein, sondern einBestandteil der extrazellulären Matrixund moduliert Zell-Matrix-Interaktio-nen sowie bestimmte Zellfunktionen[21]. Die postulierte Rolle bei der Patho-genese des hypermobilen EDS konntenicht bestätigt werden [1]. Entspre-chende Mutationsanalysen werden je-doch bisher zunächst nur auf wissen-schaftlicher Basis durchgeführt. Auch

Abbildung 8: Elektronenmikroskopisches Bild beim Arthrochalasis-Typ: alle Kollageneinzelfibrillenverändert, teilweise stark vergrößerte Kaliber (Vergr � 33).Figure 8: Electronenmicroscopic findings of the arthrochalasis-type: each single collagen fibril chan-ged, higher calibres (magnification � 33).

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Ehlers Danlos Syndrom Originalarbeit 317

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eine Reihe unserer Patienten war an sol-chen Studien erfolgreich beteiligt. Sokonnten klassisches EDS (COLVA1 undCOLVA2-Mutationen) sowie vaskulärerTyp (COL3A1-Mutationen) mit ver-gleichbaren Detektionsraten [22, 23] wiein der Literatur [15, 17, 13] bestätigt wer-den. Typ VIIA mit COL1A1-Mutation[24] und Typ VII mit ADAMTS2-Muta-tion [12, 13] wurden endgültig bestätigt.Im Rahmen einer wissenschaftlichen Ko-operation mit dem molekularbiologi-schen Labor der hiesigen Neurologi-schen Klinik konnten 4 Fälle vonklassischem EDS und zwei Fälle von vas-kulärem EDS molekulargenetisch gesi-chert werden [25, 26]. Erst seit 2003 isteine Analyse auch in Deutschland imRahmen der normalen Krankenversor-gung möglich. Damit das tatsächlicheKandidatengen untersucht wird, istdafür eine möglichst genaue klinischeund morphologische CharakterisierungVoraussetzung. Für genauere Genotyp-Phänotyp-Korrelationen, weiterführendeErkenntnisse über die Pathogenese undeventuelle Therapiekonzepte ist eine

möglichst exakte Untersuchung des Ein-zelfalls bzw. der Familie notwendig. DieErfahrungen haben gezeigt, dass diemorphologische Untersuchung hier ei-nen wesentlichen Beitrag zur „Vorsortie-rung“ leistet. In mehreren Fällen wurdenGene vorschnell sequenziert, die nachErhebung des ultrastrukturellen Befun-des überhaupt nicht als Kandidatengenein Betracht kamen.

ResümeeInsgesamt sind wir bei der Aufklärungund Diagnostik von erblichen Bindege-webserkrankungen im Sinne eines EDSauf die gute Zusammenarbeit mit deno.g. anderen Fachrichtungen angewiesen.Aus unserer Sicht – und wie wir durch dieAkzeptanz vermittelt bekommen, auchaus Sicht der Patienten und Kollegen –hat sich das in 20 Jahren etablierte koor-dinierte Vorgehen bewährt. In der Zu-kunft wird sich das Interesse nicht nurder „reinen“ Diagnostik und Klassifika-tion zuwenden, sondern auch speziellenUntersuchungen zur Pathogenese be-stimmter Symptome und ihrer Behand-

lung. Dies wird wiederum nur im inter-disziplinären Verbund möglich sein.

DanksagungWir danken allen Patienten, einsenden-den und kooperierenden Kollegen, dieunsere Arbeit ermöglichten. Frau Pro-fessor Dr. Ingrun Anton-Lamprecht,ehemalige Direktorin des Instituts fürUltrastrukturforschung der HautklinikHeidelberg, initiierte diesen diagnosti-schen Ansatz und begleitete ihn die er-sten 13 Jahre intensiv. Frau Dr. KarinMayer und Herr Dr. Hans-Georg Kleinaus dem Zentrum für Humangenetik undLaboratoriumsmedizin/Martinried so-wie Herr Dr. Caspar Grond-Ginsbach,Neurologische Klinik des Universitäts-klinikum Heidelberg wurden in denletzten Jahren zu zuverlässigen Partnernhinsichtlich der aufwändigen moleku-largenetischen Analyse. Mit großem In-teresse und finanzieller Unterstützungbegleitete die EDS-Initiative seit 1996unsere Arbeit. <<<

KorrespondenzanschriftDr. med. S. ProskeUniversitäts-HautklinikVoßstraße 2D-69115 HeidelbergTel.: +49-0 62 21-56-70 11Fax: +49-0 62 21-56-54 06E-Mail: [email protected]

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