efas – informationsdienst nr. 7 vom 31. juli 2012 · für einen gut funktionierenden sozialen...

13
Evangelischer Fachverband für Arbeit und soziale Integration Redaktion: Marc Hentschke, Dr. Michael Seligmann Email: [email protected] Absender: EFAS - Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V., Gottfried-Kellerstr. 18 c. 70435 Stuttgart 1 “Sozialer Arbeitsmarkt in den Zeiten zu- sammen gestrichener Budgets“ könnte man diese Ausgabe des EFAS-Informati- onsdienstes -sehr frei an Gabriel Garcia Marquez angelehnt- überschreiben. Da schmale Budgets weder die Grundlage für einen gut funktionierenden Sozialen Arbeitsmarkt bilden, noch auf anderen Wegen ausreichend Arbeitsmarktzu- gänge für die von Exklusion Bedrohten abzusichern in der Lage sind, steht in vielen Papieren zum Sozialen Arbeits- markt die Forderung nach angemesse- nen Budgets über einen Passiv-Aktiv- Transfer an vorderster Stelle. So startet der Informationsdienst diese Ausgabe auch mit einer ersten Abschätzung des BIAJ aus Bremen zu den SGB II – Bud- gets für das kommende Jahr 2013. Den Schwerpunkt bilden verschiedene Pa- piere, Programme und Petitionen rund um einen Sozialen Arbeitsmarkt. Vor allen Akteuren der Arbeitsmarktpo- litik liegen gut ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl heftige Herausforde- rungen: Bei z.T. halbierten Budgets im SGB II vor Ort höhere Eingliederungsquoten erreichen zu sollen Mit ansteigenden Anteilen von Men- schen im SGB II arbeiten zu müssen, die von den Arbeitsmärkten immer weniger aufgenommen werden Verbliebene Gelder für immer weni- ger passende Maßnahmen aufwenden zu müssen Zudem Massenentlassungen und Insolvenzen organisieren zu müssen in einer Branche, die das Ab schon länger kennt und um deren Beschäftigte es der Bundesarbeitsmarktpolitik noch nie ge- gangen ist Letztlich nach zerschlagenen ge- wachsenen Angebotsstrukturen dem qualitativen Verlust mit den noch ver- bliebenen Kurzfristmaßnahmen nicht begegnen zu können Thematisch ins politische Abseits ge- raten zu sein angesichts irreführender Medienberichte über sinkende Arbeits- losenzahlen. Und bei alledem ziehen (zig) Milliarden Euro vorbei zur Rettung des Banken- systems und der Finanzmärkte, arbeits- marktpolitische Verwüstung hinterlas- send. Da passen herbstlich-regnerische Sommertage gut dazu. EFAS – Informationsdienst Nr. 7 vom 31. Juli 2012 Inhalt 1. Abwärts: Vorläufige Verteilung für 2013 eines weiter sinkenden SGB II - Budgets 2. Lichtblick I: Landkreistag besteht auf Sozialem Arbeitsmarkt 3. Lichtblick II: NRW schreibt Modellprojekte zu Sozialem Arbeitsmarkt aus 4. Lichtblick III: Berlin plant Sozialen Arbeitsmarkt politisch ein 5. Lichtblick IV: Caritas hat Sozialen Arbeitsmarkt und Sozialunternehmen zusam- mengebracht 6. Lichtblick V: Einstimmiger Kreistagsbeschluss aus dem hohen Norden fordert Merkel zu Sozialem Arbeitsmarkt auf 7. Klargelegt: Wer näher am Arbeitsmarkt ist, ist schneller drin – IAB zu AGH MAE und Entgelt 8. Gezwungen langsam: Thüringens Sozialgerichte, auch in 2011 überlastet und unterausge- stattet, beschäftigt mit fehlerhaften Bescheiden im SGB II 9. O-Ton I: Bei der Jobsuche ist arbeitslos nicht gleich arbeitslos 10. O-Ton II: Fast 16 Prozent der Deutschen von Armut bedroht, das sind fast 13 Millionen Menschen 11. O-Ton III: Bürgerarbeit: Zielgruppen profitie- ren unterschiedlich 12. O-Ton IV: Rückgang der Arbeitsmarktpolitik in allen Förderbereichen 13. Hinweise I: Mindestlohn Weiterbildung offiziell 14. Hinweise II: Gesundheitsförderung bei Arbeits- losen 15. EFAS intern I: „Gegenwart gestalten - Zukunft gewinnen“. Fachtag und Mitglie- derversammlung 27./28.9.2012 in Erfurt 16. EFAS intern II: Neue Geschäftsführung

Upload: others

Post on 22-Jul-2020

1 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: EFAS – Informationsdienst Nr. 7 vom 31. Juli 2012 · für einen gut funktionierenden Sozialen Arbeitsmarkt bilden, noch auf anderen Wegen ausreichend Arbeitsmarktzu-gänge für

Evangelischer Fachverband fürArbeit und soziale Integration

Redaktion: Marc Hentschke, Dr. Michael Seligmann Email: [email protected] Absender: EFAS - Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V., Gottfried-Kellerstr. 18 c. 70435 Stuttgart 1

“Sozialer Arbeitsmarkt in den Zeiten zu-sammen gestrichener Budgets“ könnte man diese Ausgabe des EFAS-Informati-onsdienstes -sehr frei an Gabriel Garcia Marquez angelehnt- überschreiben. Da schmale Budgets weder die Grundlage für einen gut funktionierenden Sozialen Arbeitsmarkt bilden, noch auf anderen Wegen ausreichend Arbeitsmarktzu-gänge für die von Exklusion Bedrohten abzusichern in der Lage sind, steht in vielen Papieren zum Sozialen Arbeits-markt die Forderung nach angemesse-nen Budgets über einen Passiv-Aktiv-Transfer an vorderster Stelle. So startet der Informationsdienst diese Ausgabe auch mit einer ersten Abschätzung des BIAJ aus Bremen zu den SGB II – Bud-gets für das kommende Jahr 2013. Den

Schwerpunkt bilden verschiedene Pa-piere, Programme und Petitionen rund um einen Sozialen Arbeitsmarkt.Vor allen Akteuren der Arbeitsmarktpo-litik liegen gut ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl heftige Herausforde-rungen: ■■ Bei z.T. halbierten Budgets im SGB

II vor Ort höhere Eingliederungsquoten erreichen zu sollen■■ Mit ansteigenden Anteilen von Men-

schen im SGB II arbeiten zu müssen, die von den Arbeitsmärkten immer weniger aufgenommen werden■■ Verbliebene Gelder für immer weni-

ger passende Maßnahmen aufwenden zu müssen■■ Zudem Massenentlassungen und

Insolvenzen organisieren zu müssen in

einer Branche, die das Ab schon länger kennt und um deren Beschäftigte es der Bundesarbeitsmarktpolitik noch nie ge-gangen ist■■ Letztlich nach zerschlagenen ge-

wachsenen Angebotsstrukturen dem qualitativen Verlust mit den noch ver-bliebenen Kurzfristmaßnahmen nicht begegnen zu können■■ Thematisch ins politische Abseits ge-

raten zu sein angesichts irreführender Medienberichte über sinkende Arbeits-losenzahlen.Und bei alledem ziehen (zig) Milliarden Euro vorbei zur Rettung des Banken-systems und der Finanzmärkte, arbeits-marktpolitische Verwüstung hinterlas-send. Da passen herbstlich-regnerische Sommertage gut dazu.

EFAS – Informationsdienst Nr. 7 vom 31. Juli 2012

Inhalt1. Abwärts:

Vorläufige Verteilung für 2013 eines weiter sinkenden SGB II - Budgets

2. Lichtblick I: Landkreistag besteht auf Sozialem Arbeitsmarkt

3. Lichtblick II: NRW schreibt Modellprojekte zu Sozialem Arbeitsmarkt aus

4. Lichtblick III: Berlin plant Sozialen Arbeitsmarkt politisch ein

5. Lichtblick IV: Caritas hat Sozialen Arbeitsmarkt und Sozialunternehmen zusam-mengebracht

6. Lichtblick V: Einstimmiger Kreistagsbeschluss

aus dem hohen Norden fordert Merkel zu Sozialem Arbeitsmarkt auf

7. Klargelegt: Wer näher am Arbeitsmarkt ist, ist schneller drin – IAB zu AGH MAE und Entgelt

8. Gezwungen langsam: Thüringens Sozialgerichte, auch in 2011 überlastet und unterausge-stattet, beschäftigt mit fehlerhaften Bescheiden im SGB II

9. O-Ton I: Bei der Jobsuche ist arbeitslos nicht gleich arbeitslos

10. O-Ton II: Fast 16 Prozent der Deutschen von Armut bedroht, das sind fast 13 Millionen Menschen

11. O-Ton III: Bürgerarbeit: Zielgruppen profitie-ren unterschiedlich

12. O-Ton IV: Rückgang der Arbeitsmarktpolitik in allen Förderbereichen

13. Hinweise I: Mindestlohn Weiterbildung offiziell

14. Hinweise II: Gesundheitsförderung bei Arbeits-losen

15. EFAS intern I: „Gegenwart gestalten - Zukunft gewinnen“. Fachtag und Mitglie-derversammlung 27./28.9.2012 in Erfurt

16. EFAS intern II: Neue Geschäftsführung

Page 2: EFAS – Informationsdienst Nr. 7 vom 31. Juli 2012 · für einen gut funktionierenden Sozialen Arbeitsmarkt bilden, noch auf anderen Wegen ausreichend Arbeitsmarktzu-gänge für

Evangelischer Fachverband fürArbeit und soziale Integration

Redaktion: Marc Hentschke, Dr. Michael Seligmann Email: [email protected] Absender: EFAS - Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V., Gottfried-Kellerstr. 18 c. 70435 Stuttgart 2

1. Abwärts: Vorläufige Verteilung für 2013 eines weiter sinkenden SGB II - BudgetsEnde Juni hat die Bundesregierung ih-ren Entwurf für den Bundeshaushalt 2013 vorgelegt und beschlossen. Damit ist –vorbehaltlich nicht zu erwartender parlamentarischer Erhöhungen- der Eckpunkt für das Eingliederungsbudget im SGB II für das Jahr 2013 festgelegt worden. Für die regionalen Budgets zur Umsetzung des SGB II vor Ort sind für 2013 3,315 Milliarden Euro zu erwarten. Zusätzlich gibt es weitere 585 Millionen Euro, die durch die Bundesprogramme „Beschäftigungspakte für Ältere“, „Kom-munalkombi“ sowie die Beschäftigungs-phase von „Bürgerarbeit“ (s.u. O-Ton IV) an die jeweilige Umsetzung gebunden sind.Das BIAJ aus Bremen hat die 3,315 Milliarden Euro, dem bisherigen Vertei-lungsschlüssel folgend, auf die einzel-nen Jobcenter verteilt. Ob sich dieser Verteilungsschlüssel für 2013 ändern wird, ist nicht anzunehmen, da er auch in den vergangenen Jahren gleich geblie-ben ist. Im Ergebnis sind weitere große Kürzungen gegenüber 2012 zu verzeich-nen. Besonders dramatisch fallen sie im Vergleich zum Jahr 2010 aus. In der Un-terlage aus dem BIAJ sind sie für das ei-gene Jobcenter nachzuschlagen. (12 S. hier laden BIAJ_sgb2-Prognose_2013.pdf)■■ Weiterer Rückgang um durchschnitt-

lich 12,3% gegenüber dem SGB II – Budget in 2012■■ Das JC Reinickendorf in Berlin

(Grundsicherungsquote 19%) ist bereits auf dem niedrigen Niveau angekommen und verliert nur noch einmal 2,2%. Das JC Unterallgäu in Bayern verliert bei einer nahezu unterirdischen Grundsi-cherungsquote von 1,2% für 2013 knapp über 30% seines Budgets 2012 auch auf Grund zurück gehender Hilfebedürftig-keit.■■ Bei den Großstädten geht das Budget

in der Optionszone Stuttgart noch ein-mal um gut 15% gegenüber 2012 zurück, in Hamburg und Hannover um 11%, in Köln um 10% und in Berlin insgesamt nur um rund sechseinhalb Prozent.■■ Bei den Bundesländern verlieren

Sachsen, Baden-Württemberg und Ba-yern in 2013 zwischen 16 und 18% des Landesanteils 2012. ■■ Vergleicht man die Budgets in 2010

mit denen in 2013, also keine vier Jahre später dann, beläuft sich der Einbruch auf bundesdurchschnittlich fast 50% (47,8%). Bei den Bundesländern zwi-schen einem Rückgang von 41% bzw. 42,5% in Bremen und Berlin bis hin zu 56% in Thüringen und 54% in Sachsen.

■■ Bei den einzelnen JC bewegt sich der Rückgang von 2010 auf 2013 zwischen 35% im JC Kleve (NRW)

und 67% im JC Weißenburg-Gun-zenhausen (Bayern).

■■ Von dem niedrigeren Eingliederungs-budget werden von vielen Jobcentern noch hohe Volumen in den Verwal-tungshaushalt transferiert. In den letz-ten Jahren waren es teilweise 20% des Budgets. Bei nicht gesunkenen Verwal-tungsaufgaben, den Tarifsteigerungen bei Mitarbeitenden der Jobcenter, muss damit gerechnet werden, dass es noch-mals prozentual in 2013 mehr werden.

Kommentar:

Die drastische Sparpolitik ist oft ge-nug kommentiert worden. In vier Jah-ren durchschnittlich die Hälfte eines Budgets weggenommen zu bekom-men, um eine (weitgehend) gleich bleibende Zahl von Menschen in ei-nem jedes Jahr steigendem Maße in einen für die Übrigbleibenden immer verschlosseneren Arbeitsmarkt zu integrieren, wird selbst überzeugten Studierenden der Volkswirtschafts-lehre an Eliteuniversitäten so absurd erscheinen wie es ist.

2. Lichtblick I: Landkreistag besteht auf Sozialem ArbeitsmarktDas Präsidium des Deutschen Land-kreistags hat auf vier Seiten klar Position bezogen für die Einführung eines Sozia-len Arbeitsmarktes (hier laden DLTPosi-tionSozialerArbeitsmarkt.pdf):■■ Mehr als 3 Millionen sind im SGB II

– Langzeitbezug (also mind. 21 Monate in den letzten 24 Monaten). „Diese rela-tiv große Personengruppe kann mit den sonst überwiegend eingesetzten kurz-zeitigen Maßnahmen oder mit Qualifizie-rung nicht in Arbeit integriert werden.“■■ Die aktuelle Ausgestaltung der Instru-

mente im SGB II für öffentlich geförderte Beschäftigung stellen Fehlanreize. Sie führen „zu relativ marktfernen Tätig-keiten, bei denen die Perspektive auf un-

geförderte und markt-gängige Beschäf-tigung schwer umgesetzt werden kann.“■■ Besser sei es, in jedem Einzelfall fest-

zulegen, „welches Ziel [mit der öffentlich subventionierten Beschäftigung] verfolgt werden soll. Im weiteren Verlauf gilt es dann zu überwachen, ob die zugrunde gelegten Annahmen richtig waren oder ob Anpassungsbedarf besteht.“ Es sollte „stärker die individuelle Sinnhaftigkeit der Tätigkeit und ein konkretes öffentli-ches Interesse an dem Ergebnis geför-derter Tätigkeit in den Vordergrund ge-rückt werden. Auf diese Weise könnten vor allem strukturell wertvolle und lang-fristig im Einzelfall vor Ort sinnvolle Tä-tigkeiten durch öffentlich geförderte Be-

schäftigung unterstützt werden.“■■ Die Zusätzlichkeit sollte aufgegeben

werden zu Gunsten einer „sinngemäßen Bewertung vor Ort in Bezug auf den Wettbewerb als unproblematisch und dem Gemeinwohl zuträglich.“ Dies sollte im Dialog mit Kommune und lokaler Wirtschaft festgelegt werden können.■■ Die Nutzung sollte für alle Unterneh-

men möglich werden. So können dem Gegenargument der befürchteten Wett-bewerbsverzerrung entgegen getreten werden. Eine solche Ausgestaltung sollte erprobt werden. Der Landkreistag rechnet aber indirekt damit, dass sich letztlich noch am ehesten Sozialunter-nehmen auf den Sozialen Arbeitsmarkt

Page 3: EFAS – Informationsdienst Nr. 7 vom 31. Juli 2012 · für einen gut funktionierenden Sozialen Arbeitsmarkt bilden, noch auf anderen Wegen ausreichend Arbeitsmarktzu-gänge für

Evangelischer Fachverband fürArbeit und soziale Integration

Redaktion: Marc Hentschke, Dr. Michael Seligmann Email: [email protected] Absender: EFAS - Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V., Gottfried-Kellerstr. 18 c. 70435 Stuttgart 3

einlasen würden. „In diesem Fall wäre aber durch die Erprobung erwiesen, dass die ordnungspolitischen Sorgen und die Befürchtungen vor den Wir-kungen öffentlich geförderter Beschäfti-gung sich in weiten Teilen nicht erfüllen. Für die weitere Ausgestaltung könnte diese Erkenntnis hilfreich sein.“■■ Der Passiv-Aktiv-Tausch wird befür-

wortet.■■ „Öffentlich geförderte Beschäftigung

kann und soll nach Möglichkeit nur zeit-weise und nachrangig eingesetzt wer-den.“■■ Ein solches Instrument bedarf „aus-

kömmlicher Mittel“.■■ Sie sollte auch für die Tagesstruktu-

rierung nutzbar werden.

Kommentar:

Inhaltlich ist an dem Positionspa-pier bemerkenswert, dass die Finan-zierungsfrage in Richtung auf einen Passiv-Aktiv-Tausch fokussiert wird und eine echte Integration des So-zialen Arbeitsmarktes in die lokale Wirtschaft eingefordert wird. Die Zu-sätzlichkeit soll fallen, die Wettbe-werbsverzerrung durch einen Wett-bewerb um die richtige Förderung der Zielgruppe, die allen Unternehmen offen steht, ersetzt werden. Im Vorfeld des aufziehenden Bundestagswahl-kampfes hat sich dieser, insbeson-dere auch in der CDU gut verankerte, Kommunalverband eindeutig positiv positioniert. Das geht sicherlich auf die wachsende sozialpolitische Nähe durch die vielen Optionskommunen

zurück, die innerhalb der Gremien des Landkreistages oftmals sehr ak-tiv auftreten. Wie weit diese engagier-te Offenheit aber auch den Einbezug der eigenen kommunalen Haushalte in die Mitfinanzierung solcher Arbeit bedeuten darf und nicht nur das rich-tige Fordern erweiterter Bundesbud-gets für die Arbeit vor Ort, kann nur gemutmaßt werden. Die Bereitschaft zum Einsatz der KdU bzw. der poten-tiell einzusparenden Unterkunftskos-ten für die Mitfinanzierung wird aber angedeutet. Weitergehende Beglei-tung etwa aus dem SGB VIII oder aus dem SGB XII (je nach Konstellation) sowie durch kommunal finanzierte Beratung wäre in vielen Fällen sinn-voll und nötig, bleibt aber in diesem Papier noch offen.

3. Lichtblick II: NRW schreibt Modellprojekte zu Sozialem Arbeitsmarkt ausSeit Ende Juli ist es soweit. Das an dieser Stelle als politisches Papier bereits vor-gestellte öffentlich geförderte Beschäf-tigungsprogramm in NRW startet mit einem Interessenbekundungsverfahren. (zu den politischen Papieren im Vorfeld s. EFAS-Informationsdienst v. 30.6.2012 S. 3, 15.9., 31.8. und 20.4.2011, S.11) Bis zum 20. September 2012 sollen Projekt-anträger über die NRWspezifische Lan-desstruktur der Regionalagenturen ein-gereicht werden. Über die Anträge wird direkt im Ministerium unter Beteiligung der Regionaldirektion entschieden und Start ist dann ab Januar 2013. Wenn der Aufruf eine gute Resonanz findet, soll es im Laufe des Jahres 2013 eine Fortset-zung geben können. (10 S. in zwei Doku-menten in einer Datei hier laden NRW-SozialerArbeitsmarktProgramm2012.pdf)■■ Gefördert wird mit dem Ziel, „das

Arbeit statt Arbeitslosigkeit sowohl er-folgreich machbar als auch finanzierbar ist, wenn passive Transferleistungen in aktive und individuell angepasste För-derwege umgewandelt werden.“ „Darü-ber hinaus sollen Erkenntnisse generiert werden, wie Integrationsfortschritte für diese Zielgruppe erreicht und doku-mentiert werden können, wie durch eine

systematische Verknüpfung mit kom-munalen Leistungen die Reintegration nachhaltig unterstützt werden kann und für welchen Personenkreis ein über die bestehenden gesetzlichen Reglungen hinausgehender Minderleistungsaus-gleich in welcher Form erforderlich ist. Die Erkenntnisse sollen des Weiteren auch Grundlage für eine künftige In-strumentenreform auf Bundesebene sein, insbesondere im Hinblick auf einen Passiv-Aktiv-Transfer und eine sinnvolle Begleitung der Beschäftigung.“■■ Individuelle Voraussetzungen: Lang-

zeitbezug SGB II (mind. 21 Monate in 24 Monaten), aufgrund individueller „Vermittlungshemmnisse auch bei guter Wirtschaftslage“ nicht unmittelbar in ein nicht gefördertes Arbeitsverhältnis ver-mittelbar aber mit mittelfristigen „Ent-wicklungspotenzialen“.Bestandteile eines Modellprojektes sollen sein: ■■ Profiling/ Kompetenzfeststellung:■■ „Ein wesentliches Element der Mo-

dellprojekte ist die passgenaue Teil-nehmenden-Auswahl und gezielte Be-gleitung ihrer beruflichen Entwicklung während der gesamten Projektphase. [...]Ziel ist das Erreichen von Integrati-onsfortschritten sowie deren Feststel-

lung und zweckmäßige und transpa-rente Dokumentation.“■■ Qualifizierung:■■ Im Laufe der geförderten Beschäfti-

gung sind tätigkeitsbegleitende Qualifi-zierungen möglich. ■■ Coaching■■ „Das Coaching wird inhaltlich als

Kombination aus individueller Hilfe zur Bewältigung verschiedener Anliegen und persönlicher Beratung auf der Pro-zessebene definiert. In einer solchen Prozessberatung unterstützt der Coach insbesondere die Entwicklung eigener Lösungsvorschläge durch den Gecoach-ten.“ Zusammenarbeit mit Integrations-fachkräften des JC sowie den kommu-nalen Leistungen des SGB II §16a sind gefordert.■■ Verknüpfung mit kommunalen Leis-

tungen■■ Bestandteil soll die Erprobung einer

„systematischen Verknüpfung“ mit den kommunalen Leistungen des SGB II so-wie weiteren kommunalen Angeboten sein. (Letter of intent bei Antragstellung)■■ Minderleistungsausgleich und Inve-

stitionen■■ Lohnkostenzuschuss durch das Job-

center nach §16e SGB II. Zur Ergän-zung sollen die eingesparten passiven

Page 4: EFAS – Informationsdienst Nr. 7 vom 31. Juli 2012 · für einen gut funktionierenden Sozialen Arbeitsmarkt bilden, noch auf anderen Wegen ausreichend Arbeitsmarktzu-gänge für

Evangelischer Fachverband fürArbeit und soziale Integration

Redaktion: Marc Hentschke, Dr. Michael Seligmann Email: [email protected] Absender: EFAS - Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V., Gottfried-Kellerstr. 18 c. 70435 Stuttgart 4

Leistungen der Kommune (KdU) dienen, auch für ungedeckte Sach- und Be-triebskosten sowie Investitionskosten.■■ Dauer der Förderung■■ Zunächst bis zu 24 Monate. In Einzel-

fällen will das Land prüfen ■■ Evaluation und Begleitung■■ „Die Antragsteller müssen sich an

dem begleitenden Monitoring und der begleitenden Evaluation beteiligen. Die fachliche Begleitung inklusiv Monito-ring der Modellprojekte erfolgt durch die G.I.B. Die Modellprojekte werden auf der Basis einer Ausschreibung durch das MAIS im Rahmen einer wissenschaftli-chen Begleitung evaluiert.“

Kommentar:

In NRW ist das Landesprogramm so angelegt worden, dass im ers-ten Schritt die passiven Leistungen der Kommunen im Rahmen der Un-terkunftskosten als finanzieller De-ckungsbeitrag mit eingebracht wer-den kann. Darüber hinaus werden die Programmlücken zu 50% mitfinan-ziert, die seit der Instrumentenreform auf jeden Fall nicht mehr Bestandteil des §16e SGB II sind. Die fehlenden 50% sind über den kommunalen An-teil zu decken oder aber im Rahmen

der Tätigkeit der Person zu erwirt-schaften. Schließlich bindet sich das Programm zusätzlich an einen Lohn-kostenzuschuss, der durch das Job-center zu erbringen ist.

Angesichts der nur noch niedrigen Budgets im SGB II ist das aber auch die Krux des Ganzen. Allerdings ist das durch ein Bundesland auch nicht aufzuheben. Daher wird das gesamte Programm als politischer Feldversuch angelegt, der auf eine Änderung im Bund nach der nächs-ten Bundestagswahl abhebt. Die zwei Jahre bis dahin sollen umfangreich wissenschaftlich begleitet und evalu-iert werden. Das ist sicherlich sinn-voll. Erkenntnisse sind aber bis Ende 2013, also nach den ersten 12 Mona-ten nicht in dem Maße zu erwarten, wie die Zielsetzung es erwarten lässt. Über die Finanzierbarkeit lassen sich keine wirklich belastbaren Aussagen machen, außer denen, die jetzt schon zu machen wären: Wenn es Geld gibt vor Ort im Jobcenter und auch den politischen Willen, kommunales Geld einzusetzen, dann ist Geld vor-handen, dass man einsetzen kann. Wenn zunächst vorrangig öffentliche und gemeinnützige Organisationen

angesprochen werden sollen, diese aber im Konkursverfahren oder im strukturell tiefgreifenden Umbau sind (gemeinnützige) oder in der finanzi-ellen Konsolidierung angesichts der greifenden Schuldenbremse (Kom-munen) und sich deshalb irgendwie nicht oder nicht engagiert genug fin-den, dann kann so ein Programm da-ran nichts ändern. Es sagt aber auch nichts über den Programmansatz aus.

Nützlich wird das Programm an den Stellen sein, wo sich arbeitsmarkt-politisch erfahrene soziale Unterneh-men finden, die Geld und Ressourcen haben, strategisch zu investieren und auf eine passende Mehrheit im Bund nach Ende 2013 bauen. Eine große Koalition wird auch zukünftig kaum in größerem Umfang Bundesmittel bereitstellen wollen. Ob eine rotgrüne Bundesregierung dazu Willens und in der Lage sein wird, muss sich eben-falls erweisen. Politische Absichts-erklärungen in der Opposition oder auf Ebene von Bundesländern sind sicherlich hilfreich, reichen aber ge-nauso sicherlich nicht aus.

4. Lichtblick III: Berlin plant Sozialen Arbeitsmarkt politisch einDer Berliner Senat hat sich im Juli ein arbeitsmarktpolitisches Rahmenpro-gramm für die Jahre bis 2016 gegeben „BerlinArbeit“. Als Ziele sollen erreicht werden: „Die Zahl der Erwerbslosen in Berlin zu senken, Gute Arbeit als Grund-prinzip durchzusetzen, Berlin zu einem TOP-Standort mit guten Fachkräften wei-ter zu entwickeln und das Zusammen-spiel der Akteure zu verbessern, um die Wirksamkeit der Mittel zu erhöhen.“(S. 2) Konkret sollen die Arbeitslosenzahlen von aktuell ca. 228.000 auf 200.000 und die Jugendarbeitslosigkeit auf unter 10% gesenkt werden. (S. 7) Beschrieben werden in dem Papier sechs Handlungsfelder, in denen der Se-nat aktiv werden will. Ein Teil des ersten Handlungsfeldes „Gemeinsames Rah-men-Arbeitsmarktprogramm“ von Senat und Regionaldirektion ist die Neuorien-

tierung der öffentlichen Beschäftigung. (20 S. hier laden Berlinarbeit.pdf) ■■ Begleitendes Coaching für Arbeits-

aufnahmen „im Rahmen der Berliner Joboffensive, der Arbeitsaufnahme von marktferneren Arbeitslosen und der Auf-nahme einer Beschäftigung in mit Ein-gliederungszuschüssen oder nach § 16e SGB II geförderten Arbeitsverhältnissen in Betrieben“ jeweils 6-12 Monate lang. ■■ Lohnkostenzuschuss für die Einstel-

lung Arbeitsloser bei Neugründungen■■ Förderung von Qualifizierungsange-

boten im Rahmen öffentlich geförderter Beschäftigung (außerhalb der Arbeits-zeiten). ■■ Öffentlich geförderte Beschäftigung:

„Stärker als bisher wird künftig im Vor-dergrund stehen, dass die Maßnahmen der öffentlich geförderten Beschäfti-gungsmaßnahmen dazu dienen, die

Chancen auf Integration in den regu-lären Arbeitsmarkt zu erhöhen. Hierzu tragen auch zusätzliche Coaching-und Qualifizierungsangebote für die Be-schäftigten bei. Bei der Auswahl der geförderten Beschäftigungsfelder ist der Nutzen der Tätigkeit für die Allgemein-heit ein wichtiges, aber kein zentrales Kriterium. Zu beachten ist auch, dass geförderte Beschäftigungsmaßnahmen bei gemeinnützigen Trägern keine regu-lären Beschäftigungsverhältnisse ver-drängen dürfen.“■■ Dauerhafte Förderung: „Hier müssen

neue Wege – durch den Bundesgesetz-geber – gefunden werden, um diesen Menschen gesellschaftliche Teilhabe, Zugehörigkeit und Anerkennung durch „Arbeit“ zu ermöglichen.“ (S. 12ff.) Im Rahmen des weiteren Programms stehen die vertiefte Berufsorientierung,

Page 5: EFAS – Informationsdienst Nr. 7 vom 31. Juli 2012 · für einen gut funktionierenden Sozialen Arbeitsmarkt bilden, noch auf anderen Wegen ausreichend Arbeitsmarktzu-gänge für

Evangelischer Fachverband fürArbeit und soziale Integration

Redaktion: Marc Hentschke, Dr. Michael Seligmann Email: [email protected] Absender: EFAS - Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V., Gottfried-Kellerstr. 18 c. 70435 Stuttgart 5

eine verstärktes Monitoring des Über-gangs Schule-Beruf insgesamt sowie die Fortführung einzelner Senatsmaßnah-men in dem Bereich. (S. 14f.) Darüber hinaus will der Senat eine gesamtstädti-sche Steuerung in der Arbeitsmarktpoli-tik erreichen. Dabei soll als Land u.a. auf die Zielvereinbarung (im SGB II) gesetzt werden. (S. 16) Intensiviert werden soll die Förderung von Personen (insbeson-dere U25) mit Migrationshintergrund.

Kommentar:

Auch der Berliner Senat verweist für die öffentliche geförderte Beschäf-

tigung vorrangig auf den Bund. Aus ESF-/Eigenmitteln soll dabei das mit-finanziert werden, was auch in NRW vorgesehen ist. Die Kernförderung soll aber nur aus §16e SGB II kom-men. Vom Einsatz kommunaler Mittel aus eingesparter KdU ist nicht die Rede. Damit macht sich das Land stärker vom Bund abhängig als z.B. NRW.

Interessant aber ist der deutlich for-mulierte Anspruch, die gesamten Mittel der Arbeitsförderung (zumin-dest des SGB II) steuern zu wollen. Angesichts superleerer Kassen ein

Muss, das aber in anderen Bundes-ländern bislang so nicht erkannt und auch so noch nicht formuliert worden ist. Spannend wird es sein, die wei-teren Schritte in diesem Bereich zu verfolgen. Gelingt es dem Senat, die Budgets im SGB II wesentlich inhalt-lich mitplanen zu können und steigen diese dann in mittlerer Zukunft wieder auf das Niveau von 2010 (und höher), dann böte das tatsächlich eine tief-greifende Einstiegschance in die öf-fentlich geförderte Beschäftigung.

5. Lichtblick IV: Caritas hat Sozialen Arbeitsmarkt und Sozialunternehmen zusammengebrachtIm Jahr 2008 startete das Caritas-Pro-jekt „Sozialer Arbeitsmarkt der Zukunft – Inklusion oder Exklusion?“, finanziert aus Mitteln der Glücksspirale. An 12 Standorten (7 x NRW, 2 x Bayern, je 1 x Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Niedersachsen) wurden Projekte und die sie tragenden Unternehmen ausge-wählt, die Qualifizierung und Beschäf-tigung mit benachteiligten Menschen verfolgen. Ziel war es, einen neuen Be-triebsteil zu generieren, der dauerhaft Arbeitsplätze generiert und am Markt tätig ist. Unterstützt wurden die Unter-nehmen dabei durch einen begleitenden Qualitätsentwicklungsprozess. Nun legt die Caritas Erkenntnisse daraus vor (14 S. hier laden Caritas-Leitfaden Sozialer Arbeitsmarkt.pdf):Zielgruppe der Sozialfirmen (im Projekt): „Die Sozialfirma arbeitet ergänzend zu den Aufgaben der bestehenden Be-schäftigungseinrichtungen und stellt eine zusätzliche Option der Beschäfti-gungsintegration dar. In Abgrenzung zu den Angeboten der Beschäftigungsför-derung zielen Sozialfirmen auf die Per-sonengruppen, die trotz der erfolgten Qualifizierung keinen Übergang in ein konventionelles Arbeitsverhältnis fin-den und von einer weiteren allgemei-nen Qualifizierung nicht mehr profitieren würden. Im Verlauf des Projekts wurde die Zielgruppe spezifiziert: Die in der Sozialfirma einzustellenden Mitarbeiten-den sind demnach langzeitarbeitslose Personen mit multiplen Vermittlungs-

hemmnissen. [...]Sozialfirmen bieten die Stellen an, die nur bedingt im regulären Arbeitsmarkt vorhanden sind (Einfachar-beitsplätze).“ (S. 4)Voraussetzung für eine gelingende Um-setzung: finanzieller Ausgleich von Min-derleistungen der langzeitarbeitslosen Beschäftigten sowie für deren Qualifizie-rung.■■ Projekterfahrungen beim Start: „Die

vorhandene Marktsättigung und die Wettbewerbsdichte werden häufig falsch eingeschätzt. Die Businesspläne sind in der Regel zu optimistisch ausgelegt, ebenso die Wirtschaftlichkeitsgutach-ten (durch externe Berater). Damit fehlt eine realistische Einschätzung des Be-triebes. Das Verhältnis von Eigenkapi-tal, Fremdfinanzierung und Liquidität ist nicht ausreichend entwickelt.■■ In der Startphase ist die Produkt-

bzw. Dienstleistungsentwicklung häufig noch nicht abgeschlossen bzw. nicht ausreichend auf einen konsequenten Markteintritt ausgerichtet. Damit verbun-den ist eine relativ niedrige Produktivität. In der Anfangsphase wird häufig keine vollständige Auslastung erreicht. Aufträ-ge kommen noch unregelmäßig, so dass Phasen der Unterforderung (bei gerin-ger Auftragslage) und Überforderung (bei kurzfristigen Aufträgen) entstehen.“ (S. 7)Managementkompetenzen ausbauen: Insbesondere in den Bereichen Finanz-management (Kostenrechnung, Con-trolling oder Liquiditätsplanung) und

Führungsverantwortung sind diese in höherem Maße als zu Beginn einge-bracht erforderlich.■■ Ergebnis: „Zum größeren Teil haben

die Vorort-Projekte Grundlagen für kon-sequent am Marktgeschehen ausgerich-tete Tätigkeiten schaffen können und werden diese nach Ende der Laufzeit des Gesamtprojektes weiterführen bzw. weiterentwickeln.“ An vier Standorten sollen Integrationsfirmen gegründet wer-den.■■ „Sozialfirmen werden aber nur dann

dauerhaft erfolgreich arbeiten, wenn die wirtschafts- und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen stimmen - vor allem mit Blick auf die finanzielle Förde-rung in der Aufbauphase und eine dau-erhafte Subventionierung im Sinne eines Nachteilsausgleichs, etwa durch einen Passiv-Aktiv-Transfer.“ (S. 14)

Kommentar:

Das Modellprojekt der Caritas hat Erfahrungen vieler anderer Grün-dungen von Sozialfirmen bestätigt. Richtigerweise verweist auch diese kleine Broschüre dabei immer wieder auf die exzellenten Erfahrungen im Nachbarland Schweiz. Die dortigen Erfahrungen (und auch ein wenig, die aus dem Modellprojekt) zeigen, ein einheitlicher Arbeitsmarkt, auf dem auch Sozialfirmen tätig sind, ist der bessere Ansatz. Die stigmatisierende Trennung in „angeblich“ verschiede-

Page 6: EFAS – Informationsdienst Nr. 7 vom 31. Juli 2012 · für einen gut funktionierenden Sozialen Arbeitsmarkt bilden, noch auf anderen Wegen ausreichend Arbeitsmarktzu-gänge für

Evangelischer Fachverband fürArbeit und soziale Integration

Redaktion: Marc Hentschke, Dr. Michael Seligmann Email: [email protected] Absender: EFAS - Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V., Gottfried-Kellerstr. 18 c. 70435 Stuttgart 6

ne Arbeitsmärkte unterschiedlicher Güte, die in Deutschland im allgemei-nen Verständnis wie in den gesetz-lichen und politischen Rahmenbe-dingungen oftmals noch gängig ist, verhindert Integration und Inklusion. Das wiederum behindert oder verhin-

dert gar die Kompetenzentwicklung letztlich von hunderttausenden wenn nicht Millionen Menschen, die wert-schätzend und wertschöpfend tätig werden könnten.

Die kleine Broschüre der Caritas al-

lerdings hätte mehr Ergebnisse und Erfahrungen transferieren können. Sie ist eher bruchstückhaft, als dass sie einen echten Einstieg in die The-matik erlauben würde.

6. Lichtblick V: Einstimmiger Kreistagsbeschluss aus dem hohen Norden fordert Merkel zu Sozialem Arbeitsmarkt aufMitte Juni hat der Kreistag der Opti-onskommune Landkreis Nordfriesland in einem einstimmigen Beschluss die Rücknahme der Kürzungen und der Engführung von AGH und weiteren Be-schäftigungsinstrumenten im SGB II unter dem Titel „Für einen sozialen Ar-beitsmarkt in Nordfriesland – Keiner darf zurück gelassen werden!“ gefor-dert: „Der Kreis Nordfriesland fordert daher dem Bundestag und die Bundes-regierung auf, die jüngste „Instrumen-tenreform“ zurückzunehmen und die „Arbeitsgelegenheiten gegen Mehrauf-wandsentschädigung“, also die Zusatz-jobs, wieder zu einem wirksamen Mittel der Gestaltung des Arbeitsmarktes wer-den zu lassen. Weiter werden Bundes-tag und Bundesregierung aufgefordert, die notwendigen Mittel für die Anwen-dung des Förderinstrumentes künftig nachhaltig, d.h. dauerhaft und verläss-lich zur Verfügung zu stellen.“ Dabei argumentiert die breite Beschluss-koalition aus CDU, SPD, Grünen, FDP, SSW und einer Wählergemeinschaft zugespitzt: „In der Bundesrepublik gab es schon immer eine bestimmte Anzahl von Menschen, die aufgrund von psy-chosozialen, kulturellen und gesundheit-lichen Faktoren ‚keine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben und deren

Lebenssituation vorrangig erst einmal stabilisiert werden muss. Für diese Men-schen ist die Einführung eines „sozia-len Arbeitsmarktes“ mit gesellschaftlich sinnvoller Bürgerarbeit unabdingbar. Regionale Arbeitsmarktpolitik darf daher keinesfalls so eingeengt werden, dass sie nur noch auf den schnellen Erfolg und die Verbesserung statistischer Wer-te abheben kann, während die Mitbürge-rinnen und Mitbürger, die einer intensi-veren Unterstützung bedürfen, aus dem Blickfeld geraten und damit praktisch ohne Chance und Perspektive bleiben.“■■ Das aktuelle Budget könne nach den

Kürzungen „überwiegend nur noch für die arbeitsmarktnahen Leistungsbe-rechtigten“ eingesetzt werden. ■■ „Aus Sicht des nordfriesischen Kreis-

tages ist es daher sozial- und arbeits-marktpolitisch nicht vertretbar, dass die wachsende Zahl dieser Leistungsbe-rechtigten Bürger in einem verfestigten Leistungsbezug ohne geeignete Förde-rung eines geregelten Tagesablaufes mit praktischer Beschäftigung und Qua-lifizierung bleibt und somit von der Ge-sellschaft aufgegeben wird.“■■ Die AGH hätten „die Leistungsberech-

tigten selbst als eine sinnvolle und mo-tivationsfördernde Möglichkeit [erlebt], einen Beitrag zum gesellschaftlichen

Leben zu leisten. Darüber hinaus diente für einen Teil der Zusatzjobber diese Ar-beitsgelegenheit zur gesellschaftlichen Eingliederung für regelmäßige Beschäf-tigung und Lebensführung. Ohne diese Maßnahmen und Projekte wäre eine Heranführung an einen strukturierten Tagesablauf nicht möglich gewesen.“ (Beschluss 2 S. hier laden KreisNord-frieslandSozialerArbeitsmarkt.pdf)

Kommentar:

Bemerkenswert an diesem Beschluss ist die Einstimmigkeit von rechts bis links. Zwar wird hier weniger das in-haltliche Konzept eines Sozialen Ar-beitsmarktes betont wie er etwa vom EFAS oder Prof. Sell verstanden wird, die darin liegenden Chancen für die Menschen, die sonst bar jeder ande-ren Möglichkeit des Aktivwerdens, der Teilhabe und der Wertschätzung sind, werden aber bewusst heraus gestellt. Und der Beschluss wird gleich an die Bundeskanzlerin ge-schickt. Die Landesregierung wird aufgefordert, politisch in Richtung auf den Bund aktiv zu werden.

7. Klargelegt: Wer näher am Arbeitsmarkt ist, ist schneller drin – IAB zu AGH MAE und EntgeltJe näher arbeitsmarktpolitische Maß-nahmen einem „normalen“ Arbeitsver-hältnis kommen, desto größer sind die Chancen der Teilnehmer, mittelfristig eine ungeförderte Beschäftigung zu fin-den. Das zeigt eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-

schung (IAB) aus Nürnberg.Das IAB hat die Arbeitsgelegenheiten in der Entgeltvariante und in der Mehr-aufwandsvariante auf ihre Wirkung auf die Beschäftigungschancen hin unter-sucht. Das Ergebnis: „Beide Varianten der Arbeitsgelegenheiten verbessern

mittelfristig die Beschäftigungsaussich-ten ihrer Teilnehmer.“ Die Arbeitsgele-genheiten in der Entgeltvariante sind jedoch „die bessere Alternative zum Ein-Euro-Job“, so die Forscher. Das ist unter anderem deshalb so, weil sie nicht zusätzlich und nicht im öffentlichen In-

Page 7: EFAS – Informationsdienst Nr. 7 vom 31. Juli 2012 · für einen gut funktionierenden Sozialen Arbeitsmarkt bilden, noch auf anderen Wegen ausreichend Arbeitsmarktzu-gänge für

Evangelischer Fachverband fürArbeit und soziale Integration

Redaktion: Marc Hentschke, Dr. Michael Seligmann Email: [email protected] Absender: EFAS - Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V., Gottfried-Kellerstr. 18 c. 70435 Stuttgart 7

teresse sein müssen. Die Tätigkeiten kommen daher den Bedingungen einer ungeförderten Arbeitsstelle näher, was die Chancen der Teilnehmer auf dem Arbeitsmarkt deutlich erhöht, sagen die Forscher/-innen. (Den IAB-Kurzbericht mit seinen 8 S. hier laden AGH-Ueber-gaenge-kb0912.pdf) Die Ergebnisse der Analyse lauten:■■ Für die Teilnahme sowohl an AGH

MAE wie an Entgelt erfolgte eine Positi-vauswahl, es wurden eher weniger dieje-nigen ausgewählt, für die das Instrument eigentlich gedacht gewesen ist. (S. 3)■■ Die Teilnehmenden von AGH Entgelt

kommen besser in den Arbeitsmarkt: „Die Beschäftigungseffekte für Teilneh-mer an der Entgeltvariante sind signi-fikant höher.“ Eher keine Rolle spiele der unterschiedliche Verdienst, so das IAB. „Unsere Daten zeigen allerdings auch, dass der Monatslohn während der Teilnahme an der Entgeltvariante mit durchschnittlich rund 900 Euro nicht un-bedingt viel höher ist als ein alternativer Leistungsbezug, wenn man alle SGB-II-Leistungen zusammenrechnet.“ (S. 6)Als Erklärung für diese Ergebnisse mut-maßen die Autorin und der Autor der Studie schließlich: „Unterschiedliche Maßnahmecharakteristika und vermut-lich eine bessere Passung zwischen Teilnehmer und Maßnahme dürften da-für mitverantwortlich sein. Außerdem werden die Kriterien der Zusätzlichkeit und des öffentlichen Interesses bei der Entgeltvariante lockerer gehandhabt, sodass die ausgeübten Tätigkeiten häufiger denen in regulären Jobs ent-sprechen könnten. Bei der Auswahl der Teilnehmer für die Entgeltvariante könn-ten die Jobcenter zudem stärker als bei Zuweisungen in die Ein-Euro-Jobs dar-auf geachtet haben, dass sich die För-derung besonders gut für eine beschleu-nigte Integration in den Arbeitsmarkt eignet. Dafür sprechen die im Gegen-satz zu den Ein-Euro-Job-Förderungen viel geringeren Teilnehmerzahlen in der

Entgeltvariante.“ (S. 6)

UntersuchungsdesignDie administrativen Daten von Perso-nen, die zwischen Mai und Juli 2005 eine Tätigkeit in einer AGH MAE oder Ent-geltvariante aufnahmen, wurden noch bis 3 Jahre nach Ende der Förderung ausgewertet. Zugleich wurden sie ver-glichen mit denjenigen, die in dem o.a. Zeitraum NICHT in eine AGH eintraten und der Personengruppe ähneln (Kon-trollgruppe). Allerdings befinden sich in der Kontrollgruppe auch Personen, die zu einem späteren Zeitpunkt ein- oder mehrmals in eine AGH eintraten. Das IAB weist selbst zusätzlich ausdrücklich darauf hin, das mögliche Einflüsse von Eigenschaften und Kompetenzen wie z.B. Motivation, persönliches Auftreten Einfluss auf die Personen und deren Verhalten haben könnte. Die aber könn-ten nicht untersucht werden, da solche Daten nicht vorlägen. (S. 8)

Kommentar:

Bei verschiedenen IAB-Untersu-chungen im Bereich der AGH sind Schlussfolgerungen gezogen worden, die weniger den Daten entstammten sondern aus anderen Quellen der Einsicht schöpften. Dies gilt bei die-ser Veröffentlichung eher nicht bei den Aussagen, dass es eine Positi-vauswahl gegeben habe, dass also die falschen Arbeitslosen mit diesen Instrumenten „versorgt“ worden sind. Das war gerade im Anfangsjahr 2005 unbestritten genau so.

Die Erklärungen aber, die das IAB-Team dann für die festgestellten po-sitiveren Resultate bei AGH Entgelt mutmaßt, basieren nur noch auf freier gedanklicher Erkenntnis. Schon die Bemerkung im Absatz vor den Mut-maßungen, bei AGH Entgelt habe kein größerer finanzieller Anreiz zu

AGH MAE bestanden, ignoriert, dass es bei den niedrigen Einkünften im ALG II bereits auf wenige Euro mehr im Monat ankommt. Der Anreiz in AGH Entgelt war ökonomisch gege-ben. Er war aber auch vom Status der Teilnehmenden gegeben. Vom gerade in 2005 noch viel umstrittene-ren Ein-Euro-Job, der Billigarbeit war ein Wechsel in die quasi als ABM an-erkannte AGH Entgelt mit einem Ar-beitsvertrag verbunden. Die Teilneh-menden konnten klarer zu ihrer Arbeit stehen als im Ein-Euro-Job. Solche Überlegungen spielen bei der IAB-Untersuchung keine Rolle. Sauber abgeleitet erscheint also die zentrale Erkenntnis dieser Untersuchung, eine arbeitsmarktnähere Ausgestaltung führe zu vermehrten Übergängen in den Arbeitsmarkt eben nicht.

Der Kommentator ist gleichwohl da-von überzeugt, dass dies so ist. Min-destens steigt die Wertschätzung der Arbeit und damit Motivation und Selbstwertgefühl der damit betrau-ten Teilnehmenden. Zugleich können sie bei marktnäherer Ausgestaltung größere und bleibende Lerneffekte für den Job „danach“ erreichen. Nur diese Untersuchung kann diesen Zu-sammenhang nicht belegen.

Kontraproduktiv ist die weitere Ver-schärfung der Förderkriterien für AGH durch die im April dieses Jahres in Kraft getretene Instrumentenre-form. Sie macht diese Arbeitsplätze noch arbeitsmarkferner, denn neben den Kriterien der Zusätzlichkeit und des öffentlichen Interesses müssen sie nun auch noch wettbewerbsneu-tral sein. In Zukunft ist deshalb davon auszugehen, dass deren Resultate abnehmen werden.

8. Gezwungen langsam: Thüringens Sozialgerichte, auch in 2011 überlastet und unterausgestattet, beschäftigt mit fehlerhaften Bescheiden im SGB IINach wie vor produzieren die Jobcenter zu viele Fehler bei den Bescheiden im SGB II und verursachen eine Überlas-

tung der Sozialgerichte in Thüringen. Das ist eine Kernaussage des neuen Jahres-berichts „Sozialgerichtsbarkeit Thürin-

gen“ zum Jahr 2011, der stellvertretend auch für andere Bundesländer steht. (27 S. hier laden Jahresbericht 2011.pdf)

Page 8: EFAS – Informationsdienst Nr. 7 vom 31. Juli 2012 · für einen gut funktionierenden Sozialen Arbeitsmarkt bilden, noch auf anderen Wegen ausreichend Arbeitsmarktzu-gänge für

Evangelischer Fachverband fürArbeit und soziale Integration

Redaktion: Marc Hentschke, Dr. Michael Seligmann Email: [email protected] Absender: EFAS - Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V., Gottfried-Kellerstr. 18 c. 70435 Stuttgart 8

Vier von fünf der Hartz-IV-Bescheide sind fehlerhaft Nach Angaben des Landesrechnungs-hofs sind noch immer vier von fünf SGB II-Bescheiden fehlerhaft. Die Häufung der fehlerhaften Bescheide verursache bei den Sozialgerichten des Landes eine hohe Überlastung, weshalb Kläger teilweise lange auf eine Entscheidung warten müssen. “Angesichts einer häu-fig fehlerhaft arbeitenden Verwaltung ist eine gut funktionierende Sozialge-richtsbarkeit, die die gemachten Fehler behebt, unverzichtbar”, erklärte der Prä-sident des Landessozialgerichts Thü-ringen, Martin Stoll, bei Vorstellung des Berichts. Hälfte der Klagen erfolgreichIn rund der Hälfte der verhandelten Ver-fahren sind die Kläger erfolgreich, so Stoll. Zwar ist ein leichter Rückgang der Klagewelle erstmals seit 1994 erkenn-bar, allerdings lag der Bestand der un-erledigten Klagen mit 4,5 Prozent höher, als noch Ende 2010.

So gingen 2011 bei den Sozialgerich-ten in Altenburg, Gotha, Meiningen und Nordhausen in 2011 25.006 neue Kla-geanträge ein. Das sind gerechnet auf den Vorjahreszeitraum rund 9 Prozent weniger Neuklagen. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl des Bundeslandes ist aber die Klageflut überdurchschnittlich hoch, wie der Landessozialgerichts-präsident betonte. Über zwei Drittel der eingereichten Neuklagen kamen aus dem Bereich „Hartz IV“. Erst mit großem Abstand folgten Klageanträge aus dem Bereich „Renten“ mit etwa 13 Prozent. Zu wenig Schreibkräfte und Richter/-innen Jeder Richter, jede Richterin an den So-zialgerichten muss damit durchschnitt-lich 394 neue Verfahren bearbeiten. Im Schnitt mussten die Kläger 13,7 Mona-te auf eine Verhandlung/Entscheidung warten. Bei jedem siebten Verfahren mussten die Kläger sogar länger als zwei Jahre warten. Ende 2011 waren noch immer 30.001 Klagen nicht ver-

handelt. Das ist ein neuer Rekordwert, mahnt Stoll. Die Zahlen zeigen, dass die Anzahl der besetzen Stellen mit 71 Richtern/Richterinnen zu „grenzwertig ist“. Die 19 Landessozialrichter/-innen (zweite Instanz) mussten etwa doppelt so viele Verfahren bearbeiten wie im bundesweiten Durchschnitt. Eine Entspannung der Lage, ganz im Gegensatz zur zuletzt veröffentlichten Erfolgsmeldung der Bundesagentur für Arbeit, kann Stoll nicht erkennen. Besonders Sorgen machen die „nicht-richterlichen Dienste“. Die Personalaus-stattung der Gerichte liege in Thüringen deutschlandweit am „unteren Ende der Skala“. “Mit einer 70-prozentigen Per-sonalausstattung im nicht-richterlichen Bereich sind derzeit Verfahrensverzöge-rungen nicht zu vermeiden”, sagte Stoll. Eine Aufstockung der Stellen könnte die Wartezeit für die Betroffenen verkürzen und schneller für Rechtssicherheit sor-gen.

9. O-Ton I: Bei der Jobsuche ist arbeitslos nicht gleich arbeitslosÜber zwei Drittel der Arbeitslosen ste-cken im SGB II-System. Selbst bei guter wirtschaftlicher Lage fällt ihnen die Ar-beitssuche deutlich schwerer als Per-sonen in der Arbeitslosenversicherung, wie aktuelle Daten der Bundesagentur für Arbeit eindrucksvoll verdeutlichen. 2011 schafften pro Monat durchschnitt-lich nur etwa vier Prozent den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt. Häufig ist die Beschäftigung dann nicht von Dauer. Arbeitslosigkeit ist in Deutschland ein Zweiklassensystem, jeweils basierend auf dem zuständigen SGB II oder III.Die SGB III-Arbeitslosen sind in der Re-gel maximal ein Jahr ohne Arbeit und erhalten das am letzten Einkommen bemessene Arbeitslosengeld I (ALG I) aus der Arbeitslosenversicherung. Meist sind sie gut ausgebildet. Deshalb und aufgrund der vergleichsweise kurzen Arbeitslosigkeitsdauer stehen sie dem Arbeitsmarkt näher. Mit knapp einem Drittel stellen sie jedoch den deutlich kleineren Teil aller Arbeitslosen.Die überwiegende Zahl der Arbeits-losen (über zwei Drittel) befindet sich hingegen im SGB II-System. Obwohl

irreführend auch als Arbeitslosengeld II bezeichnet, wird diese Leistung unab-hängig von einer vorherigen Beschäf-tigung ausgezahlt und entspricht der früheren Sozialhilfe. SGB II-Arbeitslose sind häufig gering oder gar nicht aus-gebildet und die letzte Arbeitserfahrung

liegt bereits längere Zeit zurück. Nicht selten kommen weitere Hemmnisse bei der Jobsuche wie ein höheres Alter, Migrationshintergrund und sehr oft ge-sundheitliche Probleme hinzu. Entspre-chend schwerer fällt ihnen der Zugang zum Arbeitsmarkt. Auch konjunkturelle

Page 9: EFAS – Informationsdienst Nr. 7 vom 31. Juli 2012 · für einen gut funktionierenden Sozialen Arbeitsmarkt bilden, noch auf anderen Wegen ausreichend Arbeitsmarktzu-gänge für

Evangelischer Fachverband fürArbeit und soziale Integration

Redaktion: Marc Hentschke, Dr. Michael Seligmann Email: [email protected] Absender: EFAS - Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V., Gottfried-Kellerstr. 18 c. 70435 Stuttgart 9

Hochphasen ändern daran wenig, wie ein Blick auf die Daten aus 2011 zeigt.SGB II-Arbeitslose kommen auch bei guter Konjunktur schwer und kaum langfristig in ArbeitDie Arbeitslosenzahlen sind vor dem Hintergrund der guten konjunkturellen Lage in den letzten Jahren deutlich ge-sunken. Hiervon profitiert haben aber in erster Linie die Personen im SGB III-System, bei denen sich die Zahl seit 2005 von rund 2,1 auf rund 900.000 Per-sonen mehr als halbiert hat. Bei den Ar-beitslosen im SGB II-System hingegen war der Effekt deutlich schwächer. Hier ging die Zahl lediglich von rund 2,8 auf etwa 2,1 Millionen Menschen zurück, was etwa 25 Prozent entspricht.Aus Arbeitslosigkeit heraus eine Be-schäftigung fanden also in erster Linie die arbeitsmarktnäheren ALG I-Bezie-her. Aus diesem zahlenmäßig deutlich kleineren Pool erfolgten zwei Drittel aller Beschäftigungsaufnahmen. Besonders deutlich werden diese unterschiedlichen Chancen am Arbeitsmarkt beim Blick auf die so genannte Abgangsrate. Sie bezif-fert den Anteil der Arbeitslosen, der eine Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt gefunden hat, an allen Arbeitslosen.Während im Jahresdurchschnitt 2011 monatlich 14,5 Prozent der SGB III-Ar-beitslosen eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt fanden, waren es im

SGB II nur 3,7 Prozent. Gegenüber 2007 entspricht das bei den SGB III-Arbeitslo-sen einem Plus von 3,4 Prozentpunkten, bei den SGB II-Arbeitslosen hingegen gab es nur einen leichten Zuwachs von 0,8 Prozentpunkten.Wenn die Arbeitssuche bei den SGB II-Arbeitslosen glückt, ist das Arbeitsver-hältnis zudem häufig nicht von Dauer. Über die Hälfte der Personen, die sich 2011 in das SGB II-System arbeitslos meldeten, hat in den vorherigen zwölf Monaten bereits Hartz IV-Leistungen bezogen, ein Drittel sogar in den vorhe-rigen drei Monaten. Hier dauerte die Be-schäftigung also nicht länger als ein Jahr beziehungsweise drei Monate.http://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/ar-beitslosigkeit/bei-der-jobsuche-ist-ar-beitslos-nicht-gleich-arbeitslos

Kommentar:

Und dann gibt es da ja noch die sta-tistisch anderen, nicht unter der Ru-brik „arbeitslos“ einsortierten, aber gleichwohl erwerbsfähigen Leis-tungsbeziehenden, die sehr junge Kinder versorgen oder Angehörige pflegen oder noch zur Schule gehen oder sich im Übergangssystem – wie soll man es formulieren?- „geparkt“ sind, sich „tummeln“, bewegen wie ein „Hamster im Rad“ (ein Viertel von

ihnen) oder vorübergehend krank sind (neun Prozent) oder auf die Ren-te warten müssen (zehn Prozent) usw.; insgesamt waren es in 2011 durchschnittlich 2,62 Millionen. Ein weiteres Viertel von ihnen ging einer Beschäftigung von mindestens 15 Wochenstunden nach, stocken also einen deutlich zu geringen Verdienst auf oder –die Restlichen- ergänzen die wesentliche Geldleistung aus dem SGB II mit ein wenig Arbeitsein-künften oder befinden sich in einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme und werden deshalb nicht als statis-tisch arbeitslos gezählt.

Das wirkliche Ausmaß der Misere wird bei denjenigen deutlich, die im Langzeitbezug sind, in 2011 im Jah-resdurchschnitt 3,16 Millionen. Im Verlauf des Jahres 2011 ist diese Zahl im Vergleich zu 2010 nur um 62.000 zurück gegangen, das sind gerade einmal 1,9%! Aber die Konjunktur boomt ja kräftig und soll, so die Heils-botschaft, die Arbeitsmarktwunden ganz von alleine heilen. Und deshalb ist das Geld auch zu halbieren, das schon in den Vorjahren nicht aus-reichte.

10. O-Ton II: Fast 16 Prozent der Deutschen von Armut bedroht, das sind fast 13 Millionen Menschen2010 waren 15,6 Prozent der Bevölke-rung in Deutschland von Armut bedroht, Tendenz steigend. Das geht aus der Antwort auf eine kleine Anfrage der Lin-ken im Bundestag hervor. Im EU 15-Ver-gleich liegt Deutschland demnach leicht über dem Durchschnitt von 15,3 Pro-zent. Junge Menschen unter 18 Jahren sind überdurchschnittlich gefährdet. Die Zahlen deuten zudem auf eine sinkende Wirksamkeit des Sozialsystems bei der Armutsvermeidung hin.Gemäß EU-Konvention gilt eine Per-son als armutsgefährdet, wenn ihr Ein-kommen (dazu zählen auch staatliche Sozialleistungen) weniger als 60 Pro-zent des mittleren Einkommens eines Landes beträgt. 2010 entsprach dies in Deutschland 826 Euro bei einem Sing-

lehaushalt und 1.735 Euro bei einer vier-köpfigen Familie. Unter diese Definition fielen 2010 rund 12,7 Millionen Personen beziehungsweise 15,6 Prozent der Be-völkerung. Das sind 0,4 Prozentpunkte mehr als 2008. Im EU 15-Vergleich liegt Deutschland demnach leicht über dem Durchschnitt von 15,3 Prozent.Bei der jüngeren Bevölkerung unter 18 Jahren ist der Zuwachs deutlicher. 2010 waren 17,5 Prozent der Altersgruppe von Armut bedroht, 2,3 Prozentpunkte mehr als noch 2008. Im Vergleich mit den EU 15-Staaten liegt Deutschland damit etwa einen Prozentpunkt unter dem Durch-schnitt von 18,4 Prozent.Sozialsystem weniger effektiv bei der Vermeidung von ArmutDas Sozialsystem bewahrt einen erheb-

lichen Teil der Bevölkerung vor Armut. Ohne staatliche Sozialleistungen wären 2010 circa 24 Prozent armutsgefährdet gewesen, 8,6 Prozentpunkte mehr als nach Bezug der finanziellen Unterstüt-zung. Dieser Effekt hat jedoch leicht abgenommen. 2008 bewahrte der Staat noch neun Prozent der Bevölkerung vor der Armutsgefährdung. Die Entwicklung deutet auf eine nachlassende Wirksam-keit des Sozialsystems bei der Vermei-dung von Armut hin. Besonders hoch ist das Armutsrisiko bei Arbeitslosen sowie bei Alleinerziehenden und ihren Kin-dern. 2009 lag die Armutsgefährdungs-quote bei diesen Personengruppen bei circa 70 Prozent (Arbeitslose) und 43 Prozent (Personen in Alleinerziehenden-Haushalten).

Page 10: EFAS – Informationsdienst Nr. 7 vom 31. Juli 2012 · für einen gut funktionierenden Sozialen Arbeitsmarkt bilden, noch auf anderen Wegen ausreichend Arbeitsmarktzu-gänge für

Evangelischer Fachverband fürArbeit und soziale Integration

Redaktion: Marc Hentschke, Dr. Michael Seligmann Email: [email protected] Absender: EFAS - Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V., Gottfried-Kellerstr. 18 c. 70435 Stuttgart 10

Die Armutsgefährdungsquote bildet das Ausmaß von Einkommensungleichheit ab, nicht das allgemeine Einkommens-niveau. Sie stellt Armut daher relativ zum Standard des jeweiligen Landes dar. Steigt die Quote, bedeutet dies also nicht, dass das durchschnittliche Ein-kommen sinkt, sondern dass die Unter-schiede zwischen arm und reich größer werden. Sinkt oder steigt das Einkom-men beispielsweise gleichmäßig, bleibt auch die Quote stabil. In einem gleich-mäßig armen Land liegt die Quote nied-rig oder bei null, während sie entspre-chend in einem wohlhabenden Land mit großen Einkommensunterschieden umso höher ist.

http://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/ver-mischtes/uber-15-prozent-der-deut-schen-von-armut-bedroht

Kommentar:

Der Europäische Sozialfonds (ESF) soll sich in der kommenden Förder-phase ab 2014 (bis 2020) auf die Be-kämpfung von Armut konzentrieren. Inhaltlich ist das richtig. In Deutsch-land jedoch spricht einiges dafür, dass diese Ausrichtung die Margina-lisierung der Armen eher noch unter-stützen wird. Noch ist kein operatio-nelles Programm (OP) zur künftigen ESF-Umsetzung geschrieben. In den Diskussionen darum auf Bundes-

und Länderebene aber geht es –wie immer- oftmals um die Fortführung der bisherigen, als eigenständig titu-lierten Arbeitsmarktprogramme statt mit dem Geld ein echtes System der Armutsvermeidung und –bekämp-fung zu implementieren. Lücken der Sparwut des Bundes auf Kosten der Armen werden gefüllt werden müs-sen. Letztlich bleibt zu befürchten, dass die Milliarden aus Brüssel zur Armutsbekämpfung letztlich schon längst bei den Banken gelandet sein werden. Für deren Rettung spart man in Deutschland längst schon radikal an der Arbeitsmarktpolitik.

11. O-Ton III: Bürgerarbeit: Zielgruppen profitieren unterschiedlichDas mit 1,3 Milliarden Euro geförderte Programm Bürgerarbeit zur Arbeits-marktintegration Langzeitarbeitsloser in Deutschland läuft seit Juli 2010. Die Wirkung ist bisher unklar. Erste Da-ten deuten aber darauf hin, dass die Vermittlungsbemühungen in der Akti-vierungsphase nur wenig an den Ar-beitsmarktproblemen von Personen mit besonderen Vermittlungshemmnissen ändern.Laut Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen soll das Modell Bürger-arbeit „…gezielt schwerer vermittelbare Gruppen… in den Blick nehmen“. Und tatsächlich sind „Problemgruppen“ am Arbeitsmarkt wie Geringqualifizierte, Ältere über 50 Jahren und Alleinerzie-hende besonders häufig vertreten. Die vorliegenden Daten (Berichtsmonat Ja-nuar 2012) deuten allerdings darauf hin, dass die Chancen auf eine ungeförder-te Arbeitsstelle trotz Aktivierungsphase gering bleiben.■■ Besonders auffällig wird dies bei den

Älteren über 50 Jahren. Ihr Anteil an al-len Personen in der Bürgerarbeitsphase lag im Dezember 2011 bei circa 31 Pro-zent. In der Aktivierungsphase hingegen war die Personengruppe anteilig mit „nur“ etwa 16 Prozent vertreten. Diese Verteilung lässt vermuten, dass Ältere besonders häufig die Aktivierungsphase durchlaufen, ohne eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden

und daher in die Bürgerarbeitsphase übergehen. Angesichts des parallel lau-fenden Programms „Perspektive 50plus“ mit ähnlichen Zielsetzungen ist der hohe Anteil älterer Teilnehmer verwunderlich.■■ Bei jungen Menschen unter 25 Jah-

ren hingegen lässt sich der umgekehrte Effekt beobachten. Während der Anteil dieser Altersgruppe in der Aktivierungs-phase im Dezember 2011 bei rund sechs Prozent lag, machten sie nur rund ein Prozent der Personen in der Bürgerar-beitsphase aus. ■■ Bei Geringqualifizierten lag der Anteil

der Personen in der Aktivierungsphase mit rund 38 Prozent leicht höher als in der Beschäftigungsphase (circa 33 Pro-zent). ■■ Kaum Unterschiede gab es bei der

Gruppe der Alleinerziehenden. Ihr Anteil an allen Personen in der Aktivierungs-phase lag bei circa 13,5 Prozent, in der Beschäftigungsphase bei rund 13 Pro-zent.Bisher liegen nur wenige öffentlich zu-gängliche Daten zum Programm Bürger-arbeit vor. Die tatsächliche Integrations-wirkung kann daher bislang nur vermutet

Page 11: EFAS – Informationsdienst Nr. 7 vom 31. Juli 2012 · für einen gut funktionierenden Sozialen Arbeitsmarkt bilden, noch auf anderen Wegen ausreichend Arbeitsmarktzu-gänge für

Evangelischer Fachverband fürArbeit und soziale Integration

Redaktion: Marc Hentschke, Dr. Michael Seligmann Email: [email protected] Absender: EFAS - Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V., Gottfried-Kellerstr. 18 c. 70435 Stuttgart 11

werden. Das Programm wird jedoch ak-tuell durch das Institut Arbeit und Wirt-schaft (IAW) und das Institut für Sozial-forschung und Gesellschaftspolitik (ISG) evaluiert. Mit Ergebnissen ist erst 2015 zu rechnen.http://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/ar-beitsmarktpolitik/integrationsprogramm-burgerarbeit-zielgruppen-profitieren-un-terschiedlich

Kommentar:

Manche der Älteren erinnern sich si-

cherlich noch an die Diskussionen im Vorfeld des Bundesprogramms „Bür-gerarbeit“. Aus dem angekündigten Tiger ist dann ein Notnagel geworden, der für viele im Einzelfall wenigstens eine befristete Inklusion anzudeuten in der Lage ist, der aber arbeitsmarkt-politisch keine Wirkung zeigt. Bürger-arbeit bietet keine Lösung für die 3,16 Millionen im SGB II im Jahresdurch-schnitt 2011, die erwerbsfähig sind und doch mehr als 21 Monate in den letzten 24 Monaten im Bezug dieser Leistungen verbleiben mussten.

Bürgerarbeit ist auch kein Programm, das gesellschaftlich Sinnvolles in der Kommune durch Inklusionsarbeit si-chern hilft. Sich daran zu erinnern, wenn man mal wieder über einen touristisch schönen Radwanderweg fährt, der vor der Jahrtausendwende aus der Kombination von Arbeitsbe-schaffung und Infrastrukturverbes-serung entstanden ist, lohnt. Eine einstellige Milliardeninvestition (im oberen einstelligen Bereich) und schon gibt es Lösungen. Ganz ein-fach.

12. O-Ton IV: Rückgang der Arbeitsmarktpolitik in allen FörderbereichenIm Juli 2012 sank die Zahl der Teilneh-mer an arbeitsmarktpolitischen Maß-nahmen auf rund 901.000 Personen, das sind 19,5 Prozent weniger als 2011. Die Einsparungen sind umfassend und in allen Förderbereichen spürbar. Dass das nicht lediglich eine logische Konse-quenz der gesunkenen Arbeitslosenzah-len ist, zeigt die Aktivierungsquote. Der Anteil der Geförderten an allen infrage kommenden Personen hat gegenüber dem Vorjahr um 3,6 Prozentpunkte ab-genommen. Das geht aus dem aktuellen Monatsbericht der Bundesagentur für Arbeit hervor.

Die Bundesregierung verfolgt einen ri-giden Sparkurs bei den arbeitsmarkt-politischen Maßnahmen. Der aktuelle Monatsbericht der Bundesagentur für Arbeit (BA) gibt eindrucksvolle Einblicke in das Ausmaß dieser Einsparungen.

Die Zahl der Teilnehmer an arbeits-marktpolitischen Maßnahmen sank im Juli 2012 insgesamt auf rund 901.000 Personen. Das entspricht einem Minus von 63.000 Personen (7 Prozent) gegen-über dem Vormonat und minus 218.000 Personen (19,5 Prozent) gegenüber Juli 2011. In allen Förderbereichen hat die Zahl der Teilnehmer gegenüber dem Vorjahresmonat abgenommen. Mit Aus-nahme der besonderen Maßnahmen zur Teilhabe behinderter Menschen liegen die Rückgänge zwischen zehn und rund 40 Prozent.

Weniger potentielle Teilnehmer er-hielten eine FörderungAuch die Aktivierungsquote ist gesun-ken. Sie beziffert den Anteil der Teilneh-mer an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme gemessen an allen für eine Förderung in Frage kommenden Per-sonen. Die Rückgänge der Teilneh-merzahlen sind deshalb nicht lediglich eine logische Konsequenz aus der ab-nehmenden Arbeitslosigkeit und dem entsprechend geringeren Förderbedarf. Tatsächlich wurden auch weniger po-tentielle Förderkandidaten tatsächlich gefördert.Im Juli 2012 lag die Aktivierungsquote bei 18,8 Prozent, 3,6 Prozentpunkte un-ter dem Vorjahreswert.Bei den kurzzeitig Arbeitslosen im SGB III-System betrug die Quote 21,0 Pro-zent, 8,1 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Bei den Langzeitarbeitslosen im SGB II-System waren es 17,8 Prozent, 1,5 Prozentpunkte weniger als im Juli 2011.Gründungszuschuss am stärksten betroffenMit einem Rückgang von rund 40 Pro-zent sind die Maßnahmen zur Aufnah-me einer Erwerbstätigkeit am stärksten betroffen. Sie umfassen im Wesentli-chen staatliche Zuschüsse zum Gehalt und bei Existenzgründung. Darunter ist mit dem Gründungszuschuss zur För-derung der Selbstständigkeit eines der erfolgreichsten Instrumente der Arbeits-marktpolitik. Gegenüber dem Vorjahres-monat sank die Zahl der Teilnehmer im Juli 2012 um 52 Prozent auf etwa 59.000

Personen. Betrachtet man nur die Neu-bewilligungen, liegt der Rückgang sogar bei rund 82 Prozent.Einbruch auch in den Schwerpunkt-bereichenAuch bei der beruflichen Weiterbildung sowie der Berufswahl und Berufsausbil-dung ist die Förderung eingebrochen. Mit den Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung sollen Arbeitslose ihre Qualifikation an die Anforderungen des Arbeitsmarktes anpassen. Die Maßnah-men zur Vorbereitung und Unterstützung einer Berufsausbildung richten sich ge-zielt an junge Menschen mit Schwie-rigkeiten, in Ausbildung oder Arbeit zu kommen.Gegenüber dem Vorjahresmonat sank die Teilnehmerzahl in der beruflichen Weiterbildung im Juli 2012 um rund 16 Prozent auf etwa 134.000 Teilnehmer. An Maßnahmen der Berufswahl und Berufsausbildung nahmen noch etwa 197.000 Personen teil, 15 Prozent weni-ger als im Vorjahr. Im Rahmen der Inst-rumentenreform wurden diese Bereiche aufgrund des Fachkräftebedarfs noch ausdrücklich als Schwerpunkte definiert.Minus 22 Prozent bei den Ein-Euro-JobsAn Beschäftigung schaffenden Maß-nahmen nahmen im Juli 2012 noch rund 173.000 Personen teil. Das entspricht ei-nem Minus von rund elf Prozent gegen-über dem Juli des Vorjahres. Hierzu gehö-ren auch die Ein-Euro-Jobs. Hier gab es im Juli 2012 noch rund 143.000 Teilneh-mer, etwa 22 Prozent (circa 40.000 Per-sonen) weniger als im Vorjahr. Teilweise

Page 12: EFAS – Informationsdienst Nr. 7 vom 31. Juli 2012 · für einen gut funktionierenden Sozialen Arbeitsmarkt bilden, noch auf anderen Wegen ausreichend Arbeitsmarktzu-gänge für

Evangelischer Fachverband fürArbeit und soziale Integration

Redaktion: Marc Hentschke, Dr. Michael Seligmann Email: [email protected] Absender: EFAS - Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V., Gottfried-Kellerstr. 18 c. 70435 Stuttgart 12

aufgefangen wurde dieser Rückgang durch das neue Programm Bürgerarbeit. Im Juli 2012 befanden sich etwa 29.000

Personen in der Beschäftigungsphase.

http://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/ar-

beitsmarktpolitik/umfassende-einbru-che-bei-den-arbeitsmarktpolitischen-masnahmen

13. Hinweise I: Mindestlohn Weiterbildung offiziellMit dem Erscheinen im Bundesanzeiger am 20. Juli 2012 steht seinem Inkrafttre-ten ab dem 1.August 2012 (befristet auf 12 Monate) nichts mehr im Wege. Der Mindestlohn in der Weiterbildungsbran-che gilt■■ „sachlich für Betriebe oder selbst-

ständige Betriebsabteilungen von Trä-gern der beruflichen Bildung, soweit diese Betriebe oder selbstständigen Be-triebsabteilungen überwiegend Aus- und

Weiterbildungsdienstleistungen nach dem Zweiten oder Dritten Buch des So-zialgesetzbuches erbringen. Ausgenom-men sind die Träger der beruflichen Re-habilitation behinderter Menschen.“■■ „persönlich für alle Arbeitnehmerin-

nen/Arbeitnehmer im pädagogischen Bereich mit Ausnahme von Praktikan-tinnen/Praktikanten (auch im Anerken-nungsjahr). Arbeitnehmerinnen/Arbeit-nehmer im pädagogischen Bereich sind

mit der Aus- und Weiterbildung, Vermitt-lung oder Betreuung von Teilnehmerin-nen/Teilnehmer betraut.“■■ 12,60 Euro im Westen inkl. Berlin so-

wie 11,25 Euro im Osten.■■ 26 Tage Jahresurlaub nach sechs

Monaten Beschäftigung bei einer 5-Ta-ge-Woche. (hier laden Mindestlohn_Bil-dung_BANZ_0712.pdf).

14. Hinweise II: Gesundheitsförderung bei ArbeitslosenIn einer Kleinen Anfrage erkundigten sich die Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bei der Bundes-regierung zur Gesundheitsförderung bei Arbeitslosen. In ihrer Antwort weist die Bundesregierung auf eine Reihe von In-itiativen und Ansätzen zur Stärkung der Gesundheitsförderung hin. (Antwort 12 S. hier nachlesen Antwort_Gesundheits-foerderung_bei_Arbeitslosen_1709860.pdf)■■ In Deutschland ist der Anteil Lang-

zeiterwerbsloser an den Erwerbslosen mit 47,3 Prozent besonders hoch und liegt über dem EU-Durchschnitt von 42 Prozent. Erkrankungen und gesundheit-liche Einschränkungen können sowohl Ursache als auch Folge der Arbeitslo-sigkeit sein und ein ernsthaftes Vermitt-lungshindernis darstellen. ■■ Nach der offiziellen Arbeitslosensta-

tistik hatten 2010 nahezu 542.000 Ar-beitslose vermittlungsrelevante gesund-heitliche Einschränkungen. Die mit der Langzeitarbeitslosigkeit verbundenen psychischen und sozialen Belastungen können zu Ängsten, Stress und phy-

sischen Beschwerden führen, die sich chronifizieren können. ■■ Der Kooperationsverbund „Gesund-

heitsförderung bei sozial Benachtei-ligten“ legte zum 17. Kongress Armut und Gesundheit am 9./10. März 2012 ein Eckpunktepapier vor (hier laden Ge-sundheitArbeitslose.pdf), das vor allem auf die Notwendigkeit der engeren Ko-operation aller wichtigen Institutionen im kommunalen Rahmen hinweist und Möglichkeiten einer besseren Verzah-nung von Gesundheitsförderung und Beschäftigungsförderung aufzeigt. ■■ Das Bundesministerium für Gesund-

heit erarbeitet derzeit eine Präventions-strategie, deren wesentliches Anliegen es sein soll, alle Versicherten und Al-tersgruppen – vom Kindes- über das Er-wachsenenalter bis ins hohe Alter – zu erreichen. Im Rahmen dieser Präven-tionsstrategie sollen Aspekte der Ziel-gruppengerechtigkeit in allen Bereichen und damit auch bei der Zielgruppe der Arbeitslosen oder der von Arbeitslosig-keit Bedrohten berücksichtigt werden.■■ Wie viele spezifische Maßnahmen

und Angebote der Gesundheitsförde-rung und Prävention für junge Lang-zeitarbeitslose oder Arbeitslose mit Mi-grationshintergrund angeboten werden, kann die Regierung nicht sagen. Über einzelne Angebote können keine quanti-tativen Aussagen getroffen werden. Eine Differenzierung nach Zielgruppen oder Teilnehmer/-innen an Maßnahmen der Gesundheitsförderung und Prävention wird von den anbietenden Stellen nicht erhoben.■■ Die Regierung hebt in ihrer Antwort

aber deutlich hervor, dass chronische Krankheiten und Gesundheitsstörungen bei Arbeitslosen häufiger auftreten als bei Erwerbstätigen. Dabei bezieht sie sich auf Daten der gesetzlichen Kran-kenkassen und des repräsentativen Gesundheitssurveys des Robert Koch-Instituts. So seien Arbeitslose unter an-derem häufiger von Depressionen und Schlafproblemen betroffen. Jedoch näh-men sie im Vergleich zu beschäftigten Versicherten nur unterdurchschnittlich an primärpräventiven Kursen der Kran-kenkassen teil.

Page 13: EFAS – Informationsdienst Nr. 7 vom 31. Juli 2012 · für einen gut funktionierenden Sozialen Arbeitsmarkt bilden, noch auf anderen Wegen ausreichend Arbeitsmarktzu-gänge für

Evangelischer Fachverband fürArbeit und soziale Integration

Redaktion: Marc Hentschke, Dr. Michael Seligmann Email: [email protected] Absender: EFAS - Fachverband für Arbeit und soziale Integration e.V., Gottfried-Kellerstr. 18 c. 70435 Stuttgart 13

15. EFAS intern I: „Gegenwart gestalten - Zukunft gewinnen“. Fachtag und Mitgliederversammlung 27./28.9.2012 in ErfurtDie EFAS Jahrestagung und die Mit-gliederversammlung werden in diesem Jahr am 27. und 28. September in Erfurt stattfinden. Neben dem Themenblöcken „Soziales Unternehmertum“ und „Euro-päische Förderschwerpunkte“ werden wir uns mit der Arbeitsmarktpolitik 2013 beschäftigen. Herr Prof. Dr. Sell wird in-

novative arbeitsmarktpolitische Ansätze vorstellen. Anschließend kommen Ver-treter der Bundesagentur für Arbeit, der Politik, der Arbeitgeber und des Land-kreistages zu den Themen zu Wort. In Workshops werden wird praxisnah dar-gestellt, wie „social business“ funktio-niert und was nach der Instrumentenre-

form in der Umsetzung möglich ist. Ein detailliertes Programm entnehmen Sie bitte diesen Dokumenten:Programm FachtagProgramm MitgliederversammlungAnmeldungen bitte an die Geschäftsstel-le: Alexandra Wicklein [email protected]

16. EFAS intern II: Neue GeschäftsführungSeit dem 1. Juli 2012 ist sie da, die neue Geschäftsführerin des EFAS: Katrin Hogh, Diplom-Betriebswirtin (BA) mit vielfältigen Erfahrungen in der Arbeits-losenarbeit und im Bereich Armutsbe-kämpfung. Zu erreichen ist sie unter Tel: 0711/ 27301-170 oder per Email [email protected]. Wer ihre Vorstel-lung noch einmal nachlesen möchte, kann das hier tun.