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Page 1: Echos in der Spektroskopie. Grundlagen und Anwendungen

Echos

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Bernhard Blumich

Echos werden nicht n u r in der Akustik, sondern auch in der Spektroskopie in viel- faltigen Situationen beobachtet. F u r spek- troskopische Echos Iauft die Zeit scheinbar ruckwarts, und es kommt im Echo zu ei- nem Signalverlust, aus dem auf Bewegun- gen und Wechselwirkungen im Bereich der Molekule geschlossen werden kann.

Nach der ,,Allgemeinen Encyklopadie der Wissenschaften und Kiinste" von F. A. Brockhaus, Leipzig, aus dem Jahre 1838 be- zeichnet ,,Echo (d. h. Schall, Ton) eine Nym- phe in Boeotien, welche oft die Juno mit ih- rem Geschwaetz aufhielt, damit sie den Jupi- ter nicht, wenn er liebend mit Nymphen ko- sete, entdecken moege. Da hernmte ihr Juno den Gebrauch der Zunge; sie selbst kann nicht mehr sprechen, sondern nur die letzten Toene der gehoerten Rede wiederholen (Ovid. Met. 111, 357)." Als Widerhall ist jc- dem auch das Echo bekannt. Besonders be- riihmt ist das zweifach nachhallende Echo der Brentenwand am Konigssee.

Eine Eigenart des akustischen Echos ist, daR ein gesprochenes Wort, wie zum Beispiel ,,HELLO", wiedcrholt, nicht aber etwa ruck- warts gesprochen als ,,OLLEH" von der Bergwand reflektiert wird. Das akustische Echo zeichnet sich also nicht durch eine Zeit- umkehr aus (Abbildung 1). In der Spektro- skopie dagegen gibt es experimentelle Mog- lichkeiten, die Zeit scheinbar ruckwarts lau- fen zu lassen und so zu einem spateren Zeit- punkt einen friiher schon einmal erreichten Zustand in umgekehrter Zeitrichtung wieder zu durchlaufen. Es sieht dann so aus, als liefe die Zeit von der Gegenwart in die Vergangen- heit.

Die Frage der Zeitumkehr chemischer und physikalischer Vorgange ist seit uber 100 Jah- ren ein aktuelles Problem, sowohl von prakti- scher als auch von philosophischer Bedeu- tung. Ludwig Boltzmann, der Begrunder der modernen Thermodynamik, hielt im Jahre

kchos in der Spektroskopie Grundlagen und Anwendungen

1872 eine Vorlesung, in der er behauptete, dai3 die Entropie eines isolierten Systems irrever- sibel mit der Zeit zunimmt. Als der Physiker Joseph Lohschmidt dies horte, erhob er sich protestierend. Er wandte ein, dai3 alle Ge- setze, welche die Bewegungen von Teilchen bestimmen, symmetrisch in bezug auf die Zeit seien. Das heifit, daR ein jedes System, das von einem geordneten Zustand in einen ungeordneten Zustand ubergegangen ist, ohne Anderung der Gesamtenergie wieder geordnet werden kann, indem einfach der Impuls eines jeden Teilchens umgekehrt wird. Daraufhin erhob Boltzmann seinen Finger gegen Lohschmidt und sagte: ,,Sie kehren die Impulse um!" [6]

Dieser Gelehrtenstreit uber den Umkehrein- wand [I] illustriert die paradoxe Natur des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik, der besagt, dai3 die Entropie eines isolierten Systems bei allen naturlich beziehungsweise spontan ablaufenden Prozessen zunimmt.

Doch Lohschmidts Argument bleibt stich- haltig: Wenn man die Bewegungen einer be- liebigen kleinen Gruppe von Teilchen filmen konnte und den Film einem Physiker zeigte, ware der Physiker auRerstande 7.u sagen, ob der Film vorwarts oder ruckwarts liefe. Als Beispiel dienen Billard-Kugeln auf einem rei- bungsfreien Tisch (Abbildung 2): Wenn zur Zeit t = T nach einem StoR mit dem Billard- Stock bei t = 0 die Geschwindigkeiten der Kugeln umgekehrt wurden, dann erreichten die Kugeln nach Ablauf einer weiteren Zeit- spanne z zum Zeitpunkt t = 22 wieder ihre Ausgangspositionen, und es konnte ein Echo der Anfangslage beobachtet werden. Diese wird dabei in zeitlich urngekehrter Richtung durchlaufen.

In einem realistischen Fall mussen naturlich auch die Abweichungen vom Idealfall, zum Beispiel die Reibung zwischen Kugeln und Tisch und inelastische Wechselwirkungen zwischen den StoBpartnern, berucksichtigt

Chemie in unsewr Zeit / 24. Jahrg. 1990 / 1%. I 0 VCH Verlagsgesellschafr mbH, 0 6 9 4 0 Weinheim, 1990 0009-2851 /90/0102-0013 $ 02.50/0

werden. Die Ausgangssituation wird dann nur noch naherungsweise wieder erreicht, und die Echoamplitude ist gedampft. Diese Dampfung ist um so geringer, je besser das betrachtete System von der Umwelt isoliert ist. Da eine ideale Isolation nicht moglich ist, mui3 letztendlich das gesamte Weltall in die Betrachtung mit einbezogen werden. An- dernfalls aber ist eine Dampfung des Echos als Folge der endlichen Entkopplung des be- trachteten Systems von seiner Umwelt zu ak- zeptieren.

Bei der Betrachtung von Wiederholungsef- fekten werden zwei Falle unterschieden, namlich Umkehr und Wiederkehr. So wurde gegen Boltzmanns zweiten Hauptsatz der Thermodynamik neben dem Umkehrein- wand von Poincark und Zermelo auch der Wiederkehreinwand erhoben [3] . Danach wiederholen sich alle Teilchenpositionen cy- clisch: ,,In einem System von materiellen Punkten muB unter Einwirkung von Kraften, die allein von der Lage im Raume abhangen, im allgemeinen ein einmal angenommener durch Konfiguration und Geschwindigkeiten charakterisierter Bewegungszustand im Laufe der Zeit, wenn auch nicht genau, so doch mit beliebiger Annaherung noch ein- mal, ja beliebig oft wiederkehren, vorausge- setzt, daB die Koordinaten sowie die Ge- schwindigkeiten nicht ins Unendliche wachsen" [4]. Dieser Sarz laRt sich am Bei- spiel von funf Billard-Kugeln, die sich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit in einem Kasten parallel zueinander bewegen und an den Wanden reflektiert werden, unmittelbar verstehen (Abbildung 3). Die Zeit his zu einer Wiederkehr hangt hier von der Anzahl der Teilchen und von den Verhaltnissen der Ge- schwindigkeiten ab.

Wie kann nun zur Erzeugung eines Echos eine Umkehr der Geschwindigkeiten in ei- nem Experiment erreicht werden? Ein mogli- ches Experiment ist das Billard-Spiel rnit Elektronen auf der Oberflache von flussigem

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Helium (Abbildung 4) [5]: Die Elektronen werden auf die Heliumoberflache emittiert. Dort bleiben sie aufgrund einer Anziehung uber Spiegelladungen haften, wahrend sie sich mit unterschiedlichen Geschwindigkei- ten bewegen. Nach ihrer Emission vollfuhren die Elektronen iiber eine Zeitdauer z eine un- geordnete Bewegung. Dann wird kurzzeitig ein starkes Magnetfeld senkrecht zur Helium- oberflache angelegt, das die Elektronen auf Kreisbahnen (Cyclotronbahnen) zwingt, ge- rade so lange, bis sie einen Halbkreis durch- laufen haben und damit ihre Geschwindig- keiten umgekehrt wurden. Nach Ablauf einer weiteren Zeitdauer T befinden sich alle Elek- tronen wieder in den gleichen relativen Posi- tionen zueinander wie zur Zeit ihrer Emis- sion. Voraussetzung zur Beobachtung dieses Echoeffekts ist, daa der Umkehrpuls kurz im Vergleich zur mittleren Zeit zwischen zwei aufeinanderfolgenden Kollisionen ist und dai3 die charakteristische Zeit fur die Damp- fung durch Reibung lang genug fur die Bil- dung des Echos ist.

Eine augenfallige Demonstration eines Echos in einem zweidimensionalen Medium ist auf mechanische Weise zu erreichen [6]: Eine vis- kose Flussigkeit, zum Beispiel heller Zucker- rubensirup, wird zwischen zwei konzentri- sche Plexiglaszyiinder gefullt. Der au8ere Zylinder ist fest und der innere kann um die gemeinsame Langsachse rotieren. Zwischen die Zylinder wird dann ein senkrechter Strei- fen aus (mit Lebensmittelfarbe) eingefarbtem Sirup gespritzt. Dieser Farbstreifen markiert den Anfangszustand des Systems. Wenn der innere Zylinder langsam gedreht wird, ent- steht eine differentielle laminare Stromung und der Farbstreifen verlauft, bis er schlieg- lich verschwindet. Doch auch nach rnehreren Umdrehungen befindet sich das System noch in einem Zustand versteckter Ordnung, denn der Streifen taucht als Echo des Ausgangszu- standes wieder auf, wenn der innere Zylinder zuriickgedreht wird. Im Prinzip ist nach dem Verschwinden des Farbstreifens die Entropie nicht gro13er geworden, da alle Teilchenposi- tionen zu jeder Zeit wohldefiniert miteinan- der korreliert waren. Natiirlich wird irrever- sible Diffusion mit der Zeit zu einer merkli- chen Abnahrne des Echos fuhren.

Echos in der magnetischen Kernresonanzspektroskopie

Irn Bereich der Spektroskopie wurden Echos erstmalig im Jahre 1949 von Erwin Hahn beim Aufbau eines Impuls-Spektrometers fur

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Abb. 1. Echos in der Spektroskopie sind haufig mit einer Umkehr der Zeitachse ver- bunden. Dies gilt jedoch nicht fur akusti- sche Echos: ,HELLO" wird nicht als ,OL- LEH" von der Bergwand reflektiert. [Zeich- nung Dipl.-Chem. Joachim Claul31

die magnetische Kernresonanz (NMR: nu- clear magnetic resonance, s. Informationska- sten auf S. 16) beobachtet [7]. Wie so oft bei wichtigen Entdeckungen war der Zufall im Spiel: An Stelle nur eines Anregungsimpulses produzierte der Hochfrequenzoszillator ge- legentlich zwei, und auf dem Oszilloskop er- schien dann aber immer noch ein drittes Si- gnal, namlich das Echo des freien Induk- tionszerfalls der Kernmagnetisierung. Die ge- niale Leistung Erwin Hahns bestand darin, diesen unerwunschten Effekt nicht einfach zu ubergehen, sondern zu untersuchen und zu erklaren.

Die gepulste NMR-Spektroskopie war sei- nerzeit vor dem Zeitalter allgemein verfiigba- rer Laborrechner und vor der Entdeckung der schnellen Fourier-Transformation ein recht ungewohnliches Arbeitsgebiet. Heute gehoren NMR-Spektrometer mit gepulster Anregung zur Grundausstattung moderner Chemiebetriebe und werden zur Analyse chemischer Syntheseprodukte routinemagig eingesetzt. Auch der Echo-Effekt bildet mitt- lerweile die Grundlage einer Reihe bedeuten- der Megverfahren in Chemie und Physik,

zurn Beispiel zur Untersuchung molekularer Bewegungen und Wechselwirkungen rnit Hilfe der NMR-Spektroskopie, der opti- schen Spektroskopie und der Riintgen- streuung.

Wie aber la& sich das NMR-Echo verstehen? D a m wird in Abbildung 5 der Effekt zweier Hochfrequenzimpulse mit den Drehwinkeln 90' und 180° auf verschiedene Komponenten der makroskopischen Magnetisierung be- trachtet. Diese unterscheiden sich durch et- was unterschiedliche Prazessionsfrequenzen: Verschiedene Kerne erfahren oft geringfugig unterschiedliche Magnetfelder, da die die Kerne umgebenden Elektronen das angelegte Magnetfeld unterschiedlich abschirmen. Die mittlere Prazessionsfrequenz ist die Larmor- Frequenz.

Zur Vereinfachung werden die folgenden Uberlegungen in einem Koordinatensystem, das sich mit der Larmor-Frequenz SIL urn die z-Achse dreht, durchgefuhrt. In diesem rotierenden Koordinatensystem erscheint die Magnetisierungskomponente, die im La- borkoordinatensystem genau mit der Lar- mor-Frequenz rotiert, statisch. Nach einem 90°-Impuls in x-Richtung wird die anfangs parallel zum statischen Magnetfeld fi, in z-Richtung orientierte, makroskopische Ma- gnetisierung M in die y-Richtung senk- recht zum Magnetfefd gedreht (a). Von der Mittenfrequenz aus gesehen laufen dann einige Magnetisierungskomponenten nach

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Abb. 2. Zeitumkehr auf dem reibungsfreien Billard-Tisch. Zur Zeit t = 2 werden die Ge- schwindigkeiten der Billard-Kugeln umge- kehrt. Es entsteht dann zur Zeit t = 22 ein Echo der Anfangslage bei t = 0 [2].

Abb. 3. Wiederholung des Ausgangszu- stands fur funf Billard-Kugeln, die sich mit Geschwindigkeiten von 1, 2, 3, 4 und 5 cm - s-' bewegen 121. 4

Abb. 4. Billard-Kugel-Echo von Elektro- nen auf der Oberflache von flussigem He- lium. Eine Umkehr der Elektronenge- schwindigkeiten wird durch kurzzeitiges Anlegen eines Magnetfelds senkrecht zur Heliumoberflache erreicht [5].

Abb. 5. a)-f) Das Hahn-Echo in der NMR- Spektroskopie. Gezeigt ist die Evolution der verschiedenen Magnetisierungskompo- nenten in einem Koordinatensystem, das sich rnit der Larmor-Frequenz urn die Richtung des statischen Magnetfeldes B, dreht. g) Als Anregung dienen zwei Hoch- frequenzimpulse mit den Drehwinkeln 90' und 180'. h) Das Meflsignal besteht aus dem FID beginnend bei t = 0 und dem Echo bei t = 22.

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rechts und andere nach links (b), so dai3 die makroskopische Magnetisierung, die sich aus der Vektorsumme der Einzelkomponenten ergibt, abnimmt. Nach Ablauf der Zeit z folgt ein 1 80°-Impuls, der den Facher der Magneti- sierungskomponenten um 180° um die x-Achse dreht (c). Da der Drehsinn der ein- zelnen Komponenten erhalten bleibt, sind nunmehr die langsamen Komponenten vorn und die schnellen hinten. Der Film lauft da- mit riickwarts (d), bis alle Komponenten zur Zeit t = 22 wieder zusammentreffen und ein Echo bilden (e), dessen Amplitude im Ver- gleich zu (a) negatives Vorzeichen hat. Da- nach Iauft die Magnetisierung wieder ausein- ander (f). Die zugehorige Anregungssequenz ist darunter abgebildet (g) zusammen mit dem MeBsignal (h), das mit einem Betragsde- tektor aufgenornmen wurde, so daR das un- terschiedliche Vorzeichen zwischen FID und Echo verlorengegangen ist.

Obwohl nicht in jeder Hinsicht zutreffend, so dient doch haufig das Rennbahnecho zur Veranschaulichung des Hahn-Echos (Abbil- dung 6) . Die Magnetisierungskomponenten verschiedener Frequenz werden hier von un- terschiedlich schnellen Radrennfahrern dar- gestellt, die auf einer Bahn an der Startlinie zum Rennen antreten. Nach dem Startsignal zur Zeit t = 0 verteilen sich die Fahrer auf- grund ihrer unterschiedlichen Geschwindig- keiten allmahlich uber die ganze Rennbahn.

Die Radrenner haben jedoch eine Verabre- dung getroffen: Nach einem zweiten Signal zur Zeit t = z kehren sie ihre Fahrtrichtung urn und fahren zuriick. Venn alie Fahrer die gleiche Geschwindigkeit beibehalten, dann treffen sie sich zur Zeit t = 22 gerade alle wie- der an der Startlinie, aber in umgekehrter Richtung.

Natiirlich werden die Fahrer mude und fah- ren nicht konstant mit der gleichen Ge- schwindigkeit. Einige mogen sogar stiirzen oder ihre Rader verlieren und ganz ausfallen. Derartige Storungen des Systems fiihren zu einer verringerten Echoamplitude, denn nicht alle Fahrer kommen gleichzeitig bei t = 22 wieder an der Startlinie an. Dieser Abfall der Signalamplitude wird in der NMR- Spektroskopie durch die Phasenrelaxations- zeit T, charakterisiert. Diese Relaxationszeit ist eine wichtige Meggrofle, denn sie gibt Auskunft iiber die Kopplung des Systems an seine Umwelt. In der Spektroskopie wird diese Kopplung durch molekulare Bewe- gungsvorgange bewerkstelligt. Spektrosko-

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pie mit Echos wird daher dam benutzt, sol- che Relaxationsphanomene zu untersuchen.

Das gleiche Verfahren wird auch zur Unter- suchung von Selbstdiffusionsvorgangen be- nutzt, zum Beispiel der Diffusion von Was- serrnolekulen in Wasser [9]. Dam wird zu- satzlich zu dem statischen Magnetfeld ein Magnetfeldgradient uber die Probe angelegt.

Dadurch ist das Magnetfeld und damit die Prazessionsfrequenz der Kernspins vom Ort in der Probe abhangig, und die makroskopi- sche Magnetisierung zerfallt aufgrund dieser ortsabhangigen Unterschiede in den Reso- nanzfrequenzen. Die Magnetisierung kann aber durch einen 180°-Impuls zu einem Echo refokussiert werden. Diffundieren jedoch einige Molekule wahrend der Zeit zwischen den zwei Anregungsirnpulsen in Bereiche rnit anderen Magnetfeldern, so refokussieren diese Magnetisierungsanteile auf Grund der veranderten Prazessionsfrequenzen zu ande- ren Zeitpunkten, und die Echoamplitude ist gedampft. Aus der Dampfung der Echoarn- plitude fur unterschiedliche Irnpulsabstande 1ai3t sich die Selbstdiffusionskonstante be- stimmen.

In Analogie zur Kernresonanz kann auch an den freien Elektronen stabiler Radikale ma- gnetische Resonanzspektroskopie betrieben werden. Auch in der Elektronenspinreso- nanz-Spektroskopie (ESR-Spektroskopie) ist das Echoverfahren eine bedeutende MeGme- thode, die wichtige Information uber die Struktur yon Radikalen liefert [lo].

Nun l a k sich interessanterweise auch ein Echo beobachten, wenn der zweite Impuls der Echoanregung, der 1 80°-Impuls, in zwei 90°-Impulse aufgespalten wird (Abbildung 7). Es erscheint dann sowohl nach dern zwei- ten als auch nach dem dritten 90°-Impuls je- weils ein Echo im Abstand T, welcher der Zeit zwischen erstem und zweitern Irnpuls ent- spricht. Nach dem zweiten 90°-Irnpuls wurde die Magnetisierung im Endeffekt um 1 SOo gedreht. Dadurch ist sie wieder parallel zur Achse des statischen Magnetfelds und re- laxiert mit der Energierelaxationszeit T, in den thermodynamischen Gleichgewichtszu- stand. Da die Energierelaxationszeit T, (Se- kunden bis Minuten) im allgemeinen sehr vie1 Ianger als die Zerfallszeit T," (Mikro- bis Millisekunden) des FID-Signals ist, kann in Festkiirpern selbst nach Ablauf von einigen Sekunden nach dem zweiten Impuls noch ein Echo erzeugt werden.

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Abb. 6. Das Rennbahnecho. Bei t = 0 star- ten die Fahrer mit unterschiedlicher, aber konstanter Geschwindigkeit. Nach der Zeit T sind sie uber die Bahn verteilt und kehren auf ein Signal hin ihre Fahrtrichtung um. Nach einer weiteren Zeitspanne T treffen sie gleichzeitig wieder alle im Zicl cin.

Abb. 7. Anregungsimpulssequenz fur das

stimulierte Echo. Der Zeitabstand t, = z zwischen erstem und zweitem 90°-Impuls betragt in der Festkorperkernresonanz ca. eine Millisekunde. Die Zeit tm zwischen zweitem und drittem 90°-Impuls kann bis zu einigen Sekunden betragen. Nach Ab- lauf der Zeit z nach dem zweiten Impuls wird ein Hahn-Echo beobachtet und nach dem dritten Impuls das stimulierte Echo.

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Aber auch die Amplitude des stimulierten Echos wird von molekularen Bewegungsvor- gangen gedampft. Diese Bewegungen kon- nen aber so langsam sein wie der Abstand zwischen zweitem und drittem Impuls, also auf der Sekundenzeitskala ablaufen. Derartig langsame Bewegungen sind charakteristisch fur Molekiile in Festkorpern. Eine detaillierte Aussage iiber diese langsamen Bewegungs- prozesse kann dann getroffen werden, wenn das stimulierte Echo als Funktion von t2 fur viele Impulsabstande t, = z gemessen wird. Die MeBdaten werden in Form einer Matrix in einem Rechner gespeichert, wobei die Werte von tl die Zeilen und die Werte von t2 die Spalten bilden. Eine zwei-dimensionale Fourier-Transformation (2D-IT) transfor- miert diesen Datensatz mit zwei Zeitachsen in einen Datensatz mit zwei Frequenzachsen. Deshalb wird das Ergebnis der 2D-FT auch als zwei-dimensionales Spektrum bezeichnet.

Abbildung 8 zeigt als Beispiel das 2D-NMR- Spektrum der W-Resonanz von Polyoxy- methylen, das auch als Hostaform-C@ oder Delrin@ im Handel ist. Die Makromolekiile dieses Kunststoffes bilden Helix-Strukturen in den kristallinen Bereichen des Materials, wobei genau neun Monomere fiinf Windun- gen der Helix bilden. (Ein Monomer ist der chemische Elementarbaustein eines Polymers oder Kunststoffmolekuls. Bei Polyoxyme- thylen hat ein Monomer die Struktur -CH,-0-.) Die Hclix muB deshalb um 200' gedreht und entlang ihrer Achse ver- schoben werden, damit eine Monomereinheit auf den Platz ihrer Nachbarin vorrucken kann. Diese Bewegung findet in der Tat in dem Kunststoff statt, und zwar als Sprung rnit einer Frequenz von etwa einem Sprung pro Sekunde bei einer Temperatur von 360 K. Den Beweis liefert die Existenz des Ringwal- les aderhalb der Diagonalen in der zweidi- mensionalen Spektralebene des zwei-dimen- sionalen NMR-Spektrums in Abbildung 8 [Ill. Zwei-dimensionale NMR-Spektroskopie mit drei Anregungsimpulsen wird nicht nur zur Untersuchung von langsamen Bewe- gungsvorgangen eingesetzt, sondern auch sehr erfolgreich zur Aufklarung von Uber- strukturen biologischer Makromolekiile in Losung. Sie ist vergleichbar im Stellenwert mit der Rontgenstrukturaufklarung kristalli- ner Materialien [8].

Optische Echos

Zwischen der magnetischen Kernresonanz und der optischen Spektroskopie besteht for-

mal ein sehr enger Zusammenhang. Obwohl in der optischen Spektroskopie ein von aui3en angelegtes, statisches Orientierungsfeld fehlt, so lai3t sich doch der Vorgang der optischen Absorption und der stimulierten Emission im Vektorbild der Kernresonanzspektroskopie beschreiben. Dies wurde 1957 in der beriihm- ten Arbeit von Feynman, Vernon und Hell- warth gezeigt [12]. In diesem Vektorbild bringt der erste Impuls einer Hahn-Echo- folge die Elektronen in einen quantenmecha- nischen Uberlagerungszustand, der eine Mi- schung aus dem optischen Grundzustand und dem angeregten Zustand ist. Der Uberla- gerungszustand ist mit einem mikroskopi- schen elektrischen Dipolmoment assoziiert, das mit der Ubergangsfrequenz R = A E h oszilliert, wobei AE die Energiedifferenz zwischen Grundzustand und angeregtem Zu- stand ist. In dem koharenten Strahlungsfeld eines Lasers werden alle Ubergange mit glei- cher Phase angeregt, so da13 sich die mikro- skopischen Dipolmomente zu einem makro- skopischen Dipolmoment addieren, ebenso wie sich die mikroskopischen magnetischen Dipolmomente der Atomkerne zur makro- skopischen Magnetisierung addieren.

Der erste Impuls stimuliert eine Emission op- tischer Energie. Sofort nach dem Impuls os- zillieren alle elektrischen Dipole mit gleicher Phase. Auf Grund der unterschiedlichen Um- gebungen der Molekule existiert jedoch eine Verteilung von Frequenzen. Die optische Re- sonanz ist inhomogen verbreitert. Deshalb geht die anfangliche Phasenkoharenz der sti- mulierten Emission schnell verloren (Relaxa- tionszeit T,"). Ein zweiter Impuls zur Zeit t =

z erzeugt dann wie in der Kernresonanz eine Refokussierung der Dipolmomente und da- rnit ein Echo zur Zeit t = 2.5 [13].

Welche Information birgt nun das optische Echo? Ais Beispiel betrachten wir einen Mo- lekiilkristall, in den einige Gastmolekiile ein- gebaut sind, die mit der Echo-Spektroskopie beobachtet werden. Ihre Konzentration ist so gering, dai3 sie nicht miteinander in Wechsel- wirkung treten. AuBerdem sei die Tempera- tur so niedrig, da13 die thermischen Schwin- gungen des Kristallgitters die Gastmolekule praktisch nicht mehr beeinflussen. Die gitter- induzierten Fluktuationen und Konfigura- tionsanderungen sind dann ,,ausgefroren", und es wird eine homogene Linie im opti- schen Spektrum beobachtet, deren Breite von der Lebensdauer At des angeregten Zustands nach der Heisenbergschen Unscharferelation AE . At 2 h/2 bestimmt ist.

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Abb. 8. Zwei-dimensionales NMR-Spek- trum von Polyoxymethylen. Der Ringwall in der Spektralebene wird von Sprilngen der Helixmolekille um 200' urn die Helix- achse verursacht.

Wenn nun bei gleichbleibend tiefer Tempera- tur die Konzentration der Gastmolekule er- hoht wird, beginnen diese miteinander in Wechselwirkung zu treten, und die optische Spektrallinie verbreitert sich. Wenn auf der anderen Seite bei gleichbleibend geringer Konzentration der Gastmolekiile die Tempe- ratur erhoht wird, verstarkt sich die Wechsel- wirkung der Gastmolekule mit dem Wirts- gitter und fuhrt auf diese Weise zu einer Li- nienverbreiterung. An der Linienbreite im optischen Spektrum konnen daher die Wech- selwirkungen der Gastmolekule untereinan- der und die Wechselwirkungen zwischen Gastmolekiilen und Wirtskristall untersucht werden.

Diese homogene Linienbreite kann bei Mischkristallen und Glasern aber nicht ohne weiteres gemessen werden, da die Resonanz- frequenzen auf Grund der statistischen Um- gebung der Knstallite eine Verteilung zeigen. Die Linienbreite wird daher im allgemeinen von der Verteilung der molekularen Umge- bungen und nicht von den zu untersuchenden Wechselwirkungen bestimmt.

Sofern die molekularen Umgebungen uber die Dauer 2z des Echo-Experiments konstant sind, kann die homogene Linienbreite aber aus dem Echoabfall gewonnen werden. Auf diese Weise ist uber das Echo die gesuchte In-

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formation uber die molekularen Wechselwir- kungen zuganglich, wie zum Beispiel die Ak- tivierungsenergie der Librationsbewegung eines Tetracen-Dimers als Gastmolekul im para-Terphenyl-Wirtskristall (Abbildung 9) [14]. Dazu wird die Zerfallskurve fur das op- tische Hahn-Echo bei verschiedenen Tempe- raturen bestimmt, indem das Echoexperi- ment bei jeder Temperatur fur verschiedene Abstande z der Laserimpulse wiederholt wird. Aus den Werten der Echoamplitude bei einer Temperatur ergibt sich die Phasenrela- xationszeit T,. Aus den Phasenrelaxationszei- ten fur verschiedene Temperaturen folgt die Aktivierungsenergie, aus deren Griji3e auf den vorliegenden Bewegungsprozei3 ge- schlossen werden kann. Die fur das Tetracen- Dimer gefundene Aktivierungsenergie von 10 cm-' weist auf eine Librationsbewegung (Oszillation, unvollstandige Rotation) des Molekuls hin.

Das Neutronenspin-Echo [15]

Neutronen sind wie die Protonen Bausteine der Atomkerne. Auch das Neutron besitzt ei- nen quantenmechanischen Eigendrehimpuls oder Spin und damit ein magnetisches Dipol- moment. Infolgedessen prazedieren sie, wie die Magnetisierung in der Kernresonanz, um die Feldlinien eines Magnetfelds, und Echos konnen auf analoge Weise erzeugt werden. Allerdings werden Neutronen in Kernreakto- ren erzeugt und fliegen dann in Strahlen ge- biindelt durch den Raum. Mit Neutronen- spin-Echospektrometern konnen die durch Streuung der Neutronen an einer Probe ver- ursachten Anderungen der kinetischen Ener- gie sehr empfindlich nachgewiesen werden (Abbildung 10).

Aus einem Kernreaktor werden durch Ab- bremsen (Moderieren) kalte Neutronen rnit Geschwindigkeiten im Bereich von 300 bis 4000 m . s-I erhalten. Von diesen werden Neutronen rnit annahernd gleicher Ge- schwindigkeit selektiert und an einem ma- gnetischen Spiegel in Flugrichtung polari- siert. Sie treffen dann auf ein zum Beispiel un- ter 45' zur Flugrichtung anliegendes Magnet- feld, um das sie zu prazedieren beginnen. Die Starke des Magnetfelds ist auf die Flugzeit der Neutronen so abgestimmt, dai3 die Dipolmo- mente der Neutronen beim Verlassen des Fel- des senkrecht zur Flugrichtung ausgerichtet sind (90°-Spule). Anschliefiend folgt ein ma- gnetisches Fuhrungsfeld 6, parallel zur Flug- richtung, um das die Neutronen analog der transversalen Magnetisierung im 6,-Feld der

NMR-Spektroskopie prazedieren, bis sie auf die Probe treffen. Die dort unter dem Winkel 8 gestreuten Neutronen werden in einem senkrecht zur Streurichtung angelegten Ma- gnetfeld um 180' gedreht und durchlaufen dann ein zweites Fuhrungsfeld 6,'. Danach wird eine Komponente der transversalen Po- larisation uber eine weitere 9O0-Spule und ei- nen magnetischen Spiegel auf den Detektor gerichtet.

Die an der Probe ankommenden Neutronen haben durch die Larmor-Prazession im Fiih- rungsfeld Bc je nach Geschwindigkeit und Feldstarke einen bestimmten Phasenwinkel (D durchlaufen. Das zweite Fuhrungsfeld f$' ist so abgestimmt, dafl die Neutronen densel- ben Phasenwinkel in umgekehrter Richtung durchlaufen und am Detektor ein Echo beob- achtet wird. Wenn die Neutronen von der Probe vollkommen elastisch gestreut werden, andert sich ihre kinetische Energie E, = 1/2 m . vz nicht. Geben die Neutronen jedoch Energie AE =h AQ an die Probe ab oder neh- men sie Energie von der Probe auf, werden sie also unelastisch gestreut, dann kommt es beim Durchlaufen des zweiten Fuhrungsfelds zu einem Phasenunterschied A@ = AQ . t = AE . t h . Dieser Phasenunterschied kann mit dem Neutronen-Spinechospektrometer uber die Zeit t sehr genau gemessen werden, da jedes Neutron uber seine Prazessionsphase seine eigene Uhr mit sich tragt. Dazu wird die Echoamplitude als Funktion der Starke der Fuhrungsfelder bei konstantem Verhaltnis B,/B,' aufgezeichnet. Die Zeit t ist dabei der Starke B, bzw. B,' der Fuhrungsfelder direkt proportional.

Die Wechselwirkung der Neutronen mit der Probe wird jedoch nicht nur uber die Ener- giedifferenz, also die Betrage der Geschwin- digkeiten von auftreffenden und gestreuten Neutronen, charakterisiert, sondern auch iiber die Richtungsanderung, die durch den Streuwinkel 8 zwischen den Flugrichtungen der auftreffenden und der gestreuten Neutro- nen festgelegt ist. Bei der Streuung werden im allgemeinen also Betrag und Richtung, das heii3t Energie 1 / 2 m . v2 und Impuls m . ?, der Neutronen untersucht. Die Differenz der Tm- pulse zwischen auftreffenden und gestreuten Neutronen wird als Streuvektor 4 bezeichnet (Abbildung 10). Das ist der Impuls, den die Neutronen an die Probe abgeben. Gro8e Streuvektoren entsprechen kleinen Struktu- ren in der Probe und kleine Streuvektoren grogen Strukturen. Diese Abhangigkeit der Echoamplitude von dem Streuwinkel8 und

dem Energieubertrag AE wird in der inter- mediaren Streufunktion s(+) als Funktion des Streuvektors 6 und der Zeit t (entspre- chend der Starke der Fuhrungsfelder) ausge- druckt.

Welche Art detaillierter Information mit der Spin-Echo-Neutronenstreuung zu bekom- men ist, sol1 an einem Beispiel aus der Poly- merforschung demonstriert werden [16]. We- gen der hohen Energieempfindlichkeit wird das Neutronenspin-Echoverfahren sehr er- folgreich zur Untersuchung der Segmentbe- wegungen von Polymeren eingesetzt. Abbil- dung 11 zeigt hierzu Verlaufe der intermedia- ren Streufunktion fur Zeiten bis hinauf zu

s einer stark verdiinnten Losung von Po- lydimethylsiloxan in Deuterobrombenzol fur verschiedene Streuvektoren 4. Die Streufunk- tion ist fur kleine Werte des Streuvektors fast unabhangig von der Zeit t, fur groi3e

Abb. 9. a) Zerfallskurve fiir das optische Hahn-Echo eines Tetracen-Dimers in para- Terphenyl bei 2,61 K. Der Zerfall gehorcht einem Exponentialgesetz und wird von der Phasenrelaxationszeit T, beschrieben. b) Temperaturabhangigkeit der Phasenrela- xationszeit T,. Aus den MeSdaten folgt eine Aktivierungsenergie von AE = 10 cm-'.

Abb. 10. Prinzip des Neutronen-Echospek- trometers. Aus einem Strahl kalter Neutro- nen wird ein schmaler Geschwindigkeitsbe- reich ausgeblendet. Die Neutronen werden uber einen magnetischen Spiegel in Strahl- richtung polarisiert. Anschliefiend durch- laufen sie ein Magnetfeld (90°-Spule), das die Polarisationsrichtung senkrecht zur Flugrichtung einstellt. Darauf folgt ein magnetisches Ftihrungsfeld B, parallel zur Flugrichtung, urn das die Neutronen ana- log der transversalen Magnetisierung im B,-Feld der NMR-Spektroskopie prazedie- ren, his sie auf die Probe treffen. Die dort unter dem Winkel Q gestreuten Neutro- nen werden in einem weiteren Magnetfeld urn 180' gedreht und durchlaufen ein wei- teres Fuhrungsfeld 6;. SchlieSlich wird eine Komponente der transversalen Polari- sation iiber eine weitere Kombination aus 9o0-Spule und magnetischem Spiegel auf den Detektor gerichtet.

Abb. 11. Verlauf der intermediaren Streu- funktion einer stark verdiinnten Losung von Polydimethylsiloxan in Deuterobrom- benzol [16].

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Echos

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12 Abb. 12. a) Das Model1 aus Federn und Ku- geln fur Polymerketten in Losung. Die Masse der Polymersegmente wird durch die Kugeln beschrieben, ihre Beweglichkeit durch die verbindenden Federn. b) Nach dem Rouse-Model1 konnen sich die Poly- mersegmente reibungsfrei an den anderen vorbeibewegen. c) Nach dern Zimm-Model1 besteht uber das Losungsmittel eine hydro- dynamische Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Polymersegmenten. 11

Chemie in unserer Zeit / 24. Jahrg. 1990 / Nr. 1 21

Page 10: Echos in der Spektroskopie. Grundlagen und Anwendungen

Echos

Werte von 6 fallt sie dagegen sehr schnell ab. Damit kann eine ganz bestimrnte Vorstellung iiber das dynamische Verhalten der Polyrner- losung verbunden werden: Eine Polyrner- kette wird in verschiedenen Modellen rnit Kugeln beschrieben, die durch Federn mit- einander verbunden sind (Abbildung 12). Ein bestirnrntes Kettensegment kann sich nun entweder reibungsfrei an den anderen Seg- menten vorbeibewegen (Rouse-Modell) oder ebcn rnit Reibung (Zirnm-Modell). Beim Zirnm-Modell sind die mikroskopischen Strukturen durch die hydrodynamische Wechselwirkung der Kettensegmente gro8er. Eine detaillierte Analyse der intermediaren Streufunktion ergibt, dai3 sich die beobachte- ten Neutronenspin-Echodatcn mit dem Zimm- und nicht mit dern Rouse-Mode11 er- klaren lassen.

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22 Chernie in umerer h i t / 24. Jahrg. 1990 / Nr. I