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Dr. Dipl.-Psych. Harry de Maddalena
Universitäts-HNO-Klinik TübingenElfriede-Aulhorn-Straße 5
72076 Tübingene-mail: [email protected]
Patientenbetreuung bei Kehlkopfoperationen
Patientenbetreuerseminar des Bundesverbandes der Kehlkopflosen in Bad Salzdetfurth 26.-28. April 2010
Kurzüberblick
Drei-Stufenmodell für die Patientenbetreuung
Die Situation vor der Operation
Kriterien für die Eignung als Patientenbetreuer
Die Betreuung vor der Operation
Die Betreuung nach der Operation
Die Betreuung nach der Klinikentlassung
Psychoonkologie – Psychosoziale Onkologie
• beschäftigt sich mit allen, die mit einer Krebserkrankung konfrontiert sind
• psychische Faktoren, Krebsentstehung und Heilungsverlauf („Krebspersönlichkeit“)
• Hilfen bei der Bewältigung („Lebensqualität“)
Typische Ausgangssituation von Patienten mit Tumoren im Kopf-Hals-Bereich
Unerwartetes Auftreten der Erkrankung
Aufgrund der niedrigen Inzidenz und Prävalenz oft nur „Halbwissen“ oder kein Vorwissen über Krebs im Kopf-Hals-Bereich
Subjektive Verarbeitung der Diagnose auf der Basis des allgemeinen Wissens über Krebs
Ergebnis: Oft falsche oder unrealistische Vorstellungen über die Operationsfolgen, den Krankheitsverlauf und die Rehabilitationsmöglichkeiten
nur 8% geben an, dass sie mit Krebs gerechnet
haben
z.B. Was versteht der Patient unter
“bösartig”
z.B. Krebs = Tod
0
10
20
30
40
50
60
gar nicht etwas ziemlich stark
vor der Operation nach der Operation
Angaben von 50 Tumorpatienten zur Ängstlichkeit vor und nach der Operation
Pro
zen
tan
gab
en
Vor der Operation kein Zusammenhang zum Schweregrad der Operation!
Informationsbedürfnis und Heilungsverlauf von chirurgisch behandelten Patienten
Erhaltene Information
GeringHoch
Hoch
Gering
Info
rmat
ion
sbed
ürf
nis
Heilungsverlauf ?(z.B. Schmerzmedikamente, Komplikationen, Dauer des Klinikaufenthaltes)
Enger Zusammenhang mit Informationsverarbeitungsstrategien in
angstauslösenden Situationen
Informationsbedürfnis und Heilungsverlauf von chirurgisch behandelten Patienten
Erhaltene Information
GeringHoch
Hoch
Gering
Info
rmat
ion
sbed
ürf
nis
gut
schlecht
sehr schlecht
sehr gut
Informationsbedürfnis von Laryngektomierten und deren Angehörigen
Betroffener
GeringHoch
Hoch
GeringAn
geh
öri
ger Leicht ?
Schwierig ?
Schwierig?
Leicht ?
Ergebnisse:Trifft nicht zu 14 %Teils/teils 34 %Trifft zu 53 %
Fragestellung:“Manchmal wünsche ich mir, mich mit anderen, die ähnliche Erfahrungen machten wie ich, auszusprechen”
N=91
Ergebnisse:Trifft nicht zu 57 %Teils/teils 24 %Trifft zu 20 %
Fragestellung:“Ich habe von meinen eigenen Erfahrungen genug und möchte nicht noch mit den Schwierigkeiten anderer Kehlkopfpatienten belastet werden”
N=91
Ergebnisse:Trifft nicht zu 25 %Teils/teils 32 %Trifft zu 44 %
Fragestellung:“Im Wartezimmer spreche ich mit anderen Patienten, die wegen Kehlkopfkrebs behandelt wurden oder werden”
N=94
Ergebnisse:Trifft nicht zu 62 %Teils/teils 18 %Trifft zu 21 %
Fragestellung:“Ich treffe mich mit anderen Kehlkopflosen, um gemeinsame Schwierigkeiten besser bewältigen zu können”
N=91
Ergebnisse:Trifft nicht zu 47 % Teils/teils 26 %Trifft zu 26 %
Fragestellung:“Ich habe privaten Kontakt zu anderen Kehlkopflosen”
N=92
Teils/teils Trifft zu
Wunsch nach Aussprache
34% 53%
Sprechen im Wartezimmer
32% 44%
Treffen mit anderen
18% 21%
Privater Kontakt 26% 26%
Zusammenfassung
Kriterien für die Eignung als Patientenberater für Laryngektomierte
Wunsch, andere Menschen bei der Bewältigung der Operation und der Behinderung zu unterstützen
Physische Genesung von der Operation und der Krankheit
Gut verständliche Stimme
Vorurteilsfreie Bewertung einzelner Stimmrehabilitations-methoden (z.B. keine Diskriminierung von Sprechhilfen)
Aktiver Lebensstil
Positive Einstellung zum Leben, zur Operation und zur Behandlungseinrichtung
Kompetenzen im Bereich der Gesprächsführung (z.B. aktives Zuhören, objektive Beantwortung von Fragen)
Fähigkeit, Kontakt herzustellen und ein „schleppendes“ Gespräch in Gang zu halten
Guter Kontakt zum Behandlungspersonal
Grenzen der Beratung erkennen (z.B. nicht die Aufgaben anderer Berufsgruppen übernehmen)
Kriterien für die Eignung als Patientenbetreuer für Laryngektomierte
Wunsch, anderen Menschen bei der Bewältigung der OP zu helfen 1,2
Positive Einstellung zum Leben, zur Operation und zur Klinik 1,2
Physische Genesung von der Operaation und der Krankheit 1,4
Grenzen der Betreuung erkennen und einhalten können 1,4
Guter Kontakt zum Behandlungspersonal 1,4
Aktiver Lebensstil 1,5
Kompetenzen im Bereich der Gesprächsführung 1,5
Gut verständliche Stimme 1,5
Vorurteilsfreie Bewertung einzelner Stimmrehabilitationsmethoden 1,7
Fähigkeit, Kontakt herzustellen und ein schleppendes Gespräch in Gang zu halten
Stufe Zeitpunkt Ziele und Inhalt
1. Stufe 2-3 Tage vor der Operationwenn eine stabile Entscheidung zur Operation gefallen ist
Vorstellung des PatientenbetreuersKennenlernen des Betroffenen und seiner wichtigen Bezugspersonen Emotional stabilisierende GesprächsführungInformation über die weitere Betreuung
2. Stufe 2-3 Tage vor der Klinikentlassung
Information über körperliche Veränderungen, Hilfsmittel, Stimmrehabilitation und sozialrechtliche AspekteTipps und Übungen zur KommunikationsgestaltungUnterstützung bei emotionaler Bewältigung
3. Stufe Innerhalb der ersten Wochen nach der Klinikentlassung
Bestandsaufnahme des bisherigen RehabilitationsverlaufsPlanung weiterer HandlungsschritteUnterstützung bei der psychologischen Anpassung an die Lebenssituation
Drei-Stufenmodell der Patientenbetreuung bei Kehlkopfoperierten
Zeitpunkt 2-3 Tage vor der Operation Wenn eine stabile Entscheidung zur Operation gefallen ist
Ziele und Inhalt
Vorstellung des Patientenbetreuers Kennenlernen des Betroffenen und seiner wichtigen Bezugspersonen Emotional stabilisierende Gesprächsführung Information über die weitere Betreuung / Stimmrehabilitation
Drei-Stufenmodell der Patientenbetreuung bei Kehlkopfoperierten 1. Stufe – Betreuung vor der Operation
Gesprächsführung vor der Operation
Emotional einfühlende Gespräche
Indikation:- Hilflosigkeit- Fixierte Aufmerksamkeit- Überlastung- Überaktivierung- Instabilität
Ziele:- Entlastung- Orientierung verschaffen- Beziehung aufbauen
Gestaltung:- Aktives Zuhören- Signale positiver Wertschätzung- Geringe inhaltliche Steuerung- Keine komplexen Sachverhalte
Möglichkeiten der Gesprächsgestaltung
Information über die Stimmrehabilitation - präop
Nach der Operation besteht vorübergehend ein Stimmverlust.
Der Stimmverlust kann teilweise kompensiert werden (Praktische Übungen).
Die Stimmrehabilitation beginnt in der Regel ca. 10-14 Tage nach der OP.
Eine normale Stimmbildung ist trotz Rehabilitation nicht mehr möglich.
Es bestehen gute Chancen wieder eine Stimme zu erlangen, die für Gespräche in geräuscharmer Umgebung oder am Telefon zufrieden stellend ist.
Zeitpunkt 2-3 Tage vor der Klinikentlassung
Ziele und Inhalt
Information über körperliche Veränderungen, Hilfsmittel, Stimmrehabilitation und sozialrechtliche AspekteTipps und Übungen zur Kommunikationsgestaltung
Unterstützung bei emotionaler Bewältigung
Drei-Stufenmodell der Patientenbetreuung bei Kehlkopfoperierten 2. Stufe – Betreuung nach der Operation
Information über die Stimmrehabilitation - postop
Der Stimmverlust kann teilweise kompensiert werden.
Die Stimmrehabilitation beginnt in der Regel ca. 10-14 Tage nach der OP.
Eine normale Stimmbildung ist trotz Rehabilitation nicht mehr möglich.
Die Sprachverständlichkeit hängt von situativen Faktoren ab.
Durch ein stufenweises Training muss die Stimmbildung langsam optimiert werden. Der zeitliche Trainingsverlauf ist variabel.
Der Erfolg ist u.a. von der eigenen Mitarbeit abhängig.
Stimmventile sind kompatibel mit anderen Methoden der Stimmbildung.
Studie zum Einfluss der Stimmrehabilitation mit Shunt-Ventilen auf die postoperative psychische
Anpassung
Messzeitpunkt
T 31-2 Tage vor Entlassung
> PLTT
Gruppe A: 17 “gute Sprecher” (PLTT >50)
Gruppe B: 13 “mäßige Sprecher” (0< PLTT < 50)
Gruppe C: 13 aphone Patienten
Erfaßte Variablen
> Postoperative Belastung> Antizipierte Stigmatisierung durch die Stimme
Ergebnisse:
Die “guten Sprecher” schätzten die postoperative Zeit als deutlich belastender ein als die aphonen Patienten.
Die “guten Sprecher” erwarteten deutlich mehr stigmatisierende Reaktionen ihres sozialen Umfeldes als die “mäßigen Sprecher” und die aphonen Patienten.
Laryngektomie - Stimmverlust
Prozessmodell der Stimmrehabilitation
Warten auf Stimmrehabilitation
Beginn der Stimmrehabilitation
Sukzessive Fortschritte
Abschluss der Stimmrehabilitation
Positive Auswirkungen auf die emotionale Befindlichkeit und
die Aktivitätsbereitschaft
Realisieren, dass normale Sprachverständlichkeit nicht
mehr erreichbar ist
Bewertung der neuen kommunikativen Kompetenzen
Persönlichkeitsfaktoren wie z.B. Bewältigungsstrategien
Zeitpunkt Innerhalb der ersten Wochen nach der Klinikentlassung
Ziele und Inhalt
Bestandsaufnahme des bisherigen Rehabilitationsverlaufs Planung weiterer Handlungsschritte Unterstützung bei der psychologischen Anpassung an die Lebenssituation
Drei-Stufenmodell der Patientenbetreuung bei Kehlkopfoperierten 3. Stufe – Betreuung nach der Klinikentlassung
Mögliche soziale und psychologische Konsequenzen der Laryngektomie
Mögliche soziale und psychologische Konsequenzen der Laryngektomie
Teil/teils Trifft zu
Mein Mann gibt mir dass Gefühl, dass ich immer in seiner Nähe bleiben soll.
27% 51%
Seit der Operation beansprucht mich mein Mann stärker als vorher.
26% 47%
Im Gegensatz zu früher bleiben wir heute öfter zu Hause.
26% 45%
Seit der Operation gehe ich nicht mehr so häufig aus wie vorher.
16% 42%
Mit meinen Wünschen muss ich heute öfter zurückstehen als vor der Operation.
32% 40%
Seit der Operation habe ich für mich selbst weniger Zeit als vorher.
32% 34%
Für viele Dinge, die mir früher Freude ge-macht haben, habe ich heute keine Zeit mehr.
23% 17%
Ergebnisse einer Befragung von 38 Ehefrauen von Kehlkopfoperierten; 6 Monate nach Therapieabschluss
Stärkere Beanspruchung der
Ehefrau
Häufigkeit Sozialkontakte - 0,64 ***
Rückzug aus der Kommunikation 0,37 *
Zusammenhang (Korrelation) zwischen Anpassungsindikatoren der Ehefrau und der
Anpassung des Ehemannes(n=38 Ehepaare; 6 Monate nach Therapieabschluss)
Anmerkungen: * p<0,05; *** p< 0,001Partielle Rangkorrelationen; die Sprachverständlichkeit (PLTT) wurde herauspartialisiert;