Forum Restrukturierung 05. Juli 2010
Es gilt das gesprochene Wort!
Die Rolle der finanziellen
Mitarbeiterbeteiligung für die
Unternehmenskultur und die
Tarifpolitik
Rede von
Ottheinrich von Weitershausen
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Meine Damen und Herren,
die beiden Vorträge von Mr. O`Kelly und Herrn
Szesztay haben uns mit unterschiedlichen
Aspekten der finanziellen Mitarbeiterbeteiligung
bekannt gemacht. Beide haben uns sehr konkrete
und anschauliche Fakten geboten; einmal über die
Verbreitung und Entwicklung von finanzieller
Mitarbeiterbeteiligung, das andere Mal ein sehr
lebendiges Beispiel aus der Unternehmenspraxis.
Welche Rolle fällt nun mir als dem Vertreter der
Arbeitgeber, als Vertreter eines
Arbeitgeberverbandes zu? Als Mitglied der
Geschäftsführung der Deutschen
Arbeitgeberverbände werde ich diese Frage
verständlicherweise mit Bezug auf Deutschland
beantworten; denn hier kenne ich mich besonders
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gut aus. Aber ich denke, dass die meisten
Positionen auch in anderen Ländern der
Europäischen Union akzeptiert sind.
Baustein der Unternehmenskultur
Wichtig ist eine grundsätzliche Feststellung: Die
finanzielle Mitarbeiterbeteiligung ist ein Baustein
der Unternehmenskultur. Für seine interne Kultur,
für seine Werte und wie sie realisiert werden, trägt
jedes Unternehmen zu allererst selber die
Verantwortung. Das gilt auch und gerade für die
finanzielle Mitarbeiterbeteiligung und zwar in
beiden Formen: der Beteiligung der Mitarbeiter
am Kapital wie auch der Beteiligung am
Unternehmenserfolg.
Die deutschen Arbeitgeberverbände sehen eines
ihrer Ziele darin, den Unternehmen einen
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möglichst großen Freiraum für die Ausgestaltung
ihrer spezifischen Unternehmenskultur zu
gewährleisten.
Mitarbeiterbeteiligung am Unternehmenskapital
Für die Beteiligung der Mitarbeiter am Kapital des
Unternehmens gilt der Grundsatz der
beiderseitigen Freiwilligkeit. Das heißt konkret:
Kein Unternehmen darf gezwungen werden,
Mitarbeiter an seinem Kapital zu beteiligen; und
kein Mitarbeiter darf gezwungen, sich am Kapital
des Unternehmens beteiligen zu müssen.
Dieses Stoppschild gilt sowohl für unsere Haltung
gegenüber gesetzlichen Vorgaben wie auch für die
Tarifpolitik.
Diesem Grundsatz widerspricht nicht, wenn der
Staat versucht, mit steuerlichen Anreizen eine
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solche Beteiligung zu fördern. Denn hierbei bleibt
die Freiwilligkeit für beide Seiten gewahrt. Die
Bundesregierung hat Anfang dieses Jahres die
Förderung erweitert. So kann ein Arbeitnehmer
360 Euro steuerfrei anlegen – und zwar aus seinem
regelmäßigen Verdienst (Gehaltsumwandlung),
allerdings nicht sozialabgabenfrei. Vorher war
eine solche Anlage nur dann steuerfrei, wenn es
sich um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers
handelte, die zusätzlich zum vertraglich
geschuldeten Lohn erbracht wurde.
Konkurrenz zur betrieblichen Altersvorsorge
Die neue Regelung mit der Möglichkeit der
Gehaltsumwandlung verschärft eine
grundsätzliche Konkurrenzsituation mit der
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betrieblichen Altersvorsorge, die im Wesentlichen
auch aus der Gehaltsumwandlung gespeist wird.
Die BDA räumt aus demographischen Gründen
der Förderung der betrieblichen Altersvorsorge
den Vorsorge Vorrang ein.
Begrenzte Wirkung der steuerlichen Förderung
Die steuerliche Förderung der
Mitarbeiterkapitalbeteiligung zeigt in Deutschland
nur eine begrenzte Wirkung. Dies liegt an der
Rechtsform der großen Mehrheit der
Unternehmen. Sie werden in Form von
Personengesellschaften geführt - das sind rund
80 %. Nur etwa 20 % der Unternehmen sind
Kapitalgesellschaften; hierbei handelt es sich
überwiegend um GmbH´s. Aktiengesellschaften
machen in Deutschland nur gerade einmal 0,2 %
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aller Unternehmen aus. Aktien aber bieten die
einfachste und effektivste Möglichkeit, die
Mitarbeiter am Unternehmenskapital zu beteiligen.
Entsprechend bieten in Deutschland alle
Aktiengesellschaften, deren Aktien an der Börse
gehandelt werden, Belegschaftsaktien an. Das
betrifft dann vorwiegend die großen Unternehmen.
Keine Akzeptanz für Beteiligungsfonds
Um auch den Mitarbeitern der kleineren und
mittleren Unternehmen Kapitalbeteiligungen
anbieten zu können, hat die Bundesregierung die
Möglichkeit geschaffen, dass solche Unternehmen
Kredite bei speziellen Fonds aufnehmen und die
Fondsanteile dann an die Arbeitnehmer
steuerbegünstigt weitergeben. Doch dieses Modell
hat bislang keine nennenswerte Wirkung erzielt.
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Die Arbeitgeberverbände sehen in dieser
indirekten Beteiligung keine Vorteile für die
Unternehmen; denn die Kapitalbeteiligung des
Mitarbeiters ist vor allem ein Mittel zur Vertiefung
der Identifikation mit dem Unternehmen; dieses
Identifikationsband kommt nur dann zustande,
wenn die Beteiligung direkt ist und auch das
unternehmerische Risiko einschließt. Beides ist
aber bei den Fonds nicht der Fall.
Beteiligungsfonds wenig ergiebige Finanzierungs-
quelle
Für die Unternehmen könnten solche Fonds eine
weitere Finanzierungsquelle bieten. Wir wissen,
dass dieser Gesichtspunkt in anderen Ländern eine
wichtige Rolle spielt. In Deutschland kommt
dieser Aspekt praktisch nicht zum Zuge, weil wir
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mit den Sparkassen, den Volks- und
Raiffeisenbanken und auch den Privatbanken
insgesamt über ein Bankensystem verfügen, das
bislang die Finanzierung der KMU sehr effizient
geleistet hat. Vor allem die Sparkassen und die
Volks- und Raiffeisenbanken waren in der
Finanzkrise in aller Regel ein nicht immer
einfacher, aber im Endeffekt doch sehr
verlässlicher Partner der KMU. Auch aus diesem
Grunde haben diese Beteiligungsfonds in
Deutschland keine Akzeptanz gefunden.
Verbreitung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung
insgesamt gering
Trotz der rechtlichen Schwierigkeiten gibt es auch
unter den Personengesellschaften Unternehmen,
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die über verschieden rechtliche Konstruktionen
ihre Mitarbeiter am Kapital beteiligen.
Nach den jüngsten Statistiken sind dies knapp
4.300 Unternehmen. Aber bei einer Gesamtzahl
von rund 2 Mio. Unternehmen mit mindestens
einem sozialversicherungspflichtig Beschäftigtem
macht dies lediglich einen Anteil von gut 2 % aus.
Erfolgsmodell Erfolgsbeteiligung
Die finanzielle Beteiligung der Mitarbeiter am
Unternehmenserfolg ist in Deutschland sehr viel
stärker verbreitet. Bei den kleinen Unternehmen
bis 49 Beschäftigte ist sie mit knapp 10 % zwar
eine Ausnahme, aber mit der Unternehmensgröße
nimmt auch die Verbreitung zu. In mindestens
40 % der Unternehmen mit 500 und mehr
Beschäftigten ist sie ein wichtiges Instrument der
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Personalführung und damit Bestandteil auch der
Unternehmenskultur.
Betriebliche Bündnisse für Arbeit
Zur Verbreitung beigetragen haben auch die vielen
betrieblichen Bündnisse für Arbeit, die in Folge
der Rezession 2003 entstanden waren. Hier
wurden häufig Lohnzugeständnisse der
Belegschaft auf der einen Seite und der Verzicht
auf betriebsbedingte Kündigungen auf der anderen
Seite vereinbart. Die logische und praktische
Fortsetzung dieses Gedanken ist die
Erfolgsbeteiligung im Aufschwung.
Hier ist ein Stück Sozialpartnerschaft neu
gewachsen, das in zunehmendem Maße auch
Eingang in die Tarifpolitik gefunden hat.
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Erfolgabhängige Elemente in Tarifverträgen
Die Liste der Tarifverträge, in denen Unternehmen
den Zeitpunkt einer Lohnerhöhung oder die Höhe
von Einmalzahlungen oder andere wichtige
Parameter entsprechend ihrer wirtschaftlichen
Lage verändern können, wird immer länger. In den
Tarifverträgen für alle wichtigen Branchen sind
solche Elemente zu finden. Ohne diese Flexibilität
wäre es auch für viele Unternehmen nicht möglich
gewesen, in der schweren Rezession des
vergangenen Jahres ihre Belegschaften weitgehend
zu halten.
Sicher hat die Kurzarbeit den Unternehmen dabei
sehr geholfen. Aber sie erklärt nicht alles. Im
vergangenen Jahr lag zum Beispiel in der Metall-
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und Elektroindustrie die Produktion um rund 22 %
unter dem Vorkrisen-Niveau; die Zahl der
Beschäftigten jedoch nur um etwa 6 % und die
Entgeltsumme um etwa 9 % unter dem Vorkrisen-
Niveau, die Lohnstückkosten aber um 20 %
darüber.
Hier zeigt sich, Staat, Arbeitnehmer und
Arbeitgeber haben sich je nach ihren
Möglichkeiten an den Kosten beteiligt.
Der gemeinsame Erfolg in der Krisenbewältigung
kann dazu führen, dem Instrument der
Erfolgsbeteiligung auch in der Tarifpolitik noch
mehr Raum zu geben.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!